Der sonographisch kleine Fetus

Im klinischen Alltag stellt der sonographisch kleine Fetus eine Herausforderung dar. Es ist wichtig zu unterscheiden, ob es sich um einen konstitutionell kleinen Fetus (small for gestational age, SGA) oder um eine fetale Wachstumsrestriktion (fetal growth restriction, FGR) handelt, die eine potenzielle Gefährdung darstellt. Die Definitionen der FGR variieren zwischen verschiedenen Leitlinien und Autoren. Die Diagnose wird im klinischen Alltag oft erst nach der Geburt festgestellt. Insbesondere die Unterscheidung zwischen früher und später FGR ist in den Fokus aktueller Studien gerückt. Diese beiden Formen werden heute fast als unterschiedliche Entitäten betrachtet, da sie sich in ihren klinischen Merkmalen, den Diagnosekriterien, dem Schweregrad und dem Management unterscheiden. Der Artikel gibt einen Überblick über die aktuellen evidenzbasierten Empfehlungen zum FGR, zur Diagnostik, zum Management und zum optimalen Entbindungszeitpunktes. Die wichtigsten Forschungsschritte zum Thema FGR der letzten zwei Jahrzehnte werden dargestellt. Der retardierte Fetus mit v.a. genetische und/oder kongenitale Fehlbildung stellt eine eigenständige Gruppe dar und ist nicht Teil dieses Artikels.

In clinical practice, the small sonographic fetus presents a common challenge. It is of great importance to distinguish between a simply small fetus (small for gestational age, SGA) and a fetal growth restriction (FGR), which poses a potential risk. Definitions of FGR vary between different guidelines and authors. In different clinical settings the diagnosis is often made only postnatally. Especially the differentiation between early and late FGR has become the focus of many recent studies. These two forms are almost considered different entities due to the variation in clinical presentation, diagnostic criteria, severity, and management. This article aims to provide an overview of the current evidence-based recommendations in FGR, the diagnosis, management, and optimal time of delivery. We present the most important research in the field FGR over the last 20 years. The growth retarded fetus with suspected genetic disease or congenital malformation is an extra group and not part of this article.
Keywords: SGA Small for gestational age, FGR Fetal growth retardation, early and late FGR, Doppler

Hintergrund

Die Inzidenz des fetalen Wachstumsrestriktion (fetal growth restriction, FGR) liegt bei ca. 5–8 % aller Schwangerschaften und kann zu einer erheblichen perinatalen Morbidität und Mortalität führen (1–8). Die frühe intrauterine Prägung führt zu einem Risiko für kardiovaskulären Erkrankungen im Erwachsenen­alter wie arterielle Hypertonie, koronare Herzerkrankung, metabolisches Syndrom, Insulinresistenz und Diabetes mellitus (9, 10).

Die Herausforderung der FGR besteht in der pränatalen Erkennung des Wachstumsrückstandes. Ein Fetus gilt als wachstumsretardiert, wenn er sein genetisches Wachstumspotenzial nicht erreicht. Der «small for gestational age» (SGA) Fetus wächst auf seiner Perzentilenkurve und ist konstitutionell (d. h. anlagebedingt) klein. Der FGR-Fetus gilt als eine pathologische Variante, erreicht dieses Potenzial nicht und hat im Vergleich zum SGA eine erhöhte perinatale Morbidität, Mortalität und Langzeitfolgen. Besonders die späten fetalen Wachstumsretardierungen werden nur in der Hälfte der Fälle erkannt. Eine frühzeitige Diagnose einer FGR und das richtige Management können die perinatale Morbidität und Mortalität deutlich reduzieren (11-13). Etwa 30 % der intrauterinen Fruchttode sind mit FGR assoziiert und könnten unter Umständen verhindert werden (14) (Tab. 1).

Die Definition einer FGR ist je nach Autor und in internationalen Leitlinien verschieden. Die Empfehlungen zum Monitoring und zum Festlegen des Entbindungszeitpunktes bei FGR variieren erheblich.

Ziel dieses Artikels ist es durch eine Verbesserung der pränatalen Diagnose der FGR das Management und die Therapie entsprechend anzupassen und so die durch die FGR bedingte Morbidität und Mortalität zu senken.

Definition

Die häufigst verwendete Definition der fetalen Wachstumsrestriktion (FGR) stammt aus einem Delphi Verfahren von 2016 (Tab. 1) und wird in vielen Leitlinien zur Diagnostik und Management von SGA und FGR, angewendet (2, 7). Sie basiert auf einer Kombination aus fetalem Schätzgewicht und abnormen Dopplern der Arteria uterina und Arteria umbilicalis (NSA) sowie der Arteria cerebri media (MCA). Es wird zwischen früher (< 32. Schwangerschaftswoche (SSW)) und später FGR (>32. SSW) unterschieden, da sich diese in Schweregrad, Ursachen, diagnostischen Kriterien und Management deutlich unterscheiden (7).

Die Unterscheidung zwischen SGA und FGR ist wichtig, aber klinisch oft schwierig. Um einen Wachstumsverlauf zu beurteilen, ist eine Intervallbeurteilung zur Diagnose einer FGR notwendig. Sie wird ergänzt durch biophysikalische Parameter wie Doppler-Untersuchungen und Biomarker (8).

Feten unterhalb der 3. Perzentile haben sowohl als FGR und als SGA das höchste Risiko für einen intrauterinen Fruchttod und eine per se hohe perinatale Morbidität (15). Die ISUOG-Guideline klassifiziert Feten unterhalb der 3. Perzentile immer als wachstumsretardiert (2).

Pathophysiologie

Die fetale Wachstumsrestriktion (FGR) kann durch maternale, plazentare oder fetale Erkrankungen verursacht werden (Tab. 2). Chromosomale Störungen und intrauterine Infektionen, wie z.B. Cytomegalie, verursachen jeweils etwa 5 % aller FGR-Fälle. Bei isolierter fetaler Retardierung wurde in 19 % der Fälle ein auffälliger Karyotyp festgestellt. Es konnten vor der 26. SSW am häufigsten Triploidien und nach der 26. SSW die Trisomie 18 als häufigste Auf­fälligkeiten festgestellt werden (16). Eine Metaanalyse von 14 Studien und 874 Fällen zur isolierten FGR ergab insgesamt eine chromosomale Aberrationsrate von 6.4 % (17).

Die Plazentainsuffizienz im Rahmen einer Präeklampsie (PE) ist in 70 % die häufigste Ursache für das frühe FGR (< 32. SSW). Als Ursache wird eine fehlende oder suboptimale Änderung der Plazentation (Remodelling der Spiralarterien) angenommen und mit angiogenen (PlGF) und antiangiogenen Faktoren (sFlt-1). Die fehlerhafte Plazentation führt zu lokalen Entzündungen, Endothelschäden, thrombotischen Folgen und Plazentainfarkten, die zu einer fetalen Unterversorgung mit Wachstumsstillstand führen können.

Die Reduktion des villösen Gefässbettes ist pathognomonisch für FGR und äussert sich in einer im Verlauf der Schwangerschaft zunehmenden Reduktion des enddiastolischen umbilikalen Flusses. Dies führt zu einem Anstieg der dopplersonographischen Widerstandsindizes (RI/PI) in der NSA und kann sich bis zum Fehlen (AEDV) und sogar zu einer umgekehrten enddiastolischen Geschwindigkeit (REDV) entwickeln (18, 19). Die verminderte Sauerstoffaufnahme über das beeinträchtigte villöse Gefässbett reduziert weiter den fetalen arteriellen Sauerstoffpartialdruck, was zu einer Weitstellung im cerebralen Gefässbett führt. Der messbare Widerstand in der A. cerebri media (ACM) senkt sich als Zeichen der Weitstellung des Gefässes. Beim frühen FGR ist die Doppleruntersuchung des DV nützlich, die a-Welle wird als Zeichen der cardialen Dekompensation ­flacher und analog zur NSA sogar negativ. Zum besseren Verständnis des späten FGR und der Überwachung kann die zerebroplazentare Ratio (CPR) als Entscheidungshilfe für die Geburtsplanung genutzt werden (20–22). Aktuell wird die Nutzung der CPR in Terminnähe bei unauffälligen Schwangerschaften untersucht; erste Daten zeigen dass die Nutzung der CPR zur Geburtsplanung die Morbidität günstig beeinflusst (23).

Screening und Prävention

Ein spezifisches Screening für fetale Wachstumsrestriktion (FGR) existiert nicht. Wichtig ist die Identifizierung anamnestischer Risikofaktoren, die eine FGR prädisponieren (Tab. 2). Die Veränderung der angiogenen und antiangiogenen Biomarker kann zu einem auffälligen Screeningsergebnis im 1. Trimester im PE-Screening und im 2. bis 3. Trimester zur erhöhten sFlt-1/PlGF Ratio führen. Das Präeklampsie-Screening im ersten Trimester, basierend auf mütterlichen Faktoren sowie biophysikalischen (UtA-PI) und biochemischen (PlGF) Markern, ist effektiv zur Vorhersage von SGA (Geburtsgewicht < 3. Perzentile) bei Frauen mit PE (23). Bei SGA/IUGR ohne PE ist die Vorhersagekraft moderat (25).

Aspirin kann bei auffälliger Anamnese und/oder Screeningergebnis zur Prävention gegeben werden. Es kann die Plazentation durch Hemmung der Cyclooxygenase-1 und Thromboxanbildung positiv beeinflussen (25-28). Metaanalysen zeigen, dass Aspirin bei Risikoschwangerschaften wirksam ist und das Risiko für FGR moderat reduziert (RR 0.90, 95 % CI 0.81–1). Die Dosis sollte ≥ 100 mg betragen und vor der 16.  SSW begonnen werden. Low-molecular-weight Heparin zeigt in einer Metaanalyse keinen präventiven Effekt auf FGR (18 % vs 18 %; absolute risk difference, 0.6 %; 95 % CI 10.4–9.2) (26).

Diagnostik

• Ausführliche Anamneseerhebung
• Detaillierte Sonographie, Fehlbildungsausschluss
• Dopplerverlaufskontrolle
• Additive Tests (Biomarker (sFlt-1, PlGF), Ausschluss Infektionen (TORCH Serologie) Thrombophilieausschluss etc.)

Die Diagnosekriterien zur Detektion einer FGR und Unterscheidungsmerkmale der beiden Formen (frühe FGR und späte FGR) zum SGA sind wichtig (Tab. 1). Vor der Diagnose einer FGR ist es wichtig zu überprüfen, dass das korrekte Schwangerschaftsalter verwendet wird. Dies wird anhand der Schädelsteisslänge (SSL) im ersten Trimester erhoben. Bei Verdacht auf FGR werden neben der Biometrie auch die sonographische Fruchtwasserbestimmung und fetale und maternale Doppleruntersuchungen durchgeführt. Zudem ist additiv ein Kardiotokogramm (CTG), insbesondere bis zur 32. SSW ein computerisiertes CTG (cCTG) durchzuführen.

Allein durch die Durchführung der fetalen Biometrie nach der 36. SSW kann die Detektionsrate des späten FGR um das Dreifache erhöht werden (29, 30). Die ebenfalls durchgeführte Doppleruntersuchung mit auffällige CPR Ratio kann in 15 % insbesondere das späten FGR mit ungünstiger perinataler Morbidität entdecken (31, 32). Dies zeigt das Potential des dritten Screenings und weiterer Wachstums- und Dopplerkontrollen im 3. Trimester für allen Schwangerschaften, insbesondere natürlich für die identifizierten Risikogruppe.

Je früher und je ausgeprägter die beschriebenen Dopplerveränderungen sind, desto schwerwiegender ist die plazentare Dysfunktion mit konsekutiver Minderversorgung des Fetus. Beim frühen FGR ist der Fokus der Doppleruntersuchung die Aa. uterinae, der nachfolgenden Gefässe der NSA und des Ductus venosus. Beim späten FGR ist zusätzlich die Nutzung der CPR (Ratio aus der Messung der NSA und der ACM) von Bedeutung.

Ein Zusammenhang zwischen PE und FGR ist bekannt: Beide Zustände sind durch niedrige PlGF-Werte und dadurch eine erhöhte sFlt-1/PlGF-Ratio gekennzeichnet. Eine Studie, die 47 biochemische Marker bei Patientinnen mit PE zwischen der 20+0 und 34+6 SSW untersuchte, fand, dass niedrige maternale PlGF-Spiegel den besten Vorhersagewert für die Geburt eines FGR-Fetus hatten. PlGF-Konzentrationen < 100 pg/mL zeigten eine Sensitivität von 93.2 % und einen negativen prädiktiven Wert von 89.7 % für die Vorhersage eines FGR-Fetus. Dieser biochemische Marker übertraf die Ultraschallvorhersage, die eine Sensitivität von 71.2 % und einen negativen prädiktiven Wert von 78.5 % ergab (33).

Management und Therapie des FGR

Aktuell gibt es keine anerkannte Therapie bei FGR. Zunächst erfolgreiche theoretische Konstrukte zur Verbesserung der Plazentafunktion unter der Nutzung von Sildenafil oder Pentaerythritol tetranitrate (PETN) haben sich nicht durchsetzen können (34, 35).

Bei vorliegenden Risikofaktoren für ein FGR (Tab. 2) sollte im 3. Trimester (ab der 28. SSW) eine intensivierte Schwangerschaftskontrolle durchgeführt werden. Auch die Diagnose SGA sollte zu einem engmaschigen Monitoring führen. Dies beinhaltet in der Regel 10 bis 14-tägige Wachstums- und Dopplerkontrollen (Tab 3). Die Überwachungshäufigkeit bei diagnostizierter FGR wurde bisher in keiner explizierten Studie evaluiert und führt zu unterschiedlichen Empfehlungen.

Frühe FGR

Bei Diagnose einer frühen FGR wird eine Betreuung in einem Perinatalzentrum empfohlen. Die Überwachungsintensität sollte sich nach dem Schweregrad der FGR richten. Oft ist eine stationäre Überwachung mit häufigeren Kontrollen notwendig. Bei drohender Entbindungsindikation mit Frühgeburtlichkeit ist die Lungenreifungsinduktion (LRI) vor der 34+0 SSW und vor der 32. SSW die Gabe von Magnesium zur Neuroprotektion zu diskutieren.

Bei erhöhtem FGR-Risiko sollten engmaschige Dopplerkontrollen erfolgen. Bei erhöhtem Widerstand in der NSA werden auch die ACM und der DV gemessen. Veränderungen im Doppler der NSA und der MCA können frühe Anzeichen einer FGR sein, sind jedoch nicht unbedingt mit einem schlechten perinatalen Outcome assoziiert. Der Grad der Veränderungen im Nabelschnurdoppler mit AEDF oder REDV in der Diastole bestimmt den Grad der fetalen Verschlechterung. In diesem Fall ist ein intensives Monitoring mit Dopplerverlaufskontrollen alle 2 bis 3 Tage sowie täglichem CTG erforderlich.

Je weiter fortgeschritten die SSW, desto eher ist eine Entbindung bei FGR indiziert. Eine Entbindung bei extremer Frühgeburtlichkeit (< 28 SSW) muss sorgfältig abgewogen werden, da sie mit hoher Morbidität verbunden ist. Eine verzögerte Entbindung kann zu hypoxischen Schäden führen, während Frühgeburtlichkeit ebenfalls erhebliche Morbidität verursachen kann.

Die optimale Bestimmung des Entbindungszeitpunkts bei wachstumsverzögerten Föten war bis zur TRUFFLE-Studie (2013) von der Erfahrung einzelner Kliniker abhängig. Der Kliniker muss die Risiken von einer Totgeburt, geburtshilflichem Eingriff, Frühgeburt, neonatalem Tod und langfristigen Störungen der neurologischen Entwicklung abwägen. Die TRUFFLE-Studie zeigt, dass der Entbindungszeitpunkt < 32. SSW basierend auf Doppler-Messungen des DV unter Hinzuziehung der definierten cCTG-Sicherheitskriterien die besten neurologischen Ergebnisse bei überlebenden Säuglingen zeigte (Tab. 3) (36-42).

Die Fruchtwassermessung spielt im Monitoring beim frühen FGR eine wichtige Rolle, so konnte gezeigt werden, dass insbesondere bei schwerer FGR < 3.Perzentile und bestehenden Oligohydramion das perinatale Outcome sich verschlechtert (43).

Späte FGR

Aktuell besteht die therapeutische Option beim späten FGR primär in der Entbindung ab 37+0 SSW. Zwischen 32+0 und 37+0 SSW sind die optimale Vorgehensweise und Entbindungskriterien jedoch weitgehend unklar. Insbesondere die Anwendung der Dopplersonographie bei späten FGR variiert in den Empfehlungen, die bislang nicht durch randomisierte Studien belegt sind.

Die noch laufende TRUFFLE II-Studie untersucht deshalb als prospektive, multizentrische, nicht verblindete, randomisierte Studie das optimale Monitoring und die Entbindungskriterien für späte FGR zwischen 32+0 und 36+6 SSW.

Im Allgemeinen besteht derzeit die Empfehlung zur Entbindung zwischen 32+0 bis 34+0 bei einem retrograden Flussmuster in der NSA und > 34+0 SSW bei einem Nullfluss der NSA sowie jederzeit bei einem pathologischen CTG (2, 4). Eine Subanalyse der TRUFFLE-Gruppe zeigte, dass Anzeichen einer fetalen Zentralisierung («brain sparing») in der Dopplersonographie bei späten FGR mit einem schlechten neonatalen Outcome assoziiert sind, insbesondere bei einem MCA PI < 5. Perzentile und pathologischer CPR (39).

Die aktuelle ISUOG-Guideline empfiehlt die Entbindung zwischen der 36+0 bis 37+6 SSW bei einem erhöhten NSA-PI > 95. Perz oder einem geschätzten Gewicht < 3. Perz. Zwischen der 38+0 bis 39+0 SSW sollte die Entbindung angestrebt werden, sobald der FGR-Fetus eine Zentralisierung aufweist (2, 4).

Bei einem SGA wird die Geburt in der Regel bei unauffälligen Kontrollen ab der 38. SSW, spätestens am errechneten Entbindungstermin terminiert (Abb. 1).

Entbindungsmodus

Eine FGR ist keine absolute Indikation für einen Kaiserschnitt. Bei schwerer maternaler Erkrankung und Frühgeburtlichkeit wird die Sectio caesarea jedoch häufig durchgeführt. Bei einem pathologischen Doppler mit Nullfluss oder retrograden Fluss in der NSA sollte dieser ebenfalls bevorzugt werden. Die Geburtseinleitung kann nach Abwägung der klinischen Situation durchgeführt werden (5,6). Allerdings sollte diese unter engmaschiger CTG-Überwachung erfolgen; die Rate an sekundären Sectiones ist erhöht (41).

Beratung für weitere Schwangerschaften

Für Folgeschwangerschaften sollte bei einem Zustand nach FGR, PE und Verdacht auf vaskuläre Erkrankungen ein Thrombophilie-Screening erfolgen (Lupus Antikoagulans, MTHFR Mutation, Antiphospholipidantikörper, Protein C, Protein S, APC-Resistenz etc.). Allen Frauen mit Z. n. FGR und oder PE vor der 34. SSW sollten in Folgeschwangerschaften ASS 100–160 mg am Abend bis zur 36+0 SSW einnehmen (Beginn vor der 16. SSW) (2,5,6, 24, 44).

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Anke Reitter

Spital Zollikerberg
Frauenklinik
Trichtenhauserstrasse 20
8125 Zollikerberg

Dr. med. Julia N. R. Herken

Spital Zollikerberg
Frauenklinik
Trichtenhauserstrasse 20
8125 Zollikerberg

Die Autorinnen haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Die fetale Wachstumsrestriktion ist häufig unerkannt. Anamnestische Risiken und auffällige Screening-Ergebnisse (erniedrigtes PlGF) müssen konsequent zur intensivierten Schwangerschaftskontrolle spätestens im dritten Trimester führen.
  • Es wird heute zwischen dem frühen und späten FGR unterschieden. In den letzten Jahren erhärtet sich der Verdacht, dass das späte FGR nahezu eine eigene Entität darstellt und schwer zu erkennen ist.
  • Durch eine intensivierte Schwangerschaftskontrolle beim FGR und die Planung der Geburt kann die Morbidität und Mortalität deutlich reduziert werden.
  • Neben der einfachen Biometrie zur Feststellung des FGR steht die Doppleruntersuchung im Mittelpunkt. Die korrekte Durchführung und Interpretation der Doppleruntersuchung sind hier entscheidend wichtig.

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40. Thornton JG, Hornbuckle J, Vail A, Spiegelhalter DJ, Levene M; GRIT study group. Infant wellbeing at 2 years of age in the Growth Restriction Intervention Trial (GRIT): multicentred randomised controlled trial. Lancet 2004; 364: 513–520.
41. Boers KE, Vijgen SM, Bijlenga D, van der Post JA, Bekedam DJ, Kwee A, van der Salm PC, van Pampus MG, Spaanderman ME, de Boer K, Duvekot JJ, Bremer HA, Hasaart TH, Delemarre FM, Bloemenkamp KW, van Meir CA, Willekes C, Wijnen EJ, Rijken M, le Cessie S, Roumen FJ, Thornton JG, van Lith JM, Mol BW, Scherjon SA; DIGITAT study group. Induction versus expectant monitoring for intrauterine growth restriction at term: randomised equivalence trial (DIGITAT). BMJ. 2010 Dec 21;341:c7087. doi: 10.1136/bmj.c7087. PMID: 21177352; PMCID: PMC3005565.
42. Baschat AA. Considering evidence in the management of fetal growth restriction. Ultrasound Obstet Gynecol. 2021 Jan;57(1):25-28.
43. Unterscheider J, Daly S, Geary MP, Kennelly MM, McAuliffe FM, O’Donoghue K, Hunter A, Morrison JJ, Burke G, Dicker P, Tully EC, Malone FD. Optimizing the definition of intrauterine growth restriction: the multicenter prospective PORTO Study. Am J Obstet Gynecol. 2013 Apr;208(4):290.e1-6
44. Vayssière C, Sentilhes L, Ego A, Bernard C, Cambourieu D, Flamant C, Gascoin G, Gaudineau A, Grangé G, Houfflin-Debarge V, Langer B, Malan V, Marcorelles P, Nizard J, Perrotin F, Salomon L, Senat MV, Serry A, Tessier V, Truffert P, Tsatsaris V, Arnaud C, Carbonne B. Fetal growth restriction and intra-uterine growth restriction: guidelines for clinical practice from the French College of Gynaecologists and Obstetricians. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2015 Oct;193:10-8.

Perioperatives Management von gynäkologischen Patientinnen

Dieser Artikel soll den Leserinnen und Lesern eine optimale Planung der perioperativen Phase ihrer Patientinnen unter Vermeidung unnötiger Massnahmen ermöglichen. Das Outcome unserer Patientinnen soll hierdurch verbessert und idealerweise sollen die Kosten reduziert werden. In den vergangenen Jahren konnten in der perioperativen Phase etliche alte Zöpfe abgeschnitten werden. Hervorzuheben sind hier die Richtlinien (1, 2) der europäischen Gesellschaft für Anästhesie, ESAIC sowie die britischen NICE-Guidelines. Bestanden Anästhesisten früher praktisch bei allen Patientinnen auf EKG, Labor und nicht selten auch auf ein Thorax-Röntgenbild, werden diese Untersuchungen heute nur noch ganz gezielt verordnet. Stattdessen sind heute Anämie-Therapie und das korrekte Management der Patientenmedikation ganz oben in der Prioritätsliste, um unsere Patientinnen optimal für die perioperative Phase vorzubereiten.

This article is intended to enable readers to plan the perioperative phase of their patients in the best possible way, avoiding unnecessary interventions. This will improve the outcome of our patients and ultimately reduce costs. In recent years, several old habits have been cut out of the perioperative phase. The guidelines (1, 2) of the European Society of Anesthesiology, ESAIC, and the British NICE guidelines should be emphasized here. Whereas anesthetists used to insist on an ECG, laboratory and often also a chest X-ray for practically all patients, these examinations are now only prescribed very specifically. Instead, anemia therapy and the correct management of patient medication are now at the top of the priority list to guarantee optimal preparation for the perioperative period.
Keywords: perioperative management, Anesthesiology guidelines

Welche Befunde sind für die Anästhesisten am wichtigsten?

Für eine sichere Patientenbetreuung sind aktuelle Befunde zu kardiologischen Abklärungen oder stattgefundenen kardialen Interventionen sowie die aktuelle Medikationsliste besonders wichtig. Falls vorhanden, können auch frühere Narkoseprotokolle hilfreich sein. Wenn bei der Patientin ein OSAS (Obstruktive Schlafapnoe) (3) bekannt ist, ist eine entscheidende Frage, ob diese behandelt wird und wenn ja, per CPAP (oder ähnlichem) oder per Schiene. Ganz wichtig ist, dass die Patientin dieses Gerät auch am Operationstag mitbringt (4, 5). Andernfalls ist unter Umständen eine intensive Überwachung in der ersten postoperativen Nacht notwendig. Dies verursacht unnötige Kosten und Aufwand. Für eine suffiziente Aufklärung benötigen Anästhesisten auch eine genaue Angabe über die Operationstechnik und Umfang der geplanten Operation. Nur wenn diese Angaben vorliegen, kann zum Beispiel das Analgesie-Konzept den Anforderungen entsprechend geplant werden. Auch für das Patient Blood Management (PBM) und für die Entscheidung, welche präoperativen Abklärungen notwendig sind, sind diese Angaben unumgänglich.

Präoperative Abklärungen

Der Fokus der präoperativen Phase für die Anästhesie liegt auf einer ausführlichen Anamnese, wenigen gezielten Untersuchungen und der Wegleitung zu relevanten Abklärungen durch andere Disziplinen wie zum Beispiel Kardiologie.

Wichtig für eine sichere Anästhesie sind Fragen nach eingeschränkter Leistungsfähigkeit, Angina pectoris sowie Belastungs- oder Ruhedyspnoe und weiteren «red flags». Auch eine orientierende Anamnese über die restlichen Organsysteme kann daher schon richtungsweisend sein.

Entsprechend den britischen NICE-Guidelines (6) macht es Sinn, sich anhand der Vorerkrankungen der Patientin sowie der OP-Risikoklasse in einem nächsten Schritt ein Bild über die präoperativen Abklärungen zu machen (Tab. 1).

ASA-Klassifizierung

Anästhesisten klassifizieren den Gesundheitszustand und damit einhergehend das perioperative Risiko nach den sogenannten ASA-Klassen, diese wurden von der American Society of Anesthesiologists erstellt und kürzlich aktualisiert (Tab. 2, Tab. 3).

Wichtig: kein Routine-Thorax-Röntgen, auch keine Lungenfunktionsuntersuchungen ohne konkrete Indikation und Fragestellung. Speziell die Spirometrie (7) hat sich nicht als geeignet erwiesen, postoperative pulmonale Komplikationen zu prädiktieren. Eine Spirometrie ist lediglich bei schwerem OSAS oder bei chronischen Lungenerkrankungen nach Konsultation des behandelnden Spezialisten zu erwägen (15).

Labor

Falls entsprechend dem Flowchart eine Laboruntersuchung indiziert ist, werden folgende Parameter standardmässig abgenommen: Elektrolyte, Nieren- und Leberwerte, CRP, Ferritin, Transferrin-Sättigung, Hämatologie, Gerinnung.
Bei unklarer kardialer Situation zusätzlich NTproBNP (8, 1, 9)
Bei erhöhtem Blutungsrisiko auch Faktor XIII.

Allergologische Abklärungen

Sollte bei der Patientin der Verdacht auf eine Allergie auf ein perioperativ relevantes Medikament bestehen, so kann es sinnvoll sein, die Phase der gynäkologischen Abklärung auch für eine möglichst frühzeitige allergologische Stellungnahme oder Testung zu nutzen. Im Zweifelsfall ist es zu empfehlen, bei den Kollegen der Anästhesie nachzufragen, ob eine Allergietestung bei dieser Patientin notwendig ist. Der Vortag der OP bei der anästhesiologischen Aufklärung ist auf jeden Fall zu spät, um allergologische Fragen noch suffizient abklären zu können. Dies gilt besonders auch bei einer geplanten Sectio caesarea.

Patient Blood Management (PBM)

In den letzten Jahren wurde vielerorts das PBM fest etabliert (7). Hierbei geht es darum, eine Anämie präoperativ zu behandeln (10), intraoperativ möglichst blutungsarm unter optimalen Gerinnungsbedingungen zu operieren und so Transfusionen zu vermeiden. Dies, um zum einen das Outcome unserer Patientinnen zu verbessern, aber zum anderen auch um Kosten zu sparen. Patientinnen mit einer bekannten Anämie oder Operationen mit einem möglichen Blutverlust grösser 500ml bzw. einer Transfusionswahrscheinlichkeit > 10 % werden in das perioperative PBM eingeschlossen. Durch Bestimmung von Hb, Hämatokrit, Ferritin und Transferrin-Sättigung wird geklärt, ob die Anämie Therapie mit Vitamin B12, Folsäure, Eisen intravenös (nicht per os) und bei kurzfristig geplanten OPs auch Erythropoetin indiziert wird. Ziel ist, dass alle Patienten (Frauen und Männer) mit einem Hb ≥ 130 g/l und ohne Eisenmangel (Ferritin ≥ 100 µg/l und TSAT ≥ 20 %) zur Operation kommen (11). Auch wenn die WHO bei Frauen eine Anämie bei Frauen erst bei einem Hb < 120g/l definiert, macht es mindestens perioperativ Sinn, auch bei Patientinnen die Grenze bei 130g/l zu setzen. Frauen haben aufgrund der kleineren Körpergrösse ein geringeres Gesamt-Blutvolumen. So dass ein in Millilitern identischer Blutverlust bei einer Frau im Vergleich zu einem Mann einen grösseren prozentualen Blutverlust bedingt.

Intraoperativ kommt der Cell Saver, wann immer möglich und sinnvoll, zum Einsatz. Die Bestrahlung des gefilterten Blutes ist inzwischen so schnell und unkompliziert möglich, dass ein Karzinom keine Kontraindikation für diese blutsparende Technik ist. Auch hier empfiehlt sich eine enge Interaktion mit den lokalen Anästhesisten bzw. wenn vorhanden mit dem PBM-Team.

Management der vorbestehenden Patientenmedikation

Dieser Abschnitt ist von hoher Relevanz, denn es hat sich gezeigt, dass gerade hier noch Unklarheiten verbreitet sind. Eine gute Faustregel ist, Ihrem Anästhesie-Team das Stoppen, Pausieren oder Fortführen der Medikation zu überlassen oder zumindest die Expertise der Kolleginnen und Kollegen zu nutzen. Bei den Antihypertensiva zum Beispiel hängt es von der Klasse ab, ob sie beibehalten werden (z.B. Betablocker) oder gestoppt werden (z.B. ACE-Hemmer). Individuelle Entscheide hängen aber von der Patientin, der Operation sowie der geplanten Narkoseform ab.

Bei den direkten oralen Antikoagulanzien, kurz DOAK, vielerorts auch als NOAK (neue orale Antikoagulanzien) bezeichnet, wird aus zeitlichen Gründen oft schon vor der anästhesiologischen Visite das Management durch die Operateure festgelegt. DOACs müssen generell nie mit niedermolekularem Heparin gebridged werden (12, 5), sondern in der Regel nur für 24 bzw. 48 Stunden pausiert werden.
Orientierend gelten für die meisten Situationen die Daten in Tabelle 4. Im Zweifelsfall empfehle ich die Konsultation der Kollegen der Anästhesie und den entsprechenden stets aktuellen Guidelines wie z.B. in Up-To-Date (Tab. 4).

Bei Patientinnen mit starker Niereninsuffizienz, insbesondere bei einer Therapie mit Dabigatran (wird renal eliminiert), muss das DOAC für 72 Stunden präoperativ pausiert werden und bei Spital-Eintritt der Spiegel bestimmt werden.

Wenn möglich, wird dieses am ersten postoperativen Tag wieder gestartet. Bei Operationen mit hohem Risiko für eine Nachblutung bzw. bei insuffizienter Gerinnung muss bis zu 72 Stunden pausiert werden. Wenn das DOAC postoperativ länger pausiert werden muss (zum Beispiel wie beschrieben für 72 Stunden), kann bis zum Wiederbeginn die Indikation für ein Bridging mit Heparin gegeben sein.

Es ist ein Fehler, und dies soll klar so ausgedrückt werden, eine Patientin präoperativ von ihrem DOAC auf ein niedermolekulares Heparin umzustellen. Sollte Unsicherheit bestehen, ob das Medikament tatsächlich für den verordneten Zeitraum pausiert worden ist oder bei Niereninsuffizienz, kann am Operationstag unkompliziert das spezifische Anti-Faktor Xa für das jeweilige DOAC bestimmt werden. Die Kollegen der Anästhesie können hier und auch bei anderen Koagulanzien bei Bedarf unterstützen. Ein hämatologisches Konsil ist bei Patientinnen unter DOAC nicht notwendig.

Bei Patientinnen, die aufgrund einer Stentimplantation Aspirin® oder andere Thrombozytenaggregationshemmer verordnet bekommen haben, dürfen diese besonders in den ersten Monaten unter keinen Umständen pausiert werden. Das Risiko einer In-Stent-Thrombose ist in dieser Phase sehr hoch. Im Zweifelsfall bitte mit dem behandelnden Interventionalisten Kontakt aufnehmen.

Noch relativ neu auf dem Markt sind die sogenannten «Abnehm-Spritzen». Diese Produkte, am bekanntesten ist Ozempic® (Semaglutid) (13), führen nicht nur zu Gewichtsabnahme und zu einer Reduzierung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse, sondern sie bewirken auch eine stark verlangsamte Magenentleerung (14). Es gibt noch keine befriedigende Evidenz, wie lange diese Präparate präoperativ idealerweise pausiert werden sollten, manche Konsensus-Statements sprechen von minimal 14 Tagen, andere Experten sogar von bis zu vier Wochen. Wenn dies nicht möglich ist, werden die Kollegen der Anästhesie eine Ileus-Einleitung durchführen, um das Aspirationsrisiko zu reduzieren. Bitte teilen Sie den Anästhesisten daher eine entsprechende Medikation mit und/oder instruieren Sie die Patientin zur rechtzeitigen Pausierung.

