Stetiger Fortschritt durch Anpassung unserer Therapiealgorithmen
Prof. Dr. med. Christoph Renner
Der diesjährige 29. EHA Kongress fand vom 13. bis 16. Juni in Madrid und somit wieder in Spanien statt. Erfreulicherweise war erneut die Möglichkeit einer hybriden Teilnahme für die meisten Präsentationen gegeben, so dass ein Grossteil der Hämatologen/innen entweder virtuell oder vor Ort teilnehmen konnten. Die Vortragsräume waren in der Regel gut gefüllt und lebhafte Diskussionen wurden geführt. Die wissenschaftliche Qualität war auch dieses Jahr wieder erfreulicherweise hoch und ich erlaube mir, ein paar Höhepunkte aus dem Bereich der malignen Hämatologie passend zu dem in der Titelzeile genannten Motto hervorzuheben zu heben:
1. Die deutsche Hodgkin-Studiengruppe (GHSG) präsentiert fast jedes Jahr für den klinischen Alltag Therapie-relevante Ergebnisse ihrer international hoch beachteten Studien. Dieses Jahr war mit Spannung die finale Analyse der HD21-Studie erwartet worden. In dieser grossen, prospektiv randomisierten Phase-3-Studie war bei Patienten/innen mit fortgeschrittenem Hodgkin-Lymphom (cHL) die Frage gestellt worden, ob eine Therapie De-Eskalation, d.h. der Austausch von BEACOPP eskaliert durch BrECADD weiterhin ein exzellentes Therapieansprechen mit weniger Toxizität ermöglicht. Mit nun längerer Nachbeobachtungszeit konnte belegt werden, dass mit BrECADD nicht nur die Toxizität sinkt, sondern auch bisher unerreichte PFS- und OS-Daten zu erzielen sind. Zwei Drittel unserer in der Regel jungen cHL-Patienten/innen im fortgeschrittenen Stadium sind somit nach vier Therapiezyklen geheilt und weisen deutlich weniger Therapie-assoziierte Spätfolgen und hier insbesondere Infertilitäten auf.
2. In der Myelom-Behandlung sind nicht nur Erfolge durch den Einsatz immuntherapeutischer Verfahren wie bispezifischer Antikörper oder CAR-T Zell zu erzielen. Die vornehmlich von der französischen IFM-Studiengruppe geleitete Phase 3 IMROZ Studie konnte eindrücklich zeigen, dass auch herkömmliche Medikamente kombiniert als Vierfachtherapie (Daratumumab, Lenalidomid, Bortezomib, Dexamethason) bei älteren, d.h. sog. nicht-transplantationsfähigen Patienten/innen eine signifikante Verbesserung der Krankheitskontrolle und auch signifikante Verlängerung des PFS in der Ersttherapie erzielen kann. Damit gilt auch diese sogenannte Quadruple-Therapie in Zukunft bei fitten älteren Patienten/innen als Therapiestandard.
3. Zuletzt möchte ich noch kurz die ASC4FIRST Studie erwähnen. Auch hier wurde ein bestehender Therapiealgorithmus hinterfragt, da bisher Patienten/innen mit CML in chronischer Phase (CML CP) in der Regel einen Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) als Erstlinientherapie erhalten. Erst bei fortschreitender Krankheit respektive unzureichendem Ansprechen wird in dann auf eine neuere Substanzklasse wie Asciminib (Scemblix R) gewechselt. Die vorliegende Studie hat nun diesen Therapiealgorithmus hinterfragt und in der prospektiven, randomisierten Studie gezeigt, dass der Erstlinieneinsatz von Asciminib bezüglich Toxizität und Effektivität dem bisherigen Algorithmus, d.h. einer TKI-basierten Erstlinientherapie überlegen ist. Damit ist zu hoffen, dass rasch eine Zulassung und Verfügbarkeit für unsere Patienten/innen in der ersten Therapielinie erteilt wird und wir unser therapeutisches Vorgehen entsprechend anpassen können.
Ich hoffe, mit diesen aus meiner Sicht sehr relevanten Studien Ihr Interesse an dem EHA Kongress und somit auch dem vorliegenden Heft geweckt zu haben. Zudem wünsche ich Ihnen viel Spass bei der Lektüre und gehe davon aus, dass viele Kolleginnen und Kollegen am nächsten EHA Kongress 2025 in Mailand vor Ort sein werden.
Wir freuen uns, Sie zur Kongressausgabe ASCO 2024 willkommen zu heissen. Auch in diesem Jahr haben wir die Reise zum Kongress der American Society of Clinical Oncology in Chicago angetreten, um Ihnen die neuesten und spannendsten Forschungsergebnisse aus der Welt der Krebsforschung präsentieren zu können. Der diesjährige Kongress bot einmal mehr eine einmalige Möglichkeit zum Austausch von Wissen, Innovationen und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Experten aus aller Welt trafen zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsam neue Ansätze im Kampf gegen Krebs zu erkunden.
Es freut uns, dass wir vor Ort die Gelegenheit hatten, zahlreiche Interviews mit Schweizer Expertinnen und Experten zu führen. In dieser Ausgabe werden Interviews mit Prof. Reinhard Dummer, Prof. Markus Jörger, PD Dr. Michael Mark, Dr. Michael Schwitter, Dr. Sara Bastian und PD Dr. Alexander Siebenhühner präsentiert.
Des Weiteren sind auf unserer Homepage (Video-)Interviews zu den folgenden Themen bereitgestellt: Gastrointestinale Tumoren (PD Dr. med. Alexander Siebenhüner, Zürich), Urogenitale Tumoren (PD Dr. Ursula Vogl, Bellinzona), Thoraxmalignome (PD Dr. med. Michael Mark, Chur), Mammakarzinome (Dr. med. Michael Schwitter, Chur), gynäkologische Tumoren (Dr. med. Andreas Müller, Winterthur), Knochenmetastasen sowie Melanome (Prof. Dr. med. Olivier Michielin, Genf). Die Videos sind auf unserer Homepage sowie in unserer App abrufbar (www.medinfo-verlag.ch/news/news-infoonco-suisse/asco-2024-interviews-mit-schweizer-experten-aus-chicago/).
Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Vergnügen.
Prof. Dr. med. Roger von Moos & Eleonore E. Droux
Seit über 60 Jahren steht die Hämodialyse für Patientinnen und Patienten mit chronischem Nierenversagen zur Verfügung. Trotz der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieses lebensrettenden Verfahrens bleibt die Morbidität und Mortalität von chronischen Hämodialyse-Patienten mit terminalem Nierenversagen im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht. Den relevantesten Anteil an dieser Übersterblichkeit hat die deutlich erhöhte kardiovaskuläre Mortalität. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass intermittierende Hämodialyse-Behandlungen systemische Hypoperfusionsepisoden auslösen können, die zu langfristigen kardialen und systemischen Organschäden führen können und dadurch zur erhöhten Mortalität und Morbidität beitragen. Gleichzeitig deuten neue Daten darauf hin, dass eine verlängerte Dialysebehandlung, die Vermeidung der Hypervolämie, eine kardiovaskuläre Basismedikation und eine tiefe Temperatur des Dialysates Hypotonie-Episoden vermeiden und so einen protektiven Effekt haben können.
