Zu meinem 60igsten Geburtstag schenkte mir unsere Tochter Julia eine Fahrt mit der Furka-Dampfbahn. Obwohl ich nicht zu den Eisenbahnverrückten zu zählen bin, wusste unsere Tochter doch genau, dass in ihrem Vater noch immer der technikbegeisterte kleine Junge von früher steckt. Da sich Julia als angehende Biologin zu einer naturverbundenen jungen Frau entwickelt hat, war es für uns selbstverständlich, dass wir uns bei diesem Ausflug nicht auf die Bahnfahrt beschränken, sondern diese mit einer Wanderung verbinden würden – der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm.
Deshalb endet unsere spannende Zugfahrt bei der Station Muttbach-Belvédère jenseits des Scheiteltunnels. Dort finden wir uns, nach dem ruckelnden und gepolsterten Luxus der ersten Klasse inklusive Prosecco, im schweflig-russigen Rauch der sich kreuzenden Züge und in der alpinen Wirklichkeit wieder (Abb. 1). Über Nacht hat es bis weit ins Tal hinunter geschneit und die Wolken hängen noch immer tief. Auch Julias Augen leuchten nach dem faszinierenden Bahnabenteuer, das wir nicht nur Bahnbegeisterten bestens empfehlen können. Unserem nach Gletsch hinunter fahrenden Zug schauen wir nach, als wäre er eine Fata morgana in unserer schnelllebigen Zeit und das eben Erlebte nur ein Traum.
Harte Wirklichkeit ist der nun folgende, kurze Aufstieg über Rossboden zur Furka-Passhöhe hinauf. Die geschickt angelegten Schleifen des Zickzackweges helfen jedoch, diesen steilen Hang rasch zu überwinden. Wer das kurze Stück Passstrasse bis zu den ehemaligen Militärbaracken auf Galenbödmen scheut, der kann hier zum etwa 40 Meter höher gelegenen Bergweg aufsteigen, der das Hotel Belvédère mit Galenbödmen verbindet. Der Weg zur Sidelenhütte verlässt die Barackensiedlung gegen Norden. Sobald wir ins Tal des Sidelenbachs einschwenken, ändert sich die Landschaft schlagartig. Wir stehen urplötzlich im Gletschervorfeld des Sidelengletschers am Fuss der Furkahörner, des Sidelenhorns und des Galenstocks. Wo der Schnee bereits geschmolzen ist, knirscht nun Granit des Aaremassivs unter unseren Bergschuhen. Wir haben die während der alpinen Gebirgsbildung stark verfaltete und zertrümmerte Pufferzone zwischen den herzynischen Gotthard- und Aaremassiven verlassen. Während der Granit des Aaremassivs im Schutze des Gotthards kaum verformt wurde, erlitten dessen magmatischen Gesteine unter den enormen Kräften der sich überfaltenden Decken der alpinen Gebirgsbildung eine Metamorphose und wurden zu deutlich geschichteten Gneisen umgeformt.
Jenseits des Sidelenbachs folgt der Weg der Moränen- und Felskrete östlich des ehemaligen Gletscherbettes bis zur Hütte hinauf (Abb. 2). Die sich jagenden Wolken geben nur sparsam den Blick auf die Felstürme des Gross und Chli Bielenhorns frei. So verziehen wir uns in die gastfreundliche Hütte und geniessen die köstliche Rösti zum etwas späten Mittagessen. Die frische Bergluft hat längst Schwefeldampf und Russ aus Nase und Lungen vertrieben.
Der Nepali Highway bleibt uns des Neuschnees und der späten Stunde wegen für heute verwehrt. Deshalb steigen wir auf dem östlicheren Hüttenweg zur Spiessenälpetli und zur darunter vorbeiführenden Passstrasse ab. Dieser Weg liegt in einer äusserst abwechslungsreichen alpinen Landschaft mit typischen glazialen Feuchtgebieten, in denen man Kröten. Frösche und Molche entdecken kann (Abb. 3). Jenseits der Passstrasse folgen wir weglos dem rechten Ufer des Sidelenbachs hinunter bis zur festungsartigen Militärunterkunft am Bahngeleise der Furka-Bergstrecke. Jenseits der Geleise stossen wir beim Sidelenstafel auf den Bergweg, der der Bahntrasse folgt bis kurz vor Realp. Wer Glück hat, begegnet hier nochmals dem letzten Tageskurs der fauchenden und qualmenden Dampfbahn. Beim Steinstafel halten wir zu einem kurzen Schwatz mit der Älplerin, deren Mann schon den 40. Alpsommer hier oben verbringt. Natürlich sind das Wetter und der frühe Schnee ein Gesprächsthema. In der Vergangenheit gab es weit heftigere Schneefälle während des Alpsommers, sodass das Vieh mit Heu per Bahn versorgt werden musste.
Nach der Station Tiefenbach teilt sich der Weg. Wir bleiben auf der Südseite der Furkareuss und der Bahntrasse. Der Bergweg umgeht in einer kurzen Gegensteigung die enge Schlucht mit den drei Eisenbahntunnels. Der Pfad wird zwar nach Schnee- und Regenfällen auch alternativ als Bergbach genutzt, was aber mit festen Bergschuhen immer noch angenehmer ist als das Fahrsträsschen auf der gegenüberliegenden Talseite. Das Tobel des Steffentals überwindet die Bahnstrecke mit einer 1925 erbauten, zusammenlegbaren Stahlbrücke. Vor jedem Winter wird sie vor Ort so zusammengefaltet, dass sie nicht mehr durch die berüchtigte Steffentallawine zerstört werden kann. Die ursprüngliche, 1913 aus Stein erbaute Brücke wurde durch die Lawine zerstört, noch bevor sie der erste Zug befahren konnte.
Vorbei am kaum mehr erkennbaren Alt Senntumstafel und den Hütten von Laubgädem erreichen wir schliesslich die Militärstrasse ins Witenwasserental, der wir talauswärts bis Realp folgen (Abb. 4). So geht eine erlebnisreiche Ausfahrt und Wanderung zu Ende, bleibt das wunderbare Geburtstagsgeschenk meiner Tochter Julia in unvergesslicher Erinnerung.
Bei beeinträchtigter Harnblasenentleerung kann die Einlage eines Kunststoff-Katheters in gewissen Situationen unumgänglich sein. Die Indikation zur Einlage eines solchen Katheters in die Harnblase muss aber stets sorgfältig hinterfragt werden, da diese immer Risiken insbesondere infektiöser Natur in sich birgt. Der Artikel fasst Indikationen und praktische Aspekte zur Einlage eines transurethralen Dauerkatheters oder eines Zystostomiekatheters zusammen.
A healthy adult produces about 1-1.5 liters of urine per day depending on the amount of drinking water, which is stored in the urinary bladder and leaves the urinary tract spread over 2-6 bladder emptying per day. If the bladder emptying is impaired, the insertion of a plastic catheter may be unavoidable in certain situations. However, the indication for inserting such a catheter into the bladder must always be scrutinized carefully, as it always entails risks. Both long-term urinary diversion with a transurethral and a suprapubic catheter increases the risk of catheter-associated urinary tract infections, including urosepsis. Urinary tract infections are among the most common nosocomial infections and are catheter-associated in about 80% of cases. After a stay of 5-7 days, permanent catheters are colonized with bacteria and a biofilm is formed. After several weeks, virtually all permanent catheter carriers have catheter-associated bacteriuria (1-3). In order to minimize the development of catheter-associated urinary tract infections, the indication for catheter insertion must be carefully considered, the insertion of a catheter must be done under aseptic conditions and an already lying catheter must be changed at close-meshed intervals. Furthermore, there are risks due to the insertion of the catheter itself. For example, the insertion of a transurethral indwelling catheter generally entails the risk of urethral injuries with formation of a via falsa and subsequent urethral strictures. Also, the insertion of a suprapubic catheter is associated with risks, this can lead to intra- or perivesical bleeding or by Fehlpunktionen to injuries of adjacent structures (intestines, vessels). Indications for the insertion of a permanent catheter are summarized in Table 1 (4). In primary care, the acute urinary retention is probably one of the most common reasons that leads to the insertion of a permanent catheter. The causes, which can lead to an acute urinary retention, are manifold. The most important are shown in Table 2 (adapted according to (5)): The treatment of acute urinary retention is generally the immediate removal of urine by the insertion of a transurethral catheter or in pregnant women, the one-time catheter. Depending on the suspected cause, it should also be treated if possible. For example, in the case of known benign prostatic hyperplasia, it is possible to start with an alpha-blocker such as tamsulosin without previous drug therapy. For the first time urinary retention, the indwelling catheter usually remains in the urinary bladder for a few days before an outlet attempt can be made. If the cause of the urinary retention is unclear, a clarification of the cause and a corresponding therapy of the underlying disease must be carried out.
Chronic retention bubble (overflow bladder)
Eine weitere Indikation im ambulanten Setting zur Einlage eines Dauerkatheters ist die chronische Retentionsblase. Im Gegensatz zur akuten Harnverhaltung entwickelt sich die chronische Retentionsblase über längere Zeit und wird von den Patienten selbst oftmals nicht bemerkt. Bei der chronischen Retentionsblase besteht die Unmöglichkeit, die Blase vollständig zu entleeren mit der Ausbildung von Restharn. Ab welchen Restharnmengen man von einer chronischen Retentionsblase mit möglichen nachfolgenden Komplikationen ausgehen kann, ist nicht einheitlich definiert. Die American Urological Association beschreibt eine chronische Retentionsblase als Restharnmengen von > 300 ml, welche in einem Zeitraum von 6 Monaten mindestens zweimal nachgewiesen werden müssen (6).
Eine chronische Retentionsblase entsteht am häufigsten bei obstruktiven oder neurogenen Blasenentleerungsstörungen. Zu einer obstruktiv bedingten chronischen Retentionsblase führt am häufigsten die benigne Prostatahyperplasie. Die neurogen bedingte chronische Retentionsblase kann im Rahmen des Diabetes mellitus, Rückenmarksverletzungen oder neurologischer Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose auftreten. Die chronische Retentionsblase kann bis hin zur Überlaufblase führen, bei welcher der unwillkürliche Abgang von kleinen Portionen Urin auftritt. Unbehandelt kann sie je nach Ausmass zu schwerwiegenden Folgen führen, wie der Hydronephrose mit nachfolgendem Funktionsverlust der Nieren.
Wann immer möglich sollte versucht werden, die chronische Retentionsblase mittels intermittierendem (Selbst)Katheterismus zu behandeln. Sollte dies nicht möglich sein, sollte eine dauerhafte Harnableitung angestrebt werden.
Soll nun ein transurethraler Dauerkatheter oder ein suprapubischer Zystostomiekatheter gewählt werden?
Ist vorauszusehen, dass eine Harnableitung über mehrere Wochen bzw. gar dauerhaft notwendig wird, kann die Einlage eines suprapubischen Katheters evaluiert werden. Der suprapubische Katheter ist oftmals für den Patienten angenehmer zu tragen und grundsätzlich ist mit einem suprapubischen Katheter Geschlechtsverkehr möglich, was für manche Patienten ein entscheidender Faktor ist. Zudem ist der suprapubische Katheter im Vergleich zum transurethralen Katheter mit weniger Komplikationen im Bereich der Harnröhre (Strikturen etc.) vergesellschaftet. Hingegen ergibt sich durch die Einlage eines suprapubischen Katheters gemäss neuerer
Literatur keine geringere Inzidenz von Katheter-assoziierten Harnwegsinfekten (7, 8).
Ein suprapubischer Katheter ist auch dann indiziert, wenn ein transurethraler Katheter nicht eingelegt werden kann, z.B. bei unüberwindbaren Strikturen der Harnröhre oder traumatischen Verletzungen der Harnröhre.
Für die Einlage eines suprapubischen Katheters bestehen jedoch auch diverse absolute und relative Kontraindikationen.
Absolute Kontraindikationen:
Ungenügend gefüllte oder sonographisch nicht oder ungenügend darstellbare Harnblase
Harnblasentumoren oder Tumoren im kleinen Becken oder im Abdomen, welche die Harnblase verdrängen
Gerinnungsstörungen
Hauterkrankungen im Punktionsbereich
Relative Kontraindikationen:
Voroperationen im Unterbauch
Adipositas per magna
Schwangerschaft
Der Entscheid, ob nun ein suprapubischer Katheter in Frage kommt, sollte vom individuellen Fall abhängig gemacht werden und der Patient sollte, wenn möglich, in die Entscheidung miteinbezogen werden. Grundsätzlich müssen die Vorteile, die sich durch die Einlage eines suprapubischen Katheters für den Patienten ergeben mit den möglichen potentiell lebensbedrohlichen Komplikationen, die bei dessen Einlage auftreten können (schwere Blutungen, Darmperforationen) abgewogen werden. Aus urologischer Sicht kann bei guter Verträglichkeit und Patientenakzeptanz eine dauerhafte Harnableitung durchaus auch durch einen transurethralen Katheter erfolgen.
Soll die Harnableitung mittels Beinbeutel oder Ventil erfolgen?