In der Regel wird das Pausieren oder Fortführen der restlichen Medikation während der anästhesiologischen Konsultation festgelegt. Lokale Unterschiede in der Regelung, ob Chirurgen oder Anästhesisten die entsprechenden Verordnungen vornehmen, sind zu beachten.

Interaktion der Teams

Auch wenn Chirurgen und Anästhesisten unbestritten immer das gemeinsame Ziel der besten Patientenversorgung anstreben, gibt es im Alltag gelegentlich unnötige Differenzen. Hier hat es sich bewährt, regelmässige Check-Ins zu vereinbaren. Zum Beispiel zwischen Chefärztin/Chefarzt Gynäkologie und Bereichsleiter/Bereichsleiterin Anästhesie, der für den betreffenden OP-Bereich zuständig ist. So vermeidet man, dass man sich nur in Krisensituationen trifft und kann sich zum Beispiel monatlich in entspannter Atmosphäre austauschen. Mit dieser Grundlage des gegenseitigen Vertrauens kann man dann seinem ganzen Team eine respektvolle, kollegiale und freundschaftliche Interaktion vorleben. Und am Ende ist man dann auf beiden Seiten glücklich, mit dem besten Team zusammenarbeiten zu dürfen. So geht es zumindest dem Autor mit «seinen» Gynäkologen.

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Lukas J. Kandler, MHBA

Bereichsleiter Anästhesie für Gynäkologie
Urologie und Materno-Fetale-Anästhesie USZ
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstrasse 10
8091 Zürich

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Ihr Anästhesie Team muss wissen, was und wie sie genau operieren. Teilen Sie auch alle anderen wichtigen medizinischen Informationen, die Ihnen vorliegen, inkl. einer potenziellen Medikation mit Ozempic®, mit Ihren Anästhesisten.
  • DOACs müssen nie gebridget werden und Aspirin, falls nicht als reine Primärprophylaxe verordnet, sollte in der Regel nicht gestoppt werden.
  • Patient Blood-Management schafft für Operateure und ihre Patientinnen optimale Bedingungen; lassen Sie daher die potenziellen Patientinnen möglichst frühzeitig entsprechend abklären und ggf. auch behandeln.

1. Longrois, Dan; Hoeft, Andreas; Hert, Stefan de (2014): 2014 European Society of Cardiology/European Society of Anaesthesiology guidelines on non-cardiac surgery: cardiovascular assessment and management: A short explanatory statement from the European Society of Anaesthesiology members who participated in the European Task Force. In: European journal of anaesthesiology 31 (10), S. 513–516. DOI: 10.1097/EJA.0000000000000155.
2. Hert, Stefan de; Staender, Sven; Fritsch, Gerhard; Hinkelbein, Jochen; Afshari, Arash; Bettelli, Gabriella et al. (2018): Pre-operative evaluation of adults undergoing elective noncardiac surgery: Updated guideline from the European Society of Anaesthesiology. In: European journal of anaesthesiology 35 (6), S. 407–465. DOI: 10.1097/EJA.0000000000000817.
3. Memtsoudis, Stavros; Liu, Spencer S.; Ma, Yan; Chiu, Ya Lin; Walz, J. Matthias; Gaber-Baylis, Licia K.; Mazumdar, Madhu (2011): Perioperative pulmonary outcomes in patients with sleep apnea after noncardiac surgery. In: Anesthesia and analgesia 112 (1), S. 113–121. DOI: 10.1213/ANE.0b013e3182009abf.
4. Practice guidelines for the perioperative management of patients with obstructive sleep apnea: an updated report by the American Society of Anesthesiologists Task Force on Perioperative Management of patients with obstructive sleep apnea (2014). In: Anesthesiology 120 (2), S. 268–286.
5. Siyam, Mohammad A.; Benhamou, Dan (2002): Difficult endotracheal intubation in patients with sleep apnea syndrome. In: Anesthesia and analgesia 95 (4), 1098-102, table of contents. DOI: 10.1097/00000539-200210000-00058.
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8. Lurati Buse, Giovanna; Bollen Pinto, Bernardo; Abelha, Fernando; Abbott, Tom E. F.; Ackland, Gareth; Afshari, Arash et al. (2023): ESAIC focused guideline for the use of cardiac biomarkers in perioperative risk evaluation. In: European journal of anaesthesiology 40 (12), S. 888–927. DOI: 10.1097/EJA.0000000000001865.
9. Katsanos, Spyridon; Babalis, Dimitrios; Kafkas, Nikolaos; Mavrogenis, Andreas; Leong, Darryl; Parissis, John et al. (2015): B-type natriuretic peptide vs. cardiac risk scores for prediction of outcome following major orthopedic surgery. In: Journal of cardiovascular medicine (Hagerstown, Md.) 16 (6), S. 465–471. DOI: 10.2459/JCM.0000000000000210.
10. Cappellini, Maria Domenica; Comin-Colet, Josep; Francisco, Angel de; Dignass, Axel; Doehner, Wolfram; Lam, Carolyn S. et al. (2017): Iron deficiency across chronic inflammatory conditions: International expert opinion on definition, diagnosis, and management. In: American journal of hematology 92 (10), S. 1068–1078. DOI: 10.1002/ajh.24820.
11. Spahn, Donat R.; Beer, Jürg-Hans; Borgeat, Alain; Chassot, Pierre-Guy; Kern, Christian; Mach, François et al. (2019): NOACs in Anesthesiology. In: Transfusion medicine and hemotherapy : offizielles Organ der Deutschen Gesellschaft fur Transfusionsmedizin und Immunhamatologie 46 (4), S. 282–293. DOI: 10.1159/000491400.
12. Kim, Kwang-Sub; Song, Jong Wook; Soh, Sarah; Kwak, Young-Lan; Shim, Jae-Kwang (2020): Perioperative management of patients receiving non-vitamin K antagonist oral anticoagulants: up-to-date recommendations. In: Anesthesia and pain medicine 15 (2), S. 133–142. DOI: 10.17085/apm.2020.15.2.133.
13. Sherwin, Marc; Hamburger, Joshua; Katz, Daniel; DeMaria, Samuel (2023): Influence de l’utilisation du sémaglutide sur la présence de solides gastriques résiduels à l’échographie gastrique : une étude observationnelle prospective auprès de volontaires sans obésité ayant récemment commencé à prendre du sémaglutide. In: Canadian journal of anaesthesia = Journal canadien d’anesthesie 70 (8), S. 1300–1306. DOI: 10.1007/s12630-023-02549-5.
14. Silveira, Saullo Queiroz; da Silva, Leopoldo Muniz; Campos Vieira Abib, Arthur de; Moura, Diogo Turiani Hourneaux de; Moura, Eduardo Guimarães Hourneaux de; Santos, Leonardo Barbosa et al. (2023): Relationship between perioperative semaglutide use and residual gastric content: A retrospective analysis of patients undergoing elective upper endoscopy. In: Journal of clinical anesthesia 87, S. 111091. DOI: 10.1016/j.jclinane.2023.111091.
15. van Huisstede, Astrid; Biter, Laser Ulas; Luitwieler, Ronald; Castro Cabezas, Manuel; Mannaerts, Guido; Birnie, Erwin et al. (2013): Pulmonary function testing and complications of laparoscopic bariatric surgery. In: Obesity surgery 23 (10), S. 1596–1603. DOI: 10.1007/s11695-013-0928-9.

Längeres Überleben dank Mammographiescreening

Der Kanton St. Gallen führte 2010 ein bevölkerungsbasiertes qualitätskontrolliertes Mammographiescreening-Programm unter dem Namen «donna» ein. Dieses Programm wurde später auf die Kantone Graubünden, Bern, Solothurn, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und ab 2025 auf den Kanton Schaffhausen ausgeweitet. Die Daten zur Evaluation des Programms belegen, dass im Screening entdeckte Mammakarzinome ein früheres Tumorstadium aufwiesen, weniger aggressiv behandelt werden mussten und dass diese Frauen nach ihrer Brustkrebsdiagnose deutlich länger lebten (1).

In 2010, the canton of St. Gallen introduced a population-based, quality-controlled mammography screening program under the name “donna”. This program was later extended to the cantons of Graubünden, Bern, Solothurn, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden and, from 2025, to the canton of Schaffhausen. Data from the evaluation of the program show that breast cancers detected during screening had an earlier tumor stage, required less aggressive treatment and that these women lived significantly longer after their breast cancer diagnosis (1).
Key words: mammography screening, “donna”, breast cancer

Einleitung

Die Brustkrebsfrüherkennung mit bevölkerungsbasierten organisierten Mammographiescreening-Programmen (MSP) entspricht europäischen und nationalen Empfehlungen, so auch der Schweizerischen Krebsliga. Nachdem randomisiert kontrollierte Studien in den 1970er und 1980er Jahren gezeigt hatten, dass MSP die Brustkrebs-Sterblichkeit um 15 bis 20 % verringern (2), wurden seit den 1980er Jahren in vielen europäischen Ländern MSP eingeführt – in der Schweiz bereits 1999 (3) in einigen französischsprachigen Kantonen und im Jahre 2010 auch in der Deutschschweiz, zuerst im Kanton St. Gallen. Aktuell gibt es in der Schweiz in 15 Kantonen MSP, und in drei weiteren wird die Einführung vorbereitet.

Einen Rückschlag erlitt die Einführung weiterer Programme in der Schweiz durch den 2013 erschienenen Bericht des «Swiss Medical Boards» (4), der von der Einführung neuer Programme abriet und empfahl, existierende Programme auslaufen zu lassen. Die sinkende Mortalität an Brustkrebs sei nur bedingt eine Folge des Screenings und das Kosten-/Nutzenverhältnis sei ungünstig, vor allem wegen falsch positiver und falsch negativer Befunde. Wissenschaftlich waren diese Aussagen von Anfang an umstritten (5) und gelten heute als überholt.

Das Mammographiescreening-Programm «donna»

Im Brustkrebsfrüherkennungsprogramm «donna», das von der Krebsliga Ostschweiz im Auftrag von sieben Kantonen durchgeführt wird, erhalten Frauen im Alter von 50 bis 69 bzw. in einigen Kantonen bis 74 in zweijährlichen Abständen einen Einladungsbrief für eine Screeningmammographie.

Die Teilnahmerate der eingeladenen Frauen bewegt sich um die 50 %. In der Schweiz ist es möglich, Vorsorgeuntersuchungen auch ausserhalb der kantonal organisierten Screeningprogramme vorzunehmen. Dieses opportunistische Screening wird je nach Jahr von 13 % bis 21 % der Frauen wahrgenommen. Der Anteil der Frauen, welche insgesamt Vorsorgeuntersuchungen in Bezug auf Brustkrebs durchführen, ist deswegen deutlich höher und mit europäischen MSP vergleichbar, wo Vorsorgeuntersuchungen nur im Rahmen eines MSP möglich sind oder vergütet werden.

In den letzten 40 Jahren konnten in der Diagnose und Behandlung von Brustkrebs bedeutende Fortschritte erzielt werden, sodass trotz steigender Inzidenz deutlich weniger Frauen an Brustkrebs sterben. Die Einführung von zertifizierten Brustzentren hat zusätzlich zu diesem Befund beigetragen.

Ausländische europäische Studien belegen die Wirksamkeit aktueller Screeningprogramme (6, 7) in Bezug auf Überleben und sogar Kosteneffektivität (8). Aus ethischen Gründen kann heutzutage die Effektivität eines MSP nicht mehr in einer randomisierten Studie geprüft werden. Um einen Überblick im aktuellen schweizerischen Kontext zu gewinnen, haben wir deshalb Daten unseres MSP «donna» in Kooperation mit der School of Medicine der Universität St. Gallen ausgewertet.

Analyse der eigenen Daten

Wir haben alle Brustkrebsfälle seit dem Start des MSP, d.h. von 2010 bis 2019 in den Kantonen St. Gallen und Graubünden ausgewertet. Hierzu haben wir Karzinome von Frauen, die am MSP teilgenommen haben, mit Karzinomen von Frauen verglichen, welche nicht am MSP teilgenommen haben. Durch Abgleich der Daten von «donna» mit registrierten Brustkrebsfällen bis 2021 im Krebsregister Ostschweiz und Graubünden-Glarus konnten Informationen über die Tumorstadien, Histologie, Behandlung und das Überleben der Frauen ermittelt werden. Dies ermöglichte es uns auch, Intervallkarzinome zu identifizieren. Die Screening-Mammographien wurden von zwei Radiologen unabhängig voneinander beurteilt. Falls einer oder beide eine abklärungswürdige Auffälligkeit feststellten, wurde die Mammographie in einer Konsensuskonferenz unter Leitung eines dritten Radiologen besprochen. Dies geschah in ca. 10 % der Fälle. Eine Empfehlung für weitere Abklärungen erfolgte bei weniger als 3 % aller Mammographien. Nur in etwa 20 % dieser weiteren Abklärungen war das Ergebnis eine Karzinomdiagnose, was etwa 6 von 1000 Mammographien im MSP entspricht.

Insgesamt wurde in diesem Zeitraum bei 2558 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren in den Kantonen St. Gallen und Graubünden Brustkrebs diagnostiziert, bei 1057 davon innerhalb und bei 1501 ausserhalb des MSP. Das mittlere Alter dieser Brustkrebspatientinnen war innerhalb des MSPs um 1.4 Jahre niedriger (59.3 vs. 60.7).

Entdeckte Karzinome von Frauen im MSP waren kleiner (19.3 mm vs. 23.3 mm), wiesen seltener einen Lymphknotenbefall auf (26.1 % vs. 42.4 %, d.h. fast 40 % weniger), und es gab bedeutend weniger prognostisch ungünstigere fortgeschrittene Stadien III und IV mit 8.6 % vs. 22.9 %. Es fanden sich innerhalb des MSP doppelt so häufig in situ Karzinome (17.5 % vs. 8.7 %; siehe Abb. 1 Stadienverteilung).
10 Jahre nach Einführung des Screenings zeigte sich insgesamt eine prognostisch deutlich bessere Stadienverteilung bei allen Frauen zwischen dem 50. und 70. Altersjahr (Abb. 2) unabhängig von der Teilnahme am MSP. Fortgeschrittene Stadien III und IV nahmen zusammen von 22 % um fast ein Drittel auf 15 % ab.

Das Tumorstadium bei Brustkrebs ist ein wesentlicher Prognosefaktor und wirkt sich auch auf die Behandlungsmöglichkeiten aus. Bei Karzinomen von Frauen innerhalb des MSP wurden nur etwa halb so viele Mastektomien durchgeführt als in der nicht durch «donna» gescreenten Gruppe (8.8 % vs. 18.6 %). Des Weiteren wurden fast ein Viertel weniger adjuvante Chemotherapien durchgeführt (33.7 % vs. 44.1 %).

Ob solche bereits schnell nach Einführung eines Screeningprogramms feststellbare Stadienverbesserungen zu einem längeren Überleben führen, kann erst nach einer längeren Beobachtungszeit festgestellt werden. Die Kaplan-Meier-Kurve über 10 Jahre zeigt deutlich günstigere Überlebenskurven von Brustkrebspatientinnen mit Teilnahmen am MSP (Abb. 3).

Die Überlebensrate nach 10 Jahren von Frauen, welche am MSP teilnahmen, und eine Brustkrebsdiagnose erhielten, war 91.4 % im Vergleich zu 72.1 % von Frauen, die nicht am MSP teilnahmen (hazard ratio (HR): 0.271).

Der Vergleich einer gescreenten Population mit der nicht gescreenten kann zu Verzerrungen führen, konkret zu den sogenannten «Lead-time und Length Biases». Da Karzinome in einem Früherkennungsprogramm zu einem früheren Zeitpunkt entdeckt werden, führt dies zu einem längeren Überleben, selbst wenn die frühere Erkennung und die anschliessende Therapie keinen Einfluss haben. Zudem werden typischerweise in der Früherkennung Karzinome entdeckt, vor allem die «in situ Karzinome» mit einem deutlich besseren Verlauf.
Diese Verzerrungen können mathematisch korrigiert werden (1, 9). Auch nach dieser rechnerischen Korrektur von «Lead-time» und «Length» fanden wir einen signifikanten 10-Jahres-Überlebensunterschied (84.7 % vs. 72.1 %). Eine Teilnahme am Screeningprogramm brachte somit eine Reduktion der Sterblichkeit um ca. 45 % (HR: 0.550).

Hiermit konnte erstmalig auch für ein Schweizer Programm ein längeres Überleben von Frauen mit Brustkrebs in der Screeninggruppe dokumentiert werden. Diese Resultate werden unterstützt durch neuere ausländische Studienresultate, welche auch bedeutende Risikoreduktionen in der gescreenten Population zeigten mit einer korrigierten HR um 0.4 (10, 9).

Das verbesserte Überleben in der gescreenten Gruppe ist grösstenteils durch die bessere Stadienverteilung zu erklären. Überraschenderweise sehen wir in unseren Daten auch bei einem Stadien-adjustierten Vergleich noch Unterschiede zwischen den zwei Gruppen. Über deren Ursache kann nur spekuliert werden. Ein möglicher Erklärungsansatz ist, dass dieser Unterschied durch die signifikant häufiger in zertifizierten Brustzentren durchgeführte Behandlung erklärt werden kann. Positiv gesehen, werden nun fast alle Brustkrebspatientinnen in zertifizierten Brustzentren behandelt.

Eine weitere Erklärung unserer Ergebnisse könnte sein, dass sich die gescreenten von den nicht gescreenten Frauen soziokulturell unterscheiden können. Das schlechtere Überleben in letzterer Gruppe könnte somit durch eine höhere Sterblichkeit an anderen Todesursachen, wie zum Beispiel kardiovaskulären Gründen, verursacht sein. Wenn jedoch die Brustkrebs-bezogene Sterblichkeit untersucht wird, bleiben die Unterschiede zwischen den Gruppen ganz ähnlich wie bei der Sterblichkeit durch alle Todesursachen.
In unserem Kollektiv fanden sich 265 Intervallkarzinome, dies entspricht 21 % der in der gescreenten Gruppe aufgetretenen Karzinome. Die Mehrzahl wurde im zweiten Jahr nach der Screeningmammographie entdeckt. Diese Karzinome waren grösser und aggressiver (z. B. wiesen sie einen höheren Ki-67 Proliferationsindex auf), und zeigten somit einen etwas schlechteren ­Verlauf als Karzinome, welche zum Zeitpunkt der Screeningmammographie entdeckt wurden. Als Risikofaktoren für Intervallkarzinome fanden wir eine erhöhte Brustdichte und eine positive Familienanamnese. Mit zunehmendem Alter der Frauen wurde dieses Risiko geringer, was mit der altersabhängig abnehmenden Brustdichte und somit leichteren Diagnosemöglichkeit durch Mammographien zusammenhängen kann.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die Auswertung des MSP «donna» belegt mit neuen Daten für die Schweiz, dass durch die Teilnahme am Programm Brustkrebs in einem früheren Stadium diagnostiziert werden kann, was eine weniger belastende Therapie mit besseren Heilungschancen und somit deutlich verbessertem Überleben ermöglicht.

Diese Studienresultate unterstreichen die Relevanz von Screeningprogrammen und zeigen Verbesserungsmöglichkeiten auf. Zum Beispiel könnten alternative oder zusätzliche Untersuchungen bei dichter Bruststruktur die Krebsentdeckungsraten erhöhen. Darüber hinaus könnte auch eine diagnostische Software basierend auf künstlicher Intelligenz die Sensitivität des Programms erhöhen, aber auch durch Analyse der Bruststruktur das Risiko für die Entstehung von Brustkrebs im Zeitraum bis zur nächsten Mammographie berechnen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz als Unterstützung in Screeningprogrammen (11) wird daher aktuell in retrospektiven und prospektiven Studien untersucht.

Dr. med. Rudolf Morant  1
Jonas Subelack 2
Marcel Blum 1,2
Prof. Dr. Alexander Geissler 2
Dr. David Kuklinski 2
1 Krebsliga Ostschweiz, Flurhofstrasse 7, 9000 St. Gallen
2 School of Medicine (MED-HSG), St. Jakob-Strasse 21, 9000 St. Gallen

Dr. med. Rudolf Morant

Krebsliga Ostschweiz
Flurhofstrasse 7
9000 St. Gallen

R. Morant, und M. Blum arbeiten für die Krebsliga Ostschweiz, welche das Mammographiescreening-Programm «donna» wie auch das Krebsregister Ostschweiz betreibt.

Auch in der Schweiz zeigen sich bei einem bevölkerungsbasierten Mammographiescreening mit aktuellen Daten klare Vorteile:

  • Deutlich besseres 10-Jahres-Überleben (HR 0.55) von Frauen mit Brustkrebsdiagnose.
  • Brustkrebs wird in früheren Stadien entdeckt.
  • Weniger aggressive Therapien: 50 % weniger Mastektomien,
    fast 25 % weniger Chemotherapien.

1. Kuklinski D, Blum M, Subelack J, Geissler A, Eichenberger A, Morant R. Breast cancer patients enrolled in the Swiss mammography screening program “donna” demonstrate prolonged survival. Breast Cancer Res. 2024;26(1):84. doi:10.1186/s13058-024-01841-6
2. Myers ER, Moorman P. Benefits and Harms of Breast Cancer Screening: A Systematic Review. JAMA Internal Medicine. 2015;314:1615-1634.
3. Müller G, Leo C. Mammografiescreening in der Schweiz. Gynäkologie. (4/2023):6-10.
4. Swiss Medical Board. Systematisches Mammographie-Screening.; 2013. Accessed September 1, 2023. https://www.swissmedicalboard.ch/fileadmin/public/news/2013/bericht_smb_mammographie_screening_lang_2013.pdf
5. Vassilakos P, Catarino R, Boulvain M, Petignat P. Controversies in the mammography screening programme in Switzerland. Swiss Medical Weekly. 2014;144(1718):w13969-w13969. doi:10.4414/smw.2014.13969
6. Njor S, Nyström L, Moss S, et al. Breast Cancer Mortality in Mammographic Screening in Europe: A Review of Incidence-Based Mortality Studies. J Med Screen. 2012;19(1_suppl):33-41. doi:10.1258/jms.2012.012080
7. Katalinic A, Eisemann N, Kraywinkel K, Noftz MR, Hübner J. Breast cancer incidence and mortality before and after implementation of the German mammography screening program. Intl Journal of Cancer. 2020;147(3):709-718. doi:10.1002/ijc.32767
8. Mühlberger N, Sroczynski G, Gogollari A, Jahn B, Pashayan N, Steyerberg E, Widschwendter M, Siebert U. Cost effectiveness of breast cancer screening and prevention: a systematic review with a focus on risk-adapted strategies. Eur J Health Econ. 22(8)(2021):1311-1344.
9. Duffy SW, Nagtegaal ID, Wallis M, et al. Correcting for Lead Time and Length Bias in Estimating the Effect of Screen Detection on Cancer Survival. American Journal of Epidemiology. 2008;168(1):98-104. doi:10.1093/aje/kwn120
10. Schumann L, Hadwiger M, Eisemann N, Katalinic A. Lead-Time Corrected Effect on Breast Cancer Survival in Germany by Mode of Detection. Cancers. 2024;16(7):1326. doi:10.3390/cancers16071326
11. Morant R, Gräwingholt A, Subelack J,Blum M, Geissler A, Kuklinski D. Der mögliche Nutzen künstlicher Intelligenz in einem organisierten bevölkerungsbezogenen Screeningprogramm: Erste Ergebnisse und Ausblick. Radiologie. Published online July 17, 2024. doi:10.1007/s00117-024-01345-6

Der komplexe Schmerzpatient: in der Praxis

An den diesjährigen ZAIM MediDays in Zürich berichteten Dr. Barbara Jungner, Dr. Florian Käs, Dr. Henrik Fredrich und Dr. Daniel Friis vom Schmerzambulatorium für diagnostische und therapeutische Schmerzmedizin am Institut für Anästhesiologie des USZ über Fallbeispiele aus ihrer Praxis.

Schmerzen sind ein vielschichtiges Phänomen, das sich in unterschiedlichsten Formen und Intensitäten äussern kann, so Dr. Friis. Gemäss der International Association for the Study of Pain (IASP) ist Schmerz als ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis definiert, das mit einer tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschädigung verbunden ist oder als solche beschrieben wird.

Schmerzformen, Schmerzmechanismus

Es gibt verschiedene Formen von Schmerzen, die jeweils spezifische Ursachen und Mechanismen aufweisen:
Nozizeptiv: Nozizeptiver Stimulus, Protektion → Hohe Reizschwelle

Inflammatorisch: Entzündung, Heilung Neuropathisch: Schädigung Nervensystem → Tiefe Reizschwelle

Noziplastisch: Kein nozizeptiver Stimulus, kein neuropathischer Schaden, keine Entzündung

Die Behandlung ist multimodal und interdisziplinär mithilfe des Bio-psycho-sozialen Modells: Dieses besteht aus Edukation, psychologischer Therapie, medikamentöser Therapie, physikalischer Therapie und interventioneller Therapie.

Fallvignette

Der Referent stellte einen durch den Hausarzt zugewiesenen Patienten, Jahrgang 1952, vor. Er leidet unter einem chronisch zervikobrachialen Syndrom links ohne neurologische Ausfälle. Als Nebendiagnosen bestehen eine arterielle Hypertonie und eine koronare Herzkrankheit. Die Überweisung erfolgte wegen Halswirbelgelenkschmerzen. Ferner liegt ein chronisches zervikobrachiales Syndrom links ohne neurologische Ausfälle vor. Die Klinik umfasst Nackenschmerzen mit Schmerzausstrahlung vom unteren Nackenbereich in die Schulterregion ohne sensomotorische Ausfälle. Eine kurzzeitige Beschwerdereduktion kann durch Physiotherapie erzielt werden. Vor allem körperliche Arbeit wie beispielsweise Gartenarbeit führt zu Schmerzexazerbationen, wie der Patient feststellte.

Ein MRI der Halswirbelsäule (HWS) zeigt multisegmentale degenerative Veränderungen mit Diskusprotrusionen auf Höhe C6/7, wobei eine rechtsseitige Dominanz erkennbar ist. Es liegen keine Hinweise auf Myelonkompression und keine spinozerebelläre Enge vor. Der Referent verwies auf die ICD-11-Klassifikation (WHO seit 2023) hin. Der hier vorgestellte Therapievorschlag umfasst eine Locus-dolendi-Infiltration mit Lokalanästhetika (Lidocain/Carbostesin), welche zu einer signifikanten Schmerzreduktion führt. Eine Wiederholung des Verfahrens erfolgt mit gleichem Resultat.

Differentialdiagnostisch kommen eine muskuläre Problematik der Halsmuskulatur (M. Scalenii, Sternocleidomastoideus), eine ossäre Problematik (Cavicula, Sternum), eine neurologische Problematik (Plexus axillaris, zervikale Nervenwurzeln) sowie eine vaskuläre Problematik (Vasa subclavia) und eine intrathorakale Problematik (Lunge, Pleura) in Betracht.

Das Thoracic outlet Syndrom (TOS)

Das Thoracic-outlet-Syndrom (TOS) – auch als neurovaskuläres Kompressionssyndrom bezeichnet – manifestiert sich in der Nähe des Plexus brachialis und der Vasa subclavia, zwischen Klavikula und erster Rippe, und zeigt eine Inzidenz von 1–3/100 000.

Es werden drei Typen unterschieden: Neurologische TOS (nTOS), welche Schmerzen, Hyp-/Dysästhesie, Parästhesie und Muskelschwäche umfassen, venöse TOS (vTOS), die mit Schwellungen, Schmerzen, Thrombose einhergehen, sowie arterielle TOS (aTOS), die Ischämie und Claudicatio-Symptome sowie Thrombenbildung als Symptome zeigen. Die Diagnose ist schwierig zustellen.

Die klinische Untersuchung umfasst den Test der Oberarmspannung (Upper limb tension test), die Bildgebung mittels Röntgen und MRT, die neurologische Untersuchung (Elektroneuromyographie) sowie die lokale Infiltration im Bereich des Musculus Scalenii (Interscalenusblockade). Die Therapie erfolgt konservativ mittels Physiotherapie zur Korrektur von Fehlhaltung und muskulärer Dysbalance. Bei Bedarf kann eine Operation zur Dekompression mit teilweise resezierter erster Rippe und Skalenotomie durchgeführt werden.

Fallvignette

Eine weitere Fallvignette stellte Dr. Henrik Frerich vor. Es handelte sich um eine 17-jährige Patientin, seit ca. einem Jahr bestehende Schmerzen rechts periumbilical, keine Stuhlunregelmässigkeiten, keine Allodynie. Eine ähnliche Episode hatte sich sechs Jahre zuvor ereignet.Die Diagnostik vor Einweisung umfasste diverse Enteropathien sowie diverse radiologische Untersuchungen, darunter native und dynamische KM-verstärkte MRT des Abdomens. Diese ergaben jedoch keinen richtungsweisenden Befund.

Diagnostik/Therapie

• Die Infiltration des Locus dolendi periumbilical rechts resultiert in einer signifikanten Schmerzlinderung über einen Zeitraum von sechs Stunden.
• Diagnostischer Transversus abdominus Plane-Block rechts, erneute signifikante Schmerzlinderung während der LA-Wirkung.
• Therapeutischer Transversus Abdominus Plane-Block rechts, dessen Wirkung erneut lediglich im LA-Zeitfenster zu beobachten war, gefolgt von einer Zunahme der Schmerzen.
→ Somit kann eine lokale Desensibilisierung ausgeschlossen werden.

Weitere Therapie

• Im Rahmen der Testinfusion von Lidocain und Ketamin konnte eine verbesserte Wirkung von Lidocain mit einer ca. zweiwöchigen Schmerzreduktion beobachtet werden.
• Daher wurde eine Serie von Lidocain-Infusionen mit anschliessender gepulster Radiofrequenztherapie eingeleitet, wobei lediglich eine kurzfristige Besserung zu verzeichnen war.
• Die letzte Therapie war eine Kryoablation des Locus dolenti Abdomen und der periumbilikalen Region rechts. Diese führte zu einer Schmerzfreiheit für die Dauer eines Jahres.

Definitive Therapie

• Etwa ein Jahr nach der Kryoablation manifestierten sich erneut Schmerzen.
• Es erfolgte eine erneute Locus-dolenti-Infiltration mit jeweils deutlicher Schmerzreduktion.
• Der Entschluss zur operativen Neurotomie und Nerventeilresektion von Th 10 und Th 11 in der vorderen Axillarlinie rechts wurde etwa zwei Jahre nach dem ersten Kontakt mit dem Schmerzambulatorium gefasst. Seither besteht Beschwerdefreiheit.

A.C.N.E.S.

Das Abdominal (anterior/acute) Cutaneous Nerve Entrapment Syndrom ist durch Schmerzen der Bauchwand gekennzeichnet, welche durch die Einklemmung des anterioren Hautastes der Intercostalnerven bedingt sind.

Klinische Zeichen

• Der Schmerz ist eng lokalisiert, meist im rechten Unterbauch, aber grundsätzlich in der gesamten Bauchwand möglich.
• Positiver Pinching Test
– Schmerzexazerbation durch Kneifen
• Positives Carnett’s Sign:
– Schmerzexazerbation durch Anspannen der Bauchmuskeln
• Andere klinische Zeichen
– Allodynie, Hypo-/Hyperästhesie, Hyperalgesie

Therapieoptionen

• Infiltration Locus dolenti
• TENS
• Neurodol-Pflaster
• Neurektomie
«When facing abdominal pain, don’t forget ACNES»

Fallvignette

Dr. Florian Käs stellte eine 64jährige Frau vor mit chronischem Clusterkopfschmerz + Migräne. Die Symptome manifestierten sich erstmals im Sommer 2014 und lokalisierten sich in der linken Gesichtshälfte, wobei das Auge, die Wange und die Zähne betroffen waren. Der Schmerz wurde als stechend beschrieben und erreichte auf der Numerischen Rating Scale (NRS) einen Wert von 10/10. Die Dauer einer Episode betrug zwischen drei und vier Stunden, ohne dass eine Therapie erfolgte. Es wurden zwei Episoden pro Tag berichtet. Begleiterscheinungen waren eine Photophobie, eine Rückzugstendenz sowie trigeminoautonome Symptome, welche sich durch eine Rötung des linken Auges, Tränenfluss sowie eine Rhinorrhoe manifestierten. Triggerfaktoren konnten nicht identifiziert werden.

Therapie

Die bisherigen therapeutischen Massnahmen umfassten:
1. Langzeitprophylaxe
• St. N. Verapamil, Valproat, Lamotrigin (mit kurzzeitigem Ansprechen)
• Im Mai 2021 wurde mit der Gabe von Lithium 660 mg begonnen. Die Medikation wurde täglich verabreicht, wobei im Verlauf eine Entwicklung von Tremor beobachtet wurde. Dies führte zu einer Beendigung der Therapie.
• Im Jahr 2020 wurde eine GON-Infiltration ohne Wirkung vorgenommen.
• Von 2019 bis Mai 2023 erfolgte die Anwendung von Amovig 140 mg s. c. (Migräne) monatlich, Reduktion der Attacken-Frequenz intermittierend, attackenfreie Episoden (wenige Monate), danach Wirkungsverlust.
• Von Juni bis September 2023 Gabe von Vyepti® 300 mg (Migräne). Dies löste als Nebenwirkung eine Urtikaria aus.
• Beginn mit Topiramat, was nach drei Tagen bei Unwohlsein und Schwindel wieder abgesetzt wurde.
2. Kurzzeitprophylaxe
• St. N. 2 x Glukokortikoid-To-Therapie i. v. über fünf Tage mit guter Wirksamkeit.
• Seit Sommer 2023 erfolgt die Anwendung von Glukokortikoiden p.o., wobei aktuell eine Dosis von 12 mg Spiricort pro Tag verabreicht wird.
3. Akuttherapie
• Eine Sauerstofftherapie führte teilweise zu einer Schmerzreduktion auf mindestens 5/19 (NRS)
• Die Gabe von Sumatriptan (nasal) führte lediglich zu einer 30-prozentigen Schmerzreduktion.
• Die Gabe von Imigran führte teilweise zu einer Reduktion der Episodendauer auf 10–30 Min.

Gibt es weitere Therapiemöglichkeiten? In den Guidelines der European Academy of Neurology on the Treatment of Cluster Headache wird folgendes vorgeschlagen: Für die Akutbehandlung von Clusterkopfschmerzattacken wird dringend Sauerstoff (100 %) mit einem Flow von mindestens 12 L/min über 15 Minuten und 6 mg subkutanes Sumatriptan empfohlen. Zur Prophylaxe von Clusterkopfschmerzattacken wird Verapamil in einer Tagesdosis von mindestens 240 mg (die Höchstdosis hängt von der Wirksamkeit und Verträglichkeit ab) empfohlen. Kortikosteroide sind bei Clusterkopfschmerz wirksam. Lithium, Topiramat und Galcanezumab (nur bei episodischen Clusterkopfschmerzen) werden als alternative Behandlungsmethoden empfohlen. Die nichtinvasive Stimulation des Vagusnervs ist bei episodischem, aber nicht bei chronischem Clusterkopfschmerz wirksam. Die Blockade des Nervus occipitalis major wird empfohlen, aber die elektrische Stimulation des Nervus occipitalis major wird aufgrund des Nebenwirkungsprofils nicht empfohlen.
Die Blockade des Ganglion Sphenopalatinum/Meckels
Ganglion kann zu folgenden Komplikationen führen: Bitterer Geschmack (Lidocain), Brennen der Schleimhäute, Epistaxis, Allergische Reaktion auf Kontrastmittel.
Zusammenfassend kann gesagt werden:

Blockade des Ganglion Sphenopalatinum
• Aufgrund der fehlenden Evidenz durch qualitativ unzureichend durchgeführte Studien kann keine abschliessende Aussage getroffen werden.
• Basierend auf den Erfahrungen der Vortragenden lässt sich jedoch ableiten, dass bei einer wiederholten Durchführung (alle 6–12 Wochen) von ca. 30–40 % der relevanten prophylaktischen Massnahmen eine Wirksamkeit zu erwarten ist.
• Bezüglich anderer Kopfschmerzen (Migräne, Spannungskopfschmerz, Trigeminus-Neuralgie) gibt es noch weniger Evidenz.
• Einfach durchzuführen, nicht invasiv, kostengünstig, niedriges Nebenwirkungsprofil

Evidenz Migräne
Aufgrund der aktuellen internationalen Guidelines und Reviews kann aufgrund der fehlenden RCTs keine Empfehlung ausgesprochen werden (Tzankova et al., Diagnosis and acute management of migraine, CMAJ 2013;195:E153-E158).

Evidenz: Cluster Kopfschmerz
Das Ganglion sphenopalatina ist ein vielversprechendes Ziel für die Behandlung von Clusterkopfschmerz durch Blockaden, Radiofrequenzablation und Neurostimulation. Weitere Studien sind jedoch nötig (Ho KWD, Przkora R, Kumar S. Sphenopalatine ganglion: block, radiofrequency ablation and neurostimulation – a systematic review. J Headache Pain. 2017 Dec 28;18(1):118).

Endometriose – Allgemein

Im Rahmen der Veranstaltung referierte Frau Dr. Barbara Lungner über die Endometriose sowie die entsprechenden Schmerztherapien. Die Endometriose wird definiert als chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der sich endometriumähnliches Gewebe ausserhalb des Uterus befindet. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose liegt bei 28 Jahren, wobei Endometriose auch bereits im Jugendalter auftreten kann. In seltenen Fällen ist auch die Diagnose bei kleinen Mädchen möglich. Es ist zu beobachten, dass die Diagnose häufig erst nach einem Zeitraum von über fünf Jahren gestellt wird. Unter geeigneter Therapie lässt sich die Diagnose günstig stellen. Jede zehnte Frau ist von dieser Erkrankung betroffen, wobei eine familiäre Häufung beobachtet wird. Die Prävalenz des superfizialen peritonealen Befalls liegt bei ca. 80 %, wobei auch eine ovarielle Manifestation in Form von Zysten beobachtet wird. Die Lokalisationen der Erkrankung sind vielfältig und können tief im Peritoneum, aber auch kombiniert auftreten. Zudem kann eine Erkrankung des Blasenepithels sowie extrapelviner Regionen, wie beispielsweise thorakal, umbilikal oder zerebral, erfolgen. Das Behandlungskonzept ist in Abb. 1 wiedergegeben.

Therapie

Zu den schmerzmedizinischen Therapieoptionen bei Endometriose zählen: Psychosomatik, Akupunktur, Physiotherapie, TENS, SNRI, TCA, Antikonvulsiva, Nichtopioid-Analgetika, Psychologie, Hypnose, Opioide, Intervention sowie Cannabis.

Zu den psychotherapeutischen Verfahren zählt die Kognitive Verhaltenstherapie, deren Einsatz unter Einbeziehung psychosomatischer Faktoren einen statistisch signifikant besseren Therapieeffekt aufweist. Diesbezüglich wird eine starke Empfehlung ausgesprochen.
Physiotherapie, eine manuelle Therapie sowie die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) stellen vielversprechende Behandlungsmethoden bei einer Beckenbodendysbalance bzw. bei Triggerpunkten dar. Diesbezüglich konnte in einer randomisierten Studie eine signifikante Schmerzreduktion sowie eine Verbesserung der Lebensqualität nachgewiesen werden. Eine Behandlung dieser Art wird empfohlen.

Im Rahmen einer Pilotstudie wurde die Wirksamkeit von Antikonvulsiva bei 47 Frauen mit relevanter Organopathologie über einen Zeitraum von sechs Monaten untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass Gabapentin (300–2700 mg/d) im Vergleich zu Placebo eine überlegene Wirkung hinsichtlich der Reduktion von Schmerz und Depressivität aufweist. Hinsichtlich der Nebenwirkungen konnten keine Unterschiede festgestellt werden.

In der randomisierten kontrollierten Studie wurden 306 Frauen über einen Zeitraum von 16 Wochen untersucht. Dabei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Gabapentin (bis 2700 mg/d) und Placebo hinsichtlich der Schmerzreduktion. Allerdings traten in der Gabapentin-Gruppe schwerwiegende Nebenwirkungen häufiger auf, weshalb eine zeitlich befristete Therapie in Erwägung gezogen werden sollte.

Die interventionelle Schmerztherapie wird in der medizinischen Praxis häufig unterschätzt, obwohl sie eine vielversprechende diagnostische Option darstellt, für die jedoch noch keine ausreichende Evidenz vorliegt.

Die Indikation umfasst Nervenreizungen im kleinen Becken, beispielsweise in Form von Nerven-Nervenwurzelblockaden, wie sie bei Pudendusblockaden oder Ganglion Impar Blockaden zum Einsatz kommen. Auch neuropathische Schmerzen können mit dieser Methode behandelt werden. Dabei kommen verschiedene Infusionen zum Einsatz, darunter Ketamin, NMDA-Rezeptorantagonisten und Lidocain, ein Natriumkanalblocker. Das Ziel dieser Behandlung ist eine Schmerzmodulation.
→ Behandlung kann erwogen werden

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Gesundheitsbereich im Umbruch

Die aktuellen Bewegungen im Gesundheitswesen sind strukturell gewiss überfällig. Aber inhaltlich sind die Konturen des Umbruchs noch kaum zu erkennen. Es ist mehr als zweifelhaft, was von den guten Absichten (z. B. Effizienzsteigerung, Digitalisierung, Qualitätsförderung, Ausbildungsoffensive, bessere Entlöhnung der Pflege) für die Realisierung übrigbleiben wird. Natürlich will man die Kosten dämpfen, aber es bleibt weiterhin unklar, wo man wirklich bereit ist, Einsparungen zu realisieren. Realistisch gesehen, ist es heute bereits klar, dass ein weiteres Kostenwachstum unvermeidlich sein wird, aber eben höchstens noch moderat und möglichst nicht über der allgemeinen Teuerung.

Die aktuelle SBB-Kostendiskussion ist ein gutes Lehrstück: Die Politiker verteidigen im Bundesparlament ihre Region und wollen weiter grosszügig ausbauen. Das OK aus dem Bundesparlament haben sie bereits («Do ut des» hiess es im alten Rom). Die SBB-Leitung warnte aber davor, weiter so auszubauen, da jeder Ausbauschritt auch langfristige weitere Kosten für den Erhalt nach sich ziehen wird. Denn auch die Bahn soll nicht noch teurer werden. Bereits jetzt ist klar, dass der Erhalt des bisherigen Angebotes das aktuelle Kostendach ritzt.

Aktuell ist die umstrittene ambulante Tarifstruktur im Fokus und ausgerechnet Herr Regierungsrat Schnegg macht im Auftrag des Bundesrats nun Tempo! Aber hier liegt der Hund wohl nicht begraben, auch wenn vieles an der alten Tarifstruktur nicht mehr haltbar ist.

Wie war damals die öffentliche Diskussion mit der Einführung des KVG 1996 (solidarisches Versicherungsobligatorium mit gleichen Prämien für alle) für die nationale Gesundheitslandschaft: Es braucht endlich Wettbewerb, mehr private Anbieter und ein einträgliches Profitdenken! Weg mit dem bisherigen Verwaltertum in den Spitaletagen, hin zu einem flotten Gesundheits-Management. Die Folgen kennen wir: massiver Ausbau und Modernisierung (jedes Spital braucht nun sofort einen CT- und MR-Scanner und eine schicke Privatabteilung). Gutes Personal wird aus öffentlichen Spitälern abgeworben, da Privatspitäler keine kantonalen Lohnbindungen haben.

Da dies alles auch bezahlt werden muss, wird nun eine Mengenausweitung im Leistungsbereich angekurbelt: Was rentiert, wird gemacht, leider auch dann, wenn es medizinisch unnötig oder sogar schädlich ist. Die Spitalleitungen werden auf modern getrimmt, mit vielen neuen Stabsstellen, Organigramm- und Logo-Veranstaltungen und leitende Mitarbeiter werden zu teuren Management-Ausbildungen beordert. Die Kosten für diesen feudalen Überbau mussten nun zusätzlich erwirtschaftet werden und gleichzeitig wurden die medizinischen Leistungserbringer immer mehr zu reinen Befehlsempfängern degradiert. Wo einst Spitalleitungen noch von Chefärztinnen und Chefärzten geführt wurden, sind es nun die leitenden Bürolisten ohne Patientenkontakt, welche das Sagen haben. In meinem Ohr klingt immer noch das Wort vom öffentlichen Spital als «Profitzentrum» nach – heute hört man das kaum noch und das Wort «Wettbewerb» mit einem tariflichen Rundumkorsett ohne Qualitätskontrolle ist zu einem Ladenhüter geworden. Dass die politischen Vorgaben immer noch so sind, dass ein Spital Gewinn machen muss, ist eine Reminiszenz der totalen Verkennung der Situation durch die kantonale Politik. Nun geht es erst mal darum, vielerorts 2- und 3-stellige Millionendefizite zu bewältigen – und hoffentlich macht es die SBB besser!

Prof. Dr. med. Thomas Cerny

Prof. em. Dr. med.Thomas Cerny

Rosengartenstrasse 1d
9000 St. Gallen

thomas.cerny@kssg.ch

What’s new in cervical cancer in 2024?

Trotz der jüngsten Fortschritte bei Immunisierungs- und Screening-Programmen gibt es bei der Behandlung von fortgeschrittenem und metastasiertem Gebärmutterhalskrebs noch immer ungedeckte Bedürfnisse. Die Einführung der Immuntherapie sowie von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADCs) stellen vielversprechende Optionen dar. Ziel dieser Publikation ist es, die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet zusammenzufassen und einen Ausblick auf die künftigen Behandlungsstandards zu geben.

Despite recent advances in immunization and screening programs, there are unmet needs regarding the treatment of advanced and metastatic cervical cancer. The introduction of immunotherapy as well as antibody-drug-conjugates (ADCs) represent promising options. The aim of this publication is to summarize the recent evidence in this field, as well as to provide a perspective on the future standards of care.
Keywords: cervical cancer, Immunotherapy, ADCs.

Introduction

Despite the introduction of human papilloma virus immunization campaigns and enhanced screening procedures (1), cervical cancer remains a leading cause of death worldwide, particularly in low-middle income countries (2). The current cure rate in locally advanced cervical cancer (stages IB2 to IVA) is approximately 70 %. Systemic therapy for advanced disease yields limited results, and thus improved treatment strategies are eagerly awaited in this disease setting.

Treatment of locally advanced disease

The current standard approach is concurrent chemoradiotherapy (CRT) followed by brachytherapy. Two multi-center observational studies in patients with high-risk LAC) receiving chemoradiotherapy (CRT) with magnetic resonance imaging (MRI)-guided adaptive showed long-term benefits (3, 4). Although advances in radiotherapy delivery techniques have indeed improved disease control rates, many patients will nevertheless experience recurrence or progression within 5 years.

OUTBACK (5) is a multicenter, open-label phase 3 trial that evaluated whether the addition of adjuvant chemotherapy after the standard treatment could improve overall survival. 926 patients were randomized to either the standard of care or sequential CRT followed by four cycles of carboplatin and paclitaxel. The trial failed to meet its primary endpoint of overall survival improvement. Moreover, more frequent serious adverse events occurred in the experimental arm.

At the ESMO 2023 meeting, unpublished results of the phase III INTERLACE trial (6) were presented. Briefly, 500 patients were randomly assigned to receive either CRT alone or a sequence of induction chemotherapy over a 6-week period with weekly carboplatin and paclitaxel, then followed by CRT. With a median follow-up of 64 months, a significant progression free survival (PFS) improvement in the induction arm was reported (HR 0.65, 95 % CI 0.46-0.91). The 5-year overall survival (OS) rates also favored the induction arm, being 80 % for the experimental and 72 % for the standard arm (HR 0.61, 95 % CI 0.40-0.91).

Although these data would imply that the addition of induction chemotherapy should become the new standard, some observations are warranted. Firstly, the INTERLACE study enrolled patients over a 10-year period, which means that the radiotherapy delivered in the majority of the study population predates current intensity-modulated techniques, an observation that is also consistent with the fact that the standard arm underperformed as compared to current evidence. In order to put the study findings into context, this approach might prove valuable within a community-based setting as a bridge between initial diagnosis and CRT initiation. However, it is important to emphasize that high quality CRT still remains the core treatment for locally advanced setting, and that excessive delays after the specified induction phase are not advisable.

In view of the fact that immunotherapy has proven to be effective in the advanced setting, the phase 3 CALLA trial (7) assessed the benefit of adding monthly durvalumab to standard chemo-radiotherapy, followed by immunotherapy maintenance. The primary endpoint was progression free survival, with key secondary endpoints including overall survival and toxicity. With a median follow-up of 18·5 months, the trial failed to meet its primary endpoint (PFS HR 0·84, 95 % CI 0·65–1·08).

In line with this research question, the recently published phase III KEYNOTE-A18 (8) study also evaluated the efficacy and safety of adding pembrolizumab to concurrent chemoradiotherapy within a comparable population to CALLA, with 1060 patients randomized to receive pembrolizumab plus chemoradiotherapy compared to placebo plus chemoradiotherapy. At the first pre-specified data cutoff and with a median follow-up of 18 months, the experimental arm showed a statistically significant 30 % improvement in PFS (HR 0.70 [95 % CI, 0.55-0.89)). Median PFS was not reached in either group. Overall survival data remain currently immature, but a trend towards and improvement was suggested, as reported during the ESMO 2023 annual conference. A recent press-released confirms that a significant benefit in OS has been achieved while final data are awaited.

These contrasting study results highlight the need to identify better biological and clinical markers to improve patients’ selection with regards to immunotherapy. The CALLA study was overall a negative trial, regardless of the PD-L1 Tumor Area Positivity (TAP) score. Nevertheless, a post-hoc supplementary analysis of TAP PD-L1 cut-offs (7) suggested a PFS benefit in the durvalumab group starting from a TAP score of 20 %. On the other hand, KEYNOTE-A18 analyzed PD-L1 by using the more widely applied Combined Positive Score (CPS). It should also be noted that in KEYNOTE-A18 (8), PD-L1 expression was not predictive of response to pembrolizumab.

Treatment of persistent, recurrent or metastatic disease

Incorporation of immunotherapy into the standard of care

The established first-line therapy in this setting consists of a platinum doublet backbone in combination with bevacizumab, when clinically feasible (9).

KEYNOTE-826 (10) evaluated the efficacy and safety of pembrolizumab in combination with platinum-based chemotherapy with optional bevacizumab in this disease setting. With a median follow-up of 39 months, the addition of pembrolizumab showed meaningful improvements in overall and progression-free survival as compared to the standard of care backbone. Even though the greatest magnitude of benefit in OS was observed among the cohort with a CPS ≥1 %, with a median OS 28.6 months versus 16.5 months (HR 0.60 [95 % CI, 0.49 to 0.74]), it is worth noting that the improvement in OS was maintained in a post-hoc analysis among the overall study population, with a median OS of 26.4 months versus 16.8 months (HR, 0.63 [95 % CI, 0.52 to 0.77]). The safety profile of the experimental arm was manageable, with a similar incidence of grade ≥3 adverse events among arms and less than 5 % discontinuation rate due to immune-related adverse events. In line with the previous trial, no increase in toxicity was observed among the population receiving concomitant bevacizumab.

BEATcc (11) is a randomized, open-label phase 3 trial which enrolled 410 patients to receive at least six cycles of platinum-based chemotherapy plus mandatory bevacizumab with or without atezolizumab, irrespective of their PD-L1 status. With a median follow-up of 33 months, the trial favored the experimental as the dual primary objectives progression-free survival (HR 0·62 [95 % CI 0·49–0·78]) and overall survival (HR 0·68 [95 % CI 0·52–0·88]) were statistically superior with the addition of Atezolizumab. Albeit from an interim analysis, the overall survival improvement was observed in spite of the better-than-expected performance of the standard arm as compared to historical data, with a median overall survival of 23 months versus 17·5 months in the GOG 240 study. Among key secondary endpoints such as overall response rates, the trial results were consistent and favored the experimental arm. The safety profile of the experimental arm was as expected, with a low incidence of treatment suspension due to immune-related adverse events or fistulae.

In the setting of progressive disease after platinum-containing systemic therapy, EMPOWER Cervical 1 (12) is an open-label, multicenter, phase 3 trial which compared the anti PD-1 checkpoint inhibitor cemiplimab against the investigator’s choice of standard chemotherapy, regardless of PD-L1 expression. Among 608 immunotherapy-naïve patients, cemiplimab was superior to chemotherapy in terms of OS, with a HR 0.69 (95 % CI 0.56 to 0.84). Median overall survival with cemiplimab was 12.0 months as compared to 8.5 months, and patients on the experimental arm benefited from superior objective response rates: 16.4 % versus 6.3 %. Furthermore, quality of life during treatment was superior with immunotherapy with regards to the standard arm (13).

In conclusion, immunotherapy constitutes a valuable and effective addition to the current standard of care in the management of advanced cervical cancer, either combined upfront to platinum-based chemotherapy in association with bevacizumab, or as a single agent in second line therapy after a platinum-backbone regimen.

Additional treatment options: Antibody-drug conjugates enter the stage

Antibody-drug conjugates (ADCs) have shown remarkable potential in the treatment of several cancers (14). Tisotumab vedotin (TV) is designed to target tissue factor (TF) and locally deliver its attached chemotherapy payload. Among cervical cancers, TF is expressed abnormally and is linked to a negative prognosis, indicating its potential as a therapeutic target. The toxicity profile of TV is manageable and mainly comprised of ocular toxicity (conjunctivitis, dry eye and reversible keratopathy), peripheral neuropathy and minor bleeding events.

In the relapsed setting, the phase III study InnovaTV-301 (15) compared this novel agent to investigator’s choice of chemotherapy after failure of first line treatment, including previous upfront quadruplet therapy with pembrolizumab in a third of the trial population. With 502 patients enrolled and a median follow-up of 10.8 months, treatment with TV resulted in a 30 % reduction in the risk of death as compared to chemotherapy (HR 0.70; [95 % CI 0.54-0.89)) with significantly longer median OS (11.5 months versus 9.5 months). Confirmed ORR was 17.8 % and 5.2 % in the TV and chemotherapy arms, respectively. Adverse events were consistent with its safety profile, with no new safety signals. Discontinuation due to toxicity was 5.6 % among all treatment arms.

These findings sparked the interest for a potential synergy between TV and other agents. The open-label, multicenter phase Ib/II InnovaTV-205 trial (16) explored TV in combination with either carboplatin, pembrolizumab, or bevacizumab in recurrent or metastatic cervical carcinoma patients deemed ineligible for standard treatments. The three doublets showed an ORR of 35 % and a duration of response of 14 months, results that constitute a noteworthy improvement as compared to historical results with single agent chemotherapy.

Another promising, tumor-agnostic strategy is targeting HER2 overexpression, which is present in approximately 5 % of advanced cervical cancer cases. DESTINY-PanTumor-02 (17) evaluated treatment with the ADC Trastuzumab-deruxtecan among a wide range of solid tumours, including cervical cancer in progression after at least one systemic treatment. It is worth noting that HER2 expression was defined according to the pathological standards for gastric cancer. The primary end point was investigator-assessed objective response rate (ORR). Among 40 cervical cancer patients, ORRs were 50.0 % for the whole cohort (95 % CI, 33.8 to 66.2), with a remarkable 75 % response rate in patients with the highest HER2 expression (IHC 3+). Median and 12-month PFS in this cohort was 7 months and 29 %, respectively. The observed safety profile was consistent with previous trials in other disease settings, including the incidence of interstitial lung disease.

Final Conclusions

After decades of limited advancements in the field of cervical cancer, we are finally entering a new era where more treatment options are available to improve the outcome of patients with cervical cancer, both in the locally advanced and metastatic settings. The identification of predictive biomarkers is needed to further improve patients’ selection and spare from unnecessary toxicities, patients who will not benefit from these agents.

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Esteban Ciliberti

Oncology Institute of Southern Switzerland (IOSI)
Ente Ospedaliero Cantonale (EOC)
6500 Bellinzona

Dr. med. Luca Formenti

Oncology Institute of Southern Switzerland (IOSI)
Ente Ospedaliero Cantonale (EOC)
6500 Bellinzona

Dr. med. Ilaria Colombo

Oncology Institute of Southern Switzerland (IOSI)
Ente Ospedaliero Cantonale (EOC)
6500 Bellinzona

Die Autor/-innen haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • In the treatment of locally advanced cervical cancer, the introduction of immunotherapy represents an emerging addition to the currently available standard approach.
  • Immunotherapy has shown to be a valuable addition in the recurrent or metastatic setting, either combined upfront with platinum-based chemotherapy and bevacizumab, or as a single agent in second line therapy after receiving a platinum-backbone regimen.
  • Antibody-drug conjugates (ADCs) against Tissue factor and HER2 show remarkable potential in the relapsed and metastatic setting, further adding to the evolving treatment landscape.

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