Im Reich der Steinböcke

Vor vielen Jahren wagten mein Vater und ich uns im Walliser Val d’Hérémence an eine Traversierung von Thyon zum Lac des Dix. Damals war diese Tour tatsächlich ein Wagnis, denn auf der Karte war kein durchgehender ­Höhenweg eingezeichnet und im Gelände höchstens eine Wegspur zu erkennen. Markierungen fehlten. Heute ist alles anders. Der Weg ist in einem ausgezeichneten Zustand und verläuft auf einer Höhe von durchschnittlich 2200 Metern. Wir wählen den Weg als Zustieg zur Cabane de Prafleuri, um am zweiten Tag über den gleichnamigen Pass in die Val de Nendaz abzusteigen.

So rasch wie möglich verlassen wir die Retortensiedlung Thyon 2000 auf einem Fahrsträsschen gegen Südosten. Gleich in der ersten Haarnadelkurve zweigt der Höhenweg gegen Süden ab und steigt langsam zu den Seen von Les Gouilles an. In kurzem Abstieg erreichen wir die neuen Alphütten von Essertse, die 1971 in Betrieb genommen wurden. Etwas tiefer liegt die sehenswerte alte Alpsiedlung, die vom Ski-Club Hérémence zur Schutzhütte umgebaut wurde und jeweils von Juni bis Ende August bewirtet ist. Danach folgen der Pas de la Lé sowie die Alphütten von Chaulué, Orchèra und Métail, bevor unterhalb der Alp Allèves unser Pfad in die Combe de Prafleuri abzweigt. Nach dem langen Höhenweg mag es sein, dass der letzte Anstieg zur Hütte von gut 300 Höhenmetern etwas zu beissen gibt, doch ist dieser nur von kurzer Dauer. Vor einiger Zeit hat ein Felssturz am Mont Blava den alten, direkten Hüttenzugang vom Barrage de la Grande Dixence verschüttet. Es ist eine neue Trasse mit Schutzmauer angelegt worden, in die wir auf dem letzten Stück einschwenken. Die mächtigen Blöcke des Felssturzes sind dank ihrer frischen Bruchstellen noch immer gut zu erkennen.

Beim Abendessen in der Hütte haben dann alle den Tourenführen Chamonix – Zermatt vor sich liegen. Und alle scheinen auch in dieselbe Richtung zu gehen – von West nach Ost. Warum eigentlich, insbesondere die vielen Amerikaner? Ritt nicht der einsame Cowboy stets nach Westen in die untergehende Sonne? Was würde wohl geschehen, wenn man die Beschreibung dieser Allerweltsroute in umgekehrter Richtung herausgäbe? Würde sich die Bewegungsrichtung der Masse von Hikern ebenfalls ändern? Beim Blick in die Augen meiner Frau weiss ich, dass sie dasselbe denkt: wie gut, dass wir quer denken und auch quer gehen.

Der nächste Morgen sieht uns entsprechend einsam die Grashänge im Südosten der Pointes des Autans zum Col de Prafleuri erklimmen. Begleitet werden wir nur von einem grossen Rudel Steinböcke, das wir aus nächster Nähe beobachten können. Leider sind die Wunden, die die riesige Baustelle für die Staumauer von Grande Dixence geschlagen hat, noch längst nicht verheilt. Das abgebaute Moränenmaterial wurde auf Fliessbändern durch einen Tunnel zur Baustelle der Mauer geleitet. Dieser Tunnel dient heute dem Hüttenwart als Zufahrt. Mit jedem Schritt höher weitet sich dafür der Blick, der auf dem Pass schliesslich von der Mischabelkette bis hin zum Montblanc reicht. Die Rosablanche mit ihrem Gletscher hat man unmittelbar vor sich.

Der Abstieg bis zur Abzweigung Richtung Refuge de St. Laurent bei der Geländequote 2826 Meter am Ufer eines kleinen Sees verläuft zwischen Grand Mont Calme und dem nordwestlich von diesem gelegenen Felsriegel. Hier liegt längst kein Eis mehr, im Frühsommer aber noch viel Schnee, der am Morgen hart gefroren sein kann. Entsprechend lohnt es sich, Steigeisen und Pickel für die steileren Stellen zur Hand zu haben. Das Refuge de St. Laurent erreichen wir auf einem Pfad, der gegen Nordnordwesten am Lac du Grand Desert vorbeiführt, eine herrliche glaziale Landschaft mit vielen, in allen Farben leuchtenden Pionierpflanzen.

Für den Abstieg nach Siviez (Super Nendaz), ein weiteres Retortendorf, wählen wir nochmals einen Leckerbissen, nämlich die Trasse der ehemaligen Bisse de Chervé, die ihre Wasserfassung, noch heute sichtbar, in der La Printse hatte und bis Thyon führte! Diesen wunderschönen Höhenweg in der Kampfzone der Arvenwälder erreichen wir über einen kurzen Gegenanstieg unmittelbar nach der Brücke über die Printse bei der Alphütte von La Gouille. So ersparen wir unseren Gelenken einen steinigen Abstieg und lassen uns am Schluss mit dem Sessellift von Combatseline nach Siviez hinuntertragen.

Übernachtung und Verpflegung
Cab. d’Essertze: Tel. 079 862 67 33, www.essertze.ch
Cab. de Prafleuri: Tel. 027 281 17 80, www.prafleuri.ch
Ref. de St. Laurent: Tel. 027 288 50 05, www.arpettaz.ch

Sessellift Combatseline
Nendaz Tourisme: Tel. 027 289 55 89, www.nendaz.ch

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (T1-6) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1 – 6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

Ökologische Nachhaltigkeit in der Kardiologie

Nachhaltigkeit gewinnt in der Kardiologie zunehmend an Bedeutung, da auch die Gesundheitsbranche ihren grossen ökologischen Fussabdruck reduzieren muss. Innovative Ansätze wie energieeffiziente Geräte, umweltfreundliche Materialien und nachhaltige Lieferketten tragen dazu bei, die Umweltbelastung zu reduzieren. Der Artikel erklärt zunächst wichtige Grundbegriffe rund um den Klimawandel und thematisiert in einem zweiten Teil, welche Implikationen die Kardiologie auf das Klima hat.

Sustainability is becoming increasingly important in cardiology, as the healthcare industry must reduce its large ecological footprint. Innovative approaches such as energy-efficient devices, environmentally friendly materials and sustainable supply chains are helping to reduce the environmental impact. The article first explains important basic terms relating to climate change and then discusses the implications of cardiology for the climate.
Key Words: Sustainability in cardiology, ecological footprint, climate change

Präambel

Dieser Artikel befasst sich ausschliesslich mit den Auswirkungen, welche die Kardiologie auf die Umwelt und das Klima hat. Die Einflüsse, welche umgekehrt die veränderten Klimabedingungen auf die Kardiologie respektive auf die Gesundheit unserer Patient/-innen ausüben, werden in diesem Artikel bewusst nicht besprochen.

Teil 1: Grundbegriffe und Grössenordnungen zum Klimawandel

Temperaturanstieg und Auswirkungen

Der menschengemachte Klimawandel führte bisher zu einem Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperaturen bis 2023 um 1,1°C im langjährigen Mittel (Anstieg an Land + 1,6°, im Meer +0,9°C) (1). Dabei ist nicht nur das Ausmass, sondern auch die kurze Zeitspanne des Temperaturanstieges für die Adaptation von Mensch und Natur eine grosse Herausforderung (Abb. 1). Es ist das erklärte Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015, die weltweite langjährige Durchschnittstemperatur bis 2050 nicht höher als 1,5 Grad Celsius (°C) über den vorindustriellen Durchschnitt ansteigen zu lassen (2). Gemäss der Weltorganisation für Meteorologie erreichte der Temperaturanstieg 2023 allerdings bereits +1,45 (± 0,12) °C oberhalb des vorindustriellen Durchschnittes (1850-1900) und liegt seit über einem Jahr ununterbrochen auf Rekordniveau (3). Aktuelle Berechnungen gehen daher eher von einem Anstieg der langjährigen Durchschnittstemperaturen bis 2050 von +2°C aus. Diese Durchschnittszahlen verschleiern, dass der Temperaturanstieg regional oder lokal deutlich höher ausfällt (Anstieg Durchschnittstemperatur Schweiz 2014-2023: +2,7°C gegenüber vorindustriell) (4).

Der Temperaturanstieg führt zu extremen Wetterphänomenen mit teilweise katastrophalen Auswirkungen für Mensch und Umwelt. Dazu gehören Dürre und extreme Hitzeperioden, riesige Waldbrände (Südamerika 2024), Zunahme von heftigen Stürmen mit Windschäden (Mittelmeer August 2024), massive Regenfälle, Überschwemmungen und Erdrutsche (z. B. Süddeutschland 2021, Schweiz Sommer 2024, Osteuropa Herbst 2024) sowie Abschmelzen der Gletscher und Polkappen mit Anstieg des Meeresspiegels (Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens, wird u.a. deshalb andernorts neu gebaut).

Energiewende und Netto-Null 2050

Um dem entgegenzuwirken, ist bis 2050 eine Reduktion von 90 % (!) aller Treibhausgasemissionen nötig, eine gewaltige weltweite Anstrengung! Sie gelingt nicht mit einzelnen wenigen Lösungen, sondern durch tausende sich ergänzender kleinerer und grösserer Massnahmen. Ein wesentlicher Anteil macht die sogenannte Energiewende aus, also der Wechsel von fossiler (Öl, Kohle, Gas) hin zu erneuerbarer Strom- und Energieproduktion (Sonnen- und Windenergie, Wasserkraft, Geothermie). Da auch 2050 immer eine Restmenge an Treibhausgasen (THG) ausgeschieden werden wird, müssen diese aktiv eliminiert werden. Hier kommen sogenannte «carbon capture and storage»-Massnahmen zum Tragen. Also Massnahmen, welche darauf abzielen, aktiv THG der Luft zu entziehen und in geeigneter Form wieder zu binden: z.B. durch industrielles Versenken von CO2 im Boden (siehe z.B. www.climeworks.ch) oder durch Aufforstung grosser Waldflächen. Nur so wird es möglich sein, bis 2050 das sogenannte Netto-Null-Ziel zu erreichen. Netto-Null bedeutet also, dass pro Jahr weltweit nicht mehr THG ausgestossen werden, als im selben Jahr auch wieder absorbiert werden können.

Treibhausgase, CO2 und CO2-Äquivalente

Die wichtigsten Treibhausgase sind Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) und fluorierte Gase. Insgesamt machen sie nur einen sehr kleinen Teil unserer Umgebungsluft aus, welche zur Hauptsache aus Stickstoff (N2, 78,08 %) und Sauerstoff (O2, 20,95 %) besteht. Die restlichen rund 1 % der Atemluft bestehen aus Argon (Ar, 0,93 %) Kohlendioxid (CO2, 0,04 %), Methan (CO4, 0,00018 %), Lachgas (N20, 331ppb), fluorierte Kohlenwasserstoffe, Edelgase wie Neon, sowie Ozon (03) und Staubpartikel (5). Nicht alle THG haben das gleiche Potential, die globale Erwärmung voranzutreiben (Engl.: global warming potential, GWP, immer hochgerechnet auf 100 Jahre). Relevante Faktoren, welche dieses Potential beeinflussen, sind etwa die Verweildauer in der Atmosphäre sowie die Fähigkeit zur Hitzespeicherung resp. Rückstrahlung. Um dem GWP Rechnung zu tragen, wird der Begriff CO2-Äquivalent (CO2eq) gebraucht. Dabei erhält CO2 den GWP-Wert von 1. Alle anderen THG werden mit dem Faktor multipliziert, um welchen sie die klimaschädliche Wirkung von CO2 übertreffen und so als CO2-Äquivalent ausgedrückt.

Beim Lesen von Graphiken über THG-Emissionen lohnt es sich daher immer, darauf zu achten, ob es «lediglich» um CO2 oder um CO2eq handelt. Obschon CO2 mengenmässig den Löwenanteil ausmacht (72 % der THG; wobei der grösste Teil aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe stammt), sind seine Auswirkungen auf die Klimaerwärmung etwa 28-mal tiefer als jene von Methan (19 % aller THG, stammt aus Verbrennung fossiler Brennstoffe, Masttierhaltung, Reisfeldern und Vermoderung von Bioabfall) und rund 23 000-fach tiefer als beispielsweise Schwefelhexafluorid (SF6), welches zu den florierten Kohlenwasserstoffen gehört (3 % aller THG) und etwa zur Isolation von unterirdisch verlegten Stromleitungen dient.

Was ist wichtiger: absolute Menge THG oder THG-Menge pro Kopf (Fussabdruck)?

2022 wurde die von der gesamten Welt produzierte Menge an THG (CO2eq) auf rund 54 Milliarden Tonnen geschätzt (6). Die 5 Länder mit den aktuell grössten THG-Emissionen sind China (13,2 Milliarden Tonnen (Mia. T)), USA (6,0 Mia. T), Indien (4,0 Mia. T), Russland und Brasilien (je 2,3 Mia. T) (7) (Abb. 2a).

Die Emissionen in der Schweiz betragen «lediglich» 42 Mio. Tonnen, also etwas weniger als 1/1000 der Welt. Rechnet man den Ausstoss allerdings pro Kopf der Bevölkerung, so zeichnet sich ein anderes Bild: Die Bevölkerung mit dem grössten THG-Fussabdruck (Pro Kopf Ausstoss von CO2eq in einem Jahr) ist diejenige von Qatar (71 Tonnen pro Person T/P), gefolgt von Bahrain (46 T/P) und Brunei (37 T/P). Die Schweiz liegt gemäss ourworldindata mit 4,9 T pro Person und Jahr etwas unter dem Weltdurchschnitt (6,8 T). Das für die Welt verträgliche Ausmass läge allerdings bei etwa 0,6T pro Person und Jahr. Interessant ist auch der Zusammenhang zwischen THG und Einkommen: Je höher das Pro-Kopf-Einkommen, desto höher die THG-Emissionen pro Kopf (8) (Abb. 2b).

Wie in der Kardiologie auch sind diese Zahlen und Quellen immer zu hinterfragen, weil sie in der Berechnung komplex und zudem abhängig von den verschiedenen Variablen sind. Wenn man z.B. die durch importierte Güter andernorts verursachte THG mit einrechnet, so ergibt sich für die Schweiz ein anderes Bild. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt liegt der Fussabdruck für die Schweizer Bevölkerung (inkl. Importgüter) bei rund 13T CO2eq pro Person und Jahr (9), der WWF Schweiz geht von 14T CO2eq aus (10) (Abb. 3a).

Energiewende: Rolle von Energie und Strom

Ein wichtiges Thema in der Klimapolitik ist die Produktion und der Verbrauch von Strom. Gemessen wird dieser in Kilowattstunden (kWh): Eine Kilowattstunde ist so viel Energie, wie 10 Personen leisten, wenn sie auf dem Fahrradergometer während einer Stunde konstant 100 Watt leisten. Ein durchschnittlicher Schweizer 4-Personen-Haushalt verbraucht pro Jahr zirka 5000 Kilowattstunden (oder 13,4 Kilowattstunden pro Tag) (11). Die Klinik Hirslanden kam 2022 auf 8,5 Millionen Kilowattstunden, und die Schweiz 2023 pro Jahr gar auf rund 65,1 Milliarden Kilowattstunden (oder 65,1 Terawattstunden). Der in der Schweiz produzierte Strom bestand 2024 (Stand 27.9.2024) zu 61 % aus Wasserkraft, 27 % Kernkraft und 12 % erneuerbare Energien (Thermische- , Wind- und Solar-Energie) (12).

Die Energiewende bringt insbesondere den Umstieg auf batteriebetriebene Fahrzeuge sowie den verbreiteten Einsatz von Wärmepumpen mit sich. Dies wiederum führt zu einer deutlichen Zunahme des Elektrizitätsverbrauchs. Das Bundesamt für Energie schätzte 2021, dass in der Schweiz bis zum Jahr 2050 ein zusätzlicher Elektrizitätsverbrauch von circa 30 % entsteht (total rund 100 Terawattstunden Strom pro Jahr) (13). Ohne zusätzliche Energieeffizienz-Massnahmen, welche rund 15 % der Gesamtelektrizität einsparen müssen, wird die Schweiz ihren enormen Energiebedarf nicht decken können.

Teil 2: Wo trifft der kardiologische Alltag auf den Klimawandel?

Gesundheitswesen als Klimaverschmutzer

Das Gesundheitswesen verursacht weltweit schätzungsweise 4–5 % aller THG-Emissionen (14, 15). Damit ist dieser Sektor in etwa gleich gross wie die gesamte Luft- und Schifffahrt zusammen! Das Schweizer Gesundheitswesen gehört mit 1,02 Tonnen CO2eq pro Kopf oder 6,7 % der gesamten THG-Emissionen der Schweiz zu den Top 3 THG-intensivsten Gesundheitswesen (16). Zu den wichtigsten Bereichen gehören die Produktion und Entsorgung von medizinischen Verbrauchsmaterialien, Implantaten und Medikamenten (62 %), die Stromproduktion sowie der Energieverbrauch zum Heizen und Kühlen von Wasser, Räumen und Geräten (15 %), Mobilität (Pendeln) von Angestellten, Patient/-innen und Angehörigen zur Arbeit sowie auf Geschäftsreisen (14 %), Anästhesiegase und Inhalationsgeräte (z.B. in der Pneumologie) 5 % sowie Verschiedenes (4 %).

Seit der Annahme des Klimagesetzes durch die Schweizer Bevölkerung am 18. Juni 2023 müssen alle Unternehmen bis 2050 Netto-Null-Emissionen aufweisen. Der Nachweis geschieht in der Regel mittels eines Nachhaltigkeitsberichtes, wobei gemäss Green House Gas Protocol (17) drei Bereiche unterschieden werden (Abb. 3b):

• Bereich 1 (weltweit 17 % aller THG im Gesundheitswesen) (16): Alle THG, welche durch den unmittelbaren operativen Betrieb zur Herstellung des Hauptproduktes ausgestossen werden.

• Bereich 2 (weltweit 12 % aller THG im Gesundheitswesen) (16): Alle THG, welche für die Herstellung des für Bereich 1 benötigten Stromes entstehen.

• Bereich 3 (weltweit 71 % aller THG im Gesundheitswesen) (16): Alle THG, welche durch den Einkauf (Rohmaterial, Fertigprodukte, Transport) und den Verkauf oder Vernichtung (Entsorgung) von Materialien sowie durch Mitarbeiter:innen entstehen (z. B. Pendeln, Berufskleider, Mahlzeiten, Reisen).

Bereich 1: Emissionen durch Kerngeschäft

Zum Kerngeschäft der Kardiologie gehört die Konsultation (Abklärungen, Verlaufsuntersuchungen) in entsprechenden Räumen mit spezifischem Material. Der direkte THG-Ausstoss ist dabei vermutlich eher klein, wobei entsprechende Zahlen fehlen. Wesentlich dazu beitragen wird der Betrieb von Computern und Rechenzentren, welcher gerade in Spitälern nicht zu vernachlässigen ist. Ein wichtiges zweites Kerngeschäft sind Interventionen und Operationen. Auch dabei treten wahrscheinlich eher wenige direkte Emissionen auf. Zu den wichtigen gehören die Emission von intravenösen Sedativa (deren Fussabdruck eher beim Bereich 3 anfällt) sowie von Anästhesiegasen, die in die Atmosphäre gelangen und teilweise sehr hohe GWP aufweisen: Desfluran (2540), Isofluran (510) und Sevofluran (130). Damit das Kerngeschäft abgewickelt werden kann, fallen allerdings in den Bereichen 2 und 3 grosse Emissionen an.

Bereich 2: Emissionen durch Strom

Spitäler weisen traditionell einen sehr hohen Energie- und Strombedarf aus (Bsp. Klinik Hirslanden 2022: rund 8,5 Mio. kWh). Insbesondere die diagnostische Radiologie (Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRI)) macht bis zu 12,5 % des Stromverbrauches eines Spitals aus (18). Für ein Herz-CT wird im Durchschnitt 1,4 kWh, für ein Herz-MRI 17,4 kWh benötigt. Zur Aufrechterhaltung des Magnetfeldes sowie zur Kühlung verbrauchen MRI-Geräte auch nachts (10 kW) und tagsüber in Ruhezeiten (rund 14 kW) viel Strom. Im Durchschnitt ist der Stromverbrauch für eine Herz-MRI-Untersuchung etwa so gross wie für 100 Herzultraschalluntersuchungen zusammen. Wieviel Strom für eine Herzkatheteruntersuchung, eine Stent-Einlage oder einen perkutanen Klappeneingriff benötigt wird, ist bisher nicht untersucht. Eine laufende Studie der Herzklinik Hirslanden geht dieser Frage nach und soll die Datengrundlage für Effizienzsteigerungsmassnahmen dieser energieintensiven Geräte liefern.

Neben diesen meist spitalgebundenen Modalitäten benutzt auch die diagnostische und therapeutische Kardiologie in der Praxis Geräte mit hohem Stromverbrauch. Bisher fehlen allerdings Studien, um diesen Elektrizitätsbedarf genau zu beziffern. Die HerzKlinik Hirslanden hat daher im Januar 2023 allen messbaren Strom mittels kleiner Strommesser analysiert (Steffen Energiemessgerät Digital IP20 1808945 1). Dazu muss gesagt werden, dass der Stromverbrauch für Kühlung, Heizung sowie Licht der HerzKlinik Räume von der Klinik Hirslanden nicht separat ausgewiesen und für uns somit weder mess- noch regulierbar war. Zu den energieintensivsten Geräten, bei welchen der Stromverbrauch gemessen werden konnte, gehören die Ultraschallgeräte sowie Heiz- und Kühlkörper (Abb. 4).

Zusammenfassend konnte die HerzKlinik festhalten:
• den höchsten Stromverbrauch pro Zeiteinheit (instantane Energie) weisen Geräte auf, welche heizen oder kühlen (z. B. «Air conditioning»-Geräte, Wasserkocher). Auch die in der HerzKlinik rund 50 000 gebrauten Kaffees pro Jahr fallen somit ins Gewicht …
• die 4 Ultraschallgeräte sind nicht die Geräte mit dem höchsten Stromfluss pro Zeiteinheit (rund 0,15–0,2 kWh pro Untersuchung). Da sie aber während zirka 9 Stunden auf «on» gestellt sind und dabei über die Zeit ansehnliche Strommengen fliessen, besteht ein grosses Sparpotential.
• Computer gehören zu den Geräten mit eher niedriegem Stromverbrauch. Allerdings ist es bezüglich Anzahl Geräte die grösste Gruppe und somit relevant.
• Auch wenn die Geräte abgeschaltet sind, fliesst Strom. Da dies bei vielen Geräten und über einen sehr langen Zeitraum vorkommt (nachts, an Wochenenden, an Feiertage) ist der Summationseffekt nicht zu unterschätzen.

