Chirurgische Behandlung der Adipositas

Die bariatrisch-metabolische Chirurgie ist heute als Standardtherapie bei ausgeprägter Adipositas (BMI >35 kg/m2) und den damit assoziierten Begleiterkrankungen anerkannt. Über die letzten Jahre wurden etwa 5000 solcher Operationen pro Jahr in der Schweiz durchgeführt. Hochrechnungen gehen davon aus, dass somit nur etwa 1% der Patient:innen, welche sich formell für einen bariatrischen Eingriff qualifizieren würden, auch tatsächlich operiert werden. Diese niedrige Penetranz mag damit zusammenhängen, dass der wissenschaftlich bewiesene, gesundheitliche Nutzen der bariatrisch-metabolischen Chirurgie sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch in medizinischen Fachkreisen zu wenig bekannt ist und stattdessen unerwünschte Nebenwirkungen, welche in manchen Fällen dramatische Auswirkungen haben können, in der Wahrnehmung zu stark im Vordergrund stehen. In unserem Artikel geben wir daher eine kondensierte Übersicht zum Nutzen und zu den Risiken bariatrisch-metabolischer Operationsverfahren.

Bariatric metabolic surgery is now recognized as the standard treatment for marked obesity (BMI >35 kg/m2) and associated comorbidities. Over the last years, about 5000 such operations have been performed per year in Switzerland. Projections suggest that only about 1% of patients who would formally qualify for bariatric surgery are actually operated on. This low penetrance may be related to the fact that the scientifically proven health benefits of bariatric-metabolic surgery are too little known, both in the general population and in medical circles, and instead undesirable side effects, which in some cases can have dramatic consequences, are too prominent in the perception. In our article, we therefore provide a condensed overview of the benefits and risks of bariatric-metabolic surgical procedures.
Key Words: bariatric surgery, metabolic surgery

Postoperative Komplikationen

Seit Einführung der laparoskopischen, minimal-invasiven Opera­tions­technik wird die bariatrisch-metabolische Chirurgie in qualifizierten Zentren mit einer sehr geringen Komplikationsrate durchgeführt. In grossen Kohortenstudien und nationalen Registern wird die Wahrscheinlichkeit von schwerwiegenden Komplikationen (z.B. revisionspflichtige Nachblutungen, Klammernahtleckagen oder Anastomoseninsuffizienzen) mit einer Wahrscheinlichkeit von 1–3% angegeben. Etwa 4% der operierten Patienten werden aufgrund eines postoperativen Problems (Wundinfekt, Thrombose, Lungenembolie, Darmpassageproblematik etc.) innerhalb von 30 Tagen erneut hospitalisiert, die 30-Tage-Mortalität beträgt 0.05–0.2% (Tab. 1) (1). Unter Berücksichtigung des anästhesiologischen und chirurgischen Risikoprofils dieses Patientenklientels sind diese Zahlen im Vergleich zu anderen viszeralchirurgischen Eingriffen wie z.B. der Cholezystektomie sehr niedrig. Im mittel- und langfristigen Verlauf ist jedoch in einer variablen Häufigkeit von 5–15% mit Folgeoperationen meist aufgrund unbefriedigenden Gewichtsverlusts oder unklarer abdomineller Schmerzen zu rechnen, welche in den häufigsten Fällen auf innere Hernien (2), symptomatische Gallensteine oder gastroösophagealem Reflux zurückzuführen sind (3). Die entsprechenden potentiellen Komplikationen müssen daher dem nachsorgenden Behandlungsteam zwingend bekannt sein.

Mikronährstoffmangel

Aufgrund der veränderten Anatomie ist nach fast allen bariatrisch-metabolischen Operationen eine dauerhafte, strukturierte Mikronährstoffsupplementation notwendig. Hierfür haben sich standardisierte Supplementationsschemata, wie in Tabelle 2 dargestellt, etabliert und bewährt. Regelmässige Laborkontrollen entsprechender Parameter und eine konsekutive Anpassung des Supplementationsschemas ist heute Standard in der bariatrischen Nachsorge. Dabei sollten die Laboruntersuchung in den ersten 1-2 Jahren nach der Operation in 3-6 Monatsintervallen durchgeführt werden, danach kann meistens die Kontrollfrequenz auf einmal pro Jahr reduziert werden (4). Eine besondere Situation stellt eine nach einer bariatrischen Operation eingetretene Schwangerschaft dar. Hier sollten die Laborkontrollen in etwa 2-3 Monatsintervallen erfolgen (5). Während den Nachsorgekonsultationen sollte immer eine ausführliche Anamnese hinsichtlich der Adhärenz der Supplementeinnahme erfolgen und gegebenenfalls zur Verbesserung motiviert werden.

Bei einer unzureichenden Supplementation und Überwachung drohen im langfristigen Verlauf nach bariatrischer Operation nutritive Komplikationen wie Eisenmangel mit Anämie, Vitamin B12 Mangel, Zinkmangel, oder bei unzureichender Kalziumzufuhr ein sekundärer, enteraler Hyperparathyreoidismus verbunden mit dem erhöhten Risiko einer Osteoporoseentwicklung. Eine gefürchtete, insbesondere in Situationen mit rezidivierendem Erbrechen oder sehr stark reduzierter Nahrungsaufnahme akut auftretende Komplikation ist der Thiamin/Vitamin B1 Mangel, welcher zu einer Wernicke Enzephalopathie führen kann (6). Diese Komplikation sollte allen bariatrisch-nachsorgenden Kolleginnen und Kollegen bekannt sein, da sie einer akuten Behandlung bedarf, um bleibende, schwerwiegende neurologische Schäden abzuwenden.

Makronährstoffmangel und Alkoholkonsum

Alle bariatrischen metabolischen Operationsverfahren machen eine postoperative Anpassung der Ernährung notwendig. Daher ist eine strukturierte Vorbereitung auf den operativen Eingriff durch eine qualifizierte Ernährungsberatung notwendig. Nach der Operation sollten in regelmässigen Abständen weitere Ernährungsberatungen folgen, um das neu etablierte Ernährungsverhalten gemeinsam mit den Patient:innen zu reflektieren und ggf. Anpassungen vornehmen zu können. Typische Aspekte, welche in den Beratungen thematisiert werden, sind beispielsweise die ausreichende Zufuhr von Eiweiss, das Vermeiden von gleichzeitigem Trinken und Essen oder das Vermeiden des Konsums von zu grossen Mengen an schnell verdaulichen (kurzkettigen) Kohlenhydraten. Die letzten beiden Punkte zielen unter anderem darauf ab, Probleme wie das Früh- und Spätdumping, welches insbesondere gehäuft nach Magenbypassverfahren auftreten kann, zu verhindern. Das Spätdumping ist häufig Hintergrund des Phänomens der postprandialen hyperinsulinämischen Hypoglykämie, welche sich zwar meist diätetisch gut behandeln lässt, jedoch manchmal einer komplexen, weitergehenden Abklärung bedarf und auch therapeutisch eine Herausforderung darstellen kann. Im Rahmen der Nachsorge sollte auch regelhaft nach dem Ausmass des Alkoholkonsums gefragt werden. Nach bariatrischen Operationen ist die Kinetik der Alkoholaufnahme meist deutlich verändert, so dass kurzfristig nach dem Konsum deutlich erhöhte Blutalkoholspiegel erreicht werden können (7). Neben den akuten Konsequenzen dieses Phänomens wurde in einigen Studien auch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines problematischen Alkoholkonsumverhaltens nach bariatrischen Operationen beobachtet (8).

Kriterien zur Beurteilung des postbariatrischen Erfolgs

Den Erfolg einer bariatrischen Operation zu objektivieren, ist nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Eine erfolgreiche Operation ausschliesslich über den Gewichtsverlust zu definieren, wird der Komplexität der chronischen Erkrankung Adipositas sicher nicht gerecht. Die bariatrischen Operationstechniken führen in der Regel zu einem gewissen Gewichtsverlust, welcher jedoch individuell eine hohe Variabilität zeigt. Zudem bedeutet ein guter Gewichtsverlust auch nicht immer, dass es der betroffenen Person dadurch automatisch besser geht. Die Operation soll zu einem Gewichtsverlust führen, jedoch nicht auf Kosten der Lebensqualität. Die Beeinträchtigung der Patient:innen mit Adipositas ist meist durch die assoziierten Begleiterkrankungen bedingt, sodass insbesondere durch die Besserung dieser Komorbiditäten zum einen eine subjektive Zustandsbesserung, zum anderen eine objektivierbare Reduktion der Morbidität und Mortalität erreicht werden kann (9). Der Erfolg der bariatrisch-metabolischen Chirurgie ist somit mittels verschiedener Faktoren zu beurteilen:
1. Ausmass der Gewichtsreduktion
2. Verbesserung der Adipositas-assoziierten Komorbidi­täten und Mortalität
3. Steigerung der Lebensqualität

Ausmass der Gewichtsreduktion

Wie man den Gewichtsverlust am aussagekräftigsten definiert
respektive quantifiziert, wird weiterhin kontrovers diskutiert. Verbreitet sind folgende Parameter/Indizes:
1. Der totale Gewichtsverlust («total weight loss», TWL), der das reduzierte Absolutgewicht beziffert.
2. Der prozentuale Gewichtsverlust («percent total weight loss», %TWL), der den Gewichtsverlust im Verhältnis zum präoperativen Gewicht beschreibt.
3. Der prozentuale Verlust an Übergewicht («percent excess weight loss», %EWL)
4. Die absolute BMI-Veränderung

Bei all diesen Indizes gibt es Vor- und Nachteile, jedoch keinen Konsens, welche zur Definition eines «guten» bzw. eines «schlechten» Resultats am besten geeignet ist. Über Jahrzehnte wurde ein EWL >50 % als Erfolg nach bariatrischer Operation betrachtet. Aktuelle Untersuchungen zeigen allerdings, dass %TWL ein unabhängigerer und stabilerer Marker für Gewichtsverlust ist, sodass aktuell ein Gewichtsverlust von >20% TWL als Richtwert verwendet wird (10). Ein Vorteil dieses Index ist auch, dass er recht gut einen Vergleich mit Ergebnissen nach anderen, nicht-chirurgischen Interventionen wie beispielsweise einer Pharmakotherapie erlaubt, bei denen in der Regel der %TWL standardmässig verwendet wird.

Studien zeigen, dass über 70% der Patienten 10 Jahre nach Roux-en-Y-Magenbypass Anlage immer noch einen %TWL von über 20% aufweisen (9). Es sollte jedoch erwähnt werden, dass es bei einigen operierten Personen nach initial maximalem Gewichtsverlust zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Wiederanstieg des Gewichts kommen kann. Ein signifikanter Wiederanstieg kann zum Wiederauftreten der Komorbiditäten und zu einem erheblichen Verlust an Lebensqualität führen. Die Diagnostik und Therapie dieses «weight regain» sollte interdisziplinär erfolgen. Die Indikationsstellung für einen erneuten chirurgischen Eingriff ist anspruchsvoll, zumal die wissenschaftliche Datenlage zu dieser Problemsituation nur unzureichend ist. Zudem handelt es sich bei entsprechenden chirurgischen Revisionen um komplexe Eingriffe mit erhöhtem Komplikationsrisiko (1), die daher nur in einem Referenzzentrum durchgeführt werden sollten.

Verbesserung der Adipositas-assoziierten Komorbiditäten und Mortalität

Die eindeutig gezeigte Besserung der metabolischen Begleiterkrankungen der Adipositas nach einer bariatrischen Operation hat zur Begriffsbildung der «metabolischen Chirurgie» geführt. Insbesondere in der Therapie des Adipositas-assoziierten Typ 2 Diabetes mellitus (T2DM) zeigen sich beeindruckende Therapieerfolge (11, 12). Historisch gesehen haben die Erfolge der bariatrisch-metabolischen Chirurgie überhaupt erstmals dazu geführt, dass man eine Remission auch bei fortgeschrittener T2DM Erkrankung für prinzipiell möglich hält (13). Heute wird die bariatrisch-metabolische Chirurgie bei Patient:innen mit Adipositas Grad 2 (BMI > 35 kg/m2) und T2DM als Standardtherapie betrachtet (14) und muss daher betroffenen Patienten im Rahmen einer adäquaten Therapieaufklärung als therapeutische Option angeboten werden (15). Auch bei Personen mit einem BMI zwischen 30 und 35 kg/m2 und dauerhaft schlechter Stoffwechselkontrolle (Hb1c >8%) kommt heute eine metabolische Chirurgie in Betracht und wird in der Schweiz auch seitens der Krankenkassen finanziert (16).

Spezifische Organfunktionsstörungen verbessern sich ebenfalls nach bariatrisch-metabolischen Operationen oft deutlich. So wurde beispielsweise gezeigt, dass sich eine präoperativ bestehende Nephropathie innerhalb der ersten 2 Jahre nach einer entsprechenden Operation oft signifikant verbessert, was sich insbesondere an einer deutlichen Reduktion einer vorbestehenden Proteinurie zeigt (17). Eindrücklich ist auch die Verbesserung der Adipositas-assoziierten «nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD)» und der «nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH)», welche neuerdings als «metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease» (MASLD) respektive «Metabolic dysfunction-associated steatohepatitis» (MASH) bezeichnet werden. Von vielen Experten wird daher davon ausgegangen, dass sich die bariatrisch-metabolische Chirurgie zunehmend als Standardtherapie für die Lebererkrankung etablieren wird (18).

Ebenfalls gut dokumentiert ist eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse sowie eine Verbesserung der kardiopulmonalen Funktion, sodass die bariatrisch-metabolische Chirurgie auch zunehmend im Bereich der kardiovaskulären und pulmonalen Medizin Beachtung findet (19–21). Eindrucksvoll ist auch die erhebliche Reduktion des Auftretens von Adipositas-assoziierten Krebserkrankungen sowie der Krebs-assoziierten Mortalität nach bariatrisch-metabolischen Operationen, wobei in einer aktuellen Studie eine Reduktion um 32% sowie 48%, respektive, beobachtet wurde (22). Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass nach einem chirurgisch-induzierten Gewichtsverlust auch eine Verbesserung von kognitiven Funktionen wie Gedächtnis, exekutiver Funktionen und kognitive Kontrolle beobachtet wurde (23).

Am eindrücklichsten sind die positiven Effekte der bariatrisch-metabolischen Chirurgie wohl, wenn man die vorliegenden Daten zur Reduktion der Gesamtmortalität betrachtet. So fand eine Studie (24), dass die Lebenserwartung von Menschen mit Adipositas, welche sich einer bariatrischen Operation unterzogen hatten, gegenüber Menschen mit Adipositas, welche sich keiner entsprechenden Operation unterzogen hatten, um 3 Jahre länger war. Im Vergleich zu einer normalgewichtigen Kontrollgruppe blieb die Lebenserwartung jedoch immer noch um 5.5 Jahre verkürzt, wobei zu erwähnen ist, dass in dieser Studie insbesondere Personen mit einer Magenband-Implantation eingeschlossen wurden. Dieses bariatrische Verfahren wird heute aufgrund seiner oft unzureichenden Effektivität sowie hohen Komplikationsrate im Langzeitverlauf nur noch selten angewandt. Eine Meta-Analyse zu diesem Thema, in welche deutlich mehr Patienten mit effektiveren Operationsverfahren wie dem Roux-en-Y-Magenbypass sowie der Schlauchmagenresektion eingeschlossen wurden, zeigte eine durchschnittliche Verlängerung der Lebenserwartung von 6.1 Jahren gegenüber Menschen mit Adipositas, welche sich keiner bariatrischen Operationen unterzogen hatten (25). Als entscheidender Faktor zeigte sich in den durchgeführten Analysen das Vorhandensein eines T2DM. So war die Lebenserwartung in der operierten Gruppe bei vorbestehendem T2DM sogar um 9.3 Jahre verlängert, während sie bei den Personen ohne T2DM um 5.1 Jahre verlängert war.

