Gelenkpunktion und Infiltration – Pro und Contra

Die Gelenkpunktion bzw. -Infiltration ist eine häufige medizinische Prozedur, die insbesondere von Rheumatologen durchgeführt wird. An Nummer eins steht das Kniegelenk, da es gross und gut erreichbar ist bzw. häufig von rheumatischen oder mechanischen Erkrankungen betroffen ist. Daneben werden die Schulter, Handgelenk, Hüfte, Sprunggelenk, aber auch kleinere Gelenke wie Fingergelenke am häufigsten punktiert bzw. infiltriert. Im folgenden Artikel soll auf einige Grundlagen sowie Kontroversen der Gelenkpunktion und Infiltration eingegangen werden.

Joint punctures and infiltrations are frequent medical procedures, particularly carried out by rheumatologists. First and foremost is the knee, due to its large size and accessibility, as well as its frequent involvement in rheumatic or mechanical diseases. The shoulders, wrists, hips, ankles and small joints such as the finger joints are also often punctured or infiltrated. This article will look at some of the basic principles and controversies surrounding joint puncture and infiltration.
Key Words: joint infiltration, arthrocnetesis, arthritis

Technische Aspekte

Wir unterscheiden zwischen der diagnostischen Punktion, die am häufigsten durchgeführt wird, und der therapeutischen Punktion. Bei einem klaren klinischen Bild wie z.B. einer Chondrokalzinose und gutem Allgemeinzustand erfolgt die diagnostische Punktion und therapeutische Infiltration hier von Glucocorticoiden gleichzeitig. Der Ultraschall hat die Gelenkpunktion entschieden vereinfacht. Ein gut punktiertbarer Gelenkerguss ist gut durch eine hypoechogene Struktur erkennbar. In den wenigsten Fällen (z.B. im Hüftgelenk, bei bestimmten Bursae oder wenig Erguss) muss die Gelenkpunktion unter sonographischer Beobachtung erfolgen. Meist reicht eine entsprechende Markierung aus. Bei wenig Erguss kann übrigens die nicht-schallende oder nicht-punktierende Hand dazu genutzt werden, die Gelenkflüssigkeit von kontralateral in Richtung Schallkopf bzw. Nadel zu drücken. Ein willkommener Nebeneffekt ist die so durchgeführte «Gate Control», d.h. der Druck der Hand sendet schmerzhemmende Afferenzen in Richtung Rückenmark. Man kennt dies vom Reiben einer Körperstelle bei Schmerzen. Natürlich müssen die sterilen Kautelen eingehalten werden, zumindest die empfohlene No-touch Technik. Generell empfehlen wir, die Nadel mit einer Hand zu halten und damit während der Punktion einen Unterdruck zu erzeugen, um das Aspirat möglichst schnell und atraumatisch zu erhalten.

Pro Gelenkpunktion und Infiltration

1. Diagnostischer Nutzen

Klare Nummer eins ist der Ausschluss einer septischen bzw. bakteriellen Arthritis. Cave: Das Grampräparat hat eine Sensitivität von nur 50%. Der Goldstandard ist die Kultur. Bei bestimmten Fragestellungen, wie z.B. beim Nachweis der Borreliose oder Tropheryma whipplei wird eine PCR durchgeführt (1). Als häufige Ursache der Arthritis können in der Polarisationsmikroskopie Kristalle (z.B. Urat, Calciumpyrophosphat) nachgewiesen werden (Abb. 1). Die Zellzahl differenziert zwischen einem entzündlichen Status (>2000 Zellen pro mm3) und einem nicht entzündlichen Status, wie meistens bei der Arthrose. Eine aktivierte Arthrose sollte aus unserer Sicht zumindest einmal diagnostisch mittels Punktion abgeklärt werden. Durch die Injektion von Lokalanästhetika (oft gemischt mit Steroiden) kann abgeklärt werden, ob die Schmerzursache tatsächlich intraartikulär liegt und nicht extraartikulär. Letzteres ist in ca. 10% die Schmerzursache bei der Gonarthrose (z.B. Bursitiden).

2. Zielgerichtete Behandlung

Da das Medikament direkt in das betroffene Gelenk injiziert wird, kann es gezielt auf den problematischen Bereich wirken, ohne den Rest des Körpers zu beeinflussen und weniger mit anderen Medikamenten zu interagieren. Bei einer Monarthritis, z.B. reaktiv, bei einer rheumatoiden Arthritis oder auch bei einer aktivierten Arthrose kann die Entzündung so gezielt durch die Infiltration von Glucocorticoiden behandelt werden. Dies ist zwar nicht krankheitsmodifizierend, kürzt aber Schmerzen und Immobilität entschieden ab. In einer neuen Studie hat ein lang wirksames intraartikulär appliziertes Steroid eine signifikante Wirkung bei der Arthrose über 52 Wochen gezeigt (2). Bei der RA können Steroide auch adjuvant zur Basistherapie verwendet werden (3). Noch gibt es keine wirklichen «Disease-modifying Osteoarthritis Drugs». Die Hyaluronsäure wirkt über Ihren CD44-Rezeptor anti-entzündlich, dieser Effekt ist vielleicht sogar stärker als der rheologische Effekt als «Gelenkschmiere» (4). Das Platelet Rich Plasma (PRP) wird ebenfalls aufgrund der anti-entzündlichen und regenerativen Effekte eingesetzt. Allerdings fehlen für beide Medikamente nachhaltige Daten, um diese in die Routine einzusetzen. Bei Patienten mit kardiovaskulären, gastroenterologischen oder anderen Komorbiditäten kann die Gelenkinfiltration mit Glukokortikoiden oder Hyaluronsäure eine Alternative zu systemisch verabreichten Medikamenten sein, um Nebenwirkungen oder Interaktionen zu vermeiden.

Contra Gelenkinfiltration

1. Risiko von Infektionen:

Zwar ist das Risiko sehr gering, aber jede Gelenkinfiltration birgt die Gefahr einer septischen Arthritis. Risikofaktoren hierfür sind u.a. wiederholte Infiltrationen am selben Gelenk, Immunsuppression und mangelnde Hygiene. Dies muss immer in Abwägung mit dem möglichen Nutzen gestellt werden. Bei der diagnostischen Punktion stellt sich diese Frage meist nicht.

2. Mögliche Nebenwirkungen:

Bei der Infiltration von oberflächlichen Gelenken wie Fingergelenke kann es durch Steroide zu Hautatrophien und Depigmentierungen kommen (Abb. 2). Meist trifft dies 2-3 Monate nach der Infiltration auf und normalisiert sich innerhalb von bis zwei Jahren selbstständig (5). Dies kann auch bei tiefen Gelenken wie den Facettengelenken an der Lendenwirbelsäule passieren.

Nicht nur die orale, sondern auch die wiederholte intra­artikuläre Gabe von Depot-Steroiden kann zu einem Cushing, bzw. anderen Kortison-induzierten Schäden führen wie Osteoporose, Pergamenthaut, etc. Allerdings muss beachtet werden, dass die Alternative zur Gelenksinfiltration oft orale Entzündungshemmer sind, die bekannterweise auch Nebenwirkungen haben, die in den Kontext gestellt werden müssen.

