Die Schweiz erhält einen nationalen Krebsplan

Mit der Motion 23.3014 «Nationaler Krebsplan» hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-SR) im Februar 2023 dem Parlament bzw. dem Bundesrat beantragt, basierend auf der Nationalen Strategie gegen Krebs 2014-2020 (NSK) einen Nationalen Krebsplan zu erarbeiten. Das Schweizer Parlament hat die Motion 2023 (Ständerat) bzw. 2024 (Nationalrat) angenommen und damit den Bundesrat mit der Umsetzung beauftragt.

Die Motionäre der SGK stellten fest, dass es in der Schweiz seit dem Auslaufen der NSK keine koordinierte Strategie gegen Krebs mehr gibt. Das Forum Oncosuisse führe die Arbeiten der Nationalen Strategie gegen Krebs weiter und habe die Aufgabe, die Koordination zwischen den Akteuren, insbesondere den Krebsorganisationen, zu fördern. Bund und Kantone sind jedoch nicht am Forum Oncosuisse beteiligt. Bund, Kantone sowie die relevanten Organisationen, Expert/-innen sollen in die Entwicklung des Nationalen Krebsplans einbezogen werden.

Oncosuisse als Verband von acht national tätigen Krebs­organisationen hat diese Entwicklung eng begleitet und ist zurzeit daran, mit dem Masterplan 2025 einen inhaltlichen Vorschlag für die Erarbeitung eines Nationalen Krebsplans zu erarbeiten. Der Masterplan 2025 schlägt dem Bundesrat Themenbereiche und Ziele vor, die aus Sicht der Krebsorganisationen prioritär angegangen werden sollten. An der Erarbeitung dieser Vorschläge waren neben den Oncosuisse-Mitgliedorganisationen insgesamt über 400 Expert/-innen aus 150 Organisationen/Abteilungen der Schweizer Krebsversorgung bzw. des Gesundheitswesens beteiligt: Sie haben im Rahmen der Netzwerkveranstaltungen des Oncosuisse-Forums in 27 Workshops die prioritären Ziele ihres spezifischen Teilbereichs identifiziert und mögliche Massnahmen beschrieben. Die Oncosuisse-Mitgliedsorganisationen sind daran, diesen Vorschlag zu bereinigen, um ihn anschliessend dem Bundesamt für Gesundheit einzureichen.

Die Bandbreite der möglichen Themen ist gross: Von der Prävention und Früherkennung über die Behandlung und Nachsorge bis hin zur Registrierung und Forschung hat das Thema Krebs viele Facetten. Entsprechend schwierig ist es, all diese Teilbereiche in einem Krebsplan gebührend zu berücksichtigen. Umso wichtiger wird es sein, diesen Krebsplan optimal in bestehende Initiativen und Gesundheitsstrategien einzubetten bzw. mit diesen zu verknüpfen. Die Strategie des Bundes zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie), das Programm Digisanté zur Digitalisierung des Gesundheitswesens, die gesetzlich verankerte nationale Krebsregistrierung oder die Botschaft zur Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik des Bundes 2025-2028 (BFI-Botschaft) sind nur einige Beispiele. Es wird zentral sein, all diese Initiativen optimal aufeinander abzustimmen und dafür zu sorgen, dass gemeinsam ein bestmögliches Resultat für die Krebspatient/-innen erzielt werden kann.

Oncosuisse wird den Masterplan 2025 im Sommer 2024 veröffentlichen und ist bestrebt, zusammen mit allen Akteur/-innen der Schweizer Krebsversorgung die Umsetzung des Nationalen Krebsplans möglichst rasch anzustossen.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
info@oncosuisse.ch

Präventive und therapeutische Strategien in der Pflege

Mit dem vorliegenden Buch ist den Autorinnen und den Autoren eine übersichtliche und informative Aufarbeitung dermatologischer Reaktionen in der onkologischen Pflege gelungen.

Der Aufbau ist logisch gegliedert, beginnend bei pathophysiologischen Hintergründen und beim Aufbau sowie bei der Funktion der Haut über die Anamnese und körperliche Untersuchung zur konkreten Veränderung von Haut, Mukosa, Nägeln und Haaren. Zudem werden Aspekte der Selbstmanagementförderung und Implementationsbeispiele aus der Praxis beschrieben. Es wird deutlich, wie vielfältig die Herausforderungen im Umgang mit dermatologischen Reaktionen sind.

Die verschiedenen Erscheinungsformen der Veränderungen werden jeweils hinsichtlich der Ätiologie, der Inzidenz, möglicher Risikofaktoren und des Schweregrades sowie möglicher Therapieoptionen dargestellt. Bilder ergänzen die Aussagen sinnvoll und eindrücklich.
Anhand der Implementationsbeispiele gelingt es, die erweiterte Praxis Pflegender in der Onkologie und damit die Wichtigkeit und die Möglichkeiten der Pflegeprofessionalisierung abzubilden.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass «Dermatologische Reaktionen bei onkologischen Therapien» das Potenzial besitzt, sich zu einem Standardwerk aller Pflegender in der Onkologie zu entwickeln.

Es wird nicht nur fachliches Know-how vermittelt, sondern auch strukturiertes und evidenzbasiertes Vorgehen beschrieben und Anstösse zu möglichen Beratungs- und Schulungsangeboten mit auf den Weg gegeben. Von meiner Seite eine klare Leseempfehlung.

Cornelia Kern Fürer, Harald Titzer und
Irene Bachmann-Mettler (Hrsg.). (2023).
ISBN des e-Books
978-3-662-66606-7
ISBN des gedruckten Buches
978-3-662-66605-0

Sara Kohler, sara.kohler@zhaw.ch
MScN, MAS onkologische Pflege, RN
Studiengangsleitung MAS in onkologischer Pflege
ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Departement Gesundheit
Institut für Pflege
8401 Winterthur

Buchrezension der Zeitschrift Onkologiepflege Schweiz, 1/24

“What makes a good life? Lessons from the longest study of happiness”

In den vergangenen Wochen war die Zukunft unseres Rentensystems ein zentrales Thema, das politische Entscheidungsträger, Wissenschaftler und die Bevölkerung gleichermassen beschäftigte. Die Bevölkerung mag über den Ausgang der AHV-Abstimmung diesen März geteilter Meinung sein, breite Übereinstimmung herrscht jedoch über die Art und Weise, wie wir Alle unseren dritten Lebensabschnitt verbringen möchten: glücklich und möglichst gesund. In den 1930er Jahren hatten Wissenschaftler unter der Leitung von George Vaillant, einem Psychiater und Professor an der Harvard Medical School, die visionäre Idee die Ingredienzien für ein glückliches, gesundes Leben zu erforschen. Damit war die «Glueck Study» geboren.

Die «Glueck Study» auch bekannt als die «Harvard Study of Adult Development», ist eine der längsten und umfassendsten Studien über das menschliche Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit. Die Studie untersuchte das Leben von 268 männlichen Harvard-Studenten aus den Klassen 1939 bis 1944 sowie von 456 benachteiligten Jugendlichen aus Boston. Die Teilnehmer wurden über insgesamt acht Jahrzehnte hinweg regelmässig untersucht, um ihre Lebensgewohnheiten, Beziehungen, Gesundheit und Lebenszufriedenheit zu verfolgen. Auf dieser Basis wurde im Alter eine Kategorisierung vorgenommen, wobei die beste Kategorie die «happy-well» und die schlechteste Kategorie die «sad-sick» darstellten. Erwartungsgemäss trugen nicht-beeinflussbare Faktoren wie der sozioökonomische Status der Eltern, eine glückliche Kindheit, die Langlebigkeit der Vorfahren und das Fehlen von depressiven Erkrankungen in der Familie wesentlich zum «happy-well» im Alter bei. Die Studie zeigte aber auch, dass die Lebenszufriedenheit nicht unbedingt von äusseren Faktoren wie Reichtum oder beruflichem Erfolg abhängt, sondern vielmehr von inneren Einstellungen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Im Folgenden sind die entscheidenden, beeinflussbaren Prädiktoren für ein glückliches, gesundes Leben aufgeführt.

1. Beziehungen sind entscheidend: Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie war, dass enge, unterstützende Beziehungen zu Familie, Freunden und Partnern einen grossen Einfluss auf das Wohlbefinden haben. Menschen, die starke soziale Bindungen hatten, waren glücklicher und gesünder im Laufe ihres Lebens.

2. Bewältigungsstrategien: Menschen, die im Laufe ihres Lebens effektive Bewältigungsstrategien entwickelten, um mit Herausforderungen und Stress umzugehen, waren besser in der Lage, ein erfülltes Leben zu führen.

3. Lebenslange Bildung: Menschen, die ihre Neugier pflegen, viel lesen und sich lebenslang neues Wissen aneignen, leben länger und glücklicher.

4. Gesunder Lebensstil: Kein Nikotin, mässig Alkohol, Vermeidung von Übergewicht, tägliche Spaziergänge / körperliche Aktivität.

Das gewissenhafte Äufnen der drei Vorsorge-Säulen und die Aussicht auf eine 13. AHV Rente garantieren also keineswegs einen sorgenfreien und zufriedenen Lebensabend. Schenken wir der «Gluecks Study» Glauben, sollten wir vielmehr lebenslang in unsere Freundschaften und zwischenmenschlichen Beziehungen investieren, denn diese sind das Fundament des menschlichen Wohlbefindens und der Lebenszufriedenheit im Alter. Da auch die lebenslange Bildung von entscheidender Bedeutung ist, wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre der aktuellen Ausgabe von info@herz+gefäss.

Prof. Dr. med. Otmar Pfister

Prof. Dr. med. Otmar Pfister

Otmar.pfister@usb.ch

CARDIO FLASH

Spontane Koronardissektion: Neue Erkenntnisse zur Genetik und Pathophysiologie

Die spontane Koronardissektion (SCAD) tritt familiär gehäuft auf. Aber eine klare Vererbbarkeit nach Mendelschen Regeln besteht nicht. Obwohl die SCAD mit fibro-muskulärer Dysplasie, Bindegewebserkrankungen wie dem Ehlers-Danlos Syndrom assoziiert sein kann, wurde eine seltene pathogene genetische Variante für Bindegewebskrankheiten nur in 3% der Betroffenen gefunden. SCAD scheint hauptsächlich eine polygenetische Krankheit zu sein, was durch zwei neue Arbeiten bestätigt wurde. Eine Arbeit verglich 13 Familien mit SCAD (27 betroffen und 12 nicht betroffen Familienmitglieder) sowie 117 Patientinnen mit spontanem SCAD mit 1127 gesunden Kontrollpersonen (1). Bei den SCAD-Patientinnen wurde keine der 68 bekannten seltenen Varianten für Bindegewebserkrankungen gefunden. Vielmehr hat eine Akkumulation von allgemeinen genetischen Risikofaktoren das Auftreten einer SCAD erklärt. Sieben bekannte genetische Nukleotidvarianten waren sowohl bei familiärer SCAD, als auch bei spontaner SCAD deutlich erhöht. Je mehr Varianten vorlagen, umso grösser war die Wahrscheinlichkeit eines SCAD. Jedoch konnte keine Schwelle für das Auftreten einer SCAD identifiziert werden.

Eine genom-weite Assoziationsstudie bei 1917 SCAD Patientinnen und 9292 Kontrollpersonen identifizierte insgesamt 16 genetische Varianten, die in unterschiedlichem Masse zur Entstehung einer SCAD beitrugen (2). Diese genetischen Varianten beeinflussen die glatte Gefässmuskulatur, die Fibroblasten und die extrazelluläre Matrix. Eine pathophysiologisch wichtige Rolle bei der SCAD spielt die Veränderung des Gens für den Gewebefaktor F3, welche das Auftreten eines intramuralen Hämatoms begünstigt. Bei der SCAD entsteht wahrscheinlich zuerst ein intramurales Hämatom, welches durch die erhöhte Wandspannung sekundär zur Dissektion führt. Einige der genetischen Varianten, die zur SCAD führen, sind mit der koronaren Herzkrankheit verbunden, jedoch mit entgegengesetzter Wirkung. Die genetischen Varianten, die zu SCAD führen, sind im Allgemeinen protektiv gegenüber der KHK. Der KHK und der SCAD sind nur genetische Varianten, welche zur Hypertonie führen, gemeinsam. Die kardiovaskulären Risikofaktoren wie Lipidmetabolismus und Diabetes werden durch die genetischen Varianten, die zum SCAD gehören, nicht beeinflusst. Dies passt zur klinischen Beobachtung, dass SCAD Patientinnen keine oder wenige kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen. Für die Primärprävention oder die Sekundärprävention einer SCAD bedeuten diese Erkenntnisse, dass das Senken des Blutdrucks sinnvoll ist, während das Senken des Cholesterins keinen Nutzen bringt.

Prof. Franz Eberli
1 Tarr I. et al. JAMA Cardiol 2024;9(3):254-261
2 Adlam D. et al. Nature Genetics 2023;55:964-972

Neues zur Behandlung der Hypertriglyzeridämie

Einführung:

Eine erhöhte Konzentration von Triglyceriden zeigt nicht nur eine Erhöhung der freien Triglyceride im Serum an, sondern ist ein Mass für die Summe der zirkulierenden ApoB enthaltenden Triglycerid reichen Lipoproteine (vor allem Chylomikronen und VLDL) (1). Die Ursachen für die erhöhten Triglyceride sind erstens verschiedene Krankheiten (z.b. Diabetes mellitus, metabolisches Syndrom), zweitens genetische Faktoren, welche die Aktivität der Lipoproteinlipase vermindern, oder drittens eine Kombination von beiden.

Von erhöhten Triglyceriden spricht man bei Werten >1,69 mmol/l, von einer moderaten Hypertriglyzeridämie bei Werten zwischen 2,3-5,6 mmol/l, von einer schweren bei 5,7-9,9 mmol/l und von extremer Erhöhung bei >10,0 mmol/l.

Triglyceride lassen sich gut mittels Anpassungen des Lebensstils senken. Dazu gehören Gewichtsreduktion, körperliches Training, Reduktion von Alkoholgenuss und kohlenhydratreicher Ernährung. Bei einem Triglyceridwert von > 2.3 mmol/l empfehlen die europäischen Richtlinien zusätzlich zur lipidsenkenden Therapie mit Statinen ein medikamentöses Senken der Triglyceride zur Verminderung des kardiovaskulären Risikos (2). Ob Triglyceride per se für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko verantwortlich sind, ist aber nicht sicher. Auf jeden Fall konnte bis jetzt keine Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse durch das Senken der Triglyceride mittels einer medikamentösen Intervention gefunden werden.

Medikamentöse Therapien ohne Wirkung

Niacin brachte in zwei Studien keinen Nutzen, hingegen so viele Nebenwirkungen, dass es nicht mehr eingesetzt wird. Ebenfalls keinen Nutzen hatten die Fibrate. Zwar hat Fenofibrat in der FIELD Studie 2005 die Triglyceride um 29% (3) und in der ACCORD Studie 2010 um 26% gesenkt (4), verbesserte aber das kardiovaskuläre Risiko nicht. In der aktuellsten Studie (PROMINENT Studie 2023) resultierte der Einsatz des neuen Fibrats Pemafibrat in einer Reduktion der Triglyceride um 25%, hatte aber wiederum überhaupt keinen Effekt auf die kardiovaskulären Ereignisse (5). Hoch dosierte Omega-3-Fettsäuren senkten die Triglyceride um 20%, bewirkten aber ebenfalls keine Reduktion von kardiovaskulären Ereignisse (6). Icasopent Ethyl (Vascepa®) hat verglichen mit (einem wahrscheinlich nicht neutralen) Placebo die Ereignisrate zwar reduziert, aber der Effekt war nicht auf das Absenken der Triglyceride zurückzuführen (7).

Neue Therapieansätze

Triglyceride im Blut sinken durch dessen Freisetzen aus den Triglycerid reichen Lipoproteinen durch das Enzym Lipoproteinlipase und der darauf einsetzenden Verwertung als Betriebsstoffe. Zusätzlich werden die Triglycerid reichen Lipoproteine und deren Metaboliten via Leber aus dem Kreislauf entfernt. In beide Prozesse sind die Proteine Apolipoprotein C-III (APOC3) und Angiopoietin-like Protein 3 (ANGPTL3) involviert. Neue Therapieansätze zielen darauf ab, mit genetischen Methoden die Produktion dieser beider Proteine zu reduzieren. Dazu gehören für das APOC3 die antisense Oligonukleotide Vupanorsen und Olezarsen und die small interfering RNA Plozasiran. Für die Inhibition des ANGPTL3 wurde ein humanisierter Antikörper entwickelt (Evinacumab) (1, 8). Vupanorsen kann zu Thrombozytopenien führen und wird deshalb kaum klinisch eingesetzt werden. Soeben sind am ACC Meeting die Studienresultate von Olezarsen und Plozasiran bei Patientinnen und Patienten mit schwerster Hypertriglyzeridämie (>9,9 mmol/L) und von Olezarsen bei Patienten mit moderater Hypertriglyzeridämie und hohem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse vorgestellt worden. Beim genetisch bedingten familiären Chylomykronämie-Syndrom hat Olezarsen die Triglyceride um 43,5% reduziert und das Auftreten einer Pankreatitis während eines Jahres fast verhindert (9). Ähnliche Resultate zeigte Plozasiran (10). Olezarsen und Plozasiran dürften daher in Zukunft eine Rolle spielen bei der Behandlung der seltenen familiären Hypertriglyzeridämie.

Bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko und moderater Hypertriglyzeridämie wurden durch das Olezarsen die Triglyceride um 49-53% gesenkt (11). Gleichzeitig kam es zu einer Abnahme des VLDL, des remnant Cholesterols, des ApoB und Non-HDL. Die LDL Werte veränderten sich nicht signifikant. Ob verglichen mit dem Effekt der Fibrate diese etwa doppelt so starke Senkung der Triglyceride durch das Olezarsen auch wirklich eine Abnahme der kardiovaskulären Ereignisse bringt, ist allerdings nicht sicher. Dafür müssen grosse klinische Studien durchgeführt werden, welche den Nutzen und die Sicherheit des antisense Oleonukleotids Olezarsen im Langzeitverlauf beweisen. Bis diese Evidenz vorliegt, bleibt weiterhin als einzige sinnvolle Massnahme bei erhöhten Triglyzeriden die Änderung des Lebensstils.

Prof. Franz Eberli

1. Mszar R et al. J Clin Med 2023;12:1382
2. Visseren FLJ et al. Eur Heart J 2021;42:3227-3337
3. Keech A et al. Lancet 2005;366:1849-61
4. ACCORD Study group NEJM 2010;362:1563-74
5. Das Pradham A et al. NEJM 2022;387:1923-34
6. Nicholls SJ et al. JAMA 2020;324:2268-80
7. Bhatt DL et al. JACC 2019;74:1159-1161
8. Watts GF, NEJM 2024, DOI: 10.1056/NEJMe2402653
9. Stroes ESG et al. Olezarsen, acute pancreatitis, and familial chylomicronemia syndrome. NEJM 2024, DOI: 10.1056/NEJMoa2400201
10. Gaudet D et al. Plozasiran (ARO-APOC3) for Severe Hypertriglyceridemia:The SHASTA-2 Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol 2024
doi:10.1001/jamacardio.2024.0959
11. Bergmark BA et al. Olezarsen for hypertriglyceridemia in patients at high cardiovascular risk. NEJM 2024, DOI: 10.1056/NEJMoa2402309

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

2023 ESC-Guidelines: «Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes» – ein Summary

Kardiovaskuläre (cv) Erkrankungen sind weltweit die Haupttodesursache. Unter den cv Risikofaktoren hat der Diabetes mellitus Typ II (T2DM) wegen einer steigenden Prävalenz einen besonderen Stellenwert. 20-30% aller koronaren Patienten haben einen T2DM. Bei einem systematischen Screening dieses Kollektivs sind es mehr als 50%. Auch die Herzinsuffizienz (HI) ist hier deutlich erhöht, ebenso die chronische Niereninsuffizienz (CKD). Aus diesen Überlegungen und neuen bahnbrechenden kardio- und nephroprotektiven antidiabetischen Medikamenten mit überzeugenden Studienresultaten wurde diese ESC-Guideline aus dem Jahre 2019 bereits nach vier Jahren neu aufgelegt (1). Von der 98-seitigen Leitlinie können wir hier nur einige wichtige Punkte wiedergeben; es lohnt, sich mit dieser genauer auseinander zu setzen.