Haemodialysis has been available to patients with chronic kidney failure for over 60 years. Despite the continuous development of this life-saving procedure, the morbidity and mortality of chronic haemodialysis patients with end-stage renal failure remains higher than in the general population. The most relevant factor in this excess mortality is the significantly increased cardiovascular mortality. In recent years, it has been shown that intermittent haemodialysis treatments can trigger systemic hypoperfusion episodes, which can lead to long-term cardiac and systemic organ damage and thus contribute to increased mortality and morbidity. At the same time, new data suggest that prolonged dialysis treatment, avoidance of hypervolaemia, baseline cardiovascular medication and a low temperature of the dialysate can prevent hypotension episodes and thus have a protective effect. Key Words: haemodialysis, chronic kidney failure, systemic hypoperfusion episodes
Einleitung
Im März 1960 überlebte der 39-jährige US-Amerikaner Clyde Shields aus Seattle als weltweit erster Patient ein chronisches Nierenversagen dank der chronischen Hämodialyse. Dieser medizinische Durchbruch erlaubte es Shields weitere 11 Jahre zu leben, bis er während einer Dialysebehandlung an einem Myokardinfarkt verstarb. Sein Tod war der Auslöser für eine Überlebensanalyse der weltweit ersten 39 chronischen Hämodialyse-Patientinnen und Patienten, die 1974 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Innerhalb der ersten 13 Jahre (mittleres Follow-Up 6,5 Jahre, mittleres Alter 37 Jahre) zeigte sich eine Gesamtmortalität von 56 % mit einer Überrepräsentation kardiovaskulärer Todesfälle von 60 % (1). Knapp 50 Jahre nach dieser Publikation werden in der Schweiz aktuell ca. 4500 Patientinnen und Patienten (medianes Alter 71 Jahre) chronisch hämodialysiert (2). Europaweit sind es ungefähr 310’000 Patientinnen und Patienten (3).
Obwohl die Hämodialyse-assoziierte Übersterblichkeit in den letzten Jahren leicht gesunken ist (4), beträgt die Lebenserwartung eines 40-jährigen Hämodialyse-Patienten in Europa weniger als 20 Jahre und ist vergleichbar mit der Lebenserwartung eines ca. 75-Jährigen in der Allgemeinbevölkerung (3).
Die Gründe der Übersterblichkeit sind nur teilweise geklärt, den relevantesten Anteil stellt aber weiterhin die deutlich erhöhte kardiovaskuläre Mortalität (4). Die koronare Herzerkrankung scheint dabei allerdings nicht die Hauptursache für den Herztod bei chronischen Dialysepatienten zu sein, sondern die urämische Kardiomyopathie. Sie ist gekennzeichnet durch mediale Gefässkalzifikationen, erhöhte Gefässsteifigkeit, linksventrikuläre Hypertrophie, vermehrte interstitielle Fibrose und eine Rarefezierung kardialer Kapillaren (reviewed in (5)). Zusammen führen diese Veränderungen durch eine Abnahme des diastolischen Pulsdruckes, einem Myozyten/Kapillaren Missverhältnis und einer verlängerten Sauerstoffdiffusionsstrecke zu einer Neigung für Bedarfsischämien (Abb. 1).
Hämodynamische Effekte der Dialysebehandlung
Kurze, repetitive Hämodialyse-Behandlungen haben relevante hämodynamische Effekte. Eine Studie an 9 chronischen Hämodialyse-Pa-tientinnen und Patienten, von denen keiner einen vorhergehenden Myokardinfarkt oder klinische Anzeichen eines autonomen Versagens hatte, konnte zeigen, dass es während der Dialyse-Behandlung zu einem Blutdruckabfall von durchschnittlich 13 mmHg kam (6).
Eine ähnliche Studie mit 100 chronischen Hämodialyse-Patientinnen und Patienten ergab während ca. 20 % aller Dialyse-Behandlungen einen symptomatischen Blutdruckabfall über 20 mmHg systolisch, der eine pflegerische Intervention notwendig machte (7).
Aufgrund des Zusammenspiels dieser hämodynamischen Veränderungen und der kardialen Ischämieneigung besteht seit langem der Verdacht, dass repetitive Hämodialyse-Behandlungen eine Myokardischämie auslösen können (8).
Dialyse-induzierte kardiale Ischämie
Dieser Verdacht konnte durch eine H2150 PET-Studie, die den myokardialen Blutfluss mass, bestätigt werden. In einer Studie an 4 chronischen Hämodialyse Patienten zeigte sich, dass der globale myokardiale Blutfluss vor Beginn der Hämodialyse bei allen Patienten im normalen Bereich lag, während der Hämodialyse-Behandlung jedoch stark abnahm und sich über die Dialysedauer weiter verschlechterte. Eine koronare Herzerkrankung wurde im Vorfeld angiographisch ausgeschlossen. Am Ende der 4-stündigen Dialyse war der myokardiale Blutfluss in 90 % aller untersuchten Regionen reduziert und das Ausmass der Blutfluss Abnahme war mit dem Auftreten echokardiographischer Wandbewegungsstörungen assoziiert. Obwohl es nach der Dialyse zu einer Erholung des myokardialen Blutflusses kam, waren die Ausgangswerte auch 30 Minuten nach Beendigung der Hämodialyse-Behandlung noch nicht erreicht. Diese verlängerten Phasen von linksventrikulärer Dysfunktion sind als «myocardiales stunning» im Rahmen der koronaren Herzerkrankung gut bekannt und können langfristig zu einem irreversiblen Funktionsverlust und der Entwicklung einer Herzinsuffizienz beitragen. Weitere Arbeiten nutzten serielle intradialytische Echokardiographie, um die Häufigkeit des Hämodialyse-induzierten myokardialen Stunnings zu untersuchen. Dies wurde bewiesen durch das neue Auftreten und post-dialytische Verschwinden von regionalen Wandbewegungsstörungen und liess sich bei knapp 50 % aller Patientinnen und Patienten nachweisen (9, 10). Die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten eines dialyse-induzierten myokardialen Stunnings waren einerseits vorbestehende kardiale Erkrankungen (i.e. höherer Linksventrikulärer Masse Index, geringere linksventrikuläre Ejektionsfraktion) und andererseits das Auftreten von intradialytischen Blutdruckabfällen, sowie die Menge des Ultrafiltrationsvolumens.
Besonders auffällig war die prognostische Bedeutung des dialyse-induzierten myokardialen Stunning: Patientinnen und Patienten, die bei der ersten Untersuchung ein myokardiales Stunning zeigten hatten nach einem Jahr eine signifikant niedrigere linksventrikuläre Pumpfunktion in Ruhe, eine zunehmende Ausdehnung der dialyse-induzierten Wandbewegungsstörungen und eine deutlich höhere Mortalität verglichen mit Patienten ohne myokardiales Stunning bei Studieneinschluss (9,10). Eindrücklicherweise hatten Patientinnen und Patienten ohne Zeichen eines dialyse-induzierten myokardialen Stunning ein 100 % Überleben in der 1-jährigen Nachbeobachtungszeit (9, 10).
Die hämodynamischen Effekte der Hämodialyse-Behandlung haben nicht nur kardiale, sondern auch systemische Auswirkungen.
Systemische Effekte der chronischen Hämodialyse
Eine Studie, die die renale Perfusion bei 29 chronischen Hämodialyse Patienten mittels CT-Perfusions-Studien vor, während und nach einer Hämodialyse-Behandlung untersuchte, konnte nachweisen, dass die renale Perfusion während der Dialyse Behandlung um 18 % abfiel und mit der Diureseabnahme nach Beginn der chronischen Hämodialyse assoziiert ist. Dabei ist die Restdiurese nach Dialysebeginn mit einer besseren Kontrolle von Serumphosphat, Hypervolämie, Bluthochdruck und sogar einem verbesserten Überleben verbunden. Der systemische hämodynamische Effekt der Dialyse-Behandlung wurde durch eine hohe Ko-Okkurrenz von myokardialen Stunning und reduzierter renaler Perfusion bestätigt (11). Erste Untersuchungen deuten sogar auf eine Umverteilung der hepatischen Perfusion mit negativem Einfluss auf die Leberfunktion und eine erhöhte Endotoxinfreisetzung während einer Hämodialyse-Behandlung hin (12).
Selbst die zerebrale Durchblutung wird durch die hämodynamischen Effekte der Hämodialyse beeinflusst. In MRI-Studien mit chronischen Hämodialyse-Patientinnen und Patienten konnte im Vergleich zu Kontrollpatienten eine diffuse Schädigung der weissen Hirnsubstanz nachgewiesen werden, die mit schlechteren Werten in neurokognitiven Tests korrelierten (13). In einem Beobachtungsverlauf von 12 Monaten kam es bei den Hämodialyse-Patientinnen und Patienten zu einer Zunahme der zerebralen Läsionen, wobei der Schweregrad der zerebralen Schädigung mit dem Ausmass der hämodynamischen Instabilität an der Hämodialyse zusammenhing (14).
Zusammenfassend ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass Hämodialyse-Behandlungen eine erhebliche, wiederkehrende Kreislaufbelastung auslösen, die in vulnerablen Gefässbetten zu Hypoperfusionsepisoden führen kann und langfristig zu relevanten Organschäden führt. Interventionen mit dem Ziel, die erhöhte Mortalität und die organspezifischen Langzeitfolgen einer Dialysebehandlung zu senken, sollten daher primär versuchen, die dialyse-induzierte Kreislaufbelastung zu reduzieren.
Therapeutische Möglichkeiten zur Reduktion der Dialyse-induzierten Hypoperfusion
Eine der bestuntersuchten Interventionen zur Reduktion der dialyse-assoziierten Kreislaufbelastung ist die Senkung der Dialysat-Temperatur unter die Körpertemperatur, die im Vergleich zu einer Dialysat-Temperatur von 37.5°C die Häufigkeit intradialytischer Blutdruckabfälle, das Auftreten von dialyse-induzierten myokardialen Wandbewegungen und dialyse-assoziierter Schädigungen der weissen Hirnsubstanz signifikant reduzieren konnte (14–16). Es wird angenommen, dass diese positiven Effekte einer niedrigeren Dialysat-Temperatur hauptsächlich auf einen verbesserten Gefässwiderstand zurückzuführen sind.
Eine weitere Massnahme zur Vermeidung der Dialyse-assoziierten Kreislaufbelastung ist das Verhindern einer chronischen Hypervolämie bei Dialyse-Patientinnen und Patienten.
So konnte zum Beispiel eine Interventionsstudie mit 120 chronischen Dialysepatienten nachweisen, dass eine verbesserte Volämiebeurteilung durch den zusätzlichen Einsatz einer Bioimpedance-Messung im Vergleich zu einer rein klinischen Volumenbeurteilung innerhalb einer 12-monatigen Verlaufsbeurteilung zu einer Reduktion der prä- und postdialytischen Hypervolämie, der linksventrikulären Hypertrophie und des systolischen Blutdrucks bei einer geringeren Anzahl notwendiger Blutdruckmedikamente erreicht werden kann (17). Allerdings war nach 12 Monaten der Anteil anurischer Patienten in der Interventionsgruppe höher als in der Standardgruppe. Die bessere prädialytische Volumenkontrolle hat bei gleichbleibender Dauer einer Dialyse-Behandlung einen direkten positiven Einfluss auf den notwendigen Flüssigkeitsentzug (Ultrafiltrationsmenge) während der nachfolgenden Dialyse-Behandlung. Dies ist von Bedeutung, da die Menge des Flüssigkeitsentzugs nicht nur ein wichtiger Risikofaktor für Dialyse-assoziierte Hypotonie und kardiale Wandbewegungsstörungen ist, sondern grosse Entzugsmengen auch mit einer Übersterblichkeit einhergehen (18).
Die Dialyse-assoziierte Kreislaufbelastung kann zusätzlich durch eine Reduktion der Entzugsgeschwindigkeit (Ultrafiltrationsrate) positiv beeinflusst werden. Die kann neben einer Reduktion der Gewichtszunahme zwischen zwei Dialyse-Behandlungen auch durch die Dauer einer Dialyse-Behandlung beeinflusst werden. Insbesondere sehr kurze Dialyse-Behandlungen unter 3h, die eine hohe Ultrafiltrationsrate zur Erhaltung der Euvolämie benötigen, sind mit einer Übersterblichkeit verbunden (18).
Gleichzeitig konnte eine Reihe von nicht-randomisierten Studien zeigen, dass eine verlängerte wöchentliche Dialyse-Dauer (nächtliche Dialyse oder häufigere Dialyse-Behandlungen) mit einer verbesserten Lebensqualität, einer verbesserten Blutdruck- und Phosphat-Kontrolle und sogar einer Reduktion der linksventrikulären Hypertrophie verbunden war (19, 20).
Diese Ergebnisse wurden allesamt in der randomisierten Frequent Hemodialysis Network Study bestätigt, welche 245 Patienten in eine Standardgruppe mit dreimal wöchentlicher Dialyse oder eine Gruppe mit kürzerer, sechsmal wöchentlicher Dialyse, (insgesamt zwei Stunden längere wöchentliche Dialysedauer) randomisierte (21).
In der verlängerten Studienbeobachtung zeigte sich sogar, dass die durch die verlängerte Dialyse-Dauer erzielten positiven kardiovaskulären Veränderungen auch nach dem Wechsel auf eine dreimal wöchentliche Standarddialyse zu einer signifikanten Mortalitätssenkung führten (22).
Last but not least, erscheint eine gute kardiovaskuläre Basis-Therapie mit RAAS-inhibierenden Medikamenten und Aldosteronantagonisten nach neuesten Daten der Cochrane Library und der internationalen Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study (DOPPS) nicht nur nicht schädlich zu sein, sondern sogar eine moderate Mortalitätsreduktion zu ermöglichen (23, 24).
-Cardiovascular Research Institute,
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 2
4056 Basel
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Die chronische Hämodialyse ermöglicht das Überleben von Patientinnen und Patienten mit einem terminalen Nierenversagen.
◆ Patientinnen und Patienten, die auf eine chronische Hämodialyse angewiesen sind, haben eine deutlich erhöhte Mortalität.
◆ In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass kurze, intermittierende Hämodialyse-Behandlungen zu einer systemischen Hypoperfusion führen können.
◆ Diese Hypoperfusions-Phasen führen direkt zu Organschäden (e.g. kardiale Wandbewegungstörungen, zerebrale Schäden der weissen Substanz, renale Hypoperfusion) und tragen langfristig durch irreversiblen Funktionsverlust zur hohen Morbidität und Mortalität der Dialyse-Patientinnen und -Patienten bei.
◆ Eine gute kardiovaskuläre Basismedikation, das Vermeiden einer Hypervolämie und eine Dialyse-Behandlung mit gekühltem Dialysat tragen zu einer Reduktion dieser Hypoperfusion-Phasen bei.
◆ Eine verlängerte wöchentliche Dialyse-Dauer steigert die Lebensqualität, reduziert die kardiovaskuläre Belastung der Dialyse-Behandlung und ist mit einem verlängerten Überleben assoziiert. Patientenwunsch, ärztliche Präferenz, sowie organisatorische und abrechnungstechnische Probleme verhindern einen breiteren Einsatz dieser Methode.
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21. Group FHNT, Chertow GM, Levin NW, Beck GJ, Depner TA, Eggers PW, Gassman JJ, Gorodetskaya I, Greene T, James S, Larive B, Lindsay RM, Mehta RL, Miller B, Ornt DB, Rajagopalan S, Rastogi A, Rocco MV, Schiller B, Sergeyeva O, Schulman G, Ting GO, Unruh ML, Star RA and Kliger AS. In-center hemodialysis six times per week versus three times per week. N Engl J Med. 2010;363:2287-300.
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23. Karaboyas A, Xu H, Morgenstern H, Locatelli F, Jadoul M, Nitta K, Dasgupta I, Tentori F, Port FK and Robinson BM. DOPPS data suggest a possible survival benefit of renin angiotensin-aldosterone system inhibitors and other antihypertensive medications for hemodialysis patients. Kidney Int. 2018;94:589-598.
24. Hasegawa T, Nishiwaki H, Ota E, Levack WMM, Noma H.Aldosterone antagonists for people with chronic kidney disease requiring dialysis.Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 2. Art. No.: CD013109.
La Médecine Intégrative associe les meilleurs soins de la médecine scientifique occidentale à ceux des approches complémentaires ou Interventions Non Médicamenteuses (INM), dans le but de maintenir la santé et d’ améliorer le bien-être, en intégrant toutes les dimensions de la vie. C’ est ce qui en fait son intérêt dans le syndrome multidimensionnel qu’ est la douleur. Pour cela il est nécessaire d’ innover en allant au-delà de la médecine conventionnelle, par les thérapies énergétiques et spirituelles. Cette approche apparaît d’ autant plus évidente en gériatrie. En parallèle de ces champs de prospection, l’ information/formation des soignants médicaux et paramédicaux à cette autre dimension du soin est primordiale.
Integrative Medicine combines the best care of Western scientific medicine with complementary approaches or Non-Pharmacological Interventions (NPI), with the aim of maintaining health and improving well-being, by integrating all the dimensions of life. This is what makes it so interesting in the multidimensional syndrome of pain. Yet we need to innovate by moving beyond conventional medicine towards energetic and spiritual therapies. This approach is even more obvious in geriatrics. Alongside these fields of exploration, it is vital to inform and train medical and paramedical staff in this other dimension of care. Key Words: Integrative Medicine, Non-Pharmacological Interventions (NPI), pain, paramedical care
Antalgie intégrative
«Lorsque l’ on parle de médecine intégrative, on parle entre autres de combiner les meilleurs soins de la médecine scientifique occidentale à ceux des médecines alternatives et complémentaires (MAC) dans le but de maintenir la santé et d’ améliorer le bien-être» (1).
La médecine occidentale conventionnelle a une orientation curative: elle traite des maladies une fois qu’ elles se présentent. La médecine complémentaire vise le maintien de l’ état de bonne santé, en favorisant des changements de mode de vie importants et durables dans le comportement des patients. Ainsi, bien que les deux approches «partagent les mêmes objectifs philosophiques», elles ont des orientations temporelles différentes (2). C’ est ce qui fait la richesse de leur association dans l’ antalgie intégrative. Dans les années 80, les traitements naturels de la douleur sont répertoriés dans un livre sous la plume de José Lefort, diplômé de l’ Institut de Psychosomatique Naturelle de Lausanne, et du Dr André Passebecq, chargé d’ enseignement de naturopathie à la faculté de médecine de Paris-XIIIème (Fig. 1). L’ intérêt présenté par l’ auteur dans l’ utilisation de ces méthodes naturelles (en dehors de l’ efficacité) tient dans le titre: «Traitements naturels de la douleur: les méthodes analgésiques naturelles et orthobiologiques pour vaincre la douleur physique sans dépendance ni toxicité» (3). Sur le moteur de recherche PubMed, on atteint le chiffre de 4443 résultats en inscrivant «Pain and integrative medicine». Le nombre d’ articles publiés à l’ année sur ce thème ne cesse d’ augmenter, passant de moins de 100 en 2012 à plus de 600 en 2022. C’ est dire la place qu’ occupent les Interventions Non Médicamenteuses (INM) dans la gestion de la douleur. La raison en découle de la définition même du syndrome douloureux chronique.
Pour rappel, la douleur chronique est un syndrome multidimensionnel caractérisé par sa persistance ou récurrence, une réponse insuffisante au traitement, et une détérioration significative et progressive, du fait de la douleur, des capacités fonctionnelles et relationnelles du patient dans ses activités de la vie journalière, au domicile comme à l’ école ou au travail. Les répercussions émotionnelles de la douleur sont aussi préjudiciables que les répercussions physiques (4). La douleur est donc à l’ intersection d’ une sommation de problèmes: somatiques (lésion organique réelle ou virtuelle), psychologiques (personnalité, histoire et culture de la personne), événementiels (traumatismes débordant les défenses) et environnementaux (familial, professionnel, social) (5). (Fig. 2)
Extrêmement répandue chez les personnes âgées, la douleur chronique est associée à une morbidité importante (mobilité limitée, isolement social et dépression). Le Dr J. Schwann (université de Stanford, USA) a mis en lumière l’ importance d’ accorder chez les personnes âgées douloureuses une attention particulière aux considérations propres au vieillissement, notamment les altérations du métabolisme des médicaments et l’ évitement de la polypharmacie (6).
Il est donc logique de conclure que seule une approche thérapeutique multidisciplinaire incluant des thérapeutiques non invasives et non iatrogènes, permet de répondre à la complexité de la douleur chronique ainsi qu’ à la spécificité gériatrique. Ce que démontre M. Besson dans un article présentant trois applications de ce concept en Suisse, à travers l’ action du réseau douleur des hôpitaux universitaires de Genève (HUG) qui met l’ accent sur la synergie entre diverses professions et entre les services pour améliorer la prise en compte de la douleur au sein de l’ institution (7).
La médecine intégrative, par la diversité et la complémentarité des thérapies qu’ elle regroupe, répond à cette demande grâce à l’ adjonction des INM aux soins conventionnels (traitements chimiques, chirurgicaux et psychologiques). Elle réadapte au monde actuel le concept de la médecine hippocratique, en intégrant toutes les dimensions de la vie: l’ environnement, le corps physique, la psyché, le mental et le spirituel, comme résumé dans le modèle d’ antalgie intégrative présenté par N. Zurron et C. Berna (8) (Fig. 3). La Plateforme universitaire CEPS (Montpellier, France) répartit les INM en 5 catégories (Fig. 4) et propose un modèle d’ évaluation scientifique adaptée aux INM qui peuvent alors faire l’ objet d’ études d’ efficacité et de leur impact sur des indicateurs de santé, de qualité de vie, comportementaux et socio-économiques (9). Les INM les plus citées en antalgie intégrative comprennent la médecine traditionnelle chinoise; les activités physiques telles que le yoga, la QI Gong et le Taï Chi, le Pilates; les thérapies nutritionnelles (jeûnes, compléments alimentaires); les thérapies manuelles (ostéopathie, massages, etc); les thérapies cognitivo-comportementales (TCC), l’ hypnose et la méditation, des programmes d’ éducation thérapeutique, des médications naturelles (homéopathie, phytothérapie, aromathérapie, etc).
Les patients revendiquent aussi de plus en plus l’ accès à ces pratiques dans leur parcours de soins conventionnels. Plus de 100 millions d’ européens en utilisent. En France, 68 % des Français sont convaincus des bienfaits des MAC jugées plus naturelles (90 %) et moins nocives pour l’ organisme (88 %), contre 56 % des médecins (deux tiers des professionnels de santé disent n’ avoir jamais suivi de formation sur les MAC) (10).
De plus en plus d’ études cliniques valident l’ effet thérapeutique et l’ innocuité de thérapies jusqu’ alors reléguées au rang «d’ ésotériques». Ces INM sont de plus en plus recommandées par les autorités de santé nationales et supranationales, prescrites par les médecins, intégrées dans les parcours de soins et remboursées par des assurances et des mutuelles.
Pour une vision globale un changement de paradigme est nécessaire
Malgré ce développement croissant, il est nécessaire d’ étoffer les propositions thérapeutiques antalgiques en s’ ouvrant à d’ autres médecines reposant sur un paradigme autre que la physique matérialiste. Nombreuses d’ entre elles sont en cours d’ évaluation clinique suivant par un processus d’ observation et d’ expérimentation avant toute application et intégration, comme les thérapies fréquentielles instrumentales. Nous pouvons en citer quelques exemples.
En rhumatologie, la photobiomodulation (PBM) (thérapie par laser basse intensité et champ électromagnétique pulsé) révèle ses effets bénéfiques sur les douleurs articulaires du genou (11). Au CH de Valenciennes (France), le Dr Antoine Lemaire a validé son intérêt dans la prise en charge des douleurs polymorphes chez le cancéreux, où elle agit directement sur les mécanismes responsables de la douleur, sans effet secondaire et sans interaction avec les autres traitements (12). Les traitements par champs magnétiques pulsés (PMF) suscitent un intérêt croissant en tant qu’ approche thérapeutique pour plusieurs maladies neuronales. Les résultats rapportés représentent un choix thérapeutique alternatif prometteur pour la gestion de la douleur neuropathique, grâce à ses actions anti-hyperglycémique, anti-inflammatoire, anti-hyperalgésique, anti-allodynique et neuro-immunomodulatrice (13).
En soins palliatifs, il est reconnu que la spiritualité permet aux patients d’ atteindre une plus grande conscience de soi et de répondre à leurs besoins spirituels sans les connotations religieuses, dont le soulagement de la douleur (physique et spirituelle) et d’ autres symptômes (14) (15). Il existe de plus en plus de preuves en faveur de l’ inclusion des facteurs spirituels en tant que composante importante de l’ évaluation et du traitement de la douleur (16). Dans l’ étude réalisée par L. Balducci, la perspective spirituelle a été associée, entre autres, à une meilleure tolérance au stress physique et émotionnel, et a contribué à la détection et à la gestion de la douleur spirituelle. La spiritualité a également amélioré la qualité de vie et réduit le risque de maladie et de décès pour l’ aidant du patient. (17).
D’ autres pistes à explorer? Les sciences physiques au service de la médecine
Afin de pouvoir offrir d’ autres perspectives aux patients douloureux chroniques, peut-être faut-il chercher des pistes du côté de la physique ondulatoire? L’ évolution des sciences physiques depuis l’ énonciation de la théorie relativiste (Albert Einstein) ouvre une approche scientifique des thérapies énergétiques et des expériences spirituelles. Selon les récentes découvertes en physique du rayonnement appliquée à la biologie, l’ être humain est considéré comme un champ électromagnétique complexe, un système organisé de connections fréquentielles et d’ organes qui interagissent entre eux par l’ intermédiaire d’ émissions biophotoniques (18).
C’ est le Pr Fritz Albert Popp†, biophysicien allemand de l’ université de Marburg, fondateur de «l’ Institut International de Biophysique» (IIB) à Neuss (Allemagne), qui démontra l’ existence des biophotons qui sont des photons de lumière dans la gamme des ultraviolets et de la faible lumière visible qui sont générés (et émis) par un système biologique (19). Une coopération franco-suisse (Université Paris 6ème et Institut Tropicale Suisse de Bâle) réalisa en 2009 une étude qui suggéra leur implication dans une communication cellulaire différente d’ un système basé sur les molécules et les récepteurs (20). Le Pr Popp a démontré que l’ ADN des cellules vivantes stocke et libère des photons créant des «émissions biophotoniques» qui pourraient être la solution à la maladie et à la santé (21). De fait, l’ émission de biophotons (EBP) fait référence au phénomène d’ émission constante et spontanée de lumière de tous les systèmes biologiques, y compris les humains, en raison d’ activités métabolique, sans excitation ni amélioration (22) (23).
L’ effet des thérapies électromagnétiques instrumentales et autres pourrait s’ expliquer par ce modèle de communication photonique de tout organisme vivant (cellule, tissu, organe, humain). En 2013 une revue de la littérature effectuée par le laboratoire de recherche biomédicale de l’ Université de Zurich conclut que la recherche sur les principes de la communication intercellulaire non chimique et sans contact a le potentiel d’ offrir de nouvelles perspectives fondamentales sur les processus biologiques, et donc sur les traitements (24).
Conclusion
Dans la pratique multidisciplinaire du traitement de la douleur chronique, l’ ensemble des protagonistes doit avoir connaissance des pratiques de chacun. Cette information – formation de base permet la compréhension et l’ acceptation d’ une thérapie qui nous est étrangère. Le constat de la carence en dimensions humaines autres que matérialiste dans la prise en charge de la douleur et du soin conventionnel en général sera palliée en considérant les structures électromagnétique et spirituelle de l’ être tout aussi importantes que le corps physique, autant dans la formation que dans la pratique professionnelle. Parallèlement au développement technologique des thérapeutiques analgésiques instrumentales et médicamenteuses, cette ouverture est un préalable indispensable à l’ évolution thérapeutique de la prise en charge des patients douloureux chroniques, plus particulièrement pour celles et ceux qui sont à l’ automne de leur vie.
A ce jour, la recherche clinique sur les possibilités thérapeutiques qu’ ouvre la dimension électromagnétique de l’ être humain est très peu documentée. De ce fait, il est normal que les institutions médicales restent prudentes quant à leur utilisation. Des études expérimentales en laboratoire, d’ imagerie des échanges biophotoniques et bien entendu des évaluations cliniques, sont plus que nécessaires pour mieux cerner les indications d’ utilisation de ces thérapies en antalgie intégrative.
Qu’ elle se fasse par la voie scientifique de la physique du vide et/ou par la voie philosophique de la spiritualité, cette ouverture transformera l’ approche du syndrome douloureux qui pourra peut-être devenir le guide menant soignants et patients vers une libération du corps et une reconnexion de l’ âme.
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Dr Olivier Abossolo
Médecin Anesthésiste Réanimateur
Département Douleur,
Psychosomatique, Maladie Fonctionnelle
PHU Cliniques Médicales,
Hôpital St Éloi, CHU Montpellier
80 avenue Augustin Fliche
34295 Montpellier Cedex 5
France
L’ auteur a déclaré aucun intérêt avec un organisme privé industriel ou commercial en relation avec le sujet traité.
La Médecine Intégrative consiste en l’ association des Interventions Non Médicamenteuses (INM) aux soins conventionnels. Elle est de plus en plus appliquée dans le traitement de la douleur chronique. Son évolution à court terme pourrait passer par l’ ouverture aux thérapies énergétiques et spirituelles pour gagner en efficience.
1. Organisation Mondiale de la Santé. 2000. «Médecine traditionnelle: définition». In «Principes méthodologiques généraux pour la recherche et l’ évaluation de la médecine traditionnelle».
