Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Tumorinfiltrierende Lymphozyten bei dreifach-negativem Brustkrebs

Ist bei Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs (TNBC) im Frühstadium, die mit lokoregionaler Therapie, aber ohne adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie behandelt wurden, eine höhere Anzahl von tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) im Brustkrebsgewebe mit einem besseren Überleben verbunden?

Dieser Frage ging eine retrospektive Analyse von 1966 Teilnehmerinnen nach. Es handelte sich um eine retrospektive gepoolte Analyse individueller Patientendaten aus 13 teilnehmenden Zentren in Nordamerika (Rochester, Minnesota; Vancouver, British Columbia, Kanada), Europa (Paris, Lyon und Villejuif, Frankreich; Amsterdam und Rotterdam, Niederlande; Mailand, Padua und Genua, Italien; Göteborg, Schweden) und Asien (Tokio, Japan; Seoul, Korea), einschliesslich 1966 Teilnehmerinnen, bei denen zwischen 1979 und 2017 TNBC diagnostiziert wurde (mit Nachbeobachtung bis zum 27. September 2021) und die eine chirurgische Behandlung mit oder ohne Strahlentherapie, aber keine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie erhielten.

Ergebnisse

Das primäre Ergebnis war das invasive krankheitsfreie Überleben [iDFS]. Sekundäre Endpunkte waren das rezidivfreie Überleben [RFS], das Überleben ohne Fernrezidiv [distant RFS, DRFS] und das Gesamtüberleben. Die Zusammenhänge wurden anhand eines multivariablen Cox-Modells bewertet, das nach teilnehmenden Zentren stratifiziert wurde.

Die Studie umfasste 1966 Patienten mit TNBC (mittleres Alter 56 Jahre [IQR, 39–71]; 55 % hatten TNBC im Stadium I). Der mediane TIL-Wert betrug 15 % (IQR, 5 %–40 %). 417 (21 %) hatten einen TIL-Wert von 50 % oder mehr (medianes Alter 41 Jahre [IQR 36–63]), und 1300 (66 %) hatten einen TIL-Wert von weniger als 30 % (medianes Alter 59 Jahre [IQR 41–72]). Das Fünf-Jahres-DRFS für TNBC im Stadium I betrug 94 % (95 % CI, 91 %–96 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von 50 % oder mehr, verglichen mit 78 % (95 % CI, 75 %–80 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von weniger als 30 %; das 5-Jahres-Gesamtüberleben betrug 95 % (95 % CI, 92 %–97 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von 50 % oder mehr, verglichen mit 82 % (95 % CI, 79 %–84 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von weniger als 30 %. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 18 Jahren und nach Berücksichtigung von Alter, Tumorgrösse, Knotenstatus, histologischem Grad und Strahlentherapie war jede um 10 % höhere TIL-Zunahme unabhängig voneinander mit einem verbesserten iDFS verbunden (Hazard Ratio [HR], 0.92 [0.89–0.94]), RFS (HR, 0.90 [0.87–0.92]), DRFS (HR, 0.87 [0.84–0.90]) und Gesamtüberleben (0.88 [0.85–0.91]) (Likelihood-Ratio-Test, P < 10e–6).

Schlussfolgerungen

Bei Patientinnen mit TNBC im Frühstadium, die sich keiner adjuvanten oder neoadjuvanten Chemotherapie unterzogen hatten, war Brustkrebsgewebe mit einer höheren TIL-Konzentration mit einem signifikant besseren Überleben verbunden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die TIL-Konzentration im Brustgewebe ein prognostischer Faktor für Patientinnen mit TNBC im Frühstadium ist.

Literatur
Leon-Ferre RA et al. Tumor-Infiltrating Lymphocytes in Triple-Negative Breast ­Cancer JAMA. 2024;331(13):1135-1144. doi:10.1001/jama.2024.3056

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Eine Phase-2-Lernverbundstudie zur haplo­identischen Knochenmarktransplantation bei Sichelzellanämie

Die vorliegende Studie ist eine Phase-2-Studie zur Knochenmarkstransplantation mit halb-passenden Spendern, d. h. haploidenten Spendern, nach einer reduzierten intensiven Therapie mit Thiotepa und der Prophylaxe der Graft-versus-Host-Krankheit (GvHD) mit posttransplantärem Cyclophosphamid bei Patienten mit Sichelzellerkrankung. Die Hypothese lautet wie folgt: Ereignisfreies Überleben (EFS) von mindestens 80 %. In die vorliegende Studie wurden insgesamt 70 Patienten eingeschlossen, darunter 38 Erwachsene und 32 Kinder. Eine Transplantatabstoßung wurde in acht von 70 Fällen (11.4 %) beobachtet, wobei dies ausschließlich bei Patienten unter 18 Jahren der Fall war. Bei sämtlichen Patienten konnte eine autologe Rekonstitution beobachtet werden, was bedeutet, dass die Funktion des eigenen Knochenmarks wieder aufgenommen wurde. Nach einem Beobachtungszeitraum von zwei Jahren wurde ein Ereignisfreies Überleben (EFS) von 82.6 % und ein Gesamtüberleben von 94.1 % ermittelt. Hierbei zeigten sich keine Unterschiede zwischen adulten und pädiatrischen Patienten. Von den Patienten, bei denen die Transplantation erfolgreich verlaufen ist, waren 96.6 % (57 / 59) ein Jahr nach der Transplantation ohne Immunsuppression. Bei 10 % der Patienten trat eine schwere akute GvHD auf, bei weiteren 10 % eine chronische GvHD. Fünf Patienten verstarben an infektiösen Komplikationen.

Literatur
An international learning collaborative phase 2 trial for haploidentical bone marrow transplant in sickle cell disease. Adetola A. Kassim, Josu de la Fuente, Erfan Nur,et al. Blood. 2024 Jun 20;143(25):2654-2665

Pegyliertes Interferon alfa (pegIFN-α) kann zu molekularen Remissionen führen

Pegyliertes Interferon alfa (pegIFN-α) kann bei Patienten mit JAK2 mutierter Myeloproliferativer Neoplasie (MPN) zu molekularen Remissionen führen. Man nimmt an, dass langlebige zur Neoplasie gehörende Stammzellen beeinflusst werden. Patienten mit MPN haben oft zusätzliche Mutationen in Genen, welche Stammzellerneuerung regulieren wie z. B. DNMT3A. Diese Patienten scheinen auf pegIFN-α schlechter anzusprechen. In dieser experimentellen Studie aus der Gruppe von R Skoda in Basel wurde untersucht ob in Mausmodellen und in Patientenstammzellen DNMT3A Verlust mit Resistenz auf pegIFN-α korreliert. pegIFN-α reduziert die mutierte JAK2 Last normalisiert die Blutwerte und korrigiert Splenomegalie im Mausmodell. Diese Wirkung wurde durch DNMT3A Verlust aufgehoben. Mechanistische Untersuchungen zeigen, dass dies nicht über einen Verlust des Interferonsignalweges geschieht. Interferon Behandlung nach DNMT3A Verlust führte zu einem aggressiveren Krankheitsverlauf im Tiermodell.

Literatur
Loss of Dnmt3a increases self-renewal and resistance to pegIFN-∂ in JAK2-V617F–positive myeloproliferative neoplasms; Marc Usart, Jan Stetka,Damien Luque Paz, et al. Blood. 2024 Jun 13;143(24):2490-2503.

Ein neuartiger monoklonaler Anti-CD38-Antikörper zur Behandlung von Immunthrombozytopenien

Die Immunthrombozytopenie zählt zu den häufigeren Autoimmunerkrankungen, welche Blutzellen betreffen. Die Therapie der chronischen Verlaufsformen erweist sich als wenig zufriedenstellend. Im Folgenden wird der CD38-Antikörper CM313 vorgestellt. Im Rahmen einer Phase-1- bis -2-Studie wurde der CD38-Antikörper CM313 wöchentlich i. v. in einer Dosis von 16 mg/kg über einen Zeitraum von acht Wochen an erwachsene Patienten verabreicht. Insgesamt wurden 22 Patienten in die Studie eingeschlossen, wobei bei 21 Patienten (95 %) ein Thrombozytenwert von > 50 × 10⁹/L erreicht wurde. Die Ansprechdauer betrug 23 Wochen (17–24 Wochen). Das Ansprechen wurde median innerhalb einer Woche beobachtet. Zu den Nebenwirkungen gehörten Infusionsreaktionen sowie Infektionen der oberen Luftwege.

Literatur
A Novel Anti-CD38 Monoclonal Antibody for Treating Immune Thrombocytopenia.
Yunfei Chen, M.D., Yanmei Xu, M.D., Huiyuan Li, M.D., et al N Engl J Med 2024;390:2178-90.

Jüngere unverwandte Spender können in der PTCy-Ära einer HLA-Übereinstimmung vorzuziehen sein

Die allogene Stammzelltransplantation gehört zum Standard bei intermediär und hochrisiko Leukämien. Bei zunehmendem Alter der behandelten Patienten stellen sich Fragen nach der besten Spenderwahl. Gleichzeitig ergeben sich durch die verbesserte Prophylaxe der Graft versus Host Krankheit (GvHD) mit posttransplantärem Cyclophosphamide (PTCy) auch Fragen nach der Rolle des Alters von unverwandten Spendern aus dem Register. In dieser observationellen Studie aus dem Transplantationsregister wurden Patienten mit akuter myeloischer Leukämie in erster oder zweiter Remission mit passendem Fremdspender (MUD) oder Fremdspender mit einem HLA mismatch (MMUD) eingeschlossen. 1011 Patienten wurden untersucht, medianes Alter 54 Jahre (18–77). Spender waren median 29 Jahre (18–64) alt. Ein Spendealter über 30 Jahre hatte einen negativen Einfluss auf den Rückfall nach Transplantation (Hazard Ratio [HR], 1.38 (1.06–1.8), Leukämiefreies Ueberleben (HR, 1.4; 95 % CI, 1.12–1.74), und Gesamtüberleben (HR 1.45; 95 % CI, 1.14–1.85). Der Einfluss von HLA mismatch war nicht signifikant und weniger stark als der des Alters der Spender.

Literatur
Younger unrelated donors may be preferable over HLA match in the PTCy era: a study from the ALWP of the EBMT. Jaime Sanz, Myriam Labopin, Goda Choi, et al Blood. 2024 Jun 13;143(24):2534-2543

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch

salVage

Eine randomisierte kontrollierte Phase-III-Studie zum Vergleich der medikamentösen Krebst­herapie mit oder ohne zusätzliche lokale Behandlung (Chirurgie oder Bestrahlung) bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs im fortgeschrittenen ­Stadium IV («salVage»)

Bei den meisten Patienten und Patientinnen wird die Diagnose Lungenkrebs leider erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium gestellt, in dem der Krebs bereits Metastasen ausserhalb der Lunge gebildet hat. In dieser Phase wird üblicherweise eine medikamentöse Therapie angewendet, die als Systemtherapie bekannt ist. In dieser Studie möchten wir herausfinden, ob es für Patienten mit fortgeschrittenem polymetastatischem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (Stadium IV) von Vorteil ist, nach positivem Ansprechen auf die Systemtherapie auch den Haupttumor und die Metastasen mittels Chirurgie und/oder Bestrahlung zu behandeln. Diese Behandlungsform wird als Lokale Ablative Therapie, kurz LAT, bezeichnet.

Es gibt Hinweise dafür, dass diese zusätzliche Intervention die durchschnittliche Zeitspanne bis zum möglichen Wiederauftreten des Krebses (progressionsfreies Überleben, PFS) verlängern oder zu einer insgesamt längeren Überlebenszeit führen kann. Daher möchten wir ermitteln, ob diese Behandlungsansätze die Lebensspanne tatsächlich verlängern können, und wenn ja, in welchem Ausmass und mit welchen Auswirkungen. Bisher wird Patienten, die auf die erste Systemtherapie ansprechen, in der Regel nicht routinemässig eine LAT angeboten. Bei positiven Resultaten aus dieser Studie würde dies jedoch zu einer grundlegenden Veränderung der gegenwärtigen Behandlungsstandards führen.
Aus der Perspektive der Patienten hängt der Nutzen einer Therapie nicht nur von der Verlängerung des progressionsfreien Überlebens oder der gesamten Überlebenszeit ab, sondern auch stark von den Auswirkungen auf die Lebensqualität. Nebenwirkungen von Medikamenten, Schmerzen, Müdigkeit, Übelkeit oder längere Krankenhausaufenthalte können die positiven ärztlichen Effekte einer Therapie aus Sicht des Patienten erheblich mindern. Daher ist die Beurteilung der Lebensqualität mittels patientenorientierter Ergebnismessungen (Patient Reported Outcome Measures, PROMs) ein zentraler Aspekt dieser Studie.

In diese Studie werden insgesamt 128 Patienten aus verschiedenen Schweizer Krankenhäusern aufgenommen. Diese Patienten werden zufällig entweder der Interventionsgruppe (LAT) oder der Kontrollgruppe (Systemtherapie) zugeteilt. Neben der LAT-Intervention werden die Patienten etwa sechsmal für Studienvisiten ins Krankenhaus kommen. Die Studie wird voraussichtlich ungefähr zwei Jahre für jeden einzelnen Patienten dauern.

Eckdaten zur Studie

Studienname:
Phase III randomized controlled trial comparing maintenance systemic therapy alone with systemic therapy plus local ablative treatment for patients with advanced stage IV non-small cell lung cancer salvage

Teilnehmende Zentren:
Luzerner Kantonsspital, Universitätsspital Zürich, Kantonsspital Graubünden

Coordinating Investigator:
Prof. Dr. Isabelle Schmitt-Opitz, Universitätsspital Zürich

Clinical Project Manager USZ:
Dr. sc. nat. Albana Rexhepaj, Universitätsspital Zürich
Clinical Project Manager – SAKK:
Gwendoline Wicki, SAKK Kompetenzzentrum Bern, trials@sakk.ch

Clin.gov. link:
classic.clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT06114108

SAKK-Website:
sakk.ch/de/trial/salVage

Prof. Dr. med. Miklos Pless

Winterthur
SAKK Präsident

miklos.pless@ksw.ch

Neuer Behandlungsstandard für HER2-low und HER2-ultralow bei mBC?

Die Behandlung des metastasierenden Brustkrebses (mBC) bleibt anspruchsvoll. Die auf der ASCO-Jahrestagung 2024 in Chicago vorgestellten Forschungsergebnisse liefern neue Erkenntnisse über HER2*-low Brustkrebs, darunter auch einen neuen potenziellen Behandlungsstandard (1). Die Phase-3-Studie DESTINY-Breast06 (DB-06) vergleicht die Therapie mit Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) mit der Chemotherapie nach Wahl des Arztes (ChT) bei Patientinnen mit HR*-positiven HER2-low oder HER2-ultralow mBC unter vorheriger endokriner Therapie (1). Die Studie könnte T-DXd nun als Standardbehandlung nach ≥1 endokrinen Therapien bei HR-positiven mBC-Patientinnen mit HER2-low und -ultralow etablieren (1).

Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsart bei Frauen und allein in der Schweiz werden jährlich mehr als 6500 Frauen mit der Erkrankung diagnostiziert (2, 3). Der Expressionsstatus von Hormonrezeptoren wie ER* und PR*, sowie von HER2 sind für die Behandlungsstrategie von zentraler Bedeutung, denn sie bieten Auskunft über die Anwendbarkeit zielgerichteter Wirkstoffe. Angesichts der gesteigerten Wirksamkeit neuer HER2-gerichteter Therapien, stellt sich die Frage, wo die therapeutisch relevante Grenze zwischen niedrig und ultraniedriger Expression verläuft.

HER2-Expression

Die Leitlinien der American Society of Clinical Oncology (ASCO) und dem College of American Pathologists (CAP) definieren die aktuelle Bestimmung des HER2-Status (4, 5). Die HER2-Expression auf der Oberfläche der Krebszellen wird mittels immunhistochemischer Färbung (IHC) sichtbar gemacht und mit einem vierstufigen Score von 0 bis 3+ bewertet. Zudem kann mithilfe von In-situ-Hybridisierung (ISH) untersucht werden, ob eine HER2-Genamplifikation vorliegt. Somit zeigen etwa 15-20 % aller Brusttumore eine starke HER2-Überexpression, die den Einsatz zielgerichteter Therapien erlauben (6). Doch mittlerweile wurde gezeigt, dass auch Patientinnen mit niedriger HER2-Expression (HER2-low) von signifikant verlängerten progressionsfreien Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) im Rahmen einer HER2-gerichteten Antikörper-Therapie in Vergleich zu ChT profitieren können (7).

T-DXd auch bei HER2-ultralow

Am diesjährigen ASCO wurden diverse Forschungsergebnisse zum Thema HER2-low mBC vorgestellt (1, 8-10). Unter anderem wurden primäre Daten zur DESTINY-Breast06 präsentiert, in der 866 HR-positive Patientinnen (HER2-low: n=713; HER2-ultralow: n=153) eingeschlossen und 1:1 zu T-DXd 5,4 mg/kg oder ChT randomisiert wurden (1). Eine HER2-low Erkrankung war definiert durch einen IHC-Score von 1+ oder 2+ mit einem negativen ISH-Ergebnis, und eine HER2-ultralow-Krankheit durch einen IHC-Score von 0 mit Membranfärbung in 10 % der Tumorzellen oder weniger. Die Patientinnen hatten zuvor keine ChT für mBC erhalten, waren jedoch je nach Krankheitsprogression mit mindestens einer endokrinen Therapie behandelt worden. Eine erste Zwischenanalyse zeigte eine mediane Behandlungsdauer von 11,0 Monaten (T-DXd) gegenüber 5,6 Monaten (ChT), mit einem medianen Follow-up von 18,2 Monaten. Der primäre Endpunkt PFS betrug bei HER2-low Patientinnen unter T-DXd median 8,1 Monate im Vergleich zu 13,2 Monaten unter ChT, was einer signifikanten Verbesserung entspricht (HR: 0,62 (95]% CI 0,51, 0,74), P<0,0001). Auch die Ergebnisse der HER2-ultralow Patientinnen waren mit den Daten der HER2-low Patientinnen konsistent. Bei dieser ersten Zwischenanalyse wurde das OS noch nicht bewertet. Die Sicherheit war in beiden Gruppen vergleichbar, wobei bei 40,6 % der Patientinnen in der T-DXd-Gruppe unerwünschte Ereignisse vom Grad ≥3 auftraten (31,4 % bei der ChT-Gruppe).

Fazit

Primäre Daten der DESTINY-Breast06 zeigen einen statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen PFS-Vorteil von T-DXd gegenüber ChT bei HER2-low und HER2-ultralow mBC. Auf Grundlage dieser Daten könnte sich T-DXd als Standardbehandlung nach ≥1 endokrinen Therapien bei mBC-Patientinnen mit HR-positiven HER2-low und -ultralow etablieren. Es bleibt jedoch noch offen, wie dies in der Klinik umgesetzt werden soll, da die IHC für niedrige HER2-Expressionen einen grossen Interpretationsspielraum birgt (11, 12).

* Abkürzungen: ER = Estrogenrezeptor; HER2 = humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2; HR = Hormonrezeptor; PR = Progesteronrezeptor.

red

Literatur
1. Curigliano, G., et al. LBA1000. Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) vs physician’s choice of chemotherapy (TPC) in patients (pts) with hormone receptor-positive (HR+), human epidermal growth factor receptor 2 (HER2)-low or HER2-ultralow metastatic breast cancer (mBC) with prior endocrine therapy (ET): Primary results from DESTINY-Breast06 (DB-06). Presented at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
2. International Agency for Research on Cancer (IARC). https://gco.iarc.fr/today/data/factsheets/cancers/20-Breast-fact-sheet.pdf. .
3. Krebsliga Schweiz. Krebs in der Schweiz: wichtige Zahlen. Massgeblicher Zeitraum 2016 – 2020. Stand Dezember 2023.
4. Wolff, A.C., et al., Human Epidermal Growth Factor Receptor 2 Testing in Breast Cancer: American Society of Clinical Oncology/College of American Pathologists Clinical Practice Guideline Focused Update. Arch Pathol Lab Med, 2018. 142(11): p. 1364-1382.
5. Wolff, A.C., et al., Human Epidermal Growth Factor Receptor 2 Testing in Breast Cancer: ASCO-College of American Pathologists Guideline Update. J Clin Oncol, 2023. 41(22): p. 3867-3872.
6. Exman, P. and S.M. Tolaney, HER2-positive metastatic breast cancer: A comprehensive review. Clin. Adv. Hematol. Oncol, 2021. 19: p. 40-50.
7. Modi, S., et al., Trastuzumab deruxtecan in previously treated HER2-low advanced breast cancer. New England Journal of Medicine, 2022. 387(1): p. 9-20.
8. Molinelli, C., et al. Abstract 532 Dose-dense adjuvant chemotherapy in patients with HER2-low early breast cancer: An exploratory analysis of the GIM2 trial. Abstract at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
9. Qureshi, Z., et al. Abstract 1034 Safety and efficacy of trastuzumab deruxtecan for metastatic HER2+ and HER2-low breast cancer: An updated systematic review and meta-analysis of clinical trials. Abstract at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
10. Chong, E., et al. Abstract 599 Evaluating the efficacy of neoadjuvant endocrine therapy in HER2 low vs. HER2 negative breast cancer: An NCBD analysis. Abstract at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
11. Robbins, C.J., et al., Multi-institutional Assessment of Pathologist Scoring HER2 Immunohistochemistry. Mod Pathol, 2023. 36(1): p. 100032.
12. Fernandez, A.I., et al., Examination of Low ERBB2 Protein Expression in Breast Cancer Tissue. JAMA Oncol, 2022. 8(4): p. 1-4.

SAKK Awards 2024

Vielfältige Schweizer Krebsforschung ausgezeichnet

Die SAKK hat bei ihrer Halbjahresversammlung vom 25.–27. Juni 2024 in Luzern herausragende Beiträge zur Krebs­forschung ausgezeichnet. Insgesamt wurden fünf Preise und ein Forschungsstipendium im Gesamtwert von 1 160 000 CHF verliehen. Die SAKK und ihre Partner leisten damit einen wertvollen Beitrag für die Nachwuchsförderung in der Onkologie und der Hämatologie auf exzellentem internationalem Niveau in der Schweiz.​

SAKK/AbbVie Digital Innovation Award

Der diesjährige SAKK/AbbVie Digital Innovation Award ging an Dr. med. Elene Diana Chiru und PD Dr. med. Marcus Vetter vom Kantonsspital Baselland. Ihr Projekt nutzt künstliche Intelligenz zur Verbesserung der Brustkrebsdiagnostik. Durch die Integration klinischer und pathologischer Daten Das von mit Hilfe des Ataraxis KI Models sollen die Grenzen derzeit genutzter genetischer Testmethoden wie Oncotype DX überwunden werden, was eine präzisere und schnellere Diagnose ermöglicht.

SAKK/Astellas GU-Oncology Award

Dr. Anke Katharina Augspach und ihr Team von der Universität Bern wurden für ihre Forschung zu neuen Behandlungsmethoden für Prostatakrebs ausgezeichnet. Sie untersuchten einen Mechanismus namens Minor Intron Splicing, der von Tumorzellen zur DNA-Reparatur genutzt wird. Ihre Studien zeigen, dass die Hemmung dieses Mechanismus durch siRNA die Überlebensrate von Prostatakrebszellen verringern kann, ohne gesunde Zellen zu beeinträchtigen.

SAKK/BMS HEM Pioneer Grant

Der Grant wurde an PD Dr. Chiara Bernardi vom Universitätsspital Genf für ihre Forschung zur Vermeidung der Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation (allo-HSCT) verliehen. Ihr Projekt zielt darauf ab, durch den Einsatz regulatorischer T-Zellen (Treg) eine neue Zelltherapie zu entwickeln, die diese häufige und schwere Komplikation verhindern soll.

SAKK/Gilead Expanding Horizons in Oncology

Dr. med. Marcio Cefalì vom Ente Ospedaliero Cantonale wurde mit dem SAKK/Gilead Expanding Horizons in Oncology Award ausgezeichnet. Sein Projekt fördert die Ausbildung von Gesundheitspersonal im Bereich Patienteneinbindung. Durch Workshops soll das Gesundheitspersonal in der Onkologie und Hämatologie geschult werden, um die Patienteneinbindung in der klinischen Forschung besser anwenden zu können. Nach Abschluss der Workshops arbeiten die Teilnehmenden aktiv und entsprechend ihrer Ausbildung an laufenden Projekten von SAKK und IOSI mitarbeiten, etwa um Patienten auf eine beratende Rolle bei Advisory Boards vorzubereiten oder um neue Studienprotokolle zu entwickeln.

SAKK/Novartis Together for Patients Award

Der SAKK/Novartis Together for Patients Award Preis ging an Dr. med. Kristin Zeiler-Knoblauch für ihr ambulantes Onkologie-Rehabilitationsprogramm, etabliert an vier Spitälern der LUKS-Gruppe etabliert. Ein wichtiges Thema ist die Reintegration in das Arbeits- und Sozialleben, welche häufig durch krankheits- oder therapiebedingte Beschwerden wie das chronische Müdigkeitssyndrom erschwert ist. Das aufgrund der hohen Nachfrage kurz nach Einführung an seine Kapazitätsgrenze gelangte Programm soll nun ausgebaut werden. Dabei sollen Bildungsinhalte verbessert, die Adhärenz der Teilnehmenden durch Motivationstraining erhöht und Antworten auf FAQs als Video zur Verfügung gestellt werden.

SAKK Network Trial Award 2023–2024: Innovativer Ansatz zur Behandlung von Prostatakrebs

Der diesjährige SAKK Network Trial Award, dotiert mit 1 Million CHF, wurde an Prof. Dr. med. Christian Fankhauser vom Luzerner Kantonsspital für seine Phase II-Studie ISOTONIC verliehen. Diese Studie untersucht die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie aus hoher Testosteron-Dosis und einem PARP-1-Inhibitor bei kastrationsresistentem Prostatakarzinom.

Die Kombination aus hochdosiertem Testosteron und PARP-1-Hemmung ist neu. Beide Medikamente zielen auf den DNA-Reparaturmechanismus ab, was zu synergistischen Effekten ­führen könnte. Zudem wird erwartet, dass sich wichtige Nebenwirkungen gegenseitig abmildern. Während der PARP-1-Inhibitor Anämie verursachen kann, führt Testosteron nämlich zu einer erhöhten Zahl an roten Blutkörperchen. Die derzeit laufende Phase II-Studie schliesst 53 Männer ein, die über 12 Wochen hinweg alle zwei Wochen intramuskulär mit Testosteron und täglich mit einem PARP-1-Inhibitor behandelt werden. Primäre Endpunkte sind die Krankheitsprogression und die Nebenwirkungen der Kombinationstherapie. Bei positiven Ergebnissen könnten Patienten laut Prof. Fankhauser von einer verbesserten Lebensqualität und der wiederhergestellten Sexualfunktion durch das Testosteron profitieren.

SAKK

«Krebsliga Schweiz (KLS)» und «Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK)»

Mirjam Weber wird CEO der Krebsliga Schweiz

Der Vorstand der Krebsliga Schweiz hat Mirjam Weber als neue CEO ernannt. Sie wird im August 2024 die Nachfolge von Daniela de la Cruz antreten.


Mirjam Kilunda Weber ist seit 1. September 2020 Mitglied der Geschäftsleitung der Krebsliga Schweiz und leitet den Bereich Beratung, Angebote & Bildung. Zuvor war sie während mehreren Jahren in führenden Positionen in der Bundes- und Kantonsverwaltung tätig; darunter von 2017 bis 2020 beim Bundesamt für Gesundheit als Leiterin Nationale Strategie Sucht und Stv. Sektionsleiterin in der Abteilung NCD, und von 2014 bis 2017 in der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern. Zudem verfügt sie über langjährige Erfahrung als Sozialarbeiterin und /-pädagogin. Sie schloss im Mai 2024 einen Executive Master of Business Administration EMBA der University of Rochester (USA) & Universität Bern ab, verfügt über Masterabschlüsse in Sozialer Arbeit sowie in Leadership & Management und ist Fellow des internationalen Health Leaders Network SCIANA.

Weitere Informationen
media@krebsliga.ch

Vincent Gruntz wird neuer CEO der SAKK

Der Vorstand der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) wählte Vincent Gruntz zum neuen CEO. Der Ökonom mit einer breiten Erfahrung im Gesundheitswesen und der Pharma-Branche wird im September 2024 die Nachfolge von Hans Rudolf Keller antreten.


Vincent Gruntz, der studierte Wirtschaftswissenschaftler (lic. rer. pol.), arbeitete in diversen Führungsfunktionen in der Pharma-Branche und war einige Jahre als Ökonom in der Abteilung für Kranken- und Unfallversicherungen beim Bundesamt für Gesundheit tätig. Zuletzt war er bei Novartis als Vice President und International Head of Cell and Gene Therapies für das gesamte Zelltherapie-Portfolio verantwortlich.

Weitere Informationen
miklos.pless@sakk.ch

Ein Bundesgesetz für die Gesundheit in der Schweiz?

Die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung der Schweizer Bevölkerung liegt bei den Kantonen. Eine pragmatische und effiziente Zusammenarbeit zwischen Organisationen, Bund und Kantonen ist deshalb unerlässlich.

Im Bereich der übertragbaren Krankheiten, zu denen auch Krebs gehört, fehlen jedoch weitgehend die gesetzlichen Grundlagen für eine solche Zusammenarbeit: Es gibt kein nationales Gesundheitsgesetz. Oncosuisse hat darauf reagiert und sich dafür eingesetzt, dass ein Nationaler Krebsplan entwickelt und umgesetzt wird: Im Februar 2024 hat der Nationalrat als Zweitrat der Motion von Ständerat Erich Ettlin / Mitte OW zugestimmt. Damit ist zwar eine Verbesserung der Situation zu erwarten, insbesondere in der nationalen Koordination der Zusammenarbeit der Akteure über die Kantonsgrenzen hinaus. Ein solcher nationaler Plan kann aber ein Gesundheitsgesetz nicht ersetzen. Offensichtliche Gründe dafür sind die Beschränkung auf eine Krankheit/einen Krankheits- oder Behandlungskomplex (nationale Initiativen gibt es u.a. für Krebs, Demenz, Palliative Care, Diabetes, Post-Covid-Erkrankungen oder auch Sucht) sowie die oft begrenzte Laufzeit. Ein Gesundheitsgesetz hingegen würde es ermöglichen, krankheitsunabhängig und unbefristet über die Kantone hinweg koordinierend zu wirken und so die Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW hat sich seit längerem immer wieder mit möglichen Reformen und konkret mit der Einführung eines Bundesgesetzes über die Gesundheit befasst. In ihrer Stellungnahme vom 23.5.2024 legt sie nun ihre Haltung zum 2023 erschienenen Bericht «Analyse der Steuerung des Schweizer Gesundheitssystems und Vorschlag für ein Bundesgesetz über die Gesundheit» von unisanté dar, der unter der Leitung von Prof. Stéfanie Monod erstellt und von der SAMW finanziert wurde.

Der Bericht unterstreicht gemäss SAMW, dass das schweizerische Gesundheitswesen auf Bundesebene hauptsächlich durch das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) geregelt wird. Eine umfassende Gesundheitspolitik müsse aber über das KVG hinausgehen. Weiter beschreibt der Bericht ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, das aber schlecht auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet ist. Gründe dafür sind ein fragmentiertes Gesundheitsverständnis, eine zu komplexe Steuerung und verflochtene Verantwortlichkeiten. Vor diesem Hintergrund schlägt die SAMW vor, die Gesundheitspolitik in einem Verfassungsartikel zu verankern.

Angesichts der hohen Komplexität der Krebsbehandlung und des damit verbundenen Koordinationsbedarfs sowie unter dem Gesichtspunkt des chancengleichen Zugangs zur Krebsfrüherkennung und -behandlung ist diese Stossrichtung sehr zu unterstützen. Oncosuisse wird die Bestrebungen in diese Richtung weiterhin aufmerksam verfolgen und dankt der SAMW für die ergriffene Initiative.

Weitere Informationen
Zum Thema: m.roethlisberger@oncosuisse.ch
Zum Bericht: www.samw.ch

Literatur
1. https://oncosuisse.ch/oncosuisse-session-2-ein-nationaler-krebsplan-fuer-die-schweiz/
2. https://www.samw.ch/de/Projekte/Uebersicht-der-Projekte/Bundesgesetz-ueber-die-Gesundheit.html

Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger

Effiziente und wirksame elektronische Pflegedokumentation

Das Motto «so viel wie nötig, so wenig wie möglich» beschreibt treffend das notwendige Gleichgewicht in der Pflegedokumentation. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Patientenversorgung, läuft aber häufig Gefahr, auf eine rein bürokratische Aufgabe reduziert zu werden. Das Hauptziel der Dokumentation sollte sein, durch die strukturierte Bereitstellung der wesentlichen Informationen eine sichere und adäquate Patientenversorgung zu ermöglichen.

Voraussetzungen für die elektronische ­Dokumentation

Dies führt zu der entscheidenden Frage: Wie kann die elektronische Dokumentation so strukturiert werden, dass sie den Aufwand minimiert und gleichzeitig sinnvolle und umsetzbare Erkenntnisse liefert? Ein wichtiger Ansatz ist die Integration pflegewissenschaftlich entwickelter Inhalte. Dann können Dokumentationssysteme dazu genutzt werden, um zwischen komplexen und weniger komplexen Pflegesituationen zu unterscheiden. In pflegerisch weniger komplexen Fällen wird sofort ein Standardpflegeplan vorgeschlagen. Dieser orientiert sich vor allem am notwendigen Leistungsgeschehen, das der medizinischen Diagnose folgt. Im Gegensatz dazu kann in komplexen Situationen eine detailliertere Beurteilung der Pflegesituation erforderlich sein, um bestimmte Aspekte, wie z. B. die psychosozialen Auswirkungen einer onkologischen Erkrankung besser zu verstehen.


Die Komplexität eines Falles kann mit Hilfe von skalierten Assessmentinstrumenten erfasst werden. In der Vergangenheit wurden hierfür Instrumente aus fachfremden Disziplinen verwendet, wie z. B. der Barthel-Index oder das Functional Independence Measure (FIM). Diese Instrumente sind jedoch im pflegerischen Kontext nur eingeschränkt einsetzbar, da sie nicht speziell für die Pflege entwickelt wurden und nur Teilaspekte abdecken.

Einschätzungsinstrumente des epaSYSTEMS

Speziell für die professionelle Pflege entwickelte Einschätzungsinstrumente für den pflegerelevanten Gesundheitszustand sind z. B. die Pflegeassessments des epaSYSTEMS (System für die effiziente Pflegeanalyse). Dessen Basisassessments epaAC, epaKIDS, epaLTC und epaPSYC wurden mit dem Fokus auf den Pflegebedarf entwickelt und stehen seit 2006 auch elektronisch zur Verfügung.

Die Instrumente des epaSYSTEMS sind speziell für die Messung von Veränderungen des pflegerelevanten Gesundheitszustandes und der Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten konzipiert. Die Inhalte dieser Instrumente wurden in pflegewissenschaftlichen Studien und Praxisforschungsprojekten entwickelt, wobei die praktische Anwendbarkeit im Vordergrund stand. Pflegefachpersonen werden damit in die Lage versetzt, den pflegerelevanten Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten mit Hilfe von Scores systematisch zu erfassen. Diese methodische Einschätzung bildet die Grundlage für die klinische Entscheidungsfindung im pflegediagnostischen Prozess. Die Instrumente des epaSYSTEMS machen automatisch Vorschläge für epa-Pflegediagnosen gemäss der Norm ISO 18104. Die Pflegefachperson erhält so einen umfassenden Überblick über den pflegerelevanten Gesundheitszustand einschliesslich der Pflegeziele. Bei regelmässiger Beurteilung werden Veränderungen aufgezeigt, so dass die Wirksamkeit der Pflege evaluiert und so der Behandlungserfolg im Sinne pflegesensitiver Ergebnisindikatoren nachgewiesen werden kann.

Verknüpfung mit Pflegemassnahmen

Durch die Verknüpfung zu Pflegemassnahmen können bei dieser Form der elektronischen Dokumentation Massnahmen direkt aus dem Assessment vorgeschlagen werden, was die Erstellung eines Pflegeplans erheblich vereinfacht.

Diese Form der Dokumentation kommt nicht nur dem Pflegepersonal zugute, sondern liefert z. B. auch dem ärztlichen Dienst und der Physiotherapie wertvolle Erkenntnisse und gibt allen am Behandlungsprozess Beteiligten einen schnellen Überblick über die Fähigkeiten und Beeinträchtigungen ihrer Patientinnen und Patienten. Im onkologischen Kontext können das z. B. Daten zu Fatigue, Übelkeit, Schmerzen, Nahrungsmenge sein.

Informationen für das Management

Was liegt also näher, als die vorhandenen Daten der pflegerischen Routinedokumentation über den reinen Pflege- und Behandlungsprozess hinaus zu nutzen? Diese Idee ist nicht neu, scheiterte aber bisher an den technischen Möglichkeiten. Eine moderne elektronische Routinedokumentation sichert nicht nur den Behandlungserfolg, sondern liefert auch wertvolle Informationen für das Management. Dazu gehören zum Beispiel
• die qualitative und quantitative Steuerung des Personaleinsatzes. Dadurch können Belastungsspitzen des Pflegepersonals besser gelenkt und abgepuffert werden,
• die Bettendisposition bzw. das Belegungsmanagement,
• die Ableitung pflegesensitiver Qualitätsindikatoren.

Blick in die Zukunft

Abschliessend ein Blick in die Zukunft der Pflegedokumentation: Geräte und Sensoren wie drucksensitive Matratzen, intelligente Trinkbecher oder KI-gestützte Bildanalysen des Mundstatus liefern zunehmend relevante Daten über Fähigkeiten und Beeinträchtigungen von Patientinnen und Patienten. Mit der Verfügbarkeit von Massendaten aus der Routinedokumentation des Pflegeprozesses sowie von Geräten und Sensoren können individuelle Präventionsprogramme zur Risikovermeidung oder Symptomkontrolle entwickelt werden. Diese müssen sich nicht auf Aktivitäten beschränken, die von Pflege(fach)personen durchgeführt werden. Auch spielerische Lernvideos für Betroffene in Spitälern, Therapieeinrichtungen und Pflegeheimen sind denkbar. So können Betroffene stärker in den Behandlungsprozess einbezogen und gleichzeitig beim Erhalt ihrer Selbstständigkeit unterstützt werden.

Anforderungen an die Ausbildung

Mit der Entwicklung der elektronischen Dokumentation verändern sich auch die Anforderungen an die Ausbildung. Eine zentrale Aufgabe zukünftiger (Pflege-)Bildung ist daher die Vermittlung digitaler Kompetenz. Dabei geht es weniger um die korrekte technische Bedienung elektronischer Geräte, sondern vielmehr um die Kompetenz, die richtigen Fragen zu stellen und zu erkennen, dass Daten – isoliert betrachtet – keinen Mehrwert bringen, solange sie nicht in einen Kontext gestellt und interpretiert werden.

Dirk Hunstein, Dr. rer. medic., Dipl. Pflegewirt ePA-CC GmbH, Geschäftsführender Gesellschafter, D-65203 Wiesbaden, dirk.hunstein@epa-cc.de
Madlen Fiebig, Dr. rer. medic., Dipl. Pflegewirtin ePA-CC GmbH, Lead Unit Products & Science, D-65203 Wiesbaden

Erstpublikation
in der Zeitschrift Onkologiepflege 01/2024