Grenzen des elterlichen Vertretungsrechts bei der med. Behandlung von Kindern

Behandlung von Kindern

Die medizinische Behandlung minderjähriger Patienten erfolgt nach denselben Grundsätzen wie bei volljährigen Patienten. Sie haben das Recht auf eine kunstgerechte Behandlung, Wahrung des Berufsgeheimnisses und Datenschutz sowie Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes. Minderjährige haben grundsätzlich gesetzliche Vertreter. Ein Arzt muss aber vor jeder Behandlung abklären, ob der minderjährige Patient urteilsfähig oder urteilsunfähig ist.

Einschätzung der Urteilsfähigkeit

Die Urteilsfähigkeit wird vermutet, solange weder das Kindesalter noch andere Umstände gegen ihr Vorhandensein sprechen. Dabei zu berücksichtigen ist das Alter des Kindes, die Komplexität der in Frage stehenden Behandlung sowie der Gesundheitszustand und Entwicklungsstand des Kindes. Es gibt in der Schweiz keine definierte Altersgrenze. Je komplexer und schwerwiegender ein Eingriff ist, desto höher ist der Schwellenwert für die Urteilsfähigkeit anzusetzen. Der Arzt muss jene Entscheidung für jede Untersuchung und jeden Eingriff neu treffen und dokumentieren. Führt ein Arzt eine Behandlung auf Wunsch der Eltern trotz Protest des urteilsfähigen Kindes aus, riskiert dieser, dafür verurteilt zu werden.

Urteilsfähiges Kind

Ist ein Kind urteilsfähig, kann es allein über Durchführung einer oder Verzicht auf eine Behandlung entscheiden. Obwohl die Handlungsfähigkeit grundsätzlich erst ab dem 18. Lebensjahr gilt, gelten andere Richtlinien, wenn es um höchstpersönliche Rechte geht. Medizinische Behandlungen fallen genau in diesen Bereich der höchstpersönlichen Rechte, womit bei urteilsfähigen Minderjährigen die Handlungsfähigkeit gegeben ist. Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient kommt in diesem Fall ohne Genehmigung des gesetzlichen Vertreters zustande.

Urteilsunfähiges Kind

Ist ein Kind für urteilsunfähig erklärt worden, muss allein der gesetzliche Vertreter über die Behandlung aufgeklärt werden und trägt das Recht zur Entscheidung. Eltern sind die natürlichen gesetzlichen Vertreter ihres Kindes. Sie haben nach Art. 301 Abs. 1 und Art. 304 Abs 1 ZGB umfangreiche Vertretungsrechte, die auch bei medizinischen Behandlungen zum Zug kommen. Die Meinung des Kindes ist aber in jedem Fall zu berücksichtigen und es muss gemäss des hypothetischen Willens und objektiven Interesses des Kindes gehandelt werden. Das Kindeswohl ist im Kindesrecht immer das oberste Prinzip. Haben beide Elternteile das Sorgerecht, muss gemeinsam entschieden werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass immer zwingend beide Elternteile anwesend sein müssen. Gemäss Art. 304 Abs. 2 ZGB darf der gutgläubige Arzt davon ausgehen, dass jeder Elternteil im Einvernehmen mit dem anderen handelt. Bei sehr schwerwiegenden Eingriffen ist hier aber grosse Vorsicht geboten. Es wird angeraten, dass dann explizit das Einverständnis beider Elternteile eingeholt wird. Hat nur ein Elternteil das Sorgerecht, vertritt dieser das Kind alleine. Das andere Elternteil hat aber Recht auf Auskunft und Information. Falls die Eltern verhindert sind oder nicht in der Lage sind zu entscheiden, kann der Arzt in dringlichen Fällen medizinische Massnahmen nach dem mutmasslichen Willen und den Interessen der urteilsunfähigen Person ergreifen (Art. 379 ZGB).

Stiefeltern sind grundsätzlich nicht Inhaber der elterlichen Sorge, solange sie das Stiefkind nicht adoptiert haben. Trotzdem haben sie gemäss Art. 299 ZGB das Recht und die Pflicht, den leiblichen Elternteil zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern. Sie sind in jedem Fall an den erklärten oder mutmasslichen Willen des Sorgerechtsinhabers gebunden.

Auch Pflegeeltern haben kein offizielles Sorgerecht. Sie sind aber berechtigt, die Eltern in der Ausübung der elterlichen Sorge zu vertreten, soweit es zur gehörigen Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich ist und die Inhaber der elterlichen Sorge nicht anderes angeordnet haben. Bei medizinischen Notfällen können sie in jedem Fall einwilligen, falls die Eltern nicht rechtzeitig erreichbar sind. Ausschlaggebend ist hier vor allem der unterzeichnete Pflegekindvertrag.

Gemäss Art. 296 Abs. 3 ZGB steht minderjährigen Eltern keine elterliche Sorge zu. In diesen Fällen ernennt die Kindesschutzbehörde einen Vormund. Diesem Vormund stehen dann die gleichen Rechte wie einem erwachsenen Elternteil zu. Auch der Vormund hat in jedem Fall für das körperliche und psychische Wohl des Kindes zu sorgen.

Quellen:
1. https://www.fedlex.admin.ch/eli/oc/2011/114/de
2. https://www.skmr.ch/de/themenbereiche/kinderpolitik/artikel/kind_behandlung_medizinisch.html
3. www.swisslex.ch
4. Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag FMH SAMW

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Dr. iur. Thomas D. Szucs

Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

thomas.szucs@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

63. Ärztekongress in Davos

Der 63. Ärztekongress in Davos von Lunge-Zürich stand unter dem Motto «interaktiv – interdisziplinär – inspirierend». Dieser Bericht beschäftigt sich mit dem Workshop zum Thema Pneumologie, cystische Fibrose und eosinophile Ösophagitis

Update Pneumologie

Asthma


Asthma-Diagnostik: Deutsche Leitlinie nimmt exhaliertes NO (FeNO) und Eosinophile auf. Asthma ist weitgehend eine klinische Diagnose, stellte Prof. Dr. med. Silvia Ulrich, Direktorin der Klinik für Pneumologie, einleitend fest.

Lungenfunktion: Die Normalisierung der Obstruktion bestätigt die Diagnose. Ein negativer Reversibilitätstest schließt Asthma nicht aus. Bronchoprovokationstest (auch mit Prämedikation möglich). Weitere diagnostische Hilfsmittel und Phänotypisierung: FeNO, Eosinophile, Allergie. Das Management-Schema bei Erwachsenen umfasst 5 Stufen.

Stufe 1: Fixkombination aus ICS niedrig dosiert/Formoterol als Bedarfstherapie. Oder ICS niedrg dosiert als Langzeit­therapie + SABA als Bedarfstherapie.

Stufe 2: ICS niedrig dosiert als Langzeittherapie + SABA als Bedarfstherapie oder Fixkombination aus ICS niedrig dosiert/Formoterol als Bedarfstherapie. Alternativ in begründeten Fällen: LTRA-Langzeittherapie + SABA-Bedarfstherapie.

Stufe 3: ICS niedrig dosiert + LABA (bevorzugt) oder ICS mittel dosiert. Alternativen in begründeten Fällen ICS niedrig dosiert + LAMA oder ICS niedrig dosiert +LTRA. Zusätzliche Bedarfstherapie SABA oder Fixkombination ICS + Formeterol, wenn diese auch die Langzeittherapie darstellt.
Stufe 4: ICS mittel bis hoch dosiert + LABA (bevorzugt) oder ICS mittel bis hoch dosiert + LABA + LAMA, Alternative in begründeten Fällen ICS mittel bis hoch dosiert + LABA + LTRA oder ICS mittel bis hoch dosiert + LAMA.

Stufe 5: ICS in Höchstdosis + LABA ± LAMA, Je nach Phänotyp additive Therapie mit einem Antikörper der folgenden Biologika-Klassen Anti-IgE, Anti-IL-5-®, Anti-IL-4-R, Anti-TSLP. OCS nur bei fehlender Indikation oder Versagen einer Biologika-Therapie. Allergen-Immuntherapie bei gegebener Indikation (Asthmaschulung, Allergie-/Umweltkontrolle, körperliche Bewegung/Sport, Behandlung Komorbiditäten, Rehabilitation).

Schweres Asthma

Schweres Asthma ist definiert als unkontrolliertes Asthma unter Hochdosistherapie oder kontrolliertes Asthma, das nach Absetzen hochdosierter Kortikosteroide unkontrolliert wird. Bei schwerem Asthma wird zunehmend eine Phänotypisierung mit individualisierter Therapie durchgeführt.
Ziel der Behandlung mit Biologika bei schwerem Asthma ist die Reduktion der Exazerbationen, die Reduktion der systemischen Kortikosteroide, die Verbesserung der Asthmakontrolle, die Verbesserung der Lungenfunktion, die Reduktion der Bedarfsmedikation, die Verbesserung der Lebensqualität, die Aufrechterhaltung der Verträglichkeit.

Schweres Asthma mit ≥ 1 Exazerbation in den letzten 12 Monaten: Therapie mit Biologikum (Anti-IL-5-®, Anti-IL-4-R, Anti-TSLP). Auswahl nach Anamnese, Biomarker-Expression und Komedikation.

Weitere Anwendungen der Biologika

Omalizumab: Chronische spontane Urtikaria, Chronische Rhinosinusitis mit Polyposis nasi

Mepolizumab: Hypereosinophilie, chron. Rhinosinusitis mit Polyposis nasi, Churg Strausssyndrom

Dupilumab: Atopische Dermatitis, chron. Rhinosinusitis mit Polyposis nasi, Eosinophile Ösophagitis, Prungo nodularis

COPD
PRISm = preserved ratio impaired spirometry

Die Definition lautet≥0,7: FEV1/FVC +FEV1 <80% kombiniert mit respiratorischen Symptomen analog zur COPD. PRISm hat eine hohe Prävalenz und ist mit erhöhten respiratorischen Symptomen, systemischer Entzündung und Mortalität assoziiert.

Zugrunde liegt möglicherweise eine kardiale Störung, eine beginnende obstruktive oder restriktive Lungenkrankheit, eine Krankheit der kleinen Atemwege, ein Emphysem mit «gefesselter» Luft, eine inkomplette Inspiration als Folge mangelnder Mitarbeit/Zwerchfellschwäche.

Raucher mit normaler Spirometrie – sehr hohe Krankeitslast – Symptome, Exazerbationen…

Es gibt keine gesunden Raucher. Hohes kardiovaskuläres Risiko und Progression zu höhergradiger COPD. Small airway disease, geht im CT dem Emphysem voraus und ist oft schon vorhanden. Hohes Todesrisiko bei COPD wenn mehr Mucus Plugs im CT – whs. wegen erhöhten Exazerbationen.

Oszillatorischer positiver Ausatmungsdruck. Therapie bei COPD: RCT

Patienten mit stabiler COPD und (fast) täglicher Sputumproduktion. Outcome: Husten-bezogene QoL: LeicesterCough-Fragebogen. Zusätzlich Fatigue (FACIT-Score), EuroQoL 5, subjektive und objektive Reduktion der Hustenhäufigkeit und Symptomdifferenz. Erste RCT – da die Therapie kaum Nebenwirkungen hat und kostengünstig ist, ist sie einen Versuch wert.

Alpha-1-Antitrypsin Substitution

Akutes Absetzen der Substitution ist deletär (dies zeigte sich, als die irische Regierung die Kostenübernahme für die Substitution einstellte). Substitutionstherapie verlängert das Überleben: 616 Patientinnen (Irland, Schweiz, Österreich) mit einem mittleren α1-Antitrypsinspiegel von 0,25g/l wurden untersucht. Die Studie zeigte erstmals einen Effekt der Therapie auf die Mortalität. FEV1 spielte für diesen Effekt keine Rolle. Absurderweise beharren regulatorische Behörden trotzdem auf FEV1.

Interstitielle Lungenkrankheiten
ILA: Interstitielle Lungenabnormailitäten

– Zufällig in der CT entdeckt z.B. bei Coro-CT oder Lungenkarzinom-Screening
– Milchglastrübungen, Retikulationen, Architekturstörung, Traktionsbronchiektasen (Honigwaben-) Zysten
– Betreffen mindestens 5% einer Lungenzone (Unterfeld, Mittelfeld, Oberfeld). Sie dürfen nur diagnostiziert werden, wenn kein Verdacht auf eine interstitielle Lungenerkrankung besteht.

Subkategorien von ILA (interstitielle Lungenauffälligkeiten)

– Nicht subpleural: ILAs ohne vorherrschende subpleurale Lokalisation
– Subpleural, nicht fibrotisch: ILAs mit überwiegend subpleuraler Lokalisation ohne Anzeichen einer Fibrose
– Subpleural fibrotisch: ILAs mit überwiegend subpleuraler Lokalisation und Anzeichen einer Lungenfibrose z.B. anhand einer MESNA Arteriosklerose Studie: Insgesamt wurden im Zeitraum vom Jahr 2000-2012 fünf konsekutive CT in ca. 2-jährlichem Abstand, analysiert, 13944 Herz-CT. Raucherstatus (ex oder aktiv) und polygenetischer Risikoscore für idiopathische Lugenfibrose mit Inzidenz fibrotischer ILAs assoziiert (HR 2.31 bzw. 2.09).

ILA – Bedeutung und Management

– Je nach Kollektiv (Raucher-Screening, sonstige Zufallsbefunde) variiert die Prävalenz. In einem asiatischen Gesundheitsscreening betrug sie ca. 3%. Eine Progression ist bei 20% bis 80% in 2 bis 3 Jahren beschrieben. Subpleural am häufigsten progredient. Korrelation zur Histologie und genetischen Markern. Es wurden verschiedene Algorithmen vorgeschlagen, dabei ist aber noch viel zu definieren.
Fazit für die Praxis: Darauf achten und insbesondere bei klinischem Korrelat nachverfolgen.

Diffuse parenchymatöse Lungenkrankheiten

Bekannte Ursache , medikamentöse Therapie, Kollagenose
Idiopathische interstitielle Pneumonien, granulomatöse Sarkoidose, Andere (Lymphangioleiomyomatose, Langerhanszellhistiozytose). Man unterscheidet Nicht-Familiär (>80%) und Familiär (2-20%), sowie – Chronisch fibrosierend: idiopathische pulmonale Fibrose und idiopathisch nicht spezifische interstitielle Pneumonie (IPF)
– Akut-subakut-fibrosierend: Cryptogene organisierende Pneumonie und akute interstitielle Pneumonie.
– Raucher-assoziiert: Respiratorische Bronchiolitis interstitielle Lungenkrankheit, desquamative interstitielle Pneumonie.
Für anti-fibrotische Therapie braucht es bei Nicht IPF Fibrose den Nachweis eines progressiven Verlaufs (=progressive fibrosierende interstitielle Lungenkrankheiten).
Die Referentin präsentierte einen umfassenden Therapiealgorithmus (Podolanczuik AJ. ERJ 2023;61: 2200957).

Zusammenfassung zur Therapie der Lungenfibrose

– Genaue Diagnose und Einteilung, welche dann die Therapie (mit)bestimmt
– Gesamtkonzept einschliesslich pneumologischer Rehabilitation so früh wie möglich und an Lungentransplantation denken!
– Antifibrotische Therapie als first-line Therapie nur bei IPF (idiopathischer pulmonaler Fibrose), Sklerodermie assoziierter ILD und möglicherweise rheumatoider Arthritis mit ILD (insbesondere bei UIP-Muster)
– Nicht-IPF Risikostratifizierung für die Prognose wichtig, aber Kriterien für «progressive» noch nicht abschliessend festgelegt, >10% Abfall FVC in 2 Jahren
– Bei Patienten mit progressiver pulmonaler Fibrose (PPF)sollte immer versucht werden Kortikosteroide zu reduzieren oder abzusetzen und ggf. durch alternative Immunsuppressiva zu ersetzen, Nintendanib in Studien wirksam!

Pulmonale Hypertonie

Neue Therapieoptionen bei PAH dringend nötig stellte Frau Prof. Ulrich, fest.
Sotatercept – Activin II Rezeptor wird gehemmt – antiproliferativ.
Sotatercept ist hoffentlich bald eine neue, antiproliferative Therapieoption für schwere PAH. Fast alle Zusatz-Endpunkte sind positiv.

Schlaf-assoziierte Atemstörung

Korrekte Diagnose von Schlafapnoe: es braucht eine Level III Schlaf-Studie mit mind..4 Kanälen:
– Atemeffort (respiratory inductance plethysmography. RIP)
– Pulsoximetrie
– Nasenfluss
– EKG

Gemäss der American Academy of Sleep Medicine , dem American College of Chest Physicians und der American Thoracic Society werden IV Typen unterschieden.

Typ I Vollständig betreute Polysomnographie (sieben
oder mehr Kanäle) in einer Laborumgebung
Typ II Vollständige unbeaufsichtigte Polysomnographie
(sieben oder mehr Kanäle) Laborumgebung
Typ III Geräte mit begrenzten Kanälen (vier bis sieben Kanäle)
Typ IV Ein oder zwei Kanäle, in der Regel mit Oxymetrie
als einem der Parameter

Zusammenhang obstruktives Schlafapnoe-Syndrom und kardiovaskuläre Risikofaktoren

Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom (OSA) ist belegt. Bei Therapie-refraktärer arterieller Hypertonie immer an OSA denken, insbesondere wenn 24h BD keinen nächtlichen Abfall zeigt. Die CPAP-Therapie hat einen positiven Einfluss auf kardiovaskuläre Risikofaktoren und Endpunkte (MACE), Dies hängt aber von der Adhärenz ab. Ein Nutzen wird dann ersichtlich, wenn CPAP mind. 6h getragen wird.

Cystische Fibrose, früher Todesurteil, heute normales Leben?


Der Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR) transportiert Chloridionen über die Zellmembran und spielt damit eine zentrale Rolle bei der Flüssigkeitshomöostase der Atemwege, indem er die Ionenkonzentration und den pH-Wert kontrolliert. Das CFTR-Protein reguliert den Wasser- und Salztransport in der Membran von Epithelzellen, stellte Prof. Dr. med. Alexander Möller, Universitäts-Kinderklinik Zürich, eingangs fest.

Mutationen im CFTR-Gen können die Bildung dieses Membranproteins beeinträchtigen. Die Konsequenzen sind eine Einschränkung des Chlorid-Ionen-Transports. Die veränderten Konzentrationsunterschiede der Ionen innerhalb und ausserhalb der Zelle führen zu Sekreten mit verringertem Wassergehalt und dadurch zähflüssigen Sekreten, die die feinen Kanäle verstopfen. Dies kann beispielsweise in der Lunge vorkommen.
Es existieren mehr als 2000 CFTR-Mutationen. Etwa die Hälfte sind F508del Homozygote. Am zweithäufigsten sind 508del Heterozygote, gefolgt von Gaiting Mutationen und ultraseltenen Mutationen.

CFTR-Mutation und Struktur

Grundsätzlich werden 2 Arten von Mutationen beschrieben, Mutationen, die die Anzahl CFTR-Proteine beeinträchtigen (Mengendefekt und Mutationen, welche die Funktionn des CFTR-Proteins beeinträchtigen (Funktionsstörung). Eine Abnahme der Wirkung des CFTR-Proteins auf 50% sieht man bei heterozygoten Gen-Trägern. Bei einer Abnahme auf 40% treten Symptome auf (z.B. chronischer Husten), bei einer Abnahme auf 25% treten CFTR-assoziierte Erkrankungen auf, wie Pankreatitis, Sinusitis, Infertilität nd bei einer Abnahme auf 10 % die cystische Fibrose, das Pankreas-ist noch suffizient, bei gänzlichem Ausfall der CFTR-Aktivität tritt Cystische Fibrose und Pankreas-Insuffizienz ein.

Cystische Fibrose – eine Multiorgankrankheit

Die verschiedenen Krankheiten, die mit der Cystischen Fibrose auftreten sind verminderte Lungenfunktion, häufige Lungeninfektionen, Entzündungen und fortschreitende Lungenerkrankungen, abnorm hohe Ausscheidung von Natrium und Chlorid über den Schweiss. Die exokrine Pankreasinsuffizienz und die daraus resultierende Unterernährung führen zu Gedeihstörungen, Verdauungsstörungen und Darmverschlüssen. Weiter treten Infektionen der Nasennebenhöhlen und Nasenpolypen auf. CFTR-Gen-Mutationen wurden ferne bei 42% von infertilen Männern mit CBAVD (Congenitale Bilaterale Aplasie des Vas delerens) gefunden.

Die Cystische Fibrose ist eine fortschreitende Erkrankung und eine tödliche Krankheit mit einem Mortalitätspeak bei 21-30 Jahren sowohl für Männer als auch für Frauen.

Therapeutische Optionen: heute, morgen, übermorgen

Die klassischen Therapieformen beinhalten den Einsatz von Mukolytika, Bronchodilatatoren, Inhalatoren mit hochprozentiger Kochsalzlösung, Antibiotika und autogene Drainage, eine physiotherapeutische Übung mit einer speziellen Atemtechnik, die das Abhusten erleichtern soll.
Neu sind die CFTR-Modulatoren. Sie haben das Ziel die Funktion des CFTR-Kanals zu verbessern oder sogar wiederherzustellen, damit der Salz-Wasser-Haushalt wieder im Gleichgewicht ist. Man unterscheidet Potentiatoren, Korrektoren 1 und Korrektoren 2.

Die Potentiatoren aktivieren die Öffnung des Kanals, die Korrektoren 1 vermindern die Elimination des Proteins und verbessern die Ausreifung des Proteins und die Korrektoren 2 verbessern die Proteinfaltung. Die CFTR-Modulatoren normalisieren die Lungenfunktion, erhöhen das Körpergewichts und verbessern die Pankreasfunktion. Der erste Potentiator der Kanalfunktion, der zugelassen wurde, ist Ivacraftor (Kalydeco®). Kalydeco® verbessert die Lungenfunktion und den Schweisstest. Zu den Korrektoren 1 gehören Orkambi® (Lumakraftor/Ivakraftor) und Symdeko® (Texacaltor/Ivacraftor und Ivacaltor), Trikafta (Elexacaltor, Tezacaltor, Ivacaltor) ist ein Korrektor 2. Diese CFTR-Modulatoren wirken bei unterschiedlichen Mutationen. Es sind aber noch nicht alle Mutationen abgedeckt, weshalb ein Teil der CF-Betroffenen noch nicht geheilt werden kann.

Konklusionen

– Die hocheffektiven CFTR-Modulator-Therapien haben profunde Effekte auf das Leben der behandelten CF-Betroffenen
– Physiologisch gesehen, «stoppen» CTFR die CF
– Die Patienten berichten über einen «Lichtschalter»-Effekt
– Viele erwachsene Betroffene haben nun ein «normales» Leben
– Bei Beginn im Säuglingsalter sind die Kinder evtl. sogar ganz «gesund»
– Die hochgerechnete Lebenserwartung liegt dann bei <80 Jahren
– Es stellen sich aktuell viele Fragen im Management der CF-Betroffenen
– Nun brauchen die 13-15% nicht behandelbaren Betroffenen unseren Fokus in Klinik und Forschung

Die eosinophile Ösophagitis – wenn die Speiseröhre Asthma hat


Die eosinophile Ösohagitis (EoE) ist eine klinisch-pathologische Diagnose. Kinder haben unspezifische Beschwerden, wie Bauchschmerzen, Thoraxschmerzen, Husten, Sodbrennen, verminderten Appetit, Dys­phagie; Wachstumsstörung, Regurgita­tion und Schlafstörungen. Bei Erwachse­nen tritt die EoE mit Dysphagie, Bolus­ob­struktion, retrosternalen Schmerzen, Thoraxschmerzen, Sodbrennen, Regurgitation auf, stellte PD Dr. med. Thomas Greuter, Wetzikon, eingangs fest. Die Diagnose erfolgt durch Endoskopie. Der Nachweis von mindestens 15 Eosinophilen pro Hauptgesichtsfeld mit einer Standardgröße von ca. 0,3 mm2 gilt als valide.

Pathophysiologisch liegt der EoE eine TH2-Immunantwort zugrunde, an welcher aktivierte Eosinophile, Mastzellen und die Zytokine Eotaxin-3, Interleukin-5 und Interleukin-13 beteiligt sind. Das Krankheitsbild der EoE wurde in den 1990er-Jahren von Prof. Stephen Attwood aus England und Prof. Alex Straumann aus der Schweiz unabhängig voneinander beschrieben.

Die EoE zeigt eine steigende Inzidenz und Prävalenz. Sie gilt erst seit kurzem als eigenständiges Krankheitsbild. Ärztliches Fachpersonal schätzt, dass ungefähr eine Person unter 2‘500 bis 4‘000 Einwohnern mit einer EoE lebt. Vermutlich ist die Dunkelziffer aber noch höher, weil nicht jede betroffene Person mit Eosinophiler Ösophagitis eine Diagnose erhält.

Epidemiologie

Chronische, nahrungsmittel-getriggerte allergie-artige Entzündung der Speiseröhre. Häufig allergische Komorbiditäten. Kommt im Kindes-/Erwachsenenalter vor. Das Verhältnis Männer: Frauen beträgt 3:1. Es sind genetische Suszeptibilitätsfaktoren beschrieben worden: TSLP (Thymic Stromal Lymphopoietin), CAPN (Calpain).

EoE – eine TH2 mediierte Erkrankung – eine Systemerkrankung?
Die EoE zählt zu den eosinophilen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Innerhalb dieser Erkrankungen unter­scheidet man die primären Formen (z.B. eosinophile Öso­­phagitis) und sekundäre Formen, die infolge anderer Systemerkrankungen auftreten können. Die Mechanismen sind IgE-unabhängig. Sie entsprechen einer TH2-Immunantwort mit Aktivierung von Eosinophilen und Mastzellen, getriggert durch Nahrungsmittel.

Therapeutische Strategien: Die 3 D’s

Die 3 D’s sind Drugs, Diet und Dilation. Die medikamentöse Therapie umfasst eine topische Steroidtherapie (Budenosid ) während 48 Wochen zweimal täglich 0.5mg oder 1mg. The new kid on the block ist Dupilumab, welches die Aktivierung des spezifischen Gentranskriptionsprogramm inhibiert. Die Diät besteht in einer Eliminationsdiät, die Kuhmilch, Weizen, Eier, Soja, Nüsse, und Fisch/Meeresfrüchte umfasst.

Falls die medikamentöse Therapie und die Diät nicht mehr ausreichen kann eine Dilatation durchgeführt werden. Dies ist vor allem bei narbigen Verengungen der Fall, da diese medikamentös nicht beseitigt werden können. Dabei wird die Speiseröhre mit einem aufpumpbaren Ballon gedehnt oder sie wird mit einem Bougie-Clip bougiert.

Nachbetreuung

Die Nachbetreuung einer EoE ist chronisch:
1. Diagnose sichern und Therapie einleiten.
2. Kontrolle der Wirksamkeit der Therapie nach 8-12 Wochen
3. Langzeittherapie (Erhaltungsdosis). Topische Steroide sind nebenwirkungsarm
4. Regelmässige Nachsorge (Gastroskopie)
Therapiestopp: Es kommt fast immer zum Rückfall. Die Konsequenz ist kein Therapiestopp, stellte der Referent fest.

Fazit

– EoE st die häufigste Schluckstörung im jungen Erwachsenenalter
– EoE ist meist einfach zu behandeln (topische Steroide)
– Dupilumab als «new» kid on the bloc
– Langzeitbetreuung und Nachsorge sind wichtig

Die wirkliche Take Home Message des Referenten
Dysphagie ist nie normal und gehört immer abgeklärt mittels einer Gastroskopie.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Fatigue beim älteren krebsbetroffenen Menschen: Diagnose und Behandlung

Im Rahmen des Geriatrie-Seminars der Barmelweid-Akademie sprach PD Dr. med. Florian Strasser, Cancer Fatigue Clinic (Onkologie Schaffhausen, KS Münsterlingen, Zentrum Radiotherapie Rüti, Zentrum für Integrative Medizin, Kantonsspital St. Gallen) zum Thema Fatigue. Dabei wies der Vorsitzende Dr. med. Matthias Schlögl, Barmelweid, darauf hin, dass Fatigue im klinischen Alltag häufig unterschätzt wird.

Die erste Botschaft des Referenten lautete: Machen Sie das Assessment, verpassen Sie es nicht! Es ist wichtig, zwischen Fatigue im Zusammenhang mit der Krebstherapie und Fatigue im Zusammenhang mit der Krebserkrankung zu unterscheiden. Fatigue ist nicht durch körperliche Aktivität erklärbar und beeinträchtigt auch nicht die gewohnten Funktionen. Ruhe- und Schlafphasen bringen wenig oder keine Erholung.

Krebsbedingte Müdigkeit bei älteren Menschen

Die Erkenntnisse aus dem Jahr 2013 waren:
Inflammation – Zytokine,
Depression, Antikrebs-Therapie Toxizität,
Energie- und Muskel Dysregulation,
Komorbiditäten.
Die Erkenntnisse aus dem Jahr 2023 sind:
Inflammaging, Krebskachexie, Depression, Antikrebstherapie, Toxizität aller Modalitäten
Kognitiv, Mitochondrien
Energie- und Muskeldysregulation

Definition der Krebs-Fatigue

Krebsbedingte Fatigue stellt eine belastende, anhaltende, subjektive Empfindung von physischer, emotionaler und/oder kognitiver Müdigkeit oder Erschöpfung dar, die durch die Krebserkrankung (Cancer disease related) oder durch die Krebsbehandlung (Cancer therapy associated) verursacht wird. Die Fatigue lässt sich nicht durch körperliche Aktivität erklären und beeinträchtigt das gewohnte Funktionieren. Ruhe- und Schlafphasen erweisen sich als wenig oder gar nicht regenerativ.

Tumorkachexie – eine Ursache von Fatigue

Im Kontext einer aktiven Krebserkrankung sind Wahrnehmungen rund um das Essen und körperliche Funktionen verändert. Tumorgewebe ist metabolisch aktiv und verursacht Entzündungen sowie Muskelabbau. In Stress-Situationen werden Hungersignale herunterreguliert. Die verschiedenen Sättigungssignale sind aktiv, jedoch ohne Magenfüllung und trotz eines Energiedefizits. Die Patientin bzw. der Patient erlebt Appetitlosigkeit, frühe Sättigung, Dysgeusie, Verstopfung, Durchfall, Müdigkeit (physisch)/Fatigue, Angst und Ungewissheit.
Tumorkachexie, Malnutrition und Sarkopenie sind überlappende Syndrome.

Malnutrition bezeichnet einen Zustand, bei dem die Nahrungsaufnahme reduziert ist, was zu einem Verlust an Muskelmasse führt.
Sarkopenie bezeichnet den Verlust an Muskelmasse, der durch verschiedene Faktoren bedingt sein kann, darunter Malnutrition, Alter, Kachexie oder Tumorkachexie.

Tumorkachexie bezeichnet ein Spektrum, das sich aus folgenden Kriterien zusammensetzt:

  • Präkachexie: Appetitlosigkeit, körperliche Fatigue, CRP > normal
  • Kachexie: Gewichtsverlust > 5 % oder BMI < 20 und Gewichtsverlust > 2 %. Sarkopenie und Gewichtsverlust > 2 % oft mit eingeschränkter Nahrungseinnahme/systemischer Inflammation
  • Refraktäre Kachexie: variabler Grad an Kachexie. Die Krebserkrankung ist prokatabolisch, wobei sie zudem resistent gegenüber einer onkologischen Therapie ist.
  • Der Leistungsstatus ist reduziert (2, 3, 4).

Die Survivorship Fatigue stellt sich zwei Jahre nach einer multimodalen, Krebs-gerichteten Behandlung in kurativer Intention als Cancer Treatment Related Fatigue (CTRF) dar. Das Energielevel liegt bei voller Performance bei 2, bei limitierter Performance bei 3 Stunden.

CtRF (Survivorship Fatigue) Was ist der Mechanismus?

  • Reduktion der Mitochondrien (Zahl, Grösse,) im Muskel in astralen Gliazellen, noch experimentell
  • Störungen des autonomen Nervensystems: HRV mittels Biofeedback, noch experimentell
  • Dysregulation inflammatorischer Zytokine (i. Blut Veränderungen variabel und unter den üblichen Normwerten, z. B. IL-10)
  • Störung hypothalamischer, serotoninerger und zirkadianer Regelkreise ( u. a. Melatonin: im ZNS, nur bezüglich Schlafmedizin teilweise therapeutisch verwertbar
  • Störungen der neuro-kognitiven Funktion: Neuropsychologische Untersuchung
  • Genpolymorphismen für Regulationsproteine führen zu unterschiedliche Veranlagungen für CtRF.

Die Chemotherapie führt zu einer Verringerung der Anzahl und Grösse der Energiekraftwerke (Mitochondrien) in den Muskeln. Dies signalisiert dem Muskel, sich abzubauen (neue Medikamente sind in Entwicklung). Allerdings kann die Chemotherapie den Abbau des Muskels, der durch die Krebserkrankung bedingt ist, bekämpfen. Die Chemotherapie kann somit zu einer Verbesserung des Muskelabbaus führen.

Chemotherapie-assoziierte kognitive Dysfunktion (Chemobrain)

Gegenwärtig wird das glia-zentrische Modell favorisiert.
Es besteht eine Überlappung von CtRF und Chemobrain. Diagnostisch und therapeutisch ähnelt das Vorgehen bei alleiniger CtRF: neurokognitive Untersuchung und multimodales Programm. Alle krebs-spezifischen Therapien können Fatigue verursachen. Die am häufigsten auftretende Ursache ist die Chemotherapie.

In einer im Jahr 2017 veröffentlichten Studie (Kogure E et al. J Phys Ther Sci 2017;29:2004-8) wurden die Veränderungen der körperlichen Funktion und der Müdigkeit untersucht. Die Unterschiede zwischen postoperativen Patienten mit gastroenterologischen Karzinomen, die 65 Jahre oder älter waren, wurden mit solchen unter 64 Jahren verglichen. Zudem wurden die Korrelationen zwischen dem Alter und jeder Bewertung bei den drei Gelegenheiten untersucht. Die 6MWD erwies sich als der Hauptunterschied zwischen der älteren und der jüngeren Gruppe. Dabei zeigte sich, dass die erstere nach der Operation signifikant niedrigere 6MWD-Werte als die letztere aufwies. Das Alter korrelierte positiv mit der 6MWD und Albumin nach der Operation und nach der Entlassung.

Des Weiteren konnte eine negative Korrelation zwischen dem Alter und dem CFS (Cancer Fatigue Scale) nach der Operation sowie nach der Entlassung festgestellt werden. Es wird angenommen, dass ältere Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Abnahme der Belastungstoleranz und eine Zunahme der Müdigkeit erfahren.

Vollnarkosen können kognitive Fatigue verursachen, wobei das Narkosemittel eine Rolle spielt. Diesbezüglich sei auf die Studie von De Bias G et al. (Neurosurgery 2022; 90: 186-191) verwiesen.

Fatigue ist häufig bei allen Tumorarten, vor allem aber bei Mamma- und ZNS-Karzinomen. Die Fatigue stellt eine häufige Langzeit-Nebenwirkung der krebsspezifischen Therapie sowie der Krebserkrankung selbst dar. Von entscheidender Bedeutung ist das systematische (!) Erkennen der Symptomlast sowie der Funktionseinschränkungen, wie der Referent hervorhob. «Welcher Standard ist in Ihrer Klinik bereits implementiert?», fragte er in die Runde.

ESAS oder andere Tools:
Proaktiv, körperlich und psychisch, quantitativ, verbal auch möglich (kein, mittel, stark) – dies ermöglicht die Erfassung des Empfindens von Patienten. Dabei wird oft unterschätzt, dass Angst, Anorexie und Depressionen sowie Fatigue bei Patienten auftreten können. Schwellenwerte: ≥ 4/10 oder individuelles Symptomziel.

Der Schwellenwert für Fatigue liegt bei ≥ 4/10.
Lassen sich Unterschiede bezüglich der Symptomlast bei Depression bzw. Fatigue zwischen älteren und jüngeren Krebsüberlebenden feststellen? Wie ist der Unterschied zwischen Frauen und Männern? Hinsichtlich Depressionen zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen wurden keine Unterschiede festgestellt. Frauen berichten jedoch über höhere Raten von Depressionen und höhere Schmerz- und Müdigkeitswerte.

Assessment

Körperlich manifestieren sich die Symptome in Form von Müdigkeit, Erschöpfung, Schwäche, Kraftlosigkeit und einer reduzierten Leistungsfähigkeit. Emotionale Beeinträchtigungen äussern sich in Form von psychischer Erschöpfung, mangelndem Antrieb, Motivationsproblemen, Interessenverlust, Niedergeschlagenheit, Ängsten und Frustration. Kognitive Beeinträchtigungen zeigen sich in Form von Konzentrationsproblemen, Gedächtnisproblemen und Problemen beim Denken.

Im Anschluss erfolgte eine Erörterung des diagnostischen Vorgehens bei Fatigue. Dabei wurden die folgenden Aspekte thematisiert: die Stärke der Müdigkeit, die drei Domänen der Müdigkeit (Müdigkeit „im Kopf“, „keine Freude“, „keine Kraft“) sowie die Verbesserung der Müdigkeit durch Schlaf. Die Bewertung erfolgte jeweils anhand einer Skala von 0 bis 10 Punkten. Ein weiteres Assessment verwendet die Cancer Fatigue Scale (CFS-D: 15 Punkte). Ein weiteres diagnostisches Interview zum Cancer Treatment Related Fatigue Syndrome stellt der Interview-Guide von Alexander Kiss dar. Der Fragebogen umfasst 12 Fragen, die sich auf verschiedene Aspekte der Fatigue beziehen. Dazu zählen Schwäche, Müdigkeit, Konzentration, Gedächtnis, Schlaf, Alltagstätigkeiten und die Belastung durch Fatigue.

Diagnose des krebsassoziierten Fatiguesyndroms

DICRFS: (Diagnostic Interview for Cancer-Related Fatigue) >6/12
Genaue Anamnese: Geschichte der Krebsbehandlung: Ist Fatigue während der Krebsbehandlung aufgetreten?
a) Systemische, (medikamentöse) Krebsbehandlung, typisch G2/3. Fatigue zwischen Tag 4 – 11. Die Schwere der Fatigue nimmt mit der Anzahl der Zyklen zu. Eine Assoziation mit Chemotherapie/induzierter Neuropathie sowie anderen Nebenwirkungen.

Ursachen und deren Abklärung

Körperlich: Malnutrition: Essprotokoll. Albumin, Vitamine (B12, D), Eisenstatus, Zn. Tumorkachexie: Gewichtsverlust, Anorexie, CRP, Tumoraktivität. Sarkopenie (Muskelverlust): Inaktivität, Alter, Kachexie, C-Steroide. Toxizität (Muskel) krebsspezifische Therapie: Anamnese,
Emotional: Angst, Depression: ESAS, HADS, BAI, BDI-II, Trauma: SkPTBS. Ungewissheit: Krankheits- und Prognoseverständnis.
Medikamentös: Anamnese (!) Opiat, Benzodiazepine, Antidepressiva, Krebstherapie-assoziiertes Müdigkeitssyndrom (CtRF).
Kognitiv: Vollnarkosen, kognitive Einschränkungen Schlaganfall, Unfall
Gemischt: Dehydrierung, Anamnese (Urin, Trinken), Haut, Halsvenen
Elektrolyte: Phosphat, Calcium, ev. Na, ev Mg
Organfunktion: Biere, Leber, Herz (NT-proBNP), Lunge (AF, O2-Sättigung)
Entzündung (Tumor)/Infektion): Anamnese, CRP:
Endokrin: TSH, freies Testosteron. (Männer)
Anämie (Hb <10g/dl)
Schlafstörungen (SAS, Beinbewegungen, Störungen): ESS, PSQ)

Atemlosigkeit korreliert mit Fatigue

Atemlosigkeit, die anhand von D-12 und MDP gemessen wurde, war bei älteren Männern mit einer schlechteren Müdigkeit verbunden, und zwar in ähnlicher Weise bei den verschiedenen Dimensionen der Atemlosigkeit (Cristea I et al PLOSone 2023;18:e0296016.

Risikofaktoren für CtRFS

Vorbestehende psychosoziale Belastung, Traumata, körperlich/emotional vorbestehende psychiatrische Krankheit, Unverständnis von Angehörigen, Mitarbeiter/-innen, Stigma Behinderung, chronisches Schmerz-Syndrom,
Fibromyalgie, schwere CIN P. Unzureichende persönliche Ressourcen, um mit Stress umzugehen, die finanzielle oder soziale (Über-)Belastung, die fehlenden körperlichen Aktivitätsgewohnheiten sowie die ungesunden Essgewohnheiten stellen weitere Risikofaktoren dar.
→ Oft «multiple hit»: Anhäufung wiederkehrender
Ursachen-Schädigungen
→ Vulnerabilitäts-Stress-Modell (aus der Psychiatrie)

Parameter eines umfassenden Tumorkachexie-Assessments mit Empfehlungen für Tools

Körpergewicht, Gewichtsverlust (3 Monate)
Die Messung der Nahrungsaufnahme erfolgt anhand des individuellen Bedarfs. Evtl. auch Messung der Muskelmasse (wenn möglich in Klinik; B/A Waage
CRP, Albumin /ev. indirekte Kalorimetrie)
ECOG PS, individuell (z.B. n Stockwerke)
Handkraft (Jamar), FTSTS (Five Times Sitt o Stand Test, praktisch wenig validiert)
ev. 4-Meter gait-speed (1.5-4-1.5m)
Nutritition Impact & GI-Symptome (Checkliste, PG-SGA)
Symptome, Belastung (ESAS, EORTC-QIQ-Cax24)
Onkologische Situation: Tumor behandelbar aktuell?

→ Wichtiger ist «machen» im klinischen Alltag, als das perfekte Instrument finden.

Behandlung

Behandlung von Menschen mit (Survivorship-) Fatigue:
Beginnt mit der Diagnose der Krebserkrankung und der Krebsbehandlung. Regelmässige körperliche Aktivität im Alltag und formelles Ausdauer- & Krafttraining. Eiweissreiche (vorwiegend pflanzliche), entzündungshemmende Ernährung. Umgang mit emotionaler Belastung, Information, Kommunikation. Stärkung von Selbstwirksamkeit und Kohärenz

Die Behandlung ist immer multimodal

  • Energiemanagement
  • Körperliche Aktivität
  • Achtsamkeitsinterventionen, Mind-Body
  • Psychologische Begleitung & Behandlung: Energiefresser (emotional, traumat.)
  • Ernährung
  • Arzneimittel pflanzlich: ev. Mistel, ev. GinsengYoga, ev. Akupunktur, ev. Massagen
  • Gemeinschaft (peer-support) ist hilfreich
  • CIM-Behandlungen:

Medikamentöse Behandlung von Patient:innen mit Survivorship-Fatigue
«Es gibt nichts»

Methylphenidat (Ritalin) evtl. bei AD(H)S
Antidepressiva: bei Depression (als Co-Faktor), nicht bei CtRF
Kortikosteroide: nicht bei CtRF, nur bei Tumorkachexie (NUR < 2 Wochen!)
Melatonin: RCT negativ
Testosteron: nur bei Hypogonadismus (Männer, nicht Prostata-CA)
Ginseng und Guarana: wenige Studien, unklar
Mistel: nur während Chemotherapie, Bestrahlung und nicht kurativ
Bewegungsrichtlinien für Krebsüberlebende Konsenerklräung eines internationalen multidisziplinären Roundtables
Erwarteter Patientennutzen von Bewegungstraining nach Modus

Der Effekt von Ausdauer- und Krafttraining auf Fatigue ist am besten bei moderater bis energischer Intensität (aerobic) nachgewiesen.
Ausdauertraining (oder Cardio-Kraft) sollte 2-3 x pro Woche (1 h Pause) über einen Zeitraum von 30-40 Minuten durchgeführt werden. Ein fünfminütiges Training (oder High Intensity Intervall Training) mit Überwindung (Borg 5-7/10), Schwitzen sowie erhötem Puls ist empfehlenswert.
Supervidiertes Training hilft, zudem wirkt ein Trainingsprotokoll motivierend (zudem gut für die Kostengutsprache). In einer randomisierten, kontrollierten Studie bei Brustkrebspatientinnen konnte nachgewiesen werden, dass eine pflanzliche, proteinreiche Ernährung während der adjuvanten Chemotherapie die Entwicklung von Fatigue reduzieren kann (Sathiara E. et al. Nutr Cancer 2023;75:848-856).
Des Weiteren konnte in einer Studie nachgewiesen werden, dass eine antientzündliche Ernährung den Ernährungsstatus und die Fatigue im Vergleich zur Kontrollgruppe verbessern kann. Des Weiteren wies der Referent auf die Broschüre der Krebsliga „Fatigue bei Krebs” hin, welche unter anderem folgende Inhalte umfasst: Verständnis von Fatigue, adäquate Diagnostik, angemessene Begleitung, multimodales Interventionsprogramm, Dokumentation für Versicherungen, Energiemanagement, Schlaf, Förderung und Begleitung von Selbstmanagement, auch (geführte) Selbsthilfegruppen.

Information und Motivation sind wesentliche Elemente, um die Betroffenen zu erreichen und zu einer Verhaltensänderung zu motivieren. Dabei ist es wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Lebensumstände zu berücksichtigen.

Der Calman-Cap ist ein Messinstrument, das die Lebensqualität als Differenz zwischen Erwartungen und der Realität beschreibt.

Energie-«Management» erlernen

Energie-Level (NRS, Pfeile, …), Energiereserven (Zeit), Müdigkeit: Energie-Fresser und Energie-Quellen beobachten, Reha-Interventionen dokumentieren.
Schlaf

Energie-Fresser: Emotionale Belastung, Erwartungen, Nicht nein-sagen
Energie-Geber/Quellen: Entspannung, Sich was Gutes tun, Reha-Therapien

Im Rahmen der Prioritätensetzung ist zunächst eine Differenzierung zwischen den Bereichen Alltag, Freizeit, Beruf und Reha-Therapien vorzunehmen. Dabei stellt sich die Frage, in welchen Bereichen die eigenen Energiereserven investiert werden und welchen Sinn dies hat.
Im Rahmen einer Studie wurde festgestellt, dass die Durchführung von regenerativem Yoga zu Hause fünf Mal pro Woche für die Dauer von 50 Minuten die Intensität der Fatigue-Symptome sowie die Funktion verbessert und zudem entzündliche Blutmarker reduziert.

Ernährung bei Krebs

Es ist zu eruieren, ob der Patient einem Ernährungsrisiko ausgesetzt ist. Dazu ist eine umfassende Bewertung durchzuführen, welche den Ernährungszustand, den Stoffwechselzustand, den funktionellen Status, die auftretenden Symptome, Schmerzen, Dyspnoe usw. berücksichtigt. Zudem sind die psychische und soziale Belastung sowie die eingenommenen Medikamente zu evaluieren. Basierend auf den eruierten Daten ist eine massgeschneiderte Intervention zu initiieren, welche eine individuelle Ernährungsintervention durch ein ernährungswissenschaftlich geschultes Team, die Linderung/Behandlung von ernährungsbedingten Symptomen beinhaltet.

Des Weiteren ist eine psychologische/soziale Unterstützung sowie ein angeleitetes körperliches Training (Kraft, Ausdauer) indiziert. Zudem ist eine Berücksichtigung von Behandlungsmöglichkeiten erforderlich.

Die Espen-Richtlinien enthalten Empfehlungen zur Ernährung von Krebspatienten. Im Rahmen einer Überarbeitung wurden die Richtlinien gekürzt und die Anwendung in der Praxis vereinfacht. Insgesamt wurden 43 Empfehlungen mit kurzen Kommentaren für das Ernährungs- und Stoffwechselmanagement von Patienten mit neoplastischen Erkrankungen vorgestellt. Den krankheitsbezogenen Empfehlungen sind allgemeine Empfehlungen zur Diagnostik des Ernährungszustandes bei Krebspatienten vorangestellt. Der Leitfaden bietet Gesundheitsdienstleistenden, die an der Behandlung von Krebspatienten beteiligt sind, eine praktische Anleitung für eine optimale Ernährungsversorgung (Mucaritoli M. et al. Clin Nutr. 2021; 40: 2898-2913).

Die Frage, welche Ernährungsweise dazu geeignet ist, das Risiko einer Krebserkrankung zu reduzieren, zu minimieren oder deren Fortschreiten zu verhindern, ist Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass eine mediterrane Ernährung, die reich an ungesättigten Fettsäuren ist, einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat. Auch eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise kann das Risiko einer Krebserkrankung reduzieren. Mikrobiom: Erde („Dreck“), Ballaststoffe, geringer Zuckergehalt (Dessert nach Mahlzeiten akzeptabel), Fastenimpulse (Intervall, Tage etc.), keine Nährstoffdefizite

„Welche Ernährungsweise ist empfehlenswert, wenn eine aktive Krebserkrankung vorliegt?“

Eine proteinreiche Ernährung (>1,4 g/kg Körpergewicht), eine adäquate Energiezufuhr (30 kcal/kg Körpergewicht) sowie das Fehlen von Nährstoffdefiziten (Vitamin D, B12, Folsäure u. a.) sind wesentliche Elemente einer solchen Ernährung. Zudem ist eine hohe Frequenz der Mahlzeiten zu beachten.

Ein Grossteil des Fatigue-Managements betrifft Empfehlungen für ein gesundes und selbstwirksames Leben mit und nach Krebs sowie für ein langes Leben.

Die Ernährung ist bewusst, mediterran und beinhaltet Fastenimpulse. Viel Bewegung, viel Gehen, inklusive Treppensteigen. Der Schlaf-Rhythmus und Rituale sind ebenfalls wichtige Elemente. Achtsamkeit im Hier und Jetzt, das Spüren und Atmen sind ebenfalls von Bedeutung. Das „Wozu” des eigenen Lebens, Dankbarkeit und Freude sind ebenfalls wichtige Faktoren. Die Naturverbundenheit ist von Bedeutung.
Bei Leben mit Krebs wird das Leben, Empfinden, die Gefühle und die Liebe oft intensiver, so die Schlussworte des Referenten.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Von Alp zu Alp zwischen Schafberg und Albinen

Einladung zu ethnographisch-literarischen Wanderungen mit Prof. Christian E. Besimo

Das Wallis ist gesegnet mit Höhenwegen, die durch einzigartige Landschaften führen und herrliche Ausblicke bieten, sodass diese einem unvergesslich bleiben. Dazu gehören natürlich auch die Wege, die entlang der vielen Suonen oder von einer Alp zur nächsten führen. Eine dieser letzteren beginnt hoch über Leukerbad bei der Bergstation Rinderhütte.

Beliebt und viel begangen ist der Aufstieg zum Torrenthorn, das eine herrliche Rundsicht bietet. Wir wenden uns dagegen nur leicht ansteigend gegen Osten Richtung des Wysse Sees. Hierzu wählen wir den obersten Pfad, der auch den Zugang zum Restipass bildet, über welchen man ins Lötschental und zu dessen bekanntem Höhenweg gelangen kann. Von Anfang an sind wir gefangen von der herrlichen Weitsicht, die von der Mischabelgruppe über Weisshorn, Zinalrothorn, Matterhorn, Dent Blanche, Grand Cornier, Aiguille de la Tsa, Pigne d’Arolla, Mont Blanc de Cheilon, Grand Combin, Combin de Corbassière, Mont Velan bis hin zu den Grandes Jorasses und dem Mont Blanc-Massiv reicht (Abb. 1 und 2). Später tauchen auch noch das Fletschhorn, das Lagginhorn und der Weissmies auf. Es gäbe noch weit mehr Sehenswertes aufzuzählen, doch dies zu entdecken sei jedem selbst überlassen.

Zu Beginn der Wanderung sehen wir direkt auf die Dächer der Torrentalp hinunter und die darüber liegenden saftigen Kuhweiden. Über uns am Schafberg bestehen dagegen nur noch magere Weiden, die, nomen est omen, der Schafweide dienen. Wir überschreiten den kleinen Sattel mit der Höhenquote 2397 Meter und steigen zum Wysse See ab. Wir verlassen den Weg zum Restipass gegen Süden und erreichen nach kurzer Zeit die Alp Galm, die aus zahlreichen Hütten und einer kleinen Kapelle besteht. Die Kapelle wurde 1681 erbaut und der Dreifaltigkeit geweiht. Das Innere ist mit einem kleinen, kunstvoll geschnitzten und bemalten Altarbild geschmückt.

Nun kommen wir nicht darum herum, bis zur nächsten Alp Oberu die asphaltierte Alpstrasse zu benutzen, die wir nur im Bereich der auf 2134 Meter Höhe gelegenen Alpgebäude bergwärts auf dem alten Zuweg umgehen können. Was soll‘s, die herrliche Aussicht entschädigt uns mehr als genug für das kurze Ungemach. Zudem stossen wir auf 2218 Höhenmetern, ein Jux, auf den höchstgelegenen Kreisverkehr Mitteleuropas! Am westlichen Ende der Alp zweigt hangaufwärts ein Bergweg zum Obere Guggerhubel ab, den wir nach kurzem Anstieg erreichen. Hier erwartet uns zunächst ein herrlicher Lärchenwald, in dem wir unsere Mittagsrast verbringen. Doch kurz vor dem Abstieg in die Enggi Chummu erwarten uns nur noch tote Baumgerippe. Diese sind Folge des verheerenden, bei Leuk ausgebrochenen Waldbrandes im Hitzesommer 2003. Praktisch bis zur Baumgrenze hinauf wurde der Höhwald zerstört. Nur die obersten, weiter auseinander stehenden Bäume oberhalb unseres Weges blieben verschont. Die Natur hat sich zwar längst wieder zu regenerieren begonnen, trotzdem sind wir froh, gleich wieder in eine Waldweide mit gesunden Lärchen eintauchen zu dürfen. Kurz darauf erreichen wir Tschärmilonga, das auf Französisch Chermignon heissen würde. Auch hier steht oberhalb der grossen Alpsiedlung eine Kapelle, in der Kinder spielen und uns mit frohem Glockengeläut empfangen.

Nun besteht die Möglichkeit, auf direktem Weg nach Albinen abzusteigen. Doch wir beschliessen, dem Höhenweg weiter Richtung Westen zur Torrentalp hinüber zu folgen. Dieser führt weiter in leichtem Auf und Ab über offene, blumenreiche Weiden und durch Lärchenwald (Abb. 3). Wir geniessen die Stille und Einsamkeit. Kurz vor der Torrentalp stossen wir auf den von Albinen heraufkommenden breiten Alpweg, dem wir uns nun zuwenden. An vielen Stellen ist noch die alte Pflästerung dieses wichtigen Verbindungsweges erhalten, mit der zu früheren Zeiten verhindert wurde, dass die Trasse durch den häufigen Viehgang vorschnell erodierte. Mit angenehmem Gefälle steigen wir durch den Bannwald ab. Erst durch die Wiesen oberhalb des Dorfes beginnt sich der Weg in steileren engen Kehren talwärts zu winden, um in der Vergangenheit möglichst wenig der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in Anspruch zu nehmen (Abb. 4).

Der alte Baukern von Albinen ist noch weitestgehend erhalten und besteht aus einem Gewirr eng bei- und übereinander stehender Wohn- sowie Nutzgebäude, die über enge, teilweise äusserst abschüssige, gepflasterte Gassen erschlossen sind. Die Holzhäuser stehen auf gemauerten Sockeln, die Speicher auf Stelzen, die mit Steinplatten versehen sind, um Kleintieren den Zugang zu den Vorräten zu verwehren. Ich fühle mich wieder in die Sommerferien meiner Kindheit zurückversetzt, die ich über Jahre in St. Luc verbracht habe. Damals spielten wir mit den Dorfkindern in den engen Gassen und turnten auf den Lauben der Speicher herum, die uns herrliche Verstecke boten. Heute bestehen diese in jenem Dorf nicht mehr oder sind zu Ferienhäusern umgebaut – privat. Albinen hat sich den alten Charme erhalten, gerne würde ich hier wieder Kind sein und spielen.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

nicht-chirurgische Behandlung von Krampfadern: eine Pilotstudie

Krampfadern sind eine weltweit verbreitete Gefässerkrankung mit einer Prävalenz von 10 % in der Bevölkerung, wobei die Prävalenz bei Männern zwischen 5 % und 15 % und bei Frauen zwischen 2 % und 29 % liegt (1). Bei Krampfadern handelt es sich um geschlängelte und verlängerte Venen, die auf einen Durchmesser von mindestens 3 mm erweitert sind und in stehender Position bewertet werden (1). Bleiben Krampfadern unbehandelt, können schwerwiegende Erkrankungen wie tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien auftreten (2, 3). Patienten mit Krampfadern können je nach ihrem klinischen Zustand und ihren persönlichen Präferenzen entweder konservativ oder chirurgisch behandelt werden (4-6).

Studien über Krampfadern haben sich auf die Auswirkungen auf die körperliche Funktion konzentriert, aber es ist unklar, ob nicht-chirurgische Behandlungen die Sauerstoffversorgung der Muskeln oder die körperliche Funktion verändern. Darüber hinaus sind die Unterschiede in diesen Funktionen zwischen Personen mit Krampfadern und gesunden Personen weiterhin unklar.

In einer kürzlich publizerten Studie wurde untersucht, wie sich die körperliche Funktion und die Lebensqualität (QOL) nach einer nicht-chirurgischen Behandlung von Patienten mit Krampfadern verändert und wie sich die Sauerstoffversorgung der Muskeln bei Aktivität verändert.
Die Autoren nahmen 37 Teilnehmer in die Studie auf (17 Patienten mit Krampfadern, und 20 gesunde Personen). Sie führten die folgenden Messungen vor und nach der nicht-chirurgischen Behandlung bei den Varizenpatienten und den gesunden Personen durch: Sauerstoffversorgung der Wadenmuskulatur während des Zwei-Minuten-Schritt-Tests, einbeiniger Stand mit offenen Augen, 30-Sekunden-Sitz-Steh-Test, visuelle Analogskala (VAS) für Schmerzen, Pittsburgh-Schlafqualitätsindex, Bewertung der körperlichen Aktivität und Bewertung der Lebensqualität.

Ergebnisse

Krampfaderpatienten und gesunde Personen unterscheiden sich in den meisten Variablen (körperliche Funktion, Schlafqualität und Lebensqualität). Varizen-Patienten zeigten signifikante Unterschiede zwischen den Ergebnissen vor und nach der nicht-chirurgischen Behandlung – beim 30-Sitz-Steh-Test [14,41 (2,45) zu 16,35 (4,11), P = 0,018], beim Zwei-Minuten-Schritt-Test [162,29 (25. 98) zu 170,65 (23,80), P = 0,037], VAS für Schmerzen [5,35 (1,90) zu 3,88 (1,73), P = 0,004] und Lebensqualität [39,34 (19,98) zu 26,69 (17,02), P = 0,005]; jedoch wurde kein signifikanter Unterschied bei der Muskeloxygenierung beobachtet.

Schlussfolgerung

Eine nicht-chirurgische Behandlung verbesserte die Funktion der unteren Extremitäten und die Lebensqualität von Patienten mit Krampfadern und näherte ihren Zustand dem gesunder Personen an. Zukünftige Studien sollten Patienten mit schweren Krampfadern, die eine Operation erfordern, einschliessen, um unsere Ergebnisse zu bestätigen.

Kernaussage: Eine nicht-chirurgische Behandlung verbesserte die Funktion der unteren Extremitäten und die Lebensqualität von Patienten mit Krampfadern, wodurch sich ihr Zustand dem gesunder Menschen annäherte. In dieser Studie wurde jedoch kein signifikanter Unterschied bei der Sauerstoffversorgung der Muskeln festgestellt. Die Autoren gehen davon aus, dass signifikante Veränderungen bei schwerer erkrankten Patienten oder bei einer langfristigen Nachbeobachtung beobachtet werden können.

Quelle: Kim G-M et al. Benefit in physical function and quality of life to nonsurgical treatment of varicose veins: Pilot study. World J Clin Cases. 2024 Jan 26; 12(3): 517–524.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Medical Advisory Secretariat. Endovascular radiofrequency ablation for varicose veins: an evidence-based analysis. Ont Health Technol Assess Ser. 2011;11:1–93.
2. Lin F et al.. The management of varicose veins. Int Surg. 2015;100:185–189]
3. Raetz J et al.. Varicose Veins: Diagnosis and Treatment. Am Fam Physician. 2019;99:682–688.
4. Li X et al. Prospective Comparison of Effect of Ligation and Foam Sclerotherapy with Foam Sclerotherapy Alone for Varicose Veins. Ann Vasc Surg. 2018;49:75–79.
5. Sun Y et al. Feasibility and safety of foam sclerotherapy followed by a multiple subcutaneously interrupt ligation under local anaesthesia for outpatients with varicose veins. Int J Surg. 2017;42:49–53
6. Li X et al. Outcomes of Foam Sclerotherapy plus Ligation versus Foam Sclerotherapy Alone for Venous Ulcers in Lower Extremities. Ann Vasc Surg. 2017;45:160–165

Ein nationaler Krebsplan für die Schweiz

Liebe Leserinnen und Leser

Es ist geschafft, die Schweizer Politik hat sich für einen neuen Nationalen Krebsplan entschieden. Nach dem Ständerat hat am 29.2.2024 auch der Nationalrat grünes Licht gegeben – und zwar deutlich: in fünf der sechs Nationalratsfraktionen gab es keine einzige Gegenstimme. Die von Ständerat Erich Ettlin eingereichte Motion 23.3014 Nationaler Krebsplan ist somit akzeptiert.

Was bedeutet das nun konkret für die Schweiz? Zunächst einmal, dass die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in der Krebsbekämpfung, -prävention und -nachsorge anerkannt ist: Es müssen also kooperative Lösungen zugunsten der Krebspatientinnen und Krebspatienten entwickelt und umgesetzt werden. Wer die entsprechenden Projekte und Aktivitäten entwickeln und umsetzen soll, ist noch nicht abschliessend geklärt: Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat vom Bundesrat einen entsprechenden Auftrag erhalten, ist aber auch auf die Akteure der Krebsversorgung angewiesen, um die prioritären Themenbereiche zu identifizieren und Lösungen zu finden. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, hat Oncosuisse in den letzten zwei Jahren die Akteur/-innen der Krebsversorgung im Rahmen des Oncosuisse Forums versammelt und gemeinsam mögliche Prioritäten abgewogen. Im Rahmen von 27 thematischen Workshops wurde eine Vielzahl von möglichen Aktivitäten diskutiert. Oncosuisse ist nun daran, daraus eine Kombination von prioritären Themenbereichen zu erarbeiten, die der Vielfalt der Krebsversorgung gerecht wird. Der daraus resultierende Vorschlag für die Inhalte eines Nationalen Krebsplans wird im Sommer als «Masterplan 2025» publiziert und insbesondere dem BAG zur Prüfung unterbreitet.

Sobald Einigkeit darüber besteht, was im Rahmen eines Nationalen Krebsplans erreicht werden soll, kann die Diskussion über das Wie, Wann und durch wen beginnen, damit wir alle gemeinsam möglichst effizient an die Umsetzung der entsprechenden Aktivitäten gehen können – packen wir es an!

Dr. Michael Röthlisberger

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger

Co-Gesamtprojektleiter NSK
Nationale Strategie gegen Krebs
c/o Oncosuisse
Effingerstrasse 40
Postfach
3001 Bern

michael.roethlisberger@nsk-krebsstrategie.ch

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch