Update zur Urologie 2023

In der Urologie wurden auch 2023 verschiedene bedeutende Fortschritte erzielt. Im folgenden Beitrag erfolgt eine Zusammenstellung von aktuellen Meldungen aus den Sparten Infektiologie, Prostataforschung, Urolithiasis und Andrologie (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), welche für die Allgemeinmedizin von Relevanz sein dürften.

Various significant advances were also made in urology in 2023. The following article contains a compilation of current reports from the fields of infectiology, prostate research, urolithiasis and andrology (not exhaustive), which are likely to be of relevance to general practice.
Key Words: urology, prostate research, urolithiasis, andrology, infectiology

ChatGPT: kein FMH für Urologie

Erleichterung oder Erheiterung? ist die Frage bei der Benutzung von ChatGPT. Von standardisierten urologischen Fragestellungen hat der Chatbot 2023 ca. 60% korrekt beantwortet (1).

Infektiologie

Bakteriophagen zur Diagnostik und Therapie von Harnwegserkrankungen

Eine Forschungsgruppe der ETH Zürich hat einen Schnelltest entwickelt, der mit Bakteriophagen (hochspezialisierten Viren, die ausschliesslich Bakterien erkennen) die drei häufigsten Erreger von Blasenentzündungen (E. coli, Klebsiella, Enterococcus) nachweist. Im Labor wurden diese Viren so modifiziert, dass die von ihnen erkannten Bakterien ein leicht messbares Lichtsignal aussenden und Bacteriocine (proteinogene Toxine) freisetzen, welche dann bacterizid wirken. Ob und wann dieses vielversprechende Verfahren den Weg vom Labor in den klinischen Alltag findet, hängt von weiteren Studien und Zulassungen ab (2).

StroVac®-Impfung: Placebo zu gut für statistische Signifikanz

Der Impfstoff StroVac® mit den inaktivierten Uropathogenen E. coli, K. pneumoniae, Morganella morgagnii und Enterococcus faecalis muss als Immunotherapie bei rezidivierenden Harnwegsinfekten dreimal im Abstand von jeweils zwei Wochen verabreicht werden. In einer Doppelblindstudie konnten zwar die Anzahl der relevanten Harnwegsinfekte dank dem Impfstoff deutlich gesenkt werden, das gleiche galt aber auch für die Placebogruppe. Zwischenzeitlich zeigte sich, dass das in der Studie verwendete Placebo prophylaktisch gegenüber Harnwegsinfekten wirkt. Signifikant war der Unterschied in der Subpopulation mit 7 oder mehr Harnwegsinfekten pro Jahr. Klinisch zeigt dies, dass nicht-invasive prophylaktische Massnahmen (Hydrierung, Harnansäuerung, lokale Östrogenisierung, Probiotika, perikoitale Blasenentleerung) eine wichtige Rolle in der Prävention von rezidivierenden Harnwegsinfekten spielen, und die Antibiotikatherapie auch bei dieser Entität im Einzelfall beurteilt werden muss (3).

Prostata

BAG bewilligt HIFU bei Prostatakarzinom

Global entwickelt sich der therapeutische Ansatz beim Prostatakarzinom weg von der kompletten Organentfernung hin zur individuell angepassten Therapie. Nachdem belegt ist, dass das Prostatakarzinom der WHO Gradgruppe 1 (Gleason Score 3+3=6) besser aktiv überwacht als operiert wird, ist seit Juli 2023 in der Schweiz auch die hochintensivierte fokale Ultraschalltherapie «HIFU» beim niedrig-aggressiven Prostatakarzinom vom BAG anerkannt. Bis zum 31. Dezember 2028 läuft eine Evaluationsphase. Patienten mit einem Prostatakarzinom der WHO Gradgruppen 2&3 (Gleason Socre 3+4=7 resp. 4+3=7) in weniger als der Hälfte der Prostata und einem PSA von maximal 10 ng/ml können kassenpflichtig mit dieser Methode therapiert werden.

Lutetium-177 beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom mCRPC

SwissMedic hat im März 2023 Pluvicto® mit dem Wirkstoff (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan für die Behandlung des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms zugelassen. Angewandt wird es bei Patienten, die bereits eine Taxan-Chemotherapie und eine Inhibition des Androgenrezeptor-Signalwegs (ARPI) gehabt hatten, und bei denen das Prostata-spezifische Membranantigen PSMA nachgewiesen werden kann. In dieser Situation konnte die Lutetium-177 Therapie das Sterberisiko und den Krankheitsprogress in der Bildgebung deutlich senken, nicht aber das Gesamtüberleben. Zu den Nebenwirkungen dieser Therapie gehören Xerostomie, Ermüdung, Nausea, Inappetenz, Obstipation und Anämie (4).

Therapiedschungel bei Prostatahyperplasie

Seit 2010 haben sich die Therapieoptionen bei Prostatahyperplasie ver-n-facht. Neben der bald 100-jährigen klassischen TUR-P, und der ebenfalls klassischen retropubischen Adenomenukleation der Prostata haben sich transurethrale Therapien mit LASER (HoLEP, Greenlight), Wasserdampf (Rezûm), Wasserhochdruck (Aquablation), vorübergehender (iTIND) oder permanenter Fremdkörperinsertion in die Prostata (Urolift, Memokath), neben percutaner transluminaler Embolisation prostatischer Arterien (PAE) etabliert. Sämtliche Verfahren haben Stärken und Schwächen; die meisten FMH für Urologie bieten mind. eines dieser Verfahren neben dem Goldstandard TUR-P an.

Sägepalmenextrakt hat keinen Effekt bei Prostatabeschwerden

Eine Cochrane-Review einer Deutschen Arbeitsgruppe hat 27 Studien mit mehr als 4600 Teilnehmern zur Wirksamkeit des Sägepalmenextrakt Serenoa repens resp. Sabal serrulatum als alleiniges Prostatamittel ausgewertet. Im Vergleich mit Placebo hat das Sägepalmenextrakt keine Besserung der Beschwerden gebracht, weder kurz- noch langfristig. Auch die Lebensqualität wurde durch das Mittel nicht verbessert. Unklar ist, ob eine unwirksame Therapie schädigen kann durch Aufschub wirksamer Behandlungen (5).

Urolithiasis

Zugesetzter Zucker als Risikofaktor für Nierensteine

Zu den bekannten Risikofaktoren für Nierensteine gehören u.a. männliches Geschlecht, Übergewicht, Dehydrierung und diverse Erkrankungen. In einer Studie aus den USA gibt es Hinweise, dass auch zugesetzter Zucker auf diese Liste gehört. In einer nicht-kontrollierten retrospektiven Beobachtungsstudie wurden Daten von >28’000 Erwachsenen, deren Zuckerkonsum anhand von Befragungen hochgerechnet wurde, mit der Prävalenz von Nierensteinen in dieser Kohorte korreliert. Dabei zeigte sich, dass der Zuckerkonsum der Top 25 % der Population mit einem um 40 % höheren Risiko für Nierensteine korrelierte. Wer mehr als 25 % seiner Gesamtenergie aus zugesetztem Zucker bezog, hatte ein um 88% höheres Risiko im Vergleich mit den Menschen, die weniger als 5% ihrer Gesamtenergie aus zugesetztem Zucker beziehen (6).

Handgerät zur Nierensteintherapie?

In Zusammenarbeit mit der NASA hat die University of Washington in Seattle ein tragbares Therapiegerät für Nierensteine entwickelt. Das Gerät von der Grösse einer Schuhschachtel zerstört Nierensteine mit Ultraschallwellen. Die Therapie wird noch nicht serienmässig angewandt, hat aber in Versuchen in den USA erfreuliche Ergebnisse zeigen können – und unterstützt die NASA im Bestreben, Menschen eines Tages auf den Mars zu bringen.

Andrologie

Vasektomie und Prostatakarzinom?

In den letzten Jahren war oft der Verdacht geäussert worden, dass die Vasektomie mit dem Prostatakarzinom vergesellschaftet ist. Verschiedene und grosse Studien und Meta-Analysen haben diese Kausalität untersucht. Je robuster das Studiendesign und die Studienqualität, desto näher bei null lag diese Hypothese (7).