2. McEwen, Laurel. «La médecine intégrative aux États-Unis et en France», Hegel, vol. 1, no. 1, 2020, pp. 52-57.
3. J. Lefort. Traitements naturels de la douleur. Les méthodes analgésiques naturelles et orthobiologiques pour vaincre la douleur physique sans dépendance ni toxicité. Editions Dangles. 1984.
4. Haute Autorité de Santé (HAS). Douleur chronique: reconnaître le syndrome douloureux chronique, l’ évaluer et orienter le patient. Consensus formalisé. 2008
5. https://www.prevention-sante.eu/actus/medecine-integrative-medecine-futur
6. Schwan J, Sclafani J, Tawfik VL. Chronic Pain Management in the Elderly. Anesthesiol Clin. 2019 Sep;37(3):547-560. doi: 10.1016/j.anclin.2019.04.012. Epub 2019 Jun 18. PMID: 31337484; PMCID: PMC6658091.
7. Besson, M., Rentsch, D., Luthy, C. et al. La multidisciplinarité, une réponse à la complexité. Exemples d’ application en Suisse. Douleur analg 25, 200–205 (2012). https://doi.org/10.1007/s11724-012-0310-z
8. N. Zurrron, C. Berna. Rev Med Suisse 2019; 15: 1259-65.
9. Ninot, Grégory. «Intervention non-médicamenteuse INM: un concept pour lever les ambiguïtés sur les médecines douces et complémentaires», Hegel, vol. 1, no. 1, 2018, pp. 2-3.
10. Sondage réalisé pour Orange, Nehs (actionnaire du «Quotidien»), Asip Santé, Sciences Po, le Figaro santé et France Inter, auprès d’ un échantillon de 290 médecins (76 généralistes, 166 spécialistes et 48 internes) interrogés par Internet du 26 décembre 2018 au 20 janvier 2019, et d’ un échantillon de 995 Français représentatif de la population française, interrogés par Internet les 19 et 20 décembre 2018.
11. E. Leal Junior, D. Scott Johnson. Adjunctive use of combination of super-pulsed laserand light-emitting diodes phototherapy on nonspecific knee pain: double-blinded randomized placebo-controlled trial. Lasers Med Sci (2014) 29:1839–1847 DOI 10.1007/s10103-014-1592-6
12. Lemaire, Antoine. (2023). Photobiomodulation: intérêt et perspectives dans la douleur multimorphe du cancer. 10.13140/RG.2.2.33862.86082.
13. Mert T. Pulsed magnetic field treatment as antineuropathic pain therapy. Rev Neurosci. 2017 Oct 26;28(7):751-758. doi: 10.1515/revneuro-2017-0003. PMID: 28599399.
14. Steinhorn DM, Din J, Johnson A. Healing, spirituality and integrative medicine. Ann Palliat Med. 2017 Jul;6(3):237-247. doi: 10.21037/apm.2017.05.01. Epub 2017 May 22. PMID: 28595441.
15. Evangelista CB, Lopes ME, Costa SF, Batista PS, Batista JB, Oliveira AM. Palliative care and spirituality: an integrative literature review. Rev Bras Enferm. 2016 Jun;69(3):591-601. English, Portuguese. doi: 10.1590/0034-7167.2016690324i. PMID: 27355311.
16. Siddall PJ, Lovell M, MacLeod R. Spirituality: what is its role in pain medicine? Pain Med. 2015 Jan;16(1):51-60. doi: 10.1111/pme.12511. Epub 2014 Aug 26. PMID: 25159525.
17. Balducci L. Geriatric Oncology, Spirituality, and Palliative Care. J Pain Symptom Manage. 2019 Jan;57(1):171-175. doi: 10.1016/j.jpainsymman.2018.05.009. Epub 2018 Jun 19. PMID: 29772281.
18. Brizhik, Larissa & Del Giudice, Ennio & Popp, F.-A & Maric-Oehler, W & Schlebusch, K.-P. (2009). On the Dynamics of Self-Organization in Living Organisms. Electromagnetic biology and medicine. 28. 28-40. 10.1080/15368370802708272.
19. Popp, Fritz-Albert. (2003). Properties of biophotons and their theoretical implications. Indian journal of experimental biology. 41. 391-402.
20. Fels D. Cellular communication through light. PLoS One. 2009;4(4):e5086. doi: 10.1371/journal.pone.0005086. Epub 2009 Apr 1. Erratum in: PLoS One. 2009;4(7). doi: 10.1371/annotation/8d99ccc5-cc76-44f4-b468-d63e42e0b9e1. PMID: 19340303; PMCID: PMC2660427.
21. Popp, FA & Nagl, W & Li, K & Scholz, W & Weingärtner, Otto & Wolf, R. (1984). Biophoton emission – New evidence for coherence and DNA as source. Cell biophysics. 6. 33-52. 10.1007/BF02788579.
22. Popp, FA & Zhang, JZ. (2000). Mechanism of interaction between electromagnetic fields and living organisms. Science in China Series C Life Sciences. 43. 507-518.
23. Popp, Fritz-Albert. (1986). On the Coherence of Ultraweak Photonemission from Living Tissues. Disequilibrium and Self-Organization. 207-230. 10.1007/978-94-009-4718-4_16.
24. Scholkmann F, Fels D, Cifra M. Non-chemical and non-contact cell-to-cell communication: a short review. Am J Transl Res. 2013 Sep 25;5(6):586-93. PMID: 24093056; PMCID: PMC3786266.
Der Philosoph Ludwig Feuerbach verdichtete mit diesem Satz seine Kritik an der überhöhten Stellung der Seele und des Geistes als Wesensmerkmal des Menschen. Feuerbach definiert das Menschsein über den Körper und der damit verbundenen Sinnlichkeit. «Der Leib ist die Existenz des Menschen.» Für ihn gibt es ohne Ernährung kein Denken, kein Wohlergehen, und keine Moral: «Die Diät ist die Basis der Weisheit und Tugend …. Wollt ihr das Volk bessern, so gebt ihm bessere Speisen. Der Mensch ist, was er isst.» Schon 100 Jahre vorher hatte Immanuel Kant in seiner Tugendlehre die Selbsterhaltung durch gesundes Essen zur moralischen Pflicht erklärt.
