Die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED/SSED) hat als eine der ersten Fachgesellschaften moderne und auf nach heutigem Wissensstand bezüglich kardiovaskulärem Risiko fokussierte Empfehlungen herausgegeben, die im Folgenden präsentiert werden.
Seit 2008 werden von der «Federal Drug Administration» (FDA) kardiovaskuläre Sicherheits- und Endpunkt-Studien verlangt. Diese Entwicklung hat zu ganz neuen Entwicklungen in den Therapieempfehlungen für den Diabetes mellitus Typ 2 geführt. Bis heute versterben noch ungefähr zwei Drittel der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 an einem kardiovaskulären Ereignis. Aus diesem Grund soll zukünftig der Fokus auf Therapeutika, welche das kardiovaskuläre Risiko senken und Todesfälle verhindern, gesetzt werden.
Aktuell bestehen diese Daten für SGLT2-Hemmer und für GLP1-RA, durch welche eine Risikoreduktion sowohl für kardiovaskuläre Ereignisse als auch Mortalität und Nierenschutz erreicht werden konnte. Bei SGLT2-Hemmern wurde zusätzlich ein positiver Effekt auf Herzinsuffizienz und die Progression der Nieren-insuffizienz nachgewiesen. Die GLP1-RA haben zusätzlich eine Risikoreduktion von ischämischem Hirnschlag gezeigt. Für den SGLT2-Hemmer Empagliflozin und den GLP1-RA Liraglutid wurde eine Reduktion der Gesamtmortalität gezeigt. Eine direkte Vergleichsstudie beider Klassen oder eine kardiovaskuläre Endpunktstudie mit Kombination beider Substanzklassen liegt bis anhin nicht vor. Dennoch gibt es post hoc Analysen, welche auf einen additiven Effekt bezüglich HbA1c-Senkung, Gewichtsreduktion und Senkung des kardiovaskulären Risikos (Ereignisse und Mortalität) hindeuten.
Vorgehen im Praxisalltag
Wir werden nun systematisch die wichtigsten Aspekte zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 anhand von Vorerkrankungen und Risikofaktoren vorstellen. Zudem ist eine gute Lifestylemodifikation (Nikotin-stopp, Bewegung etc.) als Grund-pfeiler der Therapie wichtig. Die folgenden Fragen sollen als Gedankenstütze im Praxisalltag dienen. Zusammenfassend enthalten die Abbildungen 1 und 2 alle wichtigen Informationen.
1. Braucht der Patient Insulin?
Bei Hinweisen auf eine katabole Stoffwechsellage als Ausdruck von Insulinmangel wie Gewichtsverlust, Polyurie, Polydipsie oder bei HbA1c > 10% ist Insulin als Primärtherapie nie falsch. Bei chronischer Pankreatitis und/oder Ketonurie als Redflag sollte Insulin verabreicht werden. Bei der Wahl des Basisinsulins ist ein ultralang wirksames Insulin (Insulin Degludec (Tresiba) oder Insulin GlarginU300 (Toujeo) angebracht, weil darunter nachweislich weniger Hypoglykämien auftreten.
2. Wie ist die Nierenfunktion?
Eine wichtige Frage, weil die meisten Therapeutika unter eGFR 30ml/min nicht mehr verabreicht werden können
eGFR 30-45ml/min:
SGLT-2-Hemmer können gemäss Compendium bis zu einer eGFR von 45ml/min (ausser Ertugliflozin nur bis eGFR 60ml/min) gegeben werden. Neuere Daten in kardiovaskulären Outcome-Studien mit Empagliflozin (Jardiance) und Canagliflozin (Invokana) zeigen, dass diese bis zu einer eGFR von 30ml/min sicher verschrieben werden können. Die positiven Effekte bezüglich kardiovaskulärer Endpunkt oder Nierenschutz bleiben, wobei die HbA1c-senkende Wirkung verringert ist.
Ein Therapiebeginn mit Meformin ist nicht mehr empfohlen und falls bereits eine etablierte Therapie besteht, ist eine Dosisreduktion auf 1000 mg täglich sinnvoll.
eGFR < 30ml/min:
GLP1-RA (falls BMI > 28kg/m2) können bis zu einer eGFR von 15ml/min und sogar bis zur Dialyse verabreicht werden. DPP4-Hemmer sind sicher, aber ohne positiven Effekt auf die Gesamtmortalität. Für Linagliptin (Trajenta) braucht es, selbst bei Dialysebedürftigkeit, keine Dosisanpassung. Für Sitagliptin ist eine Dosisanpassung nötig. Lediglich Saxagliptin hat Hinweise auf eine erhöhte Rate von Herzinsuffizienz gezeigt.
Metformin muss gestoppt werden.
3. Leidet der Patient an Herzinsuffizienz oder soll diese verhindert werden?
Ein SGLT2-Hemmer und Metformin sollten etabliert werden, weil mit dem SGLT2-Hemmer das kardiovaskuläre Risiko deutlich gesenkt werden kann. Gute Evidenz gibt es für HFREF (heart failure with reduced ejection fraction), wobei eine positive Wirkung auf HFPEF (heart failure with pre-
served ejection fracture), als häufigste Form bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 pathophysiologisch wahr-scheinlich ist. Auch wenn beim Typ 2 Diabetes mellitus alle Risikofaktoren optimal eingestellt sind, besteht ein 45% höheres Risiko für eine Herzinsuffizienz.
