Schmerzhafte Schwellungen im Hodensack

Eine Schwellung im Hodensack kann verschiedene Ursachen haben. Hierzu gehören entzündliche Erkrankungen wie eine Nebenhoden- oder Hodenentzündung, die Hodentorsion, ein Hodentrauma, Variko-, Spermato- oder Hydrozelen, Leistenhernie sowie bösartige und gutartige Tumore des Hodens und selten des paratestikulären Gewebes. Dieser Artikel bietet eine Übersicht über die wichtigsten Krankheitsbilder und präsentiert Massnahmen und Empfehlungen für die Betreuung von Patienten mit schmerzhafter Schwellung im Hodensack in der Grundversorgung. Ein zweiter Teil über schmerzlose Schwellungen folgt.

Bei der Entdeckung einer Schwellung im Hodensack ist primär die Detektion eines akuten Leidens, das einer notfallmässigen Therapie bedarf, wichtig sowie der Ausschluss eines malignen Tumors.
Während entzündliche Veränderungen, eine Hodentorsion oder ein Trauma vor allem mit Schmerzen einhergehen, sind Spermato- und Hydrozelen sowie Hodentumore meist schmerzlos. Bereits die Anamnese gibt somit erste, wichtige Informationen über eine mögliche Ursache des aktuellen Leidens. Hierfür ist neben einem allfälligen Trauma-Hergang hauptsächlich eine Schmerz-, Miktions- sowie eine Sexualanamnese zu erfragen. Zudem lässt auch das Patientenalter bei altersspezifischen Problemen die möglichen Differenzialdiagnosen weiter eingrenzen. Die primäre Diagnostik beinhaltet neben der körperlichen Untersuchung fast immer einen skrotalen Ultraschall. Diese Untersuchung erlaubt eine schnelle und nebenwirkungsfreie Diagnostik und ist mit einer Duplex-Untersuchung kombinierbar, so dass auch lokale und ggf. pathognomonische Durchblutungsmerkmale erfasst werden können. Ausserdem können Blut- und Urinuntersuchungen weitere wichtige Information über die Ätiologie der Hodenschwellung geben. Wichtig in der Grundversorgung ist hierbei die Erkennung von Erkrankungen, die einer weiteren Behandlung durch den Urologen oder gar einer Zentrumsanbindung bedürfen.

Orchitis (Hodenentzündung)

Ursächlich für eine akute Orchitis sind meist virale Infektionen oder Entzündungen im Rahmen einer Mitbeteiligung bei primärer Nebenhodenentzündung. Eine isolierte Orchitis wird meist im Rahmen einer viralen Infektion beobachtet, wobei von einem hämatogenen Infektionsweg ausgegangen wird. Bei bakteriellen Entzündungen wird vermutet, dass die Infektionen ausgehend von einer bestehenden Harnwegsinfektion über den Ductus deferens, in den Nebenhoden und anschliessend in den Hoden gelangen. Dies kann im Rahmen einer Zystitis, Prostatitis oder Urethritis der Fall sein und bringt deshalb oft die entsprechenden Zusatzsymptome mit sich.
Durch den hämatogenen Infektionsweg bei viralen Infekten ist eine virale Orchitis häufiger bilateral anzutreffen als bei der aufsteigenden bakteriellen Form. Bekannt ist hier vor allem die Mumps-orchitis, die jedoch auf Grund der breiten Beimpfung in den westlichen Ländern nicht mehr häufig anzutreffen ist. Eine Orchitis kann aber auch im Rahmen anderer Viruserkrankungen auftreten wie z.B. der Mononukleose oder Infektionen mit Coxsackie-, Varizella- oder Echoviren. Bei der klinischen Untersuchung imponiert sowohl bei der viralen als auch bei der bakteriellen Orchitis ein geschwollener, druckdolenter und überwärmter Hoden mit möglicher Rötung und Schwellung des Skrotums. Bei einseitiger Klinik wird dies am besten durch den Vergleich mit dem nicht befallenen Hoden beurteilt.
Die Symptomatik kann sich über wenige Stunden bis Tage entwickeln und bei fortgeschrittenen Fällen zeigen sich die typischen Infektionszeichen mit Fieber, Rötung und gespanntem Skrotum. Bei einer bakteriellen Entzündung können zudem begleitende Symptome eines Harnwegsinfektes wie Drangsymptomatik, Brennen oder Schmerzen bei der Miktion auftreten. Im Falle einer Mumpsorchitis sind auf Mumps-spezifische Symptome wie z.B. die Schwellung der Ohrspeicheldrüsen zu achten. Es sind aber durchaus auch klinisch inapparente Mumps-Verläufe möglich, die nur mit einer Orchitis einhergehen. Es sollte deshalb eine durchgemachte Mumps-Infektion oder Impfung erfragt werden. Bei Verdacht können entsprechende serologische Untersuchungen durchgeführt werden.
Da palpatorisch meist eine sehr ausgeprägte Druckdolenz besteht, ist es klinisch oft schwer, zwischen einer Hoden- und Nebenhodenentzündung zu unterscheiden. Eine sonographische Untersuchung des Hodens ist deshalb die Diagnostik der Wahl und in den meisten Fällen wegweisend. Hierbei imponiert die akute Entzündung mit einer relativ homogenen und echoarmen Vergrösserung des gesamten Hodens und einer relativen Hyperperfusion im Duplex-Ultraschall. Das initiale homogene Ultraschallbild kann im weiteren Verlauf einem fleckigen inhomogenen Bild weichen, das ein Hinweis für einen infektbedingten Gewebsuntergang bzw. eine Einschmelzung sein kann. Begleitend kann eine reaktive Hydrozele oder ein Skrotalödem auftreten. Bei Verdacht auf eine aufsteigende, bakterielle Entzündung sollte eine Urinkultur bzw. bei Fieber auch Blutkulturen abgenommen werden. Bei sexuell aktiven Patienten ist auch an mögliche sexuell übertragbare Infektionskrankheiten (z.B. Chlamydien- oder Gonokokken-Urethritis) zu denken, die dann entsprechend abgeklärt werden sollten.
Therapeutisch sollte bei jeder Art der Orchitis primär Bettruhe mit Hochlagern und Kühlen des Skrotums veranlasst werden. Zudem sollte eine symptomatische, antiphlogistische Therapie initiiert werden. Bei bakterieller Infektion bedarf es initial einer empirischen antibiotischen Therapie mit resistenzgerechter Anpassung nach Erhalt der abgenommenen Kulturen. Die Antibiotikatherapie richtet sich hierbei nach der Anamnese und dem zu erwartenden Keimspektrum. Bei sexuell aktiven Männern zielt diese auch auf mögliche sexuell übertragbare Erreger, beim betagten Mann eher auf die häufigsten Keime einer «üblichen» Harnwegsinfektion.
Eine mögliche Komplikation der akuten Orchitis ist die testikuläre Abszedierung weshalb es einer Verlaufskontrolle bedarf. Diese ist insbesondere bei Patienten, die klinisch schlecht auf die Therapie ansprechen, angebracht. Bei entzündlicher Destruktion des Hodengewebes kann es im Verlauf zu einer Atrophie und somit zu einem Funktionsverlust des betroffenen Hodens kommen. Insbesondere bei beidseitiger Orchitis besteht hierbei die Gefahr einer Infertilität und eines Hypogonadismus.

Epididymitis (Nebenhodenentzündung)