Ganz in diesem Sinne strebt die Biopolitik der westlichen Regierungen an durch Vorschriften zur Nahrung und durch Erziehung der Bevölkerung die Volksgesundheit zu verbessern. Krankheiten wie Diabetes, Arteriosklerose, Krebserkrankungen sollen eingedämmt werden. Diesem Ziel kann nicht ernsthaft widersprochen werden. Aber es stellt sich die Frage, wie es am besten erreicht werden kann. Denn was ist «gesundes», was «besseres» Essen? Ist es einfach wenig Zucker, wenig Salz, wenig Fett, viel Gemüse? Das sind die Makronährstoffe. Was ist die richtige Menge an Mikronährstoffen (Vitamine, Spurenelemente, essentielle Aminosäuren)? Wie müssen wir neue Entwicklungen, wie genetisch veränderte Lebensmittel, Metabolomik, Proteomik, Nahrungszusätze, Ernährungsmedizin (culinary medicine), Erkenntnisse der Interaktion von Darmflora und Essen, für die gesunde Ernährung berücksichtigen? Ernährungsstudien sind schwierig durchzuführen und gute Evidenz ist eher spärlich. Studien wären aber wichtig, weil Empfehlungen basierend auf pathophysiologischen Überlegungen nicht genügen. So haben wir früher, überzeugt von ihrem Nutzen, die Diabetes Diät beim Diabetes und die cholesterinarme Diät bei der Hypercholesterinämie verordnet. Beide Massnahmen hatten wenig Effekt und sind inzwischen verschwunden. Nichtsdestotrotz entstand nun eine Bewegung «Food-is-Medicine». Soll dieses Konzept Erfolg haben, dann muss noch viel Wissen erarbeitet werden. Denn Nahrung ist kein Medikament. Beim Medikament wird die exakte Dosis eines Wirkstoffs eingenommen. Bei der Nahrung ist nicht nur der «Wirkstoff» nicht dosierbar, sondern die Zubereitung und Einnahme ist abhängig von den Vorlieben, Gewohnheiten, kulturellen Bräuchen und von religiösen und sozialen Regeln und Geboten. Eine erste grosse Studie, die das Konzept «Food-is-Medicine» prüfte ist denn auch kläglich gescheitert (1). In der Studie wurden Patienten mit Diabetes Typ II während sechs Monaten mit ausgewählten Nahrungsmitteln versorgt und von Ernährungsberatern eng betreut. Verglichen mit der Kontrollgruppe hat die aufwändige Intervention nicht nur den Diabetes nicht verbessert, sondern das Körpergewicht der behandelten Patienten nahm zu statt ab. Ein Defizit an zuverlässigem Wissen bei den Ernährungsexperten wurde offensichtlich. Das New England Journal of Medicine will unser Wissen bezüglich der Effekte von Diätinterventionen stärken, oder besser unser Unwissen senken, und vermehrt Arbeiten zu diesem Thema veröffentlichen (2). Die Herausgeber weisen darauf hin, dass für eine korrekte Ernährung viele Aspekte berücksichtigt werden müssen. Zum einen ändern die Bedürfnisse im Laufe des Lebens. Die optimale Ernährung für Kinder, Schwangere und betagte Menschen unterscheidet sich substantiell. Zudem verlangen eine Vielzahl von Krankheiten, wie Polymorbidität, Lebensmittelunverträglichkeiten, entzündliche Darmerkrankungen, Betreuung nach bariatrischer Operation eine spezielle Ernährung. Im Lichte dieser offensichtlichen Komplexität scheint der gegenwärtige Ansatz einer vom Staat vorgeschriebenen Anpassung der Nahrungszusammensetzung (z. B. eidgenössische Salzinitiative) nicht sinnvoll. Bei fehlender guter Evidenz der Auswirkung auf die gesamte Bevölkerung kann damit mehr Schaden als Nutzen entstehen.
Zum Schluss sei noch einmal an die Feuerbach’sche Sinnlichkeit als Wesensmerkmal des Menschen erinnert. Ein feines Essen ist wohltuend für die seelische und körperliche Gesundheit. Massvoller Genuss ist sinnvoll und nicht verboten.
Prof. Dr. med. Franz Eberli
1. JAMA Intern Med. 2024;184(2):154-163. 2. New Engl J Med 2024;390(14):1324-25
Prof. Dr. med. Franz R. Eberli
Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
Prognose nach Reparatur der Mitralklappe bei schwerer Mitralinsuffizienz
Die europäischen und die amerikanischen Richtlinien empfehlen eine Reparatur der Mitralklappe, wenn infolge einer schweren Mitralinsuffizienz das endsystolische Volumen auf >40 mm angestiegen oder die linksventrikuläre Auswurffraktion (EF) unter 60 % abgesunken ist. Eine grosse Registerstudie hat nun gezeigt, dass Frauen bei diesen Grenzwerten mehr Symptome, mehr Komorbiditäten (z.B. Vorhofflimmern) und eine höhere Mortalität haben (1). Die indexierte LV-Dimension (LVESDi) zum Operationszeitpunkt war bei den Frauen grösser. Je grösser der LV und je tiefer die EF, umso höher war die Mortalität der Frauen verglichen mit den Männern.
Diese Daten sprechen für eine tendenziell frühere operative Sanierung der Mitralklappe bei den Frauen. Wünschenswert wären auch geschlechtsspezifische Richtlinien für die Operationsindikation bei der Mitralklappe. Bei der Erarbeitung der Daten könnten idealerweise auch neue volumetrische Masse aus CT- oder MR-Untersuchungen, statt nur der eindimensionale LV end-systolische Diameter, berücksichtigt werden (2).
Progression und Prognose bei leichter und mittelschwerer Aortenstenose
In einer Registerstudie wurden Patientinnen (43 %) und Patienten mit leichter bis mittelschwerer Aortenstenose (KöF 1–2 cm2) (Alter =74 Jahre) nachverfolgt (3). Die Progredienz zur schweren Aortenstenose erfolgte bei den Frauen langsamer als bei den Männern (Zunahme des Druckgradienten 1.15 vs.2.1 mmHg/Jahr). Die Männer zeigten ein exzentrisches Remodeling des LV. Die Frauen entwickelten eine konzentrische Hypertrophie mit dickerem Septum und höheren LV Füllungsdrücken. Bei den Frauen nahm die LV-Auswurffraktion weniger schnell ab. Aus ungeklärten Gründen wurde bei den Frauen nach Erreichen einer schweren Aortenstenose weniger oft eine Klappenersatz durchgeführt als bei den Männern (37 vs. 58/ 1000 Patientenjahre). Die Mortalität, auch wenn stratifiziert nach Alter und Schwere der Stenose, war nicht unterschiedlich zwischen Frauen und Männern.
Trotz gleicher Mortalität sollten wir nicht annehmen, dass die Betreuung und der Operationszeitpunkt bei Frauen und Männern optimal ist. Auch hier wäre eine geschlechterspezifische Abklärungsstrategie und differenzierte Empfehlung für die operative Sanierung wichtig (4).
Prof. Dr. med. Franz Eberli
Literatur
1. Abadie BQ. et al. J Am Coll Cardiol 2024;83:303-312
2. Sannino A and Fortuni F. J Am Coll Cardiol 2024;83:313-316
3. Hariri EH. et al. JACC: Cardiovasc Imaging 2024;17:1-12
4. Pellikka P and Kato N. JACC: Cardiovasc Imaging 2024;17:13-15
Omega-3-Fettsäure EPA: Mehr Schaden als Nutzen
Omega-3-Fettsäure-Supplemente sollen besonders wirksam sein bei Patienten mit tiefem Gehalt an der Eicosapentaensäure (EPA), gemessen als Verhältnis EPA/Arachnidonsäure. Eine japanische Studie (RESPECT-EPA) (1) hat deshalb bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit und tiefem EPA/AA-Verhältnis (0.243) in einer unverblindeten, nicht Placebo-kontrollierten Studie untersucht, ob 1800 mg EPA täglich die kardiovaskulären Ereignisse reduziert. Die Studie war ursprünglich auf 2 Jahre angelegt. Wegen fehlenden Effekts von EPA wurde sie auf insgesamt 5 Jahre Nachbeobachtung ausgedehnt. Nach vier Jahren Nachbeobachtung lagen die Ereignisraten noch deckungsgleich übereinander. Erst dann kam es zu einem Auseinandergehen der Kaplan- Meier-Kurven. Zu diesem Zeitpunkt verblieben allerdings nur noch 31 % Kontrollpatienten und 28 % EPA-behandelte Patienten in der Studie. Der primäre Endpunkt kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisation wegen instabiler Angina pectoris und koronare Revaskularisation wurde in 112/1225 EPA Patienten und in 155/1235 Kontrollpatienten erreicht und war nicht signifikant unterschiedlich. Der numerische Unterschied kam alleine durch eine höhere Anzahl an elektiven Koronarinterventionen in der Kontrollgruppe zustande. Die Autoren diskutieren selber, dass dies eine Folge der unverblindeten Studienanlage ist. Auf der anderen Seite bewirkte EPA signifikant mehr Vorhofflimmern (3.8 % vs. 1.2 %; p=0.017) und mehr gastro-intestinale Nebenwirkungen (3.4 % vs. 1.2 %; p=<0.001). Die vermehrte Anzahl von neu aufgetretenem Diabetes war statistisch nicht signifikant (2.1 % vs. 1.2 %).