Was ist also zu tun: Energie sparen oder effizienter nutzen? Die Klinik Hirslanden bezieht nach eigenen Angaben ausschliesslich «grünen» Strom. Somit könnte argumentiert werden, dass sich hier Massnahmen erübrigen. Wie eingangs beschrieben sind für eine funktionierende Schweizer Stromwirtschaft in Zukunft aber sowohl Sparanstrengungen als auch Energieeffizienz-Massnahmen (Reduktion des Stromverbrauchs bei laufenden Geräten) nötig. Als konkrete Massnahme hat sich die HerzKlinik Hirslanden entschieden, die Ultraschallgeräte bei Nichtgebrauch zwischen verschiedenen Untersuchungen auszuschalten und nachts sowie an Wochenenden / Feiertagen den Stecker ganz auszuziehen. Da das An- und Abstellen der Geräte ebenfalls (wenig) Strom verbraucht, lohnt sich das Abstellen der Ultraschallgeräte ab einer Nichtgebrauch-Zeitdauer von 5 Minuten. Zudem wurden alle Mitarbeitenden aufgefordert, die Computer und damit verbundenen Geräte abends und an arbeitsfreien Tagen ganz auszustellen (Stromzufuhr mittels Stromschiene stoppen). Durch konsequentes Umsetzen aller Stromsparmassnahmen kann der steuerbare Stromverbrauch der HerzKlinik Hirslanden um ca. 40 % reduziert werden (ca. 5000 kWh pro Jahr).

Bereich 3: Emissionen durch Materialien

Die grosse Menge an Verpackungs- sowie Verbrauchsmaterial ist in der Kardiologie und Herzchirurgie ein ungelöstes Problem. Bisher kann nur ein kleiner, klar definierter Teil des Plastiks aus Verpackungen rezykliert werden. Dies ist nicht nur wichtig, um den weltweiten Ressourcenverbrauch tief zu halten (die Basis von Plastik ist Öl/fossiler Kohlenstoff) und um den unkontrollierbaren Export von Plastikabfall zu reduzieren, sondern führt in der Regel auch zu einer deutlichen Reduktion der THG-Emissionen (rezykliertes Plastik reduziert die THG-Emissionen gegenüber Neu-Plastik um 30–80 % (19)) sowie des Stromverbrauches bei der Produktion (bei Recycling von PET-Getränkeflaschen bis zu 75 % (20)).

Konkrete Zahlen zu den THG-Emissionen von Einwegmaterial und dessen Verpackungen liegen in der Herzchirurgie vor. Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat berechnet, dass das Verbrauchs- und Verpackungsmaterial in der Herzchirurgie 87 % der gesamten THG-Emissionen eines Eingriffes (im Durchschnitt 124,3 kg CO2eq pro Eingriff) ausmacht (21). Eine standardisierte Methode zur Erfassung solcher Emissionen fehlt allerdings. So kam eine Review-Arbeit aus dem Jahre 2022, welche 55 Artikel mit Angaben zu THG-Emissionen während chirurgischer Eingriffe analysiert hat, zum Schluss, dass der Versuch, den chirurgischen Fussabdruck zu quantifizieren, wegen heterogener Datenerfassung mit unterschiedlichen und wenig standardisierten Protokollen scheitert (22). Gerade Interventionen wie der perkutane Aortenklappenersatz oder die perkutane Rekonstruktion der Mitral- oder Trikuspidalklappen mittels TEER bringen riesige Mengen an Abfall mit sich (Abb. 5a). Ein Teil des Verpackungsplastiks kann fachgerecht rezykliert werden. In der Klinik Hirslanden wurden im Jahre 2022 allein aus Operations- und Interventionssälen ca. 1200 Säcke wie in Abb. 5a rezykliert, was ca. 3,5 Tonnen Plastik entspricht (Informationen zum Recycling von Spitalplastik unter www.keis.ch oder www.sammelhof.ch).

Da im Bereich von sterilen Verpackungen die Einhaltung von internationalen Richtlinien eine wichtige Rolle spielt, ist es für Firmen nicht einfach, neue Wege einzuschlagen. Ein kleines positives Beispiel ist das «Cosmetic fix»-Programm von Medtronic (Abb. 5b): Dabei werden leicht beschädigte Verpackungskartons nicht samt Inhalt in toto weggeworfen oder zum Hersteller zur Neuverpackung zurückgeschickt. Vielmehr werden sie von geschultem Personal auf die Qualität und Integrität des verpackten Produkts hin untersucht. Sind diese gewährleistet, so gelangen die verpackten Materialien in den Umlauf.

Noch gänzliche Unklarheit herrscht hinsichtlich des Fussabdruckes der in der Kardiologie eingesetzten Implantate. Verschiedene angefragte Unternehmen konnten dazu keine konkrete Aussage machen. Emissionen aus dem Bereich 3 müssen sowohl Firmen als Verkäufer als auch Spitäler als Einkäufer auf ihre CO2eq-Bilanz (Nachhaltigkeitsberichte) aufsummieren. Es besteht somit ein gegenseitiges Interesse, Emissionen aus Einwegmaterial, Implantaten sowie Verpackungen zu reduzieren.

Emissionen durch Nahrung

Die Nahrung macht zirka 16 % im CO2eq Fussabdruck der Schweizer aus (Abb. 3a). Aus THG-Überlegungen spielt weniger die Herkunft als vielmehr die Art des Produkts für die gesamte Bilanz eine wichtige Rolle. Insbesondere der Verzicht auf Rind- sowie Lammfleisch führt bereits zu einer deutlichen Reduktion des CO2-Fussabdruckes. Die Umstellung auf eine vegetarische Ernährung kann den Fussabdruck um bis zu 40 % reduzieren. Viele Spitäler reduzieren daher bewusst ihr Fleischangebot. Nach dem Motto «Es muss nicht immer Fleisch sein» verzichtet beispielsweise die Hirslanden-Gruppe an zwei Tagen pro Monat auf Fleisch/Fisch in der Kantine. Diese zwei Tage pro Monat führen zu einer Reduktion von 10,8 Tonnen Fleisch pro Jahr. Dies entspricht einer Reduktion von CO2-Emissionen um 71 Tonnen oder dem Äquivalent des CO2-Ausstosses von 71 Menschen, welche in der Economy Class von Zürich nach New York fliegen. Ähnliche Massnahmen wurden auch am diesjährigen Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in London ergriffen: «ESC Congress faculty, industry partner and staff dining facilities have chosen to serve an exclusively vegetarian menu on Sunday, 1 September» (23).

Emissionen durch Reisen und Mobilität

Aufgrund von Daten aus dem britischen Gesundheitswesen kann davon ausgegangen werden, dass die CO2-Emissionen durch den Pendelverkehr von Mitarbeiter/-innen bis 4 % des im Gesundheitswesen produzierten CO2 ausmachen (24). Anregungen wie Bike-to-work oder Carpooling können dem entgegenwirken. Letztendlich ist es aber für Spitäler oder Kliniken schwierig, ihren Mitarbeiter/-innen vorzuschreiben, wie sie zur Arbeit erscheinen.

Ein weiteres Thema sind Geschäftsreisen mit dem Flugzeug. Obschon Fliegen weltweit nur circa 2 % des gesamten CO2-Ausstosses ausmacht, macht es für den Fussabdruck einzelner Menschen viel aus. So muss bei einem Retourflug Zürich–New York in der Economy Class mit ca. 2 Tonnen CO2-Emission pro Person gerechnet werden, bei einem Retour Business-Class-Flug Zürich–Singapur ca. 6 Tonnen (25).
Durch die Reduktion von Flügen zu kardiologischen Kongressen und der Online-Teilnahme kann jeder Einzelne hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Hochgerechnet auf einen grossen Kongress wie beispielsweise den ESC-Kongress mit 2023 über 24 000 onsite Teilnehmer/-innen könnte dies geschätzte 20 000 Tonnen CO2 nur aus Flugreisen ausmachen. Lassen sich Geschäftsreisen nicht vermeiden, so kann das durch Fliegen ausgestossene CO2 mittels Unterstützung von entsprechenden CO2-Reduktions-Projekten wettgemacht werden (Beispiele siehe bei myclimate.ch). Dieser «Aufpreis» (wenige Hundert Franken pro Flug) ist vernachlässigbar angesichts der Kosten, die durch den Klimawandel verursachte Katastrophen auf uns zukommen. Eine Studie im Auftrag des Bundes aus dem Jahre 2019 geht davon aus, dass die jährlichen Kosten für Schäden durch Extremwetterereignisse bis im Jahr 2050 auf 1 Milliarde Schweizerfranken pro Jahr ansteigen könnten (26).

Epilog: Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt

Die Umsetzung von Massnahmen zur Reduktion von THG ist nicht einfach. Auch in der HerzKlinik Hirslanden gelingt dies nur schrittweise und über mehrere Etappen. Ein wesentlicher Faktor in der Umsetzung der Massnahmen ist der Einbezug der Mitarbeiter/-innen und Kolleg/-innen. Hier ist Überzeugungsarbeit ohne missionarischen Eifer angesagt (auch die Autoren des Artikels verhalten sich nicht vorbildlich, siehe Interessenkonflikte). Nur gemeinsam werden wir die grossen Anstrengungen auf dem langen und mühseligen Weg zu Netto-Null schaffen.

Abkürzungen
THG Treibhausgase
GWP Global Warming Potential
CO2eq CO2-Äquivalent
THG Fussabdruck Pro Kopf Ausstoss von CO2eq in einem Jahr
T Tonnen
T/P Tonnen pro Person
kWh Kilowattstunden
ESC European Society of Cardiology

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med.Patric Biaggi

– HerzKlinik Hirslanden,
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich
– Universität Zürich
Rämistrasse 71
8006 Zürich

Prof. Dr. med. Christophe Alain Wyss

– HerzKlinik Hirslanden,
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich
– Universität Zürich
Rämistrasse 71
8006 Zürich

christophe.wyss@hirslanden.ch

PB fliegt gerne (footprint 2024: 18 T CO2).
CW isst gerne Fleisch (footprint 2024: 12 T CO2)

  • Die Treibhausgas (THG)-Emissionen des Gesundheitssektors machen weltweit 4-5 % aller THG-Emissionen aus und sind damit substanziell.
  • In der Kardiologie stammt der grösste Teil der THG-Emissionen aus der Herstellung, Transport und Entsorgung von medizinischem Material sowie aus Mobilität, Nahrung und Kleidung von Mitarbeiter:innen, Patient/-innen und Angehörigen.
  • Es bestehen noch grosse Datenlücken, um den THG-Fussabdruck der Kardiologie exakt zu quantifizieren.
  • Der Handlungsbedarf ist riesig, da bis 2050 weltweit auf 90 % aller THG- Emissionen verzichtet werden muss. Jede noch so kleine (und grössere) Massnahme zur Reduktion von THG-Emissionen ist willkommen.

1. https://www.meteoschweiz.admin.ch/klima/klimawandel/globaler-klimawandel-aktueller-wissensstand.html
2. https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement
3. https://wmo.int/news/media-centre/wmo-confirms-2023-smashes-global-temperature-record
4. https://www.meteoschweiz.admin.ch/klima/klimawandel.html
5. https://de.wikipedia.org/wiki/Luft
6. https://ourworldindata.org/greenhouse-gas-emissions
7. https://ourworldindata.org/grapher/annual-co2-emissions-per-country
8. Barataud F, Husson L, Mariette S. Fit für den Klimakollaps? Le monde diplomatique 11.7.2024, basierend auf Weltbank „global carbon budget 2023“
9. Klima, das wichtigste in Kürze, 15.4.2024, https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/inkuerze.html)
10. https://www.wwf.ch/de/stories/klima-und-ernaehrung-6-aufruettelnde-fakten
11. https://pupdb.bfe.admin.ch, Faktenblatt August 2021
12. BFE, Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2023 resp Dashboard BFE (https://www.dashboardenergie.admin.ch/strom/produktion)
13. https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/statistik-und-geodaten/energiestatistiken.html/
14. The World Bank, 2017, Climate Smart Health Care: Low Carbon and Resilience Strategies for the Health Sector http://documents.worldbank.org/curated/en/322251495434571418/Climate-smart-healthcare-low-carbon-and-resilience-strategies-for-the-health-sector;
15. Peter-Paul Pichler et al 2019 Environ. Res. Lett. 14 064004 https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ab19e1/meta
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Überblick Nuklearkardiologie

Die Nuklearkardiologie, die SPECT und PET einsetzt, bietet wichtige Instrumente für die Diagnose von koronarer Herzerkrankung, Amyloidose und Sarkoidose. Sie ermöglicht eine präzise Beurteilung von Myokarddurchblütungsstörungen, Myokardablagerungen und Entzündungsprozessen. Die Fortschritte in der Bildgebung und Quantifizierung bieten Internisten und Kardiologen wertvolle Erkenntnisse für die Risikostratifizierung, Therapieplanung und Überwachung komplexer kardiovaskulärer Erkrankungen.

Nuclear cardiology, utilizing SPECT and PET, provides essential tools for diagnosing coronary artery disease, amyloidosis, and sarcoidosis. It enables precise assessment of perfusion abnormalities, myocardial deposits, and inflammatory processes. Advances in imaging and quantification offer internists and cardiologists valuable insights for risk stratification, therapy planning, and monitoring in complex cardiovascular conditions.
Keywords: Nuklearkardiologie; PET Perfusion; Skelettszintigraphie; Inflammatorische Kardiomyopathie

Einführung

Die Nuklearkardiologie ist ein zentrales Feld der Herz-Kreislauf-Diagnostik und umfasst hochentwickelte Verfahren wie die Single-Photon-Emissions-Computertomographie (SPECT) und die Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Diese ermöglichen die präzise Erkennung von Durchblutungsstörungen bei der koronaren Herzerkrankung (KHK), die nicht-invasive Diagnose der ATTR-Amyloidose und die Diagnose inflammatorischer Kardiomyopathien wie bei der kardialen Sarkoidose. Durch die Kombination funktioneller und anatomischer Informationen leisten diese Techniken einen entscheidenden Beitrag zu präziser Diagnostik, individualisierter Therapieplanung und Risikostratifizierung, was sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil der kardiologischen Versorgung machen. Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Übersicht über den aktuellen Stand der nuklearkardiologischen Methoden.

Koronare Herzerkrankung

Die KHK wird als pathologischer Prozess definiert, der durch die Ansammlung atherosklerotischer Plaques in den epikardialen Herzkranzarterien, unabhängig von deren obstruktivem oder nicht-obstruktivem Charakter, gekennzeichnet ist (1). Chronische Koronarsyndrome umfassen klinische Präsentationen, die durch strukturelle oder funktionelle Veränderungen der Koronararterien oder Mikrozirkulation eine Diskrepanz zwischen myokardialem Sauerstoffbedarf und Blutversorgung verursachen können. Dies führt zu ischämischen Durchblutungsstörungen, die sich typischerweise, aber nicht ausschliesslich, als Angina pectoris oder Dyspnoe äussern. Zwei etablierte Verfahren zur KHK-Diagnostik sind die Myokardsperfusion-SPECT und -PET. Beide ermöglichen die nicht-invasive Erkennung von Durchblutungsstörungen. SPECT verwendet Gamma-strahlende Radionuklide wie 99mTechnetium mit Tracern wie Sestamibi oder Tetrofosmin. PET nutzt β+-strahlende Radionuklide wie 13N-Ammoniak oder 82Rubidium, die kürzere Halbwertszeiten haben und den Einsatz von Zyklotronen oder Generatoren erfordern.

Ablauf

Zur Durchführung nuklearmedizinischer Myokardperfusionsuntersuchungen mittels SPECT oder PET müssen Patienten mindestens sechs Stunden nüchtern bleiben und koffeinhaltige Getränke wie Kaffee oder Tee mindestens zwölf Stunden meiden, da diese die Wirkung von Stressmitteln wie Regadenoson und Adenosin beeinträchtigen können. Myokardperfusionsuntersuchungen bestehen aus einer Ruhe- und einer Stressphase. Bei der PET-Myokardsperfusion wird die Ruheaufnahme typischerweise vor der Stressaufnahme durchgeführt, was durch die kurzen Halbwertszeiten der Radiotracer eine schnelle Testabfolge ermöglicht. Die Stressinduktion erfolgt fast ausschliesslich medikamentös, wobei die Wahl des Stressmittels von individuellen Kontraindikationen abhängt (Tab. 1). SPECT-Untersuchungen nutzen aufgrund der längeren Halbwertszeit von 99mTechnetium oft körperliche Belastung mittels Ergometrie. Hierbei ist ein Zeitabstand von mindestens zwei Stunden zwischen den Phasen erforderlich, wodurch flexible Protokolle (z. B. Ruhe-Stress, Stress-Ruhe oder «Stress-nur») möglich sind. Das «Stress-nur»-Protokoll reduziert die Untersuchungsdauer erheblich und verringert die Strahlenbelastung um über 50 % (2).

Beurteilung

Ziel der Myokardperfusionsuntersuchungen ist es, physio­logische und/oder verminderte Myokardperfusion im Sinne von Ischämien oder Narben zu diagnostizieren sowie deren Schweregrad zu bewerten. Narbengewebe, das durch den Verlust funktionsfähiger Myozyten entsteht, zeigt fixierte Perfusionsdefizite in Ruhe und unter Belastung, da keine Radionuklidanreicherung mehr erfolgt. Ischämisches Myokardgewebe, das in Ruhe noch ausreichend durchblutet ist, kann unter Stress (entweder medikamentös oder durch körperliche Belastung) ein relatives Perfusionsdefizit zeigen, wenn eine hämodynamisch relevante Stenose den Blutfluss begrenzt. PET- und SPECT-Untersuchungen erlauben nicht nur eine qualitative Beurteilung der Myokardperfusion, sondern – insbesondere bei der PET – auch eine absolute Quantifizierung des myokardialen Blutflusses (in Millilitern pro Minute pro Gramm Myokard) sowohl unter Stress als auch in Ruhe. Diese erfolgt
mittels dynamischer Akquisition während der Radiotracer-Anflutungsphase und ist bei der PET inzwischen Standard, während sie bei der SPECT nur in spezialisierten Zentren verfügbar ist.

Das Verhältnis des myokardialen Blutflusses unter Belastung und in Ruhe ist die myokardiale Flussreserve (MFR), die eine zentrale diagnostische und prognostische Rolle spielt. Sie spiegelt die Funktion der epikardialen Koronararterien sowie der Mikrozirkulation wider und erlaubt eine umfassende Bewertung der koronaren Gesundheit. Patienten mit einer normalen MFR (> 2) haben eine ausgezeichnete Prognose mit einer Event-Rate von weniger als 1 % pro Jahr. Zusätzlich, dank der Blutfluss-Quantifizierung, ist PET die einzige klinisch genutzte Modalität, die eine nicht-invasive Diagnose der mikrovaskulären Dysfunktion ermöglicht. Prognostisch entscheidend ist zudem die sogenannte Ischämie-Last: Ab einer Ischämie von 10-15 % gilt das kardiovaskuläre Risiko gemäss Leitlinien als erhöht, was therapeutische Konsequenzen nach sich ziehen kann. Ein weiterer Risikomarker ist der Kalzium-Score, der mithilfe einer nicht-kontrastverstärkten Low-Dose-CT zur Attenuierungskorrektur bestimmt wird. Solche CT-Scans werden immer bei PET durchgeführt und sind auch für SPECT-Untersuchungen empfohlen. Sie ermöglichen eine zusätzliche Ermittlung des Agatston-Scores zur Beurteilung der koronaren Kalziumlast und liefern wesentliche Informationen zur Risikostratifizierung, selbst bei fehlenden flusslimitierenden Koronarstenosen.

Die Wahl zwischen PET und SPECT richtet sich nach den individuellen Anforderungen der Diagnostik. PET bietet durch höhere räumliche und zeitliche Auflösung sowie die Möglichkeit der quantitativen Blutflussmessung deutliche Vorteile, insbesondere bei diffuser KHK oder mikrovaskulären Störungen. Zudem ist die Strahlenbelastung bei PET geringer (1–2 mSv) im Vergleich zur SPECT (ca. 5 mSv). Die SPECT hingegen punktet mit flexiblen Protokollen, der Möglichkeit einer physischen Belastung und modernen Kameras, die auch Patienten mit Platzangst mehr Komfort bieten. Beide Verfahren ergänzen sich in der nuklearmedizinischen Diagnostik und erlauben eine präzise Beurteilung von Ischämien und Narben sowie eine umfassende Risikobewertung. Ihre Kombination mit innovativen Technologien wie Low-Dose-CT und dynamischer Akquisition eröffnet weitere Möglichkeiten in der personalisierten Diagnostik und Therapieplanung bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung (3) (Abb. 1).

Zukunft

Die nuklearkardiologische Bildgebung erlebt derzeit bedeutende Fortschritte, insbesondere in der Diagnostik der koronaren Herzerkrankung. Ein Meilenstein ist die Einführung des neuen PET-Radiotracers 18F-Flurpiridaz, der in zwei grossen klinischen Studien untersucht und kürzlich von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zugelassen wurde. Die Studienergebnisse belegen, dass 18F-Flurpiridaz eine überlegene diagnostische Genauigkeit im Vergleich zu herkömmlichen Radiotracern wie 99mTechnetium aufweist. Insbesondere bei der Detektion von koronaren Stenosen zeigt 18F-Flurpiridaz PET eine deutlich höhere Sensitivität und überlegene Bildqualität im Vergleich zur SPECT-Bildgebung. 18F-Flurpiridaz hat zudem eine längere Halbwertszeit als andere PET-Tracer, was die Verteilung und den Einsatz in mehr Instituten ermöglicht. Dank dieser Eigenschaften könnte der Tracer zukünftig auch bei Belastungstests mit physikalischer Belastung eingesetzt werden, was bisher mit anderen PET-Tracern nicht möglich war. Auch im Bereich der SPECT-Bildgebung gibt es bedeutende Fortschritte. Neue SPECT-Kameras bieten die Möglichkeit, dynamische Akquisitionen durchzuführen, was eine Quantifizierung des myokardialen Blutflusses erlaubt. Dies könnte die diagnostische Genauigkeit der SPECT in den kommenden Jahren erheblich steigern und die Rolle dieser Technologie weiter festigen.

Amyloidose

Die Amyloidose ist eine Erkrankung, bei der gestörter Proteinstoffwechsel zu Ablagerungen von Amyloidfibrillen im extrazellulären Raum führt, was die Funktion betroffener Organe beeinträchtigt. Bei kardialer Beteiligung erhöhen die Ablagerungen zwischen Myofibrillen die Myokardsteifigkeit und verursachen eine diastolische Dysfunktion. Die häufigsten Formen sind die AL-Amyloidose, verursacht durch Plasmazellmyelome, und die Transthyretin (ATTR)-Amyloidose, die durch Ablagerungen von Transthyretin entsteht, einem Protein aus der Leber. Die 99mTc-Skelettszintigraphie hat sich als nicht-invasive Methode mit hoher diagnostischer Genauigkeit zur Diagnose der ATTR-Amyloidose etabliert und kann heutzutage die invasive Endomyokardbiopsie ersetzen. Die Diagnostik erfolgt schrittweise: Bei Verdacht auf Amyloidose werden Serum-Leichtketten und Protein-Immunfixation in Serum und Urin durchgeführt. Ein positiver Befund erfordert hämatologische Abklärung. Bei negativem Ergebnis wird eine Skelettszintigraphie oder SPECT veranlasst, die eine Sensitivität von 92 % und eine Spezifität von 95 % für die ATTR-Amyloidose aufweist (4, 5).