Viel häufiger als die Orchitis ist die Entzündung des Nebenhodens. Die bakterielle Infektion ist die häufigste Ursache einer akuten Epididymitis und tritt meist bei einer Harnwegsinfektion oder im Rahmen von sexuell übertragbaren Infektionen der Harnwege auf. Auch hier stellen sich die Patienten mit einem schmerzhaften, geschwollenem und im Verlauf gerötetem Skrotum vor, welches sich oft über einen kurzen Zeitpunkt entwickelt hat. Bei fortgeschrittenem Stadium der Entzündung können zudem systemische Infektzeichen wie Fieber oder Schüttelfrost auftreten. Nebenhodenentzündungen können akut, eitrig-abszedierend oder chronisch auftreten.
Anamnestisch wichtig ist hierbei, urogenitale Begleitsymptome zu erfragen, um die Ursache und das Keimspektrum weiter eingrenzen zu können. Insbesondere bei jungen, sexuell aktiven Patienten sollte auch hier eine Sexualanamnese erhoben werden.
Diagnostisch wichtig ist in jedem Fall die Urin-Analyse. Im Urinstatus kann der Verdacht einer Harnwegsinfektion bei Leukozyturie oder bei Nitrit-positivem Befund erhärtet werden. Eine Urinkultur kann einen möglichen Keim inklusive Antibiotikaresistenzen identifizieren und sollte immer vor Beginn einer Therapie abgenommen werden. Es ist jedoch auch möglich, dass bei bakterieller Epididymitis die Urinkultur negativ ist. Daher sollte zusätzlich bei auffälliger Sexualanamnese oder klinischem Verdacht einer sexuell übertragbaren Erkrankung auch diesbezüglich eine Diagnostik mittels PCR aus Urethralabstrich oder Erststrahlurin erfolgen (Gonokokken, Chlamydien sowie Urea- / Mykoplasmen).
Wegweisend ist bei Verdacht auf eine Nebenhodenentzündung ebenfalls die sonographische Untersuchung des Skrotums. Hierbei imponiert eine echoarme Vergrösserung des Nebenhodens mit inhomogen vergröberten Binnenechomustern (Abb. 1). Im Farbdoppler zeigt sich typischerweise eine «inflammatorische» Hyperperfusion des Nebenhodens (Abb. 2). Oft zeigt sich eine entzündlich bedingte Begleit-Hydrozele. Sonographisch wichtig ist der Ausschluss eines Abszesses, welcher in der Regel einer operativen Sanierung bedarf. Kann ein solcher ausgeschlossen werden, sollte neben einer symptomatischen Therapie mit Bettruhe, Hodenhochlagern und medikamentöser Therapie mit einem Antiphlogistikum, eine primär empirische und später gezielte antibiotische Therapie erfolgen (s.o.).

Hodentrauma

Traumatische Verletzungen des Hoden sind meist stumpfer Natur, nur selten gibt es penetrierende Traumen. Da sich Patienten meist aufgrund des Hodentraumas vorstellen, ist die Anamnese oft wegweisend. Durch das Trauma kann ein intraskrotales Hämatom (Hämatozele) oder ein sichtbares Hämatom der Skrotalwand entstehen. Beides führt zu einer Schwellung des Skrotums. Auch hier erlaubt die Skrotalsonographie oft eine schnelle Diagnosefindung. Im Ultraschall ist das Hodenparenchym und das Cavum serosum testis auf mögliche Hämatome sowie die Tunica albuginea auf ihre Integrität zu prüfen. Zudem ist es wichtig die Hodendurchblutung in der Duplex-Sonographie vor allem im Seitenvergleich zu beurteilen.
Das Ausmass der Verletzung kann sonographisch leicht unterschätzt werden. Bei Parenchym-Unregelmässigkeiten sowie Hämatozele stellt sich der Verdacht auf eine Ruptur der Tunica albuginea, so dass grosszügig die Indikation für eine operative Evaluation gestellt werden sollte. Wichtig zu wissen ist, dass auch bei intakter Tunica albuginea eine bestehende Schwellung bzw. eine intratestikuläre Einblutung im Verlauf zu einer Hodenischämie führen kann und einer zeitnahen Verlaufskontrolle bzw. im Zweifelsfall immer einer operativen Freilegung bedarf.
Ein konservatives Therapie-Regime ist bei unauffälliger Bildgebung ohne Anzeichen eines intratestikulären Hämatoms, einer Hämatozele oder von Durchblutungsstörung gerechtfertigt. Bei reinem Hämatom der Skrotalwand reicht ebenfalls eine symptomatische Therapie mittels Analgesie, Hochlagern, Kühlen und Bettruhe aus.
Operativ erfolgt je nach Verletzungsmuster eine Hämatomevakuation, die Entfernung von avitalem Hodengewebe, die Blutstillung oder die Naht der Tunica albuginea bzw. deren Rekonstruktion mit einem Gewebepatch bei grösseren Defekten. Bei stark destruierender Verletzung ist ggf. auch die Entfernung des Hodens notwendig.

Hodentorsion

Von einer Hodentorsion spricht man bei einer Verdrehung des Samenstranges mit Beeinträchtigung der Hodendurchblutung. Eine Torsion entsteht meist spontan z.B. im Rahmen einer rotatorischen Kontraktion des Musculus cremaster. Sie kann jedoch auch durch Manipulationen, bei sportlicher Aktivität oder durch ein Trauma bedingt sein. Gehäuft tritt die Hodentorsion bei Kleinkindern unter 2 Jahren sowie bei Adoleszenten im Alter von 15-20 Jahren auf. Prinzipiell kann sie jedoch in jedem Alter vorkommen. Führende Klinik hierbei ist der plötzlich aufgetretene starke Hodenschmerz. Eine Hodentorsion kann sich jedoch auch atypisch, zum Beispiel durch ipsilaterale Unterbauchschmerzen bemerkbar machen. Klinisch kann ein Hodenhochstand oder abnormale Lage des Hodens auffallen. Auch begleitende, vegetative Symptome wie Übelkeit und Erbrechen können auftreten. Im Verlauf treten bei länger bestehender Torsion eine skrotale Schwellung sowie Entzündungszeichen auf.
In der klinischen Untersuchung imponiert ein oftmals hochstehender und druckdolenter Hoden, welcher meist bereits bei geringer Palpation stark schmerzhaft ist. Zur Differenzierung eines entzündlichen Geschehens kann der Hoden am liegenden Patienten angehoben werden (Prehn-Zeichen). Ist hierdurch eine Linderung zu erreichen ist das Prehn-Zeichen positiv, was für eine entzündliche Genese spricht. Persistieren die Schmerzen, ist das Prehn-Zeichen negativ, was für eine Hodentorsion spricht. Das Prehn-Zeichen ist jedoch nicht als zuverlässig anzusehen und sollte nie als alleinige Diagnostik durchgeführt werden. Bei testikulären Schmerzen muss differentialdiagnostisch auch an ein symptomatisches prävesikales Ureterkonkrement gedacht werden, welches oft eine Schmerzausstrahlung in das ipsilaterale Skrotum und den Hoden bewirken kann. Kolikartige Schmerzepisoden, Miktionsbeschwerden (insbesondere neu aufgetretene Pollakisurie) sowie ein unruhiger Patient und Stein-episoden in der Anamnese können hier wichtige Hinweise geben.
Laborchemisch sind ein Urinsediment und -kultur sowie Blut-untersuchungen (Blutbild, CRP, Kreatinin) durchzuführen, um eine entzündliche Ursache auszuschliessen bzw. nicht zu verpassen. Bei akuter Torsion des Hodens kann eine Leukozytose nachweisbar sein. Erhöhte Entzündungsparameter sowie ein febriler Patient sprechen im frühen akuten Stadium jedoch eher für ein entzündliches Geschehen.
Diagnostik der Wahl ist die sonographische Untersuchung des Hodens mit zusätzlicher Doppler- / Duplex-Sonographie, womit die testikuläre Durchblutung im Seitenvergleich beurteilt werden kann. Wichtig ist, dass das arterielle Durchblutungssignal bei inkompletter Torsion anfangs normal sein kann und somit eine Torsion verpasst werden kann. Durch eine zunehmende venöse Stauung kommt es erst im Verlauf zu einem intratestikulären Druckanstieg mit verzögertem Sistieren der arteriellen Durchblutung.
Im Zweifel sollte daher bei jedem Verdacht auf eine Hodentorsion eine zeitnahe operative Freilegung des Hodens erfolgen, um einer irreversiblen, ischämischen Schädigung, die nach ca. 4-8h einsetzt vorzubeugen. Zeigt sich der Hoden nach Freilegung und Retorquierung in einem vitalen Zustand, so wird dieser und auch der kontralaterale Hoden im Skrotum fixiert (sog. Orchidopexie), um einer erneuten Torsion vorzubeugen. Bei persistierender Ischämie trotz Retorquierung erfolgen eine ipsilaterale Orchiektomie und eine Pexie der Gegenseite.

Dipl. Arzt Nico Grossmann

Klinik für Urologie
UniversitätsSpital Zürich

nico.grossmann@usz.ch

Prof. Dr. med. Tullio Sulser

Klinik für Urologie
UniversitätsSpital Zürich

PD Dr. med. Thomas Hermanns

Zentrum für Urologie
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte in ­Zusammenhang mit diesem Beitrag.

  • Orchitiden imponieren als schmerzhafte Schwellung des Hoden und entstehen meist durch virale Infektionen oder durch Mitbeteiligung bei primärer Nebenhodenentzündung.
  • Die häufigere Nebenhodenentzündung entsteht meist durch bakterielle Infektionen bei Harnwegsinfekten oder sexuell übertragbaren Erkrankungen und manifestiert sich als schmerzhafte Hodenschwellung. Die empirische Antibiotikatherapie richtet sich nach dem erwarteten Keimspektrum, welches beim sexuell aktiven Mann auf möglich sexuell übertragbare Erreger und beim betagten Mann auf die häufigsten Keime einer Harnwegsinfektion zielt.
  • Besteht nach Hodentrauma ein sonografisch unauffälliger Hoden ohne Anzeichen eines intratestikulären Hämatoms, einer Hämatozele oder einer Durchblutungsstörung kann ein konservatives Therapie-Regime angegangen werden.
  • Eine Hodentorsion manifestiert sich als plötzlich aufgetretener, stärkster Hodenschmerz. Die Indikation zur Hodenfreilegung sollte im Zweifel grosszügig gestellt und möglichst 4-8h nach Auftreten der Symptomatik durchgeführt werden.

Paradigmenwechsel in der Erstlinientherapie des NSCLC

Am Symposium von MSD anlässlich des ersten SOHC wurden die immun-onkologischen Fortschritte in der Erstlinien-Behandlung des NSCLC besprochen.

Die Meilensteine der Therapie des NSCLC mit Checkpoint-Inhibitoren sind die Einführung von Nivolumab als Zweitlinientherapie im Jahre 2015, die Studien mit Nivolumab, und Atezolizumab als Zweitlinientherapie sowie Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei PD-L1 pos. im Jahre 2016, Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei PD-L1 pos., sowie Pembrolizumab und Chemotherapie als Erstlinientherapie im Jahre 2017 und Durvalumab im Stadium III des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC)2018, stellte Prof. Dr. med. Solange Peters, Lausanne, fest. Die Referentin besprach die Resultate der KEYNOTE-024 Studie, die den PD-1 (Programmed Cell Death 1 Protein)-Inhibitor Pembrolizumab als Monotherapie im Vergleich zu einer Platin-haltigen Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und hoher Tumor-PD-L1-Expression (TPS ≥ 50 %) in der Erstlinie untersuchte. In die Studie wurden Patienten mit NSCLC, unabhängig von der Tumorhistologie eingeschlossen, die keine genomischen Tumoraberrationen vom EGFR- oder ALK-Typ aufgewiesen hatten. Die Ergebnisse des mehr als zweijährigen Follow-up zeigen unter anderem, dass Pembrolizumab das mediane Gesamtüberleben im Vergleich zu Chemotherapie um mehr als das Doppelte verlängert. Zudem zeigten die Daten ein medianes Gesamtüberleben von 30 Monaten unter Pembrolizumab gegenüber 14,2 Monaten unter Chemotherapie. In der KEYNOTE-042 Studie war die Subgruppe mit PD-L1 ≥50% der Hauptantreiber für OS Nutzen. Fast alle Studien haben bislang eine positive Beziehung zwischen klinischem Nutzen von PD1 oder PD-L1 Inhibitoren und PD-L1 Expression gezeigt. Bezüglich Biomarker für NSCLC muss festgehalten werden, dass die meisten Daten eher von einem Cut-Off Wert als von durch Expressionsraten bestimmten Kohorten stammen.

Wie erkennt das Immunsyste Krebs als Fremdantigen?

Die Prävalenz somatischer Mutationen (Anzahl Mutationen pro Megabase) ist am geringsten beim pilozytischen Astrozytom (<< 0.1), und nimmt über Pankreas- und Brustkarzinom (1.0), Leberzellkarzinom (5.0) und Plattenepithellungenkarzinom (10.0) zu. Am höchsten ist sie beim Melanom (> 10). Eine hohe Wahrscheinlichkeit für Neoantigene (Prävalenz für somatische Mutationen >8.0) zeigen Magen- Kopf- und Halskarzinome, Zervix- und Kolonkarzinom, kleinzelliges Lungenkarzinom, Blasen- und Lungenkarzinom und das Melanom. Neuere technische Innovationen haben es ermöglicht, die Immunantwort auf patientenspezifische Neoantigene, die als Folge tumorspezifischer Mutationen entstehen, zu zerlegen. Die Erkennung solcher Neoantigene ist ein wichtiger Faktor für die Wirkung klinischer Immuntherapien. Die Mutationszahl wird durch gesamte Exomsequenzierung ermöglicht. Dies setzt eine Harmonisierung der verschiedenen Assays zur Bestimmung der Tumorlast voraus. Entsprechende Studien sind in Deutschland und den USA am Laufen. Die Referentin stellte Korrelationskurven zwischen objektiver Ansprech-
rate und Anzahl kodierender somatischer Mutationen bei verschiedenen Krebsarten vor. Die Gesamtkorrelation beträgt dabei 0.74 (p < 0.001).

Einfluss des Darm-Mikrobioms auf die Immuntherapie bei Melanompatienten

Obschon grosse Fortschritte in der Behandlung des Melanoms und auch anderer Krebsarten mit Hilfe von gegen CTLA-4 und/oder PD-1 Protein gerichteten Therapien erzielt worden sind, ist das Ansprechen gegen diese Therapien oft heterogen und nicht dauerhaft. Faktoren ausserhalb der Tumor-Genetik beeinflussen die Krebsentstehung und die Therapie. Diese umfassen Wirtsfaktoren wie das Darm-Mikrobiom. Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede in Diversität und Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms zwischen Responders und Non-Responders. Die verschiedenen Daten führen zu einem Immunogramm hoher Komplexität, welches aus der Tumorlast, der Neoantigenlast, dem generellen Immunstatus, dem Mikrobiom, der Infiltration mit Immunzellen, der Absenz von Checkpoints (PD-L1), der Absenz von löslichen Inhibitoren, dem Fehlen eines hemmenden Tumormetabolismus und der Tumorsensitivität auf Immuneffektoren besteht. Daraus ergibt sich ein grosses Potential für sinnvolle Kombinationen zur Verbesserung der Wirkung der Immuntherapie, wie die Referentin aufzeigte. Dabei sind Therapien, die die CTLA 4 Blockade mit der PD-1 Hemmung kombinieren von besonderem Interesse.
Die Referentin verwies auf die KEYNOTE-189 Studie, die zeigte, dass die Gabe von Pembrolizumab zu einer Platin/Pemetrexed Therapie der Platin/Pemetrexed Therapie allein, unabhängig von PD-L1-Expression, überlegen war.
In der IMPower150 Studie war Atezolimumab plus Carboplatin / Paclitaxel / Bevacizumab gegenüber Carboplatin / Paclitaxe
l / Bevacizumab überlegen, ebenfalls unabhängig vom PD-L1-Expressionsstatus. Bei EGFR mutiertem NSCLC war Atezolizumab / Bevacizumab plus Carboplatin überlegen gegenüber Bevacizumab/Carboplatin, Azolizumab + Carboplatin war aber Bevacizumab + Carboplatin nicht überlegen: kein Benefit ohne Bevacizumab.
KEYNOTE-407 zeigte Überlegenheit der Kombination von Pembrolizumab/Taxan/Carboplatin gegenüber Carboplatin/Taxan allein, unabhängig von PD-L1.
Die IMPower 131 Studie ergab Überlegenheit von Pembrolizumab/Carboplatin/nabPaclitaxel gegenüber Carboplatin/nabPaclitaxel unabhängig von PD-L1.
In CheckMate 227 war das PFS mit der Kombination Ipilimumab / Nivolumab signifikant länger als mit Platin-basierter Chemotherapie (p = 0.0002) bei Tumormutationslast ≥ 10 Mb unabhängig von PD-L1. Diese Resultate bestätigen den Nutzen von Nivolumab plus Ipilimumab beim NSCLC und die Rolle der Tumormutationslast als Biomarker für die Patientenauswahl.

Wird die Immunonkologie Standard Frontline Option für alle Patienten?

So die zusammenfassende Frage der Referentin, die sie mit der folgenden Zusammenstellung erläuterte:

Monotherapie:

  • Pembrolizumab (KEYNOTE-024, KEYNOTE-042)
  • Nivolumab (CheckMate 026)

Immunonkologie + Immunonkologie:

  • Nivolumab + Ipilimumab (CheckMate 568, CheckMate 227)
  • Durvalumab + Tremelimumab (MYSTIC, NEPTUNE)
  • Nivolumab-Pembrolizumab/Epacadostat
  • Pembrolizumab/Ipilimumab (KEYNOTE-598)

Immunonkologie + Chemotherapie:

  • Atezolimumab (IMPower 120, IMPower 131, IMPower 132, IMPower 150)
  • Pembrolizumab (KEYNOTE-189, KEYNOTE-407)
  • Nivolumab ( CheckMate 227, CheckMate 722)
  • Nivolumab + Ipilimumab (CheckMate 9LA
  • Durvalumab + Tremelimumab (POSEIDON)

Quelle: MSD-Satellitensymposium, SOHC Kongress, Zürich, 28.06.2018

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Rezidivierende Harnwegsinfekte – alle Tage wieder

Rezidivierende Harnwegsinfektionen (rHWI) kommen gerade auch bei jungen Frauen ohne Risikofaktoren sehr häufig vor. Meist werden die Infektionen von E. coli (75-95%) hervorgerufen, aber auch andere Enterobacteriaceae wie Klebsiella pneumoniae oder Proteus mirabilis spielen eine Rolle. Bei negativem Ergebnis des Urinstix ist ein HWI unwahrscheinlich, Keimzahlen von über 105cfu/ml in der Urinkultur gelten als pathologisch. Asymptomatische Patientinnen mit positiver Urinkultur sollen nicht behandelt werden. «Denn es hat sich gezeigt», betonte die Referentin Dr. med. Sabrina Schraag, Zürich, dass bei unbehandelten Patientinnen weniger Rezidive, bei ungezielt Behandelten hingegen mehr Resistenzen auftreten. Bei 50-70% der Patientinnen mit einem HWI kommt es klinisch und bei 25% auch mikrobiologisch zu einer spontanen Heilung. Zur Symptomlinderung hat sich die Gabe von Ibuprofen als ebenso wirksam erwiesen wie die Anwendung von Ciprofloxacin (15). Unter Beachtung der lokalen Resistenzsituation (16) sind bei unkomplizierten HWI wegen hoher Sensibilität für E. coli Nitrofurantoin, Fosfomycin oder Trimethoprim/Sulfamethoxazol (TMP/SMX) 1. Wahl. In der 2. Wahl werden Ciprofloxacin und Amoxicillin oder Co-Amoxicillin eingesetzt. Bei komplizierten HWI und Pyelonephritis ist Ceftriaxon 1. Wahl. Bei rHWI werden Nitrofurantoin und TMP/SMX zur kontinuierlichen und Fosfomycin und TMP/SMX für 6 Monate zur postkoitalen Prophylaxe
eingesetzt.
Bei rHWI können Cranberry-Produkte oder Probiotika bzw. Lactobacillen das Risiko vermindern. Die Entwicklung von Impfstoffen gegen vier E. coli-Serotypen und gegen das E. coli-Adhesin FimH zeigen vielversprechende Resultate (17, 18). Die orale Immunstimulation mit Uro-Vaxom® kann Rezidive um 40-50% reduzieren (grössere Studien wären wünschenswert). D-Mannose reduziert die Adhärenz von E. coli am Urothel, wodurch das rHWI-Risiko gesenkt wird (vergleichbar mit einer Nitrofurantoin-Behandlung) (19). Das Rezidivrisiko kann durch intravesikale Instillation von Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat (Ialuril® Prefill) gesenkt werden, Utipro®plus kann eine Symptomlinderung bewirken und den Antibiotikaeinsatz reduzieren.

Quelle: Fortbildung UniversitätsSpital Zürich: “Urogynäkologische Probleme – Tag und Nacht” am 11. Januar 2018

Dr. Ines Böhm

Literatur:
1. Leijonhufvud Å et al. Risks of stress urinary incontinence and pelvic organ prolapse surgery in relation to mode of childbirth. Am J Obstet Gynecol. 2011;204:70.e1-7
2. Perucchini D et al. Age effects on urethral striated muscle I. changes in number and diameter of striated muscle fibers in the ventral urethra. Am J Obstet Gynecol 2002;186:351-5
3. Labrie J et al. Surgery versus Physiotherapy for Stress Urinary Incontinence. N Engl J Med 2013;369:1124-33
4. Ford AA et al. Mid-urethral sling operations for stress unrinary incontinence in women. Cochrane Database Syst Rev 2017;7:CD006375
5. Scheiner DA et al. Twelve months effect on voiding function of retropubic compared with outside-in and inside-out transobturator midurethral slings. Int Urogynecol J 2012;23:197-206
6. Betschart C et al. Patient satisfaction after retropubic and transobturator slings: first assessment using the Incontinence Outcome Questionnaire (IOQ). Int Urogynecol J 2011;22:805-12
7. Vijaya C et al. Increased serum nerve growth factor levels in patients with overactive bladder syndrome refractory to antimuscarinic therapy. Neurourol Urodyn 2011;30:1525-9
8. Tauber SC et al. Immunomodulatory Properties of Antibiotics. Curr Mol Pharmacol. 2008;1:68-79
9. Betschart C et al. Randomized, couble-blind placebo-controlled trial with Bryophyllum pinatum versus placebo for the treatment of overactive bladder. Phytomedicine 2013;20:351-8
10. Drake MJ et al. Efficacy and Safety of Mirabegron Add-on Therapy to Solifenacin in Incontinent Overactive Bladder Patients with an Inadequate Response to Initial 4-Week Solifenacin Monotherapy: A Randomised Double-blind Multicentre Phase 3B Study (BESIDE). Eur Urol 2016;70:136-145
11. Juul KV et al. The physiological and pathophysiological functions of renal and extrarenal vasopressin V2 receptors. Am J Physiol Renal Physiol 2014;306:F931-40
12. Sand PK et al. Efficacy and safety of low dose desmopressin orally disintegrating tablet in women with nocturia: results of a multicenter, randomized, double-blind, placebo controlled, parallel group study. J Urol. 2013;190:958-64
13. Weiss JP et al. Efficacy and safety of low dose desmopressin orally disintegrating tablet in men with nocturia: results of a multicenter, randomized, double-blind, placebo controlled, parallel group study. J Urol. 2013;190: 965-72$
14. Juul KV et al. Low-dose desmopressin combined with serum sodium monitoring can prevent clinically significant hyponatraemia in patients treated for nocturia. BJU Int 2017;119:776-784
15. Bleidom J et al. Symptomatic treatment (ibuprofen) or antibiotics (ciprofloxacin) for uncomplicated urinary tract infection? – Results of a randomized controlled pilot trial. BMC Med 2010;8:30
16. www.anresis.ch
17. Huttner A et al. Safety, immunogenicity, and preliminary clinical efficacy of a vaccine against extraintestinal pathogenic Escherichia coli in women with a history of recurrent urinary tract infection: a randomised, single-blind, placebo-controlled phase 1b trial. Lancet Infect Dis 2017;17:528-537
18. Langermann S et al. Prevention of mucosal Escherichia coli infection by FimH-adhesin-based systemic vaccination. Science. 1997;276:607-11
19. KranjČec B et al. D-mannose powder for prophylaxis of recurrent urinary tract infections in women: a randomized clinical trial. World J Urol 2014;3:79-8

Aktuelle Bildgebung in der Neurologie

Die Magnetresonanztomographie (MRI), die auf Röntgenstrahlen basierende Computertomographie (CT) sowie die nuklearmedizinische Techniken Positronenemissionstomographie (PET) und Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie (SPECT) werden routinemässig bei neurologischen Fragestellungen eingesetzt. Die folgenden Erläuterungen sollen das aktuelle Spektrum der Untersuchungsmöglichkeiten aufzeigen und helfen, für spezifische Pathologien die geeignetste Untersuchungstechnik zu wählen.

Die meisten neurologischen Fragestellungen werden heutzutage mittels MRI abgeklärt. Insbesondere für die Beurteilung der zerebralen Strukturen ist der hohe Weichteilkontrast und die Möglichkeit, mit verschiedenen Geräteparametern spezifische Kontraste zu erzeugen, ein entscheidender Faktor. Zudem liefern MRI Techniken wie die Diffusions- und Perfusionsanalyse sowie die Spektroskopie weitere Informationen auf molekularer Ebene zur Charakterisierung von gefundenen Strukturalterationen (Abb. 1).
Häufige Indikationen für eine MRI Untersuchung sind neben fokalen neurologischen Defiziten, wie sie zum Beispiel bei Ischämien, entzündlich-demyelinisierenden Erkrankungen oder Tumoren vorhanden sind, die Abklärung von Schwindel und Gangunsicherheiten, Seh-, Hör- und Riechproblemen, hypophysäre Hormonstörungen, Kopfschmerzen oder Trigeminusneuralgien. Zur weiteren Beurteilung von dementiellen Entwicklungen oder Bewegungsstörungen werden häufig volumetrische Auswertungen der grauen Substanz durchgeführt, um signifikante Abweichungen vom entsprechenden Alterskollektiv zu erkennen und zu quantifizieren. Aufgrund der früher und spezifischer detektierbaren Veränderungen auf molekularer Ebene werden bei den entsprechenden Abklärungen häufig zusätzliche nuklearmedizinische Techniken wie die PET mit FDG (Fluorodeoxyglukose) zur Einteilung der Demenzformen (Abb. 2,
Tab. 1) oder die SPECT mit Ioflupan (DaTSCAN) zur Evaluation des dopaminergen nigrostriatalen Systems bei Bewegungsstörungen komplementär angewendet.
PET-Untersuchungen mittels markierten Aminosäuren wie Fluoro-Ethyl-Tyrosin (FET) finden zudem Anwendung in der Abklärung von Hirntumoren, da sie in höhergradigen Gliomen stark aufgenommen werden und eine Gewebecharakterisierung sowie Grössenbestimmung zulassen (Im MRI ist es zum Teil schwierig, infiltrative Tumoranteile von umgebenden ödematösen oder posttherapeutischen Veränderungen abzugrenzen). Die CT hat ihren Stellenwert primär bei frischen hämorrhagischen Veränderungen, da im MRI frisches Blut zum Teil nur ungenügend abgegrenzt werden kann (z.B. bei akuten Subarachnoidalblutungen). Zudem wird die gute Visualisierung des Knochens benötigt, um traumatische Frakturen abzugrenzen oder ossäre Texturstörungen zu charakterisieren. Insbesondere bei älteren Patienten lässt sich bei einer CT zudem die Untersuchungszeit kurzhalten (ca. 1 – 5 Minuten gegenüber 30 – 60 Minuten im MRI). Die Kontrastmittelgabe erhöht sowohl bei der CT- wie auch bei der MRI-Untersuchung die Sensitivität zur Detektion von gewissen Pathologien (z.B. Metastasen, Mikroabszesse, meningeale Erkrankungen) und lässt weiterführende Charakterisierungen hinsichtlich einer Blut-Hirn-Schrankenstörung zu (z.B. zur Gradabschätzung bei Gliomen oder zur Beurteilung von Floridität und Mehrzeitigkeit bei demyelinisierenden Erkrankungen).
Naturgemäss muss das potentielle Risiko einer Untersuchung mit dem möglichen Benefit bei der Indikationsstellung abgewägt werden. Bei der CT und den nuklearmedizinischen Untersuchungen sind es insbesondere die ionisierenden Strahlen mit einem potentiellen Effekt auf die genetische Struktur, wenn gleich in den letzten Jahren die applizierten Dosen durch technischen Fortschritt deutlich reduziert werden konnten. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Patienten mit wiederholten Untersuchungen wird daher primär zu einem MRI geraten. Risiken beim MRI bestehen insbesondere bei Fremdmaterial wie Metallsplittern und elektronischen Implantaten, wobei die neueren Generationen von den meisten Medizinaltechnikgeräten unter gewissen Bedingungen MRI tauglich sind. Vor einer MRI Untersuchung sollte der genaue Name des Implantates und dessen Hersteller bekannt sein. Bei
Patienten mit Herzschrittmacher oder Neurostimulator sollte eine strenge Indikationsprüfung erfolgen, da die Untersuchung aufwändig ist: Es können oft nur Sequenzen bei niedriger Feldstärke (1,5 Tesla) mit reduziertem SAR-Wert gefahren werden. Die meisten Schrittmacherimplantate erfordern eine Einstellung des Schrittmachers vor und nach der MRI-Untersuchung durch einen Kardiologen (Rhythmologen). Die potentiell schädigenden Wirkungen bestehen in lokalen Erwärmungen bzw. Verbrennungen, Dislokationen von ferromagnetischen Materialen oder die Ausserfunktionssetzung von elektronischen Geräten. Mechanische Herzklappen sind in der Regel MR-tauglich, da eine allfällige Erwärmung mit dem zirkulierenden Blut abtransportiert wird und Dislokationen aufgrund der stabilen Befestigung nicht festgestellt wurden.

Untersuchungen der Felsenbeine, des Viszerokraniums und des Halses

Zur Beurteilung allfälliger Pathologien der Felsenbeine beziehungsweise des Gehör- und Gleichgewichtsorgans wird primär die CT eingesetzt, wenn es um eine strukturelle Analyse der ossären Strukturen geht (Gehörknöchelchen, otische Kapsel, Integrität der lateralen Schädelbasis) respektive das MRI, wenn eine Beurteilung des membranösen Labyrinthes oder der Nervi vestibulocochlearis und fazialis gewünscht wird. Spätaufnahmen im MRI 4 Stunden nach Kontrastmittelgabe ermöglichen zudem die Detektion eines chochleären und/oder vestibulären Hydrops wie er beim Morbus Menière gesehen wird (1). Zur Abklärung eines möglichen Cholesteatoms wird häufig sowohl eine CT akquiriert zur Beurteilung der Belüftung der Mittelohrkompartimente und zur Evaluation von ossären Arosionen, wie auch ein MRI mit Diffusionssequenz zur Charakterisierung einer allfälligen Raumforderung bzw. Belüftungsstörung. Die Abklärungen von Nasenatmungsbehinderungen oder chronischen Rhinosinusitiden geschieht in erster Linie mittels CT, da insbesondere strukturelle Einengungen detektiert und anatomische Varianten beschrieben werden müssen. Bei Verdacht auf endonasale/sinusale Tumoren, granulomatöse Pathologien oder invasive Pilzinfektionen wird die Untersuchung nach Kontrastmittelgabe durchgeführt und allenfalls mit einem MRI ergänzt. Sowohl für die Beurteilung der Kiefergelenke wie auch der Speicheldrüsen ist die MRI-Technik die Methode der Wahl, wobei dynamische Funktionsaufnahmen bei Kieferöffnung (Movie-Sequenzen) und dedizierte MR-Sialographien ins Unterschungsprotokoll eingeschlossen werden können. Bei zervikalen Pathologien haben sowohl das MRI wie auch die CT ihren Stellenwert und die Empfehlung zur Bildgebungstechnik hängt primär von der klinischen Fragestellung und der Kooperationsfähigkeit des Patienten ab. Das MRI ermöglich eine genauere Gewebscharakterisierung wie z.B. die Detektion einer Hyperzellularität (wie typischerweise sehr ausgeprägt bei Lymphomen), die CT ist aufgrund der schnellen Akquisitionszeit jedoch deutlich weniger artefaktanfällig. Für das ‚Staging’ von ORL-Tumoren mit Suche nach Lymphknotenmetastasen bzw. zur Suche des Primärtumor sbeim CUP-Syndrom (Cancer of unknown origin, d.h. Lymphknotenmetastasen ohne Primärtumor) wird standardmässig das PET/CT hinzugezogen (2). Gefässpathologien werden neben der Duplex-Sonographie wiederum am häufigsten mittels MR-Angiographie abgeklärt, da im MRI sowohl dynamische Flussvisualisationen (4D-Angiographie) wie auch Beurteilungen von Plaque-Morphologie, entzündlichen Wandveränderungen und Dissektionen möglich sind. Die Halsangiographie kann im MRI bezüglich der proximalen supraaortalen Äste aufgrund von Artefakten jedoch eingeschränkt aussagekräftig sein. Bei einer diesbezüglichen Fragestellung ist die CTA der Halsgefässe einschliesslich Aortenbogen / A. subclavia die besser geeignete Untersuchungsmethode.

Untersuchungen der Wirbelsäule und minimal invasive Schmerztherapie

Zur Abklärung von spinalen Pathologien bzw. zur Beurteilung des Myeloms, der Cauda equina, der Nervenwurzeln, der Meningen und der Gefässe ist das MRI der Standard (3). Die konventionellen Myelographien wurden primär durch die nicht invasive MR-Myelographie abgelöst (Abb. 3).
Obwohl das MRI in den allermeisten Fällen im Liegen akquiriert wird, können allfällige biomechanische Wirbelverschiebungen mit zunehmenden Stenosierungen in aufrechter bzw. gewichtstragender Position mit komplementären Röntgenbildern im Stehen sowie in Flexion/Extension detektiert und in die finale Befundsynthese integriert werden. Die CT-Myelographie beschränkt sich auf Fälle, wo eine Kontraindikation für ein MRI vorliegt oder bei Metallimplantaten, die grosse Artefakte im MRI verursachen können, wie z.B. Spondylodesen. Eine CT-Myelographie ermöglicht dann eventuell die Beurteilung von Nervenkompressionen / Spinalkanalstenosen, die ggf. artefaktüberlagert im MRI nicht eruierbar sind.
Bei auch nach durchgeführtem MRI unklaren spinalen Schmerzsyndromen werden zunehmend auch nuklearmedizinische SPECT/CT-Untersuchungen mit Technetium-99m-markierten Phosphonaten zur Detektion von fokal erhöhtem Knochenmetabolismus eingesetzt. Die minimal-invasiven Infiltrationen von lokalen Schmerzgeneratoren (aktivierte Fazettengelenksarthrosen, Spinalkanalstenosen und Nervenwurzelkompressionen) werden aufgrund der genauen Nadelplatzierung und des niedrigen Komplikationsrisikos meist unter CT-Kontrolle durchgeführt. Damit werden zusammen mit muskelstärkenden Übungen häufig gute Langzeitresultate erzielt.

Untersuchungen des peripheren Nervensystems

Die MR-Neurographie hat für die Detektion von lokalen Kompressionssyndromen und intrinsischen Nervenpathologien in den letzten Jahren deutlich an Stellenwert gewonnen. Aufgrund von speziell optimierten Sequenzen wurden hochaufgelöste Visualisierungen von verschiedenen peripheren Nerven und eine Beurteilung der Neventextur bzw. Faszikelstruktur möglich. Zudem lassen sich im gleichen Untersuchungsgang assoziierte Muskeldenervationsmuster erkennen (akute/subakute Denervationsödeme und chronische fettige Degenerationen), um daraus Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Pathologie zu gewinnen (4). Mit der gleichen Technik werden zudem Veränderungen des Plexus brachialis wie auch des Plexus lumbosakralis abgeklärt.

Ausblick

Insbesondere im Bereich der Nuklearmedizin finden molekularpathologische Erkenntnisse zunehmend Eingang in die klinischen Abklärungen. Neue Radiotracer ermöglichen, spezifische Stoffwechselvorgänge, Neurotransmitter oder Rezeptoren in-vivo zu visualisieren und zu quantifizieren. Als Beispiel sollen ß-Amyloid und Tau-Protein-Liganden Demenzerkrankungen im Frühstadium erkennen und charakterisieren. Obwohl diese Verfahren aktuell noch nicht in der klinischen Routine etabliert sind, werden sich in den kommenden Jahren wohl einige neue bildgebende Möglichkeiten ergeben – à suivre.

PD Dr. med. Félix Pierre Kuhn

MAS Medical Physics ETH
Medizinisch Radiologisches Institut (MRI) Zürich
Goethestrasse 18
8001 Zürich

fkuhn@mri-roentgen.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Beitrag.

  • In den meisten Fällen ist das MRI die Methode der Wahl für die Abklärung von neurologischen Fragestellungen. Zur Beurteilung des peripheren Nervensystems bietet die MR-Neurographie zudem die Möglichkeit zur Visualisierung von spezifischen muskulären Denervierungsmustern.
  • Die Computertomographie hat ihren Stellenwert insbesondere bei Frage nach akuten Blutungen und Frakturen sowie zur Charakterisierung von ossären Veränderungen. Aufgrund der kurzen Untersuchungsdauer ist die Methode zudem gut geeignet zur Untersuchung von älteren unruhigen Patienten. Bei jungen Patienten sollte aufgrund der Röntgenstrahlung primär eine MRI-Untersuchung gemacht werden mit allenfalls komplementärer Computertomographie falls notwendig.
  • PET- und SPECT-Untersuchungen werden bei spezifischen Fragestellungen eingesetzt wie zum Beispiel zur Unterteilung von verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen (Demenzen, Bewegungsstörungen).
  • Bei Fragen hinsichtlich der am besten geeigneten primären Untersuchungstechnik steht Ihnen Ihr Neuroradiologe/Neuronuklearmediziner sicherlich gerne beratend zur Verfügung.

Literatur:
1. Barath, K., B. Schuknecht, A.M. Naldi, T. Schrepfer, C.J. Bockisch, and S.C. Hegemann, Detection and grading of endolymphatic hydrops in Meniere disease using MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol, 2014. 35(7): p. 1387-92.
2. Kuhn, F.P., M. Hullner, C.E. Mader, N. Kastrinidis, G.F. Huber, G.K. von Schulthess, S. Kollias, and P. Veit-Haibach, Contrast-enhanced PET/MR imaging versus contrast-enhanced PET/CT in head and neck cancer: how much MR information is needed? J Nucl Med, 2014. 55(4): p. 551-8.
3. Kuhn, F.P., S. Hammoud, M.M. Lefevre-Colau, S. Poiraudeau, and A. Feydy, Prevalence of simple and complex sacral perineural Tarlov cysts in a French cohort of adults and children. J Neuroradiol, 2017. 44(1): p. 38-43.
4. Manoliu, A., M. Ho, D. Nanz, E. Dappa, A. Boss, D.M. Grodzki, W. Liu, A. Chhabra, G. Andreisek, and F.P. Kuhn, MR neurographic orthopantomogram: Ultrashort echo-time imaging of mandibular bone and teeth complemented with high-resolution morphological and functional MR neurography. J Magn Reson Imaging, 2016. 44(2): p. 393-400.

Mit Dampf und zu Fuss unterwegs am Furkapass

Zu meinem 60igsten Geburtstag schenkte mir unsere Tochter Julia eine Fahrt mit der Furka-Dampfbahn. Obwohl ich nicht zu den Eisenbahnverrückten zu zählen bin, wusste unsere Tochter doch genau, dass in ihrem Vater noch immer der technikbegeisterte kleine Junge von früher steckt. Da sich Julia als angehende Biologin zu einer naturverbundenen jungen Frau entwickelt hat, war es für uns selbstverständlich, dass wir uns bei diesem Ausflug nicht auf die Bahnfahrt beschränken, sondern diese mit einer Wanderung verbinden würden – der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm.
Deshalb endet unsere spannende Zugfahrt bei der Station Muttbach-Belvédère jenseits des Scheiteltunnels. Dort finden wir uns, nach dem ruckelnden und gepolsterten Luxus der ersten Klasse inklusive Prosecco, im schweflig-russigen Rauch der sich kreuzenden Züge und in der alpinen Wirklichkeit wieder (Abb. 1). Über Nacht hat es bis weit ins Tal hinunter geschneit und die Wolken hängen noch immer tief. Auch Julias Augen leuchten nach dem faszinierenden Bahnabenteuer, das wir nicht nur Bahnbegeisterten bestens empfehlen können. Unserem nach Gletsch hinunter fahrenden Zug schauen wir nach, als wäre er eine Fata morgana in unserer schnelllebigen Zeit und das eben Erlebte nur ein Traum.
Harte Wirklichkeit ist der nun folgende, kurze Aufstieg über Rossboden zur Furka-Passhöhe hinauf. Die geschickt angelegten Schleifen des Zickzackweges helfen jedoch, diesen steilen Hang rasch zu überwinden. Wer das kurze Stück Passstrasse bis zu den ehemaligen Militärbaracken auf Galenbödmen scheut, der kann hier zum etwa 40 Meter höher gelegenen Bergweg aufsteigen, der das Hotel Belvédère mit Galenbödmen verbindet. Der Weg zur Sidelenhütte verlässt die Barackensiedlung gegen Norden. Sobald wir ins Tal des Sidelenbachs einschwenken, ändert sich die Landschaft schlagartig. Wir stehen urplötzlich im Gletschervorfeld des Sidelengletschers am Fuss der Furkahörner, des Sidelenhorns und des Galenstocks. Wo der Schnee bereits geschmolzen ist, knirscht nun Granit des Aaremassivs unter unseren Bergschuhen. Wir haben die während der alpinen Gebirgsbildung stark verfaltete und zertrümmerte Pufferzone zwischen den herzynischen Gotthard- und Aaremassiven verlassen. Während der Granit des Aaremassivs im Schutze des Gotthards kaum verformt wurde, erlitten dessen magmatischen Gesteine unter den enormen Kräften der sich überfaltenden Decken der alpinen Gebirgsbildung eine Metamorphose und wurden zu deutlich geschichteten Gneisen umgeformt.
Jenseits des Sidelenbachs folgt der Weg der Moränen- und Felskrete östlich des ehemaligen Gletscherbettes bis zur Hütte hinauf (Abb. 2). Die sich jagenden Wolken geben nur sparsam den Blick auf die Felstürme des Gross und Chli Bielenhorns frei. So verziehen wir uns in die gastfreundliche Hütte und geniessen die köstliche Rösti zum etwas späten Mittagessen. Die frische Bergluft hat längst Schwefeldampf und Russ aus Nase und Lungen vertrieben.
Der Nepali Highway bleibt uns des Neuschnees und der späten Stunde wegen für heute verwehrt. Deshalb steigen wir auf dem östlicheren Hüttenweg zur Spiessenälpetli und zur darunter vorbeiführenden Passstrasse ab. Dieser Weg liegt in einer äusserst abwechslungsreichen alpinen Landschaft mit typischen glazialen Feuchtgebieten, in denen man Kröten. Frösche und Molche entdecken kann (Abb. 3). Jenseits der Passstrasse folgen wir weglos dem rechten Ufer des Sidelenbachs hinunter bis zur festungsartigen Militärunterkunft am Bahngeleise der Furka-Bergstrecke. Jenseits der Geleise stossen wir beim Sidelenstafel auf den Bergweg, der der Bahntrasse folgt bis kurz vor Realp. Wer Glück hat, begegnet hier nochmals dem letzten Tageskurs der fauchenden und qualmenden Dampfbahn. Beim Steinstafel halten wir zu einem kurzen Schwatz mit der Älplerin, deren Mann schon den 40. Alpsommer hier oben verbringt. Natürlich sind das Wetter und der frühe Schnee ein Gesprächsthema. In der Vergangenheit gab es weit heftigere Schneefälle während des Alpsommers, sodass das Vieh mit Heu per Bahn versorgt werden musste.
Nach der Station Tiefenbach teilt sich der Weg. Wir bleiben auf der Südseite der Furkareuss und der Bahntrasse. Der Bergweg umgeht in einer kurzen Gegensteigung die enge Schlucht mit den drei Eisenbahntunnels. Der Pfad wird zwar nach Schnee- und Regenfällen auch alternativ als Bergbach genutzt, was aber mit festen Bergschuhen immer noch angenehmer ist als das Fahrsträsschen auf der gegenüberliegenden Talseite. Das Tobel des Steffentals überwindet die Bahnstrecke mit einer 1925 erbauten, zusammenlegbaren Stahlbrücke. Vor jedem Winter wird sie vor Ort so zusammengefaltet, dass sie nicht mehr durch die berüchtigte Steffentallawine zerstört werden kann. Die ursprüngliche, 1913 aus Stein erbaute Brücke wurde durch die Lawine zerstört, noch bevor sie der erste Zug befahren konnte.
Vorbei am kaum mehr erkennbaren Alt Senntumstafel und den Hütten von Laubgädem erreichen wir schliesslich die Militärstrasse ins Witenwasserental, der wir talauswärts bis Realp folgen (Abb. 4). So geht eine erlebnisreiche Ausfahrt und Wanderung zu Ende, bleibt das wunderbare Geburtstagsgeschenk meiner Tochter Julia in unvergesslicher Erinnerung.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

Transurethraler Dauerkatheter oder Zystostomiekatheter

Bei beeinträchtigter Harnblasenentleerung kann die Einlage eines Kunststoff-Katheters in gewissen Situationen unumgänglich sein. Die Indikation zur Einlage eines solchen Katheters in die Harnblase muss aber stets sorgfältig hinterfragt werden, da diese immer Risiken insbesondere infektiöser Natur in sich birgt. Der Artikel fasst Indikationen und praktische Aspekte zur Einlage eines transurethralen Dauerkatheters oder eines Zystostomiekatheters zusammen.

A healthy adult produces about 1-1.5 liters of urine per day depending on the amount of drinking water, which is stored in the urinary bladder and leaves the urinary tract spread over 2-6 bladder emptying per day. If the bladder emptying is impaired, the insertion of a plastic catheter may be unavoidable in certain situations. However, the indication for inserting such a catheter into the bladder must always be scrutinized carefully, as it always entails risks. Both long-term urinary diversion with a transurethral and a suprapubic catheter increases the risk of catheter-associated urinary tract infections, including urosepsis. Urinary tract infections are among the most common nosocomial infections and are catheter-associated in about 80% of cases. After a stay of 5-7 days, permanent catheters are colonized with bacteria and a biofilm is formed. After several weeks, virtually all permanent catheter carriers have catheter-associated bacteriuria (1-3). In order to minimize the development of catheter-associated urinary tract infections, the indication for catheter insertion must be carefully considered, the insertion of a catheter must be done under aseptic conditions and an already lying catheter must be changed at close-meshed intervals.
Furthermore, there are risks due to the insertion of the catheter itself. For example, the insertion of a transurethral indwelling catheter generally entails the risk of urethral injuries with formation of a via falsa and subsequent urethral strictures. Also, the insertion of a suprapubic catheter is associated with risks, this can lead to intra- or perivesical bleeding or by Fehlpunktionen to injuries of adjacent structures (intestines, vessels). Indications for the insertion of a permanent catheter are summarized in Table 1 (4).
In primary care, the acute urinary retention is probably one of the most common reasons that leads to the insertion of a permanent catheter. The causes, which can lead to an acute urinary retention, are manifold. The most important are shown in Table 2 (adapted according to (5)):
The treatment of acute urinary retention is generally the immediate removal of urine by the insertion of a transurethral catheter or in pregnant women, the one-time catheter. Depending on the suspected cause, it should also be treated if possible. For example, in the case of known benign prostatic hyperplasia, it is possible to start with an alpha-blocker such as tamsulosin without previous drug therapy.
For the first time urinary retention, the indwelling catheter usually remains in the urinary bladder for a few days before an outlet attempt can be made. If the cause of the urinary retention is unclear, a clarification of the cause and a corresponding therapy of the underlying disease must be carried out.

Chronic retention bubble (overflow bladder)

Eine weitere Indikation im ambulanten Setting zur Einlage eines Dauerkatheters ist die chronische Retentionsblase. Im Gegensatz zur akuten Harnverhaltung entwickelt sich die chronische Retentionsblase über längere Zeit und wird von den Patienten selbst oftmals nicht bemerkt. Bei der chronischen Retentionsblase besteht die Unmöglichkeit, die Blase vollständig zu entleeren mit der Ausbildung von Restharn. Ab welchen Restharnmengen man von einer chronischen Retentionsblase mit möglichen nachfolgenden Komplikationen ausgehen kann, ist nicht einheitlich definiert. Die American Urological Association beschreibt eine chronische Retentionsblase als Restharnmengen von > 300 ml, welche in einem Zeitraum von 6 Monaten mindestens zweimal nachgewiesen werden müssen (6).
Eine chronische Retentionsblase entsteht am häufigsten bei obstruktiven oder neurogenen Blasenentleerungsstörungen. Zu einer obstruktiv bedingten chronischen Retentionsblase führt am häufigsten die benigne Prostatahyperplasie. Die neurogen bedingte chronische Retentionsblase kann im Rahmen des Diabetes mellitus, Rückenmarksverletzungen oder neurologischer Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose auftreten. Die chronische Retentionsblase kann bis hin zur Überlaufblase führen, bei welcher der unwillkürliche Abgang von kleinen Portionen Urin auftritt. Unbehandelt kann sie je nach Ausmass zu schwerwiegenden Folgen führen, wie der Hydronephrose mit nachfolgendem Funktionsverlust der Nieren.
Wann immer möglich sollte versucht werden, die chronische Retentionsblase mittels intermittierendem (Selbst)Katheterismus zu behandeln. Sollte dies nicht möglich sein, sollte eine dauerhafte Harnableitung angestrebt werden.

Soll nun ein transurethraler Dauerkatheter oder ein suprapubischer Zystostomiekatheter gewählt werden?

Ist vorauszusehen, dass eine Harnableitung über mehrere Wochen bzw. gar dauerhaft notwendig wird, kann die Einlage eines suprapubischen Katheters evaluiert werden. Der suprapubische Katheter ist oftmals für den Patienten angenehmer zu tragen und grundsätzlich ist mit einem suprapubischen Katheter Geschlechtsverkehr möglich, was für manche Patienten ein entscheidender Faktor ist. Zudem ist der suprapubische Katheter im Vergleich zum transurethralen Katheter mit weniger Komplikationen im Bereich der Harnröhre (Strikturen etc.) vergesellschaftet. Hingegen ergibt sich durch die Einlage eines suprapubischen Katheters gemäss neuerer

Literatur keine geringere Inzidenz von Katheter-assoziierten Harnwegsinfekten (7, 8).
Ein suprapubischer Katheter ist auch dann indiziert, wenn ein transurethraler Katheter nicht eingelegt werden kann, z.B. bei unüberwindbaren Strikturen der Harnröhre oder traumatischen Verletzungen der Harnröhre.
Für die Einlage eines suprapubischen Katheters bestehen jedoch auch diverse absolute und relative Kontraindikationen.

Absolute Kontraindikationen:

  • Ungenügend gefüllte oder sonographisch nicht oder ungenügend darstellbare Harnblase
  • Harnblasentumoren oder Tumoren im kleinen Becken oder im Abdomen, welche die Harnblase verdrängen
  • Gerinnungsstörungen
  • Hauterkrankungen im Punktionsbereich

Relative Kontraindikationen:

  • Voroperationen im Unterbauch
  • Adipositas per magna
  • Schwangerschaft

Der Entscheid, ob nun ein suprapubischer Katheter in Frage kommt, sollte vom individuellen Fall abhängig gemacht werden und der Patient sollte, wenn möglich, in die Entscheidung miteinbezogen werden. Grundsätzlich müssen die Vorteile, die sich durch die Einlage eines suprapubischen Katheters für den Patienten ergeben mit den möglichen potentiell lebensbedrohlichen Komplikationen, die bei dessen Einlage auftreten können (schwere Blutungen, Darmperforationen) abgewogen werden. Aus urologischer Sicht kann bei guter Verträglichkeit und Patientenakzeptanz eine dauerhafte Harnableitung durchaus auch durch einen transurethralen Katheter erfolgen.

