Unterstützung für Angehörige von Krebsbetroffenen

Hinter jedem Krebsbetroffenen stehen auch Angehörige. Diese werden allzu oft vergessen. Sie sind für die Betroffenen meistens die wichtigste Stütze und kommen mit ihren eigenen Bedürfnissen oft zu kurz, denn auch sie brauchen Unterstützung.

Angehörige übernehmen in der Schweiz einen bedeutenden Teil der Betreuungsarbeit von Krebsbetroffenen. Für die meisten von ihnen ist der Spagat zwischen Care-Arbeit, Berufsalltag, Kinderbetreuung und eigenen Bedürfnissen äusserst schwierig. «Ich fühlte mich emotional und körperlich erschöpft. Doch ich sagte mir immer wieder: “Es geht nicht um mich. Ich habe keinen Krebs und darf gesund sein.” Mit diesen Schuldgefühlen leben zu lernen, war nicht einfach», erzählt beispielsweise Karel, 47, die mittlerweile andere Angehörige auf ihrem Weg unterstützt.

SGK-S will Situation der betreuenden Angehörigen verbessern

Mitte Oktober hat die ständerätliche Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit SGK-S als Antwort auf eine Motion von Ständerätin Marianne Maret anerkannt, dass die Situation der betreuenden Angehörigen verbessert werden muss. Sie wird sich nun mit entsprechenden Lösungsvorschlägen befassen. Eine Möglichkeit wäre, eine nationale Strategie der betreuenden Angehörigen zu erarbeiten und eine einheitliche Definition der Angehörigenbetreuung festzulegen. Ein klar definierter Status, wie er beispielsweise in Belgien existiert, würde auch den je nach Kanton unterschiedlichen Anspruch auf bestimmte Leistungen (Entlastungsangebote, Sozialleistungen usw.) vereinheitlichen.

Beratung und Information für betreuende Angehörige

Die Krebsliga bietet Angehörigen die nötige Unterstützung, wenn diese nicht mehr wissen, wie sie den Alltag bewältigen sollen. Einerseits können sich Angehörige für Beratung und Information an die 18 regionalen und kantonalen Ligen (www.krebsliga.ch/regionen) wenden. Andererseits steht ihnen das Beratungsteam des Krebstelefons (www.krebsliga.ch/krebstelefon) via Telefon, E-Mail oder Chat zur Verfügung – anonym und kostenlos. Und unter www.krebsforum.ch können sie sich untereinander austauschen oder über die Peerplattform www.krebsliga.ch/peerplattform Unterstützung von anderen Angehörigen erhalten, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

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Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger

Co-Gesamtprojektleiter NSK
Nationale Strategie gegen Krebs
c/o Oncosuisse
Effingerstrasse 40
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3001 Bern

michael.roethlisberger@nsk-krebsstrategie.ch

Finanzielle Toxizität bei Krebsbetroffenen

Nach einer Krebserkrankung sind Menschen nebst den physischen und psychischen Folgen häufig mit finanziellen Problemen konfrontiert. Sowohl Gesundheitsfachpersonen als auch Betroffene unterschätzen jedoch krebsbedingte finanzielle Probleme oft oder erkennen sie zu spät.

In einem von der Krebsliga Schweiz unterstützten Projekt hat die Ostschweizer Fachhochschule OST Wechselwirkungen finanzieller Belastungen und gesundheitsrelevanter Variablen analysiert, um daraus ein Screening-Tool zur Früherkennung finanzieller Notlagen zu entwickeln. Die Forschenden führten zunächst Interviews mit Krebsbetroffenen und Expertinnen und Experten sowie eine Literaturrecherche durch. Anschliessend veranschaulichten sie identifizierte zentrale Wechselwirkungen in einem systemdynamischen Modell der Cancer related Financial Toxicity. Fachpersonen aus der Onkologie und Sozialarbeit haben dieses partizipativ validiert. Aus dem Modell entstand ein Screening-Tool für die onkologische Praxis, das in Praxisinstitutionen getestet und anschliessend in Fokusgruppen evaluiert wurde. Das Screening-Tool soll helfen, Menschen mit erhöhtem Risiko für finanzielle Notlagen frühzeitig zu identifizieren, um sozioökonomische Belastungen einer Krebserkrankung zu reduzieren.

Weiterführende Informationen: Scheidegger, A., Bernhardsgrütter, D., Kobleder, A. et. al. (2023), Financial toxicity among cancer survivors: a conceptual model based on a feedback perspective, Supportive Care in Cancer 31:618. doi.org/10.1007/s00520-023-08066-x. Die Studie wurde am 22. November am SOHC in Basel vorgestellt.

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Chancengleichheit bei familiärem Krebsrisiko: Vorsorgliche Eingriffe sollen vergütet werden

Gewisse Menschen haben eine Gen-Mutation, die ein erhöhtes Krebsrisiko birgt – beispielsweise die Schauspielerin Angelina Jolie. Doch nicht bei allen Mutationen deckt die Grundversicherung eine prophylaktische Entfernung des Brustgewebes oder der Eierstöcke. Die Krebsliga Schweiz und die Schweizerische Gesellschaft für Senologie (SGS) setzen sich deshalb gemeinsam mit anderen Organisationen dafür ein, dass künftig alle Personen mit erblicher Vorbelastung Zugang zu vorsorglichen Operationen und entsprechender Beratung haben.

Fünf bis zehn Prozent aller Krebsbetroffenen haben eine angeborene Mutation im Erbgut, die die Entstehung von Krebs begünstigt – zum Beispiel BRCA. Diese Personen haben ein höheres Risiko, an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Eine chirurgische Entfernung des Brustgewebes bzw. der Eierstöcke senkt dieses Risiko fast vollständig.

Kostenübernahme nicht bei allen Gen-Mutationen

Aktuell deckt die Grundversicherung einen solchen vorsorglichen Eingriff bei BRCA1 und BRCA2-Genen, aber nicht bei anderen Gen-Mutationen, die ein vergleichbares Risiko aufweisen. «Mir wurde bewusst, dass wir bei einer vorsorglichen Entfernung des Brustgewebes keinerlei Rechtsanspruch gegenüber der Krankenkasse stellen können und wir auf deren Kulanz angewiesen sind», erzählt Markus Marugg. Seine Schwägerin ist an einem aggressiven Brustkrebs erkrankt, der auf die Gen-Mutation PALB2 zurückzuführen war. Auch seine Ehefrau und möglicherweise seine Kinder tragen diese Gen-Mutation, die aber aktuell nicht in der Krankenpflegeleistungs-Verordnung (KLV) aufgeführt ist. «Es darf nicht sein, dass bei einer erwiesenen erblichen Vorbelastung aus finanziellen Gründen auf einen präventiven Eingriff verzichtet werden muss. Im Krankheitsfall werden die Krankenkassen mit massiv höheren Kosten konfrontiert als bei einem präventiven Eingriff» ist Marugg überzeugt.

Antrag beim BAG eingereicht

Deshalb hat die Krebsliga Schweiz gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Senologie SGS und weiteren Organisationen beim Bundesamt für Gesundheit einen Antrag zur Anpassung der KLV (Art. 12be) eingereicht. Damit soll erreicht werden, dass solche risikoreduzierenden Operationen künftig allen Personen offenstehen, die aufgrund einer Gen-Mutation ein stark erhöhtes Risiko für Brust- oder Eierstockkrebs haben. Zudem sollen sie vorher eine ausführliche Beratung über ihr individuelles Risiko erhalten. Auch eine Gleichbehandlung aller Versicherter soll mit dem Antrag erreicht werden.

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Aktuelle Krebspolitik

Tabakprävention
Tabakproduktegesetz (TabPG). Teilrevision (23.049)
Po. WAK-N. Gesamtschau des Markts für Tabak- und Tabakersatzprodukte (23.3588)

Aktueller Stand: Infolge der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» am 13. Februar 2022 sollen im neuen Tabakproduktegesetz (TabPG) weitergehende Einschränkungen der Werbung, der Verkaufsförderung und des Sponsorings in Zusammenhang mit Tabakprodukten und elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten) eingeführt werden. Sämtliche Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten, die Minderjährige erreichen kann, soll verboten werden.
Die Mehrheit der ständerätlichen Kommission (SGK-S) war der Meinung, dass der Vorschlag des Bundesrats weiter geht als die Initiative und schlug deshalb verschiedene Änderungen vor: So sollte Werbung im Innenteil von Presseerzeugnissen, die mehrheitlich über Abonnemente an Erwachsene verkauft werden, weiterhin erlaubt bleiben (Art. 18 Abs. 1 Bst. a). Dies lehnte der Ständerat ab. Er nahm hingegen eine Regelung an, welche den Verkauf durch Verkaufspersonal an öffentlich zugänglichen Orten, die von Minderjährigen besucht werden, weiterhin erlaubt (Art. 19 Abs. 1 Bst. c). In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf vom Ständerat mit 37 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.
Mit 139 zu 41 Stimmen bei 3 Enthaltungen stimmt der Nationalrat dem Postulat der WAK-N zu. Gegen die Annahme hatte sich die SVP-Fraktion gestellt. Sie wolle nicht mehr Steuern unter dem Vorwand der Prävention, wie Céline Amaudruz (SVP/GE) erklärte. Es sei klar, dass als Folge der Prüfung Vorschläge für mehr Steuern kommen würden, so Amaudruz weiter. Bundesrätin Karin Keller-Sutter stellte klar, dass es nicht um Steuererhöhungen gehe, sondern darum, dass man eine Gesamtschau des Tabakmarktes präsentieren und Entscheidungsgrundlagen erarbeiten kann.
Ausblick: Das Tabakproduktegesetz (23.049) geht in die zuständige Kommission des Nationalrats. Das Postulat ist an den Bundesrat überwiesen.
Position Oncosuisse: Po. WAK-N. Gesamtschau des Markts für Tabak- und Tabakersatzprodukte (23.3588)

Die Oncosuisse begrüsst, dass neu auch E-Zigaretten besteuert werden. Tabakbesteuerung ist eine wirksame Präventionsmassnahme. Ein hoher Preis wirkt vor allem bei jungen Menschen und reduziert den Konsum. Mit der aktuellen Gesetzgebung sind diese Steuersätze zu tief und orientieren sich nicht an der massgebenden Einheit, dem Nikotin. Die Oncosuisse unterstützt daher das Postulat 23.3588 Gesamtschau des Markts für Tabak- und Tabakersatzprodukte, welche vom Bundesrat eine neue Auslegeordnung verlangt.

Tabakproduktegesetz (TabPG). Teilrevision (23.049)
Oncosuisse begrüsst die Entscheidung, Werbung im Innenteil von Presseerzeugnissen zu verbieten. Allerdings bedauert Oncosuisse, dass der Ständerat für Zigarren und Zigarillos eine Ausnahme definieren will und dass das Sponsoring an Festivals in VIP-Zonen beibehalten werden soll. Es irritiert zudem, dass der Ständerat die Verkaufsförderung vom Verfassungsauftrag ausnehmen möchte. Als eine der effizientesten Werbeformen, bei der potenzielle Kundinnen und Kunden direkt angesprochen werden, muss auch die Verkaufsförderung im Sinne des Jugendschutzes gemäss dem Bundesrat einbezogen werden. Die Version des Ständerates erfüllt unserer Ansicht nach den Verfassungsauftrags nicht.

V2021/74 Änderungen der KVV und KLV:
Arzneimittelmassnahmen
Geschäftstyp: Geschäft des Bundesrats
Stand der Beratung: Vernehmlassung abgeschlossen
Urheber/-in: Nächster Schritt: Bundesrat Inkraftsetzung

Aktueller Stand: Mit dieser Revision sollen einerseits Massnahmen zur Kostendämpfung im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) umgesetzt werden. Andererseits sind Anpassungen geplant, die der Prozessoptimierung sowie der Erhöhung der Transparenz und der Schaffung von mehr Klarheit und Rechtssicherheit dienen sollen. Gleichzeitig sind Anpassungen im Bereich der Gebühren für die Verwaltungsverfahren vorgesehen. Schliesslich sollen auch die Bestimmungen über die Vergütung im Einzelfall angepasst werden.
Die SGK-N empfiehlt dem Bundesrat mit 13 zu 10 Stimmen, die Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) zu sistieren, bis die parlamentarische Beratung des zweiten Kostendämpfungspakets abgeschlossen ist.

Im Gegensatz zur SGK-N erachtet es die SGK-S als notwendig, die Arbeiten weiterzuführen, damit Patientinnen und Patienten rasch, zuverlässig und gleichberechtigt Zugang zu Medikamenten erhalten. Sie teilt aber die Einschätzung, dass die vorgeschlagenen Änderungen nochmals sorgfältig geprüft werden sollen, unter anderem auf deren Rechtsmässigkeit. Deshalb schliesst sie sich den weiteren Empfehlungen ihrer Schwesterkommission an.

Ausblick: Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 22. September 2023 die Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV), der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) und der Arzneimittel-verordnung (VAM) verabschiedet. Die revidierten Verordnungen treten am 1. Januar 2024 in Kraft.
Position Oncosuisse: Die Oncosuisse sieht die Revision kritisch bis ungenügend. Wichtige Punkte wie der konsequente Einbezug von Experten wurde nicht umgesetzt (lediglich empfohlen), obwohl Daten vorhanden sind, dass Experten Situationen besser einschätzen als Nicht Spezialisten (siehe SPAP). Die Vertreter:innen der Kinderonkologie begrüssen den zwingenden Experteneinbezug, geben jedoch zu bedenken, dass dieser auch klar definiert werden muss. Weiters wird keine Ombudsstelle (= Expertengremium für Härtefälle) geschaffen bei definitiv abgelehnten Gesuchen, Patienten bleibt nach wie vor nur der Rechtsweg, was im Falle von z.B. Krebspatienten zu einer für den Patienten und seine Angehörigen untragbaren Situation führt. Ziel einer Vereinfachung der Prozesse mit fixen Abschlägen war nebst der Reduzierung der Bürokratie auch die Beschleunigung des Prozesses. Leider wurde auch diese Chance verpasst und die Zeit bis zum Entscheid beträgt nach wie vor 10 Tage. Bei einer initialen Ablehnung kann es somit einen Monat gehen, bis die Therapie gestartet werden kann, was bei Krebserkrankungen nicht tolerabel ist. Weitere wichtige Aspekte wie z.B. die Schaffung einer off-label-use Liste wurden in der Verordnungsänderung leider nicht aufgenommen. Der administrative Aufwand der Ärzteschaft steigt weiterhin, vgl. hierzu die neuen Regelungen punkto Selbstbehalt und Substitution. Die in der neuen Verordnung vorgesehene Preisfestsetzung birgt das Risiko, dass in der Schweiz wohnhafte Patient:innen künftig weniger oder erst mit Verspätung Zugang zu neuen, effektiven Therapien haben und somit auch der off- label-use gefährdet ist. Es ist zudem nicht unbedingt davon auszugehen, dass durch diese Revision die Anzahl der off-Label-use Fälle nach Art. 71 a-d abnehmen wird. Insgesamt ist die Oncosuisse mit der Revision in der aktuellen Form unzufrieden, wurden doch zentrale Elemente der Forderungen nicht umgesetzt.

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Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger

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Gesundheitskompetenz stärken!

Die Stärkung der Gesundheitskompetenz erleichtert es Menschen mit einer Tumorerkrankung, Informationen zu Diagnose und Therapie zu verarbeiten. Dadurch wird die informierte und partizipative Entscheidungsfindung unterstützt. Im pflegerischen Alltag ist es wichtig, die Gesundheitskompetenz von Betroffenen einzuschätzen. So können Pflegende entsprechend reagieren und das Risiko einer Unterversorgung oder einer ungleichen Versorgung minimieren.

Gesundheitskompetenz bedeutet das Wissen, die Motivation und die Fähigkeit von Individuen, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und darauf basierend Entscheidungen zu treffen, um Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern (1). Das Thema Gesundheitskompetenz gewinnt zunehmend an Bedeutung. Einige Gründe dafür sind, dass die Bevölkerung immer älter wird und die Multimorbidität zunimmt, dass Behandlungsoptionen immer komplexer werden und die digitale Transformation im Gang ist (1). Menschen mit einer Tumorerkrankung sind in ihrer Gesundheitskompetenz zusätzlich dadurch herausgefordert, dass sie in emotional stark belastenden Situationen viele Informationen aufnehmen und beurteilen sowie weitreichende Entscheidungen treffen müssen. Deshalb hat die individuelle Gesundheitskompetenz eine zentrale Rolle in der Versorgung von onkologischen Patientinnen und Patienten. Die krebsspezifische Gesundheitskompetenz, die Krebsbetroffene benötigen, wird auch als «Cancer Literacy» bezeichnet (2).

