Kardiale Dyspnoe

Dyspnoe wird häufig durch eine kardiale Grunderkrankung ausgelöst. Unbehandelt besteht eine schlechte Prognose. Daher sollte bei jedem Verdacht auf eine kardiale Genese oder unklarer Dyspnoe eine kardiologische Abklärung erfolgen und eine spezifische Therapie eingeleitet werden. Dieser Artikel gibt eine praxisorientierte Übersicht über die wichtigsten Abklärungsschritte, Ursachen und Therapieprinzipien.

Einleitung

Das Leitsymptom Dyspnoe ist eine häufige Fragestellung für niedergelassene wie auch Spitalärzte, und die Ursachen unterscheiden sich im ambulanten oder Spitalsetting zum Teil deutlich (1): stehen in der Hausarztpraxis eher infektiöse oder respiratorische Ursachen im Vordergrund, sind in der Notfallmedizin häufiger kardiale Gründe anzutreffen.
Dieser Artikel soll einen praxisrelevanten Überblick über die wichtigsten kardialen Ursachen, die nötigen Abklärungsschritte und die jeweilige Therapie verschaffen.

Anamnese und Status

Hauptsymptom ist eine häufig progrediente Anstrengungsdyspnoe und schnellere Ermüdbarkeit (s. Tabelle 1). In Ruhe können eindeutige pathologische Befunde fehlen. Manche Patienten meiden unbewusst körperliche Belastungen, so dass die Fremdanamnese wichtig ist und allenfalls ein Belastungstest weiterhelfen kann.
Besonderes Augenmerk sollte auf klinische Zeichen der Herzinsuffizienz und die Herz- und Lungenauskultation gelegt werden. Die Vortest-Wahrscheinlichkeit ist erhöht, wenn eine kardiale Grunderkrankung, kardiovaskuläre Risikofaktoren oder ein pathologisches Ruhe-EKG vorliegen. Ebenfalls sollten spezifische Trigger wie eine Arrhythmie, bestimmte körperliche Belastungen und andere Begleitumstände erfragt werden. In den jeweiligen Unterkapiteln wird vertieft auf spezielle Symptome eingegangen.

Diagnostische Abklärungen

Basisabklärung Hausarztpraxis: Anamnese und klinische
Untersuchung, 12-Kanal-EKG mit Rhythmusstreifen, Röntgen Thorax, breites internistisches Basislabor, inkl. NT-pro BNP
Weiterabklärung Kardiologie: Anamnese und klinische Untersuchung, Echokardiographie, ggf. rhythmologische Dia-
gnostik, ggf. Ergometrie/ Spiroergometrie, ggf. nicht-invasive Tests mit Frage nach Ischämie oder morphologischen Fragestellungen (Stress-Echokardiographie, Herz-MRI, Koronar-CT, Myokardszintigraphie), ggf. Rechts-Links-Herzkatheter.

Herzinsuffizienz als Dyspnoe-Ursache

Hintergründe

Zahlreiche medizinische Fortschritte haben zu einer deutlich höheren Lebenserwartung geführt, parallel kommt es jedoch durch die Alterung und Spätfolgen kardiovaskulärer Erkrankungen zu einem zunehmenden Auftreten der (chronischen) Herzinsuffizienz (HI).Akut kann eine HI bei einer hypertensiven Entgleisung, Arrhythmien oder einem Myokardinfarkt und anderen Triggerfaktoren (s. Tabelle 2) auftreten – insbesondere wenn das Herz bereits vorbelastet ist. Die Mortalität ist hoch und steigt mit jeder Hospitalisation. Innerhalb von 5 Jahren sterben 50%
der Betroffenen.

Anamnese und Status

Das Kardinalsymptom Dyspnoe äussert sich in leichteren Fällen nur bei körperlicher Anstrengung, in einem fortgeschrittenen Stadium kommt es zu einer zunehmenden Leistungsintoleranz und schnelleren Ermüdbarkeit, Nykturie sowie paroxysmal auftretender nächtlicher Dyspnoe im Liegen bis hin zu einer Ruhedyspnoe. Häufig bestehen Halsvenenstauung, Beinödeme und Inappetenz (s. Tabelle 1).

Diagnostik

Der Algorithmus der European Society of Cardiology (2, Abbildung 1) sieht bei typischen klinischen Zeichen und Symptomen der HI eine Bestimmung der natriuretischen Peptide vor. Bei tiefen Werten ist eine HI mit hoher Sicherheit ausgeschlossen (NT-pro BNP <125pg/ml oder BNP <35pg/ml). Im anderen Fall sollte mit einer Echokardiographie eine strukturelle Herzkrankheit gesucht werden. Der echokardiographische Phänotyp stellt die Weichen zur weiteren differentialdiagnostischen Abklärung. Die Bestimmung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) ist wesentlich zur Festlegung der weiteren Therapie (Abbildung 2). Die Diagnose einer HI mit erhaltener Pumpfunktion kann bei fehlenden Stauungszeichen mithilfe von validierten Scores wie dem H2FPEF-Score (3) (s. Tabelle 3) erleichtert werden.

Therapie

Bei einer Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion (LVEF <40%, HFrEF) besteht die Basistherapie aus vier Medikamenten, die in den jeweiligen Studien zu einer Mortalitätssenkung und Reduktion der Hospitalisationsrate geführt haben: ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), kardioselektive Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten und Sodium-Glukose-Cotransporter 2 (SGLT2) -Inhibitoren. Im Gegensatz zu früheren Empfehlungen soll heutzutage diese Kombinationstherapie nach spätestens vier Wochen etabliert sein und gemäss Verträglichkeit auf die empfohlenen Zieldosierungen auftitriert werden. Bezüglich der Reihenfolge der Medikamente empfiehlt sich eine individualisierte Herangehensweise, um Nebenwirkungen wie eine symptomatische Hypotonie, zunehmende Niereninsuffizienz oder Elektrolytstörungen zu vermeiden (2). Die Dosierung der Diuretika richtet sich nach dem klinischen Bedarf.
Reversible Ursachen wie ein primäres schwergradiges Klappenvitium sollten interventionell oder chirurgisch beseitigt werden (s. Abschnitt Klappenvitien). Ist eine koronare Herzkrankheit Ursache der HI, hat die chirurgische Myokardrevaskularisation mit optimaler medikamentöser Therapie die aktuell beste Evidenz bezüglich Überleben und Rehospitalisationsrate (4), für eine perkutane Revaskularisation ist dies nicht belegt (5). Für die kardiale (ATTR-) Amyloidose steht mit Tafamidis eine spezifische, jedoch sehr teure Therapie zur Verfügung (6). Bei persistierender Funktionseinschränkung des linken Ventrikels muss zur Vorbeugung des plötzlichen Herztodes durch maligne ventrikuläre Arrhythmien ein implantierbarer Cardioverter-Defibrillator und bei breitem Linksschenkelblock eine kardiale Resynchronisationstherapie mit oder ohne Defibrillator diskutiert werden (2).
Bei einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (LVEF > 50% und strukturelle Herzveränderungen, HFpEF) gibt es neu sehr gute Evidenz für die Klasse der SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin bezüglich der Senkung von Mortalität und Hospitalisation (7,8). ACE-Hemmer, Sartane, ARNI und Betablocker sind bei HFpEF ungenügend wirksam (2).

Bei einer Herzinsuffizienz mit einer linksventrikulärePumpfunktion im mittleren Bereich zwischen 40 und 50% (HFmrEF) ist die Studienlage zur Zeit noch spärlich (2). Es gibt jedoch viele Hinweise aus Subanalysen, dass die HFrEF-Therapie wirksam ist. Die aktuelle DELIVER-Studie schloss HFmrEF-Patienten bis zu einer LVEF von 40% ein und zeigte dort den gleichen, konsistenten Benefit von Dapagliflozin wie in anderen Patientengruppen (7). Somit können SGLT2-Hemmer bei allen HI-Patienten bei fehlenden Kontraindikationen eingesetzt werden.

Prognose

NYHA-Stadium, Ausmass der Kontraktionseinschränkung der Ventrikel, begleitende Klappenvitien, Komorbiditäten wie Niereninsuffizienz, ein ungenügender Therapieausbau, Hospitalisationen u.v.m. haben direkten Einfluss auf die Prognose der Patientinnen und Patienten.

Arterielle Hypertonie

Hintergrund

Die arterielle Hypertonie (AH) ist eine heutzutage gut behandelte Volkskrankheit geworden. Dennoch kommt es häufig zu morphologischen Veränderungen des Herzens – einerseits als Frühschaden, wenn der Bluthochdruck zu spät erkannt und therapiert wird und andererseits als Spätfolge insbesondere bei nicht optimal erreichten Zielwerten.
Akut kann eine hypertensive Krise ein Lungenödem durch eine stark erhöhte Nachlast durch arterielle Vasokonstriktion und/oder durch eine Volumenverschiebung aus dem Splanchnikusgebiet auftreten (9). Ebenfalls kann ein ungenügend eingestellter Blutdruck unter körperlicher Belastung exazerbieren und zu Dyspnoe und thorakalem Druckgefühl führen.

Kardiale Spätfolgen der AH sind häufig eine linksventrikuläre Hypertrophie, diastolische Dysfunktion mit der möglichen Konsequenz einer Herzinsuffizienz sowie eine koronare Herzerkrankung und Vorhofflimmern.

Anamnese

Oft haben Patienten keine spezifischen Symptome und die AH wird zufällig entdeckt. Hypertonie-assoziierte Beschwerden sind Kopfschmerzen, Thoraxschmerzen und Dyspnoe. Bei neuentdeckter AH und begleitender Dyspnoe sollte bei fehlender Verbesserung unter optimaler Therapie eine kardiologische Evaluation zur Suche weiterer Dyspnoegründe erfolgen. Bei langjährig bekannter AH sollte die medikamentöse Compliance und die ambulante Blutdruckeinstellung evaluiert werden.

Diagnostik

Blutdruckmessungen in der Arztpraxis oder ambulante Selbstmessungen. Ggf. ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessung. 12-Kanal-Ruhe-EKG: linksventrikulären Hypertrophie, Vorhofflimmern, Hinweise auf KHK?
Hypertensive Folgeschäden evaluieren: Nieren, Augen, Neurologie Kardiologische Abklärung als Standortbestimmung oder bei fehlender Verbesserung trotz adäquater Therapie.

Therapie

Die Blutdrucktherapie sollte sich an den aktuellen ESC-Richtlinien (10) und an den Komorbiditäten orientieren.

Koronare Herzkrankheit

Hintergrund

Bei koronarer Herzkrankheit (KHK) entwickeln bis 40% der Patienten eine Herzinsuffizienz. Einerseits akut/subakut im Rahmen eines Myokardinfarktes (kardiogener Schock, Papillarmuskelabriss Mitralklappe) oder chronisch durch eine ischämische Kardiomyopathie oder eine ischämische Mitralklappeninsuffizienz.
Neben fokaler epikardialer Stenosen kann die Myokardperfusion speziell bei Diabetikern oder ausgeprägter Atherosklerose diffus oder auf kapillärer Ebene («small vessel disease») beeinträchtigt sein und zu Dyspnoe und Angina pectoris führen (11).

Anamnese

Kardinalsymptom ist die Angina pectoris, seltener kommt es zu einer Dyspnoe als Angina-pectoris-Äquivalent, bei der häufiger proximale Koronarstenosen zu finden sind (12).
Akut kann Dyspnoe bei einem grossen Myokardinfarkt oder einer Herzinsuffizienz auftreten.

Diagnostik

Bei Dyspnoe unklarer Ätiologie und erhöhtem kardiovaskulären Risikoprofil sollte nach einer kardiologischen Basisabklärung eine myokardiale Ischämie, resp. Koronarstenosen am besten mit einem nicht-invasiven Test wie Stress-Echokardiographie, Herz-MRI, Myokardszintigraphie oder einem Koronar-CT gesucht werden.
Bei bekannter KHK empfiehlt sich eine Echokardiographie zum Ausschluss neuer Wandbewegungsstörungen oder Klappeninsuffizienz sowie zur Bestimmung der linksventrikulären Funktion. Niederschwellig erfolgt ein nicht-invasiver Ischämietest bei fehlender anderer Erklärung der Dyspnoe.
Bei Dyspnoe in Kombination mit Angina pectoris sollte ohne weiteren Test eine Koronarangiographie erfolgen, sonst nur bei Ischämienachweis in der nicht-invasiven Bildgebung. Bei einem Myokardinfarkt mit kardiogenem Schock ist eine Notfall-Koronarangiographie indiziert.

Therapie

Bei symptomatischen Koronarstenosen sollte neben der medikamentösen Therapie eine perkutane transluminale Koronarangioplastie mit Stenteinlage (PTCA) und in ausgewählten Fällen die aortokoronare Bypass-Chirurgie (ACBP) evaluiert werden.
Bei diffuser Koronarsklerose ohne Bypass-fähige Anschlussgefässe oder einer small-vessel-disease steht die pharmakologische Therapie mit Antianginosa im Vordergrund (Betablocker, Kalziumantagonisten)(11).
Falls eine KHK Ursache einer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Pumpfunktion ist, stellt die ACBP zusammen mit einer optimal ausgebauten Herzinsuffizienztherapie die beste Therapieoption bei geeigneten Patienten dar, da trotz anfangs höherer Mortalität in der Operationsgruppe über 10 Jahre ein deutlicher Überlebensvorteil besteht (4).

Klappenvitien

Hintergrund

Die Herzklappen gewährleisten durch ihre Ventilfunktion einen nach vorwärts gerichteten Blutfluss und fördern dabei im Herzzyklus die optimale Füllung und Entleerung der jeweiligen Herzkammern.
Die Aorten- und Pulmonalklappe sind sog. Taschenklappen, die sich abhängig von den Druck- und Flussverhältnissen passiv öffnen und schliessen. Die Aortenklappe ist dem höchsten mechanischen Stress ausgesetzt und hat häufig degenerative Veränderungen bis hin zur Stenose. Bei bikuspiden Aortenklappen geschieht dies deutlich schneller. Durch Degeneration und/oder Dilatation des Aortenannulus kann es zur Insuffizienz kommen.
Die Mitral- und Trikuspidalklappe sind als Segelklappen anatomisch und funktionell komplexer aufgebaut. Die funktionelle Einheit besteht aus Klappensegeln, Annulus und dem subvalvulären Apparat mit Sehnenfäden und Papillarmuskeln. Die Funktionsstörung einer Ebene kann das gesamte Klappengefüge stören und zur Dysfunktion führen.
Prinzipiell wird zwischen primären und sekundären Klappenvitien unterschieden:
Bei primären Vitien führt eine primäre Störung des Herzklappenapparates zur Fehlfunktion der Klappe. Ein klassischer Fall wäre eine akute Herzinsuffizienz wegen eines akuten Sehnenfadenabrisses bei vorbestehendem Mitralklappenprolaps oder eine langsam fortschreitende Aortenklappenstenose.
Sekundäre Vitien entstehen auf dem Boden einer Störung des Herzens selbst (z.B. durch eine Erweiterung des Mitralklappenannulus mit geringerer Koaptationsfläche beider Mitralsegel bei dilatativer Kardiomyopathie).

Anamnese

Typischerweise verursachen Klappenvitien anstrengungsabhängige Symptome, können aber in einem fortgeschrittenen Stadium auch in Ruhe symptomatisch sein und sich als akute Herzinsuffizienz präsentieren. In der Regel kommt es zu einer langsam progredienten Leistungsintoleranz und Dyspnoe. Akute Verschlechterungen treten oft sekundär wie z.B. bei einer Tachyarrhythmie oder Infektion auf.
Klassische Symptome der schweren Aortenklappenstenose sind Schwindel oder Synkope bei körperlicher Anstrengung, Angina pectoris und Herzinsuffizienz. Rechtsherzinsuffizienzzeichen wie Beinödeme, gestaute Halsvenen, Inappetenz durch gastrische und hepatische Stauung sowie Aszites können bei schwerer Trikuspidalklappeninsuffizienz auftreten. Pulmonalklappenvitien sind bei Erwachsenen eher selten relevant.

Diagnostik

Der wegweisende Befund bleibt die klassische Herzauskultation, bei der ein Grossteil relevanter Klappenvitien festgestellt werden kann. Eine schwere Aortenklappenstenose oder Mitralklappeninsuffizienz werden dadurch selten überhört werden. Hingegen können diastolische Geräusche auskultatorisch wenig eindrücklich sein.
Die Lautstärke des Systolikums sagt nichts über den Schweregrad des Klappenvitiums aus.
Niedrigfrequente Herzgeräusche stellen bei fehlenden Symptomen oder klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz meist keine relevante Pathologie dar, wohingegen jedes hochfrequente Systolikum, jedes Diastolikum und jedes Herzgeräusch mit Herzinsuffizienzsymptomen oder Fieber weiter kardiologisch abgeklärt werden sollte.
Mit der (transthorakalen) Echokardiographie können sämtliche Herzvitien zuverlässig erkannt, die Ätiologie geklärt und die Schwere des Vitiums graduiert werden. Wichtige prognostische Zusatzinformationen wie Funktion, Morphologie und Grösse beider Ventrikel, eine pulmonale Hypertonie sowie Hinweise auf eine Stauung (Vena cava inferior, Pleuraergüsse) werden unkompliziert erfasst. Bei spezifischen Fragestellungen oder ungenügender Bildqualität kann die transoesophageale Echokardiographie Licht ins Dunkel bringen.

Therapie

Die Behandlung richtet sich prinzipiell nach den klinischen Beschwerden, Schweregrad und Pathoanatomie des Vitiums und der linksventrikulären Funktion (13).
In der Regel führen erst schwergradige Klappenvitien zu entsprechenden Symptomen.
Sekundäre Faktoren wie eine tachykarde Herzrhythmusstörung (v.a. Vorhofflimmern), eine Anämie oder eine Infektion können auch mittelschwere Vitien symptomatisch werden lassen. Hier sollte zuerst der sekundäre Faktor verbessert und die medikamentöse Therapie optimiert werden, bevor ein Klappeneingriff diskutiert werden sollte.
Bei polymorbiden und betagten Patienten finden sich häufig mehrere Gründe für eine Dyspnoe, so dass es im Einzelfall schwierig werden kann, eine einzige kausale Ursache zu identifizieren. Hier empfiehlt sich eine pragmatische Herangehensweise.
Primäre, symptomatische Klappenvitien müssen in der Regel durch eine Korrektur der Klappenpathologie therapiert werden – d.h. einer Klappenrekonstruktion oder einem -ersatz. Heutzutage steht eine Vielzahl an klassischen herzchirurgischen wie auch interventionellen Verfahren zur Verfügung, deren Einsatz abhängig von Anatomie, Begleiterkrankungen und Lebensalter ist. Über die für die Patienten am besten geeignete Modalität findet in der Regel eine lebhafte Diskussion im gemeinsamem Rapport der Kardiologie und Herzchirurgie statt.
Sekundäre, symptomatische Vitien verbessern sich oft durch eine Behandlung der Grunderkrankung – so kann beispielsweise bei einer Herzinsuffizienz mit sekundärer Mitralklappeninsuffizienz der Schweregrad und die entsprechende Symptomatik deutlich durch einen Ausbau der medikamentösen Herzinsuffizienztherapie – insbesondere durch eine adäquate Diuretikadosierung und Senkung der Nachlast – verbessert werden. Falls dies nicht zum gewünschten Erfolg führt und die Herzerkrankung noch nicht zu weit fortgeschritten ist, bestehen auch hier chirurgische und interventionelle Therapieverfahren zur Verfügung.
Die aktuellen Richtlinien der European Society of Cardiology geben einen guten Überblick über Behandlungsindikationen und Entscheidungsalgorithmen (13).

Prognose

Unbehandelte schwere Klappenvitien mit Symptomen oder einer linksventrikulären Dysfunktion haben eine schlechte Prognose und sollten frühzeitig behandelt werden. Komplexer wird die Situation bei einem schwergradigem Klappenvitium ohne subjektive Beschwerden: abhängig vom Klappenvitium existieren Evidenz-abgestützte Empfehlungen, ab welchen morphologischen oder klinischen Parametern eine Klappenkorrektur erforderlich ist.

Rhythmogene Dyspnoe-Ursachen

Hintergründe

Eine elektrisch koordinierte Kontraktion des Herzmuskels ermöglicht einerseits die optimale Füllung in der Diastole und andererseits die Entleerung der Ventrikel in der Systole. Zusätzlich wird die Herzaktion durch das vegetative Nervensystem und humorale Faktoren reguliert. Tachy- wie auch bradykarde Rhythmusstörungen können diese Abläufe negativ beeinflussen.

Anamnese

Neben dem Auftreten von Herzinsuffizienzsymptomen können Beschwerden wie schnellere Ermüdbarkeit und Leistungsintoleranz sowie Schwindel, Palpitationen oder Synkopen auftreten.

Diagnostik

12-Kanal-Ruhe-EKG als Basis.
Niedrigschwellig Langzeit-EKG (ein-bis-sieben-Tage-EKG, implantierbare Looprekorder mit Untersuchungszeitraum bis 4,5 Jahre; Abfrage Ereignisspeicher Herzschrittmacher oder Defibrillatoren; künstliche Intelligenz in «wearables»). Belastungs-EKG bei Verdacht auf belastungsinduzierte Arrhythmien.

Tachykarde Rhythmusstörungen

Vorhofflimmern

Vorhofflimmern ist die häufigste Arrhythmie im höheren Lebensalter und führt bei dekompensierter Herzinsuffizienz oft zur Hospitalisation.
Jüngere, aktive Menschen spüren meist unmittelbar eine Leistungseinbusse, hingegen haben ältere PatientInnen häufig nur Symptome bei einer ausgeprägter Tachykardie. Knapp 50% der Betroffenen bemerken keinen unregelmässigen Puls. Daher ist die Anamnese alleine zur Diagnosestellung unzuverlässig, sondern sollte immer mit einem 12-Kanal- oder Langzeit-EKG verifiziert werden.
Bei neudiagnostiziertem Vorhofflimmern empfiehlt sich eine kardiologische Abklärung, um eine strukturelle Herzerkrankung zu suchen und eine spezifische Behandlung einleiten zu können. Die Therapie richtet sich prinzipiell nach den Symptomen und der Herzfunktion. Junge und relativ gesunde Patienten profitieren von einer Rhythmuskontrolle, wobei initial eine Elektrokonversion durchgeführt werden kann und niederschwellig eine interventionelle Ablationsstrategie mit Pulmonalvenenisolation (PVI) evaluiert werden sollte (14).
Langdauerndes unbehandeltes tachykardes Vorhofflimmern kann zu einer dilatativen Kardiomyopathie führen («Tachykardiomyopathie»), die bei optimaler pharmakologischer Therapie mit Rhythmuskontrolle reversibel sein kann.
Bei ausgewählten Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Pumpfunktion kann nach vorheriger medikamentöser Therapieoptimierung eine PVI die Mortalitäts- und Rehospitalisationsrate bis zu 38% senken (15). Ältere Patienten benötigen häufig nur eine gute Herzfrequenzkontrolle, die primär mit einem Betablocker o.ä. erzielt werden kann. Sollte bei Akut-Patienten eine instabile Hämodynamik vorliegen, sind Betablocker kontraindiziert, und es sollte eine Elektrokonversion oder Therapie mit Amiodarone evaluiert werden.
Besteht ein bradykardes Vorhofflimmern oder ein Tachykardie-Bradykardie-Syndrom, kann eine Herzschrittmacherimplantation als Bradykardieschutz und zur Wiederherstellung der Chronotropie nötig werden.
Da ebenfalls das Risiko von cerebralen oder peripheren Embolien erhöht ist, muss bei jedem Patienten ein Screening der Risikofaktoren gemäss CHA2DS2Vasc-Score erfolgen und eine therapeutische Antikoagulation evaluiert werden.

Herzschrittmacher und Dyspnoe

Herzschrittmacher werden bei bradykarden Herzrhythmusstörungen und biventrikuläre Systeme zur kardialen Resynchronisation bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Pumpfunktion eingesetzt (16).
Bei Auftreten von Dyspnoe sind schrittmacherassoziierte von herzkrankheitbedingten Ursachen abzugrenzen. Fehlfunktionen des Schrittmachersystems müssen ausgeschlossen werden, auch wenn dies selten der Fall ist. Der Speicher des Herzschrittmachers kann Auskunft über neue Arrhythmien wie Vorhofflimmern, dem Ausmass ventrikulärer Extrasystolie oder Kammertachykardien, aber auch den prozentualen Anteil der Schrittmacherstimulation geben. Es empfiehlt sich, die programmierten Parameter zu überprüfen und zu adaptieren. Beispielsweise kann der Schrittmacher bei einer suboptimalen Sensoreinstellung das Herzfrequenzverhalten nicht gemäss Aktivitätsniveau des Patienten steuern. Sind die AV- und andere Intervalle unzureichend programmiert, kann der Schrittmacher in höheren Herzfrequenzbereichen einen 2:1-Block mit entsprechender Halbierung der Herzfrequenz induzieren und entsprechende Symptome auslösen.
Wenn hier keine Ursache zu finden ist, sollte eine Echokardiographie neue Klappenvitien, regionale Wandbewegungsstörungen (als Ausdruck eines zwischenzeitlichen Myokardinfarkts) und eine Verschlechterung der Pumpfunktion ausschliessen. Herkömmliche Schrittmachersysteme induzieren eine unphysiologische rechtsventrikuläre Erregung und können dadurch bei häufiger ventrikulärer Stimulation eine Schrittmacher-induzierte Kardiomyopathie auslösen. Nach einer Optimierung der Schrittmachereinstellungen zur Reduktion der ventrikulären Stimulationsrate und einem Ausbau der Herzinsuffizienztherapie kann bei fehlender Verbesserung in einigen Fällen eine Erweiterung auf ein biventrikuläres Schrittmachersystem nötig werden. Neue Therapieansätze wie eine gezielte Stimulation des Reizleitungssystems (17) könnten diese Problematik verbessern, klärende Studien dazu sind jedoch noch ausstehend.

Bradykarde Rhythmusstörungen und chronotrope Inkompetenz

Kann bei einer körperlichen Belastung die Herzfrequenz und damit das Herzzeitvolumen nicht adäquat gesteigert werden, spricht man von einer chronotropen Inkompetenz.
Ursächlich besteht oft eine Sinusknoten-Dysfunktion («Sick-sinus-Syndrom»), die durch altersabhängige Fibrose und Degeneration des Sinusknotens und der Vorhöfe entsteht.
Nicht selten bestehen begleitend auch tachykarde Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern oder atriale Tachykardien, die eine medikamentöse Frequenzkontrolle nötig machen und daher einen häufigen Grund für eine Herzschrittmacherimplantation als Bradykardieschutz darstellen .
Abzugrenzen davon sind extrinsisch verursachte Bradykardien bei beispielsweise Elektrolytstörungen, Hypothyreose, erhöhtem Vagotonus oder iatrogen unter bradykardisierender Therapie. Hier sollte zuerst die Grundproblematik evaluiert und entsprechend behandelt werden.

 

Dr. med. Tobias Höfflinghaus

Klinik Innere Medizin und Kardiologie
Stadtspital Zürich Waid
Tièchestrasse 99
8037 Zürich

tobias.hoefflinghaus@stadtspital.ch

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2. McDonagh T et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2021;00,1-128.
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Pulmonale Dyspnoe

Eine 59-jährige Patientin stellt sich mit zunehmender Anstrengungsdyspnoe seit einigen Monaten vor, sobald sie schnell gehen oder bergaufsteigen müsse, komme sie schnell ausser Atem. Vor mehr als 10 Jahren sei ein Asthma von ihrem damaligen Hausarzt diagnostiziert worden, Vorbefunde liegen keine vor. Die inhalative Therapie mit einem Kortisonpräparat habe sie nur unregelmässig bei störender Heiserkeit (Beruf: Sängerin) angewendet. Husten, Auswurf und rhinokonjunktivitische Beschwerden werden verneint. Geraucht habe sie gelegentlich, allerdings wird eine regelmässige Passivrauch-Exposition beschrieben. Als Jugendliche habe sie Neurodermitis gehabt, bekannte Allergien: Pollen (Gräser, Hausstaubmilben, Hundepithelien). Lungenfunktionell imponiert eine schwere obstruktive Ventilationsstörung ohne vollständige Reversibilität nach Bronchodilatation.

Einleitung

Dyspnoe ist eines der häufigsten Symptome bei Patienten mit akuten und chronischen Lungenerkrankungen. Aufgrund des subjektiven Charakters der Atembeschwerden kann sich die Diagnosestellung als sehr herausfordernd darstellen, dennoch lässt eine genauere «Sprachanalyse» der Dyspnoe Rückschlüsse auf die zugrundliegende Erkrankung des Atmungsorgans zu (2). Erschwerend kann eine multifaktorielle und überlappende Ätiologie auch mit extrapulmonalen Grunderkrankungen hinzukommen. Ähnlich wie beim Schmerz existieren keine wahren objektiven Messparameter der Dyspnoe: Sowohl Atemnot als auch Schmerz werden nur von derjenigen Person wahrgenommen, die sie empfindet. Das Vorliegen von Atemnot hat sich nicht nur bei chronischen pulmonalen Erkrankungen als Mortalitätsprädiktor erwiesen (3), sondern auch bei hospitalisierten Patienten unabhängig von der zugrundliegenden Erkrankung, je ausgeprägter die Atemnot, desto höher das Mortalitätsrisiko (4). Im Gegensatz zur Dyspnoe zeigten Schmerzen, die bei hospitalisierten Patienten standardisiert erhoben werden, in dieser grossangelegten Studie interessanterweise jedoch keinen Zusammenhang mit einem schlechten Outcome. Meistens liegen Dyspnoe kardiale oder pulmonale Ätiologien zu Grunde. Häufige ursächliche pulmonale Erkrankungen sind neben broncho-pulmonalen Infekten: Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Pneumopathie (COPD) und interstitielle Lungenerkrankungen. Das Symptom «Dyspnoe» sollte nicht nur im medizinischen Kontext der pulmonalen Grunderkrankung gewertet werden, sondern ganzheitlich mit seinen Auswirkungen auf die Funktionalität im privaten sowie beruflichen Leben. Folgeerscheinungen wie die Abnahme der körperlichen Aktivität mit konsekutiver Dekonditionierung, Depressionen und Angstzustände sowie eine etwaige Arbeitsunfähigkeit gilt es frühzeitig zu erkennen und im therapeutischen Management zu berücksichtigen.

Definition

Dyspnoe (von altgriechisch δυσ dys ‚schwierig‘ und πνοή pnoe ‚Atmung‘) wird umgangssprachlich auch als Atem- oder Luftnot bezeichnet, ferner werden die Begriffe Atemlosigkeit, Luftnötigkeit, Kurzatmigkeit oder Lufthunger verwendet. In einem Konsensus Statement der American Thoracic Society wurde Dyspnoe als eine «subjektive Wahrnehmung von Atembeschwerden, die sich aus qualitativ unterschiedlichen Empfindungen unterschiedlicher Intensität zusammensetzen» definiert (5). Dabei wurde postuliert, dass dieses subjektive Empfinden «durch das Zusammenspiel mehrerer physiologischer, psychologischer, sozialer und umweltbedingter Faktoren entsteht und sekundäre physiologische und verhaltensbezogene Reaktionen hervorrufen kann». Dyspnoe stellt damit als Sammelbegriff für subjektive, multifaktorielle Atembeschwerden ein komplexes Leitsymptom dar. Zusätzlich besteht eine zeitliche Definition: Akute Dyspnoe entwickelt sich innerhalb von wenigen Minuten bis Stunden, chronische Dyspnoe entsteht über mindestens mehrere Wochen. Des Weiteren muss eine akute Verschlechterung von einer chronischen Dyspnoe («acute-on-chronic») unterschieden werden.

Grundlagen

Pulmonale Dyspnoe kann im Wesentlichen auf Störungen im Gasaustausch und Störungen der Atemmuskelpumpe zurückgeführt werden. Die genaue Pathophysiologie und insbesondere neurophysiologische Zusammenhänge der Dyspnoe sind bis dato nicht abschliessend geklärt, komplexe Interaktionen von multiplen afferenten und efferenten Signalen des zentralen und autonomen Nervensystems führen zu einer Stimulation des zentralen Atemzentrums mit konsekutiver Steigerung der Ventilation sowie resultierenden Atembeschwerden und «Lufthunger» (6). Es wird vermutet, dass Atembeschwerden bei chronischen Lungenerkrankungen durch eine individuelle Anpassung des Grund-Atemmusters durch die zentrale Atemregulation reduziert werden: Patienten mit schwerer obstruktiver Ventilationsstörung atmen tendenziell langsam und tief, wohingegen Patienten mit restriktiven Ventilationsstörungen eine schnelle, flache Atmung aufweisen (7).