Ist die Notwendigkeit für die Einlage eines Dauerkatheters gegeben, so stellt sich die Frage, ob die Ableitung am Beinbeutel oder per Ventil erfolgen soll. Die Datenlage diesbezüglich ist spärlich. Gemäss der vorliegenden Literatur ist die Patientenzufriedenheit bei der Ableitung per Ventil grösser, obwohl es bei Patienten mit Ableitung per Ventil öfter zu nächtlichem Harndrang und parakathetralem Urinverlust kam. Bezüglich des Auftretens von Harnwegsinfekten ergab sich zwischen den beiden Methoden kein Unterschied (9). Die Ableitung per Ventil setzt jedoch natürlich voraus, dass der Patient in der Lage ist, dieses manuell zu bedienen und den Urin in regelmässigen Abständen abzulassen.
Ist ein regelmässiges Anspülen des Katheters zu empfehlen?
Eine weitere Frage, die sich im Rahmen der Harnableitung mittels Dauerkatheter häufig stellt, ist diejenige, ob der Katheter regelmässig angespült werden soll. Gemäss gängiger Literatur gibt es hierfür keine Evidenz (2, 4). Im Gegenteil kann das regelmässige Anspülen des Katheters sogar das Risiko für Harnwegsinfekte erhöhen, da zum einen bei jedem Dekonnektieren des Systems eine mögliche Eintrittspforte für Mikroorganismen entsteht und es zum anderen durch das Anspülen zu einer mechanischen Irritation der Blasenwand kommen kann, welche ebenfalls das Risiko für Infekte erhöht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine Harnableitung durch einen transurethralen oder superpubischen Katheter nur nach sorgfältiger Indikationsstellung vorgenommen werden sollte. sollte die Notwendigkeit einer längerfristigen oder gar dauerhaften Harnableitung bestehen, so sollte der Katheter, unabhängig ob transurethral oder subpubisch, in regelmässigen 6-8-wöchentlichen Abständen gewechselt werden. Die Versorgung mittels Katheter sollte regelmässig reevaluiert und der Katheter so früh als möglich wieder entfernt werden. Zudem sollte immer auch evaluiert werden, ob in der vorliegenden Situation nicht ein intermittierender (Selbst)Katheterismus als Alternative in Frage kommt.
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Beitragt.
Die Einlage eines Dauerkatheters darf nur bei klar vorliegender Indikation unter aseptischen Bedingungen erfolgen. Ist ein Katheter eingelegt, muss dieser in regelmässigen Abständen gewechselt werden. Zudem ist stets zu evaluieren, ob ein Katheter noch benötigt wird und ob alternativ nicht auch ein intermittierender (Selbst)katheterismus in Frage kommt.
Vor der Einlage eines suprapubischen Katheters sollen die daraus resultierenden Vorteile für den Patienten immer gegen die möglichen lebensbedrohlichen Komplikationen, welche bei der Einlage auftreten können, abgewogen und der Entscheid wenn immer möglich zusammen mit dem Patienten getroffen werden. Bei guter Verträglichkeit und Akzeptanz des Patienten spricht grundsätzlich nichts gegen eine dauerhafte Harnableitung via transurethralen Katheter.
Ein regelmässiges Anspülen des Katheters wird nicht empfohlen, da dies durch die mechanische Reizung der Blasenwand und das regelmässige De- und Rekonnektieren des Systems Katheter-assoziierte Harnwegsinfekte fördern kann.
Literatur:
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Physiologisches Altern ist mit einer Veränderung der Körperzusammensetzung verbunden, insbesondere einer Abnahme der Muskelmasse (Magermasse). Dieser Rückgang der Muskelmasse führt zu einem Mangel an Kraft und muskulärer Leistung, die sich auf die täglichen Aktivitäten und die Unabhängigkeit des älteren Menschen auswirken können. Dieser Artikel erörtert die verfügbaren Diagnosemethoden und beleuchtet Aspekte im Zusammenhang mit der Prävention und Behandlung der Sarkopenie.
Aus epidemiologischen Gründen im Zusammenhang mit der Alterung der Bevölkerung stellt die Sarkopenie der älteren Menschen eine wichtige Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen dar. Sie führt zu einem Rückgang der Autonomie und der Lebensqualität sowie zu einem Anstieg der Morbidität und Mortalität der betroffenen Patienten.
Definition
Der Begriff Sarkopenie leitet sich vom griechischen sarx (Fleisch) und penia (Verlust) ab und definiert ursprünglich den Verlust von Muskelmasse (3). In der Folge wurde der Begriff auch auf Verlust von Muskelkraft und Muskelleistung erweitert. Die Muskelkraft ist eine wichtige Determinante des Funktionsniveaus, aber die Leistungsfähigkeit (pro Zeiteinheit verfügbare Kraft) ist wahrscheinlich ein noch kritischerer Faktor, der früher und stärker abnimmt als die Kraft mit dem Alter (1, 2).
Epidemiologie
Die Prävalenz der Sarkopenie variiert stark je nach Studien, analysierten Populationen und verwendeten Definitionen. In einem systematischen Review von 2014 fand sich bei Personen über 50 Jahre in der Ambulanz eine Prävalenz der Sarkopenie gemäss europäischer Definition von 1-29%, von 14-33% in Pflegeinstitutionen und von 10% in einem Akutspital (4).
Risikofaktoren für die Entwicklung der Sarkopenie
Das Alter ist der wichtigste prädisponierende Faktor für die primäre Sarkopenie. Zu den Mechanismen der altersbedingten Sarkopenie gehören die Atrophie der Muskelfasern (insbesondere der Typ-II-Fasern), die Abnahme der muskulären Stammzellen und der motorischen Einheiten sowie der Rückgang der Hormonsekretion (Testosteron, Wachstumshormon), die Zunahme der inflammatorischen Zytokine, die Abnahme der mitochondrialen Funktion und die abnormale Myokin-Produktion. Betreffend Risikofaktoren für eine sekundäre Sarkopenie sei die verminderte körperliche Aktivität infolge osteoartikulärer Störungen oder psychosozialer Faktoren (Depression, Isolation) erwähnt.Wichtige Organopathien (chronische Lungenerkrankung, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz) sowie Entzündungskrankheiten, onkologische Erkrankungen oder endokrine oder metabolische Pathologien mit Malabsorption begünstigen ebenfalls die Entstehung einer Sarkopenie (5).
Schliesslich können die Anorexie bei älteren Menschen (Appetitlosigkeit durch verminderte Ghrelin-Sekretion, Dysfunktion des Verdauungssystems, Polypharmazie, psychosoziale Faktoren) und ungünstige Wahl von Nahrungskomponenten zu einem Protein-Energie-Mangel führen.
Diagnose
Methoden zur Bewertung der Muskelmasse Der CT-Scan und die MRT ermöglichen es, mit hoher Genauigkeit zwischen Muskel und Fett zu unterscheiden. V.a. aufgrund der Strahlenbelastung resp. dem Aufwand werden diese Techniken für diese Indikation nicht eingesetzt.
Bei der Bioelektrischen Impedanzanalyse (BIA) wird die Zusammensetzung von Fett- und Magermasse aufgrund der elektrischen Impedanz von biologischen Geweben mit Algorithmen berechnet. Ein Problem dabei ist die geringe Genauigkeit der Methode.
Isotopenmethoden werden hauptsächlich in der Forschung eingesetzt. Anthropometrische Messungen (Arm-/ Wadenumfang) sind mit der Muskelmasse korreliert, aber zu ungenau, um für diagnostische Zwecke verwendet zu werden.
Die DXA (Doppelröntgenabsorptiometrie)) bleibt die Referenzmethode zur Messung der Körperzusammensetzung, einschliesslich Knochen-, Fett- und Magermasse. Die Strahlenbelastung ist gering und die Genauigkeit der Messung ist gut (1, 6). Verfahren zur Messung der Muskelkraft
Manuelle Dynamometer ermöglichen die isometrische Messung der Greifkraft. Das am häufigsten verwendete Protokoll besteht aus drei Messungen an beiden Händen, wobei jeweils der höchste Wert berücksichtigt wird. Eine geringe Greifkraft stellt einen klinischen Marker für Fragilität dar. Es gibt alters- und geschlechtsbezogene Skalen (1, 7). Messung der körperlichen Leistungsfähigkeit Viele Funktionstests können verwendet werden, um die klinischen Auswirkungen der Sarkopenie zu beurteilen.
Die short physical performance battery (SPPB) ist ein Instrument aus mehreren Komponenten zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Haltungsstabilität (Gleichgewichtstest), einer Muskelschwäche der unteren Extremitäten (Stuhl-Aufsteh-Test) und einer reduzierten Gehgeschwindigkeit (Gehgeschwindigkeitstest). Ein Wert von weniger als 8 Punkten (von insgesamt 12) ist ein Indikator für das Risiko einer Sarkopenie (Abb. 1). Die Gehgeschwindigkeit kann allein genutzt werden, der Timed up and Go-Test bewertet die Zeit, die benötigt wird, um von einem Stuhl aufzustehen, drei Meter zu gehen, um 180° zu drehen, zum Stuhl zurückzukehren und sich wieder hinzusetzen, wobei der Patient bei Bedarf eine Gehhilfe benutzen kann. Eine Zeit von mehr als 14 Sekunden ist pathologisch und ein Indikator für ein hohes Sturzrisiko (1, 8). Diagnoseverfahren mit Hilfe von Fragebögen Der Fragebogen SARC-F wurde für die Diagnose der Sarkopenie validiert. Er besteht aus fünf Fragen zur Beurteilung von Muskelkraft, Gehstörungen und Stürzen. Die diagnostische Sensitivität ist gering, aber die Spezifität ist gut (1, 9) (Tab. 1). Biochemische Marker für Entzündungen Es besteht eine Assoziation zwischen Befunden von Entzündungsmarkern wie CRP, GM-CSF, IFNγ, IL 6 und 8 sowie TNF α und niedriger Muskelmasse und Muskelschwäche. Andere Proteine oder Peptide wie das C-terminale Agrinfragment (CAF) oder die High-temperature requirement serine protease A1 (HtrA1) sind ebenfalls mit Sarkope-nie assoziiert. Chronischer Entzündungszustand und oxidativer Stress prädisponieren für Sarkopenie, indem sie das Protease-Ubiquitin-System aktivieren und die anabole Wirkung von IGF-1 reduzieren (2, 10).
Leider bestehen heute noch keine Daten für die Verwendung dieser Parameter in der täglichen klinischen Praxis. Diagnostiche Kriterien Zu den diagnostischen Kriterien der «European Working Group on Sarcopenia in Older People (EWGSOP)» gehören ein Mass für die Muskelmasse (appendikuläre Magermasse: MMA/Grösse2 < 5,67 kg/m2 bei Frauen und < 7,23 kg/m2 bei Männern), die Muskelkraft (Greifkraft < 20 kg bei Frauen und < 30 kg bei Männern) und die körperliche Leistungsfähigkeit (Gehgeschwindigkeit < 0,8 m/s) (Abb. 2). Die «Founda-
tion for the National Institutes of Health (FNIH) Biomarkers Consortium Sarcopenia Project» in den USA hat Schwellenwerte definiert für die Greifkraft < 26 kg bei Männern und < 16 kg bei Frauen (als Alternative: Greifkraft angepasst für Body-Mass-Index < 1 bei Männern und < 0.56 für Frauen) und für die Magermasse angepasst an den BMI < 0,789 für Männer und < 0,512 für Frauen (als Alternative: MMA < 19,75 kg für Männer und < 15,05 kg für Frauen) (1, 11).
Konsequenzen
Ein systematisches Screening auf Sarkopenie bei älteren Menschen ist wichtig. Sarkopenie-Patienten zeigen mehr Komorbiditäten, konsultieren öfter einen Arzt, sind öfter polymediziert, werden häufiger ins Krankenhaus eingeliefert, stürzen öfter und fallen mit schwerwiegenderen Folgen als eine gleichaltrige Bevölkerung ohne Sarkopenie (12).
Prävention und Behandlung
Rolle der Ernährung Zunächst sollte der individuelle Energiebedarf mit der Formel 27-30 kcal/kg/Tag (empfohlene Werte für ältere polymorbide Patienten) geschätzt werden (20). Proteinangereicherte Ernährung Eine Proteinzufuhr von 1 bis 1,2 g/kg/Tag wurde als Minimum zur Aufrechterhaltung der Muskelmasse bei gesunden älteren Menschen nachgewiesen und ein Bedarf von 1,2 bis 1,6 g/kg/Tag bei älteren Pa-
tienten mit chronischen Erkrankungen. Eine ausgewogene Verteilung der Proteinzufuhr während 3 Hauptmahlzeiten während des Tages ist vorteilhafter als eine grosse Menge einmal am Tag. Die empfohlene Menge pro Mahlzeit beträgt 20-30 g, was dem Proteingehalt von 200 ml eines oralen Nahrungsergänzungsmittels (ONS) entspricht (Fresubin, Resource, Ensure, usw.). Die Art und Weise, wie Proteine verabreicht werden, bleibt jedoch umstritten, wobei einige die Zufuhr von so viel Protein wie möglich bei einer Mahlzeit, sog. «pulse feeding», befürworten, um die Proteinsynthese anzuregen und die splanchnische Sequestration zu überwinden (13-15, 20, 22, 23).