Soll die Harnableitung mittels Beinbeutel oder Ventil erfolgen?

Ist die Notwendigkeit für die Einlage eines Dauerkatheters gegeben, so stellt sich die Frage, ob die Ableitung am Beinbeutel oder per Ventil erfolgen soll. Die Datenlage diesbezüglich ist spärlich. Gemäss der vorliegenden Literatur ist die Patientenzufriedenheit bei der Ableitung per Ventil grösser, obwohl es bei Patienten mit Ableitung per Ventil öfter zu nächtlichem Harndrang und parakathetralem Urinverlust kam. Bezüglich des Auftretens von Harnwegsinfekten ergab sich zwischen den beiden Methoden kein Unterschied (9). Die Ableitung per Ventil setzt jedoch natürlich voraus, dass der Patient in der Lage ist, dieses manuell zu bedienen und den Urin in regelmässigen Abständen abzulassen.

Ist ein regelmässiges Anspülen des Katheters zu empfehlen?

Eine weitere Frage, die sich im Rahmen der Harnableitung mittels Dauerkatheter häufig stellt, ist diejenige, ob der Katheter regelmässig angespült werden soll. Gemäss gängiger Literatur gibt es hierfür keine Evidenz (2, 4). Im Gegenteil kann das regelmässige Anspülen des Katheters sogar das Risiko für Harnwegsinfekte erhöhen, da zum einen bei jedem Dekonnektieren des Systems eine mögliche Eintrittspforte für Mikroorganismen entsteht und es zum anderen durch das Anspülen zu einer mechanischen Irritation der Blasenwand kommen kann, welche ebenfalls das Risiko für Infekte erhöht.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Harnableitung durch einen transurethralen oder superpubischen Katheter nur nach sorgfältiger Indikationsstellung vorgenommen werden sollte. sollte die Notwendigkeit einer längerfristigen oder gar dauerhaften Harnableitung bestehen, so sollte der Katheter, unabhängig ob transurethral oder subpubisch, in regelmässigen 6-8-wöchentlichen Abständen gewechselt werden. Die Versorgung mittels Katheter sollte regelmässig reevaluiert und der Katheter so früh als möglich wieder entfernt werden. Zudem sollte immer auch evaluiert werden, ob in der vorliegenden Situation nicht ein intermittierender (Selbst)Katheterismus als Alternative in Frage kommt.

dipl. Ärztin Olivia Märzendorfer

Urologische Klinik, UniversitätsSpital
Frauenklinikstrasse 10
8091 Zürich

olivia.maerzendorfer@usz.ch

Dr. med. Martin Lüscher

Urologische Klinik, UniversitätsSpital
Frauenklinikstrasse 10
8091 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte in ­Zusammenhang mit diesem Beitragt.

  • Die Einlage eines Dauerkatheters darf nur bei klar vorliegender Indikation unter aseptischen Bedingungen erfolgen. Ist ein Katheter eingelegt, muss dieser in regelmässigen Abständen gewechselt werden. Zudem ist stets zu evaluieren, ob ein Katheter noch benötigt wird und ob alternativ nicht auch ein intermittierender (Selbst)katheterismus in Frage kommt.
  • Vor der Einlage eines suprapubischen Katheters sollen die daraus resultierenden Vorteile für den Patienten immer gegen die möglichen lebensbedrohlichen Komplikationen, welche bei der Einlage auftreten können, abgewogen und der Entscheid wenn immer möglich zusammen mit dem Patienten getroffen werden. Bei guter Verträglichkeit und Akzeptanz des Patienten spricht grundsätzlich nichts gegen eine dauerhafte Harnableitung via transurethralen Katheter.
  • Ein regelmässiges Anspülen des Katheters wird nicht empfohlen, da dies durch die mechanische Reizung der Blasenwand und das regelmässige De- und Rekonnektieren des Systems Katheter-assoziierte Harnwegsinfekte fördern kann.

Literatur:
1. Group KDIGOKCW. KDIGO 2012 clinical practice guideline for the evaluation and management of chronic kidney disease. Kidney International Suppl. 2013;3(1):150.
2. T W. Kreatin Supplementation und Nierenfunktion: Reines Kreatin ist nicht schädlich für die Nieren! Swiss medical forum. 2013;13(42):3.
3. Cockcroft DW, Gault MH. Prediction of creatinine clearance from serum creatinine. Nephron. 1976;16(1):31-41. Epub 1976/01/01.
4. Levey AS, Bosch JP, Lewis JB, Greene T, Rogers N, Roth D. A more accurate method to estimate glomerular filtration rate from serum creatinine: a new prediction equation. Modification of Diet in Renal Disease Study Group. Annals of internal medicine. 1999;130(6):461-70. Epub 1999/03/13.
5. K/DOQI clinical practice guidelines for chronic kidney disease: evaluation, classification, and stratification. American journal of kidney diseases : the official journal of the National Kidney Foundation. 2002;39(2 Suppl 1):S1-266. Epub 2002/03/21.
6. Inker LA, Schmid CH, Tighiouart H, Eckfeldt JH, Feldman HI, Greene T, et al. Estimating glomerular filtration rate from serum creatinine and cystatin C. The New England journal of medicine. 2012;367(1):20-9. Epub 2012/07/06.
7. Coresh J, Turin TC, Matsushita K, Sang Y, Ballew SH, Appel LJ, et al. Decline in estimated glomerular filtration rate and subsequent risk of end-stage renal disease and mortality. Jama. 2014;311(24):2518-31. Epub 2014/06/04.
8. Gansevoort RT, Matsushita K, van der Velde M, Astor BC, Woodward M, Levey AS, et al. Lower estimated GFR and higher albuminuria are associated with adverse kidney outcomes. A collaborative meta-analysis of general and high-risk population cohorts. Kidney international. 2011;80(1):93-104. Epub 2011/02/04.
9. Astor BC, Matsushita K, Gansevoort RT, van der Velde M, Woodward M, Levey AS, et al. Lower estimated glomerular filtration rate and higher albuminuria are associated with mortality and end-stage renal disease. A collaborative meta-analysis of kidney disease population cohorts. Kidney international. 2011;79(12):1331-40. Epub 2011/02/04.
10. Wetzels JF, Kiemeney LA, Swinkels DW, Willems HL, den Heijer M. Age- and gender-specific reference values of estimated GFR in Caucasians: the Nijmegen Biomedical Study. Kidney international. 2007;72(5):632-7. Epub 2007/06/15.
11. de Brito-Ashurst I, Varagunam M, Raftery MJ, Yaqoob MM. Bicarbonate supplementation slows progression of CKD and improves nutritional status. Journal of the American Society of Nephrology : JASN. 2009;20(9):2075-84. Epub 2009/07/18.
12. Phisitkul S, Khanna A, Simoni J, Broglio K, Sheather S, Rajab MH, et al. Amelioration of metabolic acidosis in patients with low GFR reduced kidney endothelin production and kidney injury, and better preserved GFR. Kidney international. 2010;77(7):617-23. Epub 2010/01/15.
13. Mahajan A, Simoni J, Sheather SJ, Broglio KR, Rajab MH, Wesson DE. Daily oral sodium bicarbonate preserves glomerular filtration rate by slowing its decline in early hypertensive nephropathy. Kidney international. 2010;78(3):303-9. Epub 2010/05/07.
14. KDIGO 2017 CLINICAL PRACTICE GUIDELINE UPDATE FOR THE DIAGNOSIS, EVALUATION, PREVENTION, AND TREATMENT OF CHRONIC KIDNEY DISEASE–MINERAL AND BONE DISORDER (CKD-MBD). Kidney International Suppl. 2017;7(1):60.
15. KDIGO Clinical Practice Guideline for Lipid Management in Chronic Kidney Disease. Kidney International Suppl. 2013;3(3):47.
16. KDIGO Clinical Practice Guideline for the Management of Blood Pressure in Chronic Kidney Disease Kidney International Suppl. 2012;2(5):77.
17th Wenceslas UO. Angiotensin-converting enzyme inhibitors and progression of renal disease: evidence from clinical studies. Contributions to nephrology. 2001 (135): 200-11. Epub 2001/11/14.
18. Wilhelm-Leen E, Montez-Rath ME, Chertow G. Estimating the Risk of Radiocontrast-Associated Nephropathy. Journal of the American Society of Nephrology: JASN. 2017; 28 (2): 653-9. Epub 2016/10/01.
19. Perazella MA. Current status of gadolinium toxicity in patients with kidney disease. Clinical journal of the American Society of Nephrology: CJASN. 2009; 4 (2): 461-9. Epub 2009/02/10.