Blutdruck und Alter

Von der Pubertät bis zum mittleren Alter folgen die Veränderungen des brachialen Blutdrucks (BD) einem nichtlinearen Anstieg. Sie weisen unterschiedliche Verläufe zwischen systolischem und diastolischem BD auf: Während diastolischer BD (DBD) einen kubischen Verlauf mit plateauartigem Verhalten zeigt, sind altersbedingte Veränderungen des systolischen BD (SBD) durch einen steilen Anstieg während der Kindheit und Jugend, eine Plateauphase zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr (1,2) und einen anschliessenden Anstieg gekennzeichnet. (Abb. 1)

From puberty to middle age, changes in brachial blood pressure (BP) follow a nonlinear slope. They show different courses between systolic and diastolic BP: Whereas diastolic BP (DBD) shows a cubic course with plateau-like behavior, age-related changes in systolic BP (SBD) are characterized by a steep rise during childhood and adolescence, a plateau phase between 20 and 40 years of age (1,2), and a subsequent rise.
Key Words: ISH, ISHY, arterial stiffness, pulse pressure, sympathetic drive

Isolierter systolischer Blutdruck

Isolierte systolische Hypertonie (ISH) ist definiert durch systolische Blutdruckwerte >140 mmHg und einen diastolischen Blutdruck <90 mmHg. Die Prävalenz der ISH in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung folgt einem typischen J-förmigen Muster mit einem Nadir im fünften Lebensjahrzehnt, einem starken Anstieg nach dem 70. Lebensjahr und einem früheren, wenn auch geringeren Spitzenwert im Alter von unter 30 Jahren (3, 4). Sie ist daher die häufigste Form des Bluthochdrucks im Alter. Bei älteren Menschen ist die ISH häufiger bei Frauen als bei Männern anzutreffen, während bei Personen unter 35 Jahren die Prävalenz bei Männern höher ist, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen.

Isolierter systolischer Blutdruck bei jungen Menschen (ISHY)

Epidemiologische Aspekte: Prävalenz

Die 2007 in der Schweiz an 5207 Kindern mit einem Durchschnittsalter von 12,3 Jahren durchgeführte Studie ergab, dass 2,2 % der untersuchten Personen an Bluthochdruck litten (die Diagnose wurde durch drei Messungen bei drei verschiedenen Besuchen bestätigt): 8 % dieser Personen hatten ISHY (5).

Die in Frankreich durchgeführte Studie (4) an einem Kollektiv von 27’783 Arbeitnehmern (Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren) ergab eine ISHY-Rate von 5,8 % bei den Männern, während sie bei den Frauen weniger als 1,0 % betrug.

Eine amerikanische Studie (6) über ein Bevölkerungsscreening (21’062 Personen, Durchschnittsalter 13,8 Jahre) ergab ebenfalls, dass 2,7 % der untersuchten Personen an Bluthochdruck litten: 92 % von ihnen hatten eine ISHY.

Pathophysiologische Aspekte (Abb. 2)

Bei den untersuchten jungen Probanden kann eine isolierte Erhöhung des SBD nicht nur mit einem, sondern in quantitativ unterschiedlichem Ausmass mit mehreren Faktoren in Verbindung stehen und durch diese verursacht werden. Sie können bei der Bestimmung dieses Bluthochdruck-Phänotyps isoliert oder zusammen wirken. Zum Beispiel: ein hyperkinetisches Herz, (d.h. ein Zustand mit erhöhter Herzauswurfleistung, Tachykardie und erhöhtem Blutdruck) eine selektive Erhöhung der Herzfrequenz oder des Schlagvolumens, eine Erhöhung der arteriellen Steifigkeit über Werte hinaus, die für jüngere Altersgruppen (7-9) als normal gelten. Darüber hinaus wird ISHY häufig mit einer Aktivierung des Sympathikus in Verbindung gebracht, der aufgrund seiner Eigenschaft, die arterielle Steifigkeit durch Erhöhung der Herzfrequenz (10-13), aber auch durch direkte Einwirkung auf das Elastizitätsmodul der Arterienwand (14-17), sowie durch die Erzeugung und Aufrechterhaltung einer hyperkinetischen Aktivität des Herzens zu erhöhen, eine mechanistische Rolle spielen könnte. Querschnittsstudien haben gezeigt, dass bei ISHY-Patienten gleichzeitig bestehende metabolische Risikofaktoren (Insulinresistenz, metabolisches Syndrom, Übergewicht, Diabetes usw.) häufiger vorkommen als in der Kontrollbevölkerung.

Klinische Aspekte: Untersuchungen

Der erste klinisch-diagnostische Aspekt, der bei der Untersuchung eines Patienten mit ISHY in Betracht gezogen werden muss, ist das mögliche Vorhandensein einer signifikanten Weisskittel-Hypertonie, einer der wichtigsten Ursachen einer erhöhten Druckamplitude (PP) (18, 19, 9). Eine wichtige Alarmreaktion auf die ärztliche Untersuchung ist ein starker Faktor für einen erhöhten Blutdruck bei ISHY-Patienten. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Blutdruckmessung bei diesen Personen ausserhalb der Arztpraxis erfolgt (Selbstmessung; 24Std-BD-Messung). Wenn diese Messungen ISHY bestätigen, kann die Bewertung der zentralen Hämodynamik und der arteriellen Steifigkeit nützliche zusätzliche Informationen liefern.

Der zentrale (aortale) Blutdruck stellt die direkte Überlastung dar, die zu einer Schädigung der Zielorgane führt (20, 21). Tatsächlich hat eine Metaanalyse klinischer Studien gezeigt, dass der zentrale Blutdruck unabhängig vom peripheren Blutdruck mit links­ventrikulärer Hypertrophie, erhöhter Intima-Media-Dicke der Karotis und Albuminurie korreliert (22).

Ein wichtiger einschränkender Faktor für die Verwendung der zentralen Blutdruckmessung bei ISHY ist das Fehlen offizieller Schwellenwerte zur Unterscheidung zwischen normalem und erhöhtem zentralen Blutdruck (23, 24). Analysen von Querschnittsdaten gesunder Männer (3603) und Frauen (3176) aus dem Anglo-Cardiff Collaborative Trial schlagen als Schwellenwert für den zentralen Blutdruck etwa 125/90 mmHg vor (25).

Eine nachfolgende Studie, die speziell auf die Bestimmung und Validierung von Schwellenwerten für den zentralen Blutdruck auf der Basis von Outcome-Daten abzielte, ermittelte für eine bestimmte Kohorte (1272 Probanden mit einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren) die Werte 110/80 mmHg für den optimalen zentralen Blutdruck und 130/90 mmHg für Hypertonie (26). In jedem Fall scheint der zentrale Blutdruck ein vielversprechendes Instrument zu sein, um das kardiovaskuläre Gesamtrisiko von Personen mit ISHY zu beurteilen und zu entscheiden, ob sie möglicherweise eine antihypertensive Behandlung benötigen. Aus diesem Grund plädieren die Autoren des von der ESH unterstützten Konsensus Papiers zu ISHY (27) dafür, dass die Messung des zentralen Blutdrucks immer Teil der Bewertung von ISHY sein sollte, wie in Abbildung 3 zusammengefasst.

Klinische Aspekte: Merkmale

In einer kürzlich veröffentlichten Übersichtsarbeit (28) wurden hämodynamische und körperliche Merkmale untersucht, die auf ein kardiovaskuläres Risiko bei jungen Männern (im Alter von 18-30 Jahren) mit isolierter systolischer Hypertonie hinweisen. Sechs Datenbanken wurden systematisch nach allen relevanten, von Experten begutachteten Publikationen durchsucht, die sich mit isolierter systolischer Hypertonie bei jungen Männern (ISHY) befassten. Insgesamt wurden 20 Artikel eingeschlossen. Nach der Auswahl der Literatur anhand von Schlüsselfaktoren, die auf ein kardiovaskuläres Risiko hinweisen (hämodynamische Parameter und körperliche Merkmale), wurden zwei unterschiedliche Kohorten (gesunde und ungesunde) von Probanden mit ISHY herausgefiltert.

Die erste, als «ungesund» definierte Kohorte ist diejenige, in der ISHY charakteristisch ist für Raucher, einen niedrigen sozioökonomischen Hintergrund, geringe körperliche Aktivität und einen erhöhten BMI. Die zweite, als «gesund» definierte Kohorte ist diejenige, in der ISHY charakteristisch ist für Personen mit grösserer Statur, höherer körperlicher Aktivität, die Jüngsten in der Altersgruppe, mit niedrigeren Cholesterinwerten, Nichtraucher und daher als besonders gesund definiert.

Prognostische Aspekte

Obwohl die nicht-invasive Messung der zentralen Hämodynamik neue Erkenntnisse über ISHY geliefert hat, ist unklar, ob dieser Zustand mit einem schlechteren Outcome verbunden ist und eine antihypertensive Behandlung erfordert. Obwohl mehrere Studien viele Aspekte der ISH in jüngeren männlichen Populationen untersucht haben, bleibt die klinische Bedeutung der ISHY unklar.

In einigen Studien wurde die Auffassung vertreten, dass es sich um eine Scheinerscheinung handelt, die keine Intervention erfordert, während andere der Meinung sind, dass sie mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden ist. Die Ergebnisse scheinen durch das Alter der untersuchten Teilnehmer und die Grösse der Kohorte beeinflusst zu werden. Bei Kohorten, die männliche Probanden im Alter von bis zu 49 Jahren umfassten, ist es wahrscheinlicher, dass ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Zusammenhang mit ISH festgestellt wird als bei Studien mit jüngeren Kohorten. Die gleichzeitige Messung des peripheren und zentralen Blutdrucks führte zur Identifizierung der so genannten pseudo (oder unechten) isolierten systolischen Hypertonie (PISH), die erstmals von O’Rourke et al. (29) beschrieben wurde und als harmloser Zustand angesehen wurde.
Andererseits wurde eine erhöhte arterielle Steifigkeit, die durch die Pulse Wave Velocity (PWV) verifiziert wurde, von anderen Autoren bei Personen mit ISHY dokumentiert (30).

Die Literaturanalyse ergab zwei Hauptlinien der Forschung und Konzeptualisierung für ISHY.

Der Standpunkt des «gutartigen Zustands»

Einige Autoren vertreten die Auffassung, dass die ISHY in den ersten Lebensjahrzehnten eine gutartige Kondition ist, die hauptsächlich auf die starke Verstärkung der SBD von der Aorta zu den peripheren Arterien zurückzuführen ist (4, 31). Bei diesen Patienten wurde von Yano et al. (32) und Saladini (18) eine gute Prognose über einen Zeitraum von 31 bzw. 12 Jahren nachgewiesen.

Nach diesem Konzept ist ein erhöhter brachialer SBD im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter nicht zwangsläufig eine Anomalie, solange dieser Anstieg des SBDs auf die Arterien der oberen Extremitäten beschränkt bleibt. Er kann durch physiologische Mechanismen erklärt werden und kehrt im Erwachsenenalter in den Normalbereich zurück (32,33,18,34).

Dies wird durch Studien gestützt, die zeigen, dass ISH bei jungen männlichen Personen kein grösseres Risiko darstellt als bei Personen ohne ISH (32,33,18), und dass die meisten Betroffenen mit zunehmendem Alter wieder in den normalen SBP-Grenzbereich zurückkehren («Young Finns»-Studie) (34), und dass ihre aortale PWV mit zunehmendem Alter im normalen Bereich bleibt.

Die Sichtweise der «echten Hypertonie»

Andere Autoren sind der Ansicht, dass ISHY stattdessen das Ergebnis einer erhöhten arteriellen Steifigkeit selbst bei jungen Menschen sein kann und daher ein erhöhtes Risiko für nachteilige Konsequenzen birgt (35,36). Sie sind der Ansicht, dass ISHY als echter Bluthochdruck betrachtet werden sollte, der mit einem erhöhten künftigen kardiovaskulären Risiko verbunden ist (30): Daten aus vier separaten Studien mit jungen gesunden Probanden (29, 31, 37, 38) stellen die Ansicht in Frage, dass es sich um einen Scheinzustand handelt.

Mahmud und Feely (31) beobachteten in der Tat eine grössere Differenz zwischen zentralem und brachialem BD bei Probanden mit Schein-ISHY als bei Probanden mit normalem Blutdruck (die Differenz zwischen Arm- und zentralem Druck betrug 30 bzw. 20 mmHg).

Unter dem Gesichtspunkt der «echten Hypertonie» deutet vieles darauf hin, dass ISHY mit einem erhöhten brachialen und zentralen Blutdruck verbunden ist, was darauf schliessen lässt, dass die meisten Personen mit ISHY in Zukunft ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben werden.
Yano et al. (32) haben das kardiovaskuläre Sterblichkeitsrisiko bei verschiedenen Subtypen der Hypertonie verglichen. Junge Erwachsene und Erwachsene mittleren Alters (Durchschnittsalter 34 Jahre) mit ISH hatten über einen Nachbeobachtungszeitraum von 31 Jahren ein höheres relatives Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und KHK-Mortalität als diejenigen mit optimal normalem Blutdruck (Abb. 4).

Patienten mit ISHY hatten ein ähnliches Risiko für einen ungünstigen Verlauf wie Patienten mit normal hohem Blutdruck, aber ein geringeres als bei Patienten mit diastolischer oder systolisch-diastolischer Hypertonie.

Bei Frauen wurde ein anderer Trend beobachtet. Bei Frauen war ISHY mit einem erhöhten kardiovaskulären Mortalitätsrisiko verbunden, das zwar niedriger war als bei systolisch-diastolischer Hypertonie, aber höher als das von Frauen mit diastolischer Hypertonie.Es ist klar, dass weitere langfristige Beobachtungsstudien erforderlich sind, um das Schicksal von Personen mit ISHY genau zu bestimmen.

ISHY und Leitlinien

Die ISHY ist somit die häufigste Form des Bluthochdrucks bei jungen Männern, doch ihre klinische Bedeutung ist nach wie vor umstritten. Sie wird in den Leitlinien für die Diagnose und Behandlung von Bluthochdruck nur selten erwähnt, deren Schwerpunkt fast ausnahmslos auf der Behandlung von Patienten mit Bluthochdruck im mittleren oder höheren Lebensalter liegt. Die einzige Ausnahme bilden die 2016 von der European Society of Hypertension veröffentlichten Leitlinien für Bluthochdruck bei Kindern und Jugendlichen (39), in denen ISHY in einer Tabelle aufgeführt ist, in der die verschiedenen Phänotypen des Bluthochdrucks in diesen Altersgruppen klassifiziert werden.

Die Autoren berichten über junge Personen, bei denen ein isolierter Anstieg des brachialen BDs mit einem normalen zentralen systolischen Druck assoziiert ist. Obwohl sie die Besonderheit dieses Zustands anerkennen, nehmen sie keine eindeutige Stellung zu seiner klinischen Bedeutung, weil es an ausreichenden prognostischen Daten mangelt und auch, weil es generell an eindeutigen Beweisen für eine prognostische Überlegenheit des zentralen Drucks gegenüber dem brachialen Druck fehlt, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen der Bevölkerung.

Die neuesten ESH-Leitlinien (2018) berichten, dass es unklar ist, ob ISHY im Zusammenhang mit einem normalen Aortendruck ein gutartiger Zustand ist. Sie zitieren das Ergebnis einer Überprüfung prospektiver Daten aus dem Chicago Heart Association Detection Project, das zeigt, dass junge Männer mit ISHY ein ähnliches kardiovaskuläres Risiko haben wie Personen mit hochnormalen systolischen Blutdruckwerten (130 – 139 mmHg) (32). Sie argumentieren daher, dass diese jungen Menschen nach den derzeitigen Erkenntnissen nur adäquate Empfehlungen zur Lebensführung erhalten sollten. Darüber hinaus ist zwar unklar, ob sie medikamentös behandelt werden sollten oder nicht, sicher ist jedoch, dass sie angemessen überwacht werden sollten, da viele von ihnen einen ausgewachsenen Bluthochdruck entwickeln werden (40).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Franco Muggli

Società Svizzera di Ipertensione – membro di comitato
FMH medicina interna generale
Via ai platani 4, 6943 Vezia

fmuggli@bluewin.ch

Prof. Dr. med. Giacomo Simonetti

Società Svizzera di Ipertensione – membro di comitato
Direttore medico e scientifico – Istituto Pediatrico della Svizzera Italiana
Ente Ospedaliero Cantonale, EOC
Professore di Ruolo – Pediatria – Università della Svizzera Italiana
Ospedale Regionale di Bellinzona e Valli
Via A. Gallino 12
6500 Bellinzona
www.eoc.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die epidemiologische, pathophysiologische und klinische Forschung hat dazu geführt, dass ISHY nicht mehr als «Cinderella« in der Welt des Bluthochdrucks gilt. Die epidemiologische Forschung hat gezeigt, dass im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter ein Anstieg des SBD ohne gleichzeitigen Anstieg des DBD keineswegs ungewöhnlich ist und dass dies insbesondere bei übergewichtigen oder fettleib­igen männlichen Personen der Fall ist. Daher scheint die angemessenste Schlussfolgerung zu sein, dass das Thema offen bleibt für weitere zukünftige Forschung und zusätzliche mechanistische und epidemiologische Beiträge, die Licht in die klinische Natur der ISHY mit hohem brachialem systolischem Druck, aber normalem zentralem systolischem Druck, d.h. einer unechten systolischen Hypertonie,
bringen könnten

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Chirurgische Behandlung der Adipositas

Die Bariatrische Chirurgie hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren weltweit sowie auch in der Schweiz als Standardtherapie der ausgeprägten Adipositas etabliert. Bei gegebener Indikation ist sie als Pflichtleistung in der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KVL) verankert. Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist, dass die Operation in einem durch die «Swiss Society for the Study of morbid obesity and metabolic disorders» (SMOB) anerkannten bariatrischen Zentrum durchgeführt wird. Zudem müssen die SMOB «Richtlinien zur operativen Behandlung von Übergewicht», welche mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) vereinbart wurden, eingehalten werden. In den Richtlinien werden unter anderem Kriterien zur Patientenauswahl und Indikationsstellung sowie zur Vorbereitung auf die Operation und Nachsorge von Patient:innen, welche sich einer bariatrischen Operation unterziehen möchten, definiert. Im vorliegenden Artikel geben wir einen Überblick über die regulatorischen Rahmenbedingungen der bariatrischen Chirurgie in der Schweiz. In den nachfolgenden Teilen der Artikelserie werden wir auf die einzelnen bariatrischen Operationsverfahren sowie auf Ergebnisse und Nebenwirkungen der Operationen vertieft eingehen.

