Wundervoll wie ein guter Tropfen Wein

Diese Wanderung führt uns in ein Gebiet, das ich mit meinen Eltern schon als kleiner Junge erkundet hatte. Damals war Montana noch ein kleines Feriendorf und die Meinung über die im Bau befindlichen ersten grossen Ferienhäuser sehr gespalten, die in Form überdimensionierter Chalets in die Landschaft gesetzt wurden. Die Frauen auf den Maiensässen trugen noch ihre schwarze Arbeitstracht und strickten, die eine Nadel unter dem Arm eingeklemmt, während sie das Vieh hüteten. Die Alpweiden waren von grossen Herden der stämmigen, schwarzen Eringer Kühe bestossen, das Glockengeläut und Muhen der Tiere weit herum zu hören. Diese Bilder steigen auch heute wieder in mir auf und es ist mir, als würde ich das Rufen der Hirten und das Bellen der Herdenhunde wieder hören. Doch mittlerweile hat sich Vieles im Zeichen des Massentourismus verändert.

 

Wir folgen der Suone, wie die deutsche Bezeichnung dieser Wasserführungen lautet, bis zur Kreuzung mit der Fahrstrasse, die zur Cave de Merdechon hinaufführt. Dort liegt, gleich hinter der nächsten Bodenwelle versteckt, die ganzjährig bewirtete Cabanne de la Tièche, wo wir als erste Gäste des Tages bei heissem Kaffee den Blick über die Alpweiden von Montagne du Sex und Montagne du Plan bis hinauf zu den Faverges schweifen lassen, den Felskamm, der den Glacier de la Plaine Morte nach Süden begrenzt.

Wir verlassen später die Fahrstrasse an der Stelle, wo sie zur Tièche hinunter leitet, und queren auf einem schmalen Pfad zur Steilstufe im Norden hinüber, über die das Gletscherwasser in mehreren Fällen in die Tiefe stürzt. Eine abschüssige Passage ist mit Fixseilen und in die Felsen geschlagene Stufen gut gesichert. Danach erreichen wir den hohen Wasserfall, der über die Wand der Arête de Nusey herunterstürzt (Abb. 1). Über eine kleine Brücke gelangen wir zum Wandfuss und lassen uns die Dusche unter dem herabstürzenden Wasser nicht nehmen. Allerdings müssen wir uns mit dem Sprühwasser begnügen, da die Gewalt der Wassermassen der Hitze der letzten Wochen wegen zu gross ist.
Der Weg wendet sich nun gegen Osten in Richtung des Mont Bonvin, dem grösseren Bruder des Kleineren, zu dem wir unterwegs sind. Oberhalb der Creux de la Tièche zweigt unser Pfad auf genau 2300 Metern Höhe gegen Süden ab. Über die schmale Weide der Alpage de Béveron gewinnen wir schliesslich den Felskopf des Petit Mont Bonvin (Abb. 2). Zum Gipfel gelangt man über eine gegen Norden ausstreichende Verschneidung. Hier ist bei feuchtem Untergrund Vorsicht geboten. Die Aussicht ist atemberaubend. Jenseits des Rhonetales schimmert die schier endlose Reihe der Walliser Viertausender, eine prachtvolle Rundsicht, zu der, getreu dem Namen des kleinen Berges, auf dem wir stehen, ein guter Tropfen Wein gehört (Abb. 3).

Der Abstieg über die weiten Alpweiden von Les Granzettes hinunter zum langen Stallgebäude von Prabaron lässt sich vom Gipfel aus gut planen. Unseren Gelenken zu liebe meiden wir die harten und steinigen Alpsträsschen. Den letzten Abschnitt unserer kleinen Rundwanderung kürzen wir über die stotzige Waldschneise ab, die gegen Osten zur Cave de Colombire hinunter leitet (Abb. 4). Hier hat sich mittlerweile die Masse der Spätaufsteher versammelt und begrüsst uns mit Lärm und Klamauk – wo ist nur das Geläut der Glocken, das Rufen der Hirten geblieben?

Aufgepasst

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

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christian.besimo@bluewin.ch

Monte Bar

Zum Monte Bar in der Val Colla nördlich von Lugano führen viele Wege, die je nach Wetter und Jahreszeit ihren Charakter völlig ändern können. Eine häufige Konstante ist jedoch der Wind, dem der Bar schutzlos ausgesetzt ist, aus welcher Richtung auch immer er wehen mag, bei Nordföhn meist besonders heftig. Nur selten haben wir den Gipfel bei Windstille erlebt, sodass sich das Mitnehmen warmer winddichter Kleidung auf alle Fälle lohnt, kalt fühlt es sich dort oben bei Wind in jeder Jahreszeit an.

Eine herrliche Gratwanderung in der klaren Herbstluft ergibt sich von Borisio aus. In dieser Maiensiedlung finden sich für die Val Colla typische kleine, in den Hang hineingebaute, mit Steinplatten gedeckte Gebäude. Diese weisen in der Regel im Innern ein gemauertes Gewölbe auf und wurden über einer Quelfassung errichtet. Borisio erreicht man über das Fahrsträsschen, das von Somazzo zur Capanna Monte Bar hinaufführt. Wir nehmen den Weg, der die Gebäude gegen Südwesten zu verbindet bis zum letzten Haus, wo gegen Nordosten ein Weg zur Alpe Rompiago abzweigt. Diesem folgen wir bis zur Waldecke, wo wir uns in der Falllinie des Hanges gegen Nordwesten wenden. Über diesen Pfad erreichen wir schliesslich das weithin sichtbare Kreuz auf Motta della Croce, ein herrlicher Aussichtspunkt hoch über dem Luganese und der Val Colla.
Von hier aus ist der Weiterweg über den breiten Gratrücken der Caval Drossa in den Sattel oberhalb der Alpe Crocc und weiter hinauf zum Gipfel des Monte Bar vorgezeichnet. Von dort oben reicht der Blick vom Appenin über die Seealpen bis hin zum Monte Rosa, der Spitze des Matterhorns, der Mischabel- und Weissmiesgruppe, dem Finsteraarhorn und den Bündner Bergen des Bergells (Abb. 1 und 2). Gegen Süden ist es nun ein Katzensprung bis zur neuen Capanna Monte Bar, wo man sich kulinarisch verwöhnen lassen kann, im Winter allerdings nur an den Wochenenden ab Donnerstag.


Den Abstieg beginnen wir auf der Fahrstrasse gegen Nordwesten, bis nach dem dritten Bachgraben talwärts einer der alten Aufforstungswege abzweigt. Nach weiteren zwei Bachläufen wenden wir uns dem Pfad zu, der vorerst gegen Südosten und später mit einem Schlag gegen Westen zur Hütte von Tassera hinunterführt. Wunderschön ist das herbstliche Farbenspiel in diesem Bergwald. Über den gegen Westen abgehenden breiten Zuweg erreichen wir die Fahrstrasse und die Alpe Rompiago, wo herrlich mundender Alpkäse oder eine weitere Wegstärkung erhältlich ist. Gegen Südosten findet sich eine alte Wegspur, die eine Kurve der Fahrstrasse abkürzen lässt, auf der wir schliesslich wieder den Ausgangspunkt unserer Bergtour erreichen (Abb. 4).


