ChatGPT in der Medizin: Zwischen Revolution und Vorsicht

ChatGPT (Chat Generative Pre-trained Transformer) weckt weltweit in der Medizinbranche sowohl Hoffnung als auch Bedenken. Experten betonen sein revolutionäres Potenzial für den Gesundheitssektor, mahnen aber gleichzeitig zu einer durchdachten Einführung und kritischen Nutzung, um Risiken zu vermeiden. ChatGPT, entwickelt von OpenAI, einem Unternehmen mit Sitz in Kalifornien, erfreut sich grosser Beliebtheit und findet bereits im Alltag vielfältige Anwendung, beispielsweise im Bereich Kundenservice und Support, als Assistent für E-Mail und Präsentationserstellung, in sozialen Medien, bei der Programmierung und Softwareentwicklung sowie in der Bildung und Lehre.

Was ist eigentlich ChatGPT?

ChatGPT ist ein fortschrittliches Sprachmodell (Large Language Model), das auf der Transformer-Architektur basiert. Es wurde durch die Analyse einer riesigen Menge an Textdaten trainiert, um Sprachmuster, Grammatik und Stil zu erkennen. Der Chatbot wurde mit einem umfangreichen Textdatenkorpus trainiert, der etwa 570 GB an Datensätzen umfasst, einschliesslich Webseiten, Büchern und weiteren Quellen. Dies klingt zwar nach einer sehr grossen Datenmenge, doch da es sich um reine Textdaten handelt und das Modell die Daten nicht selbst speichert, sondern nur auf deren Basis trainiert wurde, ist der tatsächliche Speicherbedarf relativ gering. Das Sprachmodell kann bereits 50 Sprachen und verarbeitet ca. 10 Millionen Anfragen pro Tag von 100 Millionen wöchentlichen Nutzern. Dieses Training ermöglicht es ChatGPT, Texte zu generieren, die in Struktur und Inhalt menschenähnlich sind. Bei der Verarbeitung einer Benutzereingabe zerlegt ChatGPT den Text in kleinere Einheiten, sogenannte Tokens, und generiert daraufhin eine Antwort, indem es das nächste wahrscheinliche Token basierend auf dem Kontext der vorherigen Tokens vorhersagt. Anders gesagt, wenn ich dem System ein Wort eingebe, ermit­telt es anhand statistischer Wahrscheinlichkeiten, welches Wort wahrscheinlich folgen wird. Dieser Prozess ermöglicht es ChatGPT, kohärente und kontextbezogene Antworten zu formulieren. Darüber hinaus kann ChatGPT für spezifische Aufgaben oder Richtlinien feinabgestimmt werden, um bestimmten ethischen oder praktischen Standards zu entsprechen.

In der Praxis kann ChatGPT eine breite Palette von Aufgaben bewältigen, die ein Verständnis natürlicher Sprache erfordern, von der Beantwortung von Fragen bis hin zur Textgenerierung, indem es auf sein umfangreiches Training und seine Fähigkeit, den Kontext zu verstehen, zurückgreift. Also, zusammengefasst, besitzt das Modell kein intrinsisches Wissen, sondern stützt sich auf statistische Analysen. Es ist momentan nicht angebracht, zu behaupten, dass dies der menschlichen Intelligenz in irgendeinem Aspekt gleichkommt. Trotzdem eröffnet es schon jetzt zahlreiche Anwendungsbereiche, einschliesslich in der Herz-Gefässmedizin. Es ist wichtig zu betonen, dass ChatGPT und ähnliche Künstliche Intelligenz (KI)-Tools die fachliche Expertise und Urteilskraft von medizinischem Personal nicht ersetzen können.

Einsatz von ChatGPT in der Herz-Gefässmedizin

Ärzte können ChatGPT für verschiedene Aufgaben nutzen, darunter Informationsrecherche zu medizinischen Themen, Unterstützung bei der Patientenkommunikation durch Generierung verständlicher Erklärungen medizinischer Sachverhalte und Übersetzungen in alle Sprachen, Hilfe bei der Ausbildung und Weiterbildung durch Bereitstellung von Lehrmaterialien und als Hilfsmittel zur Ideenfindung für Forschungsprojekte. Andererseits wird ChatGPT bereits von vielen Patienten genutzt, um bestimmte Diagnosen und Vorschläge selbst zu erforschen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie schnitt sogar ChatGPT besser ab als Fachpersonen, wenn es darum geht, auf Online-Medizinforen zu beraten. Die Studie, durchgeführt auf der Plattform AskDocs mit ca. 452’000 Mitgliedern, die es Menschen ermöglicht, medizinische Fragen zu stellen, die von verifizierten Gesundheitsfachkräften beantwortet werden, sammelte insgesamt 195 Dialoge. In dieser Studie, bei der Patientenfragen aus dem AskDocs-Subreddit von Reddit gesammelt und sowohl von Ärzten als auch von ChatGPT beantwortet wurden, wurden die Antworten von ChatGPT als deutlich besser gewertet. Im Detail wurde die Studie wie folgt durchgeführt: Die ursprünglichen Fragen wurden anschliessend ChatGPT gestellt, dessen Antworten von einem Gremium aus drei lizenzierten Ärzten bewertet wurden. Die Ärzte verglichen die Antworten hinsichtlich Informationsqualität und Einfühlungsvermögen. Jede Bewertung erfolgte auf einer fünfstufigen Skala von “sehr schlecht” bis “sehr gut” für die Qualität bzw. von “nicht empathisch” bis “sehr empathisch” für das Einfühlungsvermögen. In 78,6% der 585 abgeschlossenen Bewertungen bevorzugte das Gremium die Antworten von ChatGPT gegenüber denen der Ärzte. Die Antworten von ChatGPT waren mit 168 bis 245 Wörtern auch länger als die der Ärzte, die zwischen 17 und 62 Wörtern lagen. Die Antworten der KI wurden zudem signifikant höher sowohl in Bezug auf Qualität als auch Empathie bewertet. Im Durchschnitt erzielten ChatGPTs Antworten eine 4 in Qualität und eine 4,67 in Empathie. Im Vergleich dazu erreichten die Antworten der Ärzte eine 3,33 in Qualität und 2,33 in Empathie. Insgesamt hatte ChatGPT 3,6-mal mehr qualitativ hochwertige Antworten und 9,8-mal mehr empathische Antworten als die Ärzte. Also, KI scheint nicht nur akkurater, sondern auch empathischer zu sein.

Weitere Sprachmodelle

Eine weitere Applikation hat Google entwickelt mit “Google Gemini”, vormals bekannt als “Google Bard”. Dies widerspiegelt eine revolutionäre Software, die das Potenzial hat, die medizinische Suche und Forschung zu transformieren. Diese KI-basierte Anwendung bietet ähnliche Funktionen wie das bekannte KI-Tool ChatGPT, ist jedoch speziell darauf ausgerichtet, medizinischen Fachkräften und Patienten massgeschneiderte Unterstützung zu bieten. Gemini ermöglicht es, individuelle Antworten auf komplexe medizinische Fragen zu generieren, fachspezifische Texte zu verfassen und zu bearbeiten sowie bei der medizinischen Forschung und Programmierung von gesundheitsbezogenen Anwendungen zu assistieren. Ein besonderer Vorteil von Gemini ist seine Fähigkeit, selbst in der kostenlosen Version, mit den neuesten medizinischen Informationen zu arbeiten. Neben Gemini hat Google mit Med-PaLM, kurz für „Medical Pre-trained Attention-based Language Model“, ein medizinspezifisches Modell präsentiert. Im Gegensatz zu ChatGPT, (KI für allgemeine Zwecke), wurde Med-PaLM speziell für den Einsatz im medizinischen Bereich konzipiert und basiert auf 540 Milliarden Parametern. Ein in Nature veröffentlichter Bericht zeigt, dass die von Med-PaLM erzeugten Antworten “sich sehr akkurat mit den Antworten von Klinikern vergleichen lassen.” Dieser spezial­isierte Ansatz von Google zeigt eine gezielte Bemühung, KI in die Gesundheitssysteme zu integrieren.

Risiken von Sprachmodellen

Obwohl diese neuen Tools in Zukunft nicht mehr wegzudenken sind, ist es auch wichtig, dass man sich der Limitationen und Risiken von solchen KI-gesteuerten Systemen bewusst ist. Anwender, die nicht mit den zugrundeliegenden Prozessen vertraut sind, übersehen leicht, dass auch fortschrittliche KI-Systeme im Kern auf Mustererkennung beruhen und Sätze generieren, die lediglich auf Wahrscheinlichkeitsanalysen basieren. Somit repräsentieren sie, entgegen der durch den Namen implizierten Annahme, keine Intelligenz im herkömmlichen Verständnis. Die Nutzung von ChatGPT in der Medizin birgt Risiken, darunter die Genauigkeit der Informationen, Datenschutzbedenken und die potenzielle Abhängigkeit von KI-gesteuerten Entscheidungen. Fehlinformationen können zu fehlerhaften Diagnosen oder Behandlungsempfehlungen führen. Die Haftung und wer dafür verantwortlich wäre in einem solchen Fall ist nicht geklärt, und ob ein solches System als Medizinprodukt zuerst geprüft und zugelassen werden muss, sind alles offene Fragen. Datenschutz ist ebenfalls kritisch, da sensible Patientendaten geschützt werden müssen. Zudem könnte eine übermässige Abhängigkeit vom KI-System die klinische Urteilsfähigkeit beeinträchtigen. Eine sorgfältige Überwachung und regulative Massnahmen sind notwendig, um diese Risiken zu minimieren. Deshalb ist es wichtig, trotz des enormen revolutionären Potenzials von KI, diese Bedenken bezüglich der Systeme von ChatGPT und Co. ernst zu nehmen und nicht blind den neuen Systemen zu vertrauen, ohne diese zu hinterfragen.

Dieser Text wurde von ChatGPT 4.0 auf Grammatik und Stil korrigiert.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. Dr. med. Christoph Gräni

PhD, FESC, FACC, FSCCT, FSCMR
Leiter kardiale Bildgebung
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

christoph.graeni@insel.ch

Es besteht keine Beteiligung des Autors an den erwähnten Produkten, weder in Bezug auf deren Entwicklung noch in finanzieller Hinsicht.

1. https://openai.com/
2. https://chat.openai.com/
3. https://gemini.google.com/
4. https://sites.research.google/med-palm/
5. Ayers JW et al. JAMA Intern Med. 2023;183(6):589-596. doi:10.1001/jamainternmed.2023.1838
6. Singhal, K et al. Nature 620, 172–180 (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-023-06291-2

SGLT2-Hemmer haben auch ein therapeutisches Potential bei einer Gicht

In den letzten Monaten haben wir in vier Artikeln über den Einsatz von SGLT2-H., dem kardio-, nephro- und hepatoprotektiven oralen Antidiabetikum, berichtet (1-4). Heute beleuchten wir kurz die positive Wirkung von SGLT2-H. bei erhöhter Harnsäure resp. bei der Gicht.
Mehrere randomisierte klinische Herzinsuffizienz- und CKD-Studien mit und ohne T2DM haben die SGLT2-H. mit niedrigeren Serumharnsäurespiegeln in Verbindung gebracht. Es fehlen aber bis heute prospektive Studien zum Thema SGLT2-H. und Gicht. Neben der verminderten Glukose- und Natrium- Rückresorption aus dem Primärharn ins Blut senken die SGLT2-H. auch den Serumharn­säurespiegel. Bei Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM), bei einer Hypertonie, Adipositas und einer Herzinsuffizienz (HI) mit reduzierter LVEF findet man häufiger eine Hyperurikämie resp. eine Gicht. Die erhöhte Harnsäure, welche zu 90% renal eliminiert wird, ist auch ein Risikofaktor für eine chronische Niereninsuffizienz (CKD) und assoziiert mit einem erhöhten kardiovaskulärem (cv) Risiko und cv Erkrankungen und daher ein Prädiktor für den cv Tod.

In einer grossen epidemiologischen Kohortenstudie im Jahre 2020 (Versicherungsdaten) aus den USA mit 295’907 Erwachsenen mit T2DM, denen ein SGLT2-H. verschrieben wurde, hatten diese Personen eine geringere Gichtrate von -36% (HR 0,64) als diejenigen, denen ein GLP-1 Rezeptoragonist verschrieben wurde: 4,9 versus 7,8 Ereignisse/1000 Personenjahre (5). In einer ähnlichen Kohortenstudie, aus Taiwan im Jahre 2021, konnte ebenfalls eine Verbesserung der Gichtinzidenz im Vergleich zur Einnahme von DPP-4-Hemmern bei T2DM aufgezeigt werden, mit einer Risikoreduktion von 11% (6). In zwei weiteren Beobachtungsstudien im Jahre 2023 aus Grossbritannien konnte bei Patienten mit Gicht und T2DM durch die Gabe eines SGLT2-H. wiederkehrende Gicht-Schübe und deren Folgen deutlich reduziert werden. Es kam auch zu weniger Notfallkonsultationen und Hospitalisationen und zu einer Mortalitätsreduktion (7, 8).

Hyperurikämie kommt bei einer HI mit einer LV-EF <40% nach der EMPEROR-reduced Studie häufig vor (Prävalenz 53%) und ist ein unabhängiger Prädiktor für den fortgeschrittenen Schweregrad der Erkrankung und eine erhöhte Sterblichkeit. Empagliflozin 10mg bewirkte eine rasche und anhaltende Senkung der Harnsäurewerte im Serum und der mit Hyperurikämie verbundenen klinischen Ereignisse um 32%. Der Nutzen von Empagliflozin für den primären Endpunkt wurde unabhängig vom Harnsäurewert beobachtet (9). Die üblichen Gichtmittel sind bei einer HI zu vermeiden. Diuretika können den Harnsäurespiegel, via Einschränkung der renalen Ausscheidung, erhöhen und führen bekanntlich zu mehr Gichtanfällen.

Der Wirkungsmechanismus dürfte die Senkung des Harnsäurespiegels unter SGLT2-H. sein und es besteht u.a. eine zusätzliche antientzündliche, antioxidative Komponente (9). Diese urikosurische Wirkung ist weniger ausgeprägt als mit Allopurinol oder Febuxostat. Der Harnsäurespiegel konnte in der EMPEROR-reduced Studie nach 4 Wochen durchschnittlich um 59umol/l gesenkt werden.

Ein sehr schöner lesenswerter Übersichtsartikel zum Thema «Hyperurikämie, Gicht und Herz – eine kritische Diskussion im Licht der aktuellen Literatur» findet man in der Akt Rheumatol 2021; 46:70–75, welcher im Internet frei zugänglich ist (10). Ergänzend müssen 2024 nun auch obige Arbeiten (5-9) berücksichtigt werden.

Im Moment sind SGLT2-Inhibitoren nicht für die Behandlung dieser rheumatologischen Erkrankung zugelassen. Diese Patienten sollten aber das Medikament wegen den gehäuften und begleitenden Komorbiditäten (T2DM, HI, CKD) auf Grund der überzeugenden protektiven Studien-Resultate (1,2) und den aktuellen internationalen Leitlinien (1,2,4) einnehmen.

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

1. Dürst U., SGLT2-H. in der Therapie, Teil 1 Herzinsuffizienz, Der informierte Arzt, Sept.2023
2. Dürst U., SGLT2-H. in der Therapie; Teil 2 Niereninsuffizienz, Der informierte Arzt, Nov. 2023
3. Dürst U., SGLT2-H. in der Therapie; Teil 3 Lebersteatose, Der informierte Arzt, Jan. 2024
4. Vontobel J., Dürst U., 2023 ESC-Guidelines «CV-Erkrankungen + Diabetes», Herz+Gefäss März 2024
5. Fralick M. et al., Assessment of gout risk with SGLT2-I. in T2DM, Annals of Internal Medicine, 2020,172 (3):186-194
6. Chung M-Ch. et al, Association of SGLT2-I. use for T2DM and Incidende of Gout in Taiwan, JAMA Network Open 2021; 4(11): e 2135353. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.35353
7. Mc Cormick N. et al., Comparative efficacy of sodium-glucose cotransporter 2 inhibitors in recurrent gout flares and gout-primary emergency department visits and hospitalizations: A cohort study in the general population, Annals of Internal Medicine, 2023,176 (8): 1067-1080
8. Wie J. et al, Gout Flares and Mortality after SGLT2-I. Treatment for Gout and T2DM, JAMA Network Open 2023;6 (8): e 2330885. doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.30885
9. Doehner W. et al, Uric acid and SGLT2-I. with empagliflozin in heart failure with reduced ejection fraction: the EMPEROR-reduced trial, EHJ 2022, 43(36): 3435-3446
10. Christoph M et al., Hyperurikämie, Gicht und Herz, Akt Rheumatol 2021; 46: 70–75

Ist das Belastungs-EKG doch besser als gedacht?

Spätestens seit den ESC-Guidelines 2019 «Chronisches Koronarsyndrom» hat die Bedeutung der kostengünstigen, überall verfügbaren Ergometrie zum Nachweis/Ausschluss einer signifikanten obstruktiven koronaren Herzkrankheit (KHK) resp. einer Ischämie deutlich abgenommen (IIb).

Die Gründe waren: Tiefere Prävalenz der stenosierenden KHK bei Patienten mit Thoraxschmerzen/ Dyspnoe. 50% der Frauen und >30% der Männer mit stabiler Angina pectoris (A.P.) haben angio-graphisch keine obstruktive (>50-70%) Stenose. Es besteht lediglich eine Sensitivität von 58% beim Nachweis einer obstruktiven KHK mit Ischämie. EKG-Veränderungen mit Ischämie-Verdacht ergaben bei einer hohen falsch positiven Rate (Spezifität von 62%) keine signifikante Koronarstenose.

Moderne kardiale Imaging-Verfahren haben eine deutlich höhere Empfindlichkeit von >85% (1). Sie können früher in der physiologischen Ischämiekaskade die KHK nachweisen. Die CT(Computertomographie)-Koronarangiographie (CCTA) ist bei Patienten mit niedriger und mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit für eine koronare Herzkrankheit bei guter Bildqualität eine sichere Möglichkeit zum nicht-invasiven Ausschluss signifikanter Koronarstenosen und zu deren morphologischen Beurteilung. Die CCTA beeinflusst die Prognose wahrscheinlich auch durch ein früheres invasives und medikamentöses (Statine) Eingreifen. Wann genau eine Risikomodifikation empfohlen werden soll, ist derzeit Gegenstand der Forschung.

Die Ergometrie kann zur Beurteilung von Belastungsgrenze, Operabilität, Objektivierung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Beschwerdesymptomatik, Arrhythmien, Blutdruckverhalten und Risikostratifizierung bei ausgewählten Patientinnen und Patienten eingesetzt werden. Bei adäquater Indikationsstellung, korrekter Durchführung und sachkundiger/systematischer Interpretation ist die Ergometrie ein wertvolles Instrument in der kardiovaskulären Diagnostik. Auch besteht eine prognostische Aussage bei guter Leistung ohne Symptome und normalem Ruhe-EKG (2, 3). Bei der Beurteilung von Vitien, einer Hypertonie und in der Rhythmologie ist die Ergometrie auch eine wichtige Untersuchung zur Überprüfung von klinischen Symptomen unter Belastung. Stichworte: brady- und tachykarde Rhythmusstörungen, chronotrope Inkompetenz, Schrittmacher, Blockierungen, genetische Erkrankungen (4).

Die post hoc Analyse der SCOT-HEART Study bei stabiler A.P. zeigte, dass aus klinischer Sicht ein Belastungs-EKG vor allem dann hilfreich ist, wenn es bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit pathologisch ausfällt. Abnormale Ergebnisse der Ergometrie waren mit einer koronaren Revaskularisation und dem Risiko zukünftiger Ereignisse verbunden (5).

In der ESC/EACTS-Leitlinie zur Myokardrevaskularisation von 2019 heisst es, dass bei koronaren Hochrisikopatienten «nach sechs Monaten ein nichtinvasiver bildgebender Stresstest zur Überwachung in Betracht gezogen werden kann» (Empfehlung mit der Evidenzklasse IIb). Zu diesem Thema wurde soeben eine Subgruppenanalyse der POST-PCI Studie aus Südkorea mit 1192 Patienten mit Mehrgefässerkrankungen oder Hauptstammstenosen, welche sich einer PCI unterzogen, publiziert.

Nach den Autoren sollte solange keine klinischen Anzeichen eines Stentversagens oder einer Progression der koronaren Herzkrankheit vorliegen, keine routinemässigen Belastungstests (Ergometrie, Scinti, Stressecho) 12 Monate nach PCI durchgeführt werden; da kein prognostischer Nutzen bez. Tod, Myokardinfarkt oder Hospitalisation wegen instabiler A.P. nach zwei Jahren nachgewiesen werden konnte. Es kam aber tendenziell zu mehr Koronarangiographien und signifikant mehr erneuten Revaskularisationen (6).

In einer aktuellen Publikation von Sinha et al. (7) stellten sich die Autoren die Frage: Was kann eine Ergometrie leisten bei Patienten mit A.P. und einer nicht obstruktiven koronaren Herzkrankheit (FFR >0,8, EF>50%)? Die Antwort lautete: Ischämische EKG-Veränderungen während der Belastungsuntersuchung bei Patienten mit A.P. und einer nicht obstruktiven koronaren Herzkrankheit haben eine 100%ige Spezifität und einen positiven prädiktiven Wert für den Nachweis einer koronaren mikrovaskulären Dysfunktion (CMD); was bedeutet, dass das Begleit-EKG nicht als falsch positiv angesehen werden sollte.

Die Studie aus London wurde mit 102 Patienten (65% Frauen, 60 ± 8 Jahre) mit stabiler A.P. durchgeführt. Bei allen 102 Probanden gab es vor dem Belastungs-EKG (Laufband) eine Koronarangiographie mit umfassender physiologischer Untersuchung am RIVA. Gemessen wurde die koronare Flussreserve (CFR: <2.5) mit IV-Adenosin (endothelunabhängig) und die AChFR mit IC-Acetylcholin-Gabe (endothelabhängig). Patienten, welche eine Ischämie unter Belastung hatten, hatten eine tiefere AChFR von ≤1.5. Diese war der stärkste Prädiktor für eine Ischämie während der Belastung. Bei Verwendung dieser beiden Methoden zum Nachweis einer CMD sank die falsch-positive Rate der Ergometrie auf 0%. Die Studie zeigte, dass die Spezifität und der positive prädiktive Wert der Ergometrie viel höher sind, wenn sie mit einer umfassenden physiologischen Bewertung des Koronarkreislaufs, im Gegensatz zur Validierung anhand der Häufigkeit der obstruktiven epikardialen KHK, durchgeführt wurde.

32 Patienten entwickelten in einer qualitativ guten Laufbanduntersuchung (Bruce Protokoll, Abbruch nur auf Wunsch des Patienten) eine formale Ischämie im EKG (≥0,1mV, 80ms nach J-Point), 70 vergleichbare Patienten hatten keine EKG-Veränderungen; letztere hatten 46x (66%) eine CMD. Damit lag die Sensitivität des EKG bei 41%. Der positive Vorhersagewert des EKG während der Belastung für eine mikrovaskuläre Dysfunktion erreichte 100%, der negative Vorhersagewert betrug 34%. A.P. unter Belastung (25/32) war alleine weniger spezifisch für einen Ischämie-Nachweis.

Auf Grund der physiologischen Durchblutungsmessungen wurde postuliert, dass die pathologischen EKG-Veränderungen unter Belastung durch einen reduzierten koronaren Blutfluss und einen erhöhten myokardialen O2-Bedarf zu erklären sind. Die Ursache der Ischämie (epikardial, mikrovaskulär) kann mit der Ergometrie nicht beantwortet werden. Es bedarf dazu der CCTA oder der invasiven Koronarangiographie.

Diese Resultate stellen somit die bisherige Annahme in Frage, dass das Belastungs-EKG eine hohe falsch positive Rate aufweist. Die aktuellen Ergebnisse müssen in grösseren multizentrischen Studien und verschiedenen Patientenkollektiven bestätigt werden. Dann könnte in Zukunft auf die heutige aufwendige invasive physiologische Abklärung von CMD, bei einer CCTA oder Koronarangiographie ohne signifikante Stenose und einer formal pathologischen Ergometrie, verzichtet werden. Auch wäre so in diesem Kollektiv ein medikamentöser Effekt einfach zu beurteilen.

Erlebt die Ergometrie daher als Second-Line-Test mit gutem rule-in Nutzen, bei einer nicht obstruktiven KHK und stabiler A.P., mit der Fragestellung einer mikrovaskulären Durchblutungsstörung, ein kardiologisches Comeback?

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

19. Cardio Update 2024 – Teil 1

Auch dieses Jahr berichten wir über einige Highlights des alljährlichen, zweitägigen, ausgezeichneten Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Berlin resp. Mainz. In diversen Vorträgen wurden am 16./17. bzw. am 23./24. Februar die neuesten relevanten Fachpublikationen aus dem Jahre 2023 von Experten besprochen und gewertet. Wir geben einige praktische Schlaglichter aus einigen Vorträgen resp. aus dem Handbuch wieder.

Prähospitale Reanimation:

In Deutschland wurde 2022 von 60’000 ausserklinischen Herzkreislaufstillständen (OHCA) bei 51,3% (+10%) eine Laienreanimation durchgeführt; in Skandinavien liegt diese Zahl bei 80%. In 30% wurde eine Telefonreanimation unterstützend eingesetzt. Die Häufigkeit einer Telefonreanimation ist weiterhin unzureichend. Nur bei jedem vierten rettungsdienstlich begleiteten Herz-Kreislauf-Stillstand führte ein Disponent diese hocheffektive und lebensrettende Massnahme durch. In 70% erfolgt hierdurch eine Laienreanimation. Der überwiegende Teil der Reanimationen wurde im häuslichen Umfeld durchgeführt. 58% hatten eine kardiale Ursache.

In der Schweiz haben wir 2022 bei 6854 ausserklinischen Herzkreislaufstillständen eine REA-Rate von 44 auf 100 000 Einwohnern, 31% First Responder vor Ort (Swissreca Register 2022). Nur in 27% zeigte das primäre EKG einen defibrillierbaren Rhythmus. In beiden Ländern erreichten 30% nach der REA mit einem Spontanrhythmus die Klinik. 11% in DL und 13% in der Schweiz konnten bei einer OHCA die Klinik verlassen, teils mit eingeschränktem neurologischem Outcome. Der Kreislaufstillstand wurde beobachtet und

► die vermutete Ursache war medizinisch (z.B. durch einen Herzinfarkt verursacht)
► die Beobachtenden des Ereignisses haben bereits mit der Wiederbelebung gestartet
► der erste erkannte Herzrhythmus konnte defibrilliert werden

So betrug in der CH die Überlebensrate 29%, davon hatten 84% ein gutes neurologisches Outcome.

5 wichtige Kernaussagen bei den Reanimationsmassnahmen für Erwachsene (ALS):

1. Priorität haben qualitativ hochwertige Thoraxkompressionen mit minimalen Unterbrechungen, frühzeitiger Defibrillation und Therapie von reversiblen Ursachen – vgl. Abbildung 1.
2. Vor dem innerklinischen wie präklinischen Kreislaufstillstand treten oft Frühwarnsymptome auf.
Der Kreislaufstillstand ist bei vielen Patienten vermeidbar.
3. Sichern Sie die Atmung durch Basis- und erweitertes Atemwegsmanagement – nur Anwender mit hoher Erfolgsrate sollen endotracheal intubieren.
4. Geben Sie bei nicht-schockbaren Rhythmen frühzeitig Adrenalin.
5. Erwägen Sie, wenn die konventionelle Reanimation erfolglos bleibt, bei ausgewählten Patienten – (beobachteter HK-Stillstand, kardiale Genese, initial defibrillierbarer Rhythmus, <70 Jahre, keine sign. Komorbiditäten, durchgehende hochwertige REA, reversible Ursache, Patientenwille) sofern möglich – die extrakorporale CPR (eCPR) als Rescue-Therapie.

Insgesamt stützen die Daten weiterhin den Einsatz von Adrenalin bei Patienten mit OHCA, auch wenn bisher keine der Studien einen Vorteil für ein gutes neurologisches Ergebnis bei Krankenhausentlassung zeigen konnte.

FAZIT für die Praxis zur Adrenalingabe bei der Reanimation:

► Geben Sie Erwachsenen im Kreislaufstillstand mit einem nicht-defibrillierbaren Rhythmus so bald wie möglich 1 mg Adrenalin i. v. (i. o.).
► Geben Sie bei erwachsenen Patienten mit Kreislaufstillstand, mit einem defibrillierbaren Rhythmus nach dem 3. Schock 1 mg Adrenalin i. v. (i. o.).
► Wiederholen Sie die Gabe von 1 mg Adrenalin i. v. (i. o.) alle 3–5 min, solange die ALS-Massnahmen fortgeführt werden.
Nach wie vor wird beim erwachsenen Patienten für ausgebildete Helfer ein Verhältnis von 30 Thoraxkompressionen zu 2 Beatmungen empfohlen. Allerdings wird die Atemspende von vielen Menschen als unangenehm oder unhygienisch empfunden. Eine alleinige Herzdruckmassage ist auf jeden Fall besser als keine Herzdruckmassage oder eine zu häufig unterbrochene Herzdruckmassage. In jedem Fall sollte die «No-Flow-Zeit» so kurz wie möglich sein.

FAZIT für die Praxis zum Atemwegsmanagement bei Reanimation:

► Sofern erweiterte Atemwegstechniken (z. B. Intubation) erforderlich sind, sollen diese nur Ersthelfer mit grosser Intubationserfahrung durchführen.
► Streben Sie an, die Thoraxkompression für eine endotracheale Intubation für weniger als 5 s zu unterbrechen.
► Verwenden Sie Video- oder direkte Laryngoskopie für die endotracheale Intubation, je nach den lokalen Behandlungsprotokollen und der Erfahrung der Ersthelfer.
► Verwenden Sie die Kapnographie, um die Position des Endotrachealtubus zu bestätigen.
► Geben Sie bei der CPR die höchstmögliche Konzentration in­spiratorischen Sauerstoffs.
► Lassen Sie bei jeder Beatmung mehr als 1 s Zeit, bis sich der Brustkorb sichtbar hebt.
► Sobald ein Endotrachealtubus oder ein supraglottischer Atemweg (SGA) eingeführt wurde, beatmen Sie die Lunge mit einer Frequenz von 10/min und setzen die Thoraxkompressionen ohne Beatmungspausen fort. Wenn bei einem SGA eine Leckage zu einer unzureichenden Beatmung führt, unterbrechen Sie die Kompressionen für die Beatmung wieder (Kompressions-Beatmungs-Verhältnis 30:2). Vgl. Abbildung 1: aus Bemtgen X. et al, Ausserklinische Reanimation, wo stehen wir heute? DMW 2023;148 (14):921-933

Mithilfe der Notfallechokardiographie können bereits unmittelbar verschiedene, potenziell reversible Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands evaluiert werden. Hierzu gehört insbesondere die Diagnose der Perikardtamponade oder einer akuten Rechtsherzbelastung. Weiterhin kann die Einschätzung des Volumenstatus, der linksventrikulären Pumpfunktion und ggf. relevanter Herz-klappenvitien erfolgen.
Post-REA: Notfallecho sehr hilfreich; sofortiges Koro nur bei einer ST-Hebung im EKG. Überwachung Kerntemperatur, Vermeidung von Fieber (>37.7 Grad); evt. erweiterte Bildgebung (Ganzkörper-CT); Abschätzung der Prognose nach dem ERC-ESICM 2021 Algorithmus Score von Sandroni.

Die BIG-FIVE-Überlebensstrategien nach Kreislaufstillstand, also fünf Strategien, mit denen die grösste Verbesserung des Überlebens erreicht werden kann umfassen folgende Punkte:
1. Programme zur Erhöhung der Laienreanimationsrate
2. Leitstellen-angeleitete Telefon-Reanimation: Verdoppelung des Überlebens erwartet
3. First-Responder-Programme mit öffentlich zugänglichen Defibrillatoren
4. Qualitativ hochwertige CPR durch erfahrene Rettungsteams und First-Responder
5. Spezialisierte Postreanimationsbehandlung in Cardiac-Arrest-Zentren

Herz-Niere-Hypertonie

Nach Erstdiagnose einer kardiovaskulären Erkrankung sollte die Nierenfunktion regelmässig kontrolliert werden, da das Risiko für eine Verschlechterung der GFR in den ersten 3 Jahren 3-5-fach erhöht ist. Das Risiko ist insbesondere in den ersten 3 Monaten stark erhöht (Faktor 106). Dies gilt vor allem für Patienten mit Herzinsuffizienz, gefolgt von Herzinfarkt, Vorhofflimmern und Stroke.

SGLT2-Inhibitoren gehören zur Standardtherapie der Herz- und Niereninsuffizienz. Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer Abnahme der eGFR <25 ml/min/1,73 m² ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben. Dapagliflozin verringerte im Vergleich zu Placebo das Risiko für kardiovaskulären Tod oder HI-Verschlechterung, unabhängig davon, ob eine Verschlechterung der eGFR <25 ml/min/1,73 m² auftrat oder nicht. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis spricht für eine fortgesetzte Behandlung mit Dapagliflozin bei Patienten mit HI, selbst wenn die Nierenfunktion auf <25 ml/min/1,73 m² abfällt.

Bei Patienten mit CKD die eine invasive Untersuchung mit Kontrastmittel (KM) erhalten, besteht ein relevantes Risiko für ein akutes KM-assoziiertes Nierenversagen. Zur Vermeidung dieser NW empfehlen die Fachgesellschaften eine angemessene intravenöse Flüssigkeitszufuhr, die in der Regel 12 Stunden vor dem Eingriff initiiert werden sollte und bis 12 h nach der Intervention aufrecht-erhalten wird. Eine Studie zeigt, dass ein neues vereinfachtes Hydrations-Protokoll (mit einer kürzeren Hydrationsdauer von 1 Stunde vor bis 4 Stunden nach der Herzkatheteruntersuchung mit einer Rate von 3 ml/kg/h) der Standardhydration mit 1ml/kg/h in der Prävention eines KM-assoziierten Nierenversagens nicht unterlegen ist und sicher zur Anwendung gebracht werden kann.

Möglicherweise wirkt auch Kaliumnitrat, eingenommen in Form von 20ml Rote Beete Saft Konzentrat über 5 Tage vor einer KM-Gabe via eine NO-Freisetzung, bei einer CKD zusätzlich nephroprotektiv. Auch reduzierte die Gabe von anorganischen Nitraten die Rate an kardiovaskulären und renalen Ereignissen.

Die American Heart Association (AHA) hat in einem Positionspapier vorgeschlagen, die häufige und prognostisch wichtige Schnittmenge aus Diabetes, Niereninsuffizienz und Adipositas als Cardiovascular-Kidney-Metabolic-Syndrom (CKM) zu bezeichnen und in 4 Stadien einzuteilen.

Stad.1: Adipositas u. gestörte Glucosetoleranz, Stad.2: Metabol. RF u. CKD, Stad.3: subklin. CVD, Stad. 4: klinische CVD: CCS, HI, VHFli, Stroke, PAVK. 29% der Todesfälle in USA sind auf ein CKM-Syndrom zurückzuführen. Pathophysiologisch spielen neben den bekannten Interaktionen des metabolischen und kardiorenalen Syndroms Mediatoren des abdominellen Fettgewebes (Adipokine) eine Rolle, welche zu den Teufelskreisen aus Inflammation, oxidativem Stress, Insulinresistenz und vaskulärer Dysfunktion beitragen. Diese neue Bezeichnung kann dazu beitragen, die neuen Therapieoptionen an der klinisch relevanten Schnittstelle zwischen Adipositas und Typ II Diabetes und Nierenerkrankungen in den Fokus zu rücken.

Bei der steatotischen Lebererkrankung (SLD) wurden 2023 die Nomenklaturen geändert: Neben 5 metabolischen Risikofaktoren, wovon einer vorhanden sein muss, spricht man bei einer Lebersteatose heute anstelle der Ausdrücke NAFL und NASH von MASLD und MASH (metabolic dysfunction associated steatotic liver disease resp. metabolic dysfunction associated steatohepatitis). Der neue Begriff MASLD zeigt die enge Vernetzung hepatischer und metabolischer Faktoren der Erkrankung auf.

Bei einer SLD besteht ein deutlich erhöhtes cv Risiko, insbesondere bei einem zusätzlichen T2DM.

Die neuen Europäischen Hypertonie Leitlinien Empfehlungen von 2023 sind lesenswert. So ist auch die Durchführung einer korrekten BD-Messung im Sitzen und die Auswahl einer passenden Manschettengrösse von erheblicher Relevanz für die Erhebung einer validen Blutdruckmessung. Die Studie von Ishigami zeigt, dass es keine einheitliche BD-Manschette für Alle gibt. Die Verwendung einer zu kleinen Standardmanschette kann dazu führen, dass fälschlich eine Hypertonie diagnostiziert und behandelt wird. Die Auswirkung einer falschen Manschettengrösse war umso ausgeprägter, je massiger der Oberarm war. Insbesondere wenn die Manschette zu klein für den Oberarmumfang ist, war die Abweichung der Messung besonders gross (bis zu 20 mmHg systolisch und 7 mmHg diastolisch zu hoch).

Die Behandlungsindikation bei Hypertonie besteht bei den meisten Patienten bei Praxisblutdruckwerten ≥140/90 mmHg, bei über 80-Jährigen bei ≥160/90 mmHg, bzw. ≥130/80 mmHg im Gesamtmittelwert bzw. ≥135/85 mmHg im Tagesmittelwert. In der Diagnosestellung nehmen praxisunabhängige Messungen (Langzeit- und häusliche Blutdruckmessungen) eine wichtige Rolle ein.

Der Langzeitblutdruck ist prognostisch wichtiger als der Praxisblutdruck. Es besteht eine Assoziation zwischen einem 24-h-BD-Profil und dem cv Outcome. So ist das cv Risiko bei einer nächtlichen Hypertonie deutlich erhöht, ebenso bei einer maskierten Hypertonie, nicht aber bei einer Weisskittelhypertonie.

Fixkombinationen sind heute zu bevorzugen. Es besteht eine bessere Adhärenz, eine stärkere BD-Senkung und weniger NW.
Durch ein neues Therapiekonzept (Phase 1) mit einer RNA-Interferenz (siRNA) (Zilebesiran-Injektion 1x s.c.) kann die hepatische Produktion von Angiotensinogen verhindert werden und dadurch der erhöhte systolische und diastolische BD über 24 Wochen dosisabhängig konstant gesenkt werden. Es wurden keine systemischen NW beobachtet. Unklar sind noch die Konsequenzen bei einer akuten Aktivierung des RAAS-Systems z.B. bei einem Schock resp. Hypovolämie. Das Problem der Nicht-Adhärenz könnte so mit 2 Injektionen/Jahr gelöst werden.

Ein weiteres neues erfolgreiches orales Medikament (Phase2) ist ein Aldosteronsynthase-Hemmer (Baxdrostat) bei Patienten mit einer resistenten Hypertonie.

Bei einer Therapieresistenz ist die renale Denervation wieder in den Leitlinien. Diese kann auch bei einer Medikamentenunverträglichkeit/Nicht-Adhärenz diskutiert werden.

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Diese kann beim Verfasser angefordert werden.

Arthrose, quoi faire ?

Aujourd’ hui, nous plongeons dans le monde complexe de l’ arthrose, une maladie articulaire débilitante qui touche des millions de personne s à travers le monde. Dans cette exploration, nous examinerons les injections articulaires, la thérapie physique et l’ utilisation du chondroïtine sulfate, en évaluant à la fois les risques et les avantages de ces approches.

La prévalence de l’   arthrose devrait continuer d’ augmenter à l’ échelle mondiale en raison du vieillissement de la population, de la hausse des taux d’ obésité et des lésions traumatiques. En 2019, environ 528 millions de personnes dans le monde vivaient avec l’ arthrose, un chiffre en hausse de 113% par rapport à 1990 (1). Avec une prévalence de 365 millions de personnes atteintes, le genou est l’ articulation la plus fréquemment touchée, suivi de la main et de la hanche (2). Parmi les personnes atteintes d’ arthrose, 344 millions présentent des niveaux de gravité (modérés ou graves) pour lesquels une réadaptation serait bénéfique (3). Néanmoins, l’ arthrose et les douleurs associées ne sont pas une conséquence inévitable du vieillissement.

Parmi les méthodes de soins qui peuvent être utilisées pour soulager les patients arthrosiques, ce numéro de la gazette traitera à la fois des méthodes plus invasives, telles que les injections articulaires, et des méthodes physiques pour soulager la douleur. Ensuite, nous aborderons les preuves sur l’ utilisation de la thérapie à la chondroïtine sulfate pour ralentir l’ évolution de l’ arthrose et réduire la douleur.

Les ponctions et infiltrations articulaires font partie des méthodes diagnostiques et thérapeutiques de plus en plus courantes, offrant une option prometteuse pour soulager la douleur et améliorer la fonctionnalité des articulations touchées par l’ arthrose. Cependant, il est crucial de peser attentivement les risques associés à ces injections, tels que les infections potentielles et les réactions allergiques. Les bénéfices, quant à eux, sont souvent significatifs, procurant un soulagement rapide et ciblé là où il est nécessaire. Les progrès dans les techniques d’ injection et les substances utilisées ouvrent la voie à des traitements plus personnalisés et efficaces.

La thérapie physique émerge également comme un pilier essentiel dans la gestion de l’ arthrose. En combinant des exercices spécifiques, le renforcement musculaire et des techniques de soulagement de la douleur, la thérapie physique offre une approche holistique pour améliorer la qualité de vie des patients. Elle favorise la mobilité articulaire, renforce les muscles environnants et offre une alternative non invasive aux traitements plus lourds.

Parmi les options de traitement, le chondroïtine sulfate se distingue comme un supplément suscitant un intérêt croissant. Ce composé, naturellement présent dans le cartilage, est souvent utilisé pour ralentir la progression de l’ arthrose et soulager les symptômes. Cependant, des études contradictoires existent quant à son efficacité, et il est important pour les patients de discuter de son utilisation avec leur professionnel de la santé.

En conclusion, face à l’ arthrose, il est primordial de combiner les approches médicales et non médicales pour offrir aux patients la meilleure qualité de vie possible. La recherche continue dans ce domaine promet des avancées significatives, ouvrant la voie à de nouveaux espoirs pour ceux qui souffrent de cette maladie débilitante.

Pre Patrizia D’ Amelio

Pre Patrizia D’ Amelio

Service de gériatrie et réadaptation gériatrique CHUV
Ch. de Mont-Paisible 16
1011 Lausanne

1. GBD 2019: Global burden of 369 diseases and injuries in 204 countries and territories, 1990–2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019.
Lancet. 2020 Oct 17; 396(10258):1204-1222.
2. Long H, Liu Q, Yin H, Diao N, Zhang Y, Lin J et al. Prevalence trends of site-specific osteoarthritis from 1990 to 2019: Findings from the global burden of disease study 2019. Arthritis Rheumatol 2022; 74(7): 1172-1183.
3. Cieza A, Causey K, Kamenow K, Wulf Hansen S, Chatterji S, Vos T. Global estimates of the need for rehabilitation based on the Global Burden of Disease study 2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. Lancet. 2020 Dec 19; 396(10267): 2006–2017.

RETO KRAPFs Medical Voice

Dernières parutions

Le refroidissement topique n’ est pas un moyen de protection lors de futures vagues de chaleur ?

En cas de vagues de chaleur, la mortalité augmente aussi en Suisse surtout chez les personnes âgées. Cela s’ explique entre autres par la réduction de la sensation de soif en fonction de l’ âge, l’ apport d’ eau sans électrolytes (avec risque d’ hyponatrémie) et l’ accès limité aux liquides (problèmes de mobilité). Dans une étude de petite taille, mais de grande qualité une moyenne d’  individus âgés de 72 ans ont été exposés pendant 6 heures à une température ambiante de 38 °C. Ensuite, aucun gradient de température n’ a été observé entre l’ environnement et la température centrale (qui, mesurée par voie rectale, se situait alors à 38 °C).

Des bains de pieds rafraîchissants et des compresses rafraîchissantes au niveau de la nuque (mesures également applicables en cas de coupure de courant due à la chaleur) n’ ont eu aucun effet par rapport au contrôle. En revanche, le groupe expérimental transpirait moins (buvait donc significativement moins et a développé une plus faible accélération du pouls. Les différences (taille de l’ effet) étaient toutefois très faibles et, selon les auteurs, cliniquement non pertinentes.

La surface corporelle à refroidir était probablement trop petite et la méthode n’ a pas eu d’ effet durable sur la convection de la température à la surface du corps.

JAMA 22023, doi:10.1001/jama.2023.24417, rédigé le 22.12.2023

Une fois de plus: on donne à ceux qui ont

La revue scientifique “Science”, ou plus précisément l’ American Association of Sciences qui l’ édite, verse chaque année 2,5 millions pour la percée scientifique de l’ année. Cette année, la percée récompensée est la classe des agonistes du récepteur GLP-1 dans leur action de réduction du poids. Deux des entreprises impliquées sont devenues en l’ espace d’ un an les entreprises les plus précieuses du monde, et les chercheurs et cliniciens qu’ elles ont typiquement soutenus financièrement se portaient déjà nettement mieux qu’ il y a un an avant la remise du prix …

Science 2023, https://www.science.org/boty2023 (vidéo et/ou podcast), rédigé le 22.12.2023

Le clozapine : trop peu prescrit ?

Le clozapine a été autorisé en 1988 pour le traitement de la psychose/schizophrénie et s’ est révélé particulièrement efficace dans les formes ne répondant pas aux autres traitements.

L’ absence d’ effets secondaires extrapyramidaux est également importante, et pas seulement en cas de maladies neurodégénératives (extrapyramidales) préexistantes. Il y a des raisons de penser que le clozapine a été abandonné en raison de la crainte de neutropénies, raison pour laquelle le clozapine a été retiré du marché temporairement. Ce sont surtout les contrôles réguliers de l’ hémogramme, initialement hebdomadaires, qui constituent un impondérable pour les cabinets psychiatriques. Les données suivantes pourraient changer cela: Le taux d’ incidence hebdomadaire le plus élevé de nouvelles neutropénies sérieuses (< 1000/ul) était de 0,128% après 9 semaines, le temps médian cumulé jusqu’ à l’ arrêt du clozapine étant de près de 18 semaines. Le taux d’ incidence des nouvelles neutropénies a ensuite diminué progressivement et n’ était plus que de 0,001% après 2 ans. Les auteurs recommandent – de manière bien compréhensible – des contrôles hebdomadaires de l’ hémogramme jusqu’ à 18 semaines après le début du traitement, puis une prolongation de l’ intervalle de contrôle à toutes les 4 semaines. 4 semaines et arrêt des contrôles après 2 ans.

The Lancet Psychiatry 2023, doi.org/10.1016/S2215-0366(23)00343-7, rédigé le27.12.2023

Bon à savoir également

Trouble anxieux concernant sa propre santé (hypocondrie) et pronostic

Dans votre cabinet, vous prenez presque certainement en charge des patients qui pensent souffrir d’ au moins une maladie organique ou/et qui surinterprètent les symptômes physiques dans le sens d’ un scénario catastrophe. Selon une cohorte suédoise de 4100 individus dits hypocondriaques, la mortalité (causes naturelles et non naturelles) a presque doublé (+ 86 %) en 25 ans par rapport à celle de 10 fois plus d’ individus (plus de 41 000) non hypocondriaques. Les causes de décès non naturels sont notamment les suicides (risque multiplié par 4), ce qui est probablement un signe de souffrance subjective, peut-être mal acceptée par l’ entourage, et de co-morbidités psychiatriques. La surmortalité naturelle, principalement due à des maladies cardiovasculaires et pulmonaires, est plus difficile à expliquer. Ce groupe de patients risque d’ être soumis à un nombre nettement plus élevé d’ examens médicaux, raison pour laquelle l’ interventionnisme médical peut être considéré comme une cause au moins partielle.

JAMA Psychiatry 2023, doi:10.1001/jamapsychiatry.2023.4744, redigé le 03.01.2024

Bientôt en application clinique?

Un espoir pour les individus atteints de glomérulonéphrite à IgA

Cette forme de glomérulonéphrite est de loin la plus fréquente des glomérulonéphrites. L’ âge principal de manifestation se situe chez les adolescents et les jeunes adultes. Elle est devenue une cause très importante d’ insuffisance rénale chronique dans le monde entier. L’ hypertension, la protéinurie et certains résultats histologiques de la biopsie rénale sont des facteurs prédictifs négatifs. Ceci est d’ autant plus vrai pour les patientes et les patients qui, malgré un traitement antiprotéinurique et antihypertenseur symptomatique (inhibiteur de l’ ECA ou bloqueur des récepteurs de l’ angiotensine ou antagoniste de l’ endothéline), continuent à présenter une protéinurie > 1gr/24h. Cette population a alors été traitée avec un anticorps monoclonal (sibeprenlimab) contre une protéine régulatrice de la formation des complexes immuns*. Avec une bonne tolérance, la protéinurie de ces individus prétraités a encore été réduite de moitié après 12 mois par rapport au placebo. Il s’ agit là de résultats encourageants dans le traitement d’ une maladie qui reste frustrante pour les personnes concernées et les médecins traitants. Il reste à savoir si la réduction de la protéinurie aura un effet sur le ralentissement de la progression de l’ insuffisance rénale. Il sera également intéressant de voir à l’ avenir si les inhibiteurs du SGLT-2 peuvent également exercer un effet protecteur important dans cette maladie.
*Les individus atteints de glomérulonéphrite à IgA produisent une molécule d’ IgA qui porte nettement moins de résidus de sucre (galactose) sur elle. Cette molécule d’  IgA pauvre en galactose est immunogène, c’ est-à-dire qu’ elle entraîne la formation d’ auto-anticorps puis de complexes immuns. Ceux-ci circulent, se déposent ensuite dans les glomérules et peuvent déclencher une glomérulonéphrite. L’ anticorps monoclonal testé inhibe l’ activation immunitaire qui conduit à la formation de complexes immuns.

NEJM 2024, DOI : 10.1056/NEJMoa2305635 et DOI : 10.1056/. NEJMe2312300, rédigé le 04.01.2024

Pr Dr Reto Krapf

krapf@medinfo-verlag.ch