Störungen im Gasaustausch

Der pulmonale Gasaustausch findet zwischen den Alveolen und dem Kapillarbett statt und beruht auf einem optimalen Zusammenspiel von Ventilation, Perfusion und Diffusion. Störungen des Gasaustauschs resultieren in einer Hypoxämie (Respiratorische Insuffizienz Typ I, früher Partialinsuffizienz) mit begleitender Normo- oder Hypokapnie. Wichtigste Ursachen sind Verteilungsstörungen mit Ventilations-Perfusions-Inhomogenitäten (z.B. bei obstruktiven Atemwegserkrankungen, Atelektasen), Diffusionsstörungen (z.B. pulmonal-parenchymatöse Erkrankungen, Lungenemphysem) oder pulmonale Rechts-Links-Shunts (z.B. ausgedehnte Pneumonie, Acute Respiratory Distress Syndrom (ARDS), pulmonale AV-Malformationen). CO2 weist eine 25-fach bessere Diffundierbarkeit als O2 auf, daher gibt es keine klinisch relevante diffusionsbedingte CO2-Retention. Sowohl eine Verteilungsstörung als auch eine Diffusionsstörung lassen sich durch Sauerstoffgabe ad hoc verbessern, bei einem signifikanten Rechts-Links-Shunt führt Sauerstoff jedoch nicht zu einer vollständigen Oxygenierung des Bluts. Fortgeschrittene Erkrankungen des Lungenparenchyms führen nicht nur zu einer Verminderung der alveolären Gasaustauschfläche, sondern auch zu einer Abnahme der pulmonalen Perfusion aufgrund einer lokoregionären hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Reflex). Diese zeigt sich in den frühen Stadien unter Sauerstoffsupplementation noch reversibel, in späteren Stadien zeigt sich keine Vasoreagibilität mehr. Die Verminderung des gesamten Lungengefässquerschnittes führt zu einem Anstieg des pulmonalen Gefässwiderstands (Verweis Kapitel Pulmonale Hypertonie) mit Verstärkung das Ventilations-Perfusions-Mismatches.
Störungen der Atemmuskelpumpe
Die Atemmuskelpumpe ist ein komplexes Konstrukt bestehend aus der Atemmuskulatur, dem knöchernen Thorax, der Pleura und den entsprechenden peripheren Nerven. Störungen der Atemmuskelpumpe können zu einer alveolären Hypoventilation und im weiteren Verlauf zu einem hyperkapnischen Pumpversagen führen (respiratorische Insuffizienz Typ II, früher Globalinsuffizienz). Akute oder anhaltende Gasaustauschstörungen z.B. Ventilationsstörungen können infolge der erhöhten Atemarbeit in ein Atempumpenversagen münden. In Ruhe beträgt der Sauerstoffbedarf der Atemmuskulatur ca. 1-2 % der gesamten Sauerstoffaufnahme (VO2), unter körperlicher Belastung kann dieser bei Gesunden auf bis zu 10% ansteigen, bei Patienten mit fortgeschrittener COPD werden diese Werte aufgrund der erhöhten Atemarbeit bereits in Ruhe überschritten (8). Die Berechnung des arterio-alveolären Gradienten (A-a Gradient) kann zur Differenzierung einer Hypoxämie bei begleitender Hyperkapnie beitragen. Ein normwertiger A-a Gradient liegt bei prädominierender Hypoventilation vor, ein erhöhter Quotient zeigt sich bei Diffusionsstörungen oder Verteilungsstörungen, Normalwerte unter Raumluft können anhand des Alters geschätzt werden (siehe Abb.1) (9). Häufig bestehen allerdings Mischformen einer kombinierten Gasaustauschstörung mit begleitender alveolärer Hypoventilation, ein normwertiger A-a Gradient kann jedoch eine relevante Diffusions- und Verteilungsstörung ausschliessen. Klassische Ursachen, die Störungen der Atemmuskelpumpe bedingen, sind neuromuskuläre Erkrankungen, z.B. Myopathien/Muskeldystrophien und anatomische Deformationen mit Einschränkungen der Atemmechanik, z.B. Kyphoskoliose, Zwerchfellhochstand.

Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung

Im Rahmen der Erstvorstellung bei Dyspnoe müssen zunächst der Schweregrad und der Verlauf der Symptomatik erhoben werden. In einem ersten Schritt sollte eine potentiell lebensbedrohliche Symptomatik mit drohender respiratorischer Erschöpfung von nicht akut vital gefährdenden Beschwerden unterschieden und bei Bedarf medizinische Sofortmassnahmen eingeleitet werden. Kardiale Ursachen und Lungenarterienembolien müssen differentialdiagnostisch immer bei Dyspnoe, jedoch insbesondere bei akutem Beschwerdebild, in Betracht gezogen werden. In einem zweiten Schritt empfiehlt es sich, die zeitliche Entwicklung zu erfassen: Sind die Atembeschwerden akut oder chronisch? Zeigt sich ein schleichend progredienter oder ein chronischer Verlauf mit aktuell akuter Verschlechterung? Somit kann besser differenziert werden, ob es sich um die Erstmanifestation einer neuen bzw. einer bis dato noch nicht diagnostizierten Erkrankung (z.B. Asthma bronchiale) oder um eine Verschlechterung einer vorbekannten Grunderkrankung handelt (z.B. Infektexazerbation einer interstitiellen oder obstruktiven Pneumopathie). In einem dritten Schritt schliesst sich die ausführliche pulmonale Anamnese an, die «Sprache der Dyspnoe» und respiratorische Begleitsymptome lassen mitunter Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Erkrankung zu (siehe Tabelle 2). Zur besseren Einschätzung der Intensität der Dyspnoe können die Borg-Skala (Von 0 keine Beschwerden bis 10 maximale Beschwerden) oder modified medical Research Council (mMRC) Skala (10) eingesetzt werden (siehe Tabelle 1), letztere erleichtert eine semiquantitative Einordnung der Alltagsbeeinträchtigung der Patienten. Anschliessend sollte eine extrapulmonale Systemanamnese mit Erfassung der inhalativen Noxen, Berufs- und Freizeitanamnese, Familienanamnese und die aktuelle Medikation erfasst werden.
Die körperliche Untersuchung und die Erfassung der Vitalparameter (Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck, Puls, periphere Sauerstoffsättigung, Körpertemperatur) stellen einen weiteren wichtigen Baustein der initialen Diagnostik dar. Die subjektive Empfindung «Dyspnoe» kann zusätzlich anhand von klinischen Zeichen objektiviert werden: z.B. Tachypnoe, Sprechdyspnoe, Stridor, paradoxe Atmung, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, Lippenbremse, respiratorische Einziehungen der Interkostalräume. Neben dem kardiopulmonalen Auskultationsbefund tragen Beurteilung der Thoraxkonfiguration, Volumenstatus, Trommelschlegelfinger, Hautkolorit, Gewicht, Hautveränderungen, Gelenkbeschwerden, Schluckbeschwerden, Muskelatrophie wesentlich zur differentialdiagnostischen Einordnung bei (siehe Schema). Dennoch korrelieren die klinischen Befunde häufig nur unzureichend mit der Symptomatik und mit dem Schweregrad der pulmonalen sowie globalen Funktionseinschränkung, sodass weitere Untersuchungen notwendig werden.

 

Basisdiagnostik

Je nach klinischem Bild empfiehlt sich eine Blutentnahme (Anämie als Ursache der Dyspnoe?, Polyglobulie als Hinweis für eine bereits länger andauernde Hypoxämie?, Leukozytose als Hinweis für eine Entzündung?) inkl. Differentialblutbild (Granulozytose als Hinweis für eine bakterielle Entzündung? Lymphozytose als Hinweis für eine virale/autoimmune Entzündung?, Eosinophilie als Hinweis für ein eosinophiles Asthma bronchiale oder eosinophile pulmonale Erkrankung?) sowie des CRP, der Elektrolyte, der Nieren- und Leberfunktionswerte. Zusätzlich können bei klinisch nicht eindeutiger pulmonaler Genese der Beschwerden die Bestimmung des Troponin, des NT-proBNP und die D-Dimere zur weiteren differentialdiagnostischen Aufarbeitung beitragen. Eine aktuelle prospektive Studie konnte beispielsweise aufzeigen, dass bei COPD-Patienten mit einer akuten hospitalisations-bedürftigen respiratorischen Verschlechterung anhand einer systematischen Diagnostik bei bis zu 5% der Fälle eine Lungenarterienembolie diagnostiziert werden konnte, bestand klinisch der Verdacht auf eine Lungenembolie, lag die Prävalenz sogar bei 10% (11).
Im EKG können sich nicht nur Hinweise für eine myokardiale Ischämie oder Linksherzpathologie ergeben, sondern auch indirekte Zeichen einer akuten Rechtsherzbelastung (SIQIII-Typ bei Lungenarterienembolie) oder einer chronischen Rechtsherzbelastung im Sinne eines Cor pulmonale auffällig werden (Sokolow Index, Rechtsschenkelblock,
p Pulmonale, Rechtslagetyp). Grundsätzlich sollte bei jedem Patienten mit Dyspnoe eine konventionelle Röntgen-Thorax-Untersuchung in zwei Ebenen erfolgen, Ausnahmen sind beispielsweise junge Patientinnen mit klassischen Befunden eines Asthmas und gutem Therapieansprechen auf Inhalativa. Bei fehlendem Therapieansprechen oder uneindeutigen Befunden sollte die Diagnose eines Asthmas jedoch immer kritisch hinterfragt und um eine Bilddiagnostik erweitert werden (GINA Guidelines 2022).
Zu einer ersten Standortbestimmung hinsichtlich einer Ventilationsstörung (Obstruktion, Restriktion) eignet sich die Spirometrie. Sie dient zur Erfassung der dynamischen Atemvolumina und des Tiffeneau-Index (Forcierte Einsekunden-Kapazität FEV1/Forcierte Vitalkapazität FVC), zudem kann der Spitzenfluss (Peak Exspiratory Flow, PEF) bestimmt werden (Abb. 2). Die diagnostische Aussagekraft hängt jedoch entscheidend von der Untersuchungsqualität ab, da die Atemmanöver stark mitarbeitsabhängig sind und eine entsprechende Expertise des Untersuchers benötigt wird. In den aktualisierten Leitlinien zu Standardisierung der Spirometrie wurden neben den technischen Kriterien für Akzeptabilität und Reproduzierbarkeit, auch neu Kriterien zur klinischen Verwendbarkeit (Usability) definiert (12). Untersuchungen, die formal die Akzeptabilitätskriterien nicht erfüllen, können sich trotzdem als klinisch brauchbar erweisen. Die Spirometrie ist der Goldstandard zur Diagnose einer obstruktiven Ventilationsstörung, zudem kann der Schweregrad der Obstruktion erhoben und ein Therapieansprechen mittels konsekutiver Messungen beurteilt werden. Der Kurvenverlauf im Fluss-Volumen-Diagramm kann zudem Hinweise für intra- oder extrathorakale Stenosen als weitere Ursache von Dyspnoe ergeben (Abb. 3). Eine restriktive Ventilationsstörung hingegen darf spirometrisch bei verminderten dynamischen Atemvolumina nur vermutet werden. Für die Diagnose einer restriktiven Ventilationsstörung wird die Messung der totalen Lungenkapazität (TLC) gefordert, sollten sich in der Spirometrie Hinweise für eine restriktive oder gemischt restriktive-obstruktive Ventilationsstörung ergeben, wird deswegen eine weiterführende pneumologische Diagnostik mittels Bodyplethysmographie und Messung der Diffusionskapazität empfohlen. Bis dato wurde ein pathologischer Grenzwert anhand fester Prozentangaben bezogen auf den Sollwert definiert. Dabei wurde jedoch die Streubreite der Normalwerte nicht berücksichtigt. Die Lungenfunktionswerte gesunder Probanden weisen eine Normalverteilung auf, mittels Perzentilen kann ein Untersuchungsresultat in Bezug zur statistischen Verteilung des Parameters auf der Normalverteilungskurve gesetzt werden (Abb. 5). Als unterer Grenzwert (Lower Limit of Normal, LLN) wurde die 5. Perzentile definiert, entsprechend 1,645 Standardabweichungen vom Sollmittelwert (= Z-Score) (13). Mit zunehmendem Alter nimmt die natürliche Streuung der Messwerte zu und die LLN entsprechend ab. Fixe Grenzwerte führen damit in höherem Alter zu einer Überdiagnose von Ventilationsstörungen, in jüngerem Alter zu einer Unterdiagnose. Generell gilt es jedoch zu beachten, dass die erhobenen Messparameter immer individuell und im Rahmen des klinischen Kontexts zu werten sind, formal noch normale Werte können für den Einzelnen bereits pathologisch sein. Wichtiger als der Vergleich mit der Normalpopulation, sind somit intraindividuelle Verlaufsmessungen.

Erweiterte Diagnostik

Bildgebung

Bei auffälligem Röntgen-Thorax mit z.B. interstitieller Zeichnungsvermehrung, malignomsuspekten Befunden, unklaren oder persistierenden Infiltraten, Emphysemaspekt oder Mediastinalverbreitung sollte eine Computertomographie des Thorax erfolgen. Bei diskonkordanten Befunden von Klinik und unauffälligem Röntgen-Thorax kann eine CT-Untersuchung eine konventionell-radiologisch nicht detektierte interstitielle Lungenerkrankung aufdecken bzw. Hinweise für eine anderweitige Ursache der Dyspnoe geben z.B. indirekte Zeichen einer pulmonalen Hypertonie. Besteht konventionell röntgenologisch bereits der Verdacht auf eine interstitielle Pneumopathie sollte eine native hoch auflösende (High-Resolution, HR) CT-Thorax-Untersuchung angefordert werden, da eine i.v. Kontrastmittelgabe die Bildmorphologie des Lungenparenchyms verändern und damit z.B. die radiologische Beurteilung von Milchglasinfiltraten (Ground Glass Infiltrate) erschweren kann (14). Bei Verdacht auf ein Malignom ist die Kontrastmittelgabe allerdings zur Einordnung der pulmonalen Raumforderung und Beurteilung der Lymphadenopathie obligat. Sollte sich die Frage nach einer Beteiligung der kleinen Atemwege («Small Airway Disease», z.B. bei Bronchiolitis, Hypersensitivitätspneumonitis) stellen, ist es hilfreich In- und Exspirationsaufnahmen durchführen zu lassen. Ein Vergleich der Bildmorphologie in In- und Exspiration kann gefangene Luft (Air Trapping) bei in Exspiration zunehmend hypodensen Lungenarealen zur Darstellung bringen. Generell gilt, je mehr klinischen Angaben und je dezidierter die Fragestellung an die KollegInnen der Radiologie, desto aussagekräftiger die radiologische Befundung.
Die Thoraxsonographie hat insbesondere «bedside» bei akuter Dyspnoe ihren Stellenwert als schnell verfügbare, nicht-strahlenbelastende und in geübten Händen sehr differenzierte Bildgebung erwiesen. Sie stellt die Methode der Wahl zur Detektion von Pleuraergüssen dar und eignet sich zur Darstellung von Pneumothoraces, pulmonalen Infiltraten, Lungeninfarkten und eines Lungenödems (15). Sonographisch können bereits 5 bis 10 ml Pleuraerguss detektiert werden, wohingegen konventionell radiologisch Ergussmengen erst ab 200 ml dargestellt werden können (16). Beurteilt werden können zusätzlich die Echogenität der pleuralen Flüssigkeit incl. die Darstellung von Septen, angrenzende pleurale Verdickungen. Begleitend kann eine Einschränkung der Zwerchfellbeweglichkeit als weitere Differentialdiagnose von Atembeschwerden erhoben werden. Zudem können als erweiterte Diagnostik bei Atembeschwerden grob orientierend die kardiale Pumpfunktion incl. der Volumenstatus anhand der Darstellung der Vena Cava inferior eingeschätzt sowie ein hämodynamisch relevanter Perikarderguss untersucht werden.

Funktionelle Diagnostik

Die Spiroergometrie eignet sich nicht nur zur Objektivierung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit, sondern stellt auch ein hervorragendes Instrument zur Differenzierung hinsichtlich ventilatorischer, pulmonalvaskulärer und kardialer Limitierungen der Leistungsfähigkeit dar.
(Abb. 6, Auszüge der Spiroergometrie der 59-jährigen Patientin (Fallvignette)). Neben der klassischen Leistungsdiagnostik, sind Dyspnoe und Leistungsintoleranz die klassischen Indikationen zur Durchführung einer Spiroergometrie. Zur Beurteilung pulmonaler Grunderkrankungen sind neben der Messung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) insbesondere die Messung der Ventilation, der arteriellen Blutgase, der Atemäquivalente und der dynamischen Lungenvolumina unter Belastung relevant. Ferner kann die Diagnose eines Anstrengungsasthmas mittels Spirometrien nach der Belastungsphase gestellt werden (Statement Exercise Induced Asthma). Weitere Indikationen sind die Beurteilung der Operabilität vor pulmonalen Resektionen und die Beurteilung der Ateminvalidität im Rahmen der pneumologischen Arbeits­medizin.

Erweiterte Labordiagnostik

Bei begleitenden Hinweisen für eine rheumatologische Systemerkrankung im Rahmen der Abklärungen der Dyspnoe kann eine erweiterte serologische Diagnostik zur differentialdiagnostischen Einordnung beitragen. Interstitielle Pneumopathien können bereits vor der rheumatologischen Grunderkrankung manifest werden. So wird in der Schweiz, entsprechend den internationalen Leitlinien, bei Erstdiagnose einer ILD sowie erneut im Verlauf bei neuen klinischen Aspekten, die Bestimmung von antinukleären Antikörpern (ANA), Rheumafaktoren (RF), anti-zyklisches citrulliniertes Peptid (anti-ccP) empfohlen. Stellen sich bei Erstdiagnose einer Pneumopathie bereits Hinweise für eine Autoimmunerkrankung, sollte das serologische Screening ausgeweitet werden (17).

Schlafdiagnostik

Schlafbezogene Atemstörungen sind weitere Differentialdiagnosen der Dyspnoe bzw. können diese verstärken. Ergeben sich klinisch, lungenfunktionell und bildmorphologisch keine Hinweise für eine pulmonale Ursache der Dyspnoe, kann die Durchführung einer nächtlichen Pulsoxymetrie oder Polygraphie erwogen werden. Neben der obstruktiven Schlafapnoe gilt es auch eine nächtliche Hypoventilation auszuschliessen, insbesondere bei Nachweis einer Hyperkapnie oder eines erhöhten Bikarbonats
(≥ 27 mmol/l) am Tag nach Ausschluss anderer Ursachen der Hypoventilation (18).

Ausgewählte Krankheitsbilder

 

In den folgenden Abschnitten werden ausgewählte Krankheitsbilder vorgestellt, die sich klassischerweise mit Dyspnoe äussern können. Schwerpunktmässig werden dabei die klinische Präsentation der Dyspnoe sowie deren Ursachen ausgeführt und orientierende Grundzüge der Diagnostik und Therapie dargelegt. Auf Atembeschwerden im Rahmen broncho-pulmonaler Infekte, infolge pulmonaler Malignome oder Atemwegsstenosen wird explizit nicht eingegangen und auf die entsprechende Literatur verwiesen.

Asthma und COPD

Sowohl Asthma als auch COPD können sich primär mit Dyspnoe äussern. Beide Erkrankungen zeichnen sich durch eine Atemwegsobstruktion aus. Dyspnoe bei Asthma variiert definitionsgemäss in Intensität und Häufigkeit, wohingegen sich die Symptomatik bei COPD typischerweise durch eine Persistenz mit Progredienz auszeichnet. Dyspnoe bei COPD wird klassischerweise als Empfindung einer vermehrten Atemarbeit, eines Schweregefühls im Brustkorb, eines Lufthungers oder als Keuchen beschrieben (19). Asthma äussert sich selten mit isolierter Dyspnoe, häufige begleitende respiratorische Symptome sind ein thorakales Engegefühl, Giemen, Husten und die Symptome zeigen häufig eine nächtliche/frühmorgendliche Verschlechterung. Zudem werden meist Auslöser der Atembeschwerden beschrieben (z.B. Allergene, Kälte, Sport, virale Infekte, Stress). Das Alter bei Erstmanifestation und Expositionsanamnese können zusätzlich zur Differenzierung der beiden Erkrankungen beitragen. Die charakteristische variable Atemwegsobstruktion bei Asthma kann im späteren Verlauf der Erkrankung persistieren («fixierte Obstruktion»), insbesondere bei älteren Patienten und Rauchern wird damit eine Unterscheidung zur chronisch obstruktiven Pneumopathie (COPD) erschwert. Ein überlappendes Vorliegen von Asthma und COPD (Asthma-COPD Overlap) zeichnet sich durch eine persistierende Atemwegsobstruktion mit klinischen Merkmalen eines Asthmas und einer COPD aus (siehe Fallvignette). Normale Alterungsprozesse der Atemwege und des Lungenparenchyms weisen einige strukturelle Gemeinsamkeiten mit der COPD auf, eine Abnahme der FEV1 und des Tiffeneau-Index im Alter sind per se nicht pathologisch und sollten immer im klinischen Kontext gewertet werden (siehe Kapitel Basisdiagnostik). Sowohl die Diagnose eines Asthmas als auch der COPD erfordern neben der passenden Klinik den lungenfunktionellen Nachweis einer Atemwegsobstruktion. Zusätzlich wird beim Asthma der Nachweis einer signifikanten lungenfunktionellen Reversibilität in der Spirometrie (FEV1 > 12% und 200 ml) bzw. tägliche Variabilität im Peak-Flow (PEF > 10%) gefordert, eine positive Reversibilitätstestung oder bronchiale Hyperreagibilität schliessen eine COPD jedoch nicht aus. Eine Beteiligung des Lungenparenchyms liegt beim Asthma klassischerweise nicht vor, sodass eine Einschränkung der Diffusionskapazität auf eine COPD mit begleitenden emphysematösen Veränderungen hinweist.
Die Therapie des Asthmas ist primär antiinflammatorisch, wohingegen die Therapie der COPD zunächst auf eine
Bronchodilatation mit Verminderung der gefangenen Luft und Steigerung der inspiratorischen Kapazität abzielt. Doch auch bei Patienten mit COPD kann eine antiinflammatorische Therapie insbesondere bei rezidivierenden Exazerbationen als Korrelat einer chronischen Atemwegsentzündung indiziert sein. Dennoch bestehen noch viele offene Fragen hinsichtlich der optimalen Therapie. Eine individualisierte Therapie, angepasst an die funktionelle Einschränkung, prädominierende Symptomatik, Komorbiditäten sowie Biomarker (z.B. Eosinophilenzahl) wird sich zukünftig bei beiden Erkrankungen noch etablieren müssen.

Interstitielle Pneumopathien

Dyspnoe infolge Lungenparenchymerkrankungen äussert sich primär unter körperlicher Belastung, häufig besteht ein begleitender trockener Husten. Interstitielle Pneumopathien stellen ein sehr heterogenes Krankheitsbild dar. Der zeitliche Verlauf der Atembeschwerden und die Begleitsymptomatik helfen bei der differentialdiagnostischen Einordnung. So wird beispielsweise zwischen akuten (organisierende Pneumonie (OP), akute interstitielle Pneumopathien wie der Respiratorischen Bronchiolitis-ILD (RB-ILD), der desquamativen interstitiellen Pneumopathie (DIP) und der pulmonalen Langerhanshistiozytose kann die Diagnose allein anhand der Raucheranamnese und der CT-graphischen Bildmorphologie gestellt werden. Pulmonale Parenchymveränderungen führen zu einer verminderten Lungen-Compliance mit Einschränkung der inspiratorischen Kapazität und zu einer Einschränkung des alveolo-arteriellen Gasaustauschs, die Veränderungen äussern sich meist zunächst nur unter Belastung. Eine belastungsinduzierte Desaturation im Rahmen eines 6-Minuten-Gehtests kann somit frühzeitige Hinweise für eine interstitielle Pneumopathie geben.
Die Therapie der ILD richtet sich prinzipiell nach der Klassifikation, kausale Therapien bestehen bei den meisten Formen jedoch nicht und neue antifibrotische Therapien sind nur bei ausgewählten Entitäten indiziert. Die korrekte Diagnose ist von zentraler Bedeutung, eine interdisziplinäre Herangehensweise ist dabei erforderlich.

Fazit

Dyspnoe ist eines der häufigsten Symptome bei Lungenerkrankungen, eine genaue Charakterisierung der Atembeschwerden sowie Erhebung der Begleitsymptomatik sind essentiell und wegweisend. Die Spirometrie eignet sich zur initialen Standortbestimmung und Schweregradeinteilung, dabei korreliert der Schweregrad der pulmonalen Funktionseinschränkung häufig nicht mit dem klinischen Bild. Eine erweiterte Diagnostik und insbesondere bildgebende Verfahren helfen bei der differentialdiagnostischen Einordnung. Eine multifaktorielle Genese der Dyspnoe ist häufig. Eine ganzheitliche Therapie zur Erhaltung der körperlichen Aktivität sowie der Funktionalität im Alltag sollte angestrebt werden.
Fallvignette: Im Rahmen der erweiterten Diagnostik zur Abklärung der schweren obstruktiven Ventilationsstörung (Abb. 4) zeigten sich sowohl das Gesamt-IgE als auch die Eosinophilen normwertig, die Diffusionskapazität war leichtgradig eingeschränkt. CT-graphisch kamen Zeichen einer milden chronischen Bronchitis mit leichtgradigem Air-Trapping sowie geringgradigen emphysematischen Veränderungen zur Darstellung. Ein Asthma-COPD-Overlap wurde diagnostiziert und eine inhalative Kombinationstherapie (ICS/LABA + LAMA) begonnen. Im Rahmen einer Spiroergometrie zur Objektivierung der Leistungseinschränkung zeigte sich eine noch leichtgradige Einschränkung der globalen Leistungsfähigkeit bei schwerer atemmechanischer Limitation (maximale Sauerstoffaufnahme 69% v. Soll), zur Verbesserung der Funktionalität wurde eine ambulante pulmonale Rehabilitation initiiert.

 

Dr. med. Laura C. Mayer

Oberärztin
Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Laura.Mayer@usz.ch

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Zusätzlich:
Global Initiative for Asthma. Global Strategy for Asthma Management and
Prevention, 2022. www.ginasthma.org
Global Strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic
obstructive pulmonary disease, 2022. www.goldcopd.org

Fokusthema Dyspnoe – eine Einführung

Definition, Epidemiologie und Prognose

Gemäss der American Thoracic Society leidet jede vierte Patientin in der hausärztlichen Praxis und jeder zweite hospitalisierte Patient in irgendeiner Weise an Dyspnoe. Diese Zahlen greifen vermutlich etwas hoch. Die Erfahrung von vermutlich uns allen bestätigt aber: Dyspnoe ist eines der häufigsten und zugleich eines der kompliziertesten Symptome. Die breit gefasste Definition – als Dyspnoe wird jede Form einer unangenehm empfundenen Atmung bezeichnet (1) – macht Atemnot in besonderem Masse zu einem sehr subjektiven Symptom: „dyspnea per se can only be perceived by the person experiencing it“. Dyspnoe muss daher in der Anamnese immer auch ganz konkret erfragt werden.
Abbildung 1 gibt eine Übersicht über die Häufigkeit von Diagnosen, die bei Patient*Innen mit Dyspnoe auf der Notfallstation gestellt werden: Ätiologisch stehen im klinischen Alltag kardiale und pulmonale Ursachen klar im Vordergrund. Unklare Fälle sind die Ausnahme. Bei Patient*Innen > 50 Jahre ist zudem die Schnittmenge zwischen kardiorespiratorischen Krankheiten, Angst- und depressiven Erkrankungen und Adipositas gross: in zwei Dritteln aller Fälle findet sich dann mehr als nur eine Ursache der Dyspnoe (3). Dies wird auch durch die folgenden Zusammenhänge anschaulich illustriert: Ältere Patient*Innen haben eine hohe Prävalenz von Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF). Dieses Syndrom – früher auch als «diastolische» Herzinsuffizienz bezeichnet – beinhaltet eine Vielzahl von Mechanismen, die zu Dyspnoe führen können: Neben der erwähnten diastolischen Dysfunktion spielen dabei eine reduzierte systolische oder diastolische funktionelle Reserve, eine chronotrope Inkompetenz, ein erhöhter pulmonaler Widerstand, eine erniedrigte periphere Sauerstoffverwertung, Dekonditionierung, Übergewicht, u.v.m. eine relevante Rolle (4).
Atemnot ist aber auch ein Surrogatmarker für die Mortalität und damit ein prognostischer Marker: Patient*Innen, die mit Dyspnoe ins Krankenhaus eintreten, haben ein deutlich höheres Risiko, zu versterben, als Patienten ohne Atemnot (5). Bei Patient*Innen mit einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit ist das subjektive Ausmass der Atemnot sogar der bessere Prädiktor für die Mortalität als die objektivierbare lungenfunktionelle Einschränkung (6).

Zur Diagnose kommen

Auch wenn sich alleine aus der Qualität der Dyspnoe – z.B. Engegefühl, Lufthunger, Erstickungsangst – keine guten Rückschlüsse auf die Ursache ziehen lassen (7), so hat die Synthese aus genauer Anamnese und fokussierter klinischer Untersuchung einen herausragenden Stellenwert. Nach wie vor kann damit die überwiegende Mehrheit aller Diagnosen gestellt werden – dies gilt auch für Patient*Innen mit Dyspnoe (8-10). Spezifische apparative Tests und ausgewählte Zusatzmodalitäten unterstützen dabei: Mit der Beurteilung der Resultate aus Blutbild, Labor und Bildgebung werden dann die initial gestellten Arbeitshypothesen im Diagnoseprozess bestätigt oder verworfen (11).
Der umgekehrte Ansatz ist hingegen bedeutungslos: mit isolierten Laboruntersuchungen zum Beispiel werden keine Diagnosen gestellt. Wie bereits andernorts erwähnt (12, 13), kann das Resultat jedes medizinischen Tests ohne Berücksichtigung der Vortestwahrscheinlichkeit nicht korrekt interpretiert werden: Bei sehr hoher Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Krankheit handelt es sich so selbst bei einem sehr guten (d.h. sehr sensitiven) Test im Falle eines negativen Resultates um ein falsch-negatives Resultat: Liegt klinisch eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit für eine akute Herzinsuffizienz vor, ist der zusätzliche diagnostische Wert von natriuretischen Peptiden von limitierter Bedeutung. Auch tiefe Werte sind dann mit Vorsicht zu interpretieren (14, 15). Ganz generell kann damit gesagt werden, dass die Wertigkeit apparativer Untersuchungen für die Bestätigung bzw. den Ausschluss einer Diagnose im probabilistischen Prozess der klinischen Entscheidungsfindung überschätzt wird (16).
Eine entscheidende Rolle im Diagnoseprozess spielen zudem kognitive Fehler und Fallstricke (engl. Bias). Auf eine breite Abhandlung dieser Prozesse verzichten wir hier mit Verweis auf die einschlägige Literatur (17).
Erwähnen, da für den diagnostischen Prozess entscheidend, möchten wir aber kurz die folgenden Fallstricke:
i) der Anker (engl. anchoring), der durch das selektive Hervorheben gewisser Charakteristika gesetzt wird, exem­plarisch bei der Patientenvorstellung: Der 80-jährige Raucher mit Dyspnoe löst andere Assoziationen und diagnostische Überlegungen aus als die 35-jährige Schwangere; ii) der ascertainment bias, der uns dazu verleitet, aus ­Anamnese, Untersuchungsbefunden und Testresultaten diejenigen Befunde herauszusuchen, welche unsere Hypothese bestätigen (kurz: wir sehen das, was wir sehen möchten); iii) der availability bias, aufgrund dessen wir die Wahrscheinlichkeit einer Krankheit höher schätzen, wenn sie uns schneller in den Sinn kommt («Verfügbarkeitsheuristik») und schliesslich iv) das premature closure, also das vorzeitige Stoppen des diagnostischen Prozesses ohne
Berücksichtigung weiterer Diagnosen. Das letzte Phänomen wird v.a. unter Zeitdruck, z.B. bei der Arbeit auf der Notfallstation beobachtet. Anhand des Beispiels einer Pa­tientin, die sich während der COVID-Pandemie mit Dyspnoe, Fieber und pulmonalen Groundglass-Opazitäten vorstellt, können diese Fallstricke eindrücklich veranschaulicht werden (11). Die Patientin wird – vermutlich vorschnell – mit einer SARS-CoV2-Pneumonie diagnostiziert. Das wichtige Engramm dazu lautet: Es gibt immer eine Differentialdiagnose.

Dyspnoe: ein weites Feld

Der Dyspnoe und ihrer breiten Differentialdiagnose ist diese Umschau gewidmet. Expert*Innen beleuchten das Thema Atemnot aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Die zehn Artikel dieses Monographs haben dabei ein gemeinsames Ziel: die Vermittlung von möglichst praxisrelevanten Aspekten im Zusammenhang mit Atemnot. Die Artikel beginnen deshalb mit einer kurzen Zusammenfassung oder einer klinischen
Vignette. Engramme, Algorithmen und konkrete Empfehlungen für Diagnostik und Therapie stehen bewusst vor komplexen pathophysiologischen Grundlagen. Die Evidenz aus der publizierten Literatur wird dabei persönlich gefärbt und ergänzt durch die Expertenmeinung der Autor*Innen. Damit gibt sich ein buntes Kaleidoskop der Dyspnoe, ihrer Ursachen, von differentialdiagnostischen Überlegungen und therapeutischen Optionen. Diskutiert werden die wichtigsten Organsysteme, rehabilitativmedizinische Ansätze und palliative Konzepte.
Allen Autor*Innen möchten wir unseren herzlichen Dank für die aufgewendete Zeit beim Erstellen der einzelnen Beiträge und das Teilen ihrer Expertise aussprechen. Das erfolgreiche Gelingen dieses Themenheftes wäre ohne das grosse Engagement nicht möglich gewesen. Ihnen, geschätzte Leser*Innen, wünschen wir viel Vergnügen und eine anregende Lektüre!

Prof. Dr. med. Lars Christian Huber

Klinik Innere Medizin
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich, Schweiz

lars.huber@stadtspital.ch

PD Dr. med. Mattia Arrigo

Klinik Innere Medizin
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich, Schweiz

mattia.arrigo@uzh.ch

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2. Kelly AM, Keijzers G, Klim S, Graham CA, Craig S, Kuan WS, et al. An Observational Study of Dyspnea in Emergency Departments: The Asia, Australia, and New Zealand Dyspnea in Emergency Departments Study (AANZDEM). Acad Emerg Med. 2017;24(3):328-36.
3. Sandberg J, Ekstrom M, Borjesson M, Bergstrom G, Rosengren A, Angeras O, et al. Underlying contributing conditions to breathlessness among middle-aged individuals in the general population: a cross-sectional study. BMJ Open Respir Res. 2020;7(1).
4. Shah AM, Pfeffer MA. The many faces of heart failure with preserved ejection fraction. Nat Rev Cardiol. 2012;9(10):555-6.
5. Stevens JP, Dechen T, Schwartzstein RM, O‘Donnell CR, Baker K, Banzett RB. Association of dyspnoea, mortality and resource use in hospitalised patients. Eur Respir J. 2021;58(3).
6. Nishimura K, Izumi T, Tsukino M, Oga T. Dyspnea is a better predictor of 5-year survival than airway obstruction in patients with COPD. Chest. 2002;121(5):1434-40.
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9. Mulrow CD, Lucey CR, Farnett LE. Discriminating causes of dyspnea through clinical examination. J Gen Intern Med. 1993;8(7):383-92.
10. Paley L, Zornitzki T, Cohen J, Friedman J, Kozak N, Schattner A. Utility of clinical examination in the diagnosis of emergency department patients admitted to the department of medicine of an academic hospital. Arch Intern Med. 2011;171(15):1394-6.
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12. Speich R. [Diagnostic process in internal medicine: decision analysis or intuition?]. Schweiz Med Wochenschr. 1997;127(31-32):1263-79.
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17. Kahneman D. Thinking, Fast and Slow. London, UK: Penguin; 2012.

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Tumoren des vorderen Mediastinums

Tumoren des vorderen Mediastinums konfrontieren die behandelnde Ärztin und den behandelnden Arzt mit einer Fülle an Differenzialdiagnosen, die sich aber mit klar definierten, klinischen Informationen häufig relativ einfach und zügig eingrenzen lassen.
Heeb et al. zeigen in dieser Ausgabe der «Praxis» den diagnostischen und therapeutischen Weg eines eigentlich gutartigen Tumors des vorderen Mediastinums, der aber aufgrund seiner Grösse, des Entartungspotenzials und der bis zur Resektion noch nicht definitiven Diagnose chirurgisch entfernt werden musste [1].
Tumoren des vorderen Mediastinums lassen sich im Alltag auf Thymome, Lymphome, Schilddrüsentumoren, Keimzelltumoren und Teratome reduzieren [2]. Wenn Geschlecht, Alter und Symptome in die Differenzialdiagnose miteinbezogen werden, ergeben sich klare Muster: Patientinnen und Patienten über 40 Jahre haben meistens entweder ein Thymom oder eine Struma. Frauen unter 40 weisen am häufigsten ein Hodgkin- oder Non-Hodgkin- Lymphom auf, das entsprechend von B-Symptomen begleitet wird. Danach kommen in absteigender Reihenfolge das Thymom, das Teratom, eine Struma und am seltensten non-seminomatöse Keimzelltumoren in Frage. Bei Männern unter 40 Jahren ist vor allem die Geschwindigkeit der Symptom-Entwicklung wichtig: Thymome und Teratome sind häufig asymptomatisch, während non-seminomatöse Keimzelltumoren und lymphoblastische Non-Hodgkin-Lymphome sich innerhalb von Tagen bis Wochen manifestieren. Abbildung 1 gibt einen groben Überblick zur klinischen Differenzialdiagnose bei Patientinnen und Patienten mit Tumoren des vorderen Mediastinums, selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Gerade im Fall von möglichen Thymomen oder wie im vorliegenden Fall von Heeb et al. bei einem Teratom-Verdacht ist die Chirurgie häufig der erste und einzige Schritt zur invasiven Diagnostik und gleichzeitig auch zur Therapie [3, 4]. Obwohl bei kleineren Tumoren heutzutage meistens minimal-invasiv operiert werden kann, bedingen Tumorgrösse und die Sicherung von zentralen vaskulären Strukturen wie bei Heeb et al. eine offene Resektion [3, 5].
Tumoren des vorderen Mediastinums faszinieren von Anfang an, zuerst mit unspezifischen Symptomen und zum Schluss nach der Resektion mit einer histologisch seltenen Entität – wie einem reifen Teratom mit allen drei Keimblättern.

PD Dr. med. Claudio Caviezel

Klinik für Thoraxchirurgie, Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100, 8091 Zürich

claudio.caviezel@usz.ch

Seltene Diagnose für einen Patienten mit Schulterschmerzen: reifes Teratom des Mediastinums

Dank gewissenhafter Abklärung in der hausärztlichen Sprechstunde und Zuweisung zu einer zielführenden Diagnostik konnte der gutartige Thoraxtumor einer kurativen Resektion zugeführt werden. Obwohl die radiologischen und laborchemischen Untersuchungen die gutartige Entität eines reifen Teratoms bei einem jungen, postpubertalen Mann hochwahrscheinlich machten, ist die Klinik meist unspezifisch und erlaubt keine Zuordnung, sodass auch hier die histo-pathologische Aufarbeitung und Resektion zwingend notwendig waren. Dies, um die diagnostische Sicherheit über die Dignität zu erhalten und die leitlinien- und zeitgerechte Therapie zu ermöglichen.
Schlüsselwörter: Benigner Lungentumor, Teratom, Keimzelltumor, interdisziplinäre Zusammenarbeit, leitliniengerechte Therapie

A Rare Diagnosis for a Patient with Shoulder Pain – Mature Teratoma of the Mediastinum

Thanks to a conscientious work-up in the general practitioner‘s office and referral to goal-directed diagnostics, the benign thoracic tumor could be submitted to curative resection. Although the radiological and laboratory examinations made the benign entity of a mature teratoma in a young, postpubertal male highly probable, the clinic is usually nonspecific and makes classification difficult, so that a histo-pathological work-up and resection were mandatory in this case in order to obtain diagnostic certainty about the dignity and to allow for timely therapy according to the guidelines.
Keywords: Benign lung tumor, teratoma, germ cell tumor, interdisciplinary collaboration, guideline-based therapy

Fallvorstellung

Ein 39-jähriger, nichtrauchender Mann mit einer 2-wöchigen Anamnese von zunächst in den Nacken ausstrahlenden Schulterschmerzen und im Verlauf sich verlagernder Schmerzprojektion in den vorderen oberen Brustbereich links sowie leichter Einschränkung bei vertieftem Atmen wurde initial hausärztlich abgeklärt. Bei klinisch gutem Allgemeinzustand zeigten sich auskultatorisch wenig Rasselgeräusche im linken Unterfeld und im konventionellen Thorax-Röntgenbild (Abb. 1 und 2) eine grosse Raumforderung im vorderen, linksseitigen Mediastinum. Laborchemisch fanden sich ein leicht erhöhtes CRP (33 mg/l) ohne Leukozytose sowie eine leicht erhöhte Blutsenkung.
In diesem Fall konnte bereits aus der Tumorlokalisation im vorderen Mediastinum die radiologische Differenzialdiagnose in diesem Bereich auf die 5T: teratoma, thymoma, thyroidea, terrible lymphoma, tortuous vessels) eingegrenzt werden (Tabelle 1).
Durch den Pneumologen wurde zudem sonografisch die normale Zwerchfellbeweglichkeit und lungenfunktionell die leichte Restriktion ausgewiesen. Im CT Thorax (Abb. 3 und 4) fand sich ein Tumor mit elf Zentimetern Durchmesser im vorderen oberen und linksseitigen Mediastinum ohne Hinweis auf Infiltration, ohne Lymphadenopathie, Arrosion der Rippen oder Osteolysen, jedoch mit Nachweis von Fettanteilen und Verknöcherungen. In der Zusammenschau der Befunde wurde der Verdacht auf ein Teratom gestellt. Das Labor ergab weiterhin leicht erhöhte Entzündungsparameter, aber Normwerte für die Tumormarker Beta-HCG und das Alpha-Fetoprotein.
Nach Zuweisung an die Thoraxchirurgie wurde mittels anterolateraler Thorakotomie links eine Tumorektomie (Abb. 5) mit R0-Resektion durchgeführt und histologisch Keimblätter bestätigt (Abb. 6 und 7). Gemäss Tumorboardbeschluss erfolgte die klinische und CT-Verlaufskontrolle nach sechs Monaten. Dort zeigte sich klinisch die Remission der thorakalen Beschwerden und eine Verbesserung der respiratorischen Einschränkung. Computertomografisch fand sich ein regelrechter postoperativer Situs ohne Hinweise für ein Lokalrezidiv oder Metastasen.

Diskussion

Teratom

Das Teratom als häufigster Keimzelltumor und verantwortlich für 7–9 % der Mediastinaltumoren ist im Kindesalter meist gutartig. Die Symptomatik ist meist unspezifisch und bleibt durch das langsame Wachstum oft lange aus. Unspezifische Symptome sind thorakale Schmerzen, Husten, Dyspnoe oder Heiserkeit, wobei ein Drittel der Patientinnen und Patienten asymptomatisch bleibt. Weitere Symptomatik kann sich aufgrund des Grössenwachstums als obere Einflusstauung, Horner-Symptomatik oder Pneumothorax manifestieren. Bei Tumorruptur finden sich teils Pleuraergüsse, eine akute Mediastinitis, ein Empyem oder eine Perikardtamponade. Im Fall einer Fistelbildung mit der Trachea können gar Teratombestandteile (Haare, Talgmaterial) abgehustet werden. Auch Pankreasgewebe ist oft enthalten und kann über einen Hyperinsulinismus eine Hypoglykämie bewirken. Die Tumormarker sind nicht erhöht [2]. Die radiologischen Eigenschaften erlauben oft eine zuverlässige präoperative Diagnose. Eine Resektion sollte aufgrund des potenziellen Entartungsrisikos und der möglichen Beeinträchtigung naheliegender Strukturen immer erfolgen. Obwohl reife Teratome (ausdifferenzierte Gewebselemente) in der Regel benigne sind, können diese gerade bei erwachsenen Männern (bei Frauen 95 % reife Teratome, bei Männern häufiger unreife Teratome) entarten und metastasieren. Eine histologische Untersuchung ist zur Unterscheidung zwischen reaktiven, gutartigen und reifen Teratomen versus unreifen Teratomen mit Metastasierungspotenzial unerlässlich. Es besteht eine altersabhängige Wahrscheinlichkeit der Dignität, und auch wenn im Kindesalter meist noch benigne Befunde auftreten, kann postpubertal eine Malignität vorliegen und im Erwachsenenalter muss auch eine Metastasierung ausgeschlossen werden.
Teratome enthalten Gewebe aus mindestens zwei Keimblättern (Ekto-, Meso- oder Endoderm) und die reifen Teratome ausdifferenziertes Gewebe (Haut, Hautanhangsgebilde, Bronchial- oder Gastrointestinalschleimhaut, Hirngewebe, glatte Muskulatur, Fettgewebe, Pankreasgewebe). Unreife Teratome enthalten unreifes Gewebe. Ein monodermales Teratom (Dermoidzyste) ist selten.
Immunhistochemisch sind embryonale Stammzellmarker (z.B. OCT3/4 (octamer binding transcription factor), SALL4 (Sal-like protein 4), LIN28 (Lin-28 homolog A) negativ, wobei je nach Gewebe typische Immunmarker vorhanden sein können.
Unterschiede zu den anderen Keimzelltumoren sind: das zeitliche Auftreten sowohl prä- als auch postpubertal, die Tatsache, dass auch postpubertale Frauen betroffen sein können, der fehlende Nachweis des bei Keimelltumoren häufig gefundenen Isochromosoms 12p und die Möglichkeit einer kurativen Resektion bei Vorliegen eines reifen Teratoms.
Gemäss S3-Leitlinie [3] ist bei histologisch eindeutig reifem Teratom und normwertigen Serumtumormarkern die Resektion, bei erhöhten Tumormarkern jedoch analog zu den gonadalen Keimzelltumoren die Cisplatin-basierte Polychemotherapie mit folgender Residualtumorresektion (RTR) indiziert.

Primordiale Keimzellen

Primordialzellen (= PGC primordial germ cells, Urkeimzellen) sind die Vorläufer der Keimzellen (= Gameten, Geschlechtszellen, Spermien oder Eizellen). Unter Abfaltung des Embryos sowie chemotaktischer Reize wandern sie amöboid von der Dottersackwand über die Gastrointestinalwand und das dorsale Mesenterium zur Genitalleiste [4]. Die Genitalleisten entwickeln sich zu Keimdrüsen/Gonaden (Hoden, Ovar). Teratome entstehen in der 4.–6. Woche der Embryogenese im Mediastinum, aber auch in anderen Lokalisationen durch versprengte Primordialzellen auf ihrem Weg aus dem Dottersack (Abb. 8 und 9).

Keimzelltumoren

Entsprechend der Wanderung der Primordialzellen finden sich Keimzelltumoren [5] ausserhalb der Gonaden am häufigsten im Mediastinum und sind zu etwa einem Fünftel für Mediastinaltumoren verantwortlich [2]. Histologisch werden Seminome (ausgehend von Spermatogonien: Stammzellen im Keimepithel des Hodens) von den nicht-seminomatösen Keimzelltumoren (Embryonales Karzinom, Teratom, Dottersacktumor, Chrorionkarzinom: hier häufig Mischformen) unterschieden. Bei Männern manifestieren sich Keimzelltumoren zu 95 % in den Hoden und circa 5 % extragonadal. Gemäss Leitlinien [3] unterscheiden sich Seminome und Nichtseminome wesentlich im Risikoprofil, der Therapie sowie der Nachsorge, und wichtige prognostische Faktoren konnten detektiert werden. Die konsequente Einhaltung der stadiengerechten Therapiekonzepte verspricht eine bis 90 %-ige Heilungschance. Eine Assoziation mediastinaler Keimzelltumoren mit somatischen Karzinomen und des mediastinalen Dottersacktumors mit hämatologischen Neoplasien (z.B. Myelodysplasien, Leukämien) ist zudem bekannt.
Die anatomische und altersabhängige Zuordnung kann die Differenzialdiagnose erheblich eingrenzen (z.B. präpubertale Kinder: mediastinale Teratome und Dottersacktumoren. Postpubertale Frauen: meist gutartige reife Teratome. Postpubertale Männer: gonadale Keimzelltumoren).
Auch eine immunhistochemische Subtypisierung wird der Pathologe zur korrekten Zuordnung und zum Staging der Keimzelltumoren vornehmen, was relevanten Einfluss auf die leitliniengerechte Behandlung und Prognose hat.

Benigne Thorax- und Lungentumoren

Unter den meist radiologisch/zufallsbefundlich entdeckten Lungenrundherden finden sich nach Resektion und pathologischer Aufarbeitung ca. 50 % gutartige Befunde. Die inzidentellen Lungenrundherde (Röntgen, CT) sind oft wenig symptomatisch. Radiologisch benigne, aber keineswegs verlässliche Zeichen sind die glatte Oberfläche, eine Stielbildung, ein erhöhter Kalkanteil, ein Fettgewebsanteil, ein stabiler Verlauf über die Zeit sowie das Fehlen von Retraktion, Spikulae, Gefässnachweis oder dickwandigen Zysten.
Unter den Karzinomen aber hat das Lungenkarzinom [6] mittlerweile die höchste Mortalität [7], wobei auch Nie-Raucher (< 100 Zigaretten auf Lebenszeit) zu rund 25 % betroffen sind. Entsprechend bedürfen solide und subsolide, solitäre (Tabelle 2) oder multiple Lungenrundherde mindestens ab sechs Millimeter im Durchmesser [8] gemäss Risikoeinschätzung einer mindestens leitliniengerechten Beobachtung oder histologischen Sicherung [9].
Als Differenzialdiagnose zum Bronchuskarzinom muss an eine pulmonale Metastase, eine chronische Pneumonie oder auch einen benignen Lungentumor gedacht werden. Benigne Lungentumoren gehen von Bronchien oder Lungenparenchym aus, und es fehlt eine Destruktion, Invasion oder Metastasierung [5, 11]. Unter den eigentlichen Lungentumoren sind die benignen leider selten und nur für zirca 1–3 % verantwortlich.
Histologisch erfolgt die Einteilung der benignen Lungentumoren nach dem Ursprungsgewebe (epithelial: Papillome, Adenome. Mesenchymal: v.a. Chondrome. Mischformen und nicht zuordenbare Tumoren), wovon das Hamartom am häufigsten ist. Diagnostisch ist die minimalinvasive Thoraxchirurgie das Mittel der Wahl. Ein abweichendes Vorgehen ist nur bei Grössenkonstanz über zwei Jahre, sehr kleinem Durchmesser und sichergestellter Verlaufsbeobachtung mittels CT Thorax gerechtfertigt.
Bezüglich Procedere wird entschieden über eine Kontrolluntersuchung versus Resektion (interventionell, thorakoskopisch, chirurgisch offen). Obwohl zystische Läsionen radiologisch eher benignen Befunden entsprechen, muss beachtet werden, dass auch Tumoren und Lymphome zystisch degenerieren können (z.B. Thymom, M. Hodgkin/ Lymphome, Keimzelltumoren, neurogene Tumoren, mediastinale Lymphknotenmetastasen).
Generell stellt die seltene Entität eines gutartigen Lungentumors eine nicht weniger grosse Herausforderung dar hinsichtlich Abgrenzung zu malignen Befunden und bezüglich Behandlungsmanagement. Allein schon ein Grössenwachstum mit Kompression oder Verlagerungen benachbarter Strukturen kann eine diagnostische und ggf. kurative Resektion notwendig machen.

dipl. Arzt Patrick Heeb

FMH Pneumologie und FMH Allg. Innere Medizin
Zürcher RehaZentren Klinik Wald
Faltigbergstrasse 7, 8636 Wald

patrick.heeb@zhreha.ch

Es bestehen keine Interessenskonflikte.

 

Historie

Manuskript eingereicht: 05.12.2021
Nach Revision angenommen: 14.02.2023

 

Ethische Richtlinien
Die Publikation erfolgt mit dem Einverständnis des Patienten.

 

ORCID
Patrick Heeb
https://orcid.org/0000-0003-2034-8939
Corina Dommann-Scherrer
https://orcid.org/0000-0002-8262-1155

Das Wichtigste für die Hausarzt-Praxis

Dank der gewissenhaften Abklärung bereits in der hausärztlichen Sprechstunde und der Zuweisung zu einer zielführenden Diagnostik konnte der in diesem Fall gutartige Thoraxtumor einer kurativen Resektion zugeführt werden.
Obwohl in diesem Fall die radiologischen und laborchemischen Untersuchungen die gutartige Entität eines reifen Teratoms bei einem jungen, postpubertalen Mann hochwahrscheinlich machten, ist die Klinik meist unspezifisch und erlaubt keine Zuordnung, sodass auch hier die histopathologische Aufarbeitung und Resektion zwingend notwendig waren. Dies, um die diagnostische Sicherheit über die Dignität zu erhalten und die leitlinien- und zeitgerechte Therapie zu ermöglichen.

1. Wormanns D. Thoraxdiagnostik. Stuttgart; Thieme: 2017, 189.
2. Bremmer F, Ströbel P. Mediastinale Keimzelltumoren. Pathologe. 2016; 37(5):441–448.
3. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Keimzelltumoren des Hodens. https://www.awmf.org/uploads/tx_sz leitlinien/043-049OLl_S3_Keimzelltumoren-Hoden-Diagno stik-Therapie-Nachsorge_2020–03.pdf
4. Online Embryologiekurs für Studierende der Medizin. https:// www.embryology.ch/allemand/ugenital/diffmorpho01.html#; Universitäten Fribourg, Lausanne, Bern; 2021. letzter Zugriff: 19.02.2023.
5. Mason RC, Murray JF, Nadel JA, Gotway M. Murray. Nadel’s Textbook of Respiratory Medicine (Kindle-Positionen1307 62-130763). Elsevier Health Sciences, Kapitel 56.
6. Travis WD, Brambilla E, Nicholson AG, et al. The 2015 World Health Organization Classification of Lung Tumors: Impact of Genetic, Clinical and Radiologic Advances Since the 2004 Classification. J Thorac Oncol. 2015;10(9):1243–1260.
7. Grippi, MA. Fishman›s Pulmonary Diseases and Disorders, 5th edition. New York; McGraw-Hill Education: 2015. (Kindle-Version), Grippi, Kap. 108.
8. MacMahon H, Naidich DP, Goo JM, et al. Guidelines for Management of Incidental Pulmonary Nodules Detected on CT Images: From the Fleischner Society 2017. Radiology. 2017; 284(1):228–243.
9. S3-Leitlinie Lungenkarzinom (Langversion 1.0 Februar 2018). Available from: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/ 020-007OL_l_S3_Lungenkarzinom_2018-03.pdf
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