Im Winter bietet sich für Schneeschuhgänger der Aufstieg von Albumo über Monte zum Gipfel des Monte Bar an. Die Route folgt vorerst dem Fahsträsschen bis nach der Spitzkehre nördlich von Monte, wobei sich bei der Kirche und später auf dem Maiensäss jeweils eine Strassenkehre ohne Mühe abkürzen lässt. Nach besagter Kurve zweigt bergwärts ein Pfad ab, der sich in mehreren Kehren bis zu einem Waldsträsschen hinaufwindet. Die Fortsetzung des Pfades findet sich wenige Meter westlich und führt weiter gegen Norden hangaufwärts, bis man zum Teil weglos zur weiten Weide von Piazza Grande gelangt. Hier vermögen die häufigen Winde die Schneeschicht in der Regel bis hinauf zum Gipfel des Monte Bar stark auszudünnen und zu gefrieren, was den weiteren Aufstieg wesentlich erleichtert. Faszinierend sind die z. T. bizarren Schneeskulpturen, die der Wind zu formen vermag. Den Gipfel erreicht man, indem man gegen Norden über die Weiden und an der Hütte vorbei zum breiten Südgrat aufsteigt. Unnötig zu erwähnen, dass die Rundsicht vom Monte Bar aus auch im Winter herrlich ist, diesmal, sofern auf diesem Gipfel Schnee liegt mit verschneiten, im Sonnenlicht gleissenden Tessiner Bergen (Abb. 3).
Auf dem Abstieg wenden wir uns von der Capanna Monte Bar gegen Süden zur Alpe Musgatina und weiter gegen Pian Sotto hinunter, bis der Weg gegen Osten zur Maiensiedlung Cozzo und weiter nach Piazza hinunter abzweigt. Von dort aus erreichen wir in Kürze auf einem Fahrsträsschen wieder das Dorf Albumo (Abb. 4).

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Schneeschuhtour im Winterlicht der Birkenwälder

Diese Schneeschuhtour auf den Monte Bigorio entführt uns in eine glazial geprägte, vom Nordföhn oft umtoste Landschaft mit jungen Birkenwäldern, die die weiten ehemaligen Weide- und Anbauflächen der Capriasca allmählich zurückerobern. Ein Seitenarm des Tessingletschers hat nicht nur die Felsformationen am Monte Ceneri, sondern auch in der Val Capriasca glatt geschliffen und an der Gola di Lago einen glazialen Restsee hinterlassen, der mittlerweile zu einem kleinen Hochmoor verlandet ist. Der Westkamm der Val Capriasca stellte bis zum Ende des Kalten Krieges auch eine militärstrategisch wichtige Geländeformation am Passübergang des Monte Ceneri dar und wurde in den zwei Weltkriegen massiv befestigt, wie wir noch sehen werden.
Wir starten unsere Rundtour gleich beim Parkplatz auf der Passhöhe von Gola di Lago und überschreiten in westlicher Richtung den ersten Rundhöcker mit der Höhenquote 994 Meter. Wir durchqueren das kleine Tälchen jenseits des Hügels, vorbei an einem weiteren Parkplatz zum Nordhang der Cima di Lago hinüber. Über diese Flanke, die häufig dank des angreifenden Nordföhns eine eher wenig tiefe Schneedecke aufweist, gewinnen wir den Gipfel (Abb. 1).

Abb. 1: Im Aufstieg zur Cima di Lago mit Blick auf den Monte Bar und Caval Drossa

Auf der südlich des Gipfels gelegenen Felsformation steht ein Denkmal zu Ehren der Soldaten, die seit 1938 in der Grenzbrigade 9 zum Schutz der südlichen Grenze im Tessin gedient haben. Die Einheiten der Brigade und die Namen ihrer Kommandanten sind aufgeführt. Das Denkmal ist als nach Süden offene Schutzhütte mit schrägem Dach gestaltet, deren hoch aufragende Stütze zugleich als Kamin für eine offene Feuerstelle dient. Erst beim Umgehen des Felskopfes realisieren wir, dass das Denkmal auf dem zentralen Infanterieverteidigungswerk im Bereich von Gola di Lago errichtet worden ist. Es besteht aus zwei Kampfstellungen für Maschinengewehre und einem unterirdischen Unterstand mit Notausgang. Zur Sicherung dieses örtlich wichtigen Infanteriebunkers wurde im gegenüberliegenden Hügel ein Stützwerk mit zwei Maschinengewehrstellungen angelegt. Auch diese Anlage wurde mit einem allerdings kleineren Unterstand versehen. Ein Teil des Infanteriehindernisses aus Stacheldraht ist belassen worden, das das vermutlich auch zur Verminung vorgesehene Vorfeld zusätzlich sicherte.
Auf dem Weiterweg überschreiten wir den Matro di Stinche und umgehen im folgenden Sattel die Umzäunung der gleichnamigen Maiensiedlung gegen Westen (Abb. 2).

