Beobachtungsstudie PIONEER REAL Schweiz

Oral verabreichtes Semaglutid, der erste orale Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1 RA), zeigte im Rahmen des Phase-3a-Programms PIONEER eine hohe Wirksamkeit bei der Senkung des HbA1c-Wertes und des Körpergewichts. Als Teil des PIONEER REAL-Programms, das in 13 Ländern durchgeführt wird, ist PIONEER REAL Schweiz eine nicht-interventionelle Studie zur Untersuchung der klinischen Ergebnisse im Zusammenhang mit der Einnahme von oralem Semaglutid bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes (T2D).

PIONEER REAL Schweiz ist eine 34- bis 44-wöchige, multizentrische, prospektive, offene, nicht-interventionelle, einarmige Phase-4-Studie bei Erwachsenen mit T2D, die nicht auf injizierbare glukosesenkende Medikamente ansprechen und in der klinischen Routine einmal täglich mit oralem Semaglutid beginnen. Die Veränderungen des HbA1c-Wertes (primärer Endpunkt) und des Körpergewichts (sekundärer Endpunkt) wurden vom Ausgangswert bis zum Ende der Studie untersucht. Der Anteil der Teilnehmer, die einen HbA1c-Wert <7% erreichten, und die zusammengesetzten Endpunkte HbA1c-Reduktion ≥1% mit Gewichtsreduktion ≥3% oder ≥5% am Ende der Studie wurden zusammen mit zusätzlichen explorativen Endpunkten bewertet. Die primären Analysen basierten auf dem Beobachtungszeitraum der Studie.

Ergebnisse

Von 185 Teilnehmern, die mit der oralen Einnahme von Semaglutid begannen, schlossen 168 (90,8 %) die Studie ab, und 143 (77,3 %) blieben bis zum Abschluss der Studie in der Behandlung mit oralem Semaglutid. Zum Zeitpunkt des Ausgangswerts hatten die Teilnehmer ein Durchschnittsalter (Standardabweichung, SD) von 62 (10,4) Jahren, einen HbA1c-Wert von 7,7 (1,5) %, ein Körpergewicht von 95,6 (17,6) kg, einen BMI von 33,2 (4,8) kg/m2 und 56,2 % erhielten gleichzeitig Medikamente zur Senkung des Blutzuckers. Der HbA1c-Wert verringerte sich signifikant zwischen Ausgangswert und Ende der Studie (geschätzte mittlere Veränderung [95 % Konfidenzintervall (KI)] –0,9 % [-1,1; -0,7], p<0,0001), ebenso wie das absolute und relative Körpergewicht (geschätzte mittlere Veränderung [95 % KI] -4,7 kg [-5,6; -3,8] bzw. –4,9 % [-5,7; -4,0]; beide p<0,0001). Am Ende der Studie hatten 64,2 % der Teilnehmer einen HbA1c-Wert <7 %, während eine HbA1c-Reduktion ≥1 % plus eine Körpergewichtsreduktion ≥3 % bzw. ≥5 % von 37,8 % bzw. 28,3 % der Teilnehmer erreicht wurde. Am Ende der Studie wurde bei 121 (73,8 %) Teilnehmern ein vom Arzt bewerteter klinischer Erfolg festgestellt. Bei 65 Teilnehmern (35,1 %) wurden insgesamt 139 unerwünschte Ereignisse gemeldet. Die meisten unerwünschten Wirkungen waren leicht oder mittelschwer. Die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Wirkungen waren gastrointestinale Störungen (89 Ereignisse bei 50 Teilnehmern), und 31 unerwünschte Wirkungen bei 20 (10,8 %) Teilnehmern führten zum Absetzen von oralem Semaglutid. Insgesamt wurden 6 schwerwiegende unerwünschte Wirkungen gemeldet, die wahrscheinlich nicht mit der oralen Einnahme von Semaglutid zusammenhingen.

Schlussfolgerung

In der PIONEER REAL Schweiz Studie konnten Erwachsene mit T2D, die mit oralem Semaglutid im realen Umfeld der klinischen Routinepraxis in der Schweiz behandelt wurden, eine klinisch signifikante Verbesserung der glykämischen Kontrolle und eine Reduktion der Blutzuckerwerte, sowie eine Senkung des Körpergewichts erzielen, ohne dass es zu neuen Sicherheitsbefunden kam.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Literatur:
Kick A et al. Real-world use of oral semaglutide in adults with type 2 diabetes: Results from the PIONEER REAL Switzerland multicenter, prospective, observational study, SGED Jahreskongress 16./17.11. 2023, Bern.

Der Wandel in der Schilddrüsenchirurgie

Die Schilddrüsenchirurgie hat sich dank chirurgischer Pioniere wie Billroth, Kocher und Halsted zu einer der sichersten Operationen entwickelt. Obwohl der offene vordere Halszugang immer noch als Goldstandard gilt, wurden in den letzten Jahrzehnten neue Techniken entwickelt, um das kosmetische Resultat und die Zufriedenheit der Patienten zu verbessern. Der aktuell vielversprechendste Ansatz ist der transorale endoskopische Schilddrüsenzugang (TOETVA), der es ermöglicht, das Organ ohne sichtbare Narben und mit ähnlichen Komplikationsraten wie bei der offenen Chirurgie zu resezieren. Dieser Ansatz ist jedoch einer selektionierten Patientenpopulation vorbehalten und erfordert eine optimale Schulung des chirurgischen Teams sowie ein Umfeld, bei der die Sicherheit des Patienten an oberster Stelle steht.

Thyroid surgery has come a long way and thanks to surgical pioneers such as Billroth, Kocher and Halsted, has become one of the safest surgical procedures. Although the open anterior cervical approach is still considered gold standard, many novel techniques have developed in the last century to improve cosmesis and patient satisfaction. The most promising approach is the transoral endoscopic thyroidectomy vestibular approach (TOETVA), which allows to perform a thyroidectomy without visible scars and similar complication rates as in open surgery. However, this approach is reserved for a highly selected patient population and requires optimal training of the surgical team and a setting which will put patient’s safety as a priority.
Key words: istory, thyroid surgery, thyroid cancer, transoral, transoral endoscopic thyroidectomy vestibular approach

Ein Rückblick

Während Erkrankungen der Schilddrüse erstmalig in chinesischen Schriften von 2700 v. Chr. erwähnt werden, scheinen die ersten Therapieansätze durch die Einnahme von iodhaltigem Seetang eher konservativer Natur gewesen zu sein. Nur seltene, ungenaue Berichte operativer Methoden aus Persien, dem alten Rom und Byzanz folgten. Es dauerte bis 952 n. Chr. als der berühmte maurische Chirurg Ali Ibn Abbas, genannt Albucasis, seine Erfahrung zur Operation an der Schilddrüse niederschrieb und zu verstehen schien, dass die Blutungskontrolle einen signifikanten Erfolgsfaktor darstellte. Unter Sedation mit Opium, Umbinden eines Sackes um den Nacken zum Auffangen von Blut und Anwendung heisser Eisen dokumentierte er die erste erfolgreiche Thyroidektomie. 1170 nahm Roger Frugardi, ein prominenter Vertreter der Salerno Schule, diese Kenntnisse auf und fügte ätzende Substanzen zur Hämostasekontrolle zu. Dieses Wissen trug er in «Practica chirurgiae» zusammen, welches zum bedeutendsten chirurgischen Lehrbuch des 13. und 14. Jahrhunderts wurde. Ein kirchliches Verbot jeglicher chirurgischer Praktiken durch gelehrte Mediziner und Kleriker hatte jedoch zur Folge, dass die Chirurgie zunehmend in die Hände ungelehrter Bader abglitt. Fortan wurden Dissektionen mit den Fingern durchgeführt und Gewebe mit Fingernägeln herausgekratzt. Patienten verbluteten oder starben an Asphyxie, Infektionen und Luftembolien. Trotz Wiederaufnahme der Operation durch gelehrte Mediziner im 18. Jahrhundert blieben die Resultate mit einer geschätzten Mortalitätsrate von über 40% katastrophal. Als Konsequenz wurden Operationen an der Schilddrüse durch die französische Akademie der Medizin 1850 gänzlich verboten (siehe Kasten).

Der Beginn der modernen Schilddrüsenchirurgie

Mitte des 19. Jahrhunderts führten Fortschritte in Anästhesie, Antisepsis, das zunehmende Verständnis der physiologischen Zusammenhänge und Benutzung effektiver chirurgischer Instrumente zu einer Evolution im gesamten Spektrum der Chirurgie. Vor allem die Einführung hämostatischer Klemmen erlaubte die sichere Versorgung von Gefässen und damit die Blutungskontrolle. Diese Fortschritte bedeuteten den Wendepunkt in der Schilddrüsenchirurgie und erlaubten prominenten Vertretern wie Theodor Billroth, Thomas Kocher, William Halsted oder Charles Mayo nicht nur die Mortalität zu reduzieren, sondern auch relevante Nebenwirkungen und Komplikationen dieser Eingriffe zu erkennen. Während Theodor Billroth erste Serien mit Mortalitätsraten von 8% publizierte, gelang es seinem Schüler Theodor Kocher diesem Fach bis heute seinen andauernden Stempel aufzudrücken. Damals Ordinarius für Chirurgie an der Universität Bern, konnte er in 5000 Schilddrüsenoperationen die Mortalität auf 0.5% senken. Während Billroth als zusätzliche Komplikation hauptsächlich die postoperative Tetanie beobachtete, beschrieb Kocher vor allem die «Cachexia strumipriva», ein fatales Krankheitsbild, welches durch das komplette Fehlen der Schilddrüsenhormone nach Thyroidektomie verursacht wurde. Aus diesem Grund führte er das Konzept der partiellen Thyroidektomie bei benignen Erkrankungen ein und erhielt für sein Lebenswerk als bis jetzt einziger Chirurg 1909 den Nobelpreis für Medizin. Der amerikanische Chirurg Halsted, welcher Billroth und Kocher oft in Europa besuchte, konnte immense Fortschritte beim Erhalt der Nebenschilddrüsen und somit der Senkung der postoperativen Tetanie erzielen. Zudem trug er zusammen mit seinem Landsmann Charles Mayo und anderen dazu bei, dass die Thyroidektomie auch als Therapieoption bei Thyreotoxikose anerkannt wurde.

Das 20. und 21. Jahrhundert

Diese Verbesserungen der Sicherheit und Effektivität in der Schilddrüsenchirurgie wurden im 20. Jahrhundert von zahlreichen weiteren medizinischen und diagnostischen Innovationen begleitet. Neben der Einführung von Thyreostatika bei Thyreotoxikose und der Radiojodtherapie, läuteten Verbesserungen der Diagnostik mit Szintigraphie, CT/MRI, Ultraschall und Feinnadelaspirationszytologie zur Dignitätsbestimmung das moderne Zeitalter der Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen ein. Daneben sorgten technische Neuheiten im Operationssaal für eine weitere Senkung der perioperativen Morbidität: Hämostatische Instrumente mit Hochfrequenzstrom oder Ultraschall verkürzten die Operationsdauer, das intraoperative Neuromonitoring (IONM) vereinfachte die Identifikation und somit Schonung des Reccurensnerven und die Entdeckung von Autofluoreszenz der Nebenschilddrüsen verbesserte die intraoperative Sichtbarkeit der Epithelkörperchen.

Zusammen mit der Retransplantation akzidentell entfernter Nebenschilddrüsen konnte so die Inzidenz des postoperativen Hypoparathyreoidismus deutlich gesenkt werden. Ein weiterer Meilenstein war das zunehmende Verständnis molekularbiologischer und physiologischer Zusammenhänge gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Dies erlaubte den Einsatz genetischer Tests zur Diagnosestellung (z. B. RET Oncogene bei MEN Syndrom) und Dignitätsbestimmung suspekter Schilddrüsenknoten. Basierend auf den identifizierten Mutationen, konnten nun personalisierte Therapien zur Behandlung hochmaligner Schilddrüsenkarzinome im adjuvanten und neoadjuvanten Setting eingesetzt werden.

Die minimal invasive Schilddrüsenchirurgie

Obwohl der anteriore Zugang am Hals über den Kocher’schen Kragenschnitt bis heute als Goldstandard gilt, setzten mit dem Aufkommen der laparoskopischen Chirurgie in den 80er und 90er-Jahren auch in der Schilddrüsenchirurgie Bestrebungen ein, das operative Trauma zu reduzieren und das kosmetische Resultat gleichzeitig zu verbessern.

Minimal invasiver zervikaler Zugang

Der italienische Chirurg Paulo Miccoli entwickelte in den späten 90er-Jahren die minimal invasive video-assistierte Thyroidektomie (MIVAT). Diese Methode nutzte die Vorteile der 20fachen endoskopischen Vergrösserung und ermöglichte, mit speziell entwickelten feinen Instrumenten die Schnittgrösse am Hals auf 2cm zu reduzieren. Obwohl sich die MIVAT weltweit schnell verbreitete, war die Lernkurve zum Erlernen der Technik steil und die Operation aufwändig. Zudem unterschied sich das kosmetische Resultat nur in Bezug auf die Schnittlänge aber nicht auf die Lokalisation.

Extrazervikale Zugänge

Obwohl die Narben am Hals meist unproblematisch heilen, nehmen 20% der Patienten auch nach Jahren diese weiterhin als störend wahr. Zehn Prozent ziehen sogar eine Narbenrevision in Betracht, um das kosmetische Resultat zu verbessern. Da in asiatischen Ländern Narben am Hals als stigmatisierend gelten, entwickelte sich dort der Trend, die Zugänge nach extrazervikal zu verlegen (z.B. axillär, um die Brustwarze, infraklavikulär, oder retroaurikulär) und die Operation endoskopisch oder roboter-gestützt durchzuführen. Obwohl die zervikale Narbe gänzlich vermieden werden konnte, kamen neben der steilen Lernkurve und hohen Kosten neue Komplikationen (Verletzung des Plexus brachialis, der Karotiden, und Jugularvenen) dazu, die auf die langen, ungewohnten Dissektionswege zum Hals zurückzuführen waren. Zudem konnten die Resultate von Studien aufgrund des unterschiedlichen Patientengutes (BMI, Körperbau, Schilddrüsen- und Tumorgrössen, Pathologien) nicht auf die westliche Population übertragen werden, weswegen die Anwendbarkeit dieser Techniken bei uns noch fraglich ist.

Transorale Schilddrüsenchirurgie

Definition

Um chirurgische Narben gänzlich zu vermeiden, entstand das Konzept der NOTES (Natural orrifice transluminal endoscopic surgery). Hierbei werden Inzisionen in natürliche Körperöffnungen gelegt, was in verschiedenen Gebieten der Viszeralchirurgie bereits Anwendung findet (Cholezystektomien, Sigmaresektionen, etc). In der Schilddrüsenchirurgie kamen die ersten exzellenten Resultate der «TransOral Endoscopic Thyroidectomy Vestibular Approach (TOETVA)» 2016 aus Thailand. Diese wurden kurz darauf auch im Westen repliziert, weswegen sich der transorale Zugang weltweit mehr und mehr verbreitete.

Technik

Bei der TOETVA werden 3 kleine Schnitte an der Innenseite der Lippe vorgenommen, um 3 Trokare einzubringen. Mithilfe des gewöhnlichen laparoskopischen Instrumentariums wird nun ein Raum unter der Haut des Halses geschaffen, die gerade Halsmuskulatur gespalten und die Schilddrüse dargestellt. Dank der Vergrösserung durch die endoskopische Optik, können kritische Strukturen wie der Recurrensnerv und die Nebenschilddrüsen sicher dargestellt und geschont werden. Die Bergung des Präparates findet je nach Grösse entweder durch den Mund oder über einen nicht sichtbaren kleinen Schnitt hinter dem Ohr statt (TOVARA).

Voraussetzungen

Es wird geschätzt, dass bei Anwendung aktueller Richtlinien, über 40% aller Patienten/innen, welche eine Operation an der Schilddrüse oder Nebenschilddrüse benötigen, für ein transorales Verfahren in Frage kommen. Dazu zählen Patienten/innen mit hypertropher Narbenbildung oder solche, die eine sichtbare Narbe vermeiden möchten. Bei der hochselektiven Patientenauswahl spielen zudem die Morphologie des Kinnbereiches und des Halses sowie die Pathologie und Grösse der Schilddrüse eine entscheidende Rolle (Tab. 1 & 2). Die Ein- und Ausschlusskriterien variieren zurzeit noch und hängen oft von der Erfahrung des jeweiligen Chirurgen ab. Dieser benötigt, um die Methode erfolgreich und sicher anwenden zu können, exzellente Kenntnisse in der konventionellen Schilddrüsenchirurgie und Anatomie des Halses, sowie die Unterstützung eines eingespielten OP Teams. Empfohlen werden zudem Kadaverkurse und Aufsicht durch erfahrene transorale Chirurgen zu Beginn der Lernkurve, welche sich je nach Publikation und Institution auf 11 Fälle beläuft.

Neue Technik, neue Komplikationen?

Zu den eingriffsspezifischen Komplikationen gehören die Verletzung des N. mentalis, Hautverletzungen von innen bei der Dissektion über das Kinn und Einrisse der Mundschleimhaut. Es zeigt sich aber, dass durch eine Anpassung der Trokarposition die Inzidenz dieser Komplikationen deutlich vermindert werden kann und bleibende Schäden nur im Ausnahmefall vorkommen. Das Auftreten von klassischen Komplikationen (Recurrensparese, Hypoparathyroidismus, Blutung, Infektion) ist mit der Häufigkeit bei offenen Operationen vergleichbar (Tab. 3). Beim postoperativen Hypoparathyroidismus scheinen die Resultate nach transoralem Zugang sogar besser zu sein. Interessanterweise sind die Infektionsraten trotz «sauber-kontaminierter» Mundhöhle vernachlässigbar und die Wundheilung in der Regel nach 24 Stunden abgeschlossen.

Fazit

Die transorale Schilddrüsenchirurgie ist für ein selektioniertes Patientengut eine vielversprechende neue Methode und mit Blick auf die Geschichte der Schilddrüsenchirurgie die logische Fortentwicklung bisheriger OP Techniken. Sie liefert ein optimales kosmetisches Resultat und ist bezüglich Risiken durchaus mit der offenen Operation vergleichbar. Obwohl die Implementierung der Technik vor allem durch die initial verlängerte Operationszeit mit erhöhten Kosten verbunden ist, überwiegen die Vorteile eines narbenfreien Halses, von reduzierten postoperativen Schmerzen und der erwiesenen Steigerung der Lebensqualität der Patienten.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Robert Mechera

– Spital Männedorf AG, Asylstrasse 10, 8708 Männedorf
– Medizinischen Fakultät, Universität Basel, 4031 Basel

Prof. Dr. med. Dr. phil. Marco Bueter

Universitätsspital Zürich, Klinik für Viszeralchirurgie,
& Spital Männedorf AG, Klinik Chirurgie

m.bueter@spitalmaennedorf.ch

Die Autoren haben keinerlei Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Die Schilddrüsenchirurgie hat einen weiten Weg gemacht und wurde zu einer der sichersten Operationen entwickelt.
  • Der offene Zugang am Hals nach Kocher ist Goldstandard in der Schilddrüsenchirurgie
  • Die transorale Schildrüsenchirurgie (TOETVA) ist eine neue Technik, welche die Thyreoidektomie ohne sichtbare Narben und mit vergleichbaren Komplikationsraten ermöglicht.
  • Die transorale Schilddrüsenchirurgie ist für ein selektioniertes Patientengut vorbehalten und sollte bei entsprechender Indikation in einem Setting stattfinden, welches die Sicherheit der Patienten/innen gewährleisten kann.