Steigerung der Lebensqualität

Die deutliche Verbesserung der Lebensqualität durch eine signifikante Gewichtsreduktion bei Menschen mit Adipositas wurde in mehreren grossen, multizentrischen Studien gezeigt (26, 27). Hierbei handelt es sich jedoch vornehmlich um Kurzzeitdaten mit stark variabler Definition von Lebensqualität. Die körperlichen Funktionen wie beispielsweise die Beweglichkeit verbessern sich meist bereits innerhalb kurzer Zeit, was die Lebensqualität der betroffenen Personen erheblich steigen lässt. Weniger gut ist die Datenlage für den Bereich der mentalen und psychosozialen Gesundheit, jedoch deuten die verfügbaren Daten auf eine langanhaltende Verbesserung von vorbestehenden Depressionen und Angststörungen nach bariatrisch-metabolischer Operation hin (28). Eine multizentrische Studie zeigte zudem, dass sich über 5 Jahre nach bariatrisch-metabolischer Chirurgie die Sexualfunktion von Männern und Frauen signifikant verbessert hat (29). Bezüglich Liebesbeziehungen konnte man interessanterweise beobachten, dass nach chirurgisch-induziertem Gewichtsverlust sowohl die Anzahl von neu geschlossenen Partnerschaften als auch von Trennungen ansteigt (30). Dies deutet darauf hin, dass soziale Interaktionen sich nach und wahrscheinlich auch durch die erzielte Gewichtsreduktion erheblich verändern; eine Dynamik, welche man auch in der klinischen Praxis oft beobachten kann.

Neben den vielen positiven Effekten der bariatrisch-metabolischen Chirurgie soll hier auch auf einige weniger erfreuliche Beobachtungen aufmerksam gemacht werden. So wurde neben der bereits erwähnten erhöhten Inzidenz von Alkoholproblemen auch ein erhöhtes Risiko für den Missbrauch anderer Substanzen, Unfällen, nicht tödlichen Selbstverletzungen bis hin zum Suizid beobachtet (31). Auch wenn dies im Einzelfall tragisch ist, wiegen diese numerisch immer noch seltenen Ereignisse und Probleme die deutlich häufigeren positiven Effekte der bariatrischen Chirurgie jedoch nicht auf. Sie unterstreichen jedoch, dass eine gute präoperative Selektion und Vorbereitung von Patient:innen sowie eine strukturierte Nachsorge unabdingbar sind für eine qualitative hochwertige bariatrische Versorgung.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Guillaume Aeby 1
Prof. Dr. med. Bernd Schultes 2
Dr. rer. hum. biol. Barbara Ernst 2
Prof. Dr. med. Marco Bueter 1
1 Universitätsspital Zürich, Klinik für Viszeralchirurgie, & Spital Männedorf AG, Klinik Chirurgie
2 Stoffwechselzentrum St. Gallen, friendlyDocs AG, Lerchentalstrasse 21, 9016 St. Gallen; stoffwechselzentrum@friendlydocs.ch

Dr. med. Guillaume Aeby

Universitätsspital Zürich, Klinik für Viszeralchirurgie,
& Spital Männedorf AG, Klinik Chirurgie

Prof. Dr. med. Dr. phil. Marco Bueter

Universitätsspital Zürich, Klinik für Viszeralchirurgie,
& Spital Männedorf AG, Klinik Chirurgie

m.bueter@spitalmaennedorf.ch

Dr. med. Guillaume Aeby: keinen Interessenkonflikt. Prof. Dr. med. Bernd Schultes ist Vize-Präsident der SMOB. Dr. rer. hum. biol. Barbara Ernst: keinen Interessenkonflikt. Prof. Dr. med. Marco Bueter ist Präsident der SMOB. Er gibt an Vortragstätigkeiten für die Firmen Johnson & Johnson und Medtronic durchzuführen.

◆ Schwerwiegende Komplikationen, welche eine chirurgische Re-Intervention benötigen, treten im Rahmen von bariatrisch-metabolischen Operationen in 1-3% der Fälle auf; die 30-Tage Mortalität beträgt 0.05-0.2 %.
◆ Eine strukturierte Nachsorge, dauerhafte Mikronährstoffsupplementation, wiederholte Laboruntersuchungen sowie eine begleitende Ernährungsberatung können Komplikationen wie Mikronährstoffmängel und Ernährungsprobleme gezielt verhindern.
◆ Der Erfolg einer bariatrischen Operation wird nicht ausschliesslich über den Gewichtsverlust definiert, sondern vor allem auch über die Besserung Adipositas-assoziierter Begleiterkrankungen sowie der Lebensqualität.
◆ Die bariatrisch-metabolische Chirurgie reduziert nicht nur die Morbidität und Mortalität von Menschen mit ausgeprägter Adipositas signifikant, sondern verlängert auch deren Lebenserwartung und sollte daher immer bei betroffenen Patient:innen in Erwägung gezogen und mit ihnen diskutiert werden.

 

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Mise à jour sur l’ostéoporose – dépistage, diagnostic et traitement

En Suisse, l’ostéoporose touche une femme sur deux et un homme sur cinq. Les fractures se situent au niveau de la colonne vertébrale, de la hanche, de l’avant-bras, de l’humérus et du bassin, selon le PD Dr Christof Iking-Konert, de l’hôpital de ville Triemli à Zürich. Les fractures vertébrales ne sont pas rares. Elles sont cliniquement inapparentes.

Le conférencier a présenté une histoire typique d’ostéoporose : Patiente de 66 ans, IMC 23,3, fumeuse, FRAX® 23% pour MOF (Major Osteoporotic Fracture), calculé sans DXA (Dual-Energy X-ray absorptiometry).

Une grande partie des femmes à haut risque de fracture ne reçoivent pas de traitement en Suisse, selon l’orateur.

Diagnostic de l’ostéoporose

Un diagnostic précoce serait important, mais une indication remboursée pour une ostéodensitométrie comprend les points suivants:
– Ostéoporose cliniquement manifeste, y compris les fractures liées à l’ostéoporose
– Traitement à long terme à la cortisone (>5mg/d)
– Hypogonadisme (y compris ménopause précoce)
– Hyperparathyroïdie primaire
– Maladies gastro-intestinales avec malabsorption (incl. maladie de Crohn, maladie cœliaque)
– Ostéogenèse imparfaite
– Maladie du VIH
– Traitement par inhibiteur de l’aromatase (après la ménopause) ou par l’association GnRH
– Paramètres de laboratoire de base : Diagnostic différentiel, indication d’un analogue + inhibiteur de l’aromatase (avant la ménopause) ou d’un traitement anti-androgénique
– Mesure de l’évolution en cas d’ostéoporose connue tous les 2 ans, y compris mesure de l’évolution sous traitement.

Calculateur de risque FRAX® pour déterminer le risque de fracture

Le calculateur de risque FRAX permet d’estimer le risque à 10 ans de fracture de la hanche ou d’ostéoporose en tenant compte des facteurs de risque cliniques. En présence d’une ostéodensitométrie au col du fémur, le risque de fracture peut être évalué de manière encore plus précise.

Paramètres de laboratoire de base Diagnostic différentiel/indice

de la clairance de la créatine (DFG)
Abaissée en cas d’ostéopathie rénale, insuffisance rénale de degré supérieur comme contre-indica tion à divers médicaments

Protéine C-réactive
élevée en cas de maladie inflammatoire et d’indice de malignité, élevée en cas de maladie rhumatismale, de maladie auto-immune, en cas de valeur anormale en raison d’une possible indication de paraprotéinémie : électrophorèse.

Numération sanguine
TSH
GL/HbA1c
Calcium sérique
(élevé)
(abaissée)
Hyperparathyroïdie primaire syndrome paranéoplasique ou autres causes d’hypercalcémie par ex. hyperparathyroïdie secondaire, malabsorption des médicaments. Hypocalcémie comme contre-indication à plusieurs ostéoporoses.

Phosphate sérique
(augmenté)
Insuffisance rénale, stade 4 hyperparathyroïdie secondaire rénale
(abaissé)
Malabsorption, hypophosphatémie, par exemple dans le cadre d’un hypophosphatémie liée à l’X

Sérum sodique (abaissé)
Facteur de risque de fracture de la hanche, risque accru de chute, p.ex. ostéomalacie

Phosphatase alcaline (abaissé)
Indication possible d’hypophosphatasie, sous traitement antirésorptif de longue durée
(élevée)
DD augmentation de la PA d’origine hépatique

Gamma-GT (élevée)
Maladie cœliaque ou abus d’alcool (risque de chute)
(abaissé)
Lésion du foie

Paramètres différents Diagnostic différentiel recommandé
Calcium sérique (abaissé)
AP Iso-enzymes
Calculer le calcium corrigé par l’albumine, p. ex. en cas de MGUS

Calcium sérique (augmenté)
Parathormone, excrétion 24h calcium et phosphate

Vitamine D (sarcoidose) Vitamine D Hypervitaminose ?
(élevée)
Isoenzymes AP, scintigraphie du squelette si nécessaire
(abaissé)
Isoenzymes AP, pyridoxal-5-phosphate (vit B6), éventuellement génétique humaine

TSH
fT3, fT4, substitution de la thyroxine ou de la triiodothyronine ?

Gammapathie monoclonale
Immunofixation, chaînes légères

Créatinine, DFG (abaissé)
PTHm 1,25(OH)2Vitamine D
selon la clinique,
AC cœliaque, etc.

inspiré de Directives DVO sur l’ostéoporose – DVO e.V.

Retour à la vignette de la patiente – comme on pourrait s’y attendre

La patiente IMC 23,3, fumeuse, âgée de 68 ans, se présente pour des douleurs dorsales. Mise en évidence d’une fracture récente de la colonne lombaire 4. FRAX pour MOF 30% (T-score (col du fémur) : -2,8 SD. Les fractures de fragilité sont le principal facteur de risque d’une nouvelle fracture, d’où l’importance de la prévention des fractures après une fracture déjà subie. Le conférencier fait référence à un article dans le Swiss Medical Weekly de 2020 (Lippuner K et al. 2020 recommendations for osteoporosis treatment according to fracture risk from the Swiss Association against Osteoporosis (SVG). Swiss Med. Weekly 2020, 150:w20352).

Traitement de l’ostéoporose

Prévention des chutes par le mouvement. Physiothérapie : cours ambulatoire de sécurité de la marche. Une personne sur trois de plus de 65 ans est victime d’une chute. Il existe un équilibre entre les ostéoclastes (dégradation osseuse) et les ostéoblastes (formation osseuse). À partir de la ménopause, la résorption osseuse prédomine.

Le premier mécanisme thérapeutique est le mécanisme antirésorptif:
les bisphosphonates, le denosumab et le SERM (modulateur sélectif des récepteurs aux premiers œstrogènes) inhibent les ostéoclastes.

Traitement médicamenteux de l’ostéoporose chez les adultes âgés

L’objectif du traitement de l’ostéoporose est de prévenir les fractures. Plusieurs agents pharmacologiques sont disponibles pour réduire le risque de fracture, soit en diminuant la résorption osseuse, soit en stimulant la formation osseuse. Les bisphosphonates sont les antirésorptifs les plus répandus ; ils abaissent les marqueurs du turnover osseux à de faibles concentrations préménopausiques et réduisent les taux de fracture (corps vertébral de 50 à 70 %, corps non vertébral de 20 à 30 % et hanche de ~40 %). Les bisphosphonates atteignent un plateau après 3-5 ans.

Le dénosumab est un anticorps monoclonal anti-RANKL qui inhibe efficacement le développement et l’activité des ostéoclastes. Le dénosumab est administré tous les 6 mois par injection sous-cutanée. L’efficacité du dénosumab peut être démontrée jusqu’à 10 ans. Pour stimuler la formation osseuse, deux classes d’anabolisants sont aujourd’hui disponibles.

Le tériparatide et l’abaloparatide ciblent tous deux le récepteur de la parathormone 1. Le romosozumab est un anticorps monoclonal anti-sclérostine qui stimule la formation osseuse et inhibe la résorption. Le romosozumab est administré sous forme d’injection sous-cutanée mensuelle pendant un an. Des études comparatives directes indiquent que les anabolisants ont une plus grande efficacité contre les fractures et entraînent une plus grande augmentation de la densité osseuse que les médicaments antirésorptifs. L’effet des anabolisants est temporaire, ce qui nécessite une transition vers des médicaments antirésorptifs.

Traitement à long terme de l’ostéoporose postménopausique

L’étude BMD DATA Switch Study sur la hanche a montré que chez les femmes ménopausées ostéoporotiques passées du tériparatide au dénosumab, la densité minérale osseuse continuait d’augmenter, tandis que le passage du dénosumab au tériparatide entraînait une perte osseuse progressive ou transitoire. Ces résultats devraient être pris en compte dans le choix du traitement initial et ultérieur des patientes postménopausées atteintes d’ostéoporose.

Le traitement ostéoanabolique par romosozumab s’est avéré meilleur que le traitement antirésorptif par alendronate (Saa g KG et al N Engl J Med 2017;377:1417-1427).

Options après dénosumab pour l’ostéoporose postménopausique – Recommandations ECTS

Patient / Durée du traitement
Jeunes patients sous faible risque de fracture

Dénosumab à court terme (<2,5 ans) ou faible risque de fracture

faible risque de fracture

Dénosumab longue durée (>2.5 ans) et/ou risque de fracture élevé

Traitement/ Recommandation d’arrêt

dénosumab non recommandé

Bisphosphonates ou zolendronate oraux pour 1-2 ans

denosumab jusqu’à 10 ans

Switch sur zolendronate (début 6 mois après la dernière injection de denosumab) + mesure des DMO à 3 et 6 mois

Pr Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Update zur Urologie 2023

In der Urologie wurden auch 2023 verschiedene bedeutende Fortschritte erzielt. Im folgenden Beitrag erfolgt eine Zusammenstellung von aktuellen Meldungen aus den Sparten Infektiologie, Prostataforschung, Urolithiasis und Andrologie (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), welche für die Allgemeinmedizin von Relevanz sein dürften.