3. Kurzfristige Lösung:

Oftmals bietet die Gelenkinfiltration nur eine temporäre Linderung, z.B. Steroide bei der aktivierten Arthrose oder Kristallarthritis. Die Ursache wird, abgesehen von der Harnsäuresenkung bei der Gicht, bislang nicht behandelt. Für den einzelnen Patienten kann aber bereits die kurzfristige Schmerzlinderung einen sehr grossen Wert haben.

4. Potentielle Schädigung des Gelenkgewebes:

Häufige Gaben von Glukokortikoiden, aber auch Lokalanästhetika können das Knorpelgewebe schädigen. Manche Zentren infiltrieren generell keine Lokalanästhetika mehr in das Gelenk (6). Allerdings beruhen diese Daten v.a. auf in vitro Experimenten und sind in klinischen Studien so nicht unbedingt nachvollziehbar.

5. Fragliche Evidenz für Viscosupplementation bei der Arthrose

Verschiedene Fachgesellschaften wie z.B. ACR raten aufgrund der Datenlage nicht zur intraartikulären Behandlung mit Hyaluronsäure (7). OARSI spricht sich für eine solche Behandlung bei Patienten mit Komorbiditäten aus, die nicht für eine NSAR-Behandlung oder intraartikuläre Steroide in Frage kommen (8).

Zusammenfassung und Ausblick

Die Gelenkinfiltration ist ein wichtiges diagnostisches Tool bei Gelenkerkrankungen und kann für viele Patienten mit Arthritis eine effektive Methode zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung sein. Dies gilt für kristallinduzierte Arthritiden, Arthrose, aber auch bei Arthritiden aus dem rheumatischen Formenkreis. Es ist jedoch wichtig, die potenziellen Risiken und Nebenwirkungen zu berücksichtigen und diese mit dem Patienten zu besprechen.
Bei der Behandlung der Arthrose sollte immer ein ganzheitliches Konzept vorliegen. Das heisst, biomechanische Faktoren müssen berücksichtigt werden und gleichzeitig, z.B. bei Malalignment, durch eine Orthese behandelt werden. Besonders bei chronischen Schmerzsyndromen und der Fibromyalgie ist bei der (repetitiven) Gelenkinfiltration Vorsicht geboten. Dies gilt insbesondere auch für die Infiltration der Wirbelsäule, z.B. der Facettengelenke. Neuere Therapieansätze bei der Arthrose einzelner Gelenke zielen durchaus auf eine intraartikuläre und nicht systemische Gabe ab. Es ist zu hoffen, dass aus diagnostischer Sicht neben der Zellzahl, Kristallanalyse und Bakteriologie auch neuere Biomarker der Synovialflüssigkeit erhältlich sind, z.B. um eine reaktive Arthritis von einer rheumatoiden Arthritis abzugrenzen oder die Prognose und das Ansprechen bei der rheumatoiden Arthritis besser vorherzusagen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Thomas Hügle

Hôpital orthopédique CHUV
Avenue Pierre Decker
1011 Lausanne

Der Autor hat keine Interessens­konflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Gelenkpunktion ist der direkteste Weg zur Diagnose einer
Kristall-induzierten Arthritis und zur Unterscheidung einer degenerativen von einer entzündlichen Arthrose.
◆ Insbesondere Monarthritiden können mit Glukokortikoiden anstelle einer systemischen Behandlung infiltriert werden.
◆ Bei Osteoarthritis sind Infiltrationen mit Glukokortikoiden bzw. von Hyaluronsäure von symptomatischer Bedeutung, obwohl sie den
radiologischen Verlauf nicht beeinflussen.

1. Aguero-Rosenfeld ME, Wang G, Schwartz I, Wormser GP. Diagnosis of lyme borreliosis. Clin Microbiol Rev. Jul 2005;18(3):484-509. doi:10.1128/CMR.18.3.484-509.2005
2. Spencer-Green G, Hunter D, Schnitzer T, et al. A Phase 3 Study of Repeat Injection of TLC599 in Osteoarthritis of the Knee: Benefits to 52 Weeks. ABSTRACT NUMBER: L19. ACR Convergence 2023 San Diego.2023.
3. Mueller RB, Spaeth M, von Restorff C, Ackermann C, Schulze-Koops H, von Kempis J. Superiority of a Treat-to-Target Strategy over Conventional Treatment with Fixed csDMARD and Corticosteroids: A Multi-Center Randomized Controlled Trial in RA Patients with an Inadequate Response to Conventional Synthetic DMARDs, and New Therapy with Certolizumab Pegol. J Clin Med. Mar 3 2019;8(3)doi:10.3390/jcm8030302
4. Wang CT, Lin YT, Chiang BL, Lin YH, Hou SM. High molecular weight hyaluronic acid down-regulates the gene expression of osteoarthritis-associated cytokines and enzymes in fibroblast-like synoviocytes from patients with early osteoarthritis. Osteoarthritis Cartilage. Dec 2006;14(12):1237-47. doi:10.1016/j.joca.2006.05.009
5. Dhinsa H, McGuinness AE, Ferguson NN. Successful treatment of corticosteroid-induced cutaneous atrophy and dyspigmentation with intralesional saline in the setting of keloids. JAAD Case Rep. Oct 2021;16:116-119. doi:10.1016/j.jdcr.2021.08.022
6. Jayaram P, Kennedy DJ, Yeh P, Dragoo J. Chondrotoxic Effects of Local Anesthetics on Human Knee Articular Cartilage: A Systematic Review. Pm r. Apr 2019;11(4):379-400. doi:10.1002/pmrj.12007
7. Kolasinski SL, Neogi T, Hochberg MC, et al. 2019 American College of Rheumatology/Arthritis Foundation Guideline for the Management of Osteoarthritis of the Hand, Hip, and Knee. Arthritis Rheumatol. Feb 2020;72(2):220-233. doi:10.1002/art.41142
8. Bannuru RR, Osani MC, Vaysbrot EE, et al. OARSI guidelines for the non-surgical management of knee, hip, and polyarticular osteoarthritis. Osteoarthritis Cartilage. Nov 2019;27(11):1578-1589. doi:10.1016/j.joca.2019.06.011

Update für Allgemeinmediziner/-innen: Eisen und hämatologische Parameter

Der folgende Bericht behandelt den Vortrag ‚Fer et paramètres hématologiques‘, der im Rahmen des FOMF-Webinars am 6. Februar 2024 von Dr. med. Sophie Waldvogel, Genf, gehalten wurde.

Der Gesamtgehalt an Eisen beträgt bei Männern etwa 4 g und bei Frauen etwa 3 g. Die Mindestaufnahme über die Nahrung beträgt 10-15 mg Eisen, von denen 10% absorbiert werden, was etwa 1-2 mg der Eisenaufnahme ausmacht. Der Verlust über den Darm beträgt 1 bis 2 mg pro Tag. Eisen wird über den Blutverlust verloren. Der Menstruationsverlust beträgt etwa 30 mg pro Monat und 15 bis 20 mg Eisen werden für die Erythropoese verwendet (recycelt), wie Frau Dr. med. Sophie Waldvogel, Genf, feststellte. Eisen verteilt sich im Körper auf das zirkulierende Hämoglobin, das Knochenmark, das Myoglobin und andere Gewebe, das Transferrin, die Leber und das retikuloendotheliale System. Es werden ca. 180 x 109 Erythrozyten, ca. 5,4 g Hämoglobin und ca. 20 mg Eisen gebildet. Zwei Drittel des Eisens befinden sich in den Erythrozyten. Eisen kommt in geringeren Mengen auch in den Muskeln vor, im Myoglobin, und es wird in der Leber gespeichert. Die Leber kann in pathologischen Situationen mehrere Gramm Eisen speichern.

Hepcidin

Hepcidin, das 2001 entdeckt und in der Leber synthetisiert wird, bindet an Ferroportin, das normalerweise Eisen aus dem Zellinneren transportiert – Wenn Hepcidin an Ferroportin gebunden ist. Diese Zellen können das Eisen nicht mehr exportieren und geben es im Blut an das Transportprotein Transferrin ab. Hepcidin wird bei Entzündungen stark exprimiert. In der Routine wird Hepcidin nicht gemessen.

Erythroferron

Es wurde 2014 entdeckt und wird von den erythroiden Progenitoren synthetisiert. Es hemmt
die Expression von Hepcidin und steigt bei Hypoxie, Anämie und ineffektiver Erythropoiese an. Es wird ebenfalls nicht routinemässig bestimmt.
→ Wer hat das Sagen? Bei Anämie wird Erythroferron erhöht, Hepcidin gesenkt. Erythroferron trägt zur Erholung von der Anämie bei, indem es Hepcidin unterdrückt und die Verfügbarkeit von Eisen erhöht.
→ Wer hat das Sagen? Bei Entzündungen wird das Hepcidin erhöht und Eisen kann nicht mehr aus den Zellen exportiert werden.

Ferritin

Es ist eine Nanokapsel aus 24 Untereinheiten (schwer, leicht) und kann 4500 Eisenatome einschliessen. Es schützt die Zelle vor der Bildung von freien Radikalen. Ferritin ist ein intrazelluläres Molekül, das im Plasma zur Bestimmung des Eisenmangels verwendet wird.

Eisenmangelanämie

Sie ist definiert als Hämoglobin <12g/dl (Frau), <13g/dl (Mann (WHO)), Hypochromie, Mikrozytose, Retikulozyten <50g/L, Ferritin <30ng/ml, Sideropenie. Warum Frauen einen tieferen Referenzwert für Hämoglobin und Ferritin haben, bleibt kontrovers (Rushton DH et al. im BMJ: Why should women have lower reference limits for haemoglobin and ferritin concentrations than men. BMJ 2001;322:1355-1357).

Hypochromie

Eine kleine hypochrome Zelle kann uns einiges verbergen, so die Referentin. Erworben: Entzündungen, Nierenversagen, Hämoglobinurie nach Hämolyse. Angeboren: Matriptase-Mangel (IRIDA), sideroblastische Anämie, Hämoglobinopathie.

Differentialdiagnose: Thalassämie

Verhältnis MCV/MCH<1, Anisozytose: Verteilungsindex der roten Blutkörperchen <15%.
Diagnostische Tests: HbA2(β), HbF, Hb-Isoelektrofokussierung (HbC und E), Molekularbiologie (α), Ferritin (Hepcidin vermindert).
Mangel an TMPRSS6 IRIDA. Refraktäres Eisen, Eisenmangel, Anämie. Mutation von TMPRSS6 mit fehlender Kontrolle über den Hepcidintransport: konstitutive Expression.
Diagnostische Tests: ↑ Serumhepcidin, ↓ Transferrinsättigung und Molekularbiologie Prävalenz: ≈ 1 x104

Differentialdiagnose: Thalassämie

Eisen unterliegt zirkadianen Schwankungen. Sein Spiegel scheint in der Mitte des Tages ein Maximum und in der Mitte der Nacht ein Minimum zu erreichen. Sein intraindividueller biologischer Variationskoeffizient liegt bei 27%. Bei einer starken Hämolyse, sei sie intravasal in vivo oder in vitro, steigt der Eisenblutspiegel an. Die isolierte Messung des Serumeisens wird vor allem zur Berechnung der Transferrinsättigung (Serumeisen/Transferrin) verwendet.
Ferritin ist immer noch der beste Marker für die Diagnose einer Eisenmangelanämie, betonte die Referentin. Der Eisenstoffwechsel ist abhängig von Entzündungen und dem Leberstoffwechsel.

Ferritin erniedrigt ≤30ng/ml: Eisenmangel
30-50ng/ml: Funktioneller Eisenmangel. Zusätzliche Bestimmung von CRP(Entzündung) und ASAT (Leberstoffwechsel) ist gerechtfertigt.

Differenzialdiagnose: Entzündliche Anämie
Mechanismen: Lebensdauer der Erythrozyten, Proliferation der erythroiden Vorläuferzellen, Wirksamkeit von Erythropoietin, Anstieg des Hepcidins: Hypochromie und Mikrozytose (umgeleitetes verfügbares Eisen).

Eisenstatus

Es gibt verschiedene Muster der Eisenakkumulation, die von Alter, Geschlecht und Rasse abhängen. Laut der NHANES-Studie spiegeln die Serumferritin-Werte graduelle, bevölkerungsbezogene Unterschiede in den Eisenspeichern des Körpers wider. Bei Männern steigt Ferritin bis zum Alter von 60 Jahren an und sinkt danach, während bei Frauen ein Anstieg nach dem Alter von 40 Jahren zu verzeichnen ist.

Die Sprecherin zeigte, dass der Ferritinwert bei Blutspendern sinkt, was in der Gesamtpopulation keine Probleme bereitet.

Hämolyse:

► Intravasale Hämolyse: Hämoglobinurie und Eisenverlust (Defizit).
► Intramedulläre Hämolyse: (z. B. unwirksame Erythropiese bei Thalassämie): Anstieg von Erythroferron, Abnahme von Hepcidin, Anstieg der Eisenaufnahme.
Zur Erinnerung: 1 Transfusion = 250mg Eisen.

Vergleich der Methoden zur Messung von Ferritin

Alle gängigen Bestimmungsmethoden werden mit Hilfe von immunologischen Tests durchgeführt. Je nach Methode ist es möglich, dass bei ein und demselben Test ein Unterschied von bis zu 40ng/ml zwischen zwei Methoden (zwischen zwei akkreditierten Labors) besteht.

Daher: Bearbeiten Sie die Analysen im selben Labor. Vor allem die Wirksamkeit einer Behandlung für einen Patienten (Follow-up) sollte im selben Labor beurteilt werden, empfahl die Referentin.