Cardiovascular disease (CVD) is the leading cause of death worldwide. Among cv risk factors, type II diabetes mellitus (T2DM) has a special place because of its increasing prevalence. 20-30% of all coronary patients have T2DM. With a systematic screening of this population, it increases to more than 50%. Heart failure is also significantly increased, as is chronic renal failure (CKD). Based on these considerations and new breakthrough cardio- and nephroprotective antidiabetic drugs with convincing trial results, this 2019 ESC guideline has been reissued after only four years (1). Of the 98-page guideline, we can only reproduce a few important points here; it is worth studying them in more detail.
Key words: ESC-Guidelines 2023 CVD + Diabetes; SGLT2-Inhibitor; GLP-1 RA ; cardio- + nephroprotective; CKD; eGFR+UACR; Finerenon; heart failure; “fantastic-four”; exercise training

Neben der erhöhten Prävalenz manifestiert sich der T2DM mit einer signifikant hohen Morbidität und Mortalität gegenüber Patienten ohne T2DM. Das Risiko für kardiovaskuläre (cv) Erkrankungen (CVD), wie eine koronare Herzkrankheit (CHK), koronarer Tod, nicht fataler Myokardinfarkt, Stroke, ist 2-fach erhöht. Es kommt zu einer früheren und rascheren Atherosklerose und Atherothrombose. Oft bestehen zusätzliche cv Risikofaktoren wie eine Dyslipidämie und/oder eine Hypertonie, welche alleine das cv Risiko ebenfalls erhöhen. Die Lebenserwartung ist bei beiden Geschlechtern wegen den vaskulären Erkrankungen deutlich vermindert. Bei einem T2DM mit einer CHK findet man häufiger eine Hauptstammstenose, eine Mehrgefässerkrankung und einen diffusen Befall der kleinen Gefässe. Zusätzlich häufig weitere vaskuläre Komorbiditäten wie eine CKD, eine PAVK und eine cerebrale Atherosklerose mit Apoplexie (2).

Screening

Bei einem T2DM hat das cv und renale Screening eine Klasse I-Indikation. So stellt sich immer die Frage nach einer ASCVD (athero-sklerotischen cv Erkrankung: u.a. Pulse, ABI, Plaques z.B. Carotis?) und einer Herzinsuffizienz (HI). Durch eine gute Anamnese mit Einordnung von Symptomen ergeben sich klare Erkennungsmerkmale; ebenso zur Erfassung der stark gehäuften HI. Es bedarf auch eines routinemässigen Screenings auf eine CKD (1). Diese wird mit einer eGFR (EPI) und einem morgendlichen Spontanurin mit Frage nach Mikro-/Albuminurie (UACR) nachgewiesen. Je schlechter die eGFR (<60ml/min/1.73m2 u./oder ≥ 30mg/g = 3mg/mmol Albuminurie) desto ausgeprägter die CKD und desto höher das cv Risiko – vgl. KDIGO 2013/2022 und Abbildung 4 (3, 4). Umgekehrt sollte bei einer cv Erkrankung auch ein T2DM mit einem Nüchtern-Blutzucker und einem HbA1c ausgeschlossen werden. Es bedarf einer Identifizierung der cv Risikofaktoren und der Komorbiditäten (HI, CHK, VHFLI, PAVK u.a.). Diese müssen Leitlinien gerecht behandelt werden.

Bei Patienten mit einem T2DM und fehlender symptomatischer ASCVD oder schweren Endorganschäden (TOD), sollte der SCORE2-Diabetes, ein neuer ESC-Risikorechner, verwendet werden (IB). Berücksichtigt werden Alter, Geschlecht, Raucherstatus, systol. BD, Diabetes, HbA1c, wann Diagnose T2DM, Gesamtcholesterin, HDL und eGFR. Mit dieser mobilen ESC CVD Risk Calculation App (escardio.org) kann das cv 10-Jahres Krankheits-Risiko (fataler und nicht fataler CV events) bestimmt werden: <5% tief, 5%-<10% moderat, 10%-<20% hoch und ≥20% sehr hoch. Die Schweiz gehört zu den low risk Ländern wie z.B. Frankreich und Spanien. Bei einer ASCVD oder einem TOD wie einer CKD oder einer Retinopathie und Polyneuropathie kann der Score nicht verwendet werden; liegt hier doch bereits ein sehr hohes cv Risiko vor. Endorganschäden müssen bei T2DM gesucht resp. ausgeschlossen werden (IA). Die TOD sind definiert als: 1. eGFR <45ml/min/1.73m2 ± Albuminurie, 2. eGFR 45-59ml/min/1.73m2 u. Mikroalbuminurie (UACR: 30-300mg/g, Stad. A2), 3. Proteinurie (UACR: >300mg/g, Stad. A3) oder 4. mikrovaskuläre Schäden an drei Organen (Niere A2 u. Retino- u. Neuropathie). Bei CKD nach KDIGO Risikofaktoren Beurteilung alle 3-6 Monate.

Therapie

Bei einem T2DM bedarf es einer intensiven multimodalen Therapie, resp. einer konsequenten Sekundärprävention. Lifestyle-Massnahmen bleiben weiterhin sehr entscheidend. Sie beinhalten neben einer Gewichtsreduktion, eine gesunde mediterrane Ernährung reich an polyungesättigten und einfach gesättigten Fetten (Olivenöl, Nüsse) oder eine pflanzenbasierte Ernährung und weniger Zucker, Fleisch, Alkohol und Salz. Eine regelmässige körperliche Aktivität mit Ausdauer- und etwas Krafttraining und einen Verzicht auf Nikotin und andere Noxen (IA).

Bewegungstherapie: In einer ausgezeichneten Übersichtsarbeit aus Japan wird auf die entscheidende Bedeutung einer korrekten Bewegungstherapie bei T2DM hingewiesen. Durch eine regelmässige körperliche Aktivität kommt es zu einer signifikanten Verbesserung der glykämischen Kontrolle mit positiven Auswirkungen auf die Adipositas, den Fettstoffwechsel, den Blutdruck und auf eine Reduktion entzündlicher Zytokine. Die kardiorespiratorische Fitness wird gesteigert, ebenso die Muskelkraft. So kann auch einem T2DM vorgebeugt werden, die Gesamtmortalität und die cv Events werden vermindert, ebenso mikrovaskuläre diabetische Komplikationen (1,5). Die amerikanische Diabetes Association (ADA) empfiehlt: eine wöchentliche Aktivität von mindestens 150 min moderater (50-70% max. HF) aerober Intensität verteilt auf mind. 3 Tage/Woche mit nicht mehr als zwei aufeinanderfolgenden Tagen ohne Bewegung. 2-mal wöchentlich wird ein zusätzliches aufbauendes Krafttraining empfohlen. Diese Empfehlung gilt auch bei einer Adipositas.

Medikamentöse Therapie: Aufgrund verschiedener Metaanalysen inkl. grossen cv Outcomes Studien mit SGLT2-H. und GLP-1 RA geben die neuen Leitlinien separate Empfehlungen für Patienten mit und ohne ASCVD resp. TOD. Weitere cv medikamentöse Massnahmen werden beurteilt und gewichtet.

SGLT2-Hemmer

Über diese als orales Antidiabetikum entwickelte Medikamentenklasse mit kardio- und nephroprotektiven Eigenschaften und das praktische Vorgehen haben wir berichtet (6,7).

Die SGLT2-H. werden bei einer Herzinsuffizienz unabhängig von der LV-EF und auch bei einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD) ± T2DM mit einer eGFR <60ml/min/1,73m2 mit oder ohne Albuminurie bis zu einer eGFR ≥20 ml/min/1,73m2 primär eingesetzt (IA). Es zeigt sich langfristig bei allen eine Stabilisierung der Nierenfunktion. Nach der DAPA-CKD- und der EMPA-Kidney-Studie kann eine Nierenersatztherapie um viele Jahre verzögert werden: dies in Relation zur basalen Nierenfunktion bei Beginn der Therapie. Bei einer CKD und bei einer HI, mit und ohne T2DM, sind sie erste Wahl (8-11). Sie reduzieren eine HI-Hospitalisation, den cv Tod und das Risiko einer MRA assoziierten Hyperkaliämie. Bei einer chronischen HI ist die Rate der cv Todesfälle mit beiden Medikamenten stärker reduziert als ohne MRAs.

In einer Metaanalyse von fünf cv Outcomes Studien (1) zeigen die SGLT2-H. eine überzeugende Wirkung einer Kardioprotektion mit Reduktion der cv Events bei einem T2DM und einer ASCVD. Die cv Events werden unabhängig vom HbA1c und weiteren Antidiabetika vermindert (IA). Es besteht ohne ASCVD resp. TOD eine IIb-Indikation (kann berücksichtigt werden) bei einem 10-Jahresrisko ≥10%. Als NW sind bei einem T2DM Genitalinfekte und selten eine euglykämische Ketoazidose zu beachten. Daher sollte bei schweren Erkrankungen, fieberhaften Infekten, perioperativ oder periinterventionell und bei Nahrungskarenz der SGLT2-H. pausiert werden.

GLP-1 RA

Bei GLP-1 Rezeptor-Agonisten handelt es sich um synthetisch hergestellte Polypeptide, die wie das natürliche Peptidhormon GLP-1 an den GLP-1 Rezeptor binden, aber eine verlängerte Halbwerts-zeit haben. Sie stimulieren die Sekretion von Insulin und hemmen die Ausschüttung von Glucagon. Darüber hinaus verlangsamen GLP-1 RA die Magenentleerung und erhöhen das Sättigungsgefühl. Sie haben wahrscheinlich einen zusätzlich antientzündlichen Effekt durch die Reduktion des Fettgewebes. Auch vermindern sie eine Makroalbuminurie. Die cv Schutzmechanismen durch eine Aktivierung von Rezeptoren am Herz, den Gefässen und am Hirn führt zu einer Reduktion der cv- und der Gesamtmortalität, einer Verminderung von tödlichen und nicht tödlichen Myokardinfarkten und Strokes und einer Reduktion der HI-Hospitalisationen. Dies zeigte eine grosse Metaanalyse. Bei einem T2DM und einer ASCVD wird das cv Risiko unabhängig von der Blutzuckerkontrolle und dem CKD-Stadium gesenkt (IA) (1). Die Abbildungen 1-3 ergeben klare Hinweise bez. Wirkung und Einsatz der GLP-1 RA (Lira-, Sema-, Dulaglutide) bei einem T2DM. Es besteht ohne ASCVD resp. TOD bei einem 10-Jahresrisko ≥10% eine IIb-Indikation. Bei einer CKD wird das cv Risiko und eine Makro-Albuminurie gesenkt; zusätzlich kann die diabetische Stoffwechsellage verbessert werden. Sie können auch bei einer eingeschränkten Nierenfunktion eingesetzt werden – eGFR >15ml/min/1.73m2. Nephroprotektiv bez. eGFR-Verlust sind Semaglutid/Liraglutid bei einem T2DM vor allem bei einer eGFR von 30-60ml/ min/1.73m2. Kaum Hypoglykämien. Keine Kombination mit einem DPP-4-Hemmer bei ähnlichem Wirkprinzip.

Ein sehr aktuelles Einsatzgebiet ist die Adipositas (IIa) bei einem BMI von 30 oder ≥27 kg/m2 mit gewichtsadaptierten Komorbiditäten. Sind doch von der Adipositas weltweit mehr als 50% der Menschen betroffen. Es kommt bei einem GLP-1 RA in hohen Dosen je nach Substanz zu einer signifikanten Gewichtsreduktion. Dieses Medikament soll wie der SGLT2-H. unabhängig vom HbA1c bei einem sehr hohen als auch bei einem hohen cv-Risiko eingesetzt werden: T2DM + ASCVD oder schwere TOD oder 10 Jahres Risiko ≥20% Score2-Diabetes; T2DM und ein 10 Jahres Risiko von 10-<20% (IA). Bei einem BMI ≥35 kann nach erfolglosen konservativen Massnahmen inkl. einem GLP-1 RA die bariatrische Chirurgie diskutiert werden.

Die gastrointestinalen Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl, Obstipation und Durchfall sind zu beachten, daher muss die Dosierung langsam wöchentlich (Liraglutid 1x tgl. s.c.) oder monatlich (Semaglutid, Dulaglutide 1x wö s.c.) auftitriert werden. Seltene NW sind eine akute Pankreatitis, ein Darmverschluss und eine Gastroparese (cave Narkose: 7 Tage Pause) mit einer Wahrscheinlichkeit von <1-2%/pro Jahr Anwendung. Diese NW treten vor allem bei der Adipositastherapie auf, wo deutlich höhere Dosen verwendet werden, als bei der glykämischen Kontrolle. Auch werden mehr diabetische Retinopathie Komplikationen berichtet. Durch die Gewichtsreduktion mehr Gallensteine. Unklar ist heute noch eine evtl. erhöhte Depressionsrate resp. Suizidalität, welche in wenigen Fällen unter Semaglutid beobachtet wurde. Bei einer positiven Familienanamnese bezüglich medullärem Schilddrüsenkarzinom resp. MEN 2 ist eine Verordnung kontraindiziert.

In der STEP-HFpEF Studie konnte mit einem GLP-1 RA bei einer HI mit erhaltener EF (>50%) und einer Adipositas (BMI ≥30kg/m2) neben einer Gewichtsreduktion, eine Verbesserung der HI-Symptome und eine Verbesserung der körperlichen Einschränkung, der Lebensqualität und eine CRP-Senkung erzielt werden (12).

In der aktuellen SELECT-Studie, welche am diesjährigen AHA Kongress im November vorgestellt wurde, zeigte sich erstmals unter einer gewichtsreduzierenden Behandlung mit 2,4mg Semaglutid 1x wö s.c. bei 8803 kardiovaskulären übergewichtigen/adipösen (BMI ≥27) Risikopatienten (3/4 MI, 1/4 HI) ohne T2DM eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes (cv Tod, nicht tödlicher Infarkt/Schlag­anfall) von -20%, Gesamtsterblichkeit -19%, NNT: 67. Die kardio-metabolischen Parameter (KG -9,4%, BD, Taille, HbA1c, Lipide) wurden verbessert: das hs-CRP sank um 39,1% (13). Die Studie identifiziert erstmals Adipositas als einen behandelbaren kardiovaskulären Risikofaktor. Die Reduktion von Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall durch Semaglutid wurde, zusätzlich zu einer guten leitliniengerechten Therapie, beobachtet. Interessant ist, dass diese MACE-Reduktion in der Sekundärprävention bereits vor der erheblichen Gewichtsreduktion einsetzte; dies könnte bedeuten, dass noch andere Mechanismen dafür verantwortlich sind. Dies zeigte sich auch bei tieferer Dosis in der SUSTAIN-6-Studie bei diabetischen Patienten mit hohem cv Risiko über 2 Jahre – cv Ereignisse -26%. Als NW traten gastro-intestinale Beschwerden in SELECT in 10% vs 2,0% auf. Die Follow-up-Dauer betrug im Mittel 40 Monate. Positive Wirkung in allen Subgruppen, auch auf den Nierenendpunkt.

GLP-1 RA + SGLT2-H. führen in der Kombination zu einer stärkeren Gewichts- und BD-Reduktion. Bezüglich renalem und cv Outcome gibt es keinen zusätzlichen Effekt. Ihr Einsatz ist unabhängig vom HbA1c und weiteren Antidiabetika.

Glukose senkende Medikamente mit cv Benefit

In den neuen Guidelines wird ein besonderes Augenmerk auf den As­pekt des nachgewiesenen cv Nutzens und/oder der Sicherheit von blutzuckersenkenden Medikamenten gelegt! Es wird empfohlen, die Therapie auf solche Medikamente umzustellen (IC). Vgl. Abbildung 3.

Metformin: sollte bei einem T2DM und einer ASCVD berücksichtigt werden (IIa). Die Nüchternglukose Produktion in der Leber wird gehemmt. Kaum Hypoglykämie-Risiko. Es kommt nach mehreren Studien zu einer nicht signifikanten Veränderung bez. cv Tod und Myokardinfarkt. Ohne ASCVD oder TOD hat das Medikament je nach cv Risiko eine IIa/IIb Indikation. Einschleichend dosieren wegen GI-NW. Kontraindiziert bei: einer CKD mit einer eGFR <30ml/min/1.73m2, perioperativ, periinterventionell bei i.v. Kontrastmittelgabe und bei ausgeprägter Gewebshypoxie. Neutraler Effekt bei HI.

Pioglitazon: kann als weiteres Antidiabetikum bei einem T2DM und einer ASCVD berücksichtigt werden (IIb). Es erhöht die Insulinsensitivität des Fett-, Muskel- und Lebergewebes. Cave Gewichts-anstieg, HI, Verminderung der Knochendichte.

Kardial sicher sind die Sulfonylharnstoffe Glimepirid und Gliclazid, die DPP-4-H. Sitagliptin und Linagliptin sowie die modernen langwirkenden Insuline (Glargine, Degludec). Bei einer HI kontraindiziert sind Pioglitazon, Rosiglitazon und der DDP-4-H. Saxagliptin. GLP-1 RA, haben einen neutralen Effekt bez. HI und dadurch eine IIa Indikation. HbA1c Ziel nach Komorbiditäten, Diabetes-Dauer, Lebenserwartung, prinzipiell <7%; Cave: Hypoglykämien.

Antithrombotische Therapie

Ein DM erhöht die Atherothrombose über folgende Mechanismen: Entzündung, oxidativer Stress, Eiweiss Glykation, Endotheldysfunktion und verminderte NO-Synthese, vermehrter Plättchenturnover und Aggregation und eine verstärkte Prokoagulation und verminderte Fibrinbildung. Das Blutungsrisiko ist bei einem T2DM unter Aspirin etwas tiefer, das Thromboserisiko dafür aber erhöht. Dies gilt auch bei Übergewicht und einem metabolischen Syndrom. Dieser Umstand muss in der Sekundärprävention berücksichtigt werden.

Primärprävention: Bei einem T2DM mit einer blanden Anamnese bez. ASCVD/ Revaskularisation besteht u.a. nach dem ASCEND-Trial (14) ohne KI für Aspirin (GI-Blutungen in Anamnese, Leberleiden, Allergie) ein leichter Vorteil in der Verhinderung eines vaskulären Events über 7,4 Jahre. Es zeigt sich aber in dieser Studie und in zwei Metaanalysen eine deutlich erhöhte Blutungsrate. Die absoluten Vorteile wurden durch die Blutungsgefahr weitgehend aufgewogen. Das erhöhte Blutungsrisiko (GI, intrazerebral) unter Aspirin muss gegen den kleinen Vorteil von etwas weniger Myokardinfarkte in der Abwägung berücksichtigt werden. Die Vorteile der Abgabe von Aspirin rechtfertigen aber meist nicht das Risiko einer Blutung. Daher in der Primärprävention eher kein Aspirin bei einem T2DM! Dies widerspiegelt sich auch in den neuen Guidelines mit einer IIb A Indikation – kann ohne eine KI erwogen werden (schwächster Empfehlungsgrad). Es sollte aber ein Statin nach individuellem Risikoprofil (z.B. Plaques) und entsprechendem LDL-Zielwert (≤1,8mmol/l) bei diesen Patienten eingesetzt werden.

Sekundärprävention: Hier hat Aspirin eine IA-, Clopidogrel eine IB-Indikation. Dies bei einem T2DM und Status nach Infarkt, CCS oder Revaskularisation, bei einer CKD mit ASCVD und bei einem T2DM und einer PAVK ohne Indikation für eine OAK.

In neueren Studien wird die Gabe eines P2Y12-Hemmers wie Clopido-grel oder Ticagrelor favorisiert. Clopidogrel hat auch ein kleineres spontanes Blutungsrisiko als Aspirin. In den Guidelines hat Clopidogrel bei einer Aspirin-Intoleranz eine IB-Indikation, bei einer etablierten ASCVD als Alternative noch eine IIbA-Indikation. Bei ca. 40% der Patienten besteht eine hohe Variabilität in der Medikamentenaktivierung (Prodrug) resp. in der Plättchenhemmung.

Nach einer Revaskularisation bei ACS od. CCS findet man in den Guidelines ein instruktives Slide betreffend Art und Länge der antithrombotischen dualen Therapie (12 resp. 6 Monate). Diese richtet sich nach der Art der Intervention, dem Ischämie- resp. Blutungsrisiko.
Eine Verkürzung oder Herabsetzung der DAPT auf Clopidogrel sollte bei Patienten mit Diabetes nach ACS vermieden werden, da diese ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufweisen. Unter Clopidogrel bestehen zu wenig Wirksamkeitsdaten und eine schlechtere Bioverfügbarkeit.

Bei Patienten mit generalisierter Atherosklerose (polyvascular) und einem hohen Risiko für eine Ischämie oder einen Schlaganfall und niederem Blutungsrisiko sollte die zusätzliche Gabe von 2x tgl. 2,5mg Rivaroxaban auf Grund der COMPASS Studie berücksichtigt werden – HR für cv Tod, Apoplexie, MI =0,76 (IIaB) (15).

Patienten mit symptomatischer ASCVD und/oder Revaskularisierung mit einer Indikation für eine Langzeit-OAK profitieren ebenfalls von einem Plättchenhemmer. Dabei muss das Blutungsrisiko beachtet werden. Bezüglich Triple-Therapie (Hospitalisationszeit) resp. Dualer Pathway Inhibition (DPI) (Clopidogrel + NOAK) bei VHFLI und ASCVD mit PCI – vergleiche Guidelines.

Magenschutz: mit Pantoprazol. Bei einer antithrombotischen Kombinationstherapie IA, bei einem Medikament alleine IIaA. Bei Gabe von Clopidogrel cave: Interaktion mit Omeprazol und Esomeprazol mit verminderter Wirksamkeit an den Thrombocyten. Es besteht dafür eine Kontraindikation.

Lipidtherapie

LDL-Senkung je nach cv Risiko (T2DM + ASCVD, TOD, od. Score2-D) – vgl. (1). Sehr hoch <1,4/hoch <1,8/moderat <2,6mmol/l. Bei einem Wert >2,6mmol/l potentes Statin in Kombination mit Ezetrol, i.R. Bempedoinsäure, PCSK9-H. oder PCSK9-Synthese H. LDL-Senkung auch bei einer CKD. Bei einer eGFR <60ml/min/1.73m2: LDL-Ziel <1,8 mmol/l, bei einer eGFR ≤ 30ml/min/1.73m2 oder ≤30-44ml/min/1.73m2 und einer UACR ≥30mg/g: LDL-Ziel <1,4 mmol/l, wie bei einer CHK.

Herzinsuffizienz und T2DM

Bei einem T2DM besteht ein deutlich höheres Risiko für eine HI. Diese kann auch deutlich schneller auftreten. Daher ist eine regelmässige Suche mit Anamnese und Frage nach Symptomen sehr wichtig (IA). Hilfreich ist dabei der Biomaker NT-pro-BNP (≥ 125pg/ml im SR, ≥ 365pg/ml im VHFLI), ein Ruhe-EKG, allenfalls ein Thorax-Rö, ein Routinelabor inkl. TSH, Ferritin und Transferrin-Sättigung und ein transthorakales Echo. Dieses HI Screening hat eine IC-Indikation.

SGLT2-H., ARNI/ACE-H., Betablocker und MRA gehören nach den ESC-Guidelines 2021 zu den «fantastic four» der medikamentösen HI-Basis-Therapie bei einer LV-EF <40% (HFrEF) (10). Es zeigt sich auch ein deutlicher Benefit der SGLT2-H. bezüglich Mortalität und Hospitalisation wegen HI mit einer LV-EF >40% (HFmrEF) und einer LV-EF >50% (HFpEF) (11). Die SGLT2-H. Dapa- und Empagliflozin haben auf Grund der grossen cv Outcome Studien mit Senkung des cv Todes und der HI-Hospitalisationen eine IA-Indikation.

Koronare Herzkrankheit und T2DM

Eine Revaskularisation sollte bei Angina pectoris trotz medikamentöser Therapie und bei einer Ischämie >10% des LV durchgeführt werden. Auch bei einem STEMI und einer Mehrgefässerkrankung ist diese indiziert. Bei einer komplexen CHK ist eine ACBP zu bevorzugen. Bei allen ACS-Patienten muss ein T2DM ausgeschlossen werden. Eine Blutzuckertherapie soll mit Medikamenten mit einem cv Benefit durchgeführt werden – SGLT2-H. u./od. GLP-1 RA. Metformin sollte berücksichtigt werden (IIa).

Arrhythmien und T2DM

Gelegenheitsscreening bzgl. VHFLI ab 65 Jahren (IB). Ein Vorhofflimmern muss bei T2DM Patienten <65 Jahre bei weiteren cv Risikofaktoren gesucht werden, da dieses in dieser Population häufiger auftritt (IC). Ein systematisches Screening ist bei Personen ≥75 Jahre oder bei einem hohen cv Risiko und bei einem erhöhten Strokerisiko sinnvoll (IIaB).

Chronische Niereninsuffizienz (CKD) und T2DM

Die Niereninsuffizienz ist aufgrund der cv Mortalität ein «silent killer». Die 5-Jahres-Todeswahrscheinlichkeit liegt bei 33%, für eine Dialyse bei 12%. Bei einem T2DM mit CKD und einer Albuminurie (≥30mg/g, A2/A3) besteht eine stark erhöhte 10 Jahres Inzidenz von >40% bez. cv Mortalität. Leider wird diese Erkrankung von Ärzten und Patienten zu wenig und zu spät erkannt. Diabetiker müssen regelmässig auf eine CKD gescreent werden: eGFR EPI und UACR im morgendlichen Spontanurin (IA).

Auch hier ergeben sich einige Neuerungen: Auf Grund der bahnbrechenden Studien DAPA-CKD 2020 und EMPA-KIDNEY 2022 (8,9) sind SGLT2-H. bei einer CKD, unabhängig von kardiovaskulären Erkrankungen oder T2DM, mit einer eGFR <60ml/min/1.73m2 und oder einer Albuminurie klar indiziert. Cana-, Dapa- und Empagliflozin sind nephroprotektiv. Unter diesen Medikamenten kommt es zu einer deutlich verzögerten Abnahme der GFR und zu einer sign. Abnahme der Mikro-/Albuminurie. Die SGLT2-H. können ab einer eGFR ≥20ml/min/1.73m2 eingesetzt werden.

Auch kardiovaskulär kommt es bei Dapa- und Empagliflozin zu einer deutlich protektiven Wirkung: RRR bei Dapagliflozin -29 % für den kombinierten Endpunkt Klinikeinweisung wegen HI und kardiovaskulärer Tod. Bei Empagliflozin ein geringeres Fortschreiten der Niereninsuffizienz resp. des kardiovaskulären Todes von 28%. SGLT2-H. werden zur HI-Prävention bei Patienten mit CKD und/oder T2DM empfohlen. Auch ohne T2DM haben die beiden SGLT2-H. einen vollen Nutzen bei einer CKD (1). Man sollte möglichst früh mit diesem Medikament beginnen.

Finerenon bei DKD

Ein weiteres neues nephro- und kardioprotektives Medikament bei einer diabetischen Nephropathie (DKD), bei gleichzeitigem Einsatz eines ACE-H./ARB, ist Finerenon. Dieses verhindert eine pro-fibrotische und proinflammatorische Genexpression. Einsatz: vgl. Abbildung 1.

In der FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD Studie wird der positive Nutzen von primär 10 dann 20mg Finerenon, einem neuen nicht steroidalen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (ns MRA) mit deutlich selektiverer Rezeptor-Bindung, bei einer DKD bis zu einer eGFR ≥25ml/min und einer Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) ≥30mg/g (A2) unter RAAS-Hemmung, einem Statin und einem Serumkalium ≤4,8mmol/l, bei 13026 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren, klar bewiesen – verzögerte Progression der CKD oder renaler Tod und weniger cv Ereignisse (cv Tod, nicht fataler MI und Stroke und Hospitalisierung wegen HI) (16,17). Klinische Endpunktdaten zu Finerenon bestehen aktuell ausschliesslich für die DKD. Typische NW der älteren steroidalen MRA’s wie eine Gynäkomastie oder eine Hyperkaliämie können vermieden werden. Trotzdem sollte auch bei Finerenon eine Kaliumkontrolle erfolgen – eine Hyperkaliämie wurde in der FIDELITY Studie, welche obige beiden Studien zusammenfasste, in 1.7% nachgewiesen. Das Serumkalium darf bei Therapiebeginn nicht ≥4,8 mmol/l betragen; engmaschige Kontrollen sind wichtig. Stopp bei ≥5,5mmol/l.

Senkung des renalen Endpunkts um 23%, Dialyse um 20%; des cv Endpunkts um 14%, HI-Hospitalisationen um 22%. NNT über 3 Jahre von 60. Ein Albuminurie Screening lohnte sich um diese Risiken zu senken, hatten doch 40% dieser Patienten eine eGFR von ≥60ml/min/1.73m2 (18). Finerenon on top der Standardtherapie reduziert das Risiko von cv und renalen Endpunkten bei Patienten mit einem T2DM über ein sehr breites Spektrum der DKD. Die Substanz ist aktuell bei einem CKD-Stadium 3 oder 4 ohne T2DM noch nicht zugelassen – vgl. Abbildung 4.

Bei einer moderaten bis schweren CKD bedarf es einer Behandlung eines: Vit. D-Mangels, einer renalen Anämie, einer Azidose und einer Hyperphosphatämie durch den Nephrologen.

Summary

Gemäss der KDIGO-2022- (4), der ESC- und ESH-2023- (1,19) und den ADA-2023-Leitlinien (20) haben wir 2024 bei einer CKD ± einem T2DM eine kardiorenale organoprotektive Therapie. Diese besteht aus einem gesunden Lebensstil, einer mediterranen Ernährung (viel Obst, Gemüse, Kalium >3,5g/die, wenig rotes Fleisch), Eiweiss 0,6-0,8g/kg/die, wenig Kochsalz (<5g/die), einer Gewichtsreduktion, einer Blutzucker- (HbA1c <7%) und BD-Normalisierung (120-130/70-80mmHg) nach biol. Alter, einer Statin-/Ezetimib-Therapie mit einem LDL-Ziel <1,4mmol/l und aktuell 4 medikamentösen Säulen und einem regelmässigen körperlichen Fitnesstraining:

SGLT2-Hemmer: bei T2DM ± Atherosklerose; HI; CKD eGFR ≥20ml/min/1.73m2; Fortsetzung SGLT2-H. bis zur
Dialyse; evtl. mit Metformin sofern eGFR ≥30ml/min/1.73m2 (Dosisanpassung)
ACE-H./ARB: bei Diabetes; Hypertonie (>130/80mmHg); CKD mit Albuminurie >30mg/g (A2); BD-Selbstkontrolle, 24h-BD; cave: maskierte Hypertonie; wenn möglich max. zugelassene Dosis. Bei Hypertonie Fixkombinationen mit CCB/Diuretika, BD <130/80 mmHg bei Proteinurie; i.R. MRA
Finerenon, ns MRA: bei T2DM + CKD und einer persistierenden Albuminurie ≥300mg/g bei eGFR: >60 (A3) oder >30mg/g bei eGFR: 25-60 ml/min/1.73m2 (A2) trotz RAAS-H.
Serum Kalium ≤4,8mmol/l, eGFR ≥25ml/min/1.73m2
GLP-1 RA: bei T2DM ± Atherosklerose, CKD bei zu hohen Bz-Werten, trotz SGLT2-H./Metformin (eGFR ≥30ml/min/1.73m2); GLP-1 RA eGFR >15ml/min/1.73m2, evtl. weitere Bz senkende Medikamente. Gew. reduktion, zusätzliche Senkung des cv Risikos und Senkung einer Albuminurie durch GLP-1 RA.
Exercise Training: bei allen Patienten; Ausmass je nach Komorbiditäten. Wenn möglich mind. 150min./Woche bei mittlerer Intensität (50-70% max. HF), verteilt auf 3 Tage mit nicht mehr als 2 Tage Pause, zusätzlich 2x wöchentlich leichtes Krafttraining.

Wir können mit den RAAS-Hemmern in ausreichender Dosierung und den drei neuen Substanzen: SGLT2-H., GLP-1 RA und Finerenon das kardiovaskuläre und renale Risiko deutlich senken und so eine evidenzbasierte personenzentrierte Therapie nach den neuen internationalen Guidelines einleiten (1,4,18,19). Die Zukunft wird hier weitere Erkenntnisse (u.a. 6 medikamentöse Säulen) bringen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Jan Vontobel

Ärztlicher Direktor
Chefarzt Kardiologie
Hochgebirgsklinik Davos
Herman-Burchard-Strasse 1
7265 Davos Wolfgang

jan.vontobel@hgk.ch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Hauptbotschaften ESC Guidelines: Screening/Diagnose eines T2DM besonders bei einer cv Erkrankung; Bestimmung des cv Risikos (Score2-D., TOD, ASCVD). Gesunder Lifestyle. Häufige Bz-Kontrollen, vor allem bei cv Erkrankungen. Einsatz von SGLT2-H. u./od. GLP-1 RA unabhängig vom HbA1c. Therapie des BD, des Lipidprofils und Einleitung einer antithrombotischen Therapie bei einer ASCVD. Korrektes Management von Begleiterkrankungen; ein personalisiertes Vorgehen und ein gutes Selfmanagement.
◆ Heute werden SGLT2-H. bei Patienten mit einem T2DM ± einer Atherosklerose, einer CKD und einer HI (unabhängig von der LV-EF) standardmässig eingesetzt (Kl.I). Sie sind kardio- und nephroprotektiv; unabhängig von einem T2DM.
◆ Der GLP-1 RA hat bei einem T2DM mit Atherosklerose und hohem cv Risiko eine IA-Indikation. Bei der Adipositas Einsatz zur Gewichtsreduktion, bei einer HFpEF mit Adipositas zur Verbesserung der HI-Symptome, der körperlichen Einschränkung und der Lebensqualität. Nach der SELECT-Studie gehört Semaglutid heute zur medikamentösen Standardtherapie in der Sekundärprävention von cv Ereignissen bei Patienten mit vorbestehenden Herzkreislauferkrankungen und Übergewicht (BMI ≥27) /Adipositas.
◆ Eine RAAS-Blockade mittels ACE-H./ARB ist notwendig bei einer Hypertonie (>130/80mmHg) sowie bei einer Normotonie begleitet von einer Albuminurie ≥300mg/g oder bei einer diabetischen Nephropathie mit einer Albuminurie ≥30mg/g.
◆ Finerenon on top reduziert das Risiko von cv und renalen Endpunkten bei Patienten mit einem T2DM u. einer diabetischen Nephropathie – Einsatz: eGFR ≥25ml/min/1.73m².
◆ Eine regelmässige körperliche Aktivität von mind. 150min/Woche und 2x wö ein moderates Krafttraining ist als 5. Therapiesäule bei einem T2DM klar zu empfehlen.

 

1. Marx N. et al., 2023 ESC Guidelines for the management of cardiovascular disease in patients with diabetes, European Heart Journal (2023) 00, 1–98, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad192
2. Buchmann N. et al., Der koronarkranke Diabetiker: moderne Therapieansätze und Behandlungspfade, Aktuel Kardiol 2023 ;12 :137-142
3. KDIGO, Kidney Int Suppl 2013;3: 112-119
4. KDIGO, Kidney Int Suppl 2022; Clinical Practice Guideline for Diabetes Managment in CKD, Kidney International 2022;102 (suppl.5 S): S1-S127
5. Yanai H. et al., Exercise Therapy for Patients with Type 2 Diabetes: A Narrative Review, J Clin Med Res 2018; 10(5): 365-369
6. Dürst U., SGLT2-H. in der Therapie, Teil 1 Herzinsuffizienz, Der informierte Arzt, Sept. 2023
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12. Kosiborod MN et al., Semaglutide in patients with heart failure with preserved ejection fraction and obesity, 25. August 2023 DOI: 10.1056/NEJMoa2306963
13. Lincoff AM et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Obesity without Diabetes. N Engl J Med. 2023 Nov 11. doi: 10.1056/NEJMoa2307563. Epub ahead of print. PMID: 37952131
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19. Mancia G et al., ESH Guidelines 2023, J Hypertens 2023, Jun 21
20. American Diabetes Association, Diabetes care 2023;46(Suppl 1): S 191-S 202

Relevante Arzneistoffinteraktionen bei der Behandlung der Herzinsuffizienz und der Hypertonie

Polypharmazie ist der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten von Arzneimittelinteraktionen. Patienten mit Herzinsuffizienz oder Hypertonie haben oft eine Polypharmazie, wenn sie gemäss Leitlinien behandelt werden. Entsprechend hoch ist die Prävalenz von Arzneimittelinteraktionen bei diesen Patienten. Arzneimittelinteraktionen können die Pharmakokinetik von Arzneistoffen verändern, was meistens eine Folge der Hemmung oder Induktion von Enzymen zum Arzneistoffmetabolismus oder von Proteinen zum Arzneistofftransport ist. Daneben gibt es pharmakodynamische Interaktionen, wenn Arzneistoffe mit ähnlicher Wirkung aber unterschiedlichem Mechanismus kombiniert werden. Im Artikel gehe ich auf die wichtigsten Interaktionen von Arzneistoffklassen/Arzneistoffen ein, welche bei der Therapie der Herzinsuffizienz oder Hypertonie eine Rolle spielen.

Polypharmacy is the most important risk factor for the occurrence of drug interactions. Patients with heart failure or hypertension often have polypharmacy if they are treated according to guidelines. The prevalence of drug interactions is correspondingly high in these patients. Drug interactions can alter the pharmacokinetics of drugs, which is usually a result of the inhibition or induction of enzymes for drug metabolism or proteins for drug transport. There are also pharmacodynamic interactions when drugs with similar effects but different mechanisms are combined. In this article, I will discuss the most important interactions of drug classes/drugs that play a role in the treatment of heart failure or hypertension.
Key words: Polypharmacy, drug interactions, pharmacokinetics of drugs, heart failure, hypertension

Arzneistoffinteraktionen sind bei internistischen Patienten häufig anzutreffen. In einer von uns durchgeführten Studie hatten bei Spitaleintritt auf eine internistische Station ca. 30% der Patienten eine Arzneistoffinteraktion, die zu einer klinisch relevanten unerwünschten Wirkung hätte führen können (Vonbach et al., 2008). Bei Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz fanden wir bei Entlassung aus dem Spital bei 89% eine Arzneimittelinteraktion, die meisten davon wurden als hoch- oder mittelgradig relevant beurteilt (Straubhaar et al., 2006). Arzneistoffinteraktionen sind ein wichtiger Risikofaktor für das Entstehen von unerwünschten Wirkungen, aber nur bei einer Minderheit der Interaktionen treten unerwünschte Wirkungen auf (Egger et al., 2010). Trotzdem ist es wichtig, Interaktionen zu erkennen, das Risiko für das Auftreten sowie die möglichen Folgen einer unerwünschten Wirkung mit dem erwarteten Therapieerfolg zu vergleichen und zu entscheiden, ob die Interaktion toleriert oder aufgehoben werden soll. Der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten von Interaktionen ist die Polypharmazie (Rätz Bravo et al., 2005), welche gerade bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder Hypertonie oft vorkommt (Straubhaar et al., 2006). Allerdings wird in diesen Patientengruppen die Pharmakotherapie meist gemäss Richtlinien durchgeführt und ist deshalb standardisiert, was das Risiko für relevante Interaktionen senkt. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für das Auftreten von relevanten Interaktionen ist die Behandlung desselben Patienten durch verschiedene Ärzte (Tamblyn et al., 1996), was die Wichtigkeit einer guten Kommunikation zwischen den behandelnden Ärzten und die zentrale Rolle der Hausärzte bei der Vermeidung, Erkennung und dem Umgang mit Arzneistoffinteraktionen unterstreicht.

Bezüglich des Mechanismus von Arzneistoffinteraktionen kann grob zwischen pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Interaktionen unterschieden werden. Bei den pharmakokinetischen Interaktionen verändert sich die Plasmakonzentration des «Opfers» der Interaktion, währenddem bei pharmakodynamischen Interaktionen eine Kombination von Arzneistoffen mit ähnlichen pharmakodynamischen Eigenschaften (aber unterschiedlichem Wirkmechanismus) vorliegt. Die pharmakokinetischen Interaktionen beruhen meist auf der Hemmung oder Induktion des für den Abbau eines bestimmten Arzneistoffes verantwortlichen Enzyms oder des für den Transport des Arzneistoffes verantwortlichen Proteins. Die wichtigsten für den Arzneistoffmetabolismus verantwortlichen Enzyme, die Cytochrom P450 Enzyme (CYPs) und der wichtigste Arzneistofftransporter, das P-Glykoprotein (PGP) sind in der Tabelle 1 beschrieben. Im Gegensatz zu den pharmakokinetischen sind die pharmakodynamischen Interaktionen in der Kardiologie oft erwünscht, so z.B. bei der Kombination unterschiedlicher Antihypertensiva oder von Statinen mit Ezetimib zur Senkung des LDL-Cholesterins. Ob eine Interaktion klinisch relevant ist oder nicht hängt im Wesentlichen von der unerwünschten Wirkung ab, welche als Folge einer bestimmten Interaktion auftreten kann.

In der Folge gehe ich auf klinisch relevante Interaktionen bei Patienten mit Herzinsuffizienz und bei Patienten mit Hypertonie ein. Zusätzlich beschreibe ich auch die relevanten Interaktionen von Colchicin, welches zunehmend häufig bei Patienten mit Peri- und/oder Myokarditis eingesetzt wird. Die Interaktionen von Arzneistoffen in anderen Gebieten der Kardiologie (Therapie und Prophylaxe der koronaren Herzkrankheit und Embolieprophylaxe bei Vorhofflimmern) werden in einem Folgeartikel besprochen werden.

1. Interaktionen mit Arzneistoffen zur Therapie der Herzinsuffizienz

Wichtige Arzneistoffgruppen, welche bei der Therapie von Patienten mit Herzinsuffizienz gebraucht werden, sind ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker (ARBs), Betablocker, SGLT2-Hemmer, Mineralkortikoidrezeptor-Hemmer (MKR-Hemmer) und Schleifendiuretika. Die wichtigsten Interaktionen von Arzneistoffen für die Therapie der Herzinsuffizienz sind in Tabelle 2 gelistet.

ACE-Hemmer

ACE-Hemmer werden als Ester (Ester sind Prodrugs, welche durch Esterasen zu den entsprechenden Säuren hydrolysiert werden) oder Säuren verabreicht, welche in der Regel nicht metabolisiert renal und/oder biliär ausgeschieden werden. Pharmakokinetische Interaktionen via CYPs oder PGP sind deshalb nicht zu erwarten. In der Literatur sind Fallberichte bezüglich Hemmung der renalen Ausscheidung von Lithium zu finden. Allerdings lag bei diesen Patienten oft auch eine Niereninsuffizienz (eventuell verschlimmert durch Akkumulation von vorwiegend renal eliminierten ACE-Hemmern wie Lisinopril) oder eine gleichzeitige Verabreichung von Thiaziden vor (Hommers et al., 2019). Unter Kontrolle der Nierenfunktion und Vermeidung von Arzneistoffen, welche die Elimination von Lithium behindern (wie Thiazide) sowie regelmässiger Bestimmung des Lithiumspiegels können ACE-Hemmer aus meiner Sicht gleichzeitig mit Lithium verabreicht werden.

Zu den pharmakodynamischen Interaktionen gehören der mögliche Blutdruckabfall zu Beginn der Therapie mit einem ACE-Hemmer bei Patienten, welche schon mit einem Schleifendiuretikum behandelt werden sowie die Hyperkaliämie bei Kombination mit MKR-Hemmern und/oder Zufuhr von Kalium. Die initiale Hypotonie kann durch vorsichtige Eintitration des ACE-Hemmers vermieden werden. ACE-Hemmer und ARBs gehören zur etablierten Therapie bei Herzinsuffizienz mit verminderter LVEF (HFrEF), ebenso die MKR-Hemmer Spironolacton und Eplerenon. Da sowohl ARBs/ACE-Hemmer und MKR-Hemmer durch Verminderung der Wirkung von Aldosteron zu einer Hyperkaliämie führen können, entsteht bei gleichzeitiger Einnahme eine pharmakodynamische Interaktion. Diese führt nur selten zur Hyperkaliämie, wenn die Patienten engmaschig überwacht werden. Faktoren, welche das Auftreten einer Hyperkaliämie bei solchen Patienten wahrscheinlicher machen, sind die gleichzeitige Zufuhr von Kalium und eine Niereninsuffizienz. Dem Auftreten einer Hyperkaliämie bei mit ACE-Hemmern/ARBs und MKR-Hemmern behandelten Patienten liegt dementsprechend oft eine prärenale Niereninsuffizienz zugrunde, sei es durch ungenügende Flüssigkeitszufuhr, Wasserverlusten durch Erbrechen/Diarrhöe oder durch überdosierte Schleifendiuretika. Die Nierenfunktion muss deshalb bei mit ACE-Hemmern/ARBS und MKR-Hemmern behandelten Patienten gut überwacht werden, insbesondere wenn weitere Risikofaktoren für eine Hyperkaliämie dazukommen.

Die Kombination des Neprilysinhemmers Sacubitril mit ACE-Hemmern muss vermieden werden, da es darunter zu einem Anstieg von Bradykinin und damit zu angioneurotischem Ödem kommen kann. Bei einem Wechsel von einem ACE-Hemmer auf die Kombination ARB/Sacubitril muss deshalb ein genügender zeitlicher Abstand (im Kompendium steht 36 Stunden, besser sind 5 Halbwertszeiten des ACE-Hemmers) eingehalten werden.

Betablocker

Bei der Therapie der Herzinsuffizienz gebraucht werden die kardioselektiven Betablocker Bisoprolol, Metoprolol und Nebivolol (Block der β1-Adrenozeptoren) und das nicht-selektive Carvedilol (Block der β1-, β2- und α1-Adrenozeptoren). Die stark lipophilen Betablocker Nebivolol und Carvedilol werden zu fast 100% metabolisiert (CYP2D6 für Nebivolol und CYP3A4, 2D6, 2A1 und 2C9 für Carvedilol). Bisoprolol und Metoprolol sind weniger lipophil und werden zu 50% (Bisoprolol) oder 40% (Metoprolol) unverändert renal ausgeschieden. Der Rest wird via CYP2D6 oxidiert und vorwiegend renal ausgeschieden.

CYP2D6 ist das Hauptsächlichste an der Metabolisierung von Betablockern beteiligte CYP. CYP2D6 kann nicht induziert, sondern nur gehemmt werden (Berger et al., 2016). Die wichtigsten Hemmer von CYP2D6 sind in Tabelle 1. aufgelistet. Relevant könnte die gleichzeitige Verabreichung eines starken CYP2D6-Hemmers vor allem für Nebivolol sein, da Nebivolol zu fast 100% via CYP2D6 metabolisiert wird. Der Effekt von Nebivolol wird in diesem Fall zunehmen, was klinisch an der daraus resultierenden Bradykardie und allenfalls Hypotonie gut erkennbar ist. Für die Wirkung von Metoprolol und Bisoprolol wird eine Hemmung von CYP2D6 weniger relevant sein, da ein beträchtlicher Anteil unverändert renal eliminiert wird. Beim Abbau von Carvedilol sind verschiedene CYPs beteiligt. Entsprechend steigt die Exposition nach Verabreichung des CYP2D6 Blockers Paroxetin um ca. 70% und nach Amiodaron (mittelstarker Blocker von CYP3A4, 2D6 und 2C9) um einen Faktor von ca. 2, was klinisch relevant ist.

Bei den Betablockern sind nebst den pharmakokinetischen auch die pharmakodynamischen Interaktionen erwähnenswert. Nicht-selektive Betablocker hemmen durch Block der β2-Adrenozeptoren die Glykogenolyse (Abbau von Glykogen stimuliert via Aktivierung von β2-Adrenozeptoren durch Adrenalin) und damit eine Gegenregulation bei Hypoglykämie. Zudem hemmen alle Betablocker das Auftreten einer Tachykardie bei Hypoglykämie. Wenn Betablocker bei Diabetikern angewendet werden, sollten also kardioselektive gewählt werden, um nicht das Risiko für Hypoglykämien zu erhöhen. Zudem sollten Patienten darauf hingewiesen werden, dass die Symptome einer Hypoglykämie verschleiert sein können. Da Betablocker negativ inotrop wirken und die AV-Überleitung hemmen, verstärken sie diese Effekte bei den gleichzeitig verabreichten Calciumantagonisten Verapamil und Diltiazem. Der negative Effekt auf die AV-Überleitung muss auch bei einer Kombination mit Digoxin oder Amiodaron beachtet werden. Wie oben beschrieben, führt Amiodaron via CYP-Hemmung zusätzlich noch zu einer höheren Exposition von v.a. Carvedilol. Die Effekte auf die AV-Überleitung können natürlich erwünscht sein, wichtig ist das Erkennen der Interaktion und die Kontrolle der so behandelten Patienten.

SGLT2-Hemmer

In der Schweiz sind gegenwärtig die 4 SGLT2-Inhibitoren Canagliflozin, Dapagliflozin, Empagliflozin und Ertugliflozin im Handel. SGLT2-Inhibitoren haben eine gute Bioverfügbarkeit (≥65%) eine hohe Proteinbindung (≥86%) und werden vorwiegend glukuronidiert, aber nicht via CYPs abgebaut. Alle sind PGP-Substrate, weshalb bei gleichzeitiger Anwendung von PGP-Induktoren (siehe Tabelle 1), die Exposition (AUC) der Gliflozine sinkt (um 40-50% für Canagliflozin und Ertugliflozin). Die Hemmung von PGP spielt demgegenüber fast keine Rolle, weil die Bioverfügbarkeit schon fast 100% beträgt und nicht nennenswert gesteigert werden kann.
Alle SGLT2-Hemmer senken die Lithiumkonzentration im Serum, was klinisch bedeutsam sein kann. Eine erwartete pharmakodynamische Interaktion ist ein erhöhtes Risiko für Dehydration bei mit Schleifendiuretika behandelten Patienten.

Schleifendiuretika

Die Schleifendiuretika Furosemid und Torasemid haben eine gute orale Bioverfügbarkeit (≥65%) und werden vorwiegend renal mittels Filtration und Sekretion ausgeschieden. Furosemid wir zu einem geringen Anteil glukuronidiert (ca. 15%), währenddem Torasemid zu ca. 75% oxidativ (CYP2C9 und 2C8) abgebaut wird. Enzyminduktoren wie z.B. Rifampicin könnten deshalb den diuretischen Effekt von Torasemid vermindern. Beide Schleifendiuretika erhöhen die Lithiumkonzentration im Serum, was beachtet werden muss.

Bedeutsam sind auch die pharmakodynamischen Interaktionen wie Verstärkung des Effekts von Digoxin bei Hypokaliämie, mögliche Hypotonie in Kombination mit ACE-Hemmern oder ARBs bei Therapiebeginn und v.a. das Auftreten einer Niereninsuffizienz in Kombination mit NSAR inklusive COX2-Inhibitoren. Bezüglich Niereninsuffizienz sind v.a. Patienten gefährdet, welche dehydriert und zum Offenhalten der glomerulären Durchblutung auf renal produzierte Prostaglandine angewiesen sind.

Mineralkortikoidrezeptor-Hemmer
(MKR-Hemmer)

Dazu gehören Spironolacton und Eplerenon. Spironolacton hat eine fast 100%-ige orale Bioverfügbarkeit und wird via Hydrolyse des Lactonrings zu Canrenon umgewandelt, welches das wirksame Prinzip darstellt. Canrenon wird vorwiegend unverändert renal via Filtration und Sekretion eliminiert. Die Bioverfügbarkeit von Eplerenon beträgt ca. 70%. Im Gegensatz zu Spironolacton ist Eplerenon kein Prodrug; es wird zu ca. 70% renal eliminiert, aber nur etwa 5% als unveränderte Substanz. Der Metabolismus geschieht v.a. via Oxidation durch CYP3A4.