4. Was ist das HbA1c-Ziel?
Bei jungen Patienten ohne Sekundärorganschäden sollte das HbA1c auf 6.5% gesenkt werden, sofern dafür keine Hypoglykämien in Kauf genommen werden müssen. Falls das HbA1c z.B. unter GLP1-RA unter 6.5% geht, sollte die Therapie deswegen nicht reduziert werden.
Ältere und polymorbide Patienten, welche Insulin oder Sulfonylharnstoffe haben, sollten keinesfalls Hypoglykämien haben und ein HbA1c von < 8% ist angemessen.
Quelle: Swiss Recommendations of the Society for Endocrinology and Diabetes (SGED/SSED) for the Treatment of Type 2 Diabetes Mellitus (2019). Diese können auf www.sgedssed.ch heruntergeladen werden.
RL: Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier und Astra Zeneca.
ME: Reise- und Kongressspesen von Novo Nordisk, Eli Lilly und Ipsen.
Haupttherapieziel bei Diabetes mellitus Typ 2 soll eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos und eine Nephroprotektion sein.
Hypoglykämien sollten vermieden werden und ein Gewichtsverlust ist erwünscht und deshalb sind primär SGLT2-Hemmer und GLP1-RA, oder deren Kombination, empfohlen.
Bei der Kombination kommen die Vorteile in Bezug auf die Herzinsuffizienz (SGLT-2 Hemmer) und in Bezug auf die Reduktion von Apoplexie (GLP-1 RA) voll zum Zug und auch die Effekte auf HbA1c Senkung und Gewichtsverlust sind additiv.
Beim Verfassen dieses Editorials scheint die Covid-19-Pandemie in der Nordwestschweiz erst am Anrollen zu sein. Im Tessin sind die Grenzen der medizinischen Versorgungsmöglichkeiten schon bald erreicht. Nicht nur die Schweiz, die ganze Welt steht im Bann dieses neuen Virus, der insbesondere für ältere vulnerable Menschen eine grosse Bedrohung ist.
Angesichts der sich verknappenden medizinischen Ressourcen braucht es insbesondere für die (gottlob) kleinste, aber schwerst erkrankte und auf Intensivbehandlung angewiesene Gruppe von Covid-Patienten klare und gerechte Entscheidungsgrundlagen, die den Zugang zu Intensivstationen regeln. Die SAMW stützt sich dabei auf ethische Grundprinzipien, die in der Altersmedizin, wie wohl in keiner anderen medizinischen Disziplin auch in nicht-Pandemie Zeiten alltagspräsent sind.
Das Antizipieren schwieriger medizinischer Entscheidungen kann ohne bestehenden Zeitdruck mittels Patientenverfügung oder eines «Advanced Care Planning (ACP)» in einer später auftretenden akuten Notsituation vieles (wenn auch nicht alles!) entspannen. Wichtig ist, dass ältere Patienten beim Verfassen solcher Dokumente von altersmedizinisch geschulten Ärzten unterstützt werden.
Dies macht insofern Sinn, als dass so der Patientenwille hinsichtlich Reanimation und Umfang intensivmedizinischer Massnahmen bei allfälligen Komplikationen gestützt auf die medizinische Realität, d.h. im Wissen einer allenfalls deutlich schlechteren Lebensprognose bei vorliegender erhöhter Vulnerabilität (bestehende funktionelle Einschränkungen, chronische Multimorbidität) definiert wird. Diese Vulnerabilität kann mittels validierten geriatrischen Mess- und Assessmentmethoden objektiv erfasst und mit einer fundierten Prognose bei medizinischen Komplikationen verbunden werden. Aus altersmedizinischer Sicht ist es entscheidend, dass ein Patient von seiner eigenen Vulnerabilität und der damit verbundenen medizinischen Prognose Kenntnis hat. Die Diskussion einer im Pandemie-Kontext verwehrten Intensivstationsaufnahme kann sich damit weitgehend erübrigen. Beim Verfassen von Patientenverfügung und ACP muss der Patient auch volle Aufklärung zu den Prinzipien und Möglichkeiten einer umfassenden Palliative Care erhalten.
Das erfolgreiche Kommunizieren zu diesen schwierigen medizinischen Inhalten ist anspruchsvoll und zeitaufwändig. Deshalb lohnt es sich, dies rechtzeitig und wenn möglich ohne zu grossen Zeitdruck anzugehen. Der folgende Beitrag der Kollegen Blum und Schlögl aus Zürich zeigt auch, dass dies mit etwas Übung und der Kenntnis von ein paar einfachen Grundregeln gar nicht so schwierig ist.
Ich wünsche gute Lektüre!
Prof. Dr. med. Reto W. Kressig, Basel
Prof. Dr. med. Reto W. Kressig
Ärztlicher Direktor & Klinischer Professor für Geriatrie
Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER & Universität Basel
Burgfelderstrasse 101
4002 Basel
Die aktuelle COVID–19–Pandemie stellt eine grosse Herausforderung von unbekannter Dauer dar, in der möglicherweise Hunderttausende von Menschen erkranken, einige davon kritisch, und mehrere Tausende sterben könnten. Diejenigen, die alt oder gebrechlich sind und/oder an einer chronischen oder schweren Grunderkrankung leiden, sind durch das neue Coronavirus am stärksten gefährdet (1).
Die Palliativmedizin umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronisch fortschreitenden Krankheiten. Sie wird vorausschauend miteinbezogen; ihr Schwerpunkt der Anwendung liