Differenzialdiagnose und medizinische Innovation – Teil 1

Prof. Edouard Battegay, Basel, Stiftungsrat der Walter und Gertrud Siegenthaler Stiftung, Zürich, Prof. Beatrice Beck-Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin und Dr. Monika Jänicke, CEO Universitätsspital Zürich richteten ihre Begrüssungsworte an eine zahlreiche Hörerschaft, die grossenteils aus ehemaligen Schülern, vielen Kollegen und Freunden von Walter Siegenthaler bestand.

Prof. Edouard Battegay

In seiner Begrüssungsrede stellte Prof. Edouard Battegay fest: «mit diesem Symposium wollen wir die Neugierde von Prof. Siegenthaler für die Zukunft der Medizin und gleichzeitig seine Achtung für das Altgediente würdigen. Bei Prof. Siegenthaler war das kein Widerspruch. Sein über Generationen und seinen Tod hinaus geschaffenen Werke und Hinterlassenschaften geben uns Orientierung in einer Zeit chaotischer, mikrogemanagter Disruption».

Walter Siegenthaler war in Bonn, der damaligen Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, und dann am Universitätsspital Zürich einflussreicher Chefarzt. Und er war Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Und er war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und von 1990 bis 2004 Präsident der Ludwig-Heilmeyer-Gesellschaft, eine Arzt-Kadergesellschaft der Inneren Medizin Deutschlands. Diese wurde später ihm zu Ehren zur «Walter Siegenthaler Gesellschaft für Fortschritte in der Inneren Medizin» umbenannt. Sein Engagement und Verantwortungsbewusstsein prägten diese Institutionen nachhaltig.

Prof. Beatrice Beck-Schimmer

Auch Frau Prof. Beatrice Beck-Schimmer lobte das Interesse von Walter Siegenthaler für Innovationen bei gleichzeitiger Wertschätzung für angestammte Werte. Sie würdigte seine Tätigkeit in Bonn und später in Zürich und darüber hinaus seinen unermüdlichen Einsatz für den Nachwuchs. Sie stellte fest, dass unter Walter Siegenthaler sich das Universitätsspital Zürich zu einem veritablen Hotspot für Ärzte entwickelte.

Dr. Monika Jänicke

Die neue CEO des Universitätsspitals, Frau Dr. Monika Jänicke, fügte sich in ihrer Begrüssung dem Vorredner und der Vorrednerin auf sehr eindrückliche Weise an und überzeugte die Anwesenden, dass das Universitätsspital fortan in sehr guten Händen ist.

Frau Dr. Jänicke stellte fest, dass der Geist von Prof. Siegenthaler immer noch in diesen Hallen weht. Er war in vieler Hinsicht prägend, zum einen in der Medizin, zum andern als Ausbildner, aber er war auch eine spannende Persönlichkeit, nicht umsonst wurde ihm ein Buch gewidmet mit dem Titel «Zeitzeuge der Medizin». Er hat einmal gesagt, «das Wichtigste ist, dass der Patient gesagt hat, das war ein netter Arzt». Prof. Siegenthaler hat Menschen betreut, privat oder nicht privat, und wenn man an die Privatpatienten denkt, hat er einflussreiche Persönlichkeiten betreut, vom Bankdirektor über den Regierungspräsidenten über Kunstmaler etc. Es gibt die Anekdote, die sagt, dass ein Kunstmaler mit einem Kunstwerk bezahlt hat. Vielleicht stimmt es. Vielleicht nicht, aber vielleicht hängt der Chagall immer noch irgendwo in der Wohnung von Siegenthalers. Es gibt auch die andere Anekdote, die sich im Hause beharrlich hält, dass es einen Anruf aus dem Vatikan gab und die Telefonistin gesagt hat «also wenn Sie der Papst sind (nämlich Papst Johannes Paul II), dann bin ich die Kaiserin von China». Prof. Siegenthaler hat souverän das Telefon abgenommen und den Heiligen Vater begrüsst mit «Buongiorno Signor Papa». Sein Patient war tatsächlich ein hochrangiger Kardinal. Prof. Siegenthaler lag aber, wie die Vorredner bereits gesagt haben, die Ausbildung des Nachwuchses sehr am Herzen. Man erinnere sich an das Sigirama, am Freitagabend möglichst spät. Man sagt, dass diese Fortbildungen hohen Unterhaltungswert hatten, was zwar bezweifelt werden kann, wenn man gnadenlos der Diskussion ausgesetzt war, aber gelernt hat man sicher unendlich viel. Das ist ebenfalls, was Professor Siegenthaler ausgemacht hat. Sicher gibt es noch viele Anekdoten, ob es der weisse Mantel ist, zugeknöpft mit Krawatte oder auch andere, sie sind alle geprägt von einem hohen Respekt gegenüber der Person von Professor Siegenthaler, aber auch mit einem Schalk und einem Lächeln, was zeigt, wie viel dieser Mann, der Generationen von Medizinern geprägt hat, jedem Studenten bedeutet hat. In diesem Sinne wünschte die Referentin allen Teilnehmern einen wundervollen Nachmittag mit vielen Erinnerungen und mit spannenden Vorträgen, die ganz im Sinne von Prof. Siegenthaler gewesen wären.

Fiebererreger heute und morgen

Prof. Dr. Dr. med. Annelies Zinkernagel

In der Zeitspanne von Jahr 1900 bis zum Jahr 2000 ist die Mortalität an Infektionskrankheiten von 797 auf 36 pro 100’000 zurückgegangen. 1910 erfolgte die erste kommunale Verwendung von Chlorwasser, 1922 die letzte Übertragung von Mensch zu Mensch der Pest, 1940 wurde erstmals Penicillin angewendet, 1955 wurde die Polio-Vakzine von Salk eingeführt und 1962 erfolgte die Verabschiedung des Gesetzes zur Unterstützung von Impfungen. Die bessere Ernährung, Antibiotika, bessere Hygiene, Abwasserentsorgung, Immunisierungen, sicherere Nahrungsmittel, sowie bessere Unterbringung haben zu dieser eindrücklichen Abnahme der Infektionskrankheiten geführt, stellte Frau Prof. Dr. Dr. med. Annelies Zinkernagel, Klinikdirektorin, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Universitätsspital Zürich, fest. Anhand der Poliomyelitis zeigte die Referentin die Bedeutung der Impfung. Zusätzlich hat man die Swimmingpools geschlossen und die Kranken zu Hause eingesperrt. Ein weiteres Beispiel sind die Masern, eine äusserst kontagiöse Infektion. Eine Maser-Infizierte Person kann bis zu 18 weitere Personen anstecken. Vor 1963 gab es in den USA 2,6 Mio. Todesfälle an Masern, seither wurden 20,4 Mio. Todesfälle verhindert. Heute haben wir allerdings viele Impfskeptiker, die sich und ihre Kinder nicht mehr impfen lassen und so kam es wieder zu einer Zunahme dieser infektiösen Krankheit. Die Impfmüdigkeit trotz Verfügbarkeit von Impfstoffen droht den Fortschritt bei der Bekämpfung von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten zunichtezumachen.

Die Impfung ist eine der kosteneffizientesten Massnahmen zur Vermeidung von Krankheiten – sie verhindert derzeit 2 bis 3 Millionen Todesfälle pro Jahr und weitere 1,5 Millionen könnten vermieden werden, wenn die weltweite Durchimpfung verbessert würde. Bei Masern beispielsweise ist die Zahl der Fälle weltweit um 30% gestiegen.

Ein Durchbruch in der Infektionsbekämpfung war die «Erfindung» der Händedesinfektion durch Semmelweis 1847 in Wien. Durch das Händewaschen mit chlorhaltiger Lösung nach jeder Patientin von Hebammen und Medizinstudenten konnte die Mortalität unter Wöchnerinnen von 12,3% auf 1,3% gesenkt werden.

Verhinderung der Transmission

Die Massnahmen entsprechen dem Bauprinzip der CDC: Die Basismassnahmen sind Standardmassnahmen wie Händedesinfektion, Hustenetikette und Desinfektion/Sterilisation. Schutzmassnahmen sind Isolationen, Kontakt, Tröpfchen, aerogene Übertragung.

Neues Coronavirus

Schutzmassnahmen: Isolationen, Kontakt, Tröpfchen, Aerogen. Bei Symptomen sofort testen lassen und zuhause bleiben, Tracing (zur Rückverfolgung, wenn immer möglich Kontaktdaten angeben). Bei positivem Test Isolation, bei Kontakt mit positiv getesteter Person Quarantäne.

Schwere Infektionskrankheiten des 21. Jahrhunderts

Schwere Infektionskrankheiten im 21. Jahrhundert waren SARS, das Dengue-Fieber, die Cholera, die Schweinegrippe, Masern, Ebola, Sars-Covid-19, die Affenpocken, die Zika-und Chikunguya-Virusinfektion.

Ende 20. Jahrhundert gab es grosse gesellschaftliche und technologische Veränderungen. Dazu gehören demographische und Verhaltensänderungen, Umweltveränderungen, Zusammenbruch der Massnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, mikrobielle Anpassung und Veränderung, internationaler Reiseverkehr und Handel, Veränderungen in Technologie und Industrie. Auch die Urbanisierung hat Auswirkungen auf die Infektionskrankheiten, so auch das Auftreten von Krankheitserregern aus Wild- und Haustierreservoirs in menschlichen Populationen, wie HIV1, HIV2, 1918 das Influenza-Virus und die entsprechende Pandemie, das Middle East Respiratory Syndrome, SARS-CoV-2 und die Affenpocken.
Stechmücken gedeihen in der Nähe der menschlichen Bevölkerung. Die durch Mücken übertragenen Krankheiten stellen eine zunehmende Gefahr in Europa dar, so die asiatische Tigermücke, die Krankheiten wie Zika, Chikunguya und das Dengue-Fieber übertragen kann.

Die Häufigkeit von Dengue-Fieber ist in den letzten 50 Jahren um das 30-fache gestiegen. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung ist heute durch Dengue-Fieber gefährdet, geschätzte 100 Millionen Infektionen pro Jahr. Im Juni 2021 empfahl das Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) die Verwendung von Dengvaxia zur Vorbeugung von Dengue (Serotypen 1, 2, 3 und 4) bei Kindern im Alter von 9 bis 16 Jahren mit einer im Labor bestätigten früheren Dengue-Virusinfektion, die in Gebieten leben, in denen Dengue endemisch ist. Dengvaxia enthält abgeschwächte (attenuierte) Gelbfieberviren. Der Ausschuss für Human­arzneimittel (CHMP) der EMA hat eine positive Stellungnahme für Dengue Tetravalent Impfstoff (Lebendimpfstoff, abgeschwächt) von Takeda zur Vorbeugung von Krankheiten, die durch die Dengue-Virus-Serotypen 1, 2, 3 und 4 verursacht werden, bei Menschen ab vier Jahren.

2022 Affenpockenausbruch in einigen Ländern ausserhalb des afrikanischen Kontinents, in denen diese Krankheit noch nie aufgetreten ist. Der WHO-Generaldirektor erklärt den anhaltenden Ausbruch der Affenpocken zu einem öffentlichen Gesundheitsnotstand von internationalem Ausmass.

Bedrohungen

Eine neue Bedrohung ist die Anti-Impfbewegung. Eine Welle von Eltern wurde durch Fehlinformationen aus der COVID-Ära radikalisiert und lehnt die üblichen Impfungen für Kinder ab – mit möglicherweise tödlichen Folgen.

Die Bedrohungen, wie wir sie empfinden und wie sie tatsächlich vorhanden sind, sind in der Abbildung 1 wiedergegeben.

Der Ausbruch der Masernfälle hält unvermindert an. Gemäss UNAIDSGLOBAL AIDS Update 2022 verlangsamt sich der weltweite Fortschritt bei der HIV-Bekämpfung eher, als dass er sich beschleunigt. 1,3 Millionen HIV-Neuinfektionen fanden im Jahr 2022 statt (dreimal mehr als das Ziel von 370’000 für 2025). COVID-19 hat das Risiko von Masernausbrüchen erhöht. Über 61 Millionen Dosen masernhaltigen Impfstoffs wurden von 2020 bis 2022 aufgrund COVID-19-bedingtenVerzögerungen nicht verimpft.

Ferner wird eine Zunahme invasiver Guppe A Streptokokken-Infektionen bei Kindern in Europa festgestellt. Unterschiedlich ist das frühere Auftreten als in den vorangegangenen Jahren (starke Saisonabhängigkeit, typischerweise Anstieg im Winter und Höhepunkt im Frühjahr). Bei Kindern unter 10 Jahren sind die iGAS-Fälle deutlich häufiger als in den vorangegangenen fünf Jahren (in Schottland, Irland, den Niederlanden, Frankreich, Schweden und den USA). Beim Bakterium wurden bisher keine Veränderungen festgestellt. Der Wirt aber ist anfälliger. Zur Prävention dienen Masken und weniger wiederholte Kontakte.

Weitere Bedrohungen sind das frühere und häufigere Auftreten von Influenza und RSV.

Resistenz gegen antimikrobielle Mittel

Schätzungsweise werden im Jahr 2050 10 Millionen Personen an antimikrobieller Resistenz sterben. Seit 2017 wurden nur 12 neue Antibiotika zugelassen, von denen 10 zu bereits bestehenden Klassen mit etablierten Mechanismen der Resistenz gegen antimikrobielle Mittel gehören. 77 antibakterielle Wirkstoffe sind in der klinischen Entwicklung, 45 sind traditionelle direkt wirkende kleine Moleküle und 32 nicht-traditionelle Wirkstoffe. Beispiele für letztere sind monoklonale Antikörper und Bakteriophagen.

Fazit

Fiebererreger heute und morgen:
Negativ: Neue Infektionen
– Ausbrüche von neu auftretenden, wieder auftretenden und endemischen Krankheiten
Positiv: Neue Impfungen, besseres Verständnis, Medikamente

Innovation in der Nierentransplantation – von eineiigen Zwillingen zu Schweinenieren

Prof. Dr. Thomas Fehr

Die heiligen Patrone der Transplantationsmedizin heissen Kosmas und Damian. Sie hatten den Schenkel eines Toten einem Patienten, dem der Krebs sein ganzes Bein weggefressen hatte, transplantiert, so Prof. Dr. Thomas Fehr, Chefarzt und Ärztlicher Direktor, Departementsleiter Innere Medizin, Kantonsspital Chur. Die erste erfolgreiche Nieren-Transplantation erfolgte 1954 durch den späteren (1990) Nobelpreisträger Joseph E. Murray. am Brigham and Women’s Hospital in Boston an eineiigen Zwillingen.

Für die Transplantation gilt seit 1968 bis heute die Hirntoddefinition. Diese Entwicklung kommt aus der Intensivmedizin (Konsens Harvard Med School) – Kriterien für Beendigung einer lebenserhaltenden Therapie bei infauster Prognose. Erst später erfolgte die Anwendung für die Organspende.

1972 wurde Cyclosporin in den damaligen Laboratorien von Sandoz entdeckt, 1978 wurde es erstmals für eine Organtransplantation durch Roy Calne in Cambridge angewandt.

2006 wurde die erste AB0 inkompatible-Transplantation in Zürich durch den Referenten und sein Team durchgeführt. Der Patient wurde zuerst einer Adsorptionsbehandlung durch Apherese unterzogen, wobei die Isoagglutinine entfernt wurden. Die Methode ergab ein exzellentes Überleben einer Trans­plantation bei Blutgruppeninkompatibilität. Der Referent publizierte mehrere Arbeiten zu dieser Methode (z.B. Fehr T and Stüssi G AB0 incompatible kidney transplantation. Current Opinion in Organ Transplantation2012;17:376-385).

2012 erfolgte die erste Trippel Cross-over Transplantation in der Schweiz. Diese stellt eine neue Option für immunologisch inkompatible Lebendspenden dar.

Die Induktion eines gemischten Chimärismus. Dies kann durch die Transplantation von Zellen unterschiedlicher Herkunft in einen Organismus erreicht werden. 2016 wurde die erste Patientin mit erfolgreicher Toleranzinduktion transplantiert. Inzwischen sind 6 Patienten transplantatiert, alle sind «off immunosuppression»! betonte der Referent. Das Verfahren wurde 2022 in den Frontiers of Immunology publiziert (Fehr T et al. Successful induction of specific immunological tolerance by combined kidney and hematopoietic stem cell transplantation in HLA identical siblings). Diese Methode wurde auch in einem Artikel in der NZZ « ein Leben mit fremdem Organ ohne Medikamente » kommentiert.

Organmangel – mögliche Ansätze

Mögliche Lösungsansätze für den Organmangel sind zum einen Anstrengungen, die Lebendspende zu mehren, zum andern die Xenotransplantation, das Toleranzprotokoll, HLA- Desensibilisierungsprotokolle, die Blutgruppen-inkompatible Transplantation, die altruistische Spende, die systematische Evaluierung der Lebendspende und Anstrengungen, die Kadaverspende zu vermehren.

Xenotransplantation
Nieren von gezüchteten Schweinen mit einem Knockout des alpha-1,3-Glaktosyltransferase-Gens und mit subkapsulärem autologem Thymusgewebe wurden in zwei hirntote menschliche Empfänger, deren Kreislauf- und Atmungsaktivität für die Dauer der Studie an einem Beatmungsgerät aufrechterhalten wurde, transplantiert (Montgomery RA et al NEJM). Die gentechnisch veränderten Nierentransplantate blieben in hirntoten menschlichen Empfängern 54 Stunden lang lebensfähig und funktionsfähig, ohne Anzeichen einer hyperakuten Abstossung.

Wo geht die Reise hin?
Zum Abschluss nannte der Referent die folgenden Möglichkeiten für die Zukunft der Behandlungsmöglichkeiten bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz: Allotransplantation, tragbare Dialyse, Xenotransplantation und künstliche Niere.

Innovationen in der Thoraxchirurgie

Frau Prof. Dr. Isabelle Schmitt-Opitz

Thorax-Onkologie: Hybrid-Verfahren, Navigations-Bronschokopie, minimalinvasive Chirurgie, fortgeschrittene Lungenerkrankungen, Lungentransplantation und Operation der Chronisch thromboembolischen Pulmonalen Hypertonie war der Themenausblick von Frau Prof. Dr. Isabelle Schmitt-Opitz, Direktorin der Abteilung für Thoraxchirurgie, Lehrstuhl für Lungenkrebszentrum, Universitätsspital Zürich.

Präzisionsmedizin beim NSCLC
Die Referentin stellte zunächst die traditionelle Medizin mit chirurgischer Entfernung des Tumors, Chemotherapie und Bestrahlung der Präzisionsmedizin mit zielgerichteter Therapie und Immuntherapie beim NSCLC gegenüber.

Screening für Lungenkrebs
In der NELSON Studie, an der Hochrisikopersonen teilnahmen, war die Lungenkrebssterblichkeit bei denjenigen, die an einem CT-Volumenscreening teilnahmen, deutlich niedriger als bei denjenigen, die kein Screening erhielten. Die Rate an Folgeuntersuchungen bei Ergebnissen, die auf Lungenkrebs hindeuten, war gering.

Trotz strenger Kriterien für ein positives Screening, einer zunehmenden Länge des Screening-Intervalls und wenigen weiblichen Teilnehmern führte die Screening-Strategie der NELSON-Studie zu einer günstigen Verteilung des Krebsstadiums bei der Diagnose, was für die Wirksamkeit unserer Screening-Strategie entscheidend ist.

Mit der robotergestützten Bronchoskopie, einem minimalinvasiven Verfahren, können Lungenknoten und -geschwülste mit höherer Genauigkeit und weniger Nebenwirkungen biopsiert werden. Dabei wird ein Roboterarm eingesetzt, der einen Katheter durch die Atemwege des Patienten führt und es ermöglicht, Gewebeproben aus den schwer zugänglichen Bereichen der Lunge zu entnehmen.

Die Navigationsbronchoskopie ist, einfach ausgedrückt, der Einsatz von Technologie (über die Standard-Querschnittsbildgebung hinaus), um dem Bronchoskopiker zu helfen, das Bronchoskop genau zu einem Bereich von Interesse ausserhalb der zentralen Atemwege zu navigieren.
Seit den 1990er Jahren, als die erste videoassistierte thorakoskopische Lobektomie (VATS) durchgeführt wurde, ist das Interesse an der minimalinvasiven Chirurgie (MIS) zur Behandlung von Lungenkrebs stark gestiegen.

Weniger postoperative Schmerzen, ein besseres kosmetisches Ergebnis, ein kürzerer Krankenhausaufenthalt, eine geringere Morbidität und perioperative Mortalität sind nur einige der bemerkenswerten Vorteile der MIC im Vergleich zur offenen Chirurgie. Darüber hinaus haben mehrere Studien gezeigt, dass die minimalinvasive Technik auch bei Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium keine schlechteren onkologischen Ergebnisse erzielt.

In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene minimalinvasive Verfahren entwickelt, wie die robotergestützte Thoraxchirurgie (RATS) oder die uniportale VATS (U-VATS). Während die Befürworter der VATS-Technik behaupten, die Roboterchirurgie sei teuer und nur für elitäre Krankenhäuser geeignet, stehen die technologische Entwicklung und die Vorteile der RATS sowohl für die Patienten als auch für die Chirurgen ausser Frage.

Die videoassistierte thorakoskopische Lobektomie ist mit weniger Schmerzen, weniger Komplikationen und einer besseren Lebensqualität verbunden, ohne dass das onkologische Ergebnis beeinträchtigt wurde. Die Schlussfolgerungen der Violet-Studie lauten, dass die VATS-Lobektomie bei Lungenkrebs mit weniger Schmerzen, weniger Komplikationen im Krankenhaus sowie kürzerem Krankenhausaufenthalt ohne Beeinträchtigung des frühen onkologischen Ergebnisses verbunden ist. Es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse. Eine bessere funktionelle Erholung setzte sich in der postoperativen Phase fort mit verbesserter körperlicher Funktion und niedrigeren Wiedereinweisungsraten. Es gab keinen Unterschied im krankheitsfreien Überleben und keinen Unterschied im Gesamtüberleben bis zu einem Jahr. Die neueste Plattform ist das Da Vinci System. Die Vorteile der Roboter-unterstützten Thoraxchirurgie (RATS) sind 3D-Ansicht, Intuitive Bewegungen, Tremor-Filterung, stabile Kameraplattform, erhöhte Anzahl von Freiheitsgraden, 3D-Ansicht, intuitive Bewegungen, Bewegungsskalierung. Äquivalenz zwischen dominanter und nicht dominanter Hand, Auge-Hand-Ziel-Ausrichtung.

Fallvignetten

Vignette eines 74 Jahre alten, männlichen Patienten.
Vorgeschichte: Rauchen, 36 Jahre, Nebendiagnosen: COPD Gold III, FEV1/FVC-Verhältnis (Tiffeneau-Index): 46 %, FEV1: 1,33l (40 %), TLCO: 45 %, RV/TLC: 124%. Koronare Herzkrankheit, dilatative Arteriopathie mit infrarenalem Aortenaneurysma (46 mm). PET-CT: leicht erhöhte FDG-Aufnahme (16 x 11 x 20 mm, SUVmax 0,9), interlobärer Lymphknoten mit erhöhter Aufnahme (Level 11R, 7 mm, SUVmax 4,2), keine Anzeichen einer Fernmetastasierung. Operative Planung: Sublobar-Resektion – Segmentektomie und Keilresektion sollten parenchymale Resektionsränder ≥2 cm oder ≥die Grösse des Knotens erreichen. Die Referentin demonstrierte die verschiedenen Operationsschritte von der Eröffnung der Fissur, Teil 1, Klammerung der Arterie des Segments 6, Dissektion der Vene, S6-Bronchus-Dissektion, zu den RATS – Glühwürmchen.

Die zweite Vignette betraf ein Adenokarzinom bei einer 68 Jahre alten Frau. Ehemalige Raucherin, 30 py (ausgesetzt 2006).
Indikation: TTF1-positives Adenokarzinom (UICC IIIA), teilweises Ansprechen nach Induktionstherapie (3 Zyklen Carboplatin/Pemetrexed). Keine Kontraindikation für eine Lobektomie. Die Referentin präsentierte die entsprechenden Operationsschritte.

Ein dritter Fall betraf einen 66 Jahre alten Patienten.
Medizinische Vorgeschichte: Raucher, 100 Pack-Jahre, COPD Gold 1, cT2N0M0 linkes zentrales Plattenepithelkarzinom, das in die Wand der absteigenden Aorta eindringt.

Entscheidung des Tumorboards: Induktionstherapie nach dem Checkmate 816-Protokoll. Teilweises Ansprechen.
Entscheidung des Tumorboards für eine Operation: Deszendie­rende thorakale Aortenendoprothese vor der Operation einge­setzt. Endresultat nach erweiterter linksseitiger RATS-Pneu­monektomie bis zur Aortenadventitia: Unauffällige Nachuntersuchung mit Entlassung aus dem Krankenhaus nach 6 Tagen. Endgültige Pathologie: ypT2aypN2cM0 Stadium IIIA. Bronchusmanschettenresektionen, Anastomose, intuitiv – Da Vinci SP

Herausforderungen bei der Ausbildung für die Thoraxchirurgie HEUTE

Einschränkungen der Arbeitszeiten: Reicht eine 80-Stunden-Woche für die Ausbildung eines Arztes aus? In einer retrospektiven, multizentrischen konsekutiven Blinddarm- und Gallenblasen-Kohorte bei 29 Assistenzärzten, 298 Blinddarm, 479 Cholezystektomien, Gesamthaft 777 Prozeduren , 13 (4%) offene Blinddarm, 50 (10.4%) offene Cholezystektomien, insgesamt 8,1% offene , 53 Fälle /29 Assistenzärzte/2.5Jahre = 0,86 offene pro Jahr. Ein Assistenzarzt müsste für eine offene Gallenblasenoperation 1,5 Jahre warten und 5 Jahre für eine offene Blinddarmoperation.

Es gibt ein Simulation-Training, das Copenhagen Academy for Medical Education and Simulation (CAMES) und den Chirurgen-Simulator 3D-Apps auf Google Play. Ferner die ESTS Robotic school overview, ein Einjahresprogramm.

Zusätzlich erhöhen die neue perioperative gezielte und die Immuntherapie die Komplexität.

Lungentransplantation

Die Anzahl Lungentransplantationen steigt kontinuierlich an. Waren es im Jahre 1988 noch 69, so stieg diese Zahl im Jahr 2017 auf 4452, wovon die Mehrzahl Doppellungentransplantationen bei bilateralem Tumor waren. Die Sterblichkeit auf der Warteliste ist aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Lungentransplantationen weiterhin ein Problem.

In der Schweiz gibt es bei einer Bevölkerung von 8,7 Mio. zwei Lungentransplantationszentren, in Zürich und Lausanne. In den Jahren 2022 und 2021 gab es 153 Spender, 43 Transplantationen und eine Ausbeute von 28,1%. Im Vergleich dazu Spanien mit 1905 Transplantationen, 666 Spendern, 458 Transplantationen und einer Ausbeute von 24.0%.

Neues Konzept zur Überwindung des Spendermangels
1. Erweiterte Spenderkriterien bei der Lungentransplantation (Current Opinion in Organ Transplant. 2009)
2. Grössenreduzierte Lungentransplantation: eine fortschritt­liche operative Strategie zur Linderung des Spenderorganmangels (Tranplantation Proceedings 2004)
3. Transplantation von Lungen eines nicht-herzschlagenden Spenders (Lancet)
4. Update zur lobären Lungentransplantation von Lebendspendern (Current Opinion in Organ Tranplant. 2011)
5. Normothermische Ex-vivo-Lungenperfusion bei klinischer Lungentransplantation (NEJM 2011)

Pulmonalendarteriektomie und chronisch thromboembolische Hypertonie
Mit einem Video illustrierte die Referentin die Pulmonalendarteriektomie (PEA) bei chronisch thromboembolischer Hypertonie (CTEPH). In den ESC Guidelines von 2022 sind CTEPH Teams und Erfahrungskriterien festgelegt. Idealerweise sollten CTEPH-Zentren über PEA-Aktivitäten (>50/Jahr) und BPAs (>30 Patienten/Jahr oder >100 Eingriffe/Jahr) haben, da diese Zahlen mit besseren Ergebnissen in Verbindung gebracht wurden. In der Schweiz wurden vor 2000 keine PEAs durchgeführt. Von 2000 bis 2004 waren es. 6, von 2005-2008 12 und von 2009 bis 2012 16.

Am USZ wurde im Januar 2018 ein CETPH Board zur interdisziplinären Besprechung von CETPH Patienten eingerichtet.
Das CTEPH-Programm Zürich umfasst die folgenden Daten:
– Gesamtresektabilität seit Januar 2015 – Februar 2023:
– 162 von 240 CTEPH-Patienten wurden als operabel eingestuft (67,5%)
– 108 Patienten der 162 operablen CTEPH-Patienten hatten eine PEA (66,6%)
– Resektabilität seit Januar 2018, CTEPH Board:
– 102 von 154 CTEPH-Patienten wurden als operabel eingestuft (66,2%)
– 75 Patienten der 102 operablen CTEPH-Patienten hatten eine PEA (73,5%)
– 30-Tage-Gesamtmortalität seit Januar 2015 – Februar 2023 (der letzte Patient starb im März 2020) 2%.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die roboterassistierte thorakoskopische Chirurgie wird in vielen Zentren mehr und mehr als die bevorzugte minimalinvasive Methode angewendet.

Der Ansatz für die anatomische Resektion sollte derjenige sein, mit dem das Zentrum die meiste Erfahrung hat. Nach den aktuellen Leitlinien werden jedoch minimalinvasive Verfahren (VATS oder RATS) bevorzugt. Die operative Strategie für die in Zukunft zunehmende Zahl von Segmentektomien (Lungenkrebs Screening-Programme!) muss im Vorfeld geplant werden – die Technik der Definition der intersegmentalen Ebene wird immer ausgefeilter und sollte onkologisch korrekte Strategien zur Erhaltung sicherer Ränder beinhalten. Angesichts der neuen Erkenntnisse wird die Segmentektomie in Zukunft noch weiterverbreitet sein. Die Prüfungsanforderungen und Lehrprogramme müssen angepasst werden. Dies ist eine institutionelle und gesellschaftliche Verantwortung. Die Ausbildungswege müssen angepasst werden, um weitere Herausforderungen wie Arbeitszeitbe­schränkungen, das Spektrum der „closed chest“/“open chest“-Chirurgie, und einen neuen Komplexitätsgrad zu berücksichtigen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Vitamin B12 Mangel

Vitamin B12 (Cobalamin) ist ein wasserlösliches Vitamin, das aus tierischen Produkten wie rotem Fleisch, Milchprodukten und Eiern gewonnen wird. Der Intrinsic Factor ist ein Glykoprotein, das von den Parietalzellen im Magen produziert wird und für die Aufnahme von B12 im terminalen Ileum notwendig ist. Nach der Absorption wird B12 als Cofaktor für Enzyme verwendet, die an der Synthese von DNA, Fettsäuren und Myelin beteiligt sind. Infolgedessen kann ein B12-Mangel zu hämatologischen und neurologischen Symptomen führen. B12 wird im Überschuss in der Leber gespeichert; in Fällen, in denen B12 jedoch über einen längeren Zeitraum nicht aufgenommen werden kann (z. B. bei unzureichender Ernährung, Malabsorption, Mangel an Intrinsic Factor), sind die hepatischen Speicher erschöpft und es kommt zu einem Mangel (1, 2, 3).

Ätiologie

Der Vitamin-B12-Mangel hat 3 Hauptursachen:
1. Autoimmun: Die perniziöse Anämie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Antikörper gegen den intrinsischen Faktor gebildet werden. Antikörper gegen den Intrinsic-Faktor binden sich an den Intrinsic-Faktor und hemmen dessen Wirkung, was dazu führt, dass B12 nicht vom terminalen Ileum absorbiert werden kann.
2. Malabsorption: Die Parietalzellen im Magen produzieren den Intrinsic-Faktor; daher besteht bei allen Patienten, die sich einer Magenbypass-Operation unterzogen haben, das Risiko, einen B12-Mangel zu entwickeln, da der neue Verdauungsweg den Ort der Intrinsic-Faktor-Produktion umgeht. Bei Patienten mit normaler Produktion des intrinsischen Faktors beeinträchtigt jede Schädigung des terminalen Ileums, wie z. B. eine chirurgische Resektion aufgrund von Morbus Crohn, die Aufnahme von B12 und führt zu einem Mangel. Auch andere Schädigungen des Dünndarms, wie Entzündungen bei Zöliakie oder Infektionen mit dem Bandwurm Diphyllobothrium latum, können zu einem B12-Mangel führen.
3. Ernährungsbedingte Unzulänglichkeiten: Vitamin B12 wird im Überschuss in der Leber gespeichert; Patienten, die sich etwa drei Jahre lang streng vegan ernährt haben, können jedoch aufgrund einer unzureichenden Nahrungsaufnahme einen B12-Mangel entwickeln.

Epidemiologie

Die Epidemiologie des Vitamin-B12-Mangels variiert je nach Ätiologie. In der Allgemeinbevölkerung haben einige Studien gezeigt, dass bei Patienten mit Anämie etwa 1 bis 2 % auf einen B12-Mangel zurückzuführen sind. Andere Studien haben gezeigt, dass bei Patienten mit klinischer Makrozytose (definiert als ein MCV > 100) 18 % bis 20 % auf einen B12-Mangel zurückzuführen sind. Unabhängig von der Ursache ist ein Vitamin-B12-Mangel bei älteren Menschen häufiger anzutreffen. Ein B12-Mangel aufgrund einer perniziösen Anämie ist bei Menschen nordeuropäischer Abstammung häufiger. Bei Menschen afrikanischer Abstammung oder Menschen aus anderen Regionen Europas ist die Inzidenz der perniziösen Anämie geringer (4, 5).

Pathophysiologie

Bei gesunden Patienten bindet das mit der Nahrung aufgenommene Vitamin B12 an ein Protein namens R-Faktor, das von den Speicheldrüsen ausgeschieden wird. Sobald der Komplex den Dünndarm erreicht, wird das B12 durch Enzyme der Bauchspeicheldrüse vom R-Faktor abgespalten, so dass es sich an ein Glykoprotein namens Intrinsic Factor binden kann, das von den Parietalzellen des Magens ausgeschieden wird. Der neu gebildete Komplex aus B12 und Intrinsic Factor kann dann an Rezeptoren im Ileum binden, wodurch die Aufnahme von B12 ermöglicht wird. Nach der Resorption ist B12 an Stoffwechselwegen beteiligt, die sowohl für neurologische als auch für hämatologische Funktionen wichtig sind. Wenn B12 nicht absorbiert werden kann, können – unabhängig von der Ätiologie – zahlreiche Beeinträchtigungen auftreten.

Behandlung / Management

Die Behandlung des Vitamin-B12-Mangels besteht in der Zufuhr von B12. Je nach Ursache des Mangels variieren jedoch die Dauer und die Art der Behandlung. Bei Patienten, die aufgrund einer strikten veganen Ernährung einen Mangel aufweisen, ist eine orale B12-Ergänzung zur Auffüllung des Bedarfs ausreichend.

Bei Patienten mit einem Mangel an intrinsischem Faktor, der entweder auf eine perniziöse Anämie oder eine Magenbypass-Operation zurückzuführen ist, wird eine parenterale Gabe von B12 empfohlen, da oral aufgenommenes B12 aufgrund des fehlenden intrinsischen Faktors nicht vollständig absorbiert werden kann. Eine Dosis von 1000 mcg B12 über den intramuskulären Weg wird einmal im Monat empfohlen. Bei neu diagnostizierten Patienten werden 1000 mcg B12 vier Wochen lang einmal wöchentlich intramuskulär verabreicht, um die Speicher aufzufüllen, bevor auf eine einmal monatliche Verabreichung umgestellt wird. Studien haben gezeigt, dass die orale B12-Gabe bei einer Dosis, die hoch genug ist, um die B12-Rezeptoren im Darm vollständig zu sättigen, trotz fehlendem Intrinsic Factor ebenfalls wirksam ist.

Quelle: StatPearls [Internet] Fortbildungsaktivität. Vitamin B12 Deficiency Alex Ankar and Anil Kumar. Last Update: October 22, 2022

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Layden AJ et al. Neglected tropical diseases and vitamin B12: a review of the current evidence. Trans R Soc Trop Med Hyg. 2018;112:423-435
2. Fritz J et al. A Systematic Review of Micronutrient Deficiencies in Pediatric Inflammatory Bowel Disease. Inflamm Bowel Dis. 2019;25:445-459]
3. Miller JW. Proton Pump Inhibitors, H2-Receptor Antagonists, Metformin, and Vitamin B-12 Deficiency: Clinical Implications. Adv Nutr. 2018;9:511S-518S.
4. Röhrig G et al. Clinical hematological symptoms of vitamin B12 deficiency in old age : Summarized overview of this year’s symposium of the Working Group „Anemia in the Aged“ on the occasion of the annual conference of the German Geriatric Society (DGG) in Frankfurt.. Z Gerontol Geriatr. 2018;51:446-452.
5. Devi A, et al. Vitamin B12 Status of Various Ethnic Groups Living in New Zealand: An Analysis of the Adult Nutrition Survey 2008/2009. Nutrients. 2018;10 [PMC free article]

Herpes Zoster-Impfung bei gefährdeten Erwachsenen

Sicherheit und Wirksamkeit von rekombinanten und Lebendimpfstoffen gegen Herpes Zoster zur Vorbeugung bei gefährdeten Erwachsenen mit chronischen Krankheiten und immunschwächenden Bedingungen.

In einer kürzlich erfolgten Publikation (1) wurden Belege für die Risiken und die Belastung durch Herpes Zoster (HZ) in einem breiten Spektrum von klinisch relevanten Risikopopulationen, einschliesslich wichtiger klinischer Daten zum rekombinanten Herpes Zoster-Impfstoff (RZV) RZV und Einzeldosis Zoster-Lebendimpfung (ZVL) bei diesen Personen präsentiert, um die Ärzte bei der Betreuung für erwachsene IC-Patienten zu unterstützen.

Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben ältere Erwachsene mit Immunseneszenz und Personen, die Immunschwäche (IC) aufgrund einer Krankheit oder einer immunsuppressiven Therapie sind einem erhöhten Risiko für HZ und die damit verbundenen Komplikationen, die schwächend und lebensbedrohlich sein können (2-7). Die Impfung kann eine wirksame Strategie gegen HZ sein, und Studien haben gezeigt, dass eine HZ-Impfung bei IC-Patienten eine Immunreaktion auslösen und einen Schutz vor der Infektion bieten kann. Kürzlich erfolgten die ersten Zulassungen in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union für den rekombinanten HZ-Impfstoff (RZV) bei Erwachsenen im Alter von 18 Jahren, bei denen aufgrund von Immundefizienz oder Immunsuppression ein HZ-Risiko besteht. Vorhandene systematische Übersichten haben die Risiken für HZ bei eingeschränkter Immunschwäche hervorgehoben und nur klinische Daten für RZV untersucht. In der vorliegenden Übersichtsarbeit (1) werden die Risiken und die Belastung durch HZ in einem breiten Spektrum von klinisch relevanten IC-Populationen untersucht und die wichtigsten Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von RZV und HZ-Lebendimpfstoff bei diesen Personen zusammengefasst. Die Forschung hat gezeigt, dass Menschen mit IC von einer HZ-Impfung profitieren können. Diese Erkenntnisse müssen jedoch noch vollständig in die Impfrichtlinien und die klinische Versorgung aufgenommen werden. Kliniker sollten eine HZ-Impfung bei geeigneten Risikopopulationen in Betracht ziehen, um sich vor HZ und den damit verbundenen Komplikationen zu schützen und damit die Belastung des Gesundheitssystems durch HZ zu verringern. Elektronische Gesundheitsakten und verknüpfte persönliche Gesundheitsakten könnten genutzt werden, um Patienten zu identifizieren und zu kontaktieren, die für eine HZ-Impfung in Frage kommen und klinische Entscheidungshilfen für fehlende oder verspätete Impfungen bereitstellen. Diese Überprüfung wird Klinikern helfen, geeignete IC-Patienten zu identifizieren, die von einer HZ-Impfung profitieren könnten.

Herpes Zoster (HZ) ist ein bedeutendes Gesundheitsproblem, das Morbidität und, weniger häufig, Mortalität bei ungeimpften Erwachsenen im Alter von 50 Jahren betrifft. Vor der Einführung von Impfstoffen gab es schätzungsweise 1 Million Fälle von HZ pro Jahr in den Vereinigten Staaten (USA), und im Jahr 2013 beliefen sich die Gesundheitskosten für HZ auf über 1,0 Milliarden US-Dollar (8-10]. Die Varizella-Zoster-Virus (VZV)-spezifische T-Zell-vermittelte Immunität (CMI) ist der Schlüssel zur Aufrechterhaltung des latenten VZV nach einer Varizellen-(Windpocken-) Infektion; allerdings ist die Immunseneszenz bei älteren Erwachsenen und geschwächte Immunität bei Personen mit geschwächtem Immunsystem (IC), mit Autoimmunkrankheiten (AIDs), chronischen medizinischen chronischen Erkrankungen oder Personen, die eine immunsuppressive Therapie erhalten, erhöhen das Risiko einer VZV-Reaktivierung und HZ (Gürtelrose (11-16). Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben IC-Populationen ein höheres Risiko für schwerwiegende HZ-Komplikationen, einschliesslich postherpetischer Neuralgie, die einen Krankenhausaufenthalt erfordert, oder von potenziell lebensbedrohlicher, kutaner und viszeraler VZV-Dissemination begleitet ist. Da IC-Patienten nach Schätzungen in den USA und im Vereinigten Königreich 3% der Erwachsenen ausmachen, bestehen für viele damit verbundene Komplikationen, wobei dieses Risiko mit dem Alter zunimmt (17,18). Eine prophylaktische und postexpositionelle, antivirale Therapie gegen HZ wird für gefährdete Personen empfohlen. Diese Therapien sind häufig suboptimal aufgrund der begrenzten Wirksamkeit, der langen Behandlungsdauer potenzieller Arzneimitteltoxizität, Virusresistenz und Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln, was ein besonderes Problem für IC-Personen darstellt, die Polypharmazie unterworfen sind (7, 19-23). Die Impfung bietet eine prophylaktische Option, die die Herausforderungen der konventionellen antiviralen Prophylaxe überwinden und gleichzeitig einen länger anhaltenden Schutz gegen HZ bietet. Zu den verfügbaren Impfstoffen gehören eine Einzeldosis Zoster-Lebendimpfung (ZVL), die aus demselben abgemilderten VZV wie der Varizellen-Impfstoff mit einem erhöhten viralen Titer (14-fach) (Zostavax; MSD), und ein rekombinanter VZV-Lebendimpfstoff in zwei Dosen (RZV). VZV-Impfstoff (RZV), der das VZV-Glykoprotein-E-Antigen mit dem AS01B Adjuvans-System, das MPL (3-O-desa cyl-4-Monophosphoryl-Lipid A), einen gereinigten Pflanzenextrakt QS-21 (Quillaja Saponaria Molina, Fraktion 21) und Liposomen (Shingrix; GSK) (13, 24-27) enthält. Während ZVL in den USA nicht mehr erhältlich ist, ist es in der Europäischen Union (EU) für die Prävention von HZ bei Erwachsenen im Alter von 50 Jahren zugelassen; allerdings ist es bei Personen mit schwerer IC kontraindiziert wegen des Risikos einer schweren oder tödlichen disseminierten Impfstamm VZV-Krankheit (22). Der RZV-Impfstoff ist in 24 Ländern/Regionen erhältlich (Australien, Österreich, Belgien, Brasilien). (Australien, Österreich, Belgien, Brasilien, Kanada, China, Dänemark, Finnland, Deutschland, Hongkong, Irland, Italien, Japan, Saudi-Arabien, Niederlande, Neuseeland, Portugal, Singapur, Spanien, Schweden, Schweiz, Taiwan, Vereinigtes Königreich, USA) zur Prävention von HZ bei Erwachsenen im Alter von 50 Jahren und Erwachsenen im Alter von 18 Jahren, die ein erhöhtes HZ-Risiko haben, einschliesslich derjenigen, die immunschwach oder immunsupprimiert sind (24, 25).

Quelle: Sullivan KN et al. Safety and efficacy of recombinant and live herpes zoster vaccines forprevention in at-risk adults with chronic diseases and immunocompromising conditions. Vaccine 2023; 41: 36–48

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Sullivan KN et al. Safety and efficacy of recombinant and live herpes zoster vaccines forprevention in at-risk adults with chronic diseases and immunocompromising conditions. Vaccine 2023; 41: 36–48
2. Chen S-Y, et al. Incidence of herpes zoster in patients with altered immune function. Infection 2014;42 (2):325–34.
3. Watson C et al. Herpes zoster: Postherpetic Neuralgia and other complications: Focus on treatment and prevention: Adis. (Springer Nature), Springer International Publishing; 2017.
4. Munoz-Quiles C, et al. Herpes zoster risk and burden of disease in immunocompromised populations: a population-based study using health system integrated databases, 2009– 2014. BMC Infect Dis 2020;20:905.

Die Infektion der oberen Atemwege

Infektionen der oberen Atemwege können durch eine Vielzahl von Viren und Bakterien verursacht werden. Diese sind verantwortlich für eine Vielzahl von Patientenerkrankungen, darunter akute Bronchitis, Erkältung, Grippe und Atemnotsyndrome. Die Definition der meisten dieser Patientenerkrankungen ist schwierig, da sich die Erscheinungsbilder von Infektionen der oberen Atemwege häufig überschneiden und ihre Ursachen ähnlich sind. Infektionen der oberen Atemwege können als selbstbegrenzte Reizung und Schwellung der oberen Atemwege mit begleitendem Husten definiert werden, ohne dass eine Lungenentzündung nachgewiesen werden kann, ohne dass eine separate Erkrankung für die Symptome des Patienten verantwortlich ist oder ohne eine Vorgeschichte von COPD/Emphysem/chronischer Bronchitis. (2). Infektionen der oberen Atemwege betreffen die Nase, die Nebenhöhlen, den Rachen, den Kehlkopf und die grossen Atemwege.

Die Erkältung

Zu den Erregern der Erkältung gehören das Rhinovirus, das Adenovirus, das Parainfluenzavirus, das Respiratory Syncytial Virus, das Enterovirus und das Coronavirus. Das Rhinovirus, eine Spezies der Gattung Enterovirus aus der Familie der Picornaviridae, ist der häufigste Erreger der Erkältung und verursacht in der Hochsaison bis zu 80% aller Atemwegsinfektionen (3). Dutzende von Rhinovirus-Serotypen und häufige Antigenveränderungen unter ihnen machen die Identifizierung, Charakterisierung und Ausrottung komplex. Es wird angenommen, dass die Replikation und Infektion des Rhinovirus nach der Ablagerung in der vorderen Nasenschleimhaut mit dem mukoziliären Transport in den hinteren Nasenrachenraum und die Adenoide beginnt. Bereits 10 bis 12 Stunden nach der Inokulation können die ersten Symptome auftreten. Die durchschnittliche Dauer der Symptome beträgt 7 bis 10 Tage, sie können jedoch bis zu 3 Wochen anhalten. Die Infektion der Nasenschleimhaut und die anschliessende Entzündungsreaktion des Wirtes führen zu einer Vasodilatation und einer erhöhten Gefässdurchlässigkeit. Diese Ereignisse führen zu einer Nasenobstruktion und Rhinorrhoe, während die cholinerge Stimulation die Schleimproduktion und das Niesen auslöst.

Infektionen der oberen Atemwege gehören zu den häufigsten Erkrankungen, mit denen Beschäftigte im Gesundheitswesen im ambulanten Bereich konfrontiert werden. Die Infektion kann von einer gewöhnlichen Erkältung bis hin zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung wie einer akuten Epiglottitis reichen. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen und Erscheinungsformen werden Infektionen der oberen Atemwege am besten von einem interprofessionellen Team behandelt.

Der Schlüssel liegt darin, eine übermässige Verschreibung von Antibiotika zu vermeiden und gleichzeitig eine lebensbedrohliche Infektion nicht zu übersehen. Krankenschwestern und -pfleger, die diese Patienten behandeln, sollten sich mit einem Experten für Infektionskrankheiten in Verbindung setzen, wenn Zweifel an der Schwere der Infektion bestehen. Der Apotheker sollte den Patienten über Infektionen der oberen Atemwege aufklären und von der übermässigen Anwendung unerprobter Produkte absehen.

Ebenso sollte der Arzt in der Notaufnahme Patienten nicht ohne Weiteres mit Antibiotika gegen eine Erkältung nach Hause entlassen. Insgesamt führen Infektionen der oberen Atemwege zu einer sehr hohen Arbeitsunfähigkeit über kurze Zeiträume. Fehlzeiten am Arbeitsplatz und in der Schule sind keine Seltenheit; ausserdem können die Symptome lästig sein und extreme Müdigkeit ist die Regel. Die Patienten sollten dazu angehalten werden, ausreichend zu trinken, sich auszuruhen, das Rauchen einzustellen und die verordneten Medikamente einzuhalten (4).

Ätiologie

Erkältungskrankheiten stellen nach wie vor eine grosse Belastung für die Gesellschaft dar, sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozialer Hinsicht. Das häufigste Virus ist das Rhinovirus. Weitere Viren sind das Influenzavirus, das Adenovirus, das Enterovirus und das Respiratory Syncytial Virus. Bakterien können etwa 15 % der plötzlich auftretenden Pharyngitis verursachen. Das häufigste Bakterium ist S. pyogenes, ein Streptokokkus der Gruppe A.

Risikofaktoren für eine Infektion der oberen Atemwege:

– Enger Kontakt mit Kindern: Sowohl Kindertagesstätten als auch Schulen erhöhen das Risiko für eine Infektion der oberen Atemwege.
– Medizinische Störung: Menschen mit Asthma und allergischem Schnupfen haben ein höheres Risiko, an einer Infektion der oberen Atemwege zu erkranken.
– Rauchen ist ein häufiger Risikofaktor für eine Infektion der oberen Atemwege.
– Menschen mit geschwächtem Immunsystem, einschliesslich Menschen mit zystischer Fibrose, HIV, Kortikosteroiden, Transplantationen und nach einer Splenektomie haben ein hohes Risiko für eine Infektion der oberen Atemwege.
– Anatomische Anomalien wie dysmorphe Veränderungen im Gesicht oder Nasenpolyposis erhöhen ebenfalls das Risiko einer Infektion der oberen Atemwege.

Impfempfehlungen für Pneumokokken in der Schweiz

Je nach Alter und Gesundheitszustand sind für die Impfung eine oder mehrere Dosen erforderlich.

Ab Januar 2024 wird Personen ab 65 Jahren, die nicht gegen Pneumokokken geimpft sind oder nur mit Pneumovax® geimpft wurden, eine zusätzliche Impfung gegen Pneumokokken mit 1 Dosis des konjugierten Pneumokokkenimpfstoffs (PCV) empfohlen. Die Impfempfehlungen zwischen
2 Monaten und 5 Jahren sowie für Risikopersonen zwischen 5 und 64 Jahren bleiben unverändert, ebenso wie ihre Erstattung, die leider auf < 5 und ≥ 65 Jahre beschränkt ist.

Allgemeine Empfehlungen

Die Impfung gegen Pneumokokken (Prevenar13®) wird empfohlen für Kleinkinder von 2 Monaten bis 5 Jahren, um Pneumokokken-Infektionen (Hirnhautentzündung, Lungenentzündung, Blutvergiftung) zu schützen.