Abb. 2: Im Birkenwald zwischen der Cima di Lago und dem Matro di Stinche, im Hintergrund der Monte Tamaro

Wir passieren den Sattel gegen Osten, wenden uns bei den ersten Häusern gleich wieder gegen Süden und steigen über den Nordhang des Monte Bigorio zu dessen lang gezogenem Grat hinauf. Auch hier profitieren wir wieder von der Vorarbeit des Nordwindes und erreichen schon kurz nach der Senke wieder eine dünnere, gut spurbare Schneedecke. Es lohnt sich, den höchsten Punkt des Monte Bigorio zu überschreiten und bis zum Geländepunkt 1167.2 Meter südlich der Hütten von Moschera zu queren, da sich dort der Blick auf das gesamte Umland von Lugano und bei klarer Sicht weit über den Ceresio hinaus bis zum Appenin und den Seealpen öffnet. In der Nähe umgibt uns ein verschneiter Kranz von Bergen, von Ost nach West Caval Drossa, Monte Bar, Cima di Fojorina, Denti della Vecchia, Monte Boglia, Sighignola, Monte Generoso, Monte S. Giorgio und die Krete vom Monte Lema bis zum Tamaro. Gegen Norden erheben sich jenseits des Ceneri die Berge um die Valle Verzasca (Abb. 3).

Abb. 3: Ausblick vom Geländepunkt 1167.2 m auf die Verzascheser Berge

Nach ausgiebiger Rast wenden wir uns gegen Norden und folgen der ersten Geländerippe östlich der Krete des Monte Bigorio in eine Bachrinne, auf deren Nordseite wir den Verbindungsweg von den Monti di Cima nach Stinche erreichen. Diesmal umgehen wir die weitläufige Einfriedung von Stinche gegen Osten und benutzen weiter die Trasse des breiten Weges zurück nach Gola di Lago, wobei sich nördlich eines kleinen Hügels mit Bank ein Schlenker des Pfades abkürzen lässt (Abb. 4). Herrlich ist auch hier, wie bereits auf der gesamten Route, das Spiel des warmen Lichts der tief stehenden Sonne und der Schatten der silbern schimmernden Birkenwälder, an dem wir uns nicht satt zu sehen vermögen. Noch lange klingen in uns die leuchtenden Bilder dieses herrlichen Tages nach.

Abb. 4: Routenverlauf

Aufgepasst

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

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Aubrig – Auf den Grossen hinauf und um den Kleinen herum

In der vom Etzel zum Wägitalersee ziehenden Bergkette bildet der Gross Aubrig mit seinen 1695 Metern die höchste Erhebung. Von Norden her betrachtet stellt er zusammen mit seinem kleinen Bruder, dem Chli Aubrig, eine markante Felsenklippe dar. Die Aubrige sind zurückgebliebene Schuppen der helvetischen Deckenbildung während der Auffaltung der Alpen. Sie liegen, wie die Mythen auch, jüngerem Flysch auf. Während sich der Zugang zum Chli Aubrig von Euthal oder der Sattelegg aus einfach und direkt erschliesst, erweist sich die ­Besteigung des Gross Aubrig etwas sperriger, aber nicht weniger reizvoll.

 

Wir starten auf der Sattelegg und wählen am Südende des grossen Parkplatzes das gegen Südosten weisende Fahrsträsschen, das durch Moorgebiet über Schwanten und Steinwändli zur Alp Unter Alten führt. Immer wieder begegnen wir in diesem Gebiet und später an der Südostflanke des Chli Aubrig mächtigen Bergahornen (Abb. 1). Hier befinden wir uns unmittelbar unter den hoch aufschiessenden Flühen des Chli Aubrig. Im Osten verlegt uns, nun schon nahe, der wesentlich behäbigere Klotz des Gross Aubrig den Blick in Richtung des Wäggitals. Dazwischen liegt das tief eingeschnittene Tal des Chratzerlibachs. Nun gilt es in den Sommermonaten zu entscheiden, ob wir der Einkehr wegen den Bach zur Alp Ahoreli hinüber queren oder die Höhe halten und an der Ostflanke des Chli Aubrig entlang Richtung der Alp Ober Alten weiterziehen wollen. Beide Wegvarianten sind etwa gleich lang. Die erste zwingt zu etwas mehr Höhenmetern, ermöglicht dafür eine Stärkung im Bergbeizli von Ahoreli, die zweite umrundet den Talkessel mehr oder weniger eben aus. Nur wer dort hin geht hat auch die freudige Qual der Wahl.

Bei der Lokalität Rothärd gilt es dann in beiden Fällen die Krete zwischen Nüssen und Gross Aubrig zu erklimmen. Spätestens bei Erreichen der Höhenquote 1513 Meter eröffnet sich uns nicht nur ein herrlicher Blick ins Wäggital, sondern, wie bereits erwähnt, auch die Sperrigkeit des Zugangs zum Gross Aubrig. Denn zwischen uns und dem Gipfel tut sich ein tiefer Einschnitt in der Krete auf, den es vorerst einmal zu überwinden gilt. Ein guter Grund kurz innezuhalten und die Aussicht zu geniessen auf den Wäggitalersee mit den umliegenden Gipfeln vom Chöpfenberg über Tierberg, Bockmattli, Schiberg, Brünnelistock, Zindlenspitz und Lachenstock, bis hin zum Mutteristock und Ochsen, die überragt werden vom Glärnisch. So malerisch der See heute im Tal liegt, so umstritten war die Erbauung des Stauwerks unter der ortsansässigen Bevölkerung, zwang diese doch zur Aufgabe eines ganzen Dorfes mit seinen zahlreichen Streusiedlungen und bedeutete die Zerstörung fruchtbaren Bodens. Die Bauernfamilien konnten nur teilweise an den Talhängen neu angesiedelt werden. Die übrigen mussten das Tal verlassen und unten in der Ebene neu beginnen. Beat Hüppin hat mit seinem lesenswerten Roman ‚Talwasser‘ zur Entstehungsgeschichte des Stausees den damals betroffenen Menschen im Tal ein würdiges Gedenken geschaffen (Zytglogge Verlag Basel 2016, ISBN: 978-3-7296-0909-9).

Nach dem Abstieg in den Sattel braucht es ein gutes Auge, um die wenigen ausbleichenden Wegmarkierungen sowie die spärlichen Trittspuren in der Bergwiese ausmachen zu können, die talabwärts zwei gegen Süden herunterziehende Felsrippen umgehen. Es gehen also ein paar weitere Höhenmeter verloren, bevor wir praktisch weglos den von der Alp Bärlaui heraufführenden Pfad erreichen, der nun zu einem zwar stotzigen, aber gut begehbaren Weg wird, über den wir schliesslich die im Süden des Gipfels liegende Hangschulter mit dem von weitem sichtbaren Stall gewinnen. Anschliessend stossen wir, direkt gegen Norden über die Wiese aufsteigend, wieder auf Pfadspuren, die uns den Weg zum Gipfel weisen. Hier öffnet sich nun auch der Blick gegen Norden auf die Seenplatte rund um den Zürichsee. Im Osten ragen der Säntis und die Churfirsten auf, im Süden blitzt die vereiste Kappe des Tödi herüber, im Westen fallen neben vielen anderen Gipfeln Urirotstock, Mythen, Rigi und Pilatus ins Auge (Abb. 2).

Auf dem Hinweg kehren wir bis zum zweiten Sattel mit der Höhenquote 1439 Meter zurück, wo wir uns gegen Süd­westen wenden. Eben aus, am Rande der Weiden der Alp Ober Alten, queren wir den Nordhang des Nüssen hinüber zur Krete, über die wir nach kurzer Zeit die Wildegg erreichen. Nun bleibt nur noch die sanft abfallende Rückkehr durch die Westflanke des Chli Aubrig zur Alp Chrähwäldli und von dort leider wenig gefällig über das Fahrsträsschen zur Sattelegg zurück. Wer sich den grössten Teil des Fahrsträsschens ersparen will, der nimmt eine kleine Gegensteigung bis zum Sattel östlich der Büelhöchi (Geländepunkt 1372 Meter) in Kauf (Abb. 3). Aber vielleicht, wer weiss, hat jemand doch noch nicht genug der herrlichen Rundsicht und steigt noch schnell oder gemütlich zum Chli Aubrig auf, der auch im Winter von Euthal aus Anlass für eine wunderbare Rundwanderung mit den Schneeschuhen bietet.

Leserinnen und Leser, die gerne einmal eine Bergtour mit dem ­Autor der Wandertipps unternehmen möchten, können ihr ­Interesse per E-Mail an christian.besimo@bluewin.ch anmelden und werden darauf über geplante Wanderungen informiert.

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (T1–6) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

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Kleine Wanderung zum Hochmoor am Pilatus

Die gedeckte Holzbrücke über den Ränggbach zwischen Oberrodel südwestlich von Kriens bei Luzern und Hergiswald wurde 1791 von Josef Ritter erbaut. Diese historische Druckbogenbrücke musste im Lauf der Zeit mehrfach den sich wandelnden Erfordernissen des Verkehrs angepasst werden. So wurde neben anderen Massnahmen das Dach angehoben, bis die Brücke den wachsenden Fahrzeugdimensionen und Belastungen endgültig nicht mehr gewachsen war. 2012 erfolgte deshalb flussabwärts ein neue, filigranere Brückenkonstruktion in Zugbogenbauweise. Die alte Hergiswaldbrücke wurde durch feine Zimmermannsarbeit in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt und gilt heute als älteste erhaltene Holzbogenbrücke der Schweiz. Dieses gelungene Nebeneinander von Alt und Neu zeigt die faszinierende Weiterentwicklung des modernen Holzbaus.


Wir beginnen unsere gemütliche Rundwanderung beim Parkplatz gleich neben den Holzbrücken. Wir benutzen den Weg zwischen Ränggbach und Hergiswaldstrasse bergwärts bis zum Zufluss des Rotbachs. Durch dessen stotziges Tobel steigen wir nun zum Hochmoor südwestlich der Krienseregg hinauf. Kurz vor Erreichen der ersten Ebene überwinden wir auf einer sehr steilen Steintreppe die letzte Felsstufe des Tobels (Abb. 1).

Wir queren das Fahrsträsschen gleich nach der Schlucht und durchsteigen auch noch den Hang im Wald östlich der Gibelegg bis zur Ricketschwendistrasse. Dieser folgen wir nach Osten bis zur Einmündung in die Kreuzstrasse. Dort liegt das heimelige Naturfreundehaus Krienseregg, wo wir im Anblick des verschneiten Pilatus einkehren und währschaft zu Mittag essen (Abb. 2).

Mit vollem Magen wenden wir uns nach Norden, überschreiten nach wenigen Metern den hier noch harmlosen Rotbach und durchqueren auf dem Kriensereggweg das Foremoss bis zum ersten nach Norden abgehenden Weg. Dieser führt uns nach kurzem Anstieg durch den Wald von Schärersrüti zum Chäsgade hinunter. Hier öffnet sich der Blick auf die Kirche von Hergiswald sowie über den Sempachersee hinaus bis zum Jura (Abb. 3).

Die Dampfsäulen der Kernkraftwerke von Leibstadt und Gösgen helfen bei der Orientierung. An der Wegkreuzung beim Geländepunkt 973 Meter wenden wir uns weiter talwärts Richtung Westen und gelangen so bald einmal an den Rand des Rotbachtobels, dem wir bis zum Bauernhof von Oberschwendi folgen. Auf dem Fahrsträsschen Richtung Vorderschwendi erreichen wir den Waldstreifen, in dem der Chrienbach verläuft. Diesem entlang gelangen wir zur Zufahrtsstrasse von Hinterschwendi, wo ein Weg beginnt, der Richtung Nordwesten zum nächst tieferen Waldrand hinunterführt. Bei der Weggabelung wenden wir uns dem linken, exakt nach Norden weisenden Hohlweg zu, über den wir steil abwärts an den unteren Waldrand bei den Häusern von Oberrodel gelangen. Nun sind es nur noch ein paar Schritte bis zur alten Hergiswaldbrücke und dem Ausgangspunkt unserer kurzen Wanderung zurück, der südwestlich liegt (Abb. 4).

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

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Eine Zweitagestour fern touristischer Hektik

Diese herrliche Zweitagestour hoch über der Piano di Magadino ist in der vorliegenden Form erst aus einer Improvisation heraus entstanden, zu der uns der unerwartet viele Neuschnee in den Bergen gezwungen hat. Am Ende der Zweitagestour hat uns aber die angepasste Routenwahl überzeugt, weshalb wir dieser einen speziellen Namen gegeben haben – die Via alta Magadinese VAM.

Die erste Tagesetappe beginnt in Monte Carasso bei der Bushaltestelle Cunvént. 150 Meter südwestlich zweigt bergwärts eine Strasse ab, die uns zum Beginn des Saumpfades führt, über den wir, an der Chiesa Santa Trinità vorbei, nach rund einer Stunde jene von San Bernardo erreichen. Wer die Kirche betritt, wird von einem unerwartet farbigen und stilreichen Bilderzyklus überrascht, der vom späten Mittelalter über die Renaissance bis in die Barockzeit reicht (Kirche in der Hauptsaison tagsüber geöffnet, übrige Zeit Schlüssel im nahe gelegenen Ristorante Ostello Curzútt erhältlich). Uns haben die Fresken über eine Stunde lang in ihren Bann gezogen, deren Beschreibung würde aber den Rahmen dieses Tourenberichts bei weitem sprengen. Bergwärts der mehrfach umgebauten und erweiterten Kirche sind noch das Pfarr- und Beinhaus erhalten. Im Gegensatz zu heute lagen die Dauersiedlungen früher nicht in der von Malaria verseuchten und wiederkehrend von Hochwassern heimgesuchten Piano di Magadino, sondern im unteren Teil der vor allem nach Süden ausgerichteten Berghänge. In Curzútt lebten bis zu 900 Personen, deren Siedlungsspuren noch heute im Wald deutlich zu erkennen sind. Die frühere Grösse und somit Bedeutung dieser Siedlung dürften die prunkvollen Fresken erklären, die zum Teil der berühmten Malerfamilie der Seregnesi aus Lugano zugeschrieben werden.

Gegen Osten vorerst an-, dann absteigend erreichen wir nach kurzer Zeit den Ponte Tibetano, eine weit gespannte Hängebrücke über die Valle di Sementina. Diese stabile Stahlkonstruktion bietet zwar einen atemberaubenden Tiefblick in das tief eingeschnittene Tal, vermag aber nicht den Nervenkitzel zu verursachen, den wir vor vielen Jahren auf Hängebrücken in Nepal erlebten, die auf das absolut Notwendige reduziert waren und erbärmlich schaukelten.

Auf der gegenüberliegenden Talseite erreichen wir die südwestliche Talkante und die verstreut in Waldlichtungen liegenden Monti della Costa. Über weite Kehren durch lichten Birkenwald und vorbei an den Maiensiedlungen Gana, Cantìr Marsc, Ghiringhelli und Canva gewinnen wir schliesslich den Sattel westlich des Mött. Nun bleibt noch ein letzter Hang mit Buchenwald zu überwinden, bevor wir aus dessen kühlendem Schatten auf die Breite Hangschulter mit der ehemaligen Alp und der Capanna Mognone hinaustreten. Hier weitet sich der Blick weit über die im Dunst liegende Piano di Magadino hinaus, ein herrlicher Ort zum Übernachten. Die Selbstversorgerhütte bietet allen notwendigen Komfort vom Gas- und Holzkochherd, Schlafraum mit Decken bis hin zur Toilette und Dusche. Nur eben den Proviant muss er oder sie selbst hochtragen. Noch luftiger liegt die Alpe Morisciolo, deren malerischen Anblick man sich auf einem kleinen Abendspaziergang auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Zudem gewinnt man von der nahe gelegenen Cimetta d’ Orino aus einen eindrücklichen Blick auf die Siedlungen der Alpe di Ruscada.

Der zweite Tag beginnt gemütlich mit einer Traverse zur etwas tiefer gelegenen Alpe Orino im Westen, wo eine weitere Selbstversorgerhütte liegt. Über eine weite Kehre gegen Nordosten gelangen wir zu einer Carbonera, einer Stelle, wo früher Kohlenmeiler betrieben wurden. Noch heute finden sich an diesen Stellen Holzkohlestücke in der schwarzen Erde. Hier zweigt nach Westen der schmale Pfad zum Corte di Mezzo der Alpe di Ruscada ab. Dieser Wegabschnitt ist in seinem ersten Teil exponiert und erfordert Trittsicherheit. Nach Erreichen der Alphütten verlassen wir diesen obersten Teil der Valle di Cugnasco gleich wieder in westlicher Richtung zur Forcola hinauf, da uns der viele Schnee den Übergang zur Capanna Borgna verwehrt. Die Forcola gewährt einen wunderbaren Blick in die Val della Porta mit seinen diversen Alpsiedlungen und auf den Pizzo di Vogorno.

In südwestlicher Richtung steigen wir zu den Monti di Colla und Monti della Gana ab, bei deren untersten Häusern der Verbindungsweg zu den gleich hoch gelegenen Monti di Gola Secca nach Westen abzweigt. Auf den Monti di Gola Secca beginnt bei der obersten Ruine der Weg zur Alpe di Foppiana hinauf, den wir aber kurz nach einer Wasserfassung eben aus wieder verlassen, um die Gratschulter am Ausgang der Valle Verzasca zu erreichen, die uns über die Monti della Scesa zu den Monti di Motti hinunterleitet. Das kurze Stück Fahrstrasse ist zwar lästig, dafür braucht man sich auf diesem Abschnitt für einmal nicht darauf zu konzentrieren, wohin man seine Füsse stellt. Zudem entschädigt die Sicht auf die Verzascheser Berge für die Unbequemlichkeit des Hartbelags. Nach kurzer Einkehr im Grotto steigen wir über die immer gleiche Talkante und die Monti di Metri nach Gordemo ab, einem Dorfteil von Gordola. Hier führen viele Wege zu den an der Strasse in die Valle Verzasca gelegenen Häusern von Scalate hinunter, wo, ‚nomen est omen‘, uns ein steiler Treppenweg erwartet. Dieser lässt uns nochmals die vielen überwundenen Höhenmeter spüren und bringt uns zur Strassenbrücke über die Verzasca hinunter. Beim Dorfplatz von Tenero wenden wir uns gegen Süden und erreichen nach wenigen Minuten den Bahnhof (Abb. 4).

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