Eine hohe Gesundheitskompetenz ist oft mit einem gesünderen Lebensstil und besserer Gesundheit assoziiert. Personen mit hoher Gesundheitskompetenz verhalten sich im Allgemeinen gesundheitsförderlicher und nehmen das Gesundheitssystem seltener in Anspruch (1). Wenn die Kompetenzen der Betroffenen gestärkt werden, mit Informationen zu Prävention, Diagnose und Therapie richtig umzugehen, unterstützt dies die informierte und partizipative Entscheidungsfindung (3).

Gesundheitskompetenz im pflegerischen Alltag

Für eine personzentrierte Gesundheitsversorgung ist es wichtig, die Werte und Überzeugungen von Patientinnen und Patienten zu erfahren, sie aktiv einzubeziehen, ihre Bedürfnisse einzuschätzen und diesen nachzukommen. Hierfür bedarf es einer individuellen Einschätzung der Gesundheitskompetenz. So können gesundheitsbezogene Informationen adressatengerecht vermittelt werden, was Betroffene befähigt, eine aktive Rolle zu übernehmen. Allerdings gehört die systematische, routinierte Erfassung der Gesundheitskompetenz mittels Screening- oder Assessmentinstrumenten bisher noch nicht zum pflegerischen Alltag.

In das interdisziplinäre und interprofessionelle Behandlungsteam des Zentrums für Knochen- und Weichteiltumore Basel (KWUB) ist eine Advanced Practice Nurse (APN) integriert. Die zentralen Aufgaben der APN sind die Begleitung, Beratung und Betreuung von Personen mit einem Sarkom während des Behandlungspfads. Für die systematische, strukturierte Erfassung von Bedürfnissen (z. B. körperlich, emotional, sozial) dieser Betroffenen wurden «Patient-reported Outcome Measures (PROM)» implementiert. Die Erhebung von PROM erfolgt digital und setzt somit voraus, dass Betroffene digitale Medien nutzen, die Fragen verstehen und sie beantworten können. Doch wie gestaltet sich die Versorgung von Betroffenen, bei denen diese Kompetenzen nicht (ausreichend) vorhanden sind? Wie können diese Betroffenen von der APN unterstützt werden? Diese Fragen werden anhand der nachfolgenden Fallvignette erläutert.

Fallvignette Herr S.

Bei Herrn S., 80-jährig, wurde ein undifferenziertes pleomorphes Sarkom am rechten Oberschenkel diagnostiziert. Herr S., ein ehemaliger Automechaniker, ist alleinstehend und hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Tschechisch, er spricht aber auch Schriftdeutsch. Die erste APN-Konsultation erfolgte nach dem ärztlichen Diagnosegespräch und dem Festlegen der Therapie (neoadjuvante Radiotherapie, anschliessend Tumorresektion). Herr S. wirkte gefasst und ruhig. Im Gespräch wurden sein psychisches Befinden und seine Bedürfnisse besprochen. In der Kommunikation wurde besonderes Augenmerk auf das Sprachniveau gerichtet, und die APN überprüfte, ob Herr S. die vermittelten Informationen (Diagnose, Therapieplan, unerwünschte Wirkungen) verstanden hatte. So konnten Informationen wiederholt und ergänzt werden, wobei auch bedarfsgerecht Informationsmaterialien eingesetzt wurden.

Herr S. hat keine E-Mail-Adresse, sodass sich eine digitale Erfassung von PROM erübrigte. Die APN besprach mit ihm die Alternativen: ein Fragebogen, den Herr S. zuhause ausfüllen konnte, oder die Benutzung eines Tablets unmittelbar vor der nächsten Konsultation. Herr S. bevorzugte den Fragebogen. Es wurde besprochen, dass er bei Bedarf ein Wörterbuch benutzen kann, um für ihn unklare Wörter nachzuschlagen. In der Folgekonsultation wurden seine Antworten gesichtet, und die APN fragte nach, wie es ihm beim Ausfüllen des Fragebogens ergangen sei. Die APN stellte fokussierte Fragen zu einzelnen Antworten von Herrn S., sodass personzentriert Interventionen eingeleitet werden konnten. Die nächste Konsultation wurde zum Startzeitpunkt der Radiotherapie festgelegt. Die APN übertrug die Antworten von Herrn S. anschliessend ins digitale Format, um den weiteren Verlauf bei Folgebefragungen beobachten zu können.