In the last 20 to 30 years, bariatric surgery has established itself worldwide and also in Switzerland as the standard therapy for pronounced obesity. If indicated, it is anchored as a compulsory service in the Health Care Services Ordinance (KVL). A prerequisite for cost coverage is that the operation is performed in a bariatric center recognized by the «Swiss Society for the Study of morbid obesity and metabolic disorders» (SMOB). In addition, the SMOB «Guidelines for the Surgical Treatment of Obesity», which were agreed with the Federal Office of Public Health (FOPH), must be adhered to. The guidelines define, among other things, criteria for patient selection and indication as well as preparation for surgery and follow-up of patients who wish to undergo bariatric surgery. In our article, we provide an overview of the regulatory framework for bariatric surgery in Switzerland. In the following parts of the article series, we will discuss the individual bariatric surgical procedures as well as the results and side effects of the operations in more detail.
Key Words: obesity, bariatric surgery, SMOB, guidelines

Bariatrische Chirurgie als bislang effektivste Therapie der Adipositas

Obwohl das Wissen über die komplexen pathophysiologischen Grundlagen der Krankheit Adipositas in den letzten Jahren massiv gewachsen ist, sind konservative, d.h. nicht-chirurgische Behandlungsstrategien, bislang meist nur begrenzt wirksam. Zwar lässt sich eine Gewichts­reduktion von 5 bis 10% oft erreichen, jedoch kann das Körpergewicht in den seltensten Fällen langfristig auf dem reduzierten Niveau gehalten werden. Neue pharmakologische Therapieansätze wie insbesondere der Einsatz von GLP-1 Rezeptoragonisten sind sehr vielversprechend, jedoch muss ihr Nutzen/Risikoprofil noch in längerfristigen Studien genauer untersucht werden und sich ihr Einsatz in der Praxis bewähren. Zudem stellt die Finanzierung einer entsprechenden pharmakologischen Langzeittherapie ein bislang ungelöstes Problem dar (1).
Im Gegensatz hierzu sind bariatrisch-metabolische Operationen mittlerweile aufgrund wissenschaftlich gut abgesicherter, positiver Langzeitergebnisse (2) als effiziente und nachhaltige Therapie nicht nur der ausgeprägten Adipositas, sondern auch der Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen wie beispielsweise des Typ 2 Diabetes mellitus (T2DM) weltweit anerkannt. Bei gegebener Indikation werden die Kosten für entsprechende Operationen daher mittlerweile auch in der Schweiz regelhaft übernommen. Dabei gilt es jedoch die Richtlinien in der SMOB zu beachten.

Was ist die SMOB?

Da es sich bei der bariatrisch-metabolischen Chirurgie nicht allein um ein chirurgisches Fachgebiet handelt, sondern um ein multidisziplinäres respektive multiprofessionelles Behandlungskonzept der chronischen Krankheit Adipositas, war die SMOB bereits bei ihrer Gründung interdisziplinär ausgerichtet. Sie wurde im Jahr 1996 gemeinsam von Internisten und Chirurgen, damals noch unter dem Namen «Swiss Study Group of Morbid Obesity», gegründet und wurde im weiteren Verlauf zur «Swiss Society for the Study of Morbid Obesity and Metabolic Disorders» umbenannt. Gemäss ihrer bereits damals etablierten Statuten (3) bezweckt die SMOB «die umfassende Information der Bevölkerung und der Ärzteschaft über Wesen und Bedeutung der Krankheit ‹Adipositas› , die Etablierung ganzheitlicher Therapieverfahren und Qualitätskontrollen aller Stufen der Adipositas-Therapien; Wahrung und Förderung der Interessen und der Lebensqualität der von Übergewicht Betroffenen und ihrer Angehörigen.» Durch die kontinuierliche und beharrliche Arbeit ihrer Mitglieder gelang es der SMOB über die Jahre hinweg in der Schweiz ein international viel beachtetes System der Qualitätssicherung im Bereich der bariatrischen Chirurgie zu etablieren. Auch heute noch ist die Qualitätssicherung sowie die Weiterentwicklung der zugrundeliegenden Richtlinien eine wesentliche Aufgabe der SMOB.

Regulatorische Grundlagen

Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens für die definitive Aufnahme der bariatrischen Chirurgie als Pflichtleistung zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen wurde die SMOB vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) beauftragt, verbindliche Richtlinien zur operativen Behandlung der morbiden Adipositas in der Schweiz zu formulieren. Der Originaltext aus dem Anhang 1 der KVL ist im Tab. 1 wiedergegeben. Seit dem 1. Januar 2011 bilden die vom BAG redigierten und vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkannten SMOB-Richtlinien (4) das Referenzdokument für die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenversicherung (OKP).

Auf der Grundlage ihrer Richtlinien erkennt die SMOB auf Antragstellung hin Spitäler als bariatrische Zentren an. Personelle Voraussetzung für die Anerkennung als Zentrum ist das Vorhandensein eines interdisziplinären Teams bestehend aus bariatrisch kompetenter Chirurg:in, bariatrisch kompetenter Internist:in/Endokrinolog:in, Psychiater:in, Psychosomatiker:in oder Psycholog:in mit bariatrischer Erfahrung sowie Ernährungsberater:in HF mit bariatrischer Erfahrung. Dabei kann das pluridisziplinäre Team sowohl aus klinikinternen Spezialist:innen sowie aus externen, niedergelassenen Spezialist:innen zusammengesetzt sein. Als infrastrukturelle Voraussetzung wird gefordert, dass das bariatrische Zentrum über geeignete Räume und Einrichtungen zur Behandlung von Menschen mit Adipositas (z.B. angepasste Operationstische, Betten, Stühle, Toiletten sowie geeignete apparative Ausrüstung der bildgebenden Diagnostik) verfügt. Bezüglich Prozesse wird unter anderem gefordert, dass ein 24-stündiger bariatrischer Notfalldienst mit Erreichbarkeit einer bariatrischen Chirurg:in (mind. 50 selbstständig durchgeführte Eingriffe), inklusive permanenter Zugänglichkeit eines Operationssaales etabliert ist. Der Notfalldienst kann dabei auch zentrumsübergreifend organisiert werden. Letztlich sind alle anerkannten Zentren dazu verpflichtet, ihre bariatrischen Eingriffe in anonymisierter Form in ein zentrales Register zu erfassen.

Aktuell sind seitens SMOB insgesamt 53 bariatrische Zentren in der Schweiz gelistet. Dabei wird zwischen Primärzentren (18) und Referenzzentren (35) unterschieden (Stand 01.05.23). Neben einigen anderen Kriterien ist insbesondere die Anzahl der pro Jahr durchgeführten bariatrischen Operationen das entscheidende Differenzierungskriterium. So wird für ein Primärzentrum ein Operationsvolumen von mindestens 25 Eingriffen pro Jahr gefordert, für ein Referenzzentrum mindestens 50 Eingriffe. Diese Zahlen sind im internationalen Vergleich als sehr niedrig zu bewerten. Eine Liste sämtlicher Primär- und Referenzzentren in der Schweiz ist auf der SMOB-Homepage publiziert (5).

Indikationskriterien, Vorbereitung und Nachsorge

Die wesentlichen Indikationskriterien zur Durchführung einer bariatrischen Operation sind in Tab. 2 zusammengefasst. Besonders herausgestellt werden sollte, dass seit dem 1.1.2021 bariatrisch-metabolische Operationen auch für Patient:innen mit schwer kontrollierbarem Typ 2 Diabetes mellitus sowie einem BMI zwischen 30 und 35 kg/m2 unter dem Begriff «Metabolische Chirurgie» als Pflichtleistung in die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) aufgenommen wurden (6).

Prinzipiell soll bei allen Patient:innen die Indikation zur operativen Therapie nach einem standardisierten, multidisziplinären Assessment im Rahmen einer interdisziplinären Absprache gestellt werden. Zudem wird die Einhaltung einer mindestens 3-monatigen strukturierten Vorbereitungszeit vom ersten Kontakt zum Zentrum bzw. Zentrumsmitglied bis zum Eingriff gefordert. Diese Zeit soll genutzt werden, um einerseits die notwendigen Vorabklärung durchzuführen sowie andererseits die Patient:innen strukturiert auf die Operation sowie die danach notwendige Ernährungsumstellung und Einnahme von Supplementen vorzubereiten.

Alle Patient:innen verpflichten sich zu einer lebenslang qualifizierten Nachsorge. Die Nachsorge wird in der Regel durch das bariatrische Zentrum sowie gegebenenfalls von Kooperationspartnern organisiert. Es wird gefordert, dass die Nachsorge im ersten Jahr nach der Operation mindestens viermal, im zweiten Jahr halbjährlich und danach mindestens einmal jährlich stattfindet. Dabei ist eine qualifizierte Ernährungsberatung wesentlicher Bestandteil der Nachsorge. Eine ausführliche Labordiagnostik zur frühzeitigen Detektion von Mikro­nährstoffmängeln gehört ebenfalls standardmässig zur Nachsorge. Als Qualitätskriterium wird von jedem Zentrum gefordert, dass die follow-up Rate über 5 Jahre mindestens 75% beträgt.

Wie viele und welche Operationen werden in der Schweiz durchgeführt?

Gemäss SMOB-Datenregister wurden in der Schweiz über die letzten Jahre hinweg relativ konstant knapp 5000 bariatrische Eingriffe pro Jahr an mehr als 50 bariatrischen Zentren durchgeführt (Abb. 1). Dabei stellt der proximale Standard Roux-en-Y Gastric Bypass (Magenbypass, RYGB) mit etwa 75% das am häufigsten durchgeführte bariatrische Verfahren dar, während die Sleeve-Gastrektomie (Schlauchmagen, SG) in etwa 23% der Fälle vorgenommen wird. Die restlichen 2% setzen sich aus sehr selten eingesetzten Verfahren wie die biliopankreatische Diversion (BPD) oder die Implantation eines adjustierbaren Magenbandes (Laparoscopic Adjustable Gastric Banding, LAGB) zusammen. Damit stellt die Schweiz im internationalen Vergleich einen Sonderfall dar, da der Schlauchmagen mittlerweile die weltweit am häufigsten durchgeführte bariatrisch-metabolische Operation darstellt.

Grundsätzlich ist eine eindeutige, evidenzbasierte Allokation eines individuellen Patienten zu einem bestimmten Operationsverfahren vor dem Hintergrund der zurzeit bestehenden wissenschaftlichen Evidenz kaum möglich. Bislang liegt die Wahl des Operationsverfahrens daher letztlich in Absprache mit einer gut informierten Patient:in bei der ausführenden Chirurg:in, wobei die Ergebnisse der präoperativen Evaluation und die daraus resultierenden Empfehlungen des multidisziplinären Behandlungsteams berücksichtigt werden sollten. Faktoren, die bei der Wahl für oder gegen ein bestimmtes Operationsverfahren berücksichtigt werden müssen, sind z.B. Body-Mass-Index (BMI), Alter, Geschlecht, Körperfettverteilungsmuster, Vorliegen eines T2DM oder einer Fettstoffwechselstörung, Essstörungen (wie z.B. Binge Eating Disorder), Zwerchfellhernie, gastro­ösophageale Refluxkrankheit, Intelligenzminderung beziehungsweise Imbezillität, Erwartungen/Präferenzen des Patienten sowie abdominelle Voroperationen.

Welche Operationen, wo und unter welchen Voraussetzungen?

Relevant zu wissen ist, dass gemäss SMOB-Richtlinien folgende Eingriffskategorien grundsätzlich voneinander unterschieden werden:
1. Basiseingriffe (etablierte Primäreingriffe)
2. komplexe Eingriffe
3. Eingriffe in Evaluation

Der klassische proximale Roux-en-Y Magenbypass, der Schlauch­magen sowie das Magenband werden aktuell der ersten Eingriffskategorie «Basiseingriffe» zugeordnet. Diese Eingriffe dürfen gemäss Richtlinien bei Patienten mit einem BMI von bis zu 50 kg/m2 an bariatrischen Primärzentren vorgenommen werden. Die biliopankreatische Diversion (BPD) hingegen gilt als komplexer Eingriff und ist somit der zweiten Kategorie «komplexe Eingriffe» zuzuordnen. Dieser Eingriff kann daher nur in bariatrischen Referenzzentren durchgeführt werden. Letzteres gilt ebenso für alle bariatrischen Re-Operationen, zum Beispiel im Rahmen eines Verfahrenswechsels (Magenband zu RYGB) oder bei einem im Vorfeld geplanten zweizeitigen Vorgehen (1. SG, 2. RYGB/BPD).

Weitere Verfahren wie z.B. der Omega-Loop oder One-Anastomosis Gastric Bypass (OAGB) oder der Single Anastomosis Duodeno-Ileale Bypass mit Sleeve (Sadi-S) werden der dritten Eingriffskategorie «Eingriffe in Evaluation» zugeordnet und dürfen ausschliesslich im Rahmen einer von der lokalen Ethikkommission genehmigten, prospektiven Studie an einem Referenzzentrum durchgeführt werden (gemäss Humanforschungsverordnung [HFV1] vom 20. September 2013). Konkret bedeutet dies, dass entsprechende Verfahren nur durchgeführt werden dürfen, wenn die zu operierende Person adäquat über den experimentellen Charakter des Verfahrens informiert wurde und eine entsprechende Einwilligungserklärung unterzeichnet hat. Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass auch sämtliche interventionellen endoskopischen Verfahren zur Gewichtsreduktion (z.B. Endobarrier oder Endosleeve) ebenfalls nur unter diesen Voraussetzungen im Einklang mit der HFV1 durchgeführt werden dürfen.

Zweitabdruck aus «der informierte arzt» 05-2023

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Bernd Schultes

Stoffwechselzentrum St. Gallen, friendlyDocs AG
Lerchentalstrasse 21
9016 St. Gallen

stoffwechselzentrum@friendlydocs.ch

Dr. med. Guillaume Aeby

Universitätsspital Zürich, Klinik für Viszeralchirurgie,
& Spital Männedorf AG, Klinik Chirurgie

Prof. Dr. med. Dr. phil. Marco Bueter

Universitätsspital Zürich, Klinik für Viszeralchirurgie,
& Spital Männedorf AG, Klinik Chirurgie

m.bueter@spitalmaennedorf.ch

Dr. med. Guillaume Aeby: keinen Interessenkonflikt. Prof. Dr. med. Bernd Schultes ist Vize-Präsident der SMOB.
Prof. Dr. med. Marco Bueter ist Präsident der SMOB. Er gibt an Vortragstätigkeiten für die Firmen Johnson & Johnson und Medtronic durchzuführen.

◆ In der Schweiz gehören bariatrische Operationen zur
Leistungspflicht der Krankenkassen, wenn die Indikationskriterien (z.B. BMI > 35 kg/m2) erfüllt sind.
◆ Die präoperative Abklärung und Indikationsstellung erfolgt
interdisziplinär gemäss den SMOB-Richtlinien.
◆ Die SMOB führt eine Liste anerkannter Primär- und Referenzzentren, welche auf Ihrer Homepage (SMOB.ch) publiziert ist.
◆ Als etablierte Verfahren gelten insbesondere der Roux-en-Y Magen­bypass oder der Schlauchmagen.
◆ «Eingriffe in Evaluation» (z.B. Omega-Loop Magenbypass) dürfen nur im Rahmen von Studien erfolgen.
◆ Patient:innen sind zu einer lebenslangen Nachsorge verpflichtet.

1. Bernd Schultes, Ernst B, Rudofsky G. Medikamentöse Adipositastherapie – endlich Licht, jedoch auch Schatten – Aerzteverlag medinfo AG. Der informierte Arzt 2023. 2023 Mar;13(3):10–5.
2. Syn NL, Cummings DE, Wang LZ, Lin DJ, Zhao JJ, Loh M, et al. Association of metabolic-bariatric surgery with long-term survival in adults with and without diabetes: a one-stage meta-analysis of matched cohort and prospective controlled studies with 174 772 participants. Lancet. 2021 May 15;397(10287):1830–41.
3. Statuten – Swiss Society for the Study of morbid Obesity [Internet]. [cited 2023 May 8]. Available from: https://www.smob.ch/de/component/jdownloads/?task=download.send&id=31&catid=3&m=0&Itemid=101
4. Richtlinien zu operativen Behandlung von Übergewicht – Swiss Society for the Study of Morbid Obesity and Metabolic Disorders [Internet]. [cited 2023 May 8]. Available from: https://www.smob.ch/de/component/jdownloads/?task=download.send&id=116&catid=2&m=0&Itemid=101
5. Liste der anerkannten bariatrischen Zentren in der Schweiz – Swiss Society for the Study of morbid Obesity [Internet]. [cited 2023 May 8]. Available from: https://www.smob.ch/de/component/jdownloads/?task=download.send&id=112&catid=2&m=0&Itemid=101
6. Peterli R, Bueter M, Schultes B, Donath MY, Laederach K, Laimer M, et al. Metabolische Chirurgie als Pflichtleistung in die KLV aufgenommen. SMF. 2021 Jul 21;21(2930):514–6.

Optimale Elektrodenposition bei einer EKV von Vorhofflimmern – anterior-lateral oder anterior-posterior?

Insbesondere bei älteren Patienten und stärker dilatiertem Vorhof könnte die anterior-laterale Position von Vorteil sein.

Der Erfolg einer Elektrokonversion (EKV) ist abhängig von der richtigen Auswahl des Patienten, der Energiemenge, der Anzahl biphasischer Schocks, der Elektrodengrösse, dem Druck auf die Paddles, wenn diese alternativ verwendet werden, und der Elektrodenposition.

In älteren Studien mit monophasischer Schockabgabe wurde die anterior-posteriore Elektrodenposition propagiert. Bei einer REA mit persistierendem KFLi wird eher die anterior-posteriore Position bevorzugt – vgl. info@herz+gefäss; 06.2022, Seite 18 Journal Watch.

Eine aktuelle Metaanalyse über 11 internationale Studien mit insgesamt 1845 Patienten mit VHFLi von K.R. Motawea et al. aus Alexandria, publiziert im Clinical Cardiology, gibt folgendes Fazit (1):
Die anterior-laterale Elektrodeposition bei der externen Kardioversion (EKV) von Vorhofflimmern (VHFLi) ist effektiver und besser (OR 1.4) als die anterior-posteriore Position, insbesondere bei Patienten, die weniger als fünf Schocks erhalten haben, 60 Jahre oder älter sind und einen LA-Durchmesser von mehr als 45 mm ­aufweisen. Eine mögliche Erklärung ist die Lage des Schockvektors mit Einbezug von mehr Herzzellen des Vorhofs.

Einschränkungen dieser Arbeit bestehen durch folgende Punkte: Es ist eine Metaanalyse, es gab verschiedene Grunderkrankungen des VHFli, paroxysmales und persistierendes VHFLi, es gab verschiedene EKV-Protokolle bei der Energieabgabe und begleitende Therapieunterschiede bei der bipolaren Schockabgabe.

Die Autoren halten es für «vernünftig, die anterior-laterale Position als Methode der ersten Wahl zu erwägen», und zwar insbesondere bei älteren Patienten und solchen mit vergrössertem linken Atrium. Diese Variante sei nicht zuletzt anatomisch naheliegender und ermögliche eine einfachere Handhabung auch bei kritisch kranken Patienten. Weitere multizentrische randomisierte klinische Studien sind notwendig, um diese Resultate zu bestätigen.

Quelle: Motawea K.R. et al. Anteriolateral versus anterior-posterior electrodes in external cardioversion of atrial fibrillation: A systematic review and meta-analysis of clinical trials. Clin Cardiol. 2023;46:359-375

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Akutes Koronarsyndrom: Duale Plättchenhemmung und Opioide – Wie riskant ist diese Kombination?

Bei Zugabe von Morphium scheint die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse zu steigen, die Blutungsrate dagegen zu sinken.

Dieses Resultat zeigt eine neue Meta-Analyse von 14 Beobachtungsstudien bei insgesamt 73’033 Patienten u.a. aus DL, UK und USA (1). In den letzten Jahren wurde in verschiedenen Arbeiten auf die Medikamenten-Interaktion von Opioiden und P2Y-Inhibitoren (Clopidogrel, Ticagrelor) hingewiesen (2).

In dieser neuen Studie bei einem akuten Koronarsyndrom (ACS) ergaben sich folgende Resultate: Kein sign. Unterschied bezüglich Mortalität mit oder ohne Gabe von Morphin (Mo). Bei älteren Patienten und bei Frauen war mit der Gabe von Mo und einer dualen Plättchenhemmung das Sterberisiko erhöht. Ebenso kam es zu einer Zunahme der MACE (Tod, Myokard-Infarkt, Apoplexie oder einer Hospitalisation wegen PCI, ACBP oder Herzinsuffizienz). Hingegen wurde das schwere Blutungsrisiko in 5 Studien bei 3290 Patienten gesenkt. Ohne Mo war mit der dualen Plättchenhemmung die MACE-Rate deutlich tiefer.

Es kommt bei der Gabe von Opioiden u.a. zu einer verminderten Darmtätigkeit mit verzögerter Resorption von P2Y-Inhibitoren. So wird der Plasmaspiegel von Clopidogrel resp. Ticagrelor gesenkt und dadurch ist die antithrombotische Wirkung verzögert.

Es bestehten folgende Einschränkungen dieser Meta-Analyse: Es waren überwiegend Beobachtungsstudien; verschiedene Diagnosen wurden zusammengefasst; Opioide wurden in unterschiedlichen Dosierungen verabreicht; es wurde nicht zwischen verschiedenen P2Y-Inhibitoren differenziert; und es gab unterschiedlich lange Nachbeobachtungen.

Beim Einsatz von Morphium bei ischämischem Brustschmerz sind die möglichen Risiken und Vorteile gegeneinander abzuwägen. Vorsicht scheint insbesondere bei Älteren und Frauen geboten. Somit sollte Morphium bei einem ACS nur gezielt bei sehr starken Schmerzen gegeben werden. Prospektiv randomisierte kontrollierte Studien sind nötig.

Quelle: 1) Lee SW et al. Effects of morphine and P2Y inhibitor amongst patients with acute coronary syndrome: A meta-analysis of comparative studies. Am J Emerg Med 2023; https://doi.org/10.1016/j.ajem.2023.05.010
2) Der Arzneimittelbrief; Jg.54, Seite 12; Ausgabe 02/2020: Hinweise auf klinisch relevante Interaktion von Morphin und Clopidogrel

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Zürcher Reviewkurs in klinischer Kardiologie

Der von Frau Prof. Attenhofer-Jost zusammen mit der Mayo Klinik organisierte 21. Kardiologie Review Kurs vermittelte auch dieses Jahr viel Neues, Neuigkeiten aus dem Schrittmacherbereich, aus dem Bereich der koronaren Herzkrankheit, Interventionen beim Vorhofflimmern, Blutgerinnungsprobleme und Probleme der Polypharmazie im Alter. Ein Novum und gleichzeitig ein Highlight waren die Beiträge zur Klimaerwärmung. Neues von der Lipidfront, Checkpoint-Inhibitoren und News aus der Infektiologie rundeten den ersten Tag ab. Der Zweite Tag begann mit Heart Valves, gefolgt von Kongenitalen Vitien/Aorta/Schwangerschaft/pulmonale Hypertonie. Heart Muscle und Cardiooncoloy and Sudden Death bildeten den Schluss des Symposiums, welches von ausgezeichneten Referenten bestritten wurde, die interessante Neuigkeiten präsentierten. Die Tagung wurde traditionsgemäss von der Content Marketing & Services GmbH hervorragend organisiert.

SCHRITTMACHER

News von den Schrittmachern – leadless for everybody?!

PD Dr. David Hürlimann

Gemäss den Guidelines sollten kabellose Schrittmacher als Alternative zu transvenösen Schrittmachern in Betracht gezogen werden, wenn kein Venenzugang zu den oberen Extremitäten existiert oder wenn das Risiko einer Infektion besonders hoch ist, wie beispielsweise bei einer vorherigen Infektion und bei Patienten unter Hämodialyse (IIa/B), so die einleitenden Bemerkungen von PD Dr. David Hürlimann, USZ.

Kabellose Schrittmacher können in Betracht gezogen werden als Alternative zur standardmässigen ventrikulären Stimulation mit einer Leitung unter Berücksichtigung der Lebens­erwartung und unter Verwendung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung (IIb/C).

Das leadless Pacing ist indiziert bei älteren Patienten, mit limitiertem venösem Zugang, permanentem Vorhofflimmern, höherem Infektionsrisiko, limitierter Lebenserwartung, signifikanten Komorbiditäten, sesshaftem Lebensstil und seltenem Schrittmacherbedarf.

Der transvenöse Zugang ist indiziert bei jungen Patienten, bei Notwendigkeit für CRT/ICD, Notwendigkeit einer ständigen Stimulation, Notwendigkeit einer atrioventrikulären Synchronie, implantierbaren Geräten, die mit dem kabellosen Schrittmacher Pacemaker interferieren.

Beide Verfahren kommen in Frage bei mechanischen Tricuspidal Klappenprothesen, morbider Adipositas, die eine LP telemetrische Kommunikation verhindern, bei implantiertem IVC Filter und bei abnormalem venösem System.

Das 2. Generations VDD Pacing – Micra AV. Beschleunigungsmesser basiertes atrioventrikuläres, synchrones Pacing mit einem ventrikulären kabellosen Pacemaker: der Micra atrioventrikuläre kabellose Schrittmacher verbessert die AVS bei Patienten mit AV-Block signifikant. Er hat sich sowohl bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit kurz- und mittelfristig als Alternative zum konventionellen transvenösen Schrittmacher bewährt. Diese Technologie stellt eine neue Lösung besonders für Patienten ohne konventionellen venösen Zugang und für ältere Patienten mit Vorhofflimmern und symptomatischer Bradykardie dar.

Conduction System Pacing: alles wird immer besser?!

PD Dr. Alexander Breitenstein

Es gibt zwei Arten der Stimulation des Reizleitungssystems, das His-Bundle-Pacing und das Left Bundle Branch Area Pacing (LBBAP), stellte PD Dr. Alexander Breitenstein, Universitätsspital Zürich, fest. Indikationen für eine Stimulation des Reizleitungssystems sind:

Stimulation des Reizleitungssystems anstatt rechtsventrikulärer Stimulation:
LBBAP versus klassische rechtsventrikuläre Stimulation. Observationsstudie mit 703 Patienten (321 LBBAP und 382 RVP). Kein Unterschied im Outcome wenn RV-Pacing <20%. Benefit, wenn RV Pacing >20% (63% der Kohorte. Primäres Komposit-Outcome HR 0.318, p<0.001, Gesamtmortalität HR 0.350, p=0.002; Herzinsuffizienz-Hospitalisierung HR 0.389, p=0.018

Stimulation des Reizleitungssystems anstatt kardialer Resynchronisationstherapie (CRT)
Korrektion des Linksschenkelblocks über das Reizleitungssystem: Ein Leitungsblock proximal des linken Schenkelbündels innerhalb der linksseitigen His-Fasern ist am ehesten für eine korrigierende His-Bündel-Stimulation geeignet, bei der die Stimulation den Ort des Blocks umgeht und latente Purkinje-Fasern rekrutiert. Herkömmliche 12-Kanal-EKG-Kriterien für das Muster des Linksschenkelblocks sind möglicherweise unzureichend, um das Ansprechen auf die His-Bündel-Stimulation vorherzusagen, und intrakardiale Daten können helfen, die Patientenauswahl für die kardiale Resynchronisation zu verfeinern.

  • Elektrische Resynchronisation und klinische Endpunkte mittels CSP: Bei einem Vergleich der klinischen Ergebnisse zwischen CSP und BVP bei Patienten, die sich einer CRT unterzogen verbesserte die CSP die klinischen Ergebnisse im Vergleich zur BVP in einer großen Kohorte von Patienten mit Indikation zur CRT

Stimulation des Reizleitungssystems mit kardialer Resynchronisationstherapie (CRT) in Kombination mit HOT/LOT-CRT
Die LOT-CRT ist sicher und bietet im Vergleich zur BiV-CRT eine bessere elektrische Resynchronisation und könnte eine Alterna

tive sein, insbesondere wenn mit der BiV-CRT nur eine suboptimale elektrische Resynchronisation erreicht wird. Randomisierte kontrollierte Studien zum Vergleich von LOT-CRT und BiV-CRT sind erforderlich.

Limitationen der Stimulation des Reizleitungssystems
Obwohl die His-Bundle-Stimulation (HBP) die durch die Stimulation induzierte Kardiomyopathie verhindern oder verbessern kann, sind die erhöhten Reizschwellen, der Verlust der His-Bundle-Erfassung und die Rate der Elektrodenrevisionen bei der Nachbeobachtung bedenklich. Das späte Auftreten einer Perforation des Interventrikelseptums ist eine seltene Komplikation der Linksbündelschrittmacher (LBBP), trotz geeigneter anfänglicher Implantationseigenschaften. Die Explantation der perforierten Elektrode und die Reimplantation können sicher durchgeführt werden.

Zusammenfassung

– Stimulation des Reizleitungssystems ist eine effektive und heutzutage erfolgreiche Art der Schrittmacher-Implantation
– Sowohl His-Bundle- als auch Left Bundle Branch Area Pacing
– Als Alternative zur reinen RV-Stimulation, als Möglichkeit bei nicht erfolgreicher biventrikulärer Stimulation oder in Kombination mit einem CRT
– Randomisierte Studien im Vergleich zu den klassischen Optionen fehlen (noch)
– Langzeit-Outcomes sind noch unklar

Schrittmacherprobleme in der Praxis – Beispiele oder wie smart sind Schrittmacher


Arrhythmie wegen ventrikulärer Unterbewertung, Überbewertung des Diaphragma-Myopotentials, elektromagnetische Interferenz, und überschätzte Langlebigkeit der Batterien sind Gründe für Probleme mit Schrittmachern, so Frau Dr. Anna Lam, Hirslanden Klinik, Zürich. Die Kontrolle vor der MRI-Untersuchung, ventrikuläre Leitungsimpedanz, Feststellung einer hohen ventrikulären Rate der Umkehrung des ventrikulären Rauschens . Unterscheidung von Artefakten Leitungsfehler: unregelmäßige Morphologie und hohe Amplitude (Kanalsättigung), nur auf einem einzigen EGM-Kanal, kann durch Manipulationen an der Tasche ausgelöst werden (extrathorakale Leitungsfraktur), plötzliche Änderung der Impedanzsensierung, Schwellenwert (oder stabil!). Elektromagnetische Interferenzen: in der Regel repetitiv und mit hoher Frequenz (50 oder 60 Hz), gleichzeitig auf allen Kanälen sichtbar. Myopotentiale: Crescendo/Decrescendo-Amplitude reproduziert durch provokative Manöver.

Leitungsbruch: Jedes Gerät kann betroffen sein, die klinische Präsentation variiert, die elektrischen Parameter können normal sein, Geräte-spezifische Merkmale verbessern die frühzeitige Erkennung von Elektrodenversagen und verringern unangemessene Schocks im Falle von ICD.
Die Elektrode des implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) ist die anfälligste Komponente des ICD-Systems. Trotz fortschrittlicher Konstruktion, ausgefeilter Fertigungstechniken und umfangreicher Tests auf dem Prüfstand sowie in präklinischen und klinischen Studien bleibt das Versagen der Elektroden die Achillesferse des ICD-Systems. ICD-Leitungsfehler hat ein breites Spektrum an nachteiligen Folgen, die von intermittierenden unangemessenen Stimulationen bis hin zu Proarrhythmie reichen und zur Sterblichkeit des Patienten führen. Leitungsfehler bei ICDs werden oft im Zusammenhang mit Konstruktions- oder Konstruktionsfehlern betrachtet, sind aber eher im Kontext der begrenzten Lebensdauer einer mechanischen Komponente zu sehen, die in einer chemisch belastenden Umgebung platziert und kontinuierlichen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist.

AV-Knotenablation – Pro’s und Con’s

Das Vorhofflimmern ist die häufigste kardiale Arrhythmie. Seine Inzidenz nimmt durch fortschreitendes Altern der Bevölkerung und Komorbiditäten zu. Es ist ein konplexes Krankheitsbild, welches verschiedene Optionen und ganzheitliches und multidisziplinares Management verlangt. Vorhofflimmern ist assoziiert mit all-cause-Mortalität, long-term stroke risk, Herzinsuffizienz und verminderter Lebensqualität. Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern sind eng miteinander verbunden. Beide können sowohl Ursache als auch Folgen des jeweils anderen sein. Sie teilen gemeinsame Risikofaktoren, stellte Frau Dr. Eva Bühlmann, Zürich, fest.

Die unkontrollierte Herzfrequenz bei Tachykardiomyopathie kann zu schwerer systolischer Dysfunktion und Herzinsuffizienz führen. Die Prävalenz der Tachykardiomyopathie beträgt 4%-8% bei Patienten mit Vorhofflimmern/- Flattern, 10%-59% bei Patienten mit atrialer Tachykardie und 5%-7% bei idiopathischer PVC/VT.

Die ESC Guidelines von 2020 empfehlen eine Antikoagulation zur Vermeidung von Stroke, eine bessere Symptomkontrolle und die Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren und begleitenden Krankheiten.

Bessere Symptomkontrolle:

  • Frequenzkontrolle (Betablocker, Non-Dihydropyridin Calciumkanalblocker, AV.Knotenablation
  • Rhythmuskontrolle (EKV, Antiarrhythmika, Ablation

Pace and Ablate

Indikation gemäss den 2020 ESC Guidelines: Die atrioventrikuläre Ablation sollte zur Kontrolle der Herzfrequenz bei Patienten in Betracht gezogen werden, die auf eine intensive Frequenz- und Rhythmuskontrolle nicht ansprechen oder diese nicht vertragen und für eine Rhythmuskontrolle durch Ablation nicht in Frage kommen, wobei in Kauf genommen wird, dass diese Patienten schrittmacherabhängig werden (IIb/B).

Die meisten Studien wurden mit älteren Patienten mit limitierter Lebenserwartung durchgeführt. In jüngeren Patienten sollte die AV-Knoten-Ablation nur dann durchgeführt werden, wenn alle pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Optionen sorgfältig evaluiert wurden.

PRO

Gute Frequenzkontrolle, hohe Rate an biventrikulärem Pacing bei Patienten mit CRT (Indikation).

Verbesserung der LVEF bei Patienten mit reversible Tachykardiopathie und bei Patienten mit CRT bei Erhöhung biv Pacing.

KONTRA

Intraventrikuläre Dyssynchronie, RV-pacing-induzierte Kardio­pathie, ca. 20% wenn >20% RV-pacing nach 5 Jahren

Wahl der Pacingmodalität vor geplanter AV-Knotenablation:

PM mit RV-pacing
-bei Patienten mit HFpEF (IIa/B)
CRT
– bei Patienten mit HFrEF (I/B)
– bei Patienten mit HFrEF mit höhergradigen AV-Block (IA)
Unabhängig von der NYHA-Klasse, inkl. Patienten
mit Vorhofflimmern
3 randomisierte Studien: BLOCK HF, 691 Pat. MOST
– bei Patienten mit HFmrEF (IIa/C)
HBP/CSP
-bei Patienten mit HFrEF oder HFmrEF (IIb)
CRT-upgrade
– bei Patienten mit RV-Pacinganteil >20% und LVEF <35% trotz OMT (IIa/B)

Die APAF-CRT-Studie

Die Ablation in Kombination mit einer kardialen Resynchronisationstherapie ist der pharmakologischen Frequenzkontrolle überlegen, wenn es darum geht, die Sterblichkeit bei Patienten mit schwerem symptomatischem permanentem Vorhofflimmern und engem QRS zu verringern.

Take Home Message

AV-Knotenablation ist eine effektive Behandlung zur Frequenzkontrolle, zur Palliation bzw. wenn die Rhythmus- oder medikamentöse Frequenzkontrolle nicht (mehr) möglich ist.
Marker für schlechte Prognose nach Ablate-and pace sind nicht eindeutig.
Frühzeitig «physiologische Pacingmodalitätrn wie biventrikuläres Pacing (CRT) oder ConductionsSystemPacing (CSP) erwägen.
Patienten werden PM-abhängig und somit anfällig für RV-pacing-induzierte Dyssynchronie. Cave PM-Dysfunktion und Infektion.
Bei CRT-Implantierten mit biventrikulärem Pacinganteil <90%-95%.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

18. Cardio Update 2023

Auch dieses Jahr berichten wir über einige Highlights des alljährlichen, zweitägigen, ausgezeichneten Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Berlin respektive Mainz. In diversen Vorträgen wurden am 24. und 25. Februar beziehungsweise am 17. und 18. März die neuesten relevanten Fachpublikationen aus dem Jahre 2022 von Experten besprochen und gewertet.

Hot Topic Kardioonkologie

Eine der drei Hot Topic Sessions war die Kardioonkologie. In einem sehr schönen Referat hat Prof. Dr. T. Rassaf aus Essen die erste ESC Leitlinie Kardioonkologie 2022 dargestellt (1, 2, 3). Die Bedeutung dieser Disziplin hat deutlich zugenommen, sind doch Herzkreislauferkrankungen und Krebsleiden die häufigsten Todesursachen in Europa, und hat die Überlebensrate nach Krebserkrankung in den letzten Jahren stark zugenommen. Ziel der neuen Guideline ist es, Therapieansätze zu personalisieren, um die Tumortherapie-bedingte kardiovaskuläre (cv) Toxizität zu minimieren und sowohl die Krebs- als auch die cv-Ergebnisse zu verbessern. Die Leitlinie bietet Hilfe für die Definition, Diagnose, Behandlung und Prävention von onkologisch bedingter cv-Toxizität und das Management von cv-Erkrankungen, die direkt oder indirekt durch Krebs verursacht werden. Durch die deutlich bessere Langzeitprognose moderner onkologischer Therapien ist es entscheidend, potentielle kardiotoxische Nebenwirkungen früh zu identifizieren und korrekt zu behandeln.

Neben den toxischen Kardiomyopathien mit Entwicklung einer Herzinsuffizienz müssen Arrhythmien und QT-Verlängerungen, arterielle und venöse Thromboembolien, Klappenvitien, Perikard-erkrankungen, koronare und arterielle Gefässerkrankungen und die Hypertonie als Folge onkologischer Therapien früh erkannt und behandelt werden.

Es gibt drei resp. vier Phasen der Mitbetreuung in der Kardioonkologie (Abb. 1). In der ersten Phase vor der onkologischen Therapie bedarf es einer Standortbestimmung des individuellen Risikos. Dieses ist Patienten und Therapie assoziiert. Zur Risikoevaluation hat man den HFA-IC-OS Risc Score eingeführt (Abb. 2). Patienten können mittels guter Anamnese (inkl. kardiovaskulär und onkologisch), einer gründlichen klinischen Untersuchung, einem 12-Abl. EKG, einer Echokardiographie (2D-EF, 3D-EF, LV Vol., GLS) und Biomarkern (hs-Tn, NT-pro BNP) identifiziert und in Risikokategorien klassifiziert werden. Bei hohem resp. sehr hohem Risiko muss der Patient vor einer kardiotoxischen Krebstherapie kardiologisch beurteilt werden (Klasse I).

Während einer onkologischen Therapie bedarf es erneuter kardiologischer Kontrollen, um kardiotoxische Komplikationen rasch zu erkennen und zu behandeln. Je nach onkologischer Therapie (Anthrazykline, HER-2, ICI u.a.) gibt es sehr hilfreiche Kontroll-Tabellen. Eine Chemotherapie kann zur Freisetzung kardialer Biomarker führen. Eine Erhöhung des hs-Troponins ist mit einer LV-Dysfunktion assoziiert.

Erste Daten zum GLS (global longitudinal strain) in der Echokardiographie zeigen, dass ein isoliert reduzierter GLS vor Therapiebeginn und ein Abfall unter onkologischer Therapie von 15% mit einem erhöhten Risiko für eine spätere Kardiotoxiziät assoziiert ist. So ist eine frühzeitige Erfassung einer subklinischen LV-Dysfunktion möglich und mittels einer Therapie mit ACE-H./BB/SGLT2-H. kann ein späterer EF-Abfall verhindert werden. Diese Medikamente wirken kardioprotektiv (IIa). Es kommt auch zu einer verringerten Troponinfreisetzung.

Die modernen Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI), welche die Immunabwehr aktivieren und u.a. bei Lungenkrebs und Melanom eingesetzt werden, verursachen bei 9,7% der Patienten kardiale Events im 1. Jahr. 1-2% der Patienten erleiden eine autoimmun bedingte Myokarditis mit sehr unterschiedlicher Symptomatik und deutlich erhöhter Mortalität innerhalb der ersten 6 Wochen. Weitere kardiale Schädigungen sind: Perikarditis, Arrhythmien, ACS, Takotsubo, LV-Dysfunktion und eine beschleunigte Atherosklerose. Daher sind kontinuierliche, langfristige kardiologische Kontrollen notwendig. Auch andere Organsysteme sind betroffen – Haut, Colitis, Pneumonitis, Hepatitis, Nephritis, Myositis u.a. Deshalb wird ein spezielles Monitoring (Biomarker, EKG, TTE) unter ICI-Therapie empfohlen.

Auch nach einer onkologischen Therapie muss nach einem Jahr und im Langzeitverlauf der Patient resp. die Patientin auch kardiologisch regelmässig kontrolliert werden, um potentielle kardiovaskuläre Schädigungen zu erkennen und zu behandeln. Die Häufigkeit der kardialen Kontrollen richtet sich auch hier nach dem basalen kardiovaskulären Risiko und der spezifischen onkologischen Therapie und deren Nebenwirkungen – HFA-IC-OS Risc Score. Auch bei jungen Erwachsenen, welche als Kind erfolgreich onkologisch therapiert wurden, sind regelmässige kardiologische Verlaufskontrollen sehr wichtig. Bei einer Anthrazyklin-Behandlung und einer thorakalen Bestrahlung als Kind besteht ein besonders hohes Risiko von fast 50%. Auch Jahre nach einer Bestrahlung der linken Brust bei einem Mamma-Ca oder einem thorakalen Morbus Hodgkin besteht ein erhöhtes koronares Risiko.
Eine gute, enge und andauernde Zusammenarbeit zwischen Onkologen, Kardiologen und weiteren involvierten Ärzten ist bei diesen Risiko-Patienten essentiell.

Fazit für Klinik und Praxis:

  • Die onkologische Kardiologie ist ein integraler Bestandteil der Behandlung von Krebspatienten.
  • Die neue ESC-Leitlinie bietet dezidierte Empfehlungen für die Diagnose und Behandlung von betroffenen Patienten.
  • Komplikationen durch Krebsimmuntherapien werden die Kardioonkologie in Zukunft massgeblich beeinflussen.
  • Die Stratifizierung des Toxizitätsrisikos vor Therapiebeginn ist wichtig; engmaschige Überwachung bei hohem Risiko und multidisziplinäre Diskussionen bezüglich des weiteren Managements sind entscheidend.

Literatur:
1. Lyon AR et al., 2022 ESC Guidelines on cardio-oncology entwickelt in Zusammenarbeit mit der European Hematology Association (EHA), der European Society for Therapeutic Radiology and Oncology (ESTRO) und der International Cardio-Oncology Society (IC-OS). Eur H J. 2022 doi/10.1093/eurheartj/ehac244
2. L. Michel et al., ESC -Leitlinien 2022; Onkologische Kardiologie; Herz 2023; 48:15-22
3. L. Michel, T. Rassaf, Kardiologische Langzeitfolgen nach Malignombehandlung; Cardiovasc 2022; 22(4): 50-54

Hot Topic Das perioperative Konsil

In einem weiteren Hot Topic Vortrag wurde die neue ESC-Guideline (1) über die nicht kardiale Chirurgie (NKC) von Prof. Dr. Dr. S. Schirmer aus Kaiserslauten sehr schön und umfassend dargestellt. Die neue Leitlinie hat das Ziel peri- und postoperative Komplikationen zu reduzieren und eine Verbesserung der Versorgungsqualität zu bewirken. Es wird eine schrittweise Bewertung des Patienten, die klinischen Risikofaktoren und Untersuchungsergebnisse mit der geschätzten Belastung des geplanten chirurgischen Eingriffs und den mit dem Absetzen von Medikamenten verbundenen Risiken empfohlen. Die kardiologischen Abklärungsmöglichkeiten werden klar bewertet. Ebenso die verschiedenen Risikoreduktionsstrategien und das Management der perioperativen kardiovaskulären Komplikationen. 50% der Patienten älter als 45 Jahre haben mindestens zwei kardiovaskuläre Risikofaktoren.

Ein neues und sehr wichtiges Kapitel ist der richtige Einsatz von Biomarkern (hs-CTnT/I und NT-pro-BNP) vor, während und nach einer Operation bei einer cv Erkrankung oder cv Risikopatienten. Ein perioperativer Infarkt muss rasch erkannt und richtig behandelt werden. Bei CHK- resp. PAVK-Patienten kommt es in bis zu 15% zu einem Infarkt. In solchen Situationen hs-Troponin präoperativ, nach 24 und 48 Stunden. Die Biomarker werden neben den peri- und post-operativen Komplikationen auch bei einem mittleren bis hohem Risiko und bei jüngeren Patienten mit cv Risiko bestimmt. Bei einer bekannten cv Erkrankung werden serielle Troponin Bestimmungen bei einem Intermediär- oder Hochrisikoeingriff empfohlen. Ein erhöhtes postoperatives Troponin ist mit der 30 Tage Sterblichkeit assoziiert. Dabei muss eine Anämie und ein Infarkt ausgeschlossen und eine spezifische Therapie eingeleitet werden.

Bei Risikopatienten welche nicht belastbar sind (<2 Stockwerke), wird bei einem Intermedärem- resp. Hochrisiko-Eingriff prä­operativ ein Echo (TTE) gefordert, ebenso bei pos. Biomarkern oder bei einem Herz-Geräusch bei Symptomen oder einer cv Erkrankung (1,2,3).

Das präoperative Risiko bezüglich cv Morbidität und Mortalität besteht aus dem individuellen Patientenrisiko (Alter, cv Risikofaktoren, cv Erkrankungen, Komorbiditäten), dem Eingriffsrisiko (drei Gruppen) und der Dringlichkeit. Es bedarf keiner kardialen Massnahmen bei einem Niedrigrisikoeingriff (Zähne, Augen, Brust, Meniskus, TUR-Prostata u.a.) (Abb. 3). Auch nicht bei einem jüngeren gesunden Patienten (<65J.) ohne cv Risiko und einem mittleren Risikoeingriff wie z.B. einer Hüft-TP. Es bedarf nicht routinemässig einem EKG oder Biomarker bei Niedrigrisiko- Patienten oder Niedrigrisikoeingriffen. Auch keine routinemässigen TTE oder Belastungsuntersuchungen.

Ein weiterer wichtiger Abschnitt ist das richtige Vorgehen bei einer antithrombotischen Therapie. Hier gibt es sehr schöne und sehr praktische graphische Abbildungen. Da ein chirurgischer Eingriff häufig nach einer PCI, nach einem Infarkt oder einem hohen ischämischen Risiko durchgeführt werden muss, ist der Umgang mit einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung wichtig. Auch das Blutungsrisiko des Eingriffs ist dabei zu berücksichtigen. Es gibt auch ein sehr schönes Schema zur NOAK-Pausierung gemäss EHRA. Kein bridging in niedrigem/moderatem Thromboembolierisiko.

Der neue Einsatz eines Betablockers zur Prävention eines VHFLi wird nicht empfohlen. Bei einem SGLT2-H. sollte dieser 3 Tage vor einer Operation pausiert werden. Der ACE-H./ARB sollte am Tag der Operation bei einer Hypertonie weggelassen werden, ebenso das Diuretikum. Betablocker und Statine werden belassen.

Spezifische kardiovaskuläre Erkrankungen bei einem NKC werden in der Leitlinie beleuchtet. So die Hypertonie, die koronare Herzkrankheit, die Herzinsuffizienz, die verschiedenen Vitien, Arrhythmien wie VHFLi, Devices, Gefässerkrankungen, onkologische- und VAD-Patienten. Empfehlungen zu peri- und post-operativen Komplikationen finden sich in der umfassenden Leitlinie. CHK: Bei schlecht belastbarem Patienten und Verdacht auf eine CHK resp. ausgeprägtem Risikoprofil wird vor einem Hochrisikoeingriff ein Stressimaging empfohlen (I). In Abhängigkeit von der ischämischen Myokardmasse, refraktärer Symptomatik und Koronarbefund, Myokardrevaskularisation vor NKC erwägen (IIbB).

Diese Guideline ist entscheidend; sind doch ca. 50 % aller perioperativen Todesfälle (4,2 Mio/Jahr weltweit) kardiovaskulär. Ziel ist es, diese signifikant zu vermindern und Komplikationen rasch und richtig zu behandeln. Es bedarf einer sehr guten Zusammenarbeit verschiedener involvierter Fachrichtungen.

Fazit für Klinik und Praxis:

  • Präoperative Risikobeurteilung (Alter, Symptome, Anamnese, Belastbarkeit). Es bedarf dann je nach Risikopatient ein EKG, Biomarker und evt. eine TTE vor einem Eingriff mit inter-mediärem oder hohem Risiko.
  • Das Risiko muss reduziert werden: Modifizierung der Risikofaktoren, Ausschluss einer Anämie, Therapie von speziellen cv Erkrankungen nach Guidelines. Einsatz oder Pause kardialer Medikamente je nach Risiko; Durchführung einer notwendigen Thromboseprophylaxe.
  • Perioperative Komplikationen müssen erkannt und rasch behandelt werden – hs Troponin Anstieg, ACS, Anämie, Herzinsuffizienz und Apoplexie (3).

Literatur:
1. Halvorsen S et al, 2022 ESC Guidelines on cardiovascular assessment and management of patients undergoing non-cardiac surgery. Eur Heart J 2022;43:3826-3924.
2. Mehilli J. Winhard M., ESC Leitlinie 2022 zum kardiovaskulären Assessment und Managment von Patienten, die sich einer nicht kardiologischen Operation unterziehen; Herz 2023; 48:31-38
3. Mehilli et al., The ten commandments, EHJ 2023;44:336-337

Prävention und stabile CHK; Hypertonie und Niereninsuffizienz

Hier einige wichtige Aussagen zu den beiden Vorträgen von Prof. Dres U. Lauf aus Leipzig und F. Mahfoud aus Homburg/Saar: Kardiovaskuläre Risikofaktoren im Kindesalter erhöhen die Sterblichkeit im mittleren Lebensalter. Nach einem schwedischen Zwillingsregister korrelieren kardiometabolische Erkrankungen mit einer Demenz.

Die DANCAVAS-Studie aus Dänemark prüfte das Konzept eines kardio-vaskulären Screenings mit klinischer Untersuchung, EKG, ABI, Echo, Koronar-/Gefäss-CT ohne Kontrast bei bei 46’611 älteren Männern zwischen 65-74 Jahren. Der verstärkte Einsatz einer Statin- und Aspirin-Therapie bei Patienten mit subklinischen Herzkreislauferkrankungen erklärt wahrscheinlich die Vorteile in der Untergruppe im Alter von 65-69 Jahren (HR 0,89). Leider fehlen Screening-Daten in der weiblichen Population und bei etwas jüngeren Personen. Insgesamt konnte aber die Sterblichkeit in der Gesamtpopulation nicht signifikant gesenkt werden. In der POST-PCI Studie aus Südkorea ergab ein routinemässiger Stresstest bei 1708 Patienten ohne Symptome (30% Ergo, Scinti, Stressecho) 1 Jahr nach der Intervention keine Verbesserung der klinischen Endpunkte nach zwei Jahren. Es kam aber zu mehr Reangiographien und mehr Revaskularisationen. Es gibt somit bisher keine überzeugenden Beweise für Screening-Programme.

Rauchen bleibt leider immer noch der Gesundheitsrisikofaktor Nummer 1 in DL (35,5%). Das Rauchen hat leider nicht abgenommen; bei den 14-17 Jährigen hat sich der Anteil im letzten Jahr sogar auf 16% verdoppelt. Verbote funktionieren in Neuseeland. Dieser Risikofaktor sollte immer wieder angesprochen werden. E-Zigaretten sollten nicht zur Entwöhnung gebraucht werden.

Ein regelmässiges Nachsalzen ist mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert.

Nahrungsergänzungsmittel wie Fischöl, Zimt, Knoblauch, gelber Ingwer (Kukuma), pflanzliche Sterole und roter Reis sind ungeeignet für eine LDL-Senkung dies im Gegensatz zur Gabe von 5 mg Rosuvastatin. Dies konnte in der SPORT-Studie gezeigt werden.

Der Goldstandard bei der schweren Adipositas bleibt die bariatrische Chirurgie mit anhaltend positiven Effekten. Es gibt keinen Wirksamkeitsbeleg für ein Intervallfasten und für eine Ernährungs-beratung. Semaglutid ist in hoher Dosis ähnlich wirksam wie eine Magenplastik. Eine Schlafrestriktion erhöht die Enegiezufuhr und die abdominelle Fettablagerung ohne Auswirkung auf den Energieverbrauch.

Beim Diabetes mellitus gibt es immer bessere Daten für die SGLT2-Hemmer und für die GLP1-RA betreffend Nephro- und Kardio-Protektion. Auch die Kombinationstherapie ergibt ein vermindertes kardiovaskuläres Risiko. Für Metformin gibt es keine Endpunktdaten.

20% der Bevölkerung haben ein erhöhtes Lpa (>125nmol/l). Dieses wirkt proinflammatorisch und möglicherweise prothrombotisch und ist ein wichtiger Risikomarker für atherosklerotische Ereignisse und für die Aortenklappenstenose. Die Wirkung ist linear ab 75nmol/l. 90% dieses Wertes ist genetisch festgelegt. Es gibt aber Faktoren, welche den Wert etwas variieren: eine Erhöhung gibt es bei einer SS, Entzündung, Hypothyreose, chron. Niereninsuffizienz und beim nephrot. Syndrom. Eine Senkung findet man bei einer Hyperthyreose, bei Östrogengabe und bei einer Lebererkrankung u.a.. Bei einer Aortenklappenstenose im frühen Alter sollte man immer das Lpa bestimmen, wie auch bei einer vorzeitigen und rasch progredienten Atherosklerose. In Zukunft wird es spezifische RNA basierte Therapien geben. Die ESC empfiehlt Lpa einmal im Leben zu bestimmen – dabei sollten die erwähnten Variationsfaktoren beachtet werden. «Lipoprotein(a) erklärt häufig ein residuales lipidbezogenes Risiko bei Personen mit niedrigem oder nur moderat erhöhtem LDL-Cholesterin. Die aktuelle Therapie besteht in der Behandlung aller kardiovaskulären Risikofaktoren und einer Senkung des lipid-bezogenen Risikos durch eine optimale LDL-Senkung».

Lipidtherapie: Drei Studien mit IVUS und OCT haben mit einem Statin und PCSK9 -H. gezeigt, dass ein LDL <1,0mmol/l zu einer Plaque-Stabilisierung führt. Für Fibrate gibt es erneut keinen Wirksamkeitsbeleg. Bei der Bempedoinsäure ist die Endpunktstudie CLEAR-Outcomes positiv. Die Bempedoinsäure verursacht als Prodrug, welches in der Leber in die aktive Form überführt wird, keine Muskelbeschwerden. Bei fast 14’000 Statin intoleranten Patientinnen und Patienten mit einem LDL >2,6mmol/l und einer cv Vorerkrankung oder einem hohen cv Risiko war die Behandlung mit einem geringeren Risiko von -13% im Vergleich zu Placebo für schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (Tod durch cv Ursachen, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall oder koronare Revaskularisation) verbunden. Das LDL wurde nach 6 Monaten um 21%, das hs-CRP um 22% gesenkt. Als NW ist ein Anstieg der Harnsäure mit Gichtanfällen, ein Anstieg von Kreatinin, Leberenzymen und mehr Gallensteine zu beobachten. Wir haben somit bei einer wirklichen Statinintoleranz, cave Nocebo-Effekt, einen alternativen Behandlungsansatz. Eine Kombination mit Ezetrol wird von Experten empfohlen mit einer LDL-Senkung von 45%.

Die Bedeutung der Grippeimpfung wurde in der IAMI- Studie nochmals klar dargelegt. Bei Patienten mit einem Myokardinfarkt in der Grippesaison wurde innert 72 Stunden geimpften Patienten die Sterblichkeit, der Reinfarkt und die Stentthrombose um 41% deutlich gesenkt.

Zum Thema Hypertonie: Die Fixkombinationen sollten heute Standard sein – bessere Adhärenz, stärkere BD-Senkung durch frühe Kombination und weniger Nebenwirkungen. Leider wurden diese 2020 in DL nur in 11 % der Fälle eingesetzt. Zu beachten ist, dass Paracetamol den BD um ca. 5mmHg systolisch erhöht und mit einer schlechten Prognose assoziiert ist. Vor allem in verschiedenen Brausetabletten und OC-Medikamenten, welche frei erhältlich sind, hat es viel Natrium, welches diese negativen Effekte hat. In einer aktuellen Studie konnte kein Unterschied von HCT und Chlorthalidon auf kardiovaskuläre Endpunkte nachgewiesen werden. Somit sind die beiden Diuretika vergleichbar und gut für Fixkombinationen. Die Fototoxizität sollte bei HCT nur bei massiver Sonnenexposition und Gabe von Amiodaron beachtet werden. Die nächtliche Gabe von Antihypertensiva war der morgendlichen Gabe nicht überlegen aber auch nicht schädlich (TIME Studie). Cave Adhärenz bei abendlicher Einnahme.

In der Schwangerschaft sollte auch eine milde Hypertonie (140-159/90-109mmHg) behandelt werden. Als Medikamente kommen in Frage: Metoprolol, Labetalol, Nifedipin und Alpha-Methyl-Dopa. Cave ACEH/ARB – diese sollten schon vor der SS abgesetzt werden.

Zum Thema Niereninsuffizienz: Empagliflozin reduziert bei CKD das Risiko für einen Erkrankungsprogress und kardiovaskuläre Todesfälle in der EMPA-Kidney Studie um 28% über 2,5 Jahre. In einer grossen Metaanalyse von 13 Studien bei 90’409 Patienten konnte die Progression der Niereninsuffizienz um 37%, der cv Tod und die HI Hospitalisation um 23% gesenkt werden. Der cv Tod um 14%., das akute Nierenversagen um 23%. Dies mit oder ohne Diabetes mellitus. Die Genese der NI hat keinen Einfluss auf den protektiven Effekt. Eine Etablierung einer Therapie mit einem ACE-H./ARB und einem SGLT2-H. bei CKD führt zu einer Lebenszeitverlängerung von 7,4 Jahren. ACE-H./ARB können auch bei einer chron. Niereninsuffizienz im Stadium IV/V weitergegeben werden. Die nephroprotektiven Effekte von Dapagliflozin und Eplerenon sind additiv.

Literatur: auf Anfrage beim Autor.

Dr. med. Urs N. Dürst

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