Trotz selektivem Einschluss von Patienten mit potentiell grösstem Nutzen aufgrund des metabolischen Profils mit tiefem EPA/AA-Verhältnis hat das Supplementieren der Nahrung mit der omega-3-Fettsäure EPA einmal mehr die kardiovaskulären Ereignisse nicht reduziert, jedoch vermehrt Vorhofflimmern ausgelöst. Omega-3-Fettsäuren Supplemente sollen in der Primärprävention oder Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen nicht eingesetzt werden.
Prof. Dr. med. Franz Eberli
Literatur
1. Miyauchi K. et al. Circulation 2024. DOI:10.1161/CIRCULATIONAHA.1223.065520
Kein prognostischer Nutzen von SGLT2-Hemmern in post-MI Patienten
Die EMPACT-MI-Studie untersuchte den Nutzen einer zusätzlichen Behandlung mit dem SGLT2-Hemmer Empagliflozin zur Standardtherapie nach einem akuten Myokardinfarkt (1). In EMPACT-MI wurden > 6500 Patienten mit einer neu aufgetretenen linksventrikulären Dysfunktion mit LVEF ≤ 45 % oder Anzeichen einer behandlungsbedürftigen Hypervolämie nach einem Myokardinfarkt, in 75 % ST-Hebungsinfarkt, zu Empagliflozin oder Placebo randomisiert. Die Patienten waren durchschnittlich 64 Jahre alt und wurden mehrheitlich revaskularisiert. Die Basistherapie bestand aus ACE-Hemmern, Betablocker, Statine und Diuretika. Nach 18 Monaten zeigten sich keine Unterschiede im kombinierten primären Endpunkt bestehend aus Mortalität oder Herzinsuffizienz-Hospitalisationen (Empagliflozin 8.2 % Empagliflozin; Placebo 9.1 % ; Hazard Ratio 0.90 mit 95 % CI, 0.76–1.06; P = .21). Die Gesamtzahl der Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz war in der Empagliflozin-Gruppe allerdings niedriger (HR, 0.67; 95 % CI, 0.51–0.89).
Diese Ergebnisse bestätigen die Ergebnisse der DAPA-MI-Studie mit Dapagliflozin, die ebenfalls keine signifikante Verringerung der kardialen Ereignisse nach einem Herzinfarkt zeigte (2). Dies deutet darauf hin, dass obwohl SGLT2-Inhibitoren bei Herzinsuffizienz, chronischen Nierenerkrankungen und Diabetes äusserst wirksam sind, bei Patienten unmittelbar nach einem Herzinfarkt keinen signifikanten Nutzen bringen. Dies liegt nicht an der Unwirksamkeit der SGLT2-Hemmer, sondern vielmehr daran, dass die Vergleichstherapien (akute Revaskularisierung, Thrombozytenaggregationshemmer, Statine, ACE-Hemmer etc.) bereits sehr potent sind. Aufgrund von EMPACT-MI nun einen klinisch relevanten Nutzen von Empagliflozin zur Verhinderung von Herzinsuffizienz-Hospitalisationen in post-MI Patienten zu postulieren, erscheint mir problematisch, da es sich dabei um eine Subgruppenanalyse einer negativen Studie handelt (3). Vielmehr sollten konsequent alle Patienten mit bekannter Herzinsuffizienz, Diabetes oder chronischer Niereninsuffizienz (v.a. mit Albuminurie) ungeachtet eines Myokardinfarktes mit SGLT2-Hemmern behandelt werden. Bei diesen Patientenkollektiven ist der prognostische Nutzen unbestritten.
Prof. Dr. med. Otmar Pfister
Literatur
1. Butler J, Jones WS, Udell JA, et al. Empagliflozin after Acute Myocardial Infarction. N Engl J Med 2024;390:1455-66.
2. James S, Erlinge D, Storey RF, et al. Dapagliflozin in Myocardial Infarction without Diabetes or Heart Failure. NEJM Evid 2024;3:EVIDoa2300286.
3. Hernandez AF, Udell JA, Jones WS, et al. Effect of Empagliflozin on Heart Failure Outcomes After Acute Myocardial Infarction: Insights From the EMPACT-MI Trial. Circulation 2024;149:1627-38.
Hohes Alter und Dyslipidämie: Statin ja oder nein in der Primärprävention?
Ist es sinnvoll Statine zur Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei älteren Patienten (Alter > 75 Jahre) einzusetzen? Hierzu besteht wenig Konsens, da diese Bevölkerungsgruppe in randomisierten kontrollierten Studien unterrepräsentiert ist. Die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin rät deshalb in dieser Altersgruppe in ihren Empfehlungen 2021 zu «smarter medicine» von einer Neubehandlung von Dyslipidämien bei Personen >75 Jahre in der Primärprävention ab. Die AGLA widerspricht dieser Empfehlung und folgt weiterhin den Empfehlungen der ESC und AHA/ACC von 2019, wonach eine Therapie bei entsprechend hohem Risiko auch im Alter > 75 Jahre erwogen werden soll, insbesondere auf der Basis einer «patient shared decision».
Eine auf elektronischen Krankenakten basierte longitudinale Observationsstudie bei knapp 70 000 Personen untersuchte nun den primärpräventiven Nutzen einer Statin-Therapie bei alten (75–84 Jahre) und sehr alten Personen ( ≥ 85 Jahre). Studien-Design: «sequential target trial emulation comparing matched cohorts initiating versus non-initiating statin therapy». Eine Statin-Therapie war dabei bei Personen 74–84 Jahre mit einer Reduktion des standartisierten 5-Jahresrisiko für kardiovaskuläre Ereignisse von 1 % in der «intention to treat» Analyse und von 5 % in der «per protocol» Analyse assoziiert. Sehr alte Patienten ( ≥ 85 Jahre) wiesen sogar eine deutlich höhere Risikoreduktion auf (4.4 % intention to treat; 12.5 % per protocol). Typische Statin-assoziierte Nebenwirkungen wie Myopathien oder Erhöhung der Leberenzyme traten in beiden Altersgruppen nicht gehäuft auf. Die in dieser Studie gezeigte Statin-assoziierte Risikoreduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei alten und sehr alten Personen und die gute Verträglichkeit in dieser Patientenpopulation unterstützt die Empfehlungen der AGLA und ESC/AHA/ACC auch Patienten > 75 Jahre bei hohem kardiovaskulären Risiko und Dyslipidämie mit Statinen zu behandeln.
Prof. Dr. med. Otmar Pfister
Literatur
Xu W, Le AL, Lam CLK et al. Benefits and risks associated with statin therapy for primary prevention in old and very old adults; real-world evidence from a target trial emulation study. Ann Intern Med. 2024;Epub ahead of print
Prof. Dr. med. Franz R. Eberli
Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
franz.eberli@triemli.zuerich.ch
Prof. Dr. med. Otmar Pfister
Klinik für Kardiologie
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