Various significant advances were also made in urology in 2023. The following article contains a compilation of current reports from the fields of infectiology, prostate research, urolithiasis and andrology (not exhaustive), which are likely to be of relevance to general practice.
Key Words: urology, prostate research, urolithiasis, andrology, infectiology

ChatGPT: kein FMH für Urologie

Erleichterung oder Erheiterung? ist die Frage bei der Benutzung von ChatGPT. Von standardisierten urologischen Fragestellungen hat der Chatbot 2023 ca. 60% korrekt beantwortet (1).

Infektiologie

Bakteriophagen zur Diagnostik und Therapie von Harnwegserkrankungen

Eine Forschungsgruppe der ETH Zürich hat einen Schnelltest entwickelt, der mit Bakteriophagen (hochspezialisierten Viren, die ausschliesslich Bakterien erkennen) die drei häufigsten Erreger von Blasenentzündungen (E. coli, Klebsiella, Enterococcus) nachweist. Im Labor wurden diese Viren so modifiziert, dass die von ihnen erkannten Bakterien ein leicht messbares Lichtsignal aussenden und Bacteriocine (proteinogene Toxine) freisetzen, welche dann bacterizid wirken. Ob und wann dieses vielversprechende Verfahren den Weg vom Labor in den klinischen Alltag findet, hängt von weiteren Studien und Zulassungen ab (2).

StroVac®-Impfung: Placebo zu gut für statistische Signifikanz

Der Impfstoff StroVac® mit den inaktivierten Uropathogenen E. coli, K. pneumoniae, Morganella morgagnii und Enterococcus faecalis muss als Immunotherapie bei rezidivierenden Harnwegsinfekten dreimal im Abstand von jeweils zwei Wochen verabreicht werden. In einer Doppelblindstudie konnten zwar die Anzahl der relevanten Harnwegsinfekte dank dem Impfstoff deutlich gesenkt werden, das gleiche galt aber auch für die Placebogruppe. Zwischenzeitlich zeigte sich, dass das in der Studie verwendete Placebo prophylaktisch gegenüber Harnwegsinfekten wirkt. Signifikant war der Unterschied in der Subpopulation mit 7 oder mehr Harnwegsinfekten pro Jahr. Klinisch zeigt dies, dass nicht-invasive prophylaktische Massnahmen (Hydrierung, Harnansäuerung, lokale Östrogenisierung, Probiotika, perikoitale Blasenentleerung) eine wichtige Rolle in der Prävention von rezidivierenden Harnwegsinfekten spielen, und die Antibiotikatherapie auch bei dieser Entität im Einzelfall beurteilt werden muss (3).

Prostata

BAG bewilligt HIFU bei Prostatakarzinom

Global entwickelt sich der therapeutische Ansatz beim Prostatakarzinom weg von der kompletten Organentfernung hin zur individuell angepassten Therapie. Nachdem belegt ist, dass das Prostatakarzinom der WHO Gradgruppe 1 (Gleason Score 3+3=6) besser aktiv überwacht als operiert wird, ist seit Juli 2023 in der Schweiz auch die hochintensivierte fokale Ultraschalltherapie «HIFU» beim niedrig-aggressiven Prostatakarzinom vom BAG anerkannt. Bis zum 31. Dezember 2028 läuft eine Evaluationsphase. Patienten mit einem Prostatakarzinom der WHO Gradgruppen 2&3 (Gleason Socre 3+4=7 resp. 4+3=7) in weniger als der Hälfte der Prostata und einem PSA von maximal 10 ng/ml können kassenpflichtig mit dieser Methode therapiert werden.

Lutetium-177 beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom mCRPC

SwissMedic hat im März 2023 Pluvicto® mit dem Wirkstoff (177Lu)Lutetiumvipivotidtetraxetan für die Behandlung des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms zugelassen. Angewandt wird es bei Patienten, die bereits eine Taxan-Chemotherapie und eine Inhibition des Androgenrezeptor-Signalwegs (ARPI) gehabt hatten, und bei denen das Prostata-spezifische Membranantigen PSMA nachgewiesen werden kann. In dieser Situation konnte die Lutetium-177 Therapie das Sterberisiko und den Krankheitsprogress in der Bildgebung deutlich senken, nicht aber das Gesamtüberleben. Zu den Nebenwirkungen dieser Therapie gehören Xerostomie, Ermüdung, Nausea, Inappetenz, Obstipation und Anämie (4).

Therapiedschungel bei Prostatahyperplasie

Seit 2010 haben sich die Therapieoptionen bei Prostatahyperplasie ver-n-facht. Neben der bald 100-jährigen klassischen TUR-P, und der ebenfalls klassischen retropubischen Adenomenukleation der Prostata haben sich transurethrale Therapien mit LASER (HoLEP, Greenlight), Wasserdampf (Rezûm), Wasserhochdruck (Aquablation), vorübergehender (iTIND) oder permanenter Fremdkörperinsertion in die Prostata (Urolift, Memokath), neben percutaner transluminaler Embolisation prostatischer Arterien (PAE) etabliert. Sämtliche Verfahren haben Stärken und Schwächen; die meisten FMH für Urologie bieten mind. eines dieser Verfahren neben dem Goldstandard TUR-P an.

Sägepalmenextrakt hat keinen Effekt bei Prostatabeschwerden

Eine Cochrane-Review einer Deutschen Arbeitsgruppe hat 27 Studien mit mehr als 4600 Teilnehmern zur Wirksamkeit des Sägepalmenextrakt Serenoa repens resp. Sabal serrulatum als alleiniges Prostatamittel ausgewertet. Im Vergleich mit Placebo hat das Sägepalmenextrakt keine Besserung der Beschwerden gebracht, weder kurz- noch langfristig. Auch die Lebensqualität wurde durch das Mittel nicht verbessert. Unklar ist, ob eine unwirksame Therapie schädigen kann durch Aufschub wirksamer Behandlungen (5).

Urolithiasis

Zugesetzter Zucker als Risikofaktor für Nierensteine

Zu den bekannten Risikofaktoren für Nierensteine gehören u.a. männliches Geschlecht, Übergewicht, Dehydrierung und diverse Erkrankungen. In einer Studie aus den USA gibt es Hinweise, dass auch zugesetzter Zucker auf diese Liste gehört. In einer nicht-kontrollierten retrospektiven Beobachtungsstudie wurden Daten von >28’000 Erwachsenen, deren Zuckerkonsum anhand von Befragungen hochgerechnet wurde, mit der Prävalenz von Nierensteinen in dieser Kohorte korreliert. Dabei zeigte sich, dass der Zuckerkonsum der Top 25 % der Population mit einem um 40 % höheren Risiko für Nierensteine korrelierte. Wer mehr als 25 % seiner Gesamtenergie aus zugesetztem Zucker bezog, hatte ein um 88% höheres Risiko im Vergleich mit den Menschen, die weniger als 5% ihrer Gesamtenergie aus zugesetztem Zucker beziehen (6).

Handgerät zur Nierensteintherapie?

In Zusammenarbeit mit der NASA hat die University of Washington in Seattle ein tragbares Therapiegerät für Nierensteine entwickelt. Das Gerät von der Grösse einer Schuhschachtel zerstört Nierensteine mit Ultraschallwellen. Die Therapie wird noch nicht serienmässig angewandt, hat aber in Versuchen in den USA erfreuliche Ergebnisse zeigen können – und unterstützt die NASA im Bestreben, Menschen eines Tages auf den Mars zu bringen.

Andrologie

Vasektomie und Prostatakarzinom?

In den letzten Jahren war oft der Verdacht geäussert worden, dass die Vasektomie mit dem Prostatakarzinom vergesellschaftet ist. Verschiedene und grosse Studien und Meta-Analysen haben diese Kausalität untersucht. Je robuster das Studiendesign und die Studienqualität, desto näher bei null lag diese Hypothese (7).

Testosteronersatztherapie bei hypogonadalen Männern

Hypogonadale Männer mit bekanntem oder hohem Risiko für eine koronare Herzkrankheit haben unter Placebo gleich viele unerwünschte und schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse gezeigt, wie unter Testosteronersatztherapie (8). Die Testosteronersatztherapie von hypogonadalen Männern mit koronarer Herzkrankheit, Kinderwunsch und Prostatakarzinom gehören zumindest initial in die Hände von Spezialisten, da verschiedene Faktoren die Therapieindikation und die Wahl des richtigen Präparats beeinflussen.

Verminderte Spermienqualität nach COVID-19-Infektion?

Am Kongress der Europäsichen Gesellschaft für Reproduktion und Embryologie ESHRE 2023 in Madrid wurde diskutiert, ob eine Infektion mit COVID-19 die Spermienqualität vermindert. 31 Männer, die vor und nach einer leichten COVID-19 Infektion in spanischen Reproduktionskliniken ein Spermiogramm abgegeben hatten, hatten auch durchschnittlich 238 Tage nach COVID-19 Infektion eine schlechtere Spermienqualität im Vergleich mit dem Spermiogramm vor Infektion (Dauer der Spermiogenese ca. 78 Tage). Sowohl das Volumen, die Spermienzahl, die Motilität und Vitalität waren nach Infektion vermindert, bei vergleichbarer Spermienform. Als Pathogenese wird die Schädigung des Hodenparenchyms durch Leukozyten diskutiert. Unklar ist, ob eine Korrelation zum Testosteronhaushalt besteht, der durch SARS-CoV-2 ebenfalls reduziert werden kann, und wie die Erholung auf lange Zeit aussieht. Ebenfalls ist nicht gesichert, ob diese Beobachtung tatsächlich durch COVID-19 erklärt werden darf (9).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Gallus Beatus Ineichen

Universitätsklinik für Urologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 37
3010 Bern

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Im Zentrum der ärztlichen Behandlung bleibt über 2023 hinaus in der Alltagspraxis das Gespräch mit dem Patienten und die körperliche Untersuchung im Vordergrund. Die Entwicklung von neuen diagnostischen Techniken, von effizienteren Medikamenten und besseren Operationsverfahren helfen jeweils dabei, für den einzelnen Patienten die richtige medizinische Massnahme zu treffen.

1. Whiles BB, Bird VG, Canales BK, DiBianco JM, Terry RS. Caution! AI Bot Has Entered the Patient Chat: ChatGPT Has Limitations in Providing Accurate Urologic Healthcare Advice. Urology. 2023 Oct;180:278-284.
2. Du, J., et al. (2023). „Enhancing bacteriophage therapeutics through in situ production and release of heterologous antimicrobial effectors.“ Nat Commun 14(1): 4337.
3. Nestler S, Grüne B, Schilchegger L, Suna A, Perez A, Neisius A. Efficacy of vaccination with StroVac for recurrent urinary tract infections in women: a comparative single-centre study. Int Urol Nephrol. 2021 Nov;53(11):2267-2272.
4. Sartor O et al. Lutetium-177–PSMA-617 for Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer. N Engl J Med 2021; 385: 1091–103
5. Franco JVA et al.Serenoa repens for the treatment of lower urinary tract symptoms due to benight prostatic enlargement. Cochrane Database Syst Rev 2023; 6(6): CD001423
6. Yin S et al. Association between added sugars and kidney stones in U.S. adults: data from National Health and Nutrition Examination Survey 2007–2018. Front Nutr 2023; 10: 1226082
7. M. Baboudjian, P. Rajwa, E. Barret, J.-B. Beauval, L. Brureau, G. Créhange, et al. European Urology Open Science 2022 Vol. 41 Pages 35-44.
8. Lincoff AM, Bhasin S, Flevaris P, Mitchell LM, Basaria S, Boden WE, Cunningham GR, Granger CB, Khera M, Thompson IM Jr, Wang Q, Wolski K, Davey D, Kalahasti V, Khan N, Miller MG, Snabes MC, Chan A, Dubcenco E, Li X, Yi T, Huang B, Pencina KM, Travison TG, Nissen SE; TRAVERSE Study Investigators. Cardiovascular Safety of Testosterone-Replacement Therapy. N Engl J Med. 2023 Jul 13;389(2):107-117.
9. Presentation no: O-020, “What is the recovery time for sperm parameters in men who have suffered a mild Covid-19 infection?” presented by Professor Rocio Núñez-Calonge, Session 04: Factors influencing sperm (dys)function, Hall D1, 11.15 hrs CEST, Monday 26 June 2023.

Résultats de l’ étude d’ observation multicentrique et prospective PIONEER REAL Suisse

Le sémaglutide administré par voie orale, premier agoniste oral du récepteur du glucagon-like peptide-1 (GLP-1 RA), a montré une grande efficacité dans la réduction du taux d’ HbA1c et du poids corporel dans le cadre du programme de phase 3a PIONEER. Le programme PIONEER REAL est menée dans 13 pays, l’ étude PIONEER REAL Suisse est une étude non interventionnelle visant à examiner les résultats cliniques liés à la prise de sémaglutide par voie orale chez les adultes atteints de diabète de type 2 (DT2).

PIONEER REAL Suisse est une étude de phase 4 multicentrique, prospective, ouverte, non interventionnelle, à un seul bras, d’ une durée de 34 à 44 semaines, menée chez des adultes atteints de DT2 qui ne répondent pas aux médicaments hypoglycémiants injectables et qui commencent à prendre du sémaglutide oral une fois par jour dans le cadre de l’ utilisation en situation clinique réelle. Les variations du taux d’ HbA1c (critère d’ évaluation principal) et du poids corporel (critère d’ évaluation secondaire) ont été protocolés depuis la valeur initiale jusqu’ à la fin de l’ étude. Le pourcentage de participants ayant atteint un taux d’ HbA1c <7% et les critères d’ évaluation composites de réduction de l’ HbA1c ≥1% avec réduction du poids ≥3% ou ≥5% à la fin de l’ étude ont été évalués en même temps que les critères d’ évaluation exploratoires supplémentaires. Les analyses primaires étaient basées sur la période d’ observation de l’ étude.

Résultats

Sur les 185 participants qui ont commencé à prendre du sémaglutide par voie orale, 168 (90.8 %) ont terminé l’ étude. 143 (77,3 %) d’ entre eux ont poursuivi le traitement par sémaglutide dans une seconde étude et sont restés sous traitement de sémaglutide oral jusqu’ à la fin de l’ étude. Au moment de l’ évaluation initiale, les participants avaient un âge moyen (écart-type, ET) de 62 (10.4) ans, un taux d’ HbA1c de 7.7 (1.5) %, un poids corporel de 95.6 (17.6) kg, un IMC de 33.2 (4,8) kg/m2 et 56.2 % recevaient simultanément d’ autres médicaments pour réduire leur glycémie. Le taux d’ HbA1c a diminué de manière significative entre la valeur initiale et la fin de l’ étude (variation moyenne estimée [intervalle de confiance (IC) à 95 %] –0.9 % [-1.1; -0.7], p<0.0001), tout comme le poids corporel absolu et relatif (variation moyenne estimée [IC à 95 %] -4.7 kg [-5.6 ; -3.8] et –4.9 % [-5.7 ; -4.0], respectivement ; tous deux p<0.0001). À la fin de l’ étude, 64.2 % des participants avaient une HbA1c < 7 %, tandis qu’ une réduction de l’ HbA1c ≥1 % plus une diminution du poids corporel ≥3 % et ≥5 % ont été obtenues par 37.8 % et 28.3 % des participants, respectivement. À la fin de l’ étude, un succès clinique a été constaté et rapporté par le médecin traitant chez 121 (73.8 %) participants. Un total de 139 événements indésirables a été signalé chez 65 participants (35.1 %). La plupart des effets indésirables étaient légers ou modérés. Les effets indésirables les plus fréquemment signalés étaient des troubles gastro-intestinaux (89 événements chez 50 participants). 31 effets indésirables chez 20 (10.8 %) participants ont entraîné l’ arrêt du sémaglutide oral. Au total, 6 effets indésirables graves ont été signalés, mais qui n’ étaient probablement pas liés à la prise de sémaglutide par voie orale.

Conclusion

Dans l’ étude PIONEER REAL Suisse, les adultes atteints de DT2 traités par le sémaglutide oral dans un contexte d’ utilisation en situation clinique réelle en Suisse ont obtenu une amélioration cliniquement significative du contrôle glycémique et une réduction de la glycémie, ainsi qu’ une diminution du poids corporel, sans signe de nouveaux effets indésirables.

Source:
Kick A et al. Real-world use of oral sémaglutide in adults with type 2 diabetes: Results from the PIONEER REAL Switzerland multicenter, prospective, observational study, Congrès annuel de la SSED, 16./17.11. 2023, Bern.

Pr Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Verbesserung der kardiovaskulären Prävention durch ein systematisches Screening

Die Herzkreislauferkrankungen sind 2023 global und in der Schweiz die wichtigsten Morbiditäts- und Mortalitätsursachen. Leider wird diese Tatsache von der Bevölkerung und der Politik zu wenig wahrgenommen. Aus diesen Gründen stellt sich die berechtigte Frage, wann und bei welchen Personen ist ein kardiovaskuläres (cv) Screening sinnvoll? Eine Antwort geben die aktualisierte ESC-Guideline 2023 «Diabetes u. Herz», die ESC-Präventions-Guidelines 2021 und die diesjährige Empfehlung der AGLA «Prävention der Atherosklerose».

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie plädierte an ihrer Jahrestagung 2022 für einen Herzcheck ab 50 Jahren und hat zur Verbesserung der kardialen Gesundheit eine nationale Herz-Allianz gegründet. Politisch wird diese Massnahme durch den Gesundheitsminister unterstützt (1,2). Cv-Screening-Massnahmen sind deutlich effektiver als das Krebsscreening auf ein Brust- oder Darmkarzinom, dessen Sinnhaftigkeit niemand anzweifelt. Eine Überprüfung auf Fettstoffwechselstörungen und auf eine Hypertonie ist zehnmal so effektiv in der Verhinderung von Todesfällen wie eine Überprüfung auf Hepatitis oder Kolonkarzinome (1).

Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsprogramme können uns nicht nur helfen, Patienten vor schweren Folgen ihrer Erkrankungen zu schützen, indem wir sie frühzeitig behandeln, sondern auch Heilungschancen verbessern. Die meisten bedürfen einer lebenslangen Therapie. Der plötzliche Herztod und der unerwartete Myokardinfarkt muss bekämpft werden; ereignen sich doch 25 Prozent der Herzkreislauftodesfälle vor dem 65-ten Lebensjahr.
Bei einem Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) hat das cv und renale Screening nach der neuen ESC-Guideline eine Klasse IA-Indikation. So stellt sich immer die Frage nach einer atherosklerotischen Erkrankung und einer Herzinsuffizienz (HI). Durch eine gute Anamnese mit Einordnung von Symptomen ergeben sich klare Erkennungsmerkmale. Es bedarf auch einem routinemässigen Screening auf eine chronische Niereninsuffizienz (CKD) (3). Diese wird mit einer eGFR (EPI) und einem morgendlichen Spontanurin mit Frage nach Mikro-/Albuminurie (UACR) nachgewiesen. Je schlechter die eGFR <60ml/min/1.73m2 und je ausgeprägter die Albuminurie ≥30mg/g desto schwerer die CKD und desto höher das cv Risiko. Umgekehrt sollte bei einer cv Erkrankung auch ein T2DM mit einem Nüchtern-Blutzucker und einem HbA1c ausgeschlossen werden. Bei einem akuten Koronarsyndrom findet man in bis zu 37%, bei einer HI in bis zu 47% einen T2DM (3,4).

Daher sollte bei einem Arztkontakt nach den klassischen cv Risikofaktoren, nach Anamnese und Symptomen für eine Atherosklerose resp. für eine HI, weiteren cv Erkrankungen wie z.B. ein VHFLi gefragt und allenfalls gesucht werden; sind doch die entsprechenden Risiken, insbesondere für eine HI bei T2DM deutlich erhöht. Den Komorbiditäten der HI kommt eine immense Bedeutung zu, insbesondere Krebs, Depressionen und Demenzerkrankungen. Diese werden wie die cv Risikofaktoren Leitlinien gerecht behandelt.

Eine Hypertonie, eine Fettstoffwechselstörung, Übergewicht/Adipositas, Nikotinkonsum und ein Diabetes müssen im frühen Erwachsenenalter erstmals ausgeschlossen werden; ggf. Einleitung von Präventions-Massnahmen.

Ein konsequentes cv-Screening würde in der Schweiz Tausende von unentdeckten Risiken und beginnende Erkrankun­gen, einen T2DM und eine CKD, frühzeitig aufdecken und die jährlichen Gesundheitskosten – 6,1 Milliarden Franken, 7,7% des Gesamtbudgets im Jahr 2017 – in der cv Medizin senken (5).

Diese Forderung deckt sich mit den ESC- und WHO-PräventionsZielen und den Absichten und Anstrengungen in unserem nördlichen Nachbarland. Wäre es nicht auch in der Schweiz an der Zeit, ein nationales strukturiertes cv Präventionsprogramm mit den beteiligten Fachgesellschaften und der Politik zu diskutieren? Die Gesundheit muss frühzeitig, über die gesamte Lebensspanne hinweg, weiter verbessert werden.

Wir wünschen Ihnen besinnliche Festtage und ein gesundes, erfülltes, freudiges und glückliches 2024 mit weiterhin viel Freude an der kardiovaskulären Medizin.

Dr. Urs Dürst, Forch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

  1. Baldus et al. Die Nationale Herz-Allianz – Update 2023, DGK; Kardiologie 2023;17:65-71 + H. Thiele, DGK -Herztage in Bonn, 5.-7.10.2023
  2. Nachrichten, Lauterbach will Herz-Kreislauferkrankungen + Diabetes aktiv aufspüren, Ärztezeitung vom 30.10.2023, Springer Medizin
  3. Marx N. et al., 2023 ESC Guidelines for the management of cardiovascular disease in patients with diabetes, European Heart Journal 2023; 00,1–98, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad192
  4. Visseren F.L.J et al. ; ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice; European Heart Journal 2021; 42 (34): 3227-3337
  5. Stucki et al., What drives health care spending in Switzerland? Findings from a decomposition by disease, health service, sex, and age, BMC Health Services Research 2023; 23:1149

CARDIO FLASH

Die wichtige Rolles des Herz-MRI zur Risikostratifizierung der bei hypertropher Kardiomyopathie

Die Methoden zur Risikostratifizierung für den plötzlichen Herztod (Sudden Cardiac Death; SCD) bei Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie (HCM) haben sich in den letzten Jahren, insbesondere durch die zusätzliche Anwendung der Herz-MRI, weiterentwickelt. Ein Forschungsartikel von Jiaxin Wang und Kollegen des Fuwai Hospital, Chinese Academy of Medical Sciences & Peking Union Medical College/National Center for Cardiovascular Diseases, Peking, China, mit dem Titel «Assessment of Late Gadolinium Enhancement in Hypertrophic Cardiomyopathy Improves Risk Stratification Based on Current Guidelines», zielt darauf ab, das ESC-Modell von 2022 extern zu validieren und den Nutzen des Late Gadolinium-Enhancements (LGE) für eine verbesserte Risikostratifizierung bei HCM-Patienten, die für die Implantation eines Defibrillators zur Primärprävention von SCD in Frage kommen, zu untersuchen. 774 Patienten, die sich einer Herz-MRI-Untersuchung unterzogen haben, wurden retrospektiv eingeschlossen. 46 (5,9 %) Patienten erreichten den SCD-bezogenen Endpunkt während einer Nachbeobachtungszeit von 7,4 Jahren. Patienten, die einen SCD erlitten, wiesen einen höheren ESC SCD-Risiko-Score auf (4,3 ± 2,4 % vs. 2,8 ± 2,1 %, P < .001) und ein grösseres LGE-Ausmass (13,7 ± 9,4 % vs. 4,9 ± 6,6 %, P < 0.001). Verglichen mit dem ESC-Modell von 2014 zeigte das ESC-Modell von 2022 eine verbesserte Area under the Curve (AUC) (0.76 vs. 0.63), Sensitivität (76,1 % vs. 43,5 %), positiven prädiktiven Wert (16,8 % vs. 13,6 %) und negativen prädiktiven Wert (98,1 % vs. 95,9 %). Die AUC für die SCD-Vorhersage des American College of Cardiology (ACC)/American Heart Association (AHA) von 2011 und AHA/ACC von 2020 waren 0.68 bzw. 0.78. Zudem war ein LGE ≥5% im mit einem siebenfachen SCD-Risiko nach multivariabler Anpassung assoziiert.

Die Autoren folgern, dass das ESC-Modell von 2022 das Modell von 2014 in Bezug auf Sensitivität übertrifft und das Herz-MRI mit LGE eine verbesserte Risikostratifizierung nach aktuellen Richtlinien ermöglicht. Als Leiter der kardialen Bildgebung am Inselspital Bern hatte ich die Gelegenheit, in einem Editorial diese aktuelle Studie zu kommentieren. Dabei wies ich darauf hin, dass zukünftige Risikostratifizierung nicht ausschliesslich auf traditionellen Methoden basieren sollten. Ich betonte die Bedeutung der Integration künstlicher Intelligenz für die Analyse umfangreicher Datenmengen, einschliesslich klinischer, EKG-, genetischer und bildgebender Daten. Zudem unterstrich ich die wachsende Relevanz longitudinaler, serieller Daten für die Entwicklung dynamischer Risikoeinschätzungen, da sich klinische und bildgebende Marker bei HCM im Zeitverlauf ändern können.

Prof. Christoph Gräni

– Jiaxin Wang et al. Assessment of late gadolinium enhancement in hypertrophic cardiomyopathy improves risk stratification based on current guidelines. Eur Heart J . 2023 Dec 1;44(45):4781-4792. doi: 10.1093/eurheartj/ehad581.
– Gräni C. Prime time for CMR imaging of arrhythmogenic substrate in hypertrophic cardiomyopathy. Eur Heart J. 2023 Dec 1;44(45):4793-4795. doi: 10.1093/eurheartj/ehad686.

Anmerkungen zu Herz und Long COVID

1. Das Post acute sequelae (PASC) of COVID-19 wird als Long COVID bezeichnet und betrifft einige Prozent der Erkrankten unabhängig von der Schwere der initialen Krankheit (1).

2. Beim Herzen unterscheidet man zwei Formen von Erkrankungen nach COVID:
a. PASC-cardiovascular disease (CVD): Umfasst die sehr seltenen Folgen einer akuten Beteiligung des Herzens bei der COVID-19 Erkrankung und die etwas erhöhte Rate an kardiovaskulären Erkrankungen im Langzeitverlauf.
b. PASC-cardiovascular syndrome (CVS): Umfasst die kardialen Aspekte der eigentlichen Long COVID Erkrankung mit heterogenen Beschwerden der Patienten, wie Leistungsintoleranz, Dyspnoe, Müdigkeit (Fatigue), Tachykardien, Thoraxschmerzen, Erschöpfung schon nach geringer körperlicher Belastung (post-exertional malaise) (2).

3. Für die heterogenen kardialen Beschwerden der Patienten mit Long COVID (PASC-CVS) finden sich mittels der herkömmlichen kardiologischen Untersuchungen keine Ursache, insbesondere ist die mechanische Funktion erhalten. Bei unauffälliger kardiologischer Basisabklärung bringen weitergehende apparative Untersuchungen keine neuen Erkenntnisse und sind deshalb nicht nötig (1, 2).

4. Long COVID betrifft verschiedene Organsysteme. Störungen des neurologischen Systems sind teilweise eng mit dem kardiovaskulären System verbunden und verursachen ähnliche Symptome.

5. Long COVID hat insbesondere Ähnlichkeiten mit dem myalgischen Enzepahlomyelitis/chronischen Erschöpfungssyndrom (Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom, ME/CFS). Das Kardinalsymptom ist dabei die Erschöpfung, Unwohlsein und Benommenheit nach körperlicher Anstrengung. Bei Vorliegen einer post-exertional malaise ist körperliches Training nicht nur nicht hilfreich, sondern schädlich (3). Auch bei milden Formen, wie sie bei jungen Sportlern typischerweise beobachtet werden, soll kein ambiotioniertes Aufbautraining angestrebt werden (2).

6. Long COVID geht mit autonomer Dysregulation einher, welche zu leichten, bis schweren Formen einer posturalen orthostatischen Tachykardiesyndrom (POTS) führen kann. Bei Patienten mit POTS wird ein sehr langsames Aufbautraining mit Sportarten, die liegend oder halbliegend durchführbar sind, wie Schwimmen oder Rudern empfohlen (2). Zusätzlich soll viel Flüssigkeit und Salz eingenommen werden und können Stützstrümpfe eingesetzt werden.

7. Long COVID wird wahrscheinlich durch mehrere Mechanismen verursacht. Eine Immundysregulation, autoimmune Mechanismen, eine endotheliale Dysfunktion, dysfunktionale neuronale Signale, und veränderte Mikrobiome kommen in Frage.

8. Jüngst sind zwei pathophysiologische Phänomene gefunden worden, die Aspekte des Long COVID erklären können. Zum einen konnten die verschiedenen Phänotypen von Long COVID spezifischen Veränderungen des Immunsystems zugeordnet werden (4). Dabei fanden sich auch niedrige Cortisonspiegel, welche zur verminderten Leistungsfähigkeit bei Long COVID beitragen könnten. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass über virale mRNA Interferone aktiviert werden, welche das zirkulierende Serotonin reduzieren (5). Serotonin oder dessen Fehlen beeinflusst multiple wichtige Funktionen im neuronalen, gastro-intestinalen und kardiovaskulären System.

9. Bei Long COVID bleiben viele Fragen ungeklärt. Sowohl Strategien zur Prävention, wie Impfung und anti-virale Medikamente, als auch spezifische Therapien, wie Steroide, Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, müssen sich erst noch beweisen (1).

Prof. Franz Eberli

1. Davis HE et al. Nature Reviews Microbiology 2023;21:133-146
2. 2022 ACC Expert Consensus Decision Pathway on Cardiovascular Sequelae of COVID-19. JACC 2022;79:1717-1756
3. NICE. Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome: Diagnosis and management https://www.nice.org.uk./guidance/NG206, 2021
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Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

Prof. Dr. Dr. med. Christoph Gräni

PhD, FESC, FACC, FSCCT, FSCMR
Leiter kardiale Bildgebung
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

christoph.graeni@insel.ch