Unerklärliche Müdigkeit und Anämie, Eisenzufuhr und kognitive Funktionen

Laut einer Studie aus dem Jahr 2003 (Verdon F et al. BMJ 2003;326(7399):1124) können nicht anämische Frauen, die unter unerklärlicher Müdigkeit leiden, von einer Eisensupplementierung profitieren. Die Wirkung kann auf Frauen mit niedrigen oder grenzwertigen Serumferritin-Konzentrationen beschränkt sein. Die Zufuhr von 260 mg elementarem Eisen über einen Zeitraum von 8 Wochen verbesserte das verbale Lernen und das Gedächtnis bei Mädchen im Teenageralter.

Transferrin

Der Transporter für Eisen3+- im Plasma. Es wird in der Leber synthetisiert und hat eine Halbwertszeit von 8 Tagen. Es ist zusammen mit der Sättigung nützlich, um eine Eisenüberladung (Hämochromatose) zu diagnostizieren.

Schlussfolgerungen And the winner is …

Ferritin bleibt der beste Indikator für den Gesamteisenspeicher, muss aber mit der gleichen Methode (gleiches Labor) gemessen werden.
Ferritin muss im Hinblick auf den Entzündungszustand sowie im Abstand zur intravenösen Behandlung interpretiert werden.

Bei Eisenmangel: Die Anämie ist ein Indikator für den Schweregrad des Mangels.

Bei Verdacht auf eine Eisenüberladung: Eine Eisenüberladung wird anhand der Transferrinsättigung interpretiert.
Achtung: Es gibt seltene Fälle eines erblichen Hepcidinüberschusses.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Differenzialdiagnose und medizinische Innovation – Teil 2

Am 4.12.2023 veranstaltete die Zurich Academy of Internal Medicine (ZAIM) ein Symposium zum 100. Geburtstag von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Walter Siegenthaler am Universitätsspital Zürich. Der von Medworld AG (Steinhausen) hervorragend organisierte Anlass zog ein äusserst zahlreiches Publikum bestehend aus ehemaligen Schülern, Kollegen und Freunden von Walter Siegenthaler an den Ort seines ehemaligen Wirkens. Der erste Teil erschien in der Januar-Ausgabe von «der informierte arzt». In diesem 2. Teil gibt Dr. Lorenzo Käser einen Rückblick über 100 Jahre Differenzialdiagnostik Zürich, PD Lukas Zimmerli beschäftigt sich mit Check-up und Differenzialdiagnose und Prof. Lutz Jäncke entführt uns in das Unbewusste und zeigt, wie wir richtige und falsche Entscheidungen treffen und wie unser Gedächtnis funktioniert.

100 Jahre Differentialdiagnose in Zürich

Die Entwicklung der Inneren Medizin in Zürich – die Direktoren der medizinischen Klinik und der medizinischen Poliklinik, Standorte und wichtige Publikationen – Einordnung von Siegenthalers Vita waren Gegenstand der Präsentation von Dr. Lorenzo Käser, Ressort Lehre, Direktion Forschung und Lehre USZ. Der Referent erinnerte zunächst an den weltbekannten Botaniker, Internisten und Lehrer Prof. Otto Nägeli, der von 1918 bis 1921 Direktor der Medizinischen Poliklinik und von 1921 bis 1937 Direktor der Medizinischen Klinik am damaligen Kantonsspital Zürich war. Otto Nägeli veröffentlichte im Jahre 1917 das Buch Differenzialdiagnose in der Inneren Medizin im Georg Thieme Verlag. Seine Nachfolger waren Wilhelm Löffler 1937-1957 und Paul H. Rossier 1957-1969.

Das Buch zur Differenzialdiagnose innerer Krankheiten wurde 1952 von PD Dr. Robert Hegglin neu herausgegeben. 1972 erfolgte die erste Mehrautoren-Ausgabe unter Prof. Walter Siegenthaler. 2012 wurde die «Differenzialdiagnose innerer Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose» unter Prof. Edouard Battegay neu herausgegeben.

Von der Situation zur Differenzialdiagnose


Bedeutung, Formen und Elemente der Check-up Untersuchung, Differenzialdiagnose schützt vor Über- und Unterversorgung, Check-ups oder Sprechstunde, dies die Themen, über welche PD Dr. Lukas Zimmerli, Chefarzt Medizinische Klinik Kantonsspital Olten, referierte.
Check-ups werden häufig verlangt. Die Top 10 Gründe für Visiten in Kanada im Jahre 2019 sind in Tabelle 1 dargestellt, die Angebote der «Check-u-Industrie» in Tabelle 2.

Platinum Check-up/Detaillierte Leistungen
Anamnese-Gespräch zum persönlichen Gesundheitszustand
Umfassende ärztliche Untersuchung
Impfkontrolle
Besprechung der Untersuchungsergebnisse
Ausführliche altersangepasste Laboruntersuchungen
(Blut, Urin)
Ruhe-EKG
Belastungs-EKG
Messung der Körperzusammensetzung
Lungenfunktionstest
Kraft- und Beweglichkeitsmessungen, Wirbelsäulen-Check
Überprüfung des Sehvermögens
Augendruckmessung
Prostata bei Männern über 45
Massnahmenplan mit praktischen Übungsbeispielen inkl. Beratung
MRI-Ganzkörper
Echokardiografie und Carotis-Sonografie
Gastroskopie und Kolonoskopie
Alle Untersuchnungen an einem Tag
2 Jahre Premium-Mitgliedschaft

… zur Selbstoptimierung
Krankheiten früh erkennen und deine Gesundheit optimieren. Buche deinen ersten Health Check-up und profitiere von einer professionellen Beratung sowie personalisierten Empfehlungen von unseren renommierten Ärzt/-innen und Health Coaches. Gratisberatung.

Der Referent präsentierte anschliessend die häufigsten Todesursachen nach Altersklassen mit wenigen Todesfällen wegen Unfällen oder «übrigen» bei den 0-24 Jährigen und einem guten Drittel an Herz-Kreislauferkrankungen, gefolgt von Demenz und Krebs bei über 85-Jährigen.

Die Elemente des Check-ups
Regelmässige Gesundheitsuntersuchung
Beratung und Verhaltensänderung
Impfungen

Screening
Bei symptomfreien Personen Einschätzung des persönlichen Risikoprofils

Case Finding
Spezifisches identifizieren von Risikofaktoren → individuelle Beurteilung von Risikofaktoren.

Hidden Agenda
Nicht deklarierte Beweggründe für einen Arztbesuch (Ängste, Befürchtungen, Erwartungen…)

Differenzialdiagnostisches Denken ist zentral für Case Finding
Case Finding ist das identifizieren von asymptomatischen Erkrankungen resp. deren Risikofaktoren während einer (Routine-)Konsultation. Individuelle Risikobeurteilung der Patient:innen je nach Vorhandensein weiterer Risikofaktoren, Symptomen, Begleiterkrankungen (z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankung) und Familienanamnese (z.B. prämature KHK).
→ differenzialdiagnostisches Denken ist zentral für individuelle Risikobeurteilung

Hidden Agenda
Hidden Agenda bezeichnet seitens der Patint/-innen nicht deklarierte Beweggründe für einen Arztbesuch. Hierzu gehören auch Erwartungen, Gefühle, Ängste, der Patient:innen, welche dem Ärzt:innen nicht ohne weiteres preisgegeben werden.

Patient/-innen verlangen Check-up nicht nur wegen Prävention
Prospektive Studie an der Medizinischen Poliklinik Basel: 66 Patient:innen (35% w), mittleres Alter 45±16 Jahre, 66% der Patient:innen in regelmässiger hausärztlicher Kontrolle, Patient:innen hatten 4.7±3.1 Symptome, jede/r 3. Patient:in hatte noch «versteckte Gründe» für eine Check-up-Untersuchung.

Hidden Agenda bei 23 Patient:innen während der zweiten Konsultation:
Psychosoziale Belange der Patient:innen 8
Krankheitsverständnis der Patient:in 6
Krankheiten im sozialen Umfeld 3
Gesundheitliche Bedenken
– Krebs 4
– HIV 3
– Herzkrankheit 3
– Lifestyle (Rauchen, Diät, Trinksucht) 2
– Hypertonie 2

Differenzialdiagnose schützt vor Fehl- und Überversorgung
Patient/-innen überschätzen den Nutzen von Interventionen und unterschätzen das Risiko (z.B. Krebs-Früherkennung) Patient:innen dürfen nicht durch unnötige Interventionen gefährdet werden
→ Schutz vor Überdiagnosen
→ Subjektives Wohlbefinden muss zentral sein
→ Shared Decision Making ist zentral

Check-ups oder Sprechstunde?
…the PHE (Periodic Health Evaluation) may provide clinicians time to consider preventive care more fully, thusleading to their instituting preventive measures more frequently.
… PHE has a stronger effect on improving the delivery of preventive services that are performed by clinicians at the time of the office visit.
Check-up as a vehicle to develop meanungful long-term relationship with patients: «Time for the physician to get to know the patient as a person and vice versa» (Boulware LE et al. Ann Intern Ned 2007;146:289-300/Brett AS. JMA 2021;325:2259-2261).

Check-ups zur Burnout-Prophylaxe von Ärzt/-innen?
Die American Medical Association hat festgestellt, dass es wichtig ist, die Beziehungen zwischen Patienten und Ärzten zu verbessern, um eine qualitative hochwertige Pflege zu gewährleisten und Burnout vorzubeugen. Allgemeinmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, die zumindest teilweise darauf ausgerichtet sind, solche Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, könnten jungen Ärzten helfen, ihre Berufswünsche zu erfüllen, die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit zu ateigern und die Wahrscheinlichkeit eines Burnout zu verringern (Brett AS JAMA 2021;325:2259-2261).

Take Home Message

► Individuelle Risikokomponenten beachten (Case finding)
► Patient/-innen verlangen Check -up Untersuchungen oft wegen Symptomen und Sorgen (Open Agenda)
► An mögliche nicht-deklarierte Beweggründe einer Check-up-Untersuchung denken (Hidden Agenda)
► Prävention, falls möglich, in Grundversorgung der Patient/-innen einbauen

Entscheiden: ist das Gehirn vernünftig.

Wir alle denken, dass wir als Menschen rationale Entscheidungen treffen. Funktioniert unser Hirn tatsächlich wie eine Art Supercomputer, mit dessen Hilfe wir streng logisch die Dinge gegeneinander abwägen?


Der Neuropsychologe Prof em. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke, Psychologisches Institut der Universität Zürich, zeigte, wie das Unbewusste uns beeinflusst, wie wir richtige und falsche Entscheidungen treffen und wie unser Gedächtnis funktioniert. Mit vielen Beispielen aus seiner Praxis als weltbekannter Forscher stellte er unser Hirn als beeindruckendes Denkorgan dar und zeigte, dass es keine reine «Vernunftsmaschine» ist. Er verwies auf René Descartes «cogito ergo sum! Ratio vs. Irratio, der bis heute unsere Denkweise beeinflusst. Das Gehirn des Menschen ist ein Lern- bzw. Anpassungsgehirn. Es verbraucht im Ruhezustand 20% des gesamten Energiehaushalts des Körpers!

Unbewusste Wahrnehmung: Lächle und die (halbe) Welt lächelt mit dir, runzle die Stirn und du bist allein!

Kognitive Dissonanz: Ein psychologischer Zustand, der entsteht, wenn eine Person widersprüchliche Informationen, Einstellungen oder Überzeugungen hat, die miteinander in Konflikt stehen. Dies führt zu Unbehagen und einem inneren Konflikt, der durch Strategien wie Anpassung, Rationalisierung oder Vermeidung gelöst werden kann.

Entscheidungen und Zukunft: Die Zukunft kann man nicht vorhersagen, man kann sie lediglich gestalten! Die Zukunft ist immer mit Risiko behaftet! Wie sollen wir uns dann möglichst optimal entscheiden? Mit Logik oder Intuition?

Bei bekannten Risiken: Wie trifft man Entscheidungen, wenn alle Alternativen, Konsequenzen und Wahrscheinlichkeiten bekannt sind? Mit Logik, Statistik, Mathematik.

Und wie trifft man Entscheidungen, wenn nicht alles bekannt ist, also bei unbekannten Risiken? Mit Intuition, und Heuristik.

Der Referent wies abschliessend auf seine Buchveröffentlichungen hin: «Ist das Gehirn vernünftig?» Erkenntnisse eines Neuropsychologen und «Von der Steinzeit ins Internet».

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Strategien für HIV-1-Impfstoffe, die breit neutralisierende Antikörper induzieren

HIV-1 wurde 1983 entdeckt (1) und anschließend als Ursache des erworbenen Immunschwächesyndroms (AIDS) (2-4) nachgewiesen. Eine wirksame antiretrovirale Arzneimitteltherapie hat AIDS von einer durchweg tödlich verlaufenden Krankheit in eine chronische Erkrankung mit nahezu normaler Lebenserwartung verwandelt (5). Dennoch infizieren sich jedes Jahr etwa 1,5 Millionen Menschen mit HIV-1 (6). Daher besteht trotz der antiretroviralen Arzneimitteltherapie zur Vorbeugung oder Behandlung (7,8) ein dringender Bedarf an einem sicheren und wirksamen HIV-1-Impfstoff.

Die Entwicklung eines wirksamen HIV-1-Impfstoffs ist aufgrund der außergewöhnlichen und zunehmenden genetischen Vielfalt des HIV-1-Lentivirus (9,10), seiner komplexen Mechanismen zur Umgehung des Immunsystems (11-14) und der Fähigkeit von HIV-1, sich in Immunzellen des Wirts zu integrieren, um gegen die Immunität des Wirts und die Behandlungsmethoden resistent zu werden (15,16), eine besondere Herausforderung.

Nach fast vier Jahrzehnten der Forschung ist ein sicherer und wirksamer HIV-1-Impfstoff noch immer nicht in Sicht. Es gibt viele Gründe, warum die Entwicklung eines wirksamen und dauerhaften HIV-1-Impfstoffs eine Herausforderung darstellt, darunter die außerordentliche genetische Vielfalt von HIV-1 und seine komplexen Mechanismen zur Umgehung des Immunsystems. Die Hüllglykoproteine von HIV-1 werden vom Immunsystem nur schlecht erkannt, was bedeutet, dass wirksame breit neutralisierende Antikörper (bnAbs) nur selten im Rahmen einer HIV-1-Infektion oder durch eine Impfung gebildet werden. Die Biologie der HIV-1-Wirt-Interaktionen erfordert daher neuartige Strategien für die Impfstoffentwicklung, die darauf abzielen, seltene bnAb-produzierende B-Zelllinien zu aktivieren und zu expandieren sowie auf den Erwerb kritischer, unwahrscheinlicher bnAb-Mutationen zu selektieren. Im Folgenden werden Strategien für die Induktion potenter und breit angelegter HIV-1-bnAbs erörtert und die für den endgültigen Erfolg erforderlichen Schritte skizziert.

Ein schützender HIV-1-Impfstoff wird wahrscheinlich der komplexeste Impfstoff sein, der je entwickelt wurde, wobei neuartige Impfstoffplattformen wie modifizierte mRNAs in LNPs oder neuartige Vektoren eingesetzt werden. Schon früh nach der Infektion kann sich das HIV-1-Provirus als latentes Virus in das Wirtsgenom integrieren, ohne virale Proteine zu produzieren1 (17,18) und wird so für das Immunsystem praktisch unsichtbar. Aus diesem Grund muss ein wirksamer HIV-1 bnAb-Impfstoff, der die Übertragung durch eine sterilisierende Immunität verhindern soll, im Wesentlichen zu 100 % wirksam sein, und zwar sowohl bei einer Exposition über das Blut als auch über die Schleimhäute – eine außerordentliche Hürde, die bisher noch kein Impfstoff genommen hat16,181. Schließlich wird die Herstellung von Mehrkomponenten-Proteinimpfstoffen eine Herausforderung darstellen, da die Herstellung mehrerer Proteine unter GMP-Bedingungen schwierig und zeitaufwändig ist und die Kosten für einen solchen Impfstoff hoch sind. Die modifizierte mRNA- und LNP-Technologie, die für COVID-19-Impfstoffe (19,20) so erfolgreich war, könnte sich für die Herstellung von Mehrkomponenten-Impfstoffen besser eignen als für proteinbasierte Impfstoffe (21-27) 127,184-189.

Quelle: Hayes BF et al. Strategies for HIV-1 vaccines that induce broadly beutralizing antibodies. Nat Rev Immunol. 2023; 23(3): 142–158.
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Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

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Wirksamkeit von Impfstoffen gegen die durch Zecken übertragene Enzephalitis in Europa

Die durch Zecken übertragene Enzephalitis (FSME) ist eine Infektionskrankheit, die durch das Zeckenenzephalitis-Virus (FSMEV) verursacht wird und bei Patienten zu Entzündungen des zentralen Nervensystems (ZNS) führt. In mehr als 25 europäischen Ländern gibt es eines oder mehrere FSME-endemische Gebiete. Obwohl zwei FSME-Impfstoffe, FSME-IMMUN® und Encepur®, in Europa häufig verwendet werden, gibt es keine veröffentlichten Untersuchungen über die tatsächliche Wirksamkeit von FSME-Impfstoffen in Europa oder anderswo.

Eine kürzlich erschienene Studie untersuchte PubMed nach Artikeln über die Wirksamkeit von FSME-Impfstoffen (WI) und Extrahierte Informationen über Land, Studiendesign, Studienzeitraum, Studienpopulation, Anzahl der FSME-Infizierten, Anzahl der Teilnehmer und WI gegen FSME-Infektionen und -Ergebnisse.
Die Autoren identifizierten 13 Studien, die in Österreich, der Tschechischen Republik, Lettland, Deutschland und der Schweiz durchgeführt und zwischen 2003 und 2023 veröffentlicht wurden. Bei einer Studie handelte es sich um eine Kohorten-Untersuchung eines durch Milch verursachten Ausbruchs. In den anderen Studien wurde in 11 Fällen (91,7 %) die Screening-Methode und in zwei Fällen (16,7 %) ein Fall-Kontroll-Design angewandt (in einer Studie wurde beides verwendet). FSME-Impfstoffe waren in allen Altersgruppen hochwirksam (WI-Schätzungen >92%) gegen FSME-Infektionen. Die Impfstoffe boten auch einen hohen Schutz gegen leichte Infektionen (d. h. Infektionen bei Patienten ohne Symptome einer ZNS-Entzündung) und gegen Infektionen, die zu FSME und Krankenhausaufenthalt führten. Die Impfstoffe boten auch einen hohen Schutz vor den schwerwiegendsten Folgen wie Krankenhausaufenthalten von mehr als 12 Tagen. Die produktspezifischen VE-Schätzungen waren ebenfalls hoch, obwohl nur begrenzte Daten verfügbar waren. Studien in Österreich, der Tschechischen Republik, Lettland und der Schweiz schätzten, dass FSME-Impfstoffe in diesen Ländern zusammen mehr als 1.000 FSME-Fälle pro Jahr verhinderten und viele Krankenhausaufenthalte und Todesfälle vermieden.

Die veröffentlichten WI-Studien belegen eine hohe reale Wirksamkeit der kommerziell erhältlichen FSME-Impfstoffe in Europa. Obwohl die Zahl der verhinderten Fälle nur für vier Länder geschätzt wurde, verhindert die FSME-Impfung jedes Jahr Tausende von Fällen in Europa. Um lebensbedrohliche FSME-Erkrankungen zu verhindern, sollten die FSME-Impfung und die Einhaltung des Impfplans bei Bewohnern von und Reisenden in FSME-endemischen Ländern in Europa verbessert werden.

Fazit

Die nationalen Impfquoten lagen unter den empfohlenen Schwellenwerten, und die Analyse zeigte, dass Anstrengungen zur Erhöhung der nationalen Impfquoten erforderlich sind. Die Autoren bewerteten die Identifizierung von chronischen Krankheiten anhand von Medikamentenansprüchen und die Berechnung von nationalen Impfquoten auf der Grundlage von Daten der jeweiligen Saison als einen wirksamen Ansatz zur Durchführung der Impfüberwachung. Eine Überwachung auf der Grundlage von Anspruchsdaten kann die nationale Überwachung vervollständigen.

Quelle: Angulo FJ et al. A systematic literature review of the effectiveness of tick-borne encephalitis vaccines in Europe.Vaccine 2023;41):6914-6921.
doi: 10.1016/j.vaccine.2023.10.014. Epub 2023 Oct 17.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Chronopharmakologie in der Kardiologie

Kardiovaskuläre Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit (1,2). Zu den wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren zählen arterielle Hypertonie, Rauchen, Diabetes mellitus und Hyperlipidämie (1,2). Durch die medikamentöse Therapie dieser kardiovaskulären Risikofaktoren kann die Entstehung (Primärprävention) und Progression von kardiovaskulären Erkrankungen (Sekundärprävention) positiv beeinflusst und die Morbidität und Sterblichkeit reduziert werden (3–5). Eine Vielzahl von physiologischen und pathophysiologischen Prozessen unterliegen tageszeitlichen Schwankungen. Dieses Phänomen wird als zirkadianer Rhythmus bezeichnet (6). Die Synthese der Lipoproteine, die Cholesterin transportieren und zur Entstehung von Atherosklerose beitragen, ist beispielsweise nachts und in den frühen Morgenstunden am ausgeprägtesten (7,8). Die Freisetzung des Stresshormons Cortisol aus den Nebennieren ist ebenfalls morgens am höchsten. Der arterielle Blutdruck hingegen fällt physiologischer Weise in der Nacht um durchschnittlich 10-20% ab (sogenanntes dipping) (9). Beobachtungen aus epidemiologischen Studien legen nahe, dass nächtliche Blutdruckspitzen (sogenanntes non-dipping) zu einer erhöhten Sterblichkeit beitragen (10–13). Ferner gibt es eine Häufung von Myokardinfarkten und plötzlichen Herztodereignissen in den frühen Morgenstunden (14,15). Vor diesem Hintergrund entstand die Hypothese, dass die Einnahme Blutdruck- und Choles­terin-senkender Medikamente an den zirkadianen Rhythmus angepasst und daher abends eingenommen werden sollten. Aktuelle Studien zeigen, dass Medikamente mit langen Halbwertszeiten unabhängig vom Einnahmezeitpunkt effektiv sind. Wichtig ist, dass der Einnahmezeitpunkte so gewählt wird, dass die Therapietreue maximal unterstützt wird. Im Folgenden werden wichtige Aspekte der Chronopharmakologie in der Kardiologie diskutiert.

Cardiovascular diseases remain the most common cause of death (1,2). Important cardiovascular risk factors include hypertension, smoking, diabetes mellitus, and dyslipidemia (1,2). Treating these risk factors has been shown to delay the progression of cardiovascular diseases thereby improving morbidity and mortality (3–5). Physiologic processes in the human body commonly follow a circadian rhythm (6). Cholesterol synthesis in the liver for example peaks at night (7,8), cortisol synthesis in the adrenal gland is highest in the early morning, and blood pressure physiologically decreases during sleep by 10-20% (i.e. dipping) (9). Epidemiologic studies have shown that high nighttime blood pressure (i.e. non-dipping) associates with increased cardiovascular mortality (10–13). Moreover, the incidence of myocardial infarction is highest in the early morning, as is the occurrence of sudden cardiac death (14,15). Consequently, is has been hypothesized that it might be beneficial to adjust the intake of cardiovascular medication, i.e. antihypertensive and lipid-lowering therapy, to the circadian rhythm. Recent studies, however, have shown that drugs with long half-lives are effective independent of the timing of administration. Therefore, antihypertensive, and lipid-lowering drugs should be taken at time points, which associate with the highest rates of adherence and persistence to medication. Herein, we discuss the evidence surrounding chronotherapy of cardiovascular drugs.
Key Words: Adherence, hypertension, prevention, statins, chronotherapy

Antihypertensiva

Der arterielle Blutdruck unterliegt tageszeitlichen Schwankungen. Physiologischerweise fallen der systolische und diastolische Blutdruck im Schlaf um etwa 10-20% ab (16,17). Das Fehlen einer physiologischen Tag-Nacht-Absenkung des Blutdrucks ist mit einem erhöhten Risiko kardiovaskulärer Endorganschäden assoziiert (9–11, 18–20). Die JAMP-Studie (Japan Ambulatory Blood Pressure Monitoring Prospective), an der insgesamt 6.359 Patienten im medianen Alter von 68 Jahren teilnahmen, bei denen wenigstens ein kardiometabolischer Risikofaktor vorlag, untersuchte die prognostische Bedeutung des nächtlichen Blutdrucks und des Blutdruckprofils (21). Ein Anstieg des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg war mit einem Anstieg von atherosklerotischen kardiovaskulären Ereignissen um 18 % verbunden. Das Risiko für eine chronische Herzinsuffizienz lag mit 25 % sogar darüber. Die schlechteste Prognose wiesen die sogenannten „riser“ auf, bei denen die nächtlichen Blutdruckwerte die Tageswerte überschritten. Die Hazard Ratio für kardiovaskuläre Erkrankungen lag bei 1,48 und bei 2,45 für das Auftreten einer chronischen Herzinsuffizienz (21).

Vor diesem Hintergrund wurde untersucht, ob die abendliche Einnahme von Antihypertensiva zur Senkung der kardiovaskulären Morbidität und Sterblichkeit beitragen kann. Die MAPEC-Studie (Ambulatory Blood Pressure Monitoring for Prediction of Cardiovascular Events) war die erste prospektive, randomisierte Studie, die die abendliche Einnahme mit der morgendlichen Einnahme von Antihypertensiva verglich. Insgesamt 2.156 Patienten mit arterieller Hypertonie und vorbestehender blutdrucksenkender Therapie wurden randomisiert. Langzeitblutdruckmessungen über 48 Stunden wurden durchgeführt und primärer Endpunkt war das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse. Nach einem medianen Follow-Up von 5,2 Jahren traten in der Gruppe, die ihre antihypertensive Medikation abends einnehmen sollte, signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse (-61%, p<0,001) und grosse Ereignisse (definiert als kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Schlaganfall und nicht-tödlicher Herzinfarkt; -67%; p<0,001) auf. Mechanistisch wurde dies mutmasslich durch eine bessere Blutdruckkontrolle erreicht. Die Gruppe mit abendlicher Medikationseinnahme hatte einen signifikant niedrigeren systolischen Blutdruck während des Schlafes (nächtlicher systolischer Blutdruck über 48 Stunden 110,9 mmHg vs. 116,1 mmHg; p<0.001) einen stärkeren Abfall des Blutdrucks beim Schlafen (11,4% vs. 7,0%), weniger non-Dipper (34% versus 62%; p<0,001), und eine höhere Rate an kontrollierten Langzeitblutdrucken (62% versus 53%; p<0,001) (22).

Ähnliche Ergebnisse erbrachte die HYGIA Studie, eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie, die 19.084 Patienten mit arterieller Hypertonie randomisierte ihre antihypertensive Therapie entweder morgens oder abends einzunehmen. Auch in dieser Studie wurden 48-Stunden-Langzeitblutdruckmessungen durchgeführt. Nach einem medianen Follow-Up von 6,3 Jahren kam es zu signifikant weniger kardiovaskulären Ereignissen in der Gruppe, die ihre Antihypertensiva abends einnahmen, verglichen mit den Patienten, die alle Medikamente morgens einnahmen (-45%; p<0,001). Interessanterweise wurden alle Einzelkomponenten des Endpunktes (Herzinfarkt, koronare Revaskularisation, neu diagnostizierte Herzinsuffizienz, Schlaganfall) in der Gruppe durch die abendliche Medikamenteneinnahme reduziert. Auch diese enorme Reduktion an klinischen Endpunkten wurde durch eine bessere Blutdruckkontrolle in der Nacht und eine geringe Rate an Non-Dippern erklärt (Tabelle 1) (23). Die MAPEC und HYGIA Studien warfen jedoch einige Fragen und methodologische Limitationen auf, die eine Übertragbarkeit der Ergebnisse in den klinischen Alltag in Frage stellen. Es war unklar, warum, trotz der enormen Risikoreduktion, die Studien nicht frühzeitig beendet wurden und warum 48 Stunden Langzeitblutdruckmessungen angewendet wurden, die nicht von Leitlinien empfohlen werden. Weitere Limitationen der HYGIA-Studie ist das PROBE (prospektiv, randomisiert, offen, verblindeter Endpunkt)-Design, die unterschiedliche medikamentöse Therapie und der nur minimale Unterschied in der Blutdrucksenkung zwischen den Gruppen. Letzteres war zu klein, um die Endpunktreduktion zu erklären. Ferner konnten andere Studien keine Überlegenheit einer Chronotherapie nachweisen (z. B. AASK-Studie).

Die TIME (Treatment in Morning versus Evening) Studie, die im Jahr 2022 veröffentlicht wurde, randomisierte 21.104 Patenten mit arterieller Hypertonie ihre vorbestehende antihypertensive Medikation entweder morgens (zwischen 6:00 und 10:00 Uhr) oder abends (zwischen 20:00 und 00:00 Uhr) einzunehmen. Als primärer Endpunkt wurde ein kombinierter Endpunkt, definiert als vaskulärer Tod oder Krankenhausaufnahme als Folge eines nichttödlichen Herzinfarkts oder Schlaganfalls, untersucht. Nach einer medianen Nachbeobachtung von 5,2 Jahren zeigten sich keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich des Auftretens des primären Endpunktes. Interessanterweise waren die Patienten in der abendlichen Einnahmegruppe weniger adhärent als die Patienten in der morgendlichen Einnahmegruppe (39,0% versus 22,5%; p<0,0001). Die TIME-Studie war eine pragmatische Studie, bei der Blutdruckwerte von den Teilnehmern selbst berichtet und dadurch nicht von allen Teilnehmern erhoben wurden. Zudem unterschieden sich die antihypertensiven Therapien der Teilnehmer, denn die vorbestehende Therapie wurde weiterhin eingenommen. Diese Ergebnis­se widersprechen den erhobenen Ergebnissen der HYGIA und MAPEC Studien.

Rezent wurde die Evidenz zur Chronopharmakotherapie von Antihypertensiva in einer Metaanalyse von 72 randomisierten und kontrollierten Studien zusammengefasst. Es zeigte sich, dass die abendliche Einnahme von Antihypertensiva mit einer signifikanten Senkung des 24 Stunden ambulanten systolischen Blutdrucks und des abendlichen systolischen Blutdrucks einherging, wesentlich getrieben jedoch durch die kontroversen Studien HYGIA und MAPEC. Zu einer signifikanten Reduktion von wichtigen klinischen Endpunkten trug eine abendliche Einnahme laut dieser Metaanalyse jedoch nicht bei (24).

Lipidsenkende Therapie

Die Senkung des LDL-C und der ApoB-Partikel durch Lebensstilmodifikationen und Pharmakotherapie ist eine der wichtigsten Strategien in der Primär- und Sekundärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen. Pharmakotherapeutisch kommen vor allem Statine zum Einsatz, die durch Inhibition der beta-3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase) die Cholesterinbiosynthese reduzieren und dadurch das LDL-C effektiv senken (25). LDL-C wird vor allem nachts synthetisiert, sodass hypothetisiert wurde, dass die abendliche Gabe von Statinen zu einer effektiveren Senkung des LDL-C führt als eine morgendliche oder mittägliche Einnahme (7,8). Eine Cochrane Meta-Analyse von 8 randomisierten und kontrollierten Studien mit 767 Patienten untersuchte diese Hypothese. Durch die abendliche Einnahme von Statinen kam es nicht zu einer stärkeren Senkung des LDL-C oder des Gesamtcholesterins, jedoch weisen die Autoren auf das hohe Risiko für einen Bias in 4 der 8 untersuchten Studien hin. Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen unterschieden sich nicht wesentlich. Eine Analyse von wichtigen klinischen Endpunkten wurde nicht durchgeführt (26).

Eine Metaanalyse, die im Jahr 2023 veröffentlicht wurde und 15 Studien mit insgesamt 1.352 Patienten einschloss zeigte, dass nur Statine mit kurzer Plasmahalbwertszeit statistisch signifikant stärker die LDL-C- und Triglyceridkonzentration senken, wenn sie abends verabreicht werden. Werden hingegen Statine mit langer Plasmahalbwertszeit verabreicht gibt es keine Unterschiede zwischen einer morgendlichen und einer abendlichen Einnahme hinsichtlich der Reduktion der Serumspiegel von LDL-C und Triglyceriden (27). Vor allem die synthetischen Statine Atorvastatin und Rosuvastatin zeichnen sich durch eine lange Plasmahalbwertszeit aus und sollten daher bevorzugt eingesetzt werden (Tabelle 2) (28). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine Hinweise, dass eine abendliche Einnahme von cholesterinsenkenden Medikamenten das Überleben oder Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen verbessert.

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Dr. med. Felix Götzinger, felix.goetzinger@uks.eu
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Dr. med. Felix Götzinger

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F.G. hat Vortragshonorare von AstraZeneca erhalten und wird durch die Deutsche Herzstiftung gefördert. M.K gibt keine Interessenskonflikte an. L.L. hat Vortragshonorare von AstraZeneca, ReCor Medical und Medtronic erhalten. S.K. gibt keine Interessenskonflikte an. F.M wird durch die Deutsche Herzstiftung, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie und die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt (DFG, SFB TRR 219, Projekt ID-322900939) und hat wissenschaftliche Unterstützung oder Vertragshonorare von Bayer, Boehringer Ingelheim, Inari, Medtronic, Merck, und ReCor Medical erhalten.

◆ Zur Behandlung der Hypertonie sollten langwirksame Antihypertensiva eingesetzt werden. In der großen, randomisierten TIME-Studie hatte der Einnahmezeitpunkt keinen Einfluss auf die kardiovaskuläre Prognose der Patienten. Im Bedarfsfall kann die antihypertensive Therapie auch abends eingenommen werden, z. B. bei erhöhten nächtlichen Blutdruckwerten. Es sollte jedoch bedacht werden, dass die abendliche Gabe signifikant häufiger vergessen wird als die morgendliche Dosis.
◆ In der Therapie der Hypercholesterinämie sollten langwirksame Cholesterin­senker verwendet werden. Bei diesen Substanzen gibt es keine relevanten Wirkungsunterschiede zwischen einer morgendlichen oder abendlichen Einnahme. Auch bei Cholesterinsenkern sollte der Einnahmezeitpunkt daher so gewählt werden, dass er die Adhärenz bestmöglich fördert.

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