1. Arikan M, Riss P, European TSG. Transoral Thyroidectomy: Initial Results of the European TOETVA Study Group. World J Surg. 2023;47(5):1201-8.
2. Russell JO, Sahli ZT, Shaear M, Razavi C, Ali K, Tufano RP. Transoral thyroid and parathyroid surgery via the vestibular approach-a 2020 update. Gland Surg. 2020;9(2):409-16.
3. Russell JO, Noureldine SI, Al Khadem MG, Tufano RP. Minimally invasive and remote-access thyroid surgery in the era of the 2015 American Thyroid Association guidelines. Laryngoscope Investig Otolaryngol. 2016;1(6):175-9.
4. Sakorafas GH. Historical evolution of thyroid surgery: from the ancient times to the dawn of the 21st century. World J Surg. 2010;34(8):1793-804.
5. Sarkar S, Banerjee S, Sarkar R, Sikder B. A Review on the History of ‘Thyroid Surgery’. Indian J Surg. 2016;78(1):32-6.
6. Fortuny JV, Guigard S, Karenovics W, Triponez F. Surgery of the thyroid: recent developments and perspective. Swiss Med Wkly. 2015;145:w14144.
7. Aidan P, Arora A, Lorincz B, Tolley N, Garas G. Robotic Thyroid Surgery: Current Perspectives and Future Considerations. ORL J Otorhinolaryngol Relat Spec. 2018;80(3-4):186-94.
8. Karakas E, Klein G, Schopf S. Transoral thyroid surgery vestibular approach. Innov Surg Sci. 2022;7(3-4):107-13.

Die Arzthaftung im schweizerischen Recht: Grundlagen und aktuelle Entwicklungen

Einleitung

Die Arzthaftung ist ein zentraler Aspekt des Medizinrechts und regelt die Verantwortlichkeit von Ärzten und anderen medizinischen Fachkräften für Schäden, die bei der Behandlung von Patienten entstehen. Im schweizerischen Recht basiert die Arzthaftung hauptsächlich auf den Regelungen des Obligationenrechts (OR) sowie auf gerichtlichen Entscheidungen. Der vorliegende Aufsatz gibt einen Überblick über die Grundlagen der Arzthaftung in der Schweiz und beleuchtet einige aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich.

Rechtsgrundlagen der Arzthaftung

Die schweizerische Arzthaftung beruht auf dem Vertragsrecht, insbesondere auf den Bestimmungen des Heilbehandlungsvertrages gemäss Art. 394 ff. OR. Dabei handelt es sich um einen Werkvertrag, bei dem der Arzt dem Patienten die Erbringung von Heilbehandlungsleistungen schuldet. Die Haftung des Arztes für Schäden, die im Rahmen der Heilbehandlung entstehen, ergibt sich aus Art. 398 OR (Haftung für Hilfspersonen) und Art. 97 OR (Haftung für vertragliche Schäden).

Voraussetzungen der Arzthaftung

Für die Haftung eines Arztes müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
a) Vertragsverletzung: Der Arzt muss seine vertraglichen Pflichten verletzt haben, insbesondere die Einhaltung der berufsüblichen Sorgfaltspflicht (Art. 398 Abs. 2 OR).
b) Schaden: Der Patient muss einen Schaden erlitten haben, der auf die Vertragsverletzung zurückzuführen ist. Dabei kann es sich um materielle oder immaterielle Schäden handeln.
c) Kausalität: Es muss ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem eingetretenen Schaden bestehen. Dies bedeutet, dass der Schaden bei pflichtgemässem Verhalten des Arztes nicht eingetreten wäre.
d) Verschulden: Der Arzt muss die Vertragsverletzung verschuldet haben. Dabei wird zwischen leichter, mittlerer und schwerer Fahrlässigkeit sowie Vorsatz unterschieden.

Beweislast

Grundsätzlich trägt der Patient die Beweislast für das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen der Arzthaftung. In bestimmten Fällen kann jedoch eine Beweislastumkehr stattfinden, etwa bei groben Behandlungsfehlern oder wenn der Arzt seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist.

Haftungsbegrenzung und Verjährung

Die Haftung des Arztes kann durch individuelle Haftungsbegrenzungen oder gesetzliche Haftungshöchstbeträge eingeschränkt werden. Zudem unterliegen Schadenersatzansprüche aus der Arzthaftung der Verjährung gemäss Art. 128 OR. Die Verjährungsfrist beträgt in der Regel zehn Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem der Schaden entstanden ist, oder ab dem Zeitpunkt, in dem der Patient von dem Schaden und der haftenden Person Kenntnis erlangt hat. In jedem Fall tritt jedoch eine absolute Verjährung von 20 Jahren ab dem schädigenden Ereignis ein (Art. 60 Abs. 1 OR).

Patientenrechte und informierte Einwilligung

Ein zentraler Aspekt der Arzthaftung ist die Beachtung der Patientenrechte, insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung und informierte Einwilligung. Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten über alle wesentlichen Aspekte der Behandlung aufzuklären, einschliesslich möglicher Risiken und Alternativen. Eine fehlende oder unzureichende Aufklärung kann zu einer Haftung des Arztes führen, wenn der Patient bei ordnungsgemässer Aufklärung die Behandlung abgelehnt hätte und dadurch der Schaden vermieden worden wäre.

Haftung von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen

Neben der Haftung von Ärzten können auch Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen für Schäden, die im Rahmen der Heilbehandlung entstehen, haftbar gemacht werden. Die Haftung des Krankenhauses ergibt sich in der Regel aus der Organisationshaftung gemäss Art. 55 OR oder der Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR.

Unterschiede in der Haftung zwischen angestellten Ärzten in öffentlichen Spitälern und selbständigen Ärzten in Belegspitälern

Angestellte Ärzte in öffentlichen Spitälern

Angestellte Ärzte in öffentlichen Spitälern sind Teil der Organisationsstruktur des Krankenhauses. Sie handeln im Rahmen ihrer Anstellung und unterliegen der Weisungsgebundenheit des Krankenhauses. In solchen Fällen haftet das Krankenhaus für das Verhalten seiner Ärzte aufgrund der Organisationshaftung gemäss Art. 55 OR oder der Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 OR. Das Krankenhaus kann aufgrund dieser Haftung zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet sein.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass der angestellte Arzt von jeglicher persönlicher Haftung befreit ist. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann der angestellte Arzt nach wie vor persönlich haftbar gemacht werden. Zudem kann das Krankenhaus den Arzt gegebenenfalls regresspflichtig machen, wenn es für den von ihm verursachten Schaden aufkommen musste.

Selbständige Ärzte in Belegspitälern

Selbständige Ärzte, die in Belegspitälern tätig sind, üben ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung aus und sind nicht weisungsgebunden. Sie schliessen mit dem Patienten einen Heilbehandlungsvertrag gemäss Art. 394 ff. OR ab und sind für ihre eigenen Handlungen und Unterlassungen persönlich verantwortlich. Im Falle einer Haftung haftet der selbständige Arzt direkt dem Patienten gegenüber aufgrund der vertraglichen Beziehung.

Da selbständige Ärzte nicht Teil der Organisationsstruktur des Belegspitals sind, ist die Haftung des Krankenhauses für das Verhalten des selbständigen Arztes eingeschränkt. Jedoch kann das Krankenhaus in bestimmten Fällen dennoch haftbar gemacht werden, zum Beispiel wenn es seine Organisations- oder Überwachungspflichten verletzt hat oder wenn es für das Handeln des selbständigen Arztes als Hilfsperson haftet.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen an die Qualität und Sicherheit der medizinischen Versorgung sowie die Patientenrechte weiterentwickelt. Neue Technologien, wie etwa Telemedizin und künstliche Intelligenz, stellen neue Herausforderungen für das Arzthaftungsrecht dar. Darüber hinaus hat die zunehmende Spezialisierung und Arbeitsteilung im Gesundheitswesen dazu geführt, dass die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen verschiedenen medizinischen Fachkräften und Einrichtungen immer komplexer geworden ist.

Fazit

Die Arzthaftung ist ein zentrales Element des schweizerischen Medizinrechts und dient dem Schutz der Patienten vor Schäden, die im Rahmen der Heilbehandlung entstehen können. Die Haftung des Arztes basiert auf dem Vertragsrecht, insbesondere auf den Bestimmungen des Heilbehandlungsvertrages im Obligationenrecht. Trotz der umfassenden Regelungen zur Arzthaftung stellen aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im Gesundheitswesen neue Anforderungen an das bestehende Rechtssystem. Daher ist es wichtig, das Arzthaftungsrecht kontinuierlich weiterzuentwickeln und an die sich ändernden Gegebenheiten anzupassen, um den Schutz der Patienten und die Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Dr. iur. Thomas D. Szucs

Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

thomas.szucs@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

23. Zürcher Herz-Kurs – Cardiology Today, Teil 1

Der 23. Zürcher Herz-Kurs konnte diesmal wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden. Dabei standen die Bedürfnisse von niedergelassenen und zuweisenden Ärztinnen und Ärzten im Vordergrund. Prof. Dr. med. Franz Wolfgang Amann und Prof. Dr. med. Paul Mohacsi vom HerzGefässZentrum im Park hatten auch dieses Jahr wiederum ein spannendes Programm mit ausgewiesenen Experten zusammengestellt. Entsprechend gross war denn auch die Zahl der Teilnehmer. In der Folge wird hier in einem ersten Teil über kardiologische Probleme berichtet.

Lipide: Braucht es neue Lipidsenker?

Was ist wichtig?

Die verschiedenen Studien zur Lipidsenkung haben gezeigt, dass je niedriger das Plasma LDL-Cholesterin (LDL-C) gesenkt wird, desto niedriger ist die Rate an Herzinfarkten, dabei waren die Ausgangswertee der Studien immer niedriger und so auch die erreichten Endwerte, stellte Prof. Dr. med. Dan Atar, Div. Of Medicine and Inst of Clin. Sciences University of Oslo, fest. Die Kulmination wurde in den Studien FOURIER und ODYSSEE OUTCOMES mit den PCSK Hemmern Evolocumab und Alirocumab mit LDL-C-Werten unter 1.0mmol/l erreicht. Der Zielwert für die Therapie richtet sich nach dem kardiovaskulären Risiko des Patienten, der Patientin. Die Richtlinien der ESC empfehlen Werte unter 1.4mmol/l für Patienten und Patientinnen mit ACSVD (atherosklerotische Herz-Kreislauferkrankung). ASCVD definiert allein sehr hohes Risiko und somit einen LDL-C Zielwert <1.4.mmol/l. Gibt es noch aggressivere Empfehlungen? Bei einem Myokardinfarkt oder Reinfarkt wird sogar ein LDL-C Zielwert von <1.0mmol/l empfohlen, so der Referent.

Prof. Atar präsentierte ein paar Rechenbeispiele zur Erreichbarkeit von LDL-C-Senkungen in Funktion des therapeutischen Konzepts. Z.B. Ausgangswert 4.5mmol/l, mit moderat wirksamem Statin 3.2mmol/l, plus Ezetimibe2.5, mit stark wirksamem Statin 2.3, plus Ezetimibe 1.6, PCSK9 Inhibitor plus stark wirksames Statin 0.9mmol/l. Bei einem Ausgangswert von 2.7mmo/l ergibt der entsprechende Therapieansatz einen Endwert von 0.7mm/l.

Die wichtigsten klinischen Parameter sind die Grösse der atheromatösen Plaque und die Dicke der fibrösen Kappe. In der schweizerischen PACMAN-Studie ((L. Räber et al. JAMA 2022;327:1771-1781) wurde eine Plaquereduktion durch die Therapie mit Alirocumab festgestellt. Gleiches wurde mit Evolocumab in der HUYGENS Studie beobachtet.

Eine Nachbeobachtung der FOURIER-Studie (FOURIER OLE) nach 2 Jahren, dass PCSK9 Inhibitoren den LDL-C-Wert auch über einen langen Zeitraum nachhaltig senken können. Der durchschnittliche LDL-C-Wert lag bei 0.8mmol/l. Zudem zeigte sich eine signifikante Senkung der kardiovaskulären Mortalität um 23%. Evolocumab war auch in der Langzeittherapie sicher und es gab keinen Hinweis auf kognitive Einschränkungen oder neue Diabetesfälle.

Braucht es neue Lipidsenker? Die Antwort des Referenten ist Ja. Er nennt den neuen Cholesterinsenker Bempedoinsäure. Bempedoinsäure hemmt wie die Statine die HMGCoA Reduktase aber an einem früheren Ort. Zudem ist es ein Prodrug und muss zuerst durch das Enzym ATP-Citrat-Lyase aktiviert werden. Dieses Enzym wird nur in der Leber, nicht aber im Skelettmuskel exprimiert, weshalb Bempedoinsäure weniger Nebenwirkungen im Sinne von Muskelschmerzen hat. In der CLEAR-Studie wurde erstmals belegt, dass durch die Gabe von Bempedoinsäure zusätzlich zu Ezetimibe oder einem sehr niedrig dosierten Statin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse reduziert werden kann.

Weitere Ziele der Lipidsenkung sind die Triglyceride und Lp(a). In der REDUCE-IT Studie konnten die Triglyceride mit Icosapent-Ethyl (Vazkepa®) effizient gesenkt werden, wobei auch die kardiovaskulären Ereignisse um 20% gesenkt wurden. Entsprechend gibt es auch in den Richtlinien eine IIa/B-Empfehlung.

Lp(a) ist als weiterer kardiovaskulärer Risikofaktor anerkannt. Medikamente zur Senkung von Lp(a) sind derzeit in Entwicklung. Der Referent nannte in erster Linie Pelacarsen ein small interfering RNA (Novartis), welches derzeit in der HORIZON-Studie untersucht wird. Pelacarsen senkt Lp(a) bis zu 90%.

Konklusionen des Referenten

Wie tief soll das LDL gesenkt werden in der Sekundärprophylaxe der ASCVD? Die heutige Empfehlung ist <1.4mmol/l. Indessen kann man sogar 1.0mmol/l anstreben, Um LDL <1.4mmol/l zu erzielen, empfiehlt die ESC zuerst Hoch-Intensitäts-Statin, gefolgt von Ezetimibe, gefolgt von einem PCSK9Inhibitor.

PCSK9-Inhibition ist ausserordentlich effektiv als LDL-Senker. Es liegen solide Daten vor, welche die Reduktion von ischämischen Ereignissen (MACE) sowie der kardiovaskulären Mortalität dokumentieren, mit bis zu 8.6 Jahren Beobachtungszeit (FOURIER-OLE) und ohne negative Sicherheitssignale. Einer der Mechanismen ist die Regression der Koronararterien in den atherosklerotischen Plaques (PAC-MAN und HUYGENS). Dennoch liegt ein «Residual Risk» vor, selbst bei einer allerniedrigsten LDL-Erzielung.

Hier kommen neue Lipidsenker ins Bild: Bempedoinsäure, Pelacarsen, Mehrere Präparate mit anderen Mechanismen befinden sich bereits in Phase I und II.

Lipide: Braucht es neue Lipidsenker?

Was ist wichtig?

Reanimationen in der Hausarztpraxis sind nicht häufig, stellte
Dr. med. Tomislav Gaspert, Klinik im Park, fest. Es gilt keine
unnötige Zeit zu verlieren. 11 Minuten drücken bis der Notfalldienst da ist. Adrenalin und Cordarone müssen vorhanden sein.
Die Massnahmen sind:
– Kreislaufstillstand feststellen
– Rettungsdienst alarmieren
– Drücken
– Defibrillieren und Drücken
– Keine Beatmung, kein Sauerstoff.

Die Kernaussagen des BASIC LIFE SUPPORTS sind: Prüfen, Rettungsdienst alarmieren, drücken, AED holen, lernen, wie eine RE A durchgeführt werden muss.

Beim Drücken: Ellbogen gestreckt, 5-6cm tief, keine Beatmung, Atemwege offenhalten (ist oft schwierig).
Wenn in der Praxis eine Ergometrie vorhanden ist, muss zwingend ein AED vorhanden sein. Bei Asystolie Adrenalin i.v. Reanimation nicht unterbrechen für venösen Zugang.

Kollaps vor Ihnen
Bewusstlosigkeit, Atmet nicht oder atmet agonal, Herzstillstand, 144 anrufen
Drücken 100-120Min., 5-6cm tief

Die Beatmung
30 Thoraxkompressionen, 2 Beatmungen, weiter 30 – 2, AED vorhan­den: Einschalten, Anordnungen befolgen, «No kissing» ist legitim.
REA ohne Beatmung: Falls Sie nicht trainiert sind oder falls Sie nicht imstande sind zu beatmen, no harm with no kissing.
O2-Zufuhr bei REA.-nur bei Beatmung. Risiko des «Bastelns» mit Beatmung und O2.
Herzmassage soll/darf für höchstens 5 Sekunden unterbrochen werden. Drohende Verlegung des Atemwegs durch Fremdkörper.

Der AED
30 Thoraxkompressionen, 2 Beatmungen, weiter 30 – 2
AED vorhanden: AED einschalten, Anweisungen folgen «AED FIRST»
Ursache des Kreislaufstillstands: Kammerflimmern, pulslose Kammertachykardie. 80% defibrillierbar
Asystolie. pulslose elektrische Aktivität (PEA): 20% nicht defibrillierbar.

Die 11+3 Min. REA in der Hausarztpraxis
30 Kompressionen 2 Beatmungen
Für 2 Minuten
Defibrillation
Weiter so bis Sie tot umfallen!

Kriterien zum Abbruch der REA
Erlangen des Bewusstseins und der Atmung
Tod des Patienten
Erschöpfung des Rettungshelfers
Die nichtindizierte REA
Eine nicht-indizierte Reanimation ist unproblematisch in Bezug auf Herzprobleme. Es kann aber zu Rippenbrüchen, Schäden an Milz und Leber kommen.
Beim Hausbesuch AED mitnehmen.

REA in der Hausarztpraxis
Dies kommt 1-2 Mal im Leben vor. Es muss rasch gehandelt werden. Innerhalb von Sekunden entscheidet sich über Leben oder Tod.
Wichtig ist ein REA-Plan. Er muss allen bekannt sein. Alle beherrschen die Herzmassage. Herzmassage nie unterbrechen.
Defibrillation. Nice to have: Beatmung, O2, venöser Zugang, Adrenalin, Cordarone, wissen wie REA durchzuführen ist.
Time is Brain Tissue, so die Schlussbemerkung des Referenten.

Fälle aus dem Alltag – Gefässe

Fälle aus dem Praxis-Alltag

Prof. Dr. med. Beatrice Aman-Vesti, HerzGefässZentrum Zürich, päsentierte die folgenden Fälle:
Fallvignette: 92jährige Patientin die vor vier Monaten eine Verletzung am Unterschenkel rechts durch eine Autotüre erlitt. Seither lokale Behandlung durch Spitex. Wunde wird grösser, keine Claudicatiobeschwerden. Patientin geht schliesslich zur Hausärztin. Der Abstrich der Wunde ergibt Leukozyten + Gram-ps. Kokken + Gram neg. Stäbchen +Serratia marcescens (wenig). AmpC-bildende Spezies: eine Therapie mit Cephalosporinen (ausser Cefepime) nicht empfohlen. Bei einer Behandlung mit Piperaclinir/Tazobactam kann es trotz in vitro Empfindlichkeit zu Therapieversagen kommen. Klebsiella oxytoca (vereinzelt), Enterococcus faecalis (wenig).

Fallvignette: Patientin 62jährig. Dringliche Zuweisung durch Hausärztin.
Jetziges Leiden: Vor 3 Monaten plötzlich Wadenclaudicatio links., die freie Gehstrecken beträgt, aktuell weniger als 200m. Etwa zur gleichen Zeit Auftreten von lividen Zehen und sehr starke Schmerzen in den Zehen vor allem Digit-IV links sowie am Vorfuss plantar «Es sei ihr beim Arbeiten etwas Schweres auf eine Zehe gefallen». Rechts keine Beschwerden. Patientin hat Irfen aufgrund dieser Schmerzen eingenommen, sonst keine Medikamente, Nikotin 30py.
Angiologische Befunde: Fusspulse rechts palpabel, links nur A. dorsalis pedis schwach palpabel.
Duplex: Hochgradige Stenose A. femoralis rechts.
Diagnosen: 1. Periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium I rechts, Stadium II a-b links kompliziert durch embolische Zehenarterien-Verschlüsse Dig I bis V
– Links:
■ Aktuell hochgradige Stenose Arteria femoralis superficialis
■ Zehenarterienverschlüsse Dig I-V (arterio-arteriell)
– Rechts:
■ keine signifikanten Stenosen iliaco-femoro-popliteal
■ KvRF: Nikotinabusus ca. 30py, LDL-C 3.2mmol/l

Therapie:
Nach PTA : Ambulante Ilomedin-Infusionen, Aspirin, Clopidogrel, Statin

Fallvignette: 80jähriger Patient Zuweisung vom Kardiologen Beurteilung und Procedere
Auf den ersten Blick sehr erfreulicher Langzeit-Verlauf nach Mitral- und Tricuspidalklappen-Rekonstruktion, sowie Bypassoperation auf den RIVA. Der Patient ist von kardialer Seite her subjektiv asymptomatisch und gut leistungsfähig. Allerdings muss die Zehennekrose weiter abgeklärt werden. Vom Aspekt her besteht natürlich der Verdacht auf eine periphere Embolie mit jetzt Nekrose und Exulzeration, wobei die Emboliequelle (kardial oder arterio-arteriell) vorerst offenbleibt. Eine angiologische Untersuchung bei Frau Prof. B. Amann-Vesti soll klären, ob eine entsprechende Arteriopathie proximal vorliegt, die als Emboliequelle in Frage kommt.
Pulstastbefunde rechts links
A. Femoralis + +
A. Poplitea + +
A. dors pedis (+) +
A. tib. post. + +
Oszillogramm und Druckwerte: beids. Oberschenkel, Unterschenkel proximal und distal und Fuss normale Pulskurve.
Allgemeine Hämatologie: Thrombozyten erhöht, Leukozyten erhöht.

Der Befund ist gut vereinbar mit einer myeloproliferativen Neoplasie, auf Grund der Hyperzellularität eher mit einer präfibrotischen Myelofibrose, denn mit einer essentiellen Thrombozytämie (Minor Kriterien Anämie, Leukozytose >11G/l, LDH-Erhöhung) vorhanden?). Auch die Histologie (Zellularität, Megakaryozytenmorphologie) ist hinzu zu ziehen.

Fallvignette: Patientin 75jährig, Zuweisung durch Hausarzt
Der klinische Status Ende Februar 2022 war bis auf eine arterielle Hypertonie mit 180/95mmHg unauffällig. Kein Fieber. Im Laborstatus fand sich eine BSR von78/82mm, CRP 120mg/l, Hb 10.8g/dl, Lc 9.8 G/l, Tc 310 G/l Ferritin 254 µg/l.

Kons. am 03/22: Die Patientin hatte die zweite Covid-19-Impfung im Juli 2021, danach AZ-Verschlechterung, fühlte sich so wie bei einer Grippe. Sie hat sich davon nicht mehr gut erholt. Verschlechterung gegen Ende Jahr. Vermehrte Müdigkeit, Erschöpfung, gelegentlich etwas Kopfschmerzen. Vor einigen Wochen hat sie einen heftigen Rückenschmerz verspürt, In der Folge ist dieser wieder abgeklungen. Seit mehreren Wochen starker nicht produktiver Husten, Gewichtsverlust von 2kg und Appetitminderung. Kein Fieber. Leichtgradige Schultergürtelschmerzen.
Medikamente: Losartan 1-0-0, Pantoprazol 1-0-0
Sozialanamnese: Pensionierte Coiffeuse (hatte ein eigenes Geschäft). Geschieden. Lebt mit ihrem Lebenspartner. Eine erwachsene Tochter.
Familienanamnese: 4 Geschwister, 1 Bruder 80jährig verstorben. Die Mutterstarb 85jährig, kein Kontakt mit Vater
Systemanalyse: Seit ca. 2015 arterielle Hypertonie bei «Stress», nicht behandelt. Keine Nikotinanamnese, negativ für Aortenerkrankungen, Amotio retinae etc. Angiologischer Status

Humorale Entzündung
Dr. med. Mathias Wenger, Zentrum für Rheuma- und Knochenerkrankungen Hirslanden Zürich, ergänzte zum Fall der 75jährigen Patientin: Duplexsonographie Carotiden Wandverdickungen, Carotisbufirkation und distale A. carotis communis (passend auf «typische» Vaskulitis. Rheumatologische /angiologische Diagnosen: Hochgradiger Verdacht auf (LVV-)RZA, ED 3/22, EM möglicherweise ca. 9/21. EM nach 2. Covid-Impfung mit Abgeschlagenheit, Appetitminderung, Schulterschmerzen, akute Thoraxschmerzen. Angiologische Erstuntersuchung mit Verdacht auf Riesenzellarteritis und umgehendem PDN Start bei 50mg/d für 3d, dann 40mg/d, 30mg für 4 Wochen, anschliessend 5mg-weise Reduktion der Dosis.
Riesenzellarteritis: häufigste idiopathische Vaskulitis (Nord-Süd-Gefälle Inzidenz Skandinavier 15/100’000 /Jahr vs. Mittemeerraum <10/100’000/Jahr bei >50jährigen.)
– Typ. >50 Jahre, Peak 70-80 Jahre, F:M=3:1, grosse bis mittel-
grosse Arterien
– Typ «craniale -RZA vs. «non-craniale »
– RZA/»Grossgefässvaskulitis»
Granulomatöse Entzündung der Gefässwand (T-Zellen, Makrophagen, u.a. IL6, 17, 12, 23mit Bildung von Riesenzellen, die typischerweise Laminaelastica interna zerstören)
– Intimatyp. Verdickt mit konzentrischer Verengung, Verschluss des Lumens.
– Alle Schichten können betroffen sein: Intima, Media und Adnetitia.

Klinik/Labor: Fast alle mit B-Symptomen (Fieber, Nachtschweiss, Gewichtsverlust etc.) Hohe Entzündungsparameter (CRP/BSR negativ in 4%), Atemwegssymptome (u.a. Husten), Halsschmerzen, Zungenschwellung, Kieferschmerzen, in 40%-50% polymyalgische Beschwerden. Cephalgien 60%.
Therapieoptionen: Prednison only, Augensymptome Notfall): Methylprednisolon i.v. bis zu 1g/d über mehrere Tage.
Etablierte steroidsparende Therapien: IL-6 Inhibitor (Tocilizu­mab) (50% Steroid-Einsparung gem. GIACTA-StudieCave: St. N.Diverticulitis/Darmperforation, Hyperlipidämie, Hypertonie).

Zusammenfassung

– Daran denken, rasch handeln (bei Augen/Kopfsymptomen):
Notfall
– Interdisziplinär: «Fast track» Diagnostik und Therapie
■ Duplexsonographie als «praktisches» Diagnosetool
■ PET-CT Sensitivität in den ersten 3d unter Steroiden gut, Biopsie nach 10d unter Steroiden noch immer hohe Spezifität (bei generell eher niedrigerer Sensitivität)
– Niederschwellig steroidsparende Therapie bei Komorbiditäten, was bei Erkrankungspeak >70 Jahren keine Ausnahme ist (Diabetes, Glaukom, Osteoporose, Hypertonie, KHK, PAVK etc.)
– MTX (Pneumonitis, Haarausfall, Aversion, wenig gute Daten bez. Steroidspareffekt, wenn erst nach >24 Mte, ABER: max. 15mg/Wo in Studien verwendet; Literaturangaben: Up to date
– Experimentell /noch nicht etabliert: IL-17 Inhibition (Sekutinumab), Abatacept

Fälle aus dem Alltag – EKG-Quiz

Wichtige Beispiele

Vier interessante EKG-Beispiele wurden von Prof. Dr. med. Jan Steffel, Herzklappenzentrum Herzklinik Hirslanden, in gewohnt kompetenter Weise vorgestellt.
Fall 1: Herzinsuffizienz, atypisches WPW bei einer jüngeren Patientin
Fall 2: Schnell, breit, unregelmässig. FBI-Tachykardie (WPW-Syndrom). Einsatz eines Schrittmachers indiziert.
Fall 3: Schrittmacherindikation: 29jähriger Patient mit intermittierenden Palpationen. Die Guidelines empfehlen die Einsetzung eines Schrittmachers mit Klasse IIb.
Fall 4: Viele Artefakte. Der Patient ist mit Kammertachykardie ange­mel­det. Das EKG zeigt einen Sinusrhythmus, aber viele Artefakten.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Ergebnisse der multizentrischen, prospektiven Beobachtungsstudie PIONEER REAL Schweiz

Oral verabreichtes Semaglutid, der erste orale Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1 RA), zeigte im Rahmen des Phase-3a-Programms PIONEER eine hohe Wirksamkeit bei der Senkung des HbA1c-Wertes und des Körpergewichts. Als Teil des PIONEER REAL-Programms, das in 13 Ländern durchgeführt wird, ist PIONEER REAL Schweiz eine nicht-interventionelle Studie zur Untersuchung der klinischen Ergebnisse im Zusammenhang mit der Einnahme von oralem Semaglutid bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes (T2D).

PIONEER REAL Schweiz ist eine 34- bis 44-wöchige, multizentrische, prospektive, offene, nicht-interventionelle, einarmige Phase-4-Studie bei Erwachsenen mit T2D, die nicht auf injizierbare glukosesenkende Medikamente ansprechen und in der klinischen Routine einmal täglich mit oralem Semaglutid beginnen. Die Veränderungen des HbA1c-Wertes (primärer Endpunkt) und des Körpergewichts (sekundärer Endpunkt) wurden vom Ausgangswert bis zum Ende der Studie untersucht. Der Anteil der Teilnehmer, die einen HbA1c-Wert <7% erreichten, und die zusammengesetzten Endpunkte HbA1c-Reduktion ≥1% mit Gewichtsreduktion ≥3% oder ≥5% am Ende der Studie wurden zusammen mit zusätzlichen explorativen Endpunkten bewertet. Die primären Analysen basierten auf dem Beobachtungszeitraum der Studie.

Ergebnisse

Von 185 Teilnehmern, die mit der oralen Einnahme von Semaglutid begannen, schlossen 168 (90,8 %) die Studie ab, und 143 (77,3 %) blieben bis zum Abschluss der Studie in der Behandlung mit oralem Semaglutid. Zum Zeitpunkt des Ausgangswerts hatten die Teilnehmer ein Durchschnittsalter (Standardabweichung, SD) von 62 (10,4) Jahren, einen HbA1c-Wert von 7,7 (1,5) %, ein Körpergewicht von 95,6 (17,6) kg, einen BMI von 33,2 (4,8) kg/m2 und 56,2 % erhielten gleichzeitig Medikamente zur Senkung des Blutzuckers. Der HbA1c-Wert verringerte sich signifikant zwischen Ausgangswert und Ende der Studie (geschätzte mittlere Veränderung [95 % Konfidenzintervall (KI)] –0,9 % [-1,1; -0,7], p<0,0001), ebenso wie das absolute und relative Körpergewicht (geschätzte mittlere Veränderung [95 % KI] -4,7 kg [-5,6; -3,8] bzw. –4,9 % [-5,7; -4,0]; beide p<0,0001). Am Ende der Studie hatten 64,2 % der Teilnehmer einen HbA1c-Wert <7 %, während eine HbA1c-Reduktion ≥1 % plus eine Körpergewichtsreduktion ≥3 % bzw. ≥5 % von 37,8 % bzw. 28,3 % der Teilnehmer erreicht wurde. Am Ende der Studie wurde bei 121 (73,8 %) Teilnehmern ein vom Arzt bewerteter klinischer Erfolg festgestellt. Bei 65 Teilnehmern (35,1 %) wurden insgesamt 139 unerwünschte Ereignisse gemeldet. Die meisten unerwünschten Wirkungen waren leicht oder mittelschwer. Die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Wirkungen waren gastrointestinale Störungen (89 Ereignisse bei 50 Teilnehmern), und 31 unerwünschte Wirkungen bei 20 (10,8 %) Teilnehmern führten zum Absetzen von oralem Semaglutid. Insgesamt wurden 6 schwerwiegende unerwünschte Wirkungen gemeldet, die wahrscheinlich nicht mit der oralen Einnahme von Semaglutid zusammenhingen.

Schlussfolgerung

In der PIONEER REAL Schweiz Studie konnten Erwachsene mit T2D, die mit oralem Semaglutid im realen Umfeld der klinischen Routinepraxis in der Schweiz behandelt wurden, eine klinisch signifikante Verbesserung der glykämischen Kontrolle und eine Reduktion der Blutzuckerwerte, sowie eine Senkung des Körpergewichts erzielen, ohne dass es zu neuen Sicherheitsbefunden kam.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Kick A et al. Real-world use of oral semaglutide in adults with type 2 diabetes: Results from the PIONEER REAL Switzerland multicenter, prospective, observational study, SGED Jahreskongress 16./17.11. 2023, Bern.