Ablauf

In der Skelettszintigraphie zur ATTR-Diagnostik werden knochenaffine Biphosphonate wie 3,3-Diphosphono-1,2-propanodicarbonsäure (DPD) verwendet. Diese Substanzen binden spezifisch an Amyloidfibrillen, wobei der Bindungsmechanismus nicht vollständig geklärt ist. Nach intravenöser Gabe des Radiotracers erfolgt eine Wartezeit von 3 Stunden, bevor biplanare oder Ganzkörperaufnahmen erstellt werden, um extrakardiale Ablagerungen zu detektieren.

Beurteilung

Bei Nachweis myokardialer Aktivität wird immer eine SPECT-Untersuchung zur dreidimensionalen Darstellung der Tracerverteilung ergänzt. Die semiquantitative Bewertung der Myokardaktivität erfolgt in der Regel anhand eines Gradings (Perugini-Score):
• Grad 0: keine myokardiale Aktivität
• Grad I: Myokard-Uptake < Rippen-Uptake
• Grad II: Myokard-Uptake = Rippen-Uptake
• Grad III: Myokard-Uptake > Rippen-Uptake
Bei Patienten, bei denen eine AL-Amyloidose ausgeschlossen wurde und die in der Skelettszintigraphie Grad-II- oder Grad-III-Scores aufweisen, gilt die Diagnose einer ATTR-Amyloidose als praktisch gesichert (Abb. 2).

Zukunft

Neue PET-Radiotracer wie 18F-Florbetapir, 18F-Florbetaben und 18F-Flutemetamol, ursprünglich für β-Amyloid im Gehirn entwickelt, zeigen grosses Potenzial zur kardialen Amyloidose-Diagnostik. Sie bieten durch längere Halbwertszeit und höhere räumliche Auflösung eine genauere Quantifizierung der Ablagerungen, sind jedoch noch nicht klinisch etabliert (6, 7). Ein weiterer Fortschritt ist 124I-Evuzamitid, ein unspezifisch an Amyloidfibrillen bindender Tracer, der sowohl ATTR- als auch AL-Amyloidose nachweisen kann und ebenfalls grosses Potenzial für die klinische Anwendung bietet (8).

Sarkoidose

Die Sarkoidose ist eine multisystemische entzündliche Erkrankung unbekannter Ursache, gekennzeichnet durch nicht-nekrotisierende Granulome in betroffenen Organen. Kardialer Befall wird oft bei Patienten mit extrakardialer Sarkoidose diagnostiziert, während in 20–25 % der Fälle eine isolierte kardiale Sarkoidose vorliegt (9). Häufige klinische Manifestationen sind höhergradige AV-Blockierungen, Herzinsuffizienz und ventrikuläre Arrhythmien (10). Die Diagnostik basiert auf klinischen Symptomen, histologischen Befunden und dem Ausschluss alternativer Diagnosen. Eine zentrale Rolle spielt die 18F-FDG-PET, besonders bei unklaren oder negativen MRT-Befunden, und ist laut Leitlinien als Zweitliniendiagnostik empfohlen (11).

Ablauf

Die 18F-FDG-PET unterscheidet entzündliches von normalem Myokard durch deren Stoffwechselaktivität: Normales Myokard nutzt bei kohlenhydratfreier Diät Fettsäuren, während entzündliches Gewebe Glukose bevorzugt. Eine kohlenhydratfreie Diät 24–72 Stunden vor der Untersuchung unterdrückt die FDG-Aufnahme im gesunden Myokard, wodurch pathologische FDG-Akkumulation in entzündeten Arealen sichtbar wird. Fettreiche Ernährung unterstützt diesen Effekt. Oft wird Heparin zur Fettsäurenfreisetzung zur Verstärkung der FDG-Aufnahme im entzündlichen Gewebe verabreicht. Nach intravenöser Gabe des Radiotracers 18F-FDG folgt eine 60-minütige Wartezeit, bevor die PET-Aufnahme erfolgt. Diese kann als Thorax/Abdomen- oder Ganzkörper-Scan durchgeführt werden.

Beurteilung

Die Interpretation kardialer Befunde erfordert eine sorgfältige Differenzierung zwischen physiologischer FDG-Aufnahme und pathologischen Entzündungsherden. Pathologische FDG-Akkumulation im Myokard zeigt typischerweise ein fleckförmiges (multifokales) Uptake-Muster, das auf aktive Entzündungen hinweist und weniger häufig ein diffuses Uptake-Muster, welches suspekt auf nicht supprimierte physiologische Glukoseaufnahme ist. Der standardisierte Uptake-Wert (SUV) hilft, die Intensität der FDG-Aufnahme zu quantifizieren und liefert Hinweise auf den Schweregrad der Entzündung. FDG-PET ist zudem nützlich für das Monitoring des Therapieansprechens und zur Planung von Follow-up-Untersuchungen, um die Krankheitsaktivität und das Risiko für Ereignisse zu bewerten. Darüber hinaus dient die 18F-FDG-PET als Basis für die Risikostratifizierung, indem sie hilft, das Ausmass der Myokardentzündung zu quantifizieren und den potenziellen Krankheitsverlauf einzuschätzen. Ein Vorteil der 18F-FDG-PET gegenüber der MRT ist die Möglichkeit, neben der myokardialen auch die extrakardiale Entzündungsaktivität zu erfassen. Extrakardiale FDG-Anreicherungen, beispielsweise in Lymphknoten oder anderen Organen, können eine gezielte Biopsie unterstützen, insbesondere, wenn histologische Nachweise erforderlich sind (Abb. 3).

Zukunft

Fibroblast activation protein Inhibitor (FAPI) ist ein Inhibitor des Proteins alpha, welches von aktiven Fibroblasten produziert wird. Die Entwicklung von FAPIs, die mit Radionukliden wie 68Ga oder 18F markiert sind, eröffnet neue Möglichkeiten für die Sarkoidose Bildgebung welche bereits in verschiedenen Zentren zu Forschungszwecken im Einsatz und dient dem Nachweis von Gewebeaktivität im Rahmen fibrotischer Prozesse, wie sie nach aktiven Entzündungsreaktionen häufig auftreten. Ein potentieller Anwendungsbereich dieses Radiotracers ist die Risikostratifizierung und Verlaufskontrolle von kardialer Sarkoidose-Patienten unter immunsuppressiver Therapie, in welchen oft noch eine chronische Fibroblastenaktivität als Hinweis auf ein Remodeling dargestellt werden kann, während mittels 18F-FDG-PET bereits keine Entzündungsaktivität mehr nachgewiesen werden kann (12, 13).

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Pascal S. Heiniger

Klinik für Nuklearmedizin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

PD Dr. med. et Dr. sc. med. Andreas A. Giannopoulos

Klinik für Nuklearmedizin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Präzise Diagnostik für die KHK: SPECT und PET bieten eine detaillierte Analyse von Durchblutungsstörungen und liefern wichtige ­prognostische Parameter wie die Ischämie-Last und die myokardiale Flussreserve.
◆ Nicht-invasive Amyloidose Diagnostik durch Skelettszintigraphie:
Die Skelettszintigraphie ermöglicht eine präzise Diagnostik der ATTR-Amyloidose, während neue quantitative Ansätze die diagnostische Genauigkeit weiter verbessern.
◆ Kardiale Sarkoidose Detektion: Mittels 18F-FDG, erlaubt die PET-Bildgebung die genaue Identifikation von Myokardentzündungen und extrakardialen Manifestationen, unterstützt die gezielte Biopsie-Planung und bietet wertvolle Informationen zur Therapieüberwachung.

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Therapie des Ovarialkarzinoms

Die operative Therapie des Ovarialkarzinoms ist zentral und zielt auf eine vollständige Tumorentfernung ab, wobei die systematische Lymphadenektomie nach der LION-Studie bei unauffälligen Lymphknoten im CT und intraoperativ nicht mehr empfohlen wird. Ausser bei sehr frühen Karzinomen ist die adjuvante Chemotherapie Standard, meist in Form einer Kombination aus Carboplatin und Paclitaxel. Die Erhaltungstherapie mit Bevacizumab oder PARP-Inhibitoren wie Olaparib und Niraparib verlängert das progressionsfreie Überleben, insbesondere bei BRCA-mutierten und HRD-positiven Tumoren. Neoadjuvante Chemotherapie kann je nach Tumorausdehnung und Patientenzustand eine Alternative zur primären Operation sein. Bei Rezidiven werden erneute platinhaltige Chemotherapien oder Operationen individuell abgewogen. Bei einem platinsensitiven Rezidiv kann eine chirurgische Intervention im Kontext der rezidivierenden Erkrankung von Vorteil sein.

Surgical treatment is central to the management of ovarian cancer and aims for complete tumor resection. A systematic pelvic and paraaortic lymphadenectomy is no longer recommended for patients with normal lymph nodes based on the CT scan and intraoperative findinds, according to the LION study. Except for very early-stage cancers, adjuvant chemotherapy, typically a combination of carboplatin and paclitaxel, is standard. Maintenance therapy with Bevacizumab or PARP inhibitors like Olaparib and Niraparib extends progression-free survival, especially in BRCA-mutated and HRD-positive tumors. Neoadjuvant chemotherapy can be an alternative to primary surgery depending on tumor extent and patient condition. In cases of recurrence, repeat platinum-based chemotherapies or surgeries are considered on an individual basis. For platinum-sensitive recurrences, surgical intervention in the context of recurrent disease can be beneficial.
Keywords: Ovarian/ primary peritoneal/ tubal carcinoma – surgery – chemotherapy – maintenance therapy – PARP inhibitor

Das Ovarialkarzinom stellt eine der schwerwiegendsten gynäkologischen Krebserkrankungen dar und erfordert eine sorgfältige und umfassende Behandlungsstrategie. Die operative Therapie ist ein zentraler Bestandteil der Behandlung und zielt darauf ab, das gesamte sichtbare Tumorgewebe zu entfernen, um die Prognose der Patientinnen zu verbessern. Ergänzend zur Chirurgie sind systemische Therapien wie Chemotherapie und moderne Erhaltungstherapien entscheidend, um das Überleben zu verlängern und Rückfälle zu verhindern. Aktuelle klinische Studien haben zu signifikanten Veränderungen in der Behandlungsstrategie geführt, insbesondere hinsichtlich der Rolle der systematischen Lymphadenektomie und der Anwendung von PARP-Inhibitoren. Dieser Text bietet einen Überblick über die wesentlichen Aspekte der operativen und systemischen Therapie bei Ovarialkarzinom.

(Zur besseren Lesbarkeit sind Ovarial-, Tuben- und primäres Peritonealkarzinom im Text unter dem Oberbegriff «Ovarialkarzinom» zusammengefasst).

Erstdiagnose eines Ovarialkarzinoms

Operative Therapie bei Erstdiagnose:

Die operative Therapie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung des Ovarialkarzinoms, da eine makroskopisch tumorfreie Resektion wesentlich für die Prognose der Patientinnen ist (1). Das Standardverfahren umfasst eine mediane Längs-Laparotomie mit Hysterektomie und bilateraler Adnexektomie sowie mindestens eine infrakolische Omentektomie, Peritonealbiopsien und die Entfernung allen weiteren tumorverdächtigen Gewebes, um eine makroskopisch tumorfreie Resektion zu erzielen (S3-Leitlinie Ovar).

Bis 2017 war die systematische pelvine und paraaortale Lymphadenektomie ein fester Bestandteil der operativen Therapie des Ovarialkarzinoms. Die LION-Studie («Lymphadenectomy in Ovarian Neoplasms») führte jedoch zu einem Paradigmenwechsel ((2), S3-Leitlinie). Trotz der Tatsache, dass bei 55.7 % der Patientinnen mit Lymphadenektomie mikroskopische Lymphknotenmetastasen nachgewiesen wurden, gab es keinen Unterschied im Gesamt-(OS) oder progressionsfreien Überleben (PFS) (Abb. 1). Die Morbidität und die perioperative Mortalität waren in der Lymphadenektomie-Gruppe signifikant höher (2). Diese Ergebnisse haben dazu geführt, dass von einer systematischen Lymphadenektomie bei fortgeschrittenem high-grade serösen Ovarialkarzinom und unauffälligen Lymphknoten abgeraten wird (S3-Leitlinie).
Es ist wichtig zu betonen, dass bei der Diagnose eines fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms üblicherweise eine adjuvante platinbasierte Chemotherapie indiziert ist, unabhängig von einem möglichen Tumorbefall der Lymphknoten ((1),S3-Leitlinie). Bei klinisch früh eingestuften Ovarialkarzinomen (FIGO I-IIA) hängt die Indikation für eine adjuvante Chemotherapie jedoch vom Nachweis positiver pelviner und/oder paraaortaler Lymphknoten ab. Bis zu 30 % dieser Patientinnen haben okkulte Lymphknotenmetastasen, was eine Höherklassifikation zu einem FIGO-Stadium III und damit eine Indikation für eine adjuvante Chemotherapie bedeutet (3). Daher bleibt die systematische pelvine und paraaortale Lymphadenektomie bei diesen Patientinnen empfohlen (Schmalfeldt et al. 2018, S3-Leitlinie).

Neoadjuvante Chemotherapie

Die grösste bisher veröffentlichte Studie zur neoadjuvanten Chemotherapie (NACT) zeigte keinen Unterschied im OS zwischen der Gruppe mit neoadjuvanter Chemotherapie für 3 Zyklen und Intervall-Debulking versus Patientinnen mit Primär-Debulking (PDS) und adjuvanter Kombinationstherapie für 6 Zyklen (HR 0,98; 90 %-KI 0,84–1,13; p= 0,01) (4). Eine Metaanalyse (5) ergab jedoch einen Vorteil für das primäre Debulking bei Patientinnen im FIGO-Stadium IIIC mit einer maximalen Tumorgrösse von < 5 cm (6). Auch retrospektive Studien zeigten teilweise einen Vorteil der PDS (7, 8).

Die randomisierte, multizentrische TRUST-Studie («Trial of Radical Upfront Surgical Therapy in advanced ovarian cancer») untersucht das OS von Frauen mit epithelialem Ovarial-, Tuben- oder primärem Peritonealkarzinom FIGO IIIB-IVB bei primärer zytoreduktiver Operation versus neoadjuvanter Chemotherapie und Intervall-Debulking nach 3 Zyklen mit Carboplatin und Paclitaxel an Zentren mit hoher operativer Expertise (Abb. 2) (9). Ergebnisse werden dieses Jahr erwartet (9).

Adjuvante Systemtherapie

Frühes Ovarialkarzinom

Patientinnen mit frühem Ovarialkarzinom im Stadium FIGO IA G1 benötigen keine adjuvante Chemotherapie; in den Stadien IA G2 und IB G1/2 kann eine platinhaltige Chemotherapie diskutiert werden (3, 10). In den Stadien IC oder IA/ B G3 sollte eine platinhaltige (Mono-)Therapie gegeben werden (Verbesserung des 5-Jahres-OS von 75 % auf 82 % (3, 10).

Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom

Seit den frühen 2000er Jahren hat sich die Kombination aus Carboplatin und Paclitaxel durchgesetzt (11). Die ICON-8-Studie konnte keine signifikanten Unterschiede zwischen verschiedenen Dosisdichten von Paclitaxel nachweisen, weshalb die dreiwöchentliche Kombination aus Carboplatin und Paclitaxel als Standard beibehalten wurde (12). Diese wird gegebenenfalls mit einer Erhaltungstherapie kombiniert.

Erhaltungstherapie

Antiangiogenetische Therapie

Bevacizumab, ein Angiogenesehemmer, wird in Kombination mit Chemotherapie und als Erhaltungstherapie eingesetzt. Phase-III-Studien wie GOG-0218 und ICON-7 haben gezeigt, dass Bevacizumab das PFS signifikant verlängert, besonders in Hochrisikogruppen (FIGO III und IV) (13, 14). In der Primärtherapie wird Bevacizumab zunächst mit Chemotherapie kombiniert und anschliessend als Erhaltungstherapie fortgeführt.

PARP-Inhibitoren in der Erhaltungstherapie bei Erstlinien- und Rezidivtherapie

PARP-Inhibitoren (PARPi) sind orale Medikamente, die die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen hemmen und dadurch Doppelstrangbrüche verursachen. Karzinomzellen, die nicht über die homologe Rekombinationsreparatur verfügen und somit eine homologe Rekombinations-Defizienz (HRD) aufweisen, können diese Brüche nicht richtig reparieren, was zu Chromosomenveränderungen und schliesslich zum Zelltod führt (15). Tests auf BRCA-Mutationen und HRD-Status sind zum Standard geworden, um Patientinnen zu identifizieren, die von PARPi profitieren können. Olaparib kann bei BRCA1/2-mutierten Ovarialkarzinomen eingesetzt werden (16) und die Kombination mit Bevacizumab ist bei HRD-positiven Tumoren möglich (17). Niraparib kann als Monotherapie verwendet werden (18). Veliparib und Rucaparib zeigten Vorteile in verschiedenen Studien (19, 20), sind jedoch in Europa noch nicht zugelassen.

Bei der Erhaltungstherapie mit einem PARPi bei einem Rezidiv war ein OS-Vorteil schwerer nachzuweisen, was teilweise auf PARPi-Crossover und eine lange Überlebenszeit nach Progression zurückzuführen sein könnte. Die Wahl des Medikaments sollte nach Nebenwirkungsprofil und Patientinnen-Präferenz erfolgen, da vergleichende Studien fehlen. Patientinnen, die unter PARPi progredient sind, haben meist nur geringen Nutzen von einer erneuten PARPi-Erhaltungstherapie (21). Es gibt bislang keine Daten zu einer gleichzeitigen Erhaltungstherapie mit Bevacizumab und Olaparib bei einem Rezidiv.

Bei Patientinnen mit platinsensiblem Rezidiv eines BRCA-mutierten high-grade Ovarialkarzinoms nach zwei oder mehr platinhaltigen Vortherapien kann eine Monotherapie mit Rucaparib eine Option sein (22).

Rezidiv

Operation beim Rezidiv

Ein erheblicher Anteil der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom entwickelt ein Rezidiv. Die DESKTOP III-Studie definierte prädiktive Parameter, um geeignete Patientinnen für eine erneute Operation zu identifizieren. Diese beinhalten Patientinnen mit einem ersten platin-sensitiven Rezidiv, einem ECOG-Performance-Status von 0, Aszites ≤ 500 ml und einer makroskopischen Komplettresektion bei der Erstoperation (du Bois et al. 2020).

Chemotherapie beim Rezidiv

Bei Rezidiven des epithelialen Ovarialkarzinoms sollte bei Patientinnen zunächst evaluiert werden, ob sie für eine platinhaltige Therapie geeignet sind (früher «platinsensibel» oder «platinresistent»). Bei frühem Rezidiv (< 6 Monate nach Abschluss der adjuvanten Systemtherapie) haben Mono-Chemotherapien mit Topotecan, Gemcitabin, Paclitaxel oder pegyliertes liposomales Doxorubicin bessere Verträglichkeit und vergleichbare Effektivität gezeigt (23). Die Optimierung der Lebensqualität ist besonders wichtig (24). Mirvetuximab Soravtansin zeigte in der Phase-III-Studie MI-RASOL einen signifikanten PFS- und OS-Vorteil sowie ein besseres Sicherheitsprofil im Vergleich zur Chemotherapie (25).
Bei einem Rezidiv > 6 Monate nach der letzten Platintherapie wird in der Regel eine erneute platinhaltige Kombinationschemotherapie durchgeführt. Vor Beginn der Rezidivtherapie sollte die Möglichkeit einer Rezidivoperation geprüft werden. Bevorzugtes Regime beim Rezidiv sind Kombinationen aus Carboplatin und pegyliertem liposomalem Doxorubicin oder Carboplatin und Gemcitabin (26).

Antiangiogenetische Therapie beim Rezidiv

Bevacizumab kann in der Rezidivtherapie bei Patientinnen, die bisher kein Bevacizumab erhalten haben, in Kombination mit einer Monochemotherapie das PFS signifikant verlängern (27). Es kann auch off-label zur Reduktion der Aszitesbildung beitragen (27).

Spezielle Situationen

Low-grade seröses Ovarialkarzinom

Für Patientinnen im FIGO-Stadium IC bis IIA wird eine Monotherapie mit Carboplatin empfohlen, während ab Stadium IIB eine Kombinationstherapie aus Carboplatin und Paclitaxel eingesetzt werden sollte (Ansprechrate unter 25 %) (24). In retrospektiven Studien konnte gezeigt werden, dass eine endokrine Erhaltungstherapie das PFS verdoppeln kann (28). Die MATAO-Studie untersucht den Effekt von Letrozol versus Placebo nach Chemotherapie bei hormonrezeptorpositiven Patientinnen prospektiv (29).

Die Behandlung mit dem MEK-Inhibitor Trametinib zeigte in einer Phase-II/III-Studie ein signifikant längeres PFS als die Standardtherapie (HR 0.48, p<0.0001) und bietet eine neue Behandlungsoption für Patienten mit Rezidiv eines low-grade serösen Karzinoms (30).
Die Wirksamkeit von Bevacizumab bei low-grade serösen Ovarialkarzinomen ist unklar (14).

Hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC)

Die erste Phase-III-Studie zur HIPEC bei Ovarialkarzinom-Patientinnen nach neoadjuvanter Chemotherapie zeigte eine signifikante Verbesserung des rückfallfreien Überlebens (HR 0.66, p=0.003) und des OS im Vergleich zur Standardtherapie, jedoch mit ähnlichen Raten schwerer Nebenwirkungen. Die Studie wirft jedoch erhebliche methodische Fragen auf. Aktuell wird HIPEC nicht als Standardtherapie empfohlen und sollte nur in kontrollierten Studien verwendet werden (31).

Abkürzungen
AGO Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie
ECOG Eastern European Cooperative Oncology Group
FIGO Fédération Internationale de la Gynécologie et d’Obstétrique
HIPEC Hypertherme intraperitoneale Chemotherapie
HRD Homologe Rekombinations-Defizienz
MEK Mitogen-aktivierte Proteinkinase
NACT Neoadjuvante Chemotherapie
OS Gesamtüberleben
PARP Poly(ADP-ribose)-Polymerasen
PARPi PARP-Inhibitoren
PDS primary debulking surgery, primäre Debulking-Operation
PFS progressionsfreies Überleben

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Zweitabdruck aus info@gynäkologie 06/2024

Dr. med. Christian Braun

Luzerner Kantonsspital
Frauenklinik
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

Dr. med. Muriel Eugster

Luzerner Kantonsspital
Frauenklinik
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

Prof. Dr. med. Christine E. Brambs

Luzerner Kantonsspital
Frauenklinik
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

Die Autorenschaft hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Grundsatz der operativen Therapie ist das Ziel der tumorfreien Resektion. Diese verbessert die Prognose der Erkrankung.
  • Eine systematische pelvine und paraaortale Lymphadenektomie sollte bei Patientinnen mit fortgeschrittenem high-grade serösen Ovarialkarzinom (FIGO IIB-IV) und unauffälligen Lymphknoten nicht durchgeführt werden (LION-Studie).
  • Eine Platin-haltige Kombinations-Chemotherapie ist in den meisten Fällen der Standard der adjuvanten Therapie.
  • Als Erhaltungstherapie nach Abschluss der adjuvanten Chemotherapie und Therapieansprechen kommen bei BRCA-Mutation oder HRD-Positivität PARP-Inhibitoren in Frage.
  • Bei Patientinnen mit einem Platin-sensitiven Erstrezidiv eines Ovarialkarzinoms und einem positiven AGO-Score (ECOG Performance Status von 0, Aszites von ≤ 500 ml und eine makroskopische
    Komplettresektion) sollte beim Rezidiv eine erneute Operation in Erwägung gezogen werden (DESKTOP III-Studie).

1. du Bois, A., et al., Role of surgical outcome as prognostic factor in advanced epithelial ovarian cancer: a combined exploratory analysis of 3 prospectively randomized phase 3 multicenter trials: by the Arbeitsgemeinschaft Gynaekologische Onkologie Studiengruppe Ovarialkarzinom (AGO-OVAR) and the Groupe d’Investigateurs Nationaux Pour les Etudes des Cancers de l’Ovaire (GINECO). Cancer, 2009. 115(6): p. 1234-44.
2. Harter, P., et al., A Randomized Trial of Lymphadenectomy in Patients with Advanced Ovarian Neoplasms. N Engl J Med, 2019. 380(9): p. 822-832.
3. Trimbos, B., et al., Surgical staging and treatment of early ovarian cancer: long-term analysis from a randomized trial. J Natl Cancer Inst, 2010. 102(13): p. 982-7.
4. Vergote, I., et al., Neoadjuvant chemotherapy or primary surgery in stage IIIC or IV ovarian cancer. N Engl J Med, 2010. 363(10): p. 943-53.
5. Kehoe, S., et al., Primary chemotherapy versus primary surgery for newly diagnosed advanced ovarian cancer (CHORUS): an open-label, randomised, controlled, non-inferiority trial. Lancet, 2015. 386(9990): p. 249-57.
6. Vergote, I., et al., Neoadjuvant chemotherapy versus debulking surgery in advanced tubo-ovarian cancers: pooled analysis of individual patient data from the EORTC 55971 and CHORUS trials. Lancet Oncol, 2018. 19(12): p. 1680-1687.
7. Sorensen, S.M., et al., Residual tumor and primary debulking surgery vs interval debulking surgery in stage IV epithelial ovarian cancer. Acta Obstet Gynecol Scand, 2022. 101(3): p. 334-343.
8. Rauh-Hain, J.A., et al., Primary debulking surgery versus neoadjuvant chemotherapy in stage IV ovarian cancer. Ann Surg Oncol, 2012. 19(3): p. 959-65.
9. Reuss, A., et al., TRUST: Trial of Radical Upfront Surgical Therapy in advanced ovarian cancer (ENGOT ov33/AGO-OVAR OP7). Int J Gynecol Cancer, 2019. 29(8): p. 1327-1331.
10. Trimbos, J.B., et al., Impact of adjuvant chemotherapy and surgical staging in early-stage ovarian carcinoma: European Organisation for Research and Treatment of Cancer-Adjuvant ChemoTherapy in Ovarian Neoplasm trial. J Natl Cancer Inst, 2003. 95(2): p. 113-25.
11. du Bois, A., et al., A randomized clinical trial of cisplatin/paclitaxel versus carboplatin/paclitaxel as first-line treatment of ovarian cancer. J Natl Cancer Inst, 2003. 95(17): p. 1320-9.
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14. Oza, A.M., et al., Standard chemotherapy with or without bevacizumab for women with newly diagnosed ovarian cancer (ICON7): overall survival results of a phase 3 randomised trial. The Lancet Oncology, 2015. 16(8): p. 928-936.
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16. Moore, K., et al., Maintenance Olaparib in Patients with Newly Diagnosed Advanced Ovarian Cancer. N Engl J Med, 2018. 379(26): p. 2495-2505.
17. Ray-Coquard, I., et al., Olaparib plus Bevacizumab as First-Line Maintenance in Ovarian Cancer. N Engl J Med, 2019. 381(25): p. 2416-2428.
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19. Coleman, R.L., et al., Veliparib with First-Line Chemotherapy and as Maintenance Therapy in Ovarian Cancer. N Engl J Med, 2019. 381(25): p. 2403-2415.
20. Monk, B.J., et al., A Randomized, Phase III Trial to Evaluate Rucaparib Monotherapy as Maintenance Treatment in Patients With Newly Diagnosed Ovarian Cancer (ATHENA-MONO/GOG-3020/ENGOT-ov45). J Clin Oncol, 2022. 40(34): p. 3952-3964.
21. Pujade-Lauraine, E., et al., Maintenance olaparib rechallenge in patients with platinum-sensitive relapsed ovarian cancer previously treated with a PARP inhibitor (OReO/ENGOT-ov38): a phase IIIb trial. Ann Oncol, 2023. 34(12): p. 1152-1164.
22. Kristeleit, R., et al., Rucaparib versus standard-of-care chemotherapy in patients with relapsed ovarian cancer and a deleterious BRCA1 or BRCA2 mutation (ARIEL4): an international, open-label, randomised, phase 3 trial. Lancet Oncol, 2022. 23(4): p. 465-478.
23. Gordon, A.N., et al., Recurrent epithelial ovarian carcinoma: a randomized phase III study of pegylated liposomal doxorubicin versus topotecan. J Clin Oncol, 2001. 19(14): p. 3312-22.
24. Colombo, N., et al., ESMO-ESGO consensus conference recommendations on ovarian cancer: pathology and molecular biology, early and advanced stages, borderline tumours and recurrent disease†. Ann Oncol, 2019. 30(5): p. 672-705.
25. Moore, K.N., et al., Phase III MIRASOL (GOG 3045/ENGOT-ov55) study: Initial report of mirvetuximab soravtansine vs. investigator’s choice of chemotherapy in platinum-resistant, advanced high-grade epithelial ovarian, primary peritoneal, or fallopian tube cancers with high folate receptor-alpha expression. Journal of Clinical Oncology, 2023. 41(17_suppl): p. LBA5507-LBA5507.
26. Wagner, U., et al., Final overall survival results of phase III GCIG CALYPSO trial of pegylated liposomal doxorubicin and carboplatin vs paclitaxel and carboplatin in platinum-sensitive ovarian cancer patients. Br J Cancer, 2012. 107(4): p. 588-91.
27. Pujade-Lauraine, E., et al., Bevacizumab combined with chemotherapy for platinum-resistant recurrent ovarian cancer: The AURELIA open-label randomized phase III trial. J Clin Oncol, 2014. 32(13): p. 1302-8.
28. Gershenson, D.M., et al., Hormonal Maintenance Therapy for Women With Low-Grade Serous Cancer of the Ovary or Peritoneum. J Clin Oncol, 2017. 35(10): p. 1103-1111.
29. Heinzelmann-Schwarz, V.A., et al., ENGOT-ov54/Swiss-GO-2/MATAO including LOGOS (Low-Grade Ovarian cancer Sub-study): MAintenance Therapy with Aromatase inhibitor in epithelial Ovarian cancer—A randomized, double-blinded, placebo-controlled, multicenter phase III Trial. Journal of Clinical Oncology, 2021. 39(15_suppl): p. TPS5598-TPS5598.
30. Gershenson, D.M., et al., Trametinib versus standard of care in patients with recurrent low-grade serous ovarian cancer (GOG 281/LOGS): an international, randomised, open-label, multicentre, phase 2/3 trial. Lancet, 2022. 399(10324): p. 541-553.
31. van Driel, W.J., et al., Hyperthermic Intraperitoneal Chemotherapy in Ovarian Cancer. N Engl J Med, 2018. 378(3): p. 230-240.

Separat im Text gelistet:
1. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren, Langversion 4.0, 2020, AWMF-Registernummer: 032/035OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/ovarialkarzinom/, (abgerufen am: 30.06.2024).
2. Schmalfeldt B et al. – für die Kommission Ovar der AGO: Wie ist die Evidenz für die Lym-phonodektomie beim frühen Ovarialkarzinom? Der Frauenarzt 2018;59(10):751-753.
3. du Bois A et al.: Randomized controlled phase III study evaluating the impact of secondary cytoreductive surgery in recurrent ovarian cancer: The final analysis of AGO DESKTOP III/ENGOT ov20. ASCO 2020, Abstr. #6000.

Démence et suicide assisté: quels enjeux éthiques?

Les enjeux éthiques des demandes de suicide assisté venant des personnes atteintes de démence sont complexes. Il s’agit avant tout de pouvoir adresser leurs préoccupations et explorer leurs motivations et attitudes face à la vie et à la mort. Une demande de suicide assisté peut être exprimée en anticipation du déclin cognitif, mais la réalisation nécessite la capacité de discernement. Si souhaité, l’élaboration d’un projet de soins anticipé permet de discuter des alternatives en cas de complications et des préférences y relatives. Une approche interdisciplinaire de soins palliatifs gériatriques est recommandée afin d’offrir des soins concordant avec les objectifs des personnes et de les respecter dans leurs décisions de fin de vie.

The ethical issues surrounding requests for assisted suicide from people with dementia are complex. First and foremost, we need to address their concerns and explore their motivations and attitudes towards life and death. A request for assisted suicide may be expressed in anticipation of cognitive decline, but its realization requires decision-making capacity. If desired, advance care planning can help discuss and determine alternatives in the event of complications and related preferences. An interdisciplinary approach to geriatric palliative care is recommended in order to provide goal-concordant care and to respect the person’s end-of-life decisions.
Keywords: Dementia, assisted suicide, decision-making capacity, advance care planning

Introduction

Dans le présent article, nous proposons d’aborder quelques enjeux éthiques actuels du suicide assisté chez les personnes atteintes de démence. Comme souvent face à une maladie grave et incurable, les préférences des personnes confrontées à un diagnostic de démence sont très variables et dépendent de leurs valeurs et attitudes face à la vie et à la mort. Certains expriment initialement ne pas s’imaginer vivre avec des troubles cognitifs mais montrent plus tard des signes de plaisir à vivre. D’autres présentent des signes de souffrance existentielle, de perte de sens ou d’une crainte face au déclin cognitif, pouvant motiver une demande de suicide assisté dès l’ annonce du diagnostic. Il s’agit aussi, pour certaines personnes comme Gunter Sachs, de garder le contrôle de leur vie et de ne pas subir une fin de vie qu’elles ne jugent pas digne selon leur échelle de valeur (cf. encadré).

Pour les professionnelles de santé, l’expression d’un désir de mort, voire d’une demande d’assistance au suicide, est un défi qui nécessite des compétences communicationnelles, d’écoute active et de respect des valeurs d’autrui (2). Les soignants ont une obligation déontologique d’essayer de comprendre leurs patients en tant que personnes, et de considérer leurs souffrances et ses potentielles causes. Une évaluation pluriprofessionnelle et interdisciplinaire permet de mieux comprendre les enjeux qui découlent de chaque situation, en impliquant des spécialistes médecins, infirmiers, psychologues, accompagnants spirituels des domaines de la gériatrie, de la psycho-gériatrie et des soins palliatifs, mais aussi des éthiciens et juristes parfois.

Comme le montre le cas de Gunter Sachs, un désir de mort au début d’une démence est souvent motivé par la crainte d’un avenir sombre: les craintes d’être totalement dépendant, de perdre son identité et sa personnalité, d’être un fardeau pour les proches, de souffrir de douleurs ou d’autres symptômes insupportables, et finalement les craintes de ne plus pouvoir contrôler sa vie et de ne plus pouvoir mettre fin à ses jours à cause d’une perte de la capacité de discernement (3). Une revue systématique de la littérature a dévoilé que la démence en soi n’est pas un facteur de risque suicidaire, mais que certains sous-groupes peuvent présenter un risque accru, par exemple dans des situations de patients plus jeunes, en cas de comorbidités, de dépression, de démence sémantique, ou dans la phase initiale après l’annonce du diagnostic (4).

Cadre juridique et déontologique

En Suisse, l’assistance au suicide n’est pas considérée comme une infraction pénale à condition que la personne qui assiste n’ait pas de mobile égoïste (art. 155 Code Pénal suisse, CP). L’euthanasie est cependant interdite (art. 114 CP), contrairement à un nombre croissant d’autres pays (Pays-Bas, Belgique, Luxembourg, Canada, Australie, Espagne, Portugal). Dans le cas du suicide assisté la personne désirant mourir garde le contrôle ultime de l’acte: c’est elle qui doit boire la substance létale ou démarrer la perfusion. L’assistance au suicide est uniquement permise si le suicide est volontaire et si la personne a encore sa capacité de discernement par rapport à cet acte. Pour assurer la nature volontaire de l’acte, il est nécessaire d’exclure toutes pressions, manipulations, tromperies ou contraintes intérieures ou extérieures. La capacité de discernement se décline en 4 sous-capacités: la compréhension des informations données de manière compréhensible, l’appréciation de sa propre situation et des conséquences de l’acte, le raisonnement selon la balance des arguments, et finalement le choix personnel exprimé (5). Cependant, l’évaluation de cette capacité est complexe quand elle concerne le suicide assisté et la littérature montre qu’il y a beaucoup d’incertitude et de diversité dans ces évaluations médicales (6).

La directive de l’Académie Suisse des Sciences Médicales « Attitude face à la fin de vie et à la mort », adoptée comme déontologie par la FMH, émet des conditions supplémentaires (7): le médecin doit attester que la personne ait une souffrance insupportable objectivée par un diagnostic ou un pronostic. De plus, les alternatives au suicide assisté doivent avoir été expliquées, discutées et proposées. Selon cette directive, le médecin ne peut apporter une assistance au suicide si le désir de suicide « constitue un symptôme actuel d’un trouble psychique » (7).

Alternatives et enjeux éthiques

Sur le plan éthique, un enjeu majeur est le respect de l’autonomie et de la dignité de la personne atteinte de démence, et des décisions de fin de vie qui en découlent (8). Afin de pouvoir prendre une décision éclairée, la personne capable de discernement doit avant tout être informée de manière complète et objective sur le pronostic de la maladie, les conséquences de celle-ci sur la santé et la fin de vie, les options de projet de soins et les risques et bénéfices de ces options.

Les patients doivent aussi être informés des différentes options légales permettant de soulager la souffrance et d’accompagner la fin de vie, en particulier des soins palliatifs. Comme toutes mesures de soins, les mesures prolongeant la vie et prescrites dans le cadre d’une démence (p.ex. des antibiotiques), ne doivent être entamées que si elles sont alignées avec la volonté autonome de la personne. Afin de respecter au mieux cette autonomie selon l’échelle de valeurs de l’individu, il est primordial de pouvoir engager ces discussions dans la phase précoce de la maladie (« autonomie relationnelle »). Il est recommandé que le patient exprime ses souhaits, valeurs et objectifs de soins en amont avec ses proches, ses médecins et ses soignants, idéalement dans le cadre d’un Projet de Soins Anticipé (ProSA), accompagné par un professionnel qualifié qui anime et documente ces entretiens (9, 10). Dans ce processus, le patient a aussi l’occasion de nommer une personne de confiance comme représentant thérapeutique et de rédiger des directives anticipées. Ces dernières permettent de se déterminer sur les situations dans lesquelles, en cas d’incapacité de discernement, la personne souhaiterait renoncer aux mesures de soins. On ne peut pas diriger son futur soi incapable de discernement à se suicider (comme montré dans le film « Still Alice »), et si on pouvait le faire ceci serait un suicide non volontaire qui devrait être empêché plutôt qu‘assisté.

Le ProSA permet également d’explorer d’autres options possibles, comme celles relatives à l’alimentation et à l’hydratation. Tant qu’une personne garde sa capacité de discernement, un arrêt volontaire de manger et de boire est une décision de fin de vie légitime qui permet de raccourcir sa vie (11). Cependant, il est éthiquement controversé qu’une personne puisse exiger en amont de ne plus recevoir de boissons et de nourriture en cas de démence avancée, surtout si elle montre des signes qu’elle souhaite boire et manger – une offre d’entraide humaine soutenue par le principe bioéthique de bienfaisance (12, 13). La prise hydrique et alimentaire orale n’est pas un traitement médical mais un geste d‘assistance interpersonnelle, tout comme la protection contre le froid. Leur arrêt ne peut pas être prescrit en amont car ceci équivaudrait à un suicide assisté non volontaire (en l‘absence d‘autodétermination), ce qui n’est ni légal ni éthiquement bien-fondé (13, 14).
La démence présumée de Gunter Sachs n’a pas été diagnostiquée et il était connu pour avoir des épisodes dépressifs. Il aurait été mérité d’être accompagné par une équipe médico-soignante et soutenue par une culture de communication ouverte dans une société qui s’engage à respecter les décisions de fin de vie de toutes les personnes, quelles qu’elles soient.

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Dre Rachel Rutz Voumard

Unité d’éthique clinique,
Institut des Humanités en Médecine, CHUV-UNIL

Dre Eve Rubli Truchard

 Chaire de soins palliatifs gériatriques
Service de gériatrie et de réadaptation gériatrique
Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV)
Avenue Pierre-Decker 9
1011 Lausanne

Pr Ralf Jox

– Unité d’éthique clinique, Institut des Humanités en Médecine, CHUV-UNIL
– Chaire de soins palliatifs gériatriques, Service de soins palliatifs et de support CHUV-UNIL,

Les auteurs n’ont pas déclaré de conflit d’intérêts en rapport avec cet article.

  • Les personnes atteintes de démence peuvent exprimer une souffrance existentielle, une perte de sens ou une crainte face au risque de déclin cognitif, pouvant motiver un désir de mort précoce à l’annonce du diagnostic.
  • Il est primordial d’écouter leurs préoccupations, les informer de la trajectoire de la maladie, discuter des options de soins et anticiper le projet de soins.
  • Consciente des alternatives possibles, une personne atteinte de démence est plus à même de prendre des décisions existentielles concernant sa vie et sa mort.

1. Der Abschiedsbrief von Gunter Sachs. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.5.2011, https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/wortlaut-der-abschiedsbrief-von-gunter-sachs-1637779.html (accédé le 19.8.2024)
2. Fachgesellschaft für Palliative Geriatrie (FGPG), Grundsatzpapier „Sterbewünsche in der palliativen Geriatrie“. FGPG Berlin 2023, https://www.fgpg.eu/wp-content/uploads/2023/05/GSP-05_Sterbewuensche-Druck.pdf (accédé le 19.8.2024)
3. van Rickstal R, De Vleminck A, Chambaere K, Van den Block L. People with young-onset dementia and their family caregivers discussing euthanasia: A qualitative analysis of their considerations. Patient Educ Couns 2023; Oct:115:107882. doi: 10.1016/j.pec.2023.107882
4. Schmid J, Jox R, Gauthier S, Belleville S, Racine E, Schüle C, Turecki G, Richard-Devantoy S. Suicide and assisted dying in dementia: what we know and what we need to know. A narrative literature review. Int Psychogeriatr 2017;29(8):1247-59.
5. Appelbaum PS. Assessment of Patients’ Competence to Consent to Medical Treatment. New Engl J Med 2007 ;357:1834-40.
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7. Académie Suisse des Sciences Médicales. Directives médico-éthiques: Attitude fae à la fin de vie et à la mort. Version de 2018, révisée en 2021. Bâle 2022. https://www.samw.ch/fr/Publications/Directives.html (accédé le 19.8.2024)
8. Académie Suisse des Sciences Médicales. Directives médico-éthiques: Prise en charge et traitements des personnes atteintes de démences, ASSM, Bâle 2018.
9. Bosisio F, Sterie AC, Rubli Truchard E, Jox RJ. Implementing advace care planning in early dementia care: results and insights from a pilot interventional trial. BMC Geriatr 2021;21:573.
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11. Jox RJ, Black I, Borasio GD, Anneser J. Voluntary stopping of eating and drinking: is medical support ethically justified? BMC Med 2017;15(1):186.
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13. Jox RJ. Ethische Fragen im Zusammenhang mit der Ernährung von Menschen mit Demenz. Zeitschrift für medizinische Ethik 2022;68:49-61.
14. Commission nationale d’éthique pour la médecine humaine, Considérations éthiques sur le nouveau droit de la protection de l’adulte, tenant compte en particulier de la démence, prise de position n°17/2011dans l’article en ligne sous www.medinfo-verlag.ch

Kardiologie am Puls der Zeit

Von der Auseinandersetzung mit dem eigenen ökologischen Fussabdruck über neue Erkenntnisse zu Kardiomyopathien bis hin zu optimierten Behandlungsstrategien für die akute Lungenembolie – in dieser Ausgabe präsentieren wir Ihnen drei Beiträge, die die Vielschichtigkeit der modernen Kardiologie beleuchten:

Der erste Artikel widmet sich einem Thema, das längst überfällig ist: Nachhaltigkeit in der Kardiologie. Der Gesundheitssektor verursacht weltweit 4–5 % der gesamten Treibhausgasemissionen – ein Anteil, der in Zeiten der Klimakrise nicht länger ignoriert werden kann. Der Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Zusammenhänge zwischen Medizin und Klimawandel, zeigt die grössten Emissionsquellen in der Kardiologie auf und diskutiert innovative Lösungen, um den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Dabei wird deutlich: Jede Massnahme zählt – von energieeffizienten Geräten über nachhaltige Materialien bis hin zu klimafreundlichen Transportkonzepten.

Der zweite Beitrag dieser Ausgabe beschäftigt sich mit den häufigsten Kardiomyopathie-Formen und stellt die aktuellen pathophysiologischen Erkenntnisse, diagnostischen Verfahren und therapeutischen Konzepte vor. Neben der hypertrophen, der dilatativen und der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie wird auch eine neue, von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie definierte Entität – die nicht-dilatierte linksventrikuläre Kardiomyopathie – vorgestellt. Die Kardiomyopathien sind ein vielschichtiges Krankheitsbild, dessen Management sich, wie in vielen anderen medizinischen Fachgebieten, zunehmend individualisiert.

Abgerundet wird die Ausgabe durch einen Beitrag zur akuten Lungenembolie, einer der häufigsten Ursachen für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Die Autoren erläutern, wie entscheidend eine frühzeitige Diagnostik und Risikostratifizierung für das Patientenmanagement sind. Von der Antikoagulation im ambulanten Bereich bis hin zu lebensrettenden Reperfusionsmassnahmen im Rahmen spezialisierter Lungenembolie-Teams – der Artikel zeigt, wie sich interdisziplinäre und strukturierte Vorgehensweisen in der klinischen Praxis
bewähren.

Diese drei Artikel verdeutlichen, wie dynamisch sich die Kardiologie weiterentwickelt – sei es in Richtung Nachhaltigkeit, durch präzisere Diagnosen oder optimierte Therapieansätze. Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre und freuen uns auf angeregte Diskussionen zu diesen wichtigen Themen.

Prof. Dr. Dr. med. Christoph Gräni

PhD, FESC, FACC, FSCCT, FSCMR
Leiter kardiale Bildgebung
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

christoph.graeni@insel.ch