Quelle: Pletz MW und Bahrs C. Pneumokokkenimpfstoffe. Internist 2021;62:807-815

Literatur:
1. Pletz MW und Bahrs C. Pneumokokkemipfstoffe. Internist 2021;62:807- 815 Africano HF et al. Major adverse cardiovascular events during inva­sive pneumococcal disease are serotype dependent. Clin Infect Dis. 2021; 72:e711–e719. doi: 10.1093/cid/ciaa1427.
2. Brown AO et al. Cardiotoxicity during invasive pneumococcal disease. Am J Respir Crit Care Med. 2015;191:739–745. doi: 10.1164/rccm.201411-1951PP.
3. Wagenvoort GH et al. Long-term mortality after IPD and bacteremic versus non-bacteremic pneumococcal pneumonia. Vaccine. 2017;35:1749–1757. doi: 10.1016/j.vaccine.2017.02.037
4. Pletz MW et al. Pneumococcal vaccines: mechanism of action, impact on epidemiology and adaption of the species. Int J Antimicrob Agents. 2008;32:199–206. doi: 10.1016/j.ijantimicag.2008.01.021.
5. Pletz MW et al. Position paper on adult pneumococcal vaccination: position paper of the German respiratory society and the German Geriatric Society. Pneumologie. 2015;69:633–637. doi: 10.1055/s-0034-1393413.
6. Pletz MW,et al. Position paper on adult pneumococcal vaccination: position paper of the German respiratory society and the German Geriatric Society. Pneumologie. 2015;69:633–637. doi: 10.1055/s-0034-1393413.
7. Remschmidt C et al. Effectiveness, immunogenicity and safety of 23-valent pneumococcal polysaccharide vaccine revaccinations in the elderly: a systematic review. BMC Infect Dis. 2016;16:711. doi: 10.1186/s12879-016-2040-y.

Wer und wann sollte gegen Grippe geimpft werden?

In einer nicht systematischen Übersichtsarbeit wurden die Daten zur Influenza-Epidemiologie und Immunogenität des Grippeimpfstoffs und zur Wirksamkeit und Sicherheit in wichtigen Risikogruppen zusammengefasst. Außerdem wurde auch der optimale Zeitpunkt für die Impfung und der Einfluss einer Immunität auf die Reaktion auf den Impfstoff erörtert (1). Die Autoren kommen zu den folgenden Schlussfolgerungen:

Trotz Verbesserungen der Grippeimpfstoffe durch die Verwendung höherer Dosen, Adjuvantien und alternativen Verabreichungswegen ist die saisonale Influenza weiterhin ein grosses Problem für die öffentliche Gesundheit und eine Todesursache auf der ganzen Welt, insbesondere bei denjenigen anfällig für schwere oder komplizierte Erkrankungen. Trotz sehr grosser saisonaler Schwankungen in der Wirksamkeit stützen die verfügbaren Daten die aktuellen Empfehlungen, Risikogruppen gegen Influenza zu impfen und dies jährlich durchzuführen. Zu den dringendsten Fragen sind die Bestätigung der Wirksamkeit von verstärkten Grippeimpfstoffen im Vergleich zu Standardimpfstoffen und eine evidenzbasierte Betrachtung ihres potenziellen Nutzens bei Anwendung in grösserem Umfang zur Influenza-Prävention in Risikopopulationen. Brauchen wir unterschiedliche Korrelate des Schutzes bei bestimmten Erkrankungen, wie Fettleibigkeit oder Nierenversagen? Was sind die Risiken und Vorteile einer halbjährlichen Impfung?

Die Beziehung zwischen Immunreaktionen und Effektivität der Influenza-Vakzine wird von einer ganzen Reihe von virus-, wirts- und impfstoffspezifischen Faktoren beeinflusst, einschliesslich der Übereinstimmung zwischen Impfstoffstämmen und zirkulierenden Stämmen, dem Alter der Geimpften sowie dem Ausmass früherer Expositionen und vorbestehender Immunität. Meta-Analysen zur Wirksamkeit von Grippeimpfstoffen in bestimmten Bevölkerunwgsgruppen sind durch die grosse Anzahl von Studien beeinträchtigt, die anfällig für Verzerrungen sind oder potenzielle Faktoren berücksichtigen, die die Studienergebnisse erheblich beeinflussen können.

Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die verfügbaren Daten auf gut konzipierte Studien zu erweitern, die während mehrerer Grippesaisons in größeren Populationen durchgeführt wurden. Ausserdem ist es wichtig, ein besseres Verständnis für die langfristigen Auswirkungen einer wiederholten Grippeimpfung auf die künftige Wirksamkeit der Influenza-Impfung zu gewinnen. Der ideale Grippeimpfstoff würde einmal verabreicht werden und einen verlängerten oder sogar lebenslangen Schutz gegen alle Influenzastämme bieten, unabhängig von den Auswirkungen von Antigenshift und -drift. Ein solcher universeller Grippeimpfstoff würde einen wichtigen Beitrag zur globalen öffentlichen Gesundheit leisten, insbesondere bei Personen mit Erkrankungen, die ein hohes Risiko für schwere und komplizierten Influenza-Erkrankungen gefährdet sind, hat sich aber bisher als schwer realisierbar erwiesen.

Quelle: Buchya P and Badur S. Who and when to vaccinate against influenza. Int. Journal of Infectious Diseases 2020;93:375–387

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Qui doit être vacciné contre la grippe et quand?

Une revue non systématique a examiné les données relatives à la épidémiologie de la grippe et l’immunogénicité du vaccin antigrippal, ainsi que son efficacité et sécurité dans les principaux groupes à risque. En outre, le moment optimal pour la vaccination et l’influence de l’immunité.sur la réponse au vaccin (1). Les auteurs sont parvenus aux conclusions suivantes:

Malgré les améliorations apportées aux vaccins antigrippaux grâce à l’utilisation de doses plus élevées, d’adjuvants et de voies d’administration alternatives, la grippe saisonnière reste un problème majeur de la santé publique et une cause de décès dans le monde entier, en particulier chez les personnes susceptibles de développer des maladies graves ou compliquées. Malgré des variations saisonnières très importantes en termes d’efficacité, les données disponibles soutiennent les recommandations actuelles de vacciner les groupes à risque contre la grippe et de le faire chaque année. Parmi les questions les plus urgentes figurent la confirmation de l’efficacité des vaccins antigrippaux renforcés par rapport aux vaccins standard et l’examen, sur la base de données probantes, de leurs avantages potentiels lorsqu’ils sont utilisés à plus grande échelle pour prévenir la grippe dans les populations à risque. Avons-nous besoin de corrélats de protection différents pour certaines maladies, comme l’obésité ou l’insuffisance rénale? Quels sont les risques et les avantages d’une vaccination semestrielle?

La relation entre les réponses immunitaires et l’efficacité du virus de la grippe est influencée par toute une série de facteurs spécifiques au virus, à l’hôte et au vaccin, notamment la correspondance entre les souches vaccinales et les souches circulantes, l’âge des personnes vaccinées ainsi que l’ampleur des expositions antérieures et l’immunité préexistante. Les méta-analyses sur l’efficacité des vaccins antigrippaux dans des groupes de population spécifiques sont affectées par le grand nombre d’études susceptibles d’être biaisées ou de prendre en compte des facteurs potentiels susceptibles d’influencer considérablement les résultats des études.

Il est donc essentiel d’élargir les données disponibles à des études bien conçues, menées pendant plusieurs saisons grippales dans des populations plus importantes. Il est également important de mieux comprendre l’impact à long terme d’une vaccination antigrippale répétée sur l’efficacité future du vaccin antigrippal. Le vaccin antigrippal idéal serait administré une seule fois et offrirait une protection prolongée, voire à vie, contre toutes les souches de la grippe, indépendamment des effets du décalage et de la dérive antigéniques. Un tel vaccin antigrippal universel apporterait une contribution importante à la santé publique mondiale, en particulier chez les personnes souffrant de maladies à haut risque de grippe grave et compliquée, mais il s’est avéré difficile à réaliser jusqu’à présent.

Source: Buchya P and Badur S. Who and when to vaccinate against influenza. Int. Journal of Infectious Diseases 2020;93:375–387

Pr Walter F. Riesen

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