Gesundheitskompetenz richtig einschätzen

Die Fallvignette zeigt, dass die Gesundheitskompetenz mit all ihren Facetten nicht bei jeder Person als gegeben vorausgesetzt werden kann, und wie wichtig die pflegerische Einschätzung der Gesundheitskompetenz ist. Neben den standardisierten Prozessen braucht es Alternativen, um das mögliche Risiko einer Unterversorgung oder einer ungleichen Versorgung zu minimieren. Diese Alternativen können einen höheren Aufwand für die Fachperson bedeuten, beispielsweise durch Wiederholung von Informationen, längere Konsultationen, das Benutzen von Hilfsmitteln wie Übersetzungstools, visuelle Medien etc.

Die Gesundheitskompetenz ist eine zentrale Ressource für den Umgang mit der eigenen Gesundheit und sollte entsprechend gestärkt werden. Pflegende übernehmen hierbei eine Schlüsselrolle. Kenntnisse über die Bedeutung der Gesundheitskompetenz sind Voraussetzung, damit Pflegende diese im pflegerischen Alltag wahrnehmen und stärken können.

Mayuri Sivanathan
MScN, Pflegeexpertin
Departementsfachleiterin Pflege/MTT und APN Sarkome
Mitglied Leitungsgremium im Zentrum für Knochen- und Weichteiltumore Basel (KWUB) Departement Muskuloskelettales System
Universitätsspital Basel
mayuri.sivanathan@usb.ch

Erstpublikation des Artikels in der Zeitschrift Onkologiepflege 3/2023

1. De Gani, S. M., Jaks, R., Bieri, U., & Kocher, J. Ph. (2021). Health Literacy Survey Schweiz 2019-2021. Schlussbericht im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG. Zürich, Careum Stiftung
2. Diviani, N., & Schulz, P. J. (2011). What should laypersons know about cancer? Towards an operational definition of cancer literacy. Patient education and counseling, 85(3), 487–492. https://doi.org/10.1016/j.pec.2010.08.017
3. Buyens, G., van Balken, M., Oliver, K., Price, R., Venegoni, E., Lawler, M., Battisti, N. M. L., & Van Poppel, H. (2023). Cancer literacy – Informing patients and implementing shared decision making. Journal of Cancer Policy, 35, 100375. https://doi.org/10.1016/j.jcpo.2022.100375

Vorschriften bitte praxisnah und verhältnismässig

Als Bürger:innen profitieren wir von Regulierungen durch die Behörden. Behördliche Regulierungen schützen uns und geben uns Sicherheit.
Als Aerzt:innen leiden wir zusehend unter den Aufgaben und Auflagen, die von uns gefordert werden. Ich nenne hier nur einige: Erhebung von Strukturdaten von Arztpraxen MAS, das neue Gesundheitsgesetz, das unter anderem fordert, dass wir Einmalspekula einsetzen, oder das neue Datenschutzgesetz und dessen Umsetzung.

Die primäre lobenswerte Absicht führt in der Praxis zu viel Mühsal und hat schlussendlich zur Folge, dass viele Kolleg:innen sich vom Beruf abwenden, was sicher nicht im Sinne der Bürger ist. Die regulierenden Behörden müssen das in der Umsetzung ihrer zum Teil ohne Not erlassenen Vorschriften berücksichtigen, sonst beisst sich die Katze in den Schwanz.

Es ist wichtig, dass die Behörden die Auswirkungen ihrer Regulierungen auf die betroffenen Berufsgruppen sorgfältig abwägen. Die Erhebung von Strukturdaten von Arztpraxen und die Verwendung von Einmalspekula sind Massnahmen, die der Patientensicherheit dienen. Das neue Datenschutzgesetz soll die Privatsphäre der Patient:innen schützen. Es ist jedoch auch wichtig, dass die Umsetzung dieser Vorschriften nicht zu einer unverhältnismässigen Belastung der Ärzt:innen führt. Die Behörden sollten daher die betroffenen Berufsgruppen in den Regulierungsprozess einbeziehen und sicherstellen, dass die Vorschriften praxisnah und verhältnismässig sind. Eine ausgewogene Regulierung, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt, ist im Interesse der Bürger:innen und der betroffenen Berufsgruppen.

Dr. med. David Ehm

Dr. med. David Ehm

Bern

David.Ehm@hin.ch