In Bezug auf die Bedeutung der essentiellen Aminosäuren zu erwähnen ist das Beispiel der Supplementierung mit β-Hydroxy-β-Methylbutyrat (HMB), einem Leucin-Metaboliten, der einen Einfluss auf den Erhalt der Muskelmasse bei längerer Bettlägerigkeit zu haben scheint. Diese Ergebnisse müssen in grossen Studien bestätigt werden (21). Kreatin wird aus den Aminosäuren (Glycin, Arginin und
Methionin) in Leber, Pankreas und Nieren natürlich synthetisiert. Als Nahrungsergänzungsmittel erhöht Kreatin (kombiniert mit gezielter körperlicher Aktivität) signifikant die Muskelmasse und -kraft signifikant. Kreatin optimiert auf natürliche Weise das zelluläre Energiepotential, indem es die Resynthese von ATP während der körperlichen Aktivität beschleunigt, wodurch die Muskelarbeit intensiver und effektiver wird. Zudem stimuliert Kreatin die Proteinsynthese, indem es bestimmte intrazelluläre Signalwege aktiviert (16).£ Vitamin-D-Substitution Skelettmuskelzellen haben einen Vitamin-D-Rezeptor (VDR), dessen Expression mit zunehmendem Alter abnimmt. Es wurde berichtet, dass Vitamin D im Muskelgewebe eine regulatorische Wirkung hat auf Genexpression, Kalziumfluss, mineralische Homöostase und bestimmte Signalwege, die den Proteinabbau steuern (17, 19). Die Ergebnisse einer Meta-Analyse zeigen, dass bestimmte Ernährungsinterventionen zur Steigerung der Muskelmasse beitragen können, aber die Empfehlungen sind derzeit nicht abschliessend (4). Antioxidantien
Angesichts des Zusammenhangs zwischen oxidativem Stress und Sarkopenie können die klassischen Antioxidantien Selen, die Vitamine A, C und E sowie Beta-Carotine vielversprechend sein. Dennoch können sie paradoxerweise als starke Prooxidantien wirken und so das Sterberisiko erhöhen. Körperliches Training Mehrere Studien haben die Auswirkungen eines gezielten Trainingsprogramms (progressive resistance exercise training, PRT) zur Prävention oder Behandlung von Sarkopenie untersucht. Diese Interventionen zeigten einen signifikanten Anstieg der appendikulären Muskelmasse, der Quadrizeps-Kraft und der Gehgeschwindigkeit (13, 17). Medikamentöse Therapie Einige Moleküle, wie beispielsweise selektive Androgenrezeptor-Modulatoren (SARMs), wurden an einer kleinen Gruppe von Patienten mit Sarkopenie getestet. Obwohl eine Zunahme der Muskelmasse gemessen werden konnte, konnte keine signifikante Zunahme der Muskelkraft oder der Gehgeschwindigkeit nachgewiesen werden. Diese Behandlung wird daher derzeit nicht empfohlen ohne ausdrückliche Indikation (Hypogonadismus) (13).
Unter den ACEs (Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren) hat Perindopril einen positiven Effekt auf die körperliche Leistungsfähigkeit gezeigt, insbesondere durch eine Erhöhung der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest und eine Verringerung der Rate von Hüftfrakturen bei älteren Menschen. Es sollte daher vorrangig bei Patienten mit einer Indikation für diese Art der Behandlung verschrieben werden (17, 18). Sturzprävention Da die Behandlung der Sarkopenie in den meisten Fällen eher eine unterstützende als eine kurative Behandlung bleibt, spielen die verschiedenen Stuzpräventionsstrategien (Bereitstellung von Hilfsmitteln wie Gehhilfen, Anpassung der Umgebung usw.) nach wie vor eine grosse Rolle bei der Versorgung älterer Patienten mit Sarkopenie.
Schlussfolgerungen
Da die Sarkopenie ein häufiges geriatrisches Syndrom ist und mit diesem unerwünschte klinische Ereignisse verbunden sind, sollte ein Screening durchgeführt werden. Die Beurteilung eines Patienten mit Verdacht auf Sarkopenie sollte mit einem physischen Leistungstest beginnen; wenn dieser pathologisch ist, sollte die Beurteilung der Muskelkraft durch den Greiftest erfolgen. Ein Rückgang der Muskelmasse kann bei Bedarf durch DXA nachgewiesen werden. Prävention und Behandlung basieren auf einer adäquaten Zufuhr von Protein und Energie sowie regelmässiger körperlicher Aktivität.
Dr. med. Sophie Schaller-Bugnon
Hôpital Fribourgeois Site de Riaz
Rue de l’Hôpital 9
1632 Riaz
sophie.schaller@h-fr.ch
Die Autorin hat keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Beitrag.
Die Sarkopenie ist ein häufiges geriatrisches Syndrom, das durch einen Rückgang der Muskelmasse und -kraft definiert ist.
Die Sarkopenie prädisponiert ältere Menschen für Abhängigkeit, erhöht das Risiko von Stürzen und Frakturen sowie die allgemeine Sterblichkeit.
Die Hauptrisikofaktoren sind Alter, verminderte körperliche Aktivität, Protein-Energie-Mangelernährung und chronische Entzündungen.
Die Diagnosemethoden umfassen Messungen der Muskelmasse (DXA), der Greifkraft und der körperlichen Leistung (Gehgeschwindigkeit).
Für die Sarkopenie gibt es derzeitkeine spezifische Behandlung; zu den Massnahmen, die sich auf die Prävention auswirken, gehören eine protein. und energiegerechte Ernährung, gezieltes körperliches Training und Sturzprävention sowie Korrektur eines Vitamin-D-Mangels.
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Für Prof. Dr. Dr. D. Eberli, Zürich, ist das Gespräch über die erektile Dysfunktion (ED) von zentraler Bedeutung, da Männer, die ohnehin selten zum Arzt gehen, von sich aus nur selten auf das Thema zu sprechen kommen. Eine ED tritt altersabhängig auf mit einer Prävalenz von rund 50% im Alterssegment 70-80 Jahre. Ursächlich wird zwischen psychogener und organischer ED unterschieden.
Die ED ist definiert als eine über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten bestehende oder wiederholt auftretende Unfähigkeit, eine ausreichende Erektion für eine befriedigenden Geschlechtsverkehr zu erreichen und/oder aufrecht zu erhalten. Plötzlicher Beginn und situationsbedingte Dysfunktion sprechen für psychogene, schleichender Beginn mit progressiver Verschlechterung und globaler Dysfunktion für eine organische Genese der ED. Ein entscheidender Unterschied ist da Vorhandensein einer morgendlichen Erektion, welche ein starkes Argument gegen eine organische ED ist.