Die Interaktion von Spironolacton und Eplerenon mit ACE-Inhibitoren und ARBs, welche eine Hyperkaliämie begünstigt, ist schon dort beschrieben. Zudem hemmen Spironolacton (Waldorff et al., 1983) und Eplerenon die tubuläre Sekretion von Digoxin, der Digoxinspiegel steigt um ca. 20%. Interaktionen mit CYP-Hemmern und Induktoren spielen nur für Eplerenon eine Rolle. Bei gleichzeitiger Anwendung von starken CYP3A4-Inhibitoren erhöht sich die Exposition von Eplerenon (AUC) um mehr als den Faktor 2, weshalb diese laut Kompendium kontraindiziert sind. Entsprechend fällt die AUC von Eplerenon bei gleichzeitiger Einnahme von CYP3A4 Induktoren. Bei einer Langzeittherapie mit CYP3A4 Induktoren empfiehlt sich deshalb ein Wechsel von Eplerenon auf Spironolacton.

2. Interaktionen mit Arzneistoffen zur Therapie der Hypertonie

Wichtige Arzneistoffgruppen, welche bei der Therapie von Patienten mit Hypertonie gebraucht werden, sind ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker (ARBs), Calciumantagonisten, Thiazide, Betablocker, Mineralkortikoidrezeptor-Hemmer (MKR-Hemmer), α2-Adreno­zep­toren-Agonisten und α1-Adrenozeptoren-Blocker. ACE-Hemmer, ARBs, Betablocker und MKR-Hemmer sind bereits bei der Therapie der Herzinsuffizienz besprochen worden. Die wichtigsten Interaktionen von Arzneistoffen für die Therapie der Hypertonie sind in Tabelle 3 gelistet.

Calciumantagonisten

Alle Calciumantagonisten sind lipophile Substanzen, welche fast vollständig metabolisiert werden. CYP3A4 ist das wichtigste Enzym, welches am Metabolismus von Calciumantagonisten beteiligt ist, was die meisten pharmakokinetischen Interaktionen dieser Arzneistoffgruppe erklärt. Aufgrund der Struktur können die Dihydropyridine (Amlodipin, Felodipin, Isradipin, Lercanidipin und Nifedipin) von Verapamil und Diltiazem unterschieden werden. Mit Ausnahme von Amlodipin und Diltiazem haben die Calciumantagonisten eine Bioverfügbarkeit von <50%, bedingt durch einen relevanten first-pass Effekt. Der Abbau erfolgt dabei schon im Darm (die Dünndarmepithelien haben eine hohe Expression von CYP3A4), was durch einen relevanten Anstieg der Exposition nach Einnahme von Grapefruitsaft gezeigt werden kann (Dresser et al., 2000) (Grapefruitsaft hemmt CYP3A4 nur im Darm, aber nicht in der Leber (Kupferschmidt et al., 1995)). CYP3A4-Hemmer steigern die Exposition und Wirkung aller Calciumantagonisten, wobei der Effekt auf Diltiazem und Amlodipin weniger gross ist als derjenige auf die übrigen Calciumantagonisten. Demgegenüber senken CYP3A4 Induktoren Exposition und Wirkung aller Calciumantagonisten. Da der Blutdruck gut überwacht werden kann, spielen diese Interaktionen klinisch eine eher untergeordnete Rolle.

Diltiazem und Verapamil (aber nicht die Dihydropyridine) sind gleichzeitig auch mittelstarke Hemmer von CYP3A4, was klinisch relevant sein kann und beachtet werden sollte. Verapamil hemmt zudem PGP, was die Exposition von PGP-Substraten wie z.B. Digoxin um 60-90% (Verschraagen et al., 1999) oder Dabigatran um 100-150% steigert (Härtter et al., 2013). PGP wird nicht nur in Darmepithelien, sondern auch in der canaliculären Membran der Hepatozyten, in den proximalen Tubuluszellen der Niere und in den Endothelien der Hirnkapillaren exprimiert. Währendem der Effekt von Verapamil auf Dabigatran durch eine Steigerung der Bioverfügbarkeit erklärt werden kann, ist derjenige auf Digoxin vor allem eine Folge der gehemmten tubulären Sekretion.

Im Gegensatz zu den Dihydropyridinen sind Diltiazem und Verapamil negativ inotrop und hemmen die AV-Überleitung. Mit Digoxin und auch mit Betablockern, welche die AV-Überleitung ebenfalls hemmen, kommt es also zu einer pharmakodynamischen Interaktion, welche bei der Behandlung des tachykarden Vorhofflimmerns erwünscht sein kann, aber erkannt werden muss.

Thiazide

Als Antihypertensiva werden in der Schweiz vor allem Hydrochlorothiazid und Chlortalidon gebraucht. Beide haben eine gute Bioverfügbarkeit und werden via Filtration und Sekretion fast vollständig unverändert renal eliminiert.

Thiazide erhöhen die Lithiumkonzentration, was bei mit Lithium behandelten Patienten beachtet werden muss. Gleichzeitig verabreichte NSAIDs oder COX2-Hemmer verringern den antihypertensiven Effekt von Thiaziden, am ehesten wegen verstärkter Natriumretention unter NSAIDs/COX2-Hemmern. Die Kombination mit ACE-Hemmern oder ARBs ist beliebt; einerseits wegen des additiven antihypertensiven Effekts, andrerseits auch, weil die Tendenz der ACE-Hemmer und ARBs zu Hyperkaliämie durch die Thiazide ausgeglichen wird.

α2-Adrenozeptor-Agonisten

Als Antihypertensivum wird aus dieser Gruppe Clonidin verwendet. Clonidin hat eine gute Bioverfügbarkeit und wird zu ca. 50% unverändert renal ausgeschieden. Die Stimulation der präsynaptischen α2-Adrenozeptoren im Hirnstamm führt zu einer Reduktion des Sympathikus in der Peripherie und damit Blutdrucksenkung sowie zu Mundtrockenheit und Sedation als unerwünschte Wirkungen.

Wegen der Reduktion der Sympathikusaktivität verlangsamt Clonidin die AV-Überleitung, was bei einer Kombination mit Betablockern, Digoxin, Verapamil oder Diltiazem beachtet werden muss (Markowitz and Patrick, 2001). Der sedierende Effekt von Clonidin wird durch andere sedierende Medikamente und auch durch Alkohol verstärkt. α2-Adrenozeptorantagonisten wie z.B. Mirtazapin können den antihypertensiven Effekt von Clonidin vermindern oder aufheben. In der Literatur sind Fälle beschrieben, in denen es beim schnellen Absetzen von Clonidin insbesondere bei Patienten, welche gleichzeitig mit Propranolol behandelt werden, zu einem gefährlichen Anstieg des Blutdrucks kommen kann (Markowitz and Patrick, 2001). Reboundphänomene sind unter Clonidin gut bekannt, weshalb dieses generell langsam ausgeschlichen werden sollte. Da Propranolol die β2-Adrenozeptoren hemmt, welche eine Vasodilatation vermitteln, kann der Blutdruckanstieg nach schnellem Absetzen von Clonidin noch verstärkt werden.

α1-Adrenozeptor-Antagonisten

Doxazosin ist der in der Schweiz gebräuchliche Alphablocker. Doxazosin hat eine gute Bioverfügbarkeit (65%) und eine hohe Proteinbindung (98%) und wird vorwiegend renal und 95% metabolisiert ausgeschieden. CYP3A4 ist das hauptsächlich am Metabolismus von Doxazosin beteiligte Enzym.

Entsprechend steigt die Exposition von Doxazosin in Kombination mit CYP3A4 Inhibitoren. Diese Interaktion kann klinisch relevant sein, weil dosisabhängige unerwünschte Wirkungen von Doxazosin, insbesondere die Neigung zu Orthostase, verstärkt auftreten können. Im Gegensatz dazu können CYP3A4 Induktoren die Wirkung von Doxazosin abschwächen. Eine pharmakodynamische Interaktion ist das Auftreten von Hypotonien bei gleichzeitiger Einnahme von PD5-Inhibitoren wie z.B. Sildenafil. Mit Doxazosin behandelte Patienten sollten darauf hingewiesen werden, keine PD5-Inhibitoren einzunehmen.

3. Colchicin

Colchicin ist ein Alkaloid der Herbstzeitlose. Die orale Bioverfügbarkeit beträgt wegen eines relevanten first-pass Effektes ca. 50%. Es ist zu 50% proteingebunden und wird zu ca. 50% unverändert renal via Filtration und Sekretion ausgeschieden. 50% werden durch CYP3A4 metabolisiert (O-Demethylierung) und vorwiegend biliär eliminiert. Die Halbwertszeit liegt bei 15-30 Stunden, Colchicin unterliegt einem enterohepatischen Kreislauf. Colchicin ist, wie oben ausgeführt, ein Substrat von CYP3A4 und auch von PGP.

Die Interaktionen von Colchicin sind kürzlich sehr gut zusammengefasst worden (Hansten et al., 2023). Die pharmakokinetischen Interaktionen sind aufgrund der Substrateigenschaften von Colchicin voraussagbar. CYP3A4- and PGP-Hemmer steigern die Exposition von Colchicin und Induktoren senken sie. Starke CYP3A4/PGP-Hemmer wie Clarithromycin, Imidazolantimykotika und Proteaseinhibitoren können den Colchicinspiegel bis 10-fach erhöhen und sollten deshalb vermieden werden. Mittelstarke CYP3A4/PGP-Hemmer wie Amiodaron, Diltiazem und Verapamil führen zu einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Colchicinexposition, weshalb in diesem Fall die Dosierung von Colchicin um 50% gesenkt werden sollte. Cyclosporin ist ein mittelstarker bis starker CYP3A4/PGP-Hemmer und führt zu einer Verfünffachung der Colchicinexposition. Allerdings sind beide Substanzen myotoxisch, weshalb die Kombination Cyclosporin/Colchicin aus meiner Sicht kontraindiziert ist. Andere mit Myotoxizität assoziierte Arzneistoffgruppen wie z.B. Fibrate und Statine erhöhen das Risiko für Myotoxizität, aber nicht die Exposition von Colchicin. Falls Colchicin mit solchen Arzneistoffen kombiniert wird, sollten die Patienten auf das erhöhte Risiko für Myopathien hingewiesen und entsprechend überwacht werden.

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Prof. em. Dr. med. et pharm. Stephan Krähenbühl

Klinische Pharmakologie & Toxikologie
Universitätsspital
4031 Basel

stephan.kraehenbuehl@usb.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im
Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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