Testosteronersatztherapie bei hypogonadalen Männern

Hypogonadale Männer mit bekanntem oder hohem Risiko für eine koronare Herzkrankheit haben unter Placebo gleich viele unerwünschte und schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse gezeigt, wie unter Testosteronersatztherapie (8). Die Testosteronersatztherapie von hypogonadalen Männern mit koronarer Herzkrankheit, Kinderwunsch und Prostatakarzinom gehören zumindest initial in die Hände von Spezialisten, da verschiedene Faktoren die Therapieindikation und die Wahl des richtigen Präparats beeinflussen.

Verminderte Spermienqualität nach COVID-19-Infektion?

Am Kongress der Europäsichen Gesellschaft für Reproduktion und Embryologie ESHRE 2023 in Madrid wurde diskutiert, ob eine Infektion mit COVID-19 die Spermienqualität vermindert. 31 Männer, die vor und nach einer leichten COVID-19 Infektion in spanischen Reproduktionskliniken ein Spermiogramm abgegeben hatten, hatten auch durchschnittlich 238 Tage nach COVID-19 Infektion eine schlechtere Spermienqualität im Vergleich mit dem Spermiogramm vor Infektion (Dauer der Spermiogenese ca. 78 Tage). Sowohl das Volumen, die Spermienzahl, die Motilität und Vitalität waren nach Infektion vermindert, bei vergleichbarer Spermienform. Als Pathogenese wird die Schädigung des Hodenparenchyms durch Leukozyten diskutiert. Unklar ist, ob eine Korrelation zum Testosteronhaushalt besteht, der durch SARS-CoV-2 ebenfalls reduziert werden kann, und wie die Erholung auf lange Zeit aussieht. Ebenfalls ist nicht gesichert, ob diese Beobachtung tatsächlich durch COVID-19 erklärt werden darf (9).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Gallus Beatus Ineichen

Universitätsklinik für Urologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 37
3010 Bern

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Im Zentrum der ärztlichen Behandlung bleibt über 2023 hinaus in der Alltagspraxis das Gespräch mit dem Patienten und die körperliche Untersuchung im Vordergrund. Die Entwicklung von neuen diagnostischen Techniken, von effizienteren Medikamenten und besseren Operationsverfahren helfen jeweils dabei, für den einzelnen Patienten die richtige medizinische Massnahme zu treffen.

1. Whiles BB, Bird VG, Canales BK, DiBianco JM, Terry RS. Caution! AI Bot Has Entered the Patient Chat: ChatGPT Has Limitations in Providing Accurate Urologic Healthcare Advice. Urology. 2023 Oct;180:278-284.
2. Du, J., et al. (2023). “Enhancing bacteriophage therapeutics through in situ production and release of heterologous antimicrobial effectors.” Nat Commun 14(1): 4337.
3. Nestler S, Grüne B, Schilchegger L, Suna A, Perez A, Neisius A. Efficacy of vaccination with StroVac for recurrent urinary tract infections in women: a comparative single-centre study. Int Urol Nephrol. 2021 Nov;53(11):2267-2272.
4. Sartor O et al. Lutetium-177–PSMA-617 for Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. N Engl J Med 2021; 385: 1091–103
5. Franco JVA et al.Serenoa repens for the treatment of lower urinary tract symptoms due to benight prostatic enlargement. Cochrane Database Syst Rev 2023; 6(6): CD001423
6. Yin S et al. Association between added sugars and kidney stones in U.S. adults: data from National Health and Nutrition Examination Survey 2007–2018. Front Nutr 2023; 10: 1226082
7. M. Baboudjian, P. Rajwa, E. Barret, J.-B. Beauval, L. Brureau, G. Créhange, et al. European Urology Open Science 2022 Vol. 41 Pages 35-44.
8. Lincoff AM, Bhasin S, Flevaris P, Mitchell LM, Basaria S, Boden WE, Cunningham GR, Granger CB, Khera M, Thompson IM Jr, Wang Q, Wolski K, Davey D, Kalahasti V, Khan N, Miller MG, Snabes MC, Chan A, Dubcenco E, Li X, Yi T, Huang B, Pencina KM, Travison TG, Nissen SE; TRAVERSE Study Investigators. Cardiovascular Safety of Testosterone-Replacement Therapy. N Engl J Med. 2023 Jul 13;389(2):107-117.
9. Presentation no: O-020, “What is the recovery time for sperm parameters in men who have suffered a mild Covid-19 infection?” presented by Professor Rocio Núñez-Calonge, Session 04: Factors influencing sperm (dys)function, Hall D1, 11.15 hrs CEST, Monday 26 June 2023.

Résultats de l’ étude d’ observation multicentrique et prospective PIONEER REAL Suisse

Le sémaglutide administré par voie orale, premier agoniste oral du récepteur du glucagon-like peptide-1 (GLP-1 RA), a montré une grande efficacité dans la réduction du taux d’ HbA1c et du poids corporel dans le cadre du programme de phase 3a PIONEER. Le programme PIONEER REAL est menée dans 13 pays, l’ étude PIONEER REAL Suisse est une étude non interventionnelle visant à examiner les résultats cliniques liés à la prise de sémaglutide par voie orale chez les adultes atteints de diabète de type 2 (DT2).

PIONEER REAL Suisse est une étude de phase 4 multicentrique, prospective, ouverte, non interventionnelle, à un seul bras, d’ une durée de 34 à 44 semaines, menée chez des adultes atteints de DT2 qui ne répondent pas aux médicaments hypoglycémiants injectables et qui commencent à prendre du sémaglutide oral une fois par jour dans le cadre de l’ utilisation en situation clinique réelle. Les variations du taux d’ HbA1c (critère d’ évaluation principal) et du poids corporel (critère d’ évaluation secondaire) ont été protocolés depuis la valeur initiale jusqu’ à la fin de l’ étude. Le pourcentage de participants ayant atteint un taux d’ HbA1c <7% et les critères d’ évaluation composites de réduction de l’ HbA1c ≥1% avec réduction du poids ≥3% ou ≥5% à la fin de l’ étude ont été évalués en même temps que les critères d’ évaluation exploratoires supplémentaires. Les analyses primaires étaient basées sur la période d’ observation de l’ étude.

Résultats

Sur les 185 participants qui ont commencé à prendre du sémaglutide par voie orale, 168 (90.8 %) ont terminé l’ étude. 143 (77,3 %) d’ entre eux ont poursuivi le traitement par sémaglutide dans une seconde étude et sont restés sous traitement de sémaglutide oral jusqu’ à la fin de l’ étude. Au moment de l’ évaluation initiale, les participants avaient un âge moyen (écart-type, ET) de 62 (10.4) ans, un taux d’ HbA1c de 7.7 (1.5) %, un poids corporel de 95.6 (17.6) kg, un IMC de 33.2 (4,8) kg/m2 et 56.2 % recevaient simultanément d’ autres médicaments pour réduire leur glycémie. Le taux d’ HbA1c a diminué de manière significative entre la valeur initiale et la fin de l’ étude (variation moyenne estimée [intervalle de confiance (IC) à 95 %] –0.9 % [-1.1; -0.7], p<0.0001), tout comme le poids corporel absolu et relatif (variation moyenne estimée [IC à 95 %] -4.7 kg [-5.6 ; -3.8] et –4.9 % [-5.7 ; -4.0], respectivement ; tous deux p<0.0001). À la fin de l’ étude, 64.2 % des participants avaient une HbA1c < 7 %, tandis qu’ une réduction de l’ HbA1c ≥1 % plus une diminution du poids corporel ≥3 % et ≥5 % ont été obtenues par 37.8 % et 28.3 % des participants, respectivement. À la fin de l’ étude, un succès clinique a été constaté et rapporté par le médecin traitant chez 121 (73.8 %) participants. Un total de 139 événements indésirables a été signalé chez 65 participants (35.1 %). La plupart des effets indésirables étaient légers ou modérés. Les effets indésirables les plus fréquemment signalés étaient des troubles gastro-intestinaux (89 événements chez 50 participants). 31 effets indésirables chez 20 (10.8 %) participants ont entraîné l’ arrêt du sémaglutide oral. Au total, 6 effets indésirables graves ont été signalés, mais qui n’ étaient probablement pas liés à la prise de sémaglutide par voie orale.

Conclusion

Dans l’ étude PIONEER REAL Suisse, les adultes atteints de DT2 traités par le sémaglutide oral dans un contexte d’ utilisation en situation clinique réelle en Suisse ont obtenu une amélioration cliniquement significative du contrôle glycémique et une réduction de la glycémie, ainsi qu’ une diminution du poids corporel, sans signe de nouveaux effets indésirables.

Source:
Kick A et al. Real-world use of oral sémaglutide in adults with type 2 diabetes: Results from the PIONEER REAL Switzerland multicenter, prospective, observational study, Congrès annuel de la SSED, 16./17.11. 2023, Bern.

Pr Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Verbesserung der kardiovaskulären Prävention durch ein systematisches Screening

Die Herzkreislauferkrankungen sind 2023 global und in der Schweiz die wichtigsten Morbiditäts- und Mortalitätsursachen. Leider wird diese Tatsache von der Bevölkerung und der Politik zu wenig wahrgenommen. Aus diesen Gründen stellt sich die berechtigte Frage, wann und bei welchen Personen ist ein kardiovaskuläres (cv) Screening sinnvoll? Eine Antwort geben die aktualisierte ESC-Guideline 2023 «Diabetes u. Herz», die ESC-Präventions-Guidelines 2021 und die diesjährige Empfehlung der AGLA «Prävention der Atherosklerose».

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie plädierte an ihrer Jahrestagung 2022 für einen Herzcheck ab 50 Jahren und hat zur Verbesserung der kardialen Gesundheit eine nationale Herz-Allianz gegründet. Politisch wird diese Massnahme durch den Gesundheitsminister unterstützt (1,2). Cv-Screening-Massnahmen sind deutlich effektiver als das Krebsscreening auf ein Brust- oder Darmkarzinom, dessen Sinnhaftigkeit niemand anzweifelt. Eine Überprüfung auf Fettstoffwechselstörungen und auf eine Hypertonie ist zehnmal so effektiv in der Verhinderung von Todesfällen wie eine Überprüfung auf Hepatitis oder Kolonkarzinome (1).

Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsprogramme können uns nicht nur helfen, Patienten vor schweren Folgen ihrer Erkrankungen zu schützen, indem wir sie frühzeitig behandeln, sondern auch Heilungschancen verbessern. Die meisten bedürfen einer lebenslangen Therapie. Der plötzliche Herztod und der unerwartete Myokardinfarkt muss bekämpft werden; ereignen sich doch 25 Prozent der Herzkreislauftodesfälle vor dem 65-ten Lebensjahr.
Bei einem Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) hat das cv und renale Screening nach der neuen ESC-Guideline eine Klasse IA-Indikation. So stellt sich immer die Frage nach einer atherosklerotischen Erkrankung und einer Herzinsuffizienz (HI). Durch eine gute Anamnese mit Einordnung von Symptomen ergeben sich klare Erkennungsmerkmale. Es bedarf auch einem routinemässigen Screening auf eine chronische Niereninsuffizienz (CKD) (3). Diese wird mit einer eGFR (EPI) und einem morgendlichen Spontanurin mit Frage nach Mikro-/Albuminurie (UACR) nachgewiesen. Je schlechter die eGFR <60ml/min/1.73m2 und je ausgeprägter die Albuminurie ≥30mg/g desto schwerer die CKD und desto höher das cv Risiko. Umgekehrt sollte bei einer cv Erkrankung auch ein T2DM mit einem Nüchtern-Blutzucker und einem HbA1c ausgeschlossen werden. Bei einem akuten Koronarsyndrom findet man in bis zu 37%, bei einer HI in bis zu 47% einen T2DM (3,4).

Daher sollte bei einem Arztkontakt nach den klassischen cv Risikofaktoren, nach Anamnese und Symptomen für eine Atherosklerose resp. für eine HI, weiteren cv Erkrankungen wie z.B. ein VHFLi gefragt und allenfalls gesucht werden; sind doch die entsprechenden Risiken, insbesondere für eine HI bei T2DM deutlich erhöht. Den Komorbiditäten der HI kommt eine immense Bedeutung zu, insbesondere Krebs, Depressionen und Demenzerkrankungen. Diese werden wie die cv Risikofaktoren Leitlinien gerecht behandelt.

Eine Hypertonie, eine Fettstoffwechselstörung, Übergewicht/Adipositas, Nikotinkonsum und ein Diabetes müssen im frühen Erwachsenenalter erstmals ausgeschlossen werden; ggf. Einleitung von Präventions-Massnahmen.

Ein konsequentes cv-Screening würde in der Schweiz Tausende von unentdeckten Risiken und beginnende Erkrankun­gen, einen T2DM und eine CKD, frühzeitig aufdecken und die jährlichen Gesundheitskosten – 6,1 Milliarden Franken, 7,7% des Gesamtbudgets im Jahr 2017 – in der cv Medizin senken (5).

Diese Forderung deckt sich mit den ESC- und WHO-PräventionsZielen und den Absichten und Anstrengungen in unserem nördlichen Nachbarland. Wäre es nicht auch in der Schweiz an der Zeit, ein nationales strukturiertes cv Präventionsprogramm mit den beteiligten Fachgesellschaften und der Politik zu diskutieren? Die Gesundheit muss frühzeitig, über die gesamte Lebensspanne hinweg, weiter verbessert werden.

Wir wünschen Ihnen besinnliche Festtage und ein gesundes, erfülltes, freudiges und glückliches 2024 mit weiterhin viel Freude an der kardiovaskulären Medizin.

Dr. Urs Dürst, Forch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

  1. Baldus et al. Die Nationale Herz-Allianz – Update 2023, DGK; Kardiologie 2023;17:65-71 + H. Thiele, DGK -Herztage in Bonn, 5.-7.10.2023
  2. Nachrichten, Lauterbach will Herz-Kreislauferkrankungen + Diabetes aktiv aufspüren, Ärztezeitung vom 30.10.2023, Springer Medizin
  3. Marx N. et al., 2023 ESC Guidelines for the management of cardiovascular disease in patients with diabetes, European Heart Journal 2023; 00,1–98, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad192
  4. Visseren F.L.J et al. ; ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice; European Heart Journal 2021; 42 (34): 3227-3337
  5. Stucki et al., What drives health care spending in Switzerland? Findings from a decomposition by disease, health service, sex, and age, BMC Health Services Research 2023; 23:1149

CARDIO FLASH

Die wichtige Rolles des Herz-MRI zur Risikostratifizierung der bei hypertropher Kardiomyopathie

Die Methoden zur Risikostratifizierung für den plötzlichen Herztod (Sudden Cardiac Death; SCD) bei Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie (HCM) haben sich in den letzten Jahren, insbesondere durch die zusätzliche Anwendung der Herz-MRI, weiterentwickelt. Ein Forschungsartikel von Jiaxin Wang und Kollegen des Fuwai Hospital, Chinese Academy of Medical Sciences & Peking Union Medical College/National Center for Cardiovascular Diseases, Peking, China, mit dem Titel «Assessment of Late Gadolinium Enhancement in Hypertrophic Cardiomyopathy Improves Risk Stratification Based on Current Guidelines», zielt darauf ab, das ESC-Modell von 2022 extern zu validieren und den Nutzen des Late Gadolinium-Enhancements (LGE) für eine verbesserte Risikostratifizierung bei HCM-Patienten, die für die Implantation eines Defibrillators zur Primärprävention von SCD in Frage kommen, zu untersuchen. 774 Patienten, die sich einer Herz-MRI-Untersuchung unterzogen haben, wurden retrospektiv eingeschlossen. 46 (5,9 %) Patienten erreichten den SCD-bezogenen Endpunkt während einer Nachbeobachtungszeit von 7,4 Jahren. Patienten, die einen SCD erlitten, wiesen einen höheren ESC SCD-Risiko-Score auf (4,3 ± 2,4 % vs. 2,8 ± 2,1 %, P < .001) und ein grösseres LGE-Ausmass (13,7 ± 9,4 % vs. 4,9 ± 6,6 %, P < 0.001). Verglichen mit dem ESC-Modell von 2014 zeigte das ESC-Modell von 2022 eine verbesserte Area under the Curve (AUC) (0.76 vs. 0.63), Sensitivität (76,1 % vs. 43,5 %), positiven prädiktiven Wert (16,8 % vs. 13,6 %) und negativen prädiktiven Wert (98,1 % vs. 95,9 %). Die AUC für die SCD-Vorhersage des American College of Cardiology (ACC)/American Heart Association (AHA) von 2011 und AHA/ACC von 2020 waren 0.68 bzw. 0.78. Zudem war ein LGE ≥5% im mit einem siebenfachen SCD-Risiko nach multivariabler Anpassung assoziiert.

Die Autoren folgern, dass das ESC-Modell von 2022 das Modell von 2014 in Bezug auf Sensitivität übertrifft und das Herz-MRI mit LGE eine verbesserte Risikostratifizierung nach aktuellen Richtlinien ermöglicht. Als Leiter der kardialen Bildgebung am Inselspital Bern hatte ich die Gelegenheit, in einem Editorial diese aktuelle Studie zu kommentieren. Dabei wies ich darauf hin, dass zukünftige Risikostratifizierung nicht ausschliesslich auf traditionellen Methoden basieren sollten. Ich betonte die Bedeutung der Integration künstlicher Intelligenz für die Analyse umfangreicher Datenmengen, einschliesslich klinischer, EKG-, genetischer und bildgebender Daten. Zudem unterstrich ich die wachsende Relevanz longitudinaler, serieller Daten für die Entwicklung dynamischer Risikoeinschätzungen, da sich klinische und bildgebende Marker bei HCM im Zeitverlauf ändern können.

Prof. Christoph Gräni

– Jiaxin Wang et al. Assessment of late gadolinium enhancement in hypertrophic cardiomyopathy improves risk stratification based on current guidelines. Eur Heart J . 2023 Dec 1;44(45):4781-4792. doi: 10.1093/eurheartj/ehad581.
– Gräni C. Prime time for CMR imaging of arrhythmogenic substrate in hypertrophic cardiomyopathy. Eur Heart J. 2023 Dec 1;44(45):4793-4795. doi: 10.1093/eurheartj/ehad686.

Anmerkungen zu Herz und Long COVID

1. Das Post acute sequelae (PASC) of COVID-19 wird als Long COVID bezeichnet und betrifft einige Prozent der Erkrankten unabhängig von der Schwere der initialen Krankheit (1).

2. Beim Herzen unterscheidet man zwei Formen von Erkrankungen nach COVID:
a. PASC-cardiovascular disease (CVD): Umfasst die sehr seltenen Folgen einer akuten Beteiligung des Herzens bei der COVID-19 Erkrankung und die etwas erhöhte Rate an kardiovaskulären Erkrankungen im Langzeitverlauf.
b. PASC-cardiovascular syndrome (CVS): Umfasst die kardialen Aspekte der eigentlichen Long COVID Erkrankung mit heterogenen Beschwerden der Patienten, wie Leistungsintoleranz, Dyspnoe, Müdigkeit (Fatigue), Tachykardien, Thoraxschmerzen, Erschöpfung schon nach geringer körperlicher Belastung (post-exertional malaise) (2).

3. Für die heterogenen kardialen Beschwerden der Patienten mit Long COVID (PASC-CVS) finden sich mittels der herkömmlichen kardiologischen Untersuchungen keine Ursache, insbesondere ist die mechanische Funktion erhalten. Bei unauffälliger kardiologischer Basisabklärung bringen weitergehende apparative Untersuchungen keine neuen Erkenntnisse und sind deshalb nicht nötig (1, 2).

4. Long COVID betrifft verschiedene Organsysteme. Störungen des neurologischen Systems sind teilweise eng mit dem kardiovaskulären System verbunden und verursachen ähnliche Symptome.

5. Long COVID hat insbesondere Ähnlichkeiten mit dem myalgischen Enzepahlomyelitis/chronischen Erschöpfungssyndrom (Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom, ME/CFS). Das Kardinalsymptom ist dabei die Erschöpfung, Unwohlsein und Benommenheit nach körperlicher Anstrengung. Bei Vorliegen einer post-exertional malaise ist körperliches Training nicht nur nicht hilfreich, sondern schädlich (3). Auch bei milden Formen, wie sie bei jungen Sportlern typischerweise beobachtet werden, soll kein ambiotioniertes Aufbautraining angestrebt werden (2).

6. Long COVID geht mit autonomer Dysregulation einher, welche zu leichten, bis schweren Formen einer posturalen orthostatischen Tachykardiesyndrom (POTS) führen kann. Bei Patienten mit POTS wird ein sehr langsames Aufbautraining mit Sportarten, die liegend oder halbliegend durchführbar sind, wie Schwimmen oder Rudern empfohlen (2). Zusätzlich soll viel Flüssigkeit und Salz eingenommen werden und können Stützstrümpfe eingesetzt werden.

7. Long COVID wird wahrscheinlich durch mehrere Mechanismen verursacht. Eine Immundysregulation, autoimmune Mechanismen, eine endotheliale Dysfunktion, dysfunktionale neuronale Signale, und veränderte Mikrobiome kommen in Frage.

8. Jüngst sind zwei pathophysiologische Phänomene gefunden worden, die Aspekte des Long COVID erklären können. Zum einen konnten die verschiedenen Phänotypen von Long COVID spezifischen Veränderungen des Immunsystems zugeordnet werden (4). Dabei fanden sich auch niedrige Cortisonspiegel, welche zur verminderten Leistungsfähigkeit bei Long COVID beitragen könnten. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass über virale mRNA Interferone aktiviert werden, welche das zirkulierende Serotonin reduzieren (5). Serotonin oder dessen Fehlen beeinflusst multiple wichtige Funktionen im neuronalen, gastro-intestinalen und kardiovaskulären System.

9. Bei Long COVID bleiben viele Fragen ungeklärt. Sowohl Strategien zur Prävention, wie Impfung und anti-virale Medikamente, als auch spezifische Therapien, wie Steroide, Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, müssen sich erst noch beweisen (1).

Prof. Franz Eberli

1. Davis HE et al. Nature Reviews Microbiology 2023;21:133-146
2. 2022 ACC Expert Consensus Decision Pathway on Cardiovascular Sequelae of COVID-19. JACC 2022;79:1717-1756
3. NICE. Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome: Diagnosis and management https://www.nice.org.uk./guidance/NG206, 2021
4. Klein J. et al. Distinguishing features of long COVID identified through immune profiling. Nature 2023;623:139-148, https://doi.org/10.1038/s41586-023-06651-y
5. Wong AC et al. Serotonin reduction in post-acute sequelae of viral infection. Cell 2023 https://doi.org/10.1016/j.cell.2023.09.013

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

Prof. Dr. Dr. med. Christoph Gräni

PhD, FESC, FACC, FSCCT, FSCMR
Leiter kardiale Bildgebung
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

christoph.graeni@insel.ch

Stressechokardiographie

In der klinischen Praxis kommt der Stress-Echokardiographie (SE) eine herausragende Bedeutung zu. Sie liefert nicht nur wertvolle diagnostische und prognostische Informationen bei zahlreichen kardiovaskulären Erkrankungen, sondern stellt auch eine kostengünstige und überall leicht verfügbare Methode dar. Dieser Beitrag gewährt einen Einblick in die Anwendungsbereiche der SE, gibt einen Überblick über die vielfältigen Indikationen und betont ihre Bedeutung im klinischen Alltag. Es werden spezifische, prognostisch relevante Befunde für die häufigsten Indikationen diskutiert, wobei auch die Implikationen für das weitere Management erläutert werden.

Stress echocardiography plays a pivotal role in clinical practice. Beyond furnishing valuable diagnostic and prognostic insights across a spectrum of cardiovascular disorders, it presents a cost-effective and widely accessible diagnostic tool. This article provides a glimpse into the domain of SE, offering a comprehensive overview of diverse indications and its clinical utility. Specific prognostically relevant findings for the most common indications are discussed, along with implications for further management.
Key words: Exercise stress echocardiography, dobutamine stress echocardiography, low-flow low-gradient aortic stenosis, hypertrophic obstructive cardiopathy

Stressechokardiographie bei ischämischen Herzerkrankungen

Konzept / Pathophysiologie

Der diagnostische Endpunkt zur Erkennung einer myokardialen Ischämie ist die durch Belastung induzierte Entwicklung einer regionalen Wandkinetik-Störung. Die Ischämie wird bei Vorhandensein einer hämodynamisch relevanten Stenose durch die Dysbalance zwischen erhöhtem Sauerstoffbedarf und unzureichender Sauerstoffzufuhr hervorgerufen. Die Belastung kann aktiv und physiologisch mittels Laufband oder Fahrrad in halbliegender Position erfolgen und stellt damit die sicherste Methode dar (1). Der Vorteil gegenüber einer medikamentösen Belastung liegt darin, dass der Patient während der Belastung klinisch beurteilt, die maximal erreichte Sollleistung bestimmt, Beschwerden objektiviert sowie das Herzfrequenz- und Blutdruckprofil beurteilt werden können. Zudem lassen sich auch belastungsabhängige Rhythmusstörungen objektivieren. Daher kann die Stress-Echokardiographie (SE) mit vergleichsweise geringen logistischen Veränderungen das altbewährte, jedoch für die Ischämie abgewertete Belastungs-EKG (IIb-Empfehlung) erheblich bereichern und Einzug in eine kardiologische Praxis finden.