Ursachen der ED
Im klinischen Alltag ist in 50% mit organischen Ursachen, 20% rein psychischen Formen und in 30% mit gemischten Problemen zu rechnen. Der weitaus grösste Teil der organischen Ursachen betrifft mit 70% eine vaskuläre ED, 15% eine medikamentöse Ursache, 6% Operation, Bestrahlung oder Trauma des Beckens und 5% neurologische Formen. Eine medikamentöse Ursache ist bei kardiologischer Behandlung mit Betablockern, Thiaziden und Clonidin in Betracht zu ziehen, bei Psychopharmakotherapie mit Neuroleptika, Antidepressiva und Antipsychotika und bei urologischer Behandlung mit LHRH-Rezeptorantagonisten, 5-Alpha-Reduktasehemmern und Androgenrezeptor-Blockern.
Co-Morbiditäten
Der Zusammenhang von ED mit Allgemeinerkrankungen ist besonders im Umfeld von vaskulären Erkrankungen sichtbar und klinisch bedeutsam. 40% der Männer mit einer ED ohne Herzbeschwerden leiden an signifikanten Stenosen der Koronararterien: die ED als Spitze des Eisberges einer systemischen Gefässerkrankung. 67% von KHK-Patienten erkrankten im Schnitt 38.8 Monate vor der kardialen Diagnose an einer ED. Dieses Phänomen ist erklärbar durch den geringen Durchmesser der penilen Arterien im Vergleich mit den proximalen Koronarien, Carotiden oder femoralen Arterien. Eine vergleichbare Verdickung der Gefässwand führt zu einer höhergradigen Lumenobstruktion, je kleiner der Durchmesser ist. Die KHK und die ED teilen sich gemeinsame Risikofaktoren, die zur endothelialen Dysfunktion führen: Alter, Dyslipidämie, Hypertonie, Diabetes mellitus, Nikotin / Rauchen, Adipositas und Hypogonadismus. Dementsprechend ist auch die vaskuläre Mortalität bei ED um 48% erhöht. Eliminierbare Risikofaktoren für eine ED entsprechen den vaskulären RF: Modifikation Lebensstil, Gewichtsreduktion, Sport, Nikotinstopp, Sistieren von übermässigem Alkoholgenuss und optimale Behandlung von Begleiterkrankungen.
Therapie der ED
Eine gute Therapie der ED zeichnet sich gemäss Patientenwünschen durch Verlässlichkeit, Sicherheit und geringe Nebenwirkungen aus. Ein angemessener Preis, Wirkungseintritt und Wirkungsdauer scheinen vielen weniger wichtig zu sein. Die Behandlungsmöglichkeiten können in nichtinvasive und invasive Massnahmen unterteilt werden, wobei die First-line-Therapie in PDE-5-Inhibitoren besteht, die Second-line in intraurethraler Prostaglandin-Applikation (MUSE), intracavernöser Schwellkörperinjektion (Caverjet) und der Vakuumpumpe. Die Penisprothese schlussendlich repräsentiert die Third-line. In der hausärztlichen Praxis können die beiden ersten Therapiestufen abgedeckt werden. PDE-5-Inhibitoren hemmen den Abbau von cyclischem GMP und führen via Relaxation der glatten Muskulatur im Corpus cavernosum zur Erektion. Derzeit stehen vier Medikamente zur Verfügung: Sildenafil
(Viagra®), Vardenafil (Levitra®), Tadalafil (Cialis®) und Avanafil (Spedra®). Tadalafil zeichnet sich durch eine lange Halbwertszeit von 17.5 Stunden aus und eignet sich als Wochenendpille; für Menschen, die eine punktuelle Behandlung vorziehen, eignen sich Sildenafil und Verdenafil mit Halbwertszeiten um 3-5 Stunden. Avanafil ist ein hoch selektiver und effektiver PDE-5-Hemmer mit schnellem Wirkungseintritt und niedrigem Nebenwirkungsprofil. Tadalafil verursacht als Nebenwirkung eher Rückenschmerzen, Sildenafil eher Sehstörungen und mit Verdenafil ist bei Rhythmusstörungen Vorsicht geboten. Alle können zu Kopfschmerzen und rotem Kopf führen. Trotzdem empfiehlt der Referent, initial hohe Dosen einzusetzen, um dem Patienten die Wirksamkeit der Substanzen vertraut zu machen. Eine absolute Kontraindikation besteht für den gemeinsamen Einsatz mit Nitraten, so ist z.B. in einer Notfallsituation die Einnahme von PDE-5-Inhibitoren unbedingt zu erfragen resp. zu deklarieren. Eine gewisse Vorsicht ist auch bei Aortenstenose, linksventrikulärer Ausflusstraktobstruktion, Hypotonie und Hypovolämie am Platz. Ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt oder Tod konnte in kontrollierten und Postmarketing-Studien nicht nachgewiesen werden. Der Therapieerfolg kann optimiert werden durch sexuelle Stimulation (NO-Freisetzung), Reduktion der Nahrungsaufnahme, Steigerung der Dosis, Training (beste Erfolge erst nach der 9.-10. Einnahme). Tadalafil 5 mg ist zugelassen zur täglichen Einnahme mit dem Ziel, eine natürliche Sexualfunktion zu erreichen, Non-Responder zu behandeln und eine penile Rehabilitation (bis hin zur «Heilung» zu erreichen). Eine Therapie ohne systemische Nebenwirkung ist die transurethrale Medikation mit Prostaglandin (MUSE), die allerdings nur von wenigen Männern geschätzt wird wegen Brennen in der Harnröhre nach Applikation. Auch zur Akzeptanz der Injektion von Alprostadil direkt in den Schwellkörper ist ein hoher Leidensdruck nötig.
Da ein signifikanter Anteil Patienten eine ED nach Tumorprostatektomie aufweist, stellt sich die Frage, ob bei Diagnose eines Prostata-Karzinoms eine totale Prostato-Vesikulektomie in jedem Fall indiziert sei. Oft stehen für moderne Patienten die Lebensqualität und der Erhalt der Sexualfunktion höher als ein Überlebensvorteil von wenigen Monaten. Patienten mit Gleason 3+3 Tumoren sollten grundsätzlich nicht behandelt werden, da in sehr grossen Studien bei diesem Tumormuster niemals Lymphknotenmetastasen nachgewiesen werden konnten. Neue Daten weisen auch darauf hin, dass es genügen könnte, selektiv die aggressiven Herde in der Prostata zu behandeln, was heute mittels fokussiertem hochenergetischem Ultraschall (HIFU) möglich ist. Langzeitstudien werden zeigen, ob mit diesem Verfahren eine langfristige Tumorkontrolle möglich ist, wie häufig Rezidive auftreten und wie oft Salvage-Strategien notwendig sein werden.
Quelle: Forum für Medizinische Fortbildung (FOMF), Zürich, 15.11.2017
Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess
Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich
Die vorgestellte Patientin ist 82 Jahre alt und aufgrund eines allergischen Asthmas in langjähriger pneumologischer Behandlung in unserer Institution. Im Herbst und Winter 2017 erlitt sie 3 konsekutive Pneumonien, welche jeweils eine stationäre Behandlung erforderten. Dies legte das Bestehen einer gemeinsamen Grundproblematik nahe, welche der Klärung bedurfte.
Ausgangssituation und Anamnese
Das erwähnte Asthma der Patientin ist gut kontrolliert und für die Patientin nicht einschränkend. Anamnestisch besteht eine Hiatushernie, welche auch in unserer Einrichtung radiologisch und gastroskopisch bestätigt wurde (Abb. 1). Die Ätiologie, sowie der Entstehungszeitpunkt ebendieser ist nicht bekannt. Eine symptomatische Behandlung erfolgte mit 40mg Esomeprazol morgens und sorgte über längere Zeit für klinische Unauffälligkeit.
Die Patientin leidet an zahlreichen orthopädischen Beschwerden, aufgrund dieser sie sich auch mehreren operativen Eingriffen unterziehen musste, befand sich aber über weite Strecken in einem guten Allgemeinzustand und war pneumologisch stabil.
Ihr Zustand verschlechterte sich jedoch im Herbst und Winter des Jahres 2017 mehrfach. Die Patientin erlitt 3 Bronchopneumonien über einen Zeitraum von 3 Monaten. Diese erforderten jeweils eine stationäre Aufnahme und Therapie, sowie eine mit zunehmender Infektzahl schwierigere Rehabilitation.
Die kurzen Infektintervalle legten den Verdacht auf eine basal ursächliche Pathologie nahe. Die bekannte Hiatushernie wurde als Ursache in Betracht gezogen, jedoch muss hierbei die akut aufgetretene Symptomatik nach jahrelanger klinischer Stummheit begründet werden.
Diskussion und Diagnose
Die Zahl, sowie das kurze Zeitintervall in denen die Infektionen manifest wurden, legt den Verdacht auf eine sekundäre Entstehung nahe. Bei bekannter Hiatushernie muss differenzialdiagnostisch eine aspirationsassoziierte Genese einbezogen werden. Es stellt sich hierbei jedoch die Frage, weshalb sich die besagte Hernie als bisher symptomfrei präsentierte. Daher wurde im Januar 2018 eine Computertomographie angefertigt, welche eine ausgeprägte Progredienz der bekannten Hernie zeigte (Abb. 2). Hiermit konnte die klinische Situation erklärt und die therapeutische Richtung gewiesen werden. Das weitere Vorgehen besteht optimalerweise aus der operativen Sanierung der anatomischen Begebenheiten oder aber der medikamentösen, sowie diätetischen Aspirationsprophylaxe.
Differenzialdiagnostisch muss bei unklaren, rezidivierenden pulmonale Infekten immer eine aspirationsassoziierte Genese berücksichtigt werden.
Literatur:
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Trenkwalder C et al. The restless legs syndrome. Lancet Neurol 2005:4:465-75
Williams TH, Robinson AH. Entrapment neuropathies of the foot and ankle Orthop Trauma 2009;23(6):404-11
Die Schmerzregulation im menschlichen Körper besteht, wie Frau Dr. med. Monika Jaquenod-Linder, Zürich feststellte, einerseits aus der Schmerzwahrnehmung (Aktion) und andererseits der Schmerzverarbeitung (Reaktion). Die Schmerzwahrnehmung kann zu Angst und Panik führen, die Schmerzverarbeitung hat eine psychologische Dimension. Das Schmerzsystem verfügt über die aufsteigenden Schmerzbahnen, die die Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten. Die Schmerzhemmung geschieht über das Opioidsystem und über Serotonin und Noradrenalin. Die Bildung dieser Stoffe wird im Gehirn angeregt, das so eine kontrollierende Wirkung auf die Schmerzverarbeitung ausüben kann.
Das WHO Studenschema der Schmerztherapie ist ein überholtes Prinzip, wie die Referentin erklärte. Es ist 1986 für die Tumorschmerztherapie konzipiert worden, berücksichtigt keine neuen pharmakologischen Erkenntnisse und berücksichtigt auch pathophysiologische Mechanismen nicht in ausreichendem Masse.
Opioide und ihre Problematik
Starke und häufig verschriebene Medikamente sind Opioide, deren Nebenwirkungen davon abhängen, ob sie akut oder chronisch eingenommen werden. So können Atemdepression, Obstipation, Nausea und Erbrechen, Mundtrockenheit (Auswirkung auf die Zähne?), Immunsuppression (?), Hyperalgesie und Sturzneigung bei akuter Therapie auftreten. Bei chronischer Therapie können dies Obstipation, Nausea, Erbrechen, Mundtrockenheit, Toleranzentwicklung, Immunsuppression, Auswirkungen auf das endokrine System (Hypogonadismus, Abfall von Testosteron, LK, Estradiol, Progesteron), Hyperalgesie und Sturzneigung sein.
Opioide sind hochpotente Mittel zur Schmerztherapie, die durch Aktivierung der µ-Rezeptoren im Rückenmark und Hirn wirken. Opioide eignen sich für die Palliativversorgung und für akute Schmerzen. Bei Langzeittherapie entwickelt der Körper Toleranz. Das endogene Opioidsystem dient der Schmerzlinderung und der körperlichen Homöostase. Es geht mit Belohnung, Sucht, sexueller Aktivität, besserer Gemütslage, sozialer Funktion, Atmung, Durst, Temperaturregelung etc. einher. Die exogene Zufuhr von Opioiden stört diese Homöostase. Neben einem Defizit der «Belohnung» per se bewirken chronische Schmerzen Einschränkung von Lust, Freude, «Drive» und erhöhen damit das Opioidabhängigkeitsrisiko. Die dopaminerge Stimulation durch Opioide führt zu Belohnung, reduziert Schmerzen physischer Art und von sozialer Isolation und Trennung (2). Bei erstmaliger Anwendung werden Opioide zu 70% zur Schmerzlinderung und in 30% der Fälle eingenommen, um «high» zu werden. Bei Befragung von Opioid-Patienten durchschnittlich 4 Jahre nach der ersten Anwendung geben als Beweggrund der Therapie 81% Schmerzlinderung an, 73.8% um «high» zu werden, 71% für mehr Energie, 51.2% gegen Angstzustände und 35.7% um besser schlafen zu können (3).
Der Anstieg des Opioid-Verbrauchs ist auf verschiedene Tatsachen zurückzuführen. Vor 25 Jahren wurde die Indikation auf nicht-Tumorschmerzen ausgedehnt. Schmerzfreiheit wird als Menschenrecht und ärztliche Pflicht gesehen. Der Dosisanstieg wird nicht als Problem gesehen und den Opioiden keine oder minimale Sucht attestiert und es gibt keine Evidenz für Nachteile. Opioide werden durch die Pharmaindustrie überbeworben und eine Patientenedukation fehlt. Bei unkontrollierten postoperativen Schmerzen erfolgt kein Ausschleichen nach Entlassung, weitere Dosiseskalation. Patienten ziehen Immediate Release (IR) Opioide den Extended Release (ER) Präparaten vor (4). Sie umfassen die Mehrheit der Opioidverschreibungen.
LONTS-Leitlinie (Langzeitanwendungen von Opioiden bei nichttumorbedingten Schmerzen)
Die neue Fassung gibt folgende Empfehlungen für die Praxis: Setzen realistischer Ziele; regelmässige Überprüfung der Indikation; Absetzen der Opioidmedikation / Opioidpause erwägen; Höchstdosis von Morphinäquivalenten (120 mg/d); gute Patientenaufklärung.
Ein multimodaler Ansatz ist wichtig. Es stellt sich die Frage, ob eine Schmerzlinderung ohne Funktionsverbesserung ein Grund zum Absetzen der Opioide ist. Es werden klare Aussagen zur Galenik gemacht. Analgetika mit verzögerter Freisetzung (oral oder transdermal) sind zu bevorzugen und in der Langzeittherapie sollte eine Bedarfsmedikation mit nichtretardierten opioidhaltigen Analgetika nicht durchgeführt werden (anders als in der Palliativmedizin). Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen (wegen Toleranzentwicklung nur vorübergehend), Obstipation (persistiert typischerweise und erfordert spezifische Prophylaxe und Therapie).
In einer kürzlich erfolgten Publikation wurden vermehrt Pneumokokkeninfekte (Differentialdiagnose Immunsuppression) bei Therapie mit Opioiden beschrieben (5). In der Schweiz wurde zwischen 2006 und 2013 ein 100% Konsumanstieg an Opioiden vermerkt. 80% der Verschreibungen waren für Nicht-Tumorschmerzen. Das meist verwendete Opioid ist Fentanyl und den höchsten proportionalen Anstieg verzeichnete Methadon (+1525%). Für Oxycodon wurde eine Verschreibungszunahme von +313%, für Metamizol +324%, für NSAR +124% und für Coxibe +101% registriert.
Sind alle «Opioide» gleich?
Klassische Opioide sind Morphin, Fentanyl, Hydromorphon und Oxycodon. Buprenorphin ist ein partieller Agonist am µ-Rezeptor, Antagonist am κ-Rezeptor, Na-Kanalblocker. Methadon ist ein Agonist am µ-Rezeptor und Antagonist am NMDA-Rezeptor. Tramadol ist ein Serotinin-und Noradrenalin-Re-uptake-Inhibitor Metabolitagonist am µ-Rezeptor und Tapentadol ist ein Agonist am µ-Rezeptor, Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor. In Bezug auf die Verwendung bei Niereninsuffizienz ist der Einsatz von Buprenorphin unbeschränkt möglich (einziges Opioid ohne Dosiseinschränkung). Der Einsatz von Fentanyl bei Niereninsuffizienz ist mit Vorsicht möglich (hohe Proteinbindung, daher nicht dialysierbar). Auch Methadon ist mit Vorsicht anzuwenden und bei schwerer Niereninsuffizienz kontraindiziert. Morphin sollte nicht oder vorsichtig gegeben werden wegen der Akkumulation aktiver Metabolite. Oxycodon / Naloxon Gabe vorsichtig, Naloxon-Plasmaspiegel stärker erhöht als Oxycodon. Der Einsatz von Tapentadol kann bei leichter und mittlerer Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung erfolgen, zu schwerer Niereninsuffizienz gibt es keine Daten. Tramadol kann vorsichtig gegeben werden, wobei das Dosisintervall verlängert werden muss. In schweren Fällen sollte es nicht eingesetzt werden.
Tapentadol – zwei Wirkmechanismen gegen Schmerz
Tapentadol (Palexia®) weist zwei unterschiedliche synergistische Wirkmechanismen zur Schmerzbekämpfung auf. Der µ-Opioid-Rezeptor-Agonismus (MOR) ist gegen den nozizeptiven Schmerz gerichtet, die Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung gegen den neuropathischen Schmerz. Tapentadol ist stark wirksam bei nozizeptivem, gemischtem und neuropathischem Schmerz. Es zeigt im Vergleich zu Oxycodon eine 39–53% relative Reduktion der Nebenwirkungen.
«To Dos» für Opioide zu denen die Referentin, rät sind
bei gutartigen Schmerzen: Gabe nach Prüfung von Alternativen, Dosisbegrenzung, keine Durchbruchmedikation, die parenteral, Steigerung der Aktivität, genaue Kontrolle.
bei palliativen Schmerzen: möglichst früh, keine Begrenzung, immer Durchbruchmedikation, jede wirksame Form, Schmerzreduktion, Schmerzfreiheit
QutenzaTM-Pflaster
QutenzaTM enthält den natürlich in Chili vorkommenden Wirkstoff Capsaicin und wirkt auf Nervenfasernrezeptoren der Schmerz-
weiterentwicklung. Durch lokales hochkonzentriertes Capsaicin werden Nervenfasern überstimuliert und dadurch vorübergehend – 3 Monate – deaktiviert. QutenzaTM eignet sich zur Behandlung peripherer neuropathischer Schmerzen (PNP) bei Erwachsenen. Es wirkt bei 18%-48% der Patienten mit PNP, und gilt als nebenwirkungsfrei. Eine einmalige Applikation des 8%igen Capsain Pflasters von maximal 1 Stunde bewirkt eine Schmerzlinderung.
In der ELEVATE Studie (6) erwies sich QutenzaTM in der Zeit bis zum Einsetzen einer 30%igen Schmerzlinderung als signifikant schneller als Pregabalin oral.
«To Do-Ratschläge» der Referentin für Opioide bei chronischen Schmerzen sind sorgfältige Patientenauswahl, Patientenaufklärung – Kommunikation (u. a. Reisen, Autofahren), enge Patientenführung – Zuverlässigkeit – Kontrolle, Behandlungsziele: 1. Aktivität 2. Schmerzreduktion, langsame Titration – obere Dosisgrenze – Retard-Formen, Opioidrotation: wenig Wirkung, Nebenwirkungen, hohe Dosis, Obstipationsprophylaxe, wenig Durchbruchmedikation, Schmerzexazerbationen «respektieren», langfristige Perspektive, Toleranzentwicklung mit Dosissteigerung nicht einfach kompensieren, keine unkritische Langzeitabgabe, keine unkritische Dosissteigerung, keine «unkontrollierte» Abgabe über Arztgehilfin.
Quelle: Satellitensymposium “Mohn und Chili: Rezepte für die chronische Schmerztherapie” der Firma Grünenthal anlässlich der Medidays, Zürich 7.9.2018.
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen
riesen@medinfo-verlag.ch
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