Die Überlegenheit der SE beruht auf der ischämischen Kaskade. Relevante Ischämie führt initial zu einer Abnahme der koronaren Flussreserve, gefolgt von einem Perfusionsdefekt, welches einer strukturellen Reduktion der Kapillardichte entspricht. Bei anhaltender Ischämie resultieren diastolische Dysfunktion, regionale Wandmotilitätsstörungen und typische Ischämie-EKG-Veränderungen.

Belastungsart

Bei physikalischer Belastung werden klinische Parameter wie oben erwähnt objektiviert. Bei Unmöglichkeit erfolgt die Belastung medikamentös (meist Dobutamin) oder elektrisch (2). Ähnlich wie bei der physikalischen Belastung kommt es unter Dobutamin zu einer Inotropiesteigerung und der myokardiale Sauerstoffverbrauch wird erhöht, sodass hierbei die regionale Wandmotilität beurteilt wird. Alternativ kann auch Adenosin oder Regadenoson mittels Perfusionsstudie genutzt werden, auf welche hierbei nicht näher eingegangen wird.

Genauigkeit / Accuracy

Die SE zeichnet sich durch eine klinisch sehr nützliche Untersuchung aus (3). Der prädiktive negative Wert ist exzellent und liegt bei 93-99% (3, 4). Diese Methode bietet sich als äußerst effektiv an, da sie bei einem mittleren Risikoprofil (15-85%) ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sensitivität und Spezifität aufweist. Kontrastmittel verbessert die Visualisierung (5). Insbesondere bei Adipositas und älteren Patienten, aber auch sonstiger schlechter Schallqualität kann somit die Genauigkeit der Untersuchung in erfahrenen Händen deutlich verbessert werden (3).
Dank der hohen Spezifität schließt ein negativer Test das Vorliegen einer hämodynamisch relevanten Koronarstenose sehr zuverlässig aus. Die Sensitivität ist etwas geringer, sodass ein positiver Test mit induzierbarer Wandbewegungsstörung auch ohne epikardiale Koronarstenose auftreten kann. Hierbei sind insbesondere schwere Hypertonie, Aortenstenose, schwere Obstruktion bei hypertropher Kardiopathie (HCM) (aufgrund erhöhten Sauerstoffbedarfs) oder erheblicher Koronarspasmus, mikrovaskuläre Dysfunktion, tiefere/längere Myokardbrücke (aufgrund erniedrigter Sauerstoffzufuhr) oder rheologische Pathologie zu nennen (6).

Indikationen

Die häufigste Indikation für eine SE-Untersuchung ist die Abklärung von unklaren thorakalen Beschwerden und/oder Dyspnoe zur Suche nach myokardialer Ischämie.

Die SE sollte bei Patienten mit intermediärem kardiovaskulärem Risikoprofil durchgeführt werden, was für alle funktionellen Ischämietests wie Myokardszintigraphie, PET-Perfusionsimaging und Herz-MRI gilt (7). Die Stress-Echokardiographie zeichnet sich durch ihre einfache Verfügbarkeit, Strahlenarmut, relative Kostenersparnis und nahezu Null-Emission aus und ist somit klimaneutral (1).

Weitere Gründe für die Durchführung eines funktionellen Ischämietests ergeben sich, wenn bereits eine koronare Herzerkrankung bekannt ist und Fragen zur Progression, höheren Kalkablagerungen oder moderaten Koronarstenosen bestehen, die mittels Koronar-CT diagnostiziert wurden. Das Ausmaß der myokardialen Ischämie beeinflusst die weiteren Schritte in Bezug auf Diagnose und Therapie. Eine prognostisch relevante Ischämie liegt vor, wenn drei oder mehr Segmente mit belastungsinduzierter Hypokinesie oder Akinesie auftreten (Abb. 1).

Neben der Ischämie ermöglicht die SE durch die Erfassung der kontraktilen Reserve in einem Myokardsegment auch die Beurteilung der Viabilität. Hierfür kann die Belastung entweder physikalisch oder medikamentös mit niedriger Dosierung von Dobutamin erfolgen. Zusätzlich können in derselben Untersuchung die diastolische Funktion unter Belastung sowie die koronare Flussreserve erfasst werden.

Stressechokardiographie bei nicht-ischämischen Herzerkrankungen

Indikationen

Weitere Indikationen für eine SE liegen in der Beurteilung von Klappenerkrankungen, einschliesslich Prothesen und Zustand nach Rekonstruktionen, der diastolischen Funktion, dem Ausmass der Obstruktion bei HCM, Dyspnoe unklarer Genese und seltener bei angeborenen Herzerkrankungen.

Aortenstenose

Die häufigste Indikation betrifft dabei eine schwere low-flow, low-gradient Aortenklappenstenose. Wenn eine solche diagnostiziert wird (systolischer mittlerer Druckgradient <40mmHg, Klappenöffnungsfläche ≤ 1cm2, linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) < 50%, indexiertes Schlagvolumen ≤ 35ml/m2), sollte eine Dobutamin-SE durchgeführt werden. In Anwesenheit einer kontraktilen Reserve (= mindestens 20% Zunahme des Schlagvolumens) kann eine echte (Abb. 2) von einer pseudo-schweren Aortenstenose unterschieden werden, was eine klare IB Indikation für eine Intervention darstellt (8). Der Belastungstest kann Symptome bei vermeintlich asymptomatischer Aortenstenose aufdecken. Die physikalische SE liefert dabei prognostische Informationen. Bei einer über 20 mmHg erhöhten Zunahme des systolischen Druckgradienten wird eine frühe Intervention beim niedrigen peri-prozeduralen Risiko im Herzteam empfohlen (8, 9).

Dyspnoe Abklärung

Die SE erweist sich als äußerst nützlich im Rahmen der Abklärung von Dyspnoe unklarer Ätiologie. Neben der Suche nach Ischämie ermöglicht sie gleichzeitig die Identifikation einer belastungsinduzierten höhergradigen diastolischen Dysfunktion oder belastungsinduzierten pulmonalen Hypertonie. Die Ursache der Dyspnoe kann auch auf eine dynamische Obstruktion im linksventrikulären Ausflusstrakt (LVOT) durch eine systolische Vorwärtsbewegung des anterioren Segels (SAM) zurückzuführen sein, was typischerweise bei hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie (HOCM) auftritt. Eine weitere häufig anzutreffende Gruppe sind ältere Patienten, die in der Regel ein sigmoidförmiges Septum bei hypertensiver Kardiomyopathie und ein geringeres linksventrikuläres Volumen aufweisen (10) (Abb. 3). Eine weitere, seltenere Ursache der Dyspnoe kann ein unter Belastung auftretendes passageres apikales Ballooning in Patienten mit stattgehabtem Takotsubo Event sein (11).

Hypertrophe Kardiopathie

In der Risikostratifizierung für den plötzlichen Herztod bei HCM erhält die SE eine IB-Empfehlung. Diese dient der Bestimmung der relevanten Obstruktion im LVOT, insbesondere wenn in aufrechter Position oder unter Valsalva-Manöver keine Obstruktion von mindestens 50 mmHg provoziert werden kann (12). Die Auswahl der weiteren Therapiemöglichkeiten, sei es medikamentöse Therapie oder septale Reduktionstherapie, hängt massgeblich von dieser Bestimmung ab. Hinweise deuten darauf hin, dass höhere Gradienten detektiert werden können, wenn die Belastung durch ein Laufband erfolgt, im Vergleich zur Liegevelo-Position und unter Valsalva-Manöver (13).

Mitralinsuffizienz

Die SE ist im Management der Mitralinsuffizienz mit diskordanten Symptomen bedeutsam. Neben der Objektivierung der Dyspnoe liefert sie auch prognostisch relevante Informationen (14). Belastungsabhängige pulmonale Hypertonie (SPAP ≥ 60mmHg) und fehlende kontraktile Reserve (< 5% Anstieg der EF oder < 2% Anstieg des GLS) deuten auf eine ungünstige Prognose hin (10). Bei primärer Mitralinsuffizienz mit mittelschwerer Graduierung im Ruhezustand kann die physikalische SE bei Symptomen wie Atemnot oder Leistungsintoleranz aufschlussreich sein (8).

HFpEF

Einen weiteren Vorteil bietet die SE bei der Diagnose von Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF; Heart failure with preserved ejection fraction), für welche neue Therapiemöglichkeiten verfügbar sind. Besonders bei unklarer Diagnose und belastungsabhängigen Beschwerden kann die SE wertvolle Informationen liefern. HFpEF-Patienten zeigen eine beeinträchtigte frühe diastolische Relaxation. Die natürliche diastolische Saugfunktion und Anpassungsfähigkeit des linken Ventrikels ist behindert, was zu einer unzureichenden Zunahme von Schlagvolumen und Gesamtherzleistung führt. Dies manifestiert sich in erhöhten Füllungsdrücken und pulmonaler Drucksteigerung. Echokardiographisch werden diese Parameter durch E/e’ (≥ 15) und Geschwindigkeitsmessung der Trikuspidalinsuffizienz (> 3.4m/s) erfasst. Die Messung kann durch E/A-Fusion bei leichter Tachykardie (> 100/Minute) in etwa 10% der Fälle eingeschränkt sein (15, 16).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. H. Yakup Yakupoglu

Leitender Arzt Kardiologie
Kantonsspital Aarau
Tellstrasse 25
5001 Aarau

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert

1. Picano E, Pierard L, Peteiro J, Djordjevic-Dikic A, Sade LE, Cortigiani L, et al. The clinical use of stress echocardiography in chronic coronary syndromes and beyond coronary artery disease: a clinical consensus statement from the European Association of Cardiovascular Imaging of the ESC. European Heart Journal – Cardiovascular Imaging. 2023.
2. Picano E, Alaimo A, Chubuchny V, Plonska E, Baldo V, Baldini U, et al. Noninvasive pacemaker stress echocardiography for diagnosis of coronary artery disease: a multicenter study. Journal of the American College of Cardiology. 2002;40(7):1305-10.
3. Woodward W, Dockerill C, McCourt A, Upton R, O’Driscoll J, Balkhausen K, et al. Real-world performance and accuracy of stress echocardiography: the EVAREST observational multi-centre study. Eur Heart J Cardiovasc Imaging. 2022;23(5):689-98.
4. Pellikka PA, Arruda-Olson A, Chaudhry FA, Chen MH, Marshall JE, Porter TR, et al. Guidelines for performance, interpretation, and application of stress echocardiography in ischemic heart disease: from the American Society of Echocardiography. Journal of the American Society of Echocardiography. 2020;33(1):1-41. e8.
5. Senior R, Becher H, Monaghan M, Agati L, Zamorano J, Vanoverschelde JL, et al. Clinical practice of contrast echocardiography: recommendation by the European Association of Cardiovascular Imaging (EACVI) 2017. Eur Heart J Cardiovasc Imaging. 2017;18(11):1205-af.
6. Edvardsen T, Asch FM, Davidson B, Delgado V, DeMaria A, Dilsizian V, et al. Non-invasive imaging in coronary syndromes: recommendations of the European Association of Cardiovascular Imaging and the American Society of Echocardiography, in collaboration with the American Society of Nuclear Cardiology, Society of Cardiovascular Computed Tomography, and Society for Cardiovascular Magnetic Resonance. Eur Heart J Cardiovasc Imaging. 2022;23(2):e6-e33.
7. Knuuti J, Wijns W, Saraste A, Capodanno D, Barbato E, Funck-Brentano C, et al. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes: The Task Force for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes of the European Society of Cardiology (ESC). European Heart Journal. 2019;41(3):407-77.
8. Vahanian A, Beyersdorf F, Praz F, Milojevic M, Baldus S, Bauersachs J, et al. 2021 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. EuroIntervention. 2022;17(14):e1126-e96.
9. Marechaux S, Hachicha Z, Bellouin A, Dumesnil JG, Meimoun P, Pasquet A, et al. Usefulness of exercise-stress echocardiography for risk stratification of true asymptomatic patients with aortic valve stenosis. Eur Heart J. 2010;31(11):1390-7.
10. Lancellotti P, Pellikka PA, Budts W, Chaudhry FA, Donal E, Dulgheru R, et al. The Clinical Use of Stress Echocardiography in Non-Ischaemic Heart Disease: Recommendations from the European Association of Cardiovascular Imaging and the American Society of Echocardiography. J Am Soc Echocardiogr. 2017;30(2):101-38.

23. Zürcher Herz-Kurs – Cardiology Today, Teil 1

Der 23. Zürcher Herz-Kurs konnte diesmal wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden. Dabei standen die Bedürfnisse von niedergelassenen und zuweisenden Ärztinnen und Ärzten im Vordergrund. Prof. Dr. med. Franz Wolfgang Amann und Prof. Dr. med. Paul Mohacsi vom HerzGefässZentrum im Park hatten auch dieses Jahr wiederum ein spannendes Programm mit ausgewiesenen Experten zusammengestellt. Entsprechend gross war denn auch die Zahl der Teilnehmer. In der Folge wird hier in einem ersten Teil über kardiologische Probleme berichtet.

Lipide: Braucht es neue Lipidsenker?

Was ist wichtig?

Die verschiedenen Studien zur Lipidsenkung haben gezeigt, dass je niedriger das Plasma LDL-Cholesterin (LDL-C) gesenkt wird, desto niedriger ist die Rate an Herzinfarkten, dabei waren die Ausgangswertee der Studien immer niedriger und so auch die erreichten Endwerte, stellte Prof. Dr. med. Dan Atar, Div. Of Medicine and Inst of Clin. Sciences University of Oslo, fest. Die Kulmination wurde in den Studien FOURIER und ODYSSEE OUTCOMES mit den PCSK Hemmern Evolocumab und Alirocumab mit LDL-C-Werten unter 1.0mmol/l erreicht. Der Zielwert für die Therapie richtet sich nach dem kardiovaskulären Risiko des Patienten, der Patientin. Die Richtlinien der ESC empfehlen Werte unter 1.4mmol/l für Patienten und Patientinnen mit ACSVD (atherosklerotische Herz-Kreislauferkrankung). ASCVD definiert allein sehr hohes Risiko und somit einen LDL-C Zielwert <1.4.mmol/l. Gibt es noch aggressivere Empfehlungen? Bei einem Myokardinfarkt oder Reinfarkt wird sogar ein LDL-C Zielwert von <1.0mmol/l empfohlen, so der Referent.

Prof. Atar präsentierte ein paar Rechenbeispiele zur Erreichbarkeit von LDL-C-Senkungen in Funktion des therapeutischen Konzepts. Z.B. Ausgangswert 4.5mmol/l, mit moderat wirksamem Statin 3.2mmol/l, plus Ezetimibe2.5, mit stark wirksamem Statin 2.3, plus Ezetimibe 1.6, PCSK9 Inhibitor plus stark wirksames Statin 0.9mmol/l. Bei einem Ausgangswert von 2.7mmo/l ergibt der entsprechende Therapieansatz einen Endwert von 0.7mm/l.

Die wichtigsten klinischen Parameter sind die Grösse der atheromatösen Plaque und die Dicke der fibrösen Kappe. In der schweizerischen PACMAN-Studie ((L. Räber et al. JAMA 2022;327:1771-1781) wurde eine Plaquereduktion durch die Therapie mit Alirocumab festgestellt. Gleiches wurde mit Evolocumab in der HUYGENS Studie beobachtet.

Eine Nachbeobachtung der FOURIER-Studie (FOURIER OLE) nach 2 Jahren, dass PCSK9 Inhibitoren den LDL-C-Wert auch über einen langen Zeitraum nachhaltig senken können. Der durchschnittliche LDL-C-Wert lag bei 0.8mmol/l. Zudem zeigte sich eine signifikante Senkung der kardiovaskulären Mortalität um 23%. Evolocumab war auch in der Langzeittherapie sicher und es gab keinen Hinweis auf kognitive Einschränkungen oder neue Diabetesfälle.

Braucht es neue Lipidsenker? Die Antwort des Referenten ist Ja. Er nennt den neuen Cholesterinsenker Bempedoinsäure. Bempedoinsäure hemmt wie die Statine die HMGCoA Reduktase aber an einem früheren Ort. Zudem ist es ein Prodrug und muss zuerst durch das Enzym ATP-Citrat-Lyase aktiviert werden. Dieses Enzym wird nur in der Leber, nicht aber im Skelettmuskel exprimiert, weshalb Bempedoinsäure weniger Nebenwirkungen im Sinne von Muskelschmerzen hat. In der CLEAR-Studie wurde erstmals belegt, dass durch die Gabe von Bempedoinsäure zusätzlich zu Ezetimibe oder einem sehr niedrig dosierten Statin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse reduziert werden kann.

Weitere Ziele der Lipidsenkung sind die Triglyceride und Lp(a). In der REDUCE-IT Studie konnten die Triglyceride mit Icosapent-Ethyl (Vazkepa®) effizient gesenkt werden, wobei auch die kardiovaskulären Ereignisse um 20% gesenkt wurden. Entsprechend gibt es auch in den Richtlinien eine IIa/B-Empfehlung.

Lp(a) ist als weiterer kardiovaskulärer Risikofaktor anerkannt. Medikamente zur Senkung von Lp(a) sind derzeit in Entwicklung. Der Referent nannte in erster Linie Pelacarsen ein small interfering RNA (Novartis), welches derzeit in der HORIZON-Studie untersucht wird. Pelacarsen senkt Lp(a) bis zu 90%.

Konklusionen des Referenten

Wie tief soll das LDL gesenkt werden in der Sekundärprophylaxe der ASCVD? Die heutige Empfehlung ist <1.4mmol/l. Indessen kann man sogar 1.0mmol/l anstreben, Um LDL <1.4mmol/l zu erzielen, empfiehlt die ESC zuerst Hoch-Intensitäts-Statin, gefolgt von Ezetimibe, gefolgt von einem PCSK9Inhibitor.

PCSK9-Inhibition ist ausserordentlich effektiv als LDL-Senker. Es liegen solide Daten vor, welche die Reduktion von ischämischen Ereignissen (MACE) sowie der kardiovaskulären Mortalität dokumentieren, mit bis zu 8.6 Jahren Beobachtungszeit (FOURIER-OLE) und ohne negative Sicherheitssignale. Einer der Mechanismen ist die Regression der Koronararterien in den atherosklerotischen Plaques (PAC-MAN und HUYGENS). Dennoch liegt ein «Residual Risk» vor, selbst bei einer allerniedrigsten LDL-Erzielung.

Hier kommen neue Lipidsenker ins Bild: Bempedoinsäure, Pelacarsen, Mehrere Präparate mit anderen Mechanismen befinden sich bereits in Phase I und II.

Lipide: Braucht es neue Lipidsenker?

Was ist wichtig?

Reanimationen in der Hausarztpraxis sind nicht häufig, stellte
Dr. med. Tomislav Gaspert, Klinik im Park, fest. Es gilt keine
unnötige Zeit zu verlieren. 11 Minuten drücken bis der Notfalldienst da ist. Adrenalin und Cordarone müssen vorhanden sein.
Die Massnahmen sind:
– Kreislaufstillstand feststellen
– Rettungsdienst alarmieren
– Drücken
– Defibrillieren und Drücken
– Keine Beatmung, kein Sauerstoff.

Die Kernaussagen des BASIC LIFE SUPPORTS sind: Prüfen, Rettungsdienst alarmieren, drücken, AED holen, lernen, wie eine RE A durchgeführt werden muss.

Beim Drücken: Ellbogen gestreckt, 5-6cm tief, keine Beatmung, Atemwege offenhalten (ist oft schwierig).
Wenn in der Praxis eine Ergometrie vorhanden ist, muss zwingend ein AED vorhanden sein. Bei Asystolie Adrenalin i.v. Reanimation nicht unterbrechen für venösen Zugang.

Kollaps vor Ihnen
Bewusstlosigkeit, Atmet nicht oder atmet agonal, Herzstillstand, 144 anrufen
Drücken 100-120Min., 5-6cm tief

Die Beatmung
30 Thoraxkompressionen, 2 Beatmungen, weiter 30 – 2, AED vorhan­den: Einschalten, Anordnungen befolgen, «No kissing» ist legitim.
REA ohne Beatmung: Falls Sie nicht trainiert sind oder falls Sie nicht imstande sind zu beatmen, no harm with no kissing.
O2-Zufuhr bei REA.-nur bei Beatmung. Risiko des «Bastelns» mit Beatmung und O2.
Herzmassage soll/darf für höchstens 5 Sekunden unterbrochen werden. Drohende Verlegung des Atemwegs durch Fremdkörper.

Der AED
30 Thoraxkompressionen, 2 Beatmungen, weiter 30 – 2
AED vorhanden: AED einschalten, Anweisungen folgen «AED FIRST»
Ursache des Kreislaufstillstands: Kammerflimmern, pulslose Kammertachykardie. 80% defibrillierbar
Asystolie. pulslose elektrische Aktivität (PEA): 20% nicht defibrillierbar.

Die 11+3 Min. REA in der Hausarztpraxis
30 Kompressionen 2 Beatmungen
Für 2 Minuten
Defibrillation
Weiter so bis Sie tot umfallen!

Kriterien zum Abbruch der REA
Erlangen des Bewusstseins und der Atmung
Tod des Patienten
Erschöpfung des Rettungshelfers
Die nichtindizierte REA
Eine nicht-indizierte Reanimation ist unproblematisch in Bezug auf Herzprobleme. Es kann aber zu Rippenbrüchen, Schäden an Milz und Leber kommen.
Beim Hausbesuch AED mitnehmen.

REA in der Hausarztpraxis
Dies kommt 1-2 Mal im Leben vor. Es muss rasch gehandelt werden. Innerhalb von Sekunden entscheidet sich über Leben oder Tod.
Wichtig ist ein REA-Plan. Er muss allen bekannt sein. Alle beherrschen die Herzmassage. Herzmassage nie unterbrechen.
Defibrillation. Nice to have: Beatmung, O2, venöser Zugang, Adrenalin, Cordarone, wissen wie REA durchzuführen ist.
Time is Brain Tissue, so die Schlussbemerkung des Referenten.

Fälle aus dem Alltag – Gefässe

Fälle aus dem Praxis-Alltag

Prof. Dr. med. Beatrice Aman-Vesti, HerzGefässZentrum Zürich, päsentierte die folgenden Fälle:
Fallvignette: 92jährige Patientin die vor vier Monaten eine Verletzung am Unterschenkel rechts durch eine Autotüre erlitt. Seither lokale Behandlung durch Spitex. Wunde wird grösser, keine Claudicatiobeschwerden. Patientin geht schliesslich zur Hausärztin. Der Abstrich der Wunde ergibt Leukozyten + Gram-ps. Kokken + Gram neg. Stäbchen +Serratia marcescens (wenig). AmpC-bildende Spezies: eine Therapie mit Cephalosporinen (ausser Cefepime) nicht empfohlen. Bei einer Behandlung mit Piperaclinir/Tazobactam kann es trotz in vitro Empfindlichkeit zu Therapieversagen kommen. Klebsiella oxytoca (vereinzelt), Enterococcus faecalis (wenig).

Fallvignette: Patientin 62jährig. Dringliche Zuweisung durch Hausärztin.
Jetziges Leiden: Vor 3 Monaten plötzlich Wadenclaudicatio links., die freie Gehstrecken beträgt, aktuell weniger als 200m. Etwa zur gleichen Zeit Auftreten von lividen Zehen und sehr starke Schmerzen in den Zehen vor allem Digit-IV links sowie am Vorfuss plantar «Es sei ihr beim Arbeiten etwas Schweres auf eine Zehe gefallen». Rechts keine Beschwerden. Patientin hat Irfen aufgrund dieser Schmerzen eingenommen, sonst keine Medikamente, Nikotin 30py.
Angiologische Befunde: Fusspulse rechts palpabel, links nur A. dorsalis pedis schwach palpabel.
Duplex: Hochgradige Stenose A. femoralis rechts.
Diagnosen: 1. Periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium I rechts, Stadium II a-b links kompliziert durch embolische Zehenarterien-Verschlüsse Dig I bis V
– Links:
■ Aktuell hochgradige Stenose Arteria femoralis superficialis
■ Zehenarterienverschlüsse Dig I-V (arterio-arteriell)
– Rechts:
■ keine signifikanten Stenosen iliaco-femoro-popliteal
■ KvRF: Nikotinabusus ca. 30py, LDL-C 3.2mmol/l

Therapie:
Nach PTA : Ambulante Ilomedin-Infusionen, Aspirin, Clopidogrel, Statin

Fallvignette: 80jähriger Patient Zuweisung vom Kardiologen Beurteilung und Procedere
Auf den ersten Blick sehr erfreulicher Langzeit-Verlauf nach Mitral- und Tricuspidalklappen-Rekonstruktion, sowie Bypassoperation auf den RIVA. Der Patient ist von kardialer Seite her subjektiv asymptomatisch und gut leistungsfähig. Allerdings muss die Zehennekrose weiter abgeklärt werden. Vom Aspekt her besteht natürlich der Verdacht auf eine periphere Embolie mit jetzt Nekrose und Exulzeration, wobei die Emboliequelle (kardial oder arterio-arteriell) vorerst offenbleibt. Eine angiologische Untersuchung bei Frau Prof. B. Amann-Vesti soll klären, ob eine entsprechende Arteriopathie proximal vorliegt, die als Emboliequelle in Frage kommt.
Pulstastbefunde rechts links
A. Femoralis + +
A. Poplitea + +
A. dors pedis (+) +
A. tib. post. + +
Oszillogramm und Druckwerte: beids. Oberschenkel, Unterschenkel proximal und distal und Fuss normale Pulskurve.
Allgemeine Hämatologie: Thrombozyten erhöht, Leukozyten erhöht.

Der Befund ist gut vereinbar mit einer myeloproliferativen Neoplasie, auf Grund der Hyperzellularität eher mit einer präfibrotischen Myelofibrose, denn mit einer essentiellen Thrombozytämie (Minor Kriterien Anämie, Leukozytose >11G/l, LDH-Erhöhung) vorhanden?). Auch die Histologie (Zellularität, Megakaryozytenmorphologie) ist hinzu zu ziehen.

Fallvignette: Patientin 75jährig, Zuweisung durch Hausarzt
Der klinische Status Ende Februar 2022 war bis auf eine arterielle Hypertonie mit 180/95mmHg unauffällig. Kein Fieber. Im Laborstatus fand sich eine BSR von78/82mm, CRP 120mg/l, Hb 10.8g/dl, Lc 9.8 G/l, Tc 310 G/l Ferritin 254 µg/l.

Kons. am 03/22: Die Patientin hatte die zweite Covid-19-Impfung im Juli 2021, danach AZ-Verschlechterung, fühlte sich so wie bei einer Grippe. Sie hat sich davon nicht mehr gut erholt. Verschlechterung gegen Ende Jahr. Vermehrte Müdigkeit, Erschöpfung, gelegentlich etwas Kopfschmerzen. Vor einigen Wochen hat sie einen heftigen Rückenschmerz verspürt, In der Folge ist dieser wieder abgeklungen. Seit mehreren Wochen starker nicht produktiver Husten, Gewichtsverlust von 2kg und Appetitminderung. Kein Fieber. Leichtgradige Schultergürtelschmerzen.
Medikamente: Losartan 1-0-0, Pantoprazol 1-0-0
Sozialanamnese: Pensionierte Coiffeuse (hatte ein eigenes Geschäft). Geschieden. Lebt mit ihrem Lebenspartner. Eine erwachsene Tochter.
Familienanamnese: 4 Geschwister, 1 Bruder 80jährig verstorben. Die Mutterstarb 85jährig, kein Kontakt mit Vater
Systemanalyse: Seit ca. 2015 arterielle Hypertonie bei «Stress», nicht behandelt. Keine Nikotinanamnese, negativ für Aortenerkrankungen, Amotio retinae etc. Angiologischer Status

Humorale Entzündung
Dr. med. Mathias Wenger, Zentrum für Rheuma- und Knochenerkrankungen Hirslanden Zürich, ergänzte zum Fall der 75jährigen Patientin: Duplexsonographie Carotiden Wandverdickungen, Carotisbufirkation und distale A. carotis communis (passend auf «typische» Vaskulitis. Rheumatologische /angiologische Diagnosen: Hochgradiger Verdacht auf (LVV-)RZA, ED 3/22, EM möglicherweise ca. 9/21. EM nach 2. Covid-Impfung mit Abgeschlagenheit, Appetitminderung, Schulterschmerzen, akute Thoraxschmerzen. Angiologische Erstuntersuchung mit Verdacht auf Riesenzellarteritis und umgehendem PDN Start bei 50mg/d für 3d, dann 40mg/d, 30mg für 4 Wochen, anschliessend 5mg-weise Reduktion der Dosis.
Riesenzellarteritis: häufigste idiopathische Vaskulitis (Nord-Süd-Gefälle Inzidenz Skandinavier 15/100’000 /Jahr vs. Mittemeerraum <10/100’000/Jahr bei >50jährigen.)
– Typ. >50 Jahre, Peak 70-80 Jahre, F:M=3:1, grosse bis mittel-
grosse Arterien
– Typ «craniale -RZA vs. «non-craniale »
– RZA/»Grossgefässvaskulitis»
Granulomatöse Entzündung der Gefässwand (T-Zellen, Makrophagen, u.a. IL6, 17, 12, 23mit Bildung von Riesenzellen, die typischerweise Laminaelastica interna zerstören)
– Intimatyp. Verdickt mit konzentrischer Verengung, Verschluss des Lumens.
– Alle Schichten können betroffen sein: Intima, Media und Adnetitia.

Klinik/Labor: Fast alle mit B-Symptomen (Fieber, Nachtschweiss, Gewichtsverlust etc.) Hohe Entzündungsparameter (CRP/BSR negativ in 4%), Atemwegssymptome (u.a. Husten), Halsschmerzen, Zungenschwellung, Kieferschmerzen, in 40%-50% polymyalgische Beschwerden. Cephalgien 60%.
Therapieoptionen: Prednison only, Augensymptome Notfall): Methylprednisolon i.v. bis zu 1g/d über mehrere Tage.
Etablierte steroidsparende Therapien: IL-6 Inhibitor (Tocilizu­mab) (50% Steroid-Einsparung gem. GIACTA-StudieCave: St. N.Diverticulitis/Darmperforation, Hyperlipidämie, Hypertonie).

Zusammenfassung

– Daran denken, rasch handeln (bei Augen/Kopfsymptomen):
Notfall
– Interdisziplinär: «Fast track» Diagnostik und Therapie
■ Duplexsonographie als «praktisches» Diagnosetool
■ PET-CT Sensitivität in den ersten 3d unter Steroiden gut, Biopsie nach 10d unter Steroiden noch immer hohe Spezifität (bei generell eher niedrigerer Sensitivität)
– Niederschwellig steroidsparende Therapie bei Komorbiditäten, was bei Erkrankungspeak >70 Jahren keine Ausnahme ist (Diabetes, Glaukom, Osteoporose, Hypertonie, KHK, PAVK etc.)
– MTX (Pneumonitis, Haarausfall, Aversion, wenig gute Daten bez. Steroidspareffekt, wenn erst nach >24 Mte, ABER: max. 15mg/Wo in Studien verwendet; Literaturangaben: Up to date
– Experimentell /noch nicht etabliert: IL-17 Inhibition (Sekutinumab), Abatacept

Fälle aus dem Alltag – EKG-Quiz

Wichtige Beispiele

Vier interessante EKG-Beispiele wurden von Prof. Dr. med. Jan Steffel, Herzklappenzentrum Herzklinik Hirslanden, in gewohnt kompetenter Weise vorgestellt.
Fall 1: Herzinsuffizienz, atypisches WPW bei einer jüngeren Patientin
Fall 2: Schnell, breit, unregelmässig. FBI-Tachykardie (WPW-Syndrom). Einsatz eines Schrittmachers indiziert.
Fall 3: Schrittmacherindikation: 29jähriger Patient mit intermittierenden Palpationen. Die Guidelines empfehlen die Einsetzung eines Schrittmachers mit Klasse IIb.
Fall 4: Viele Artefakte. Der Patient ist mit Kammertachykardie ange­mel­det. Das EKG zeigt einen Sinusrhythmus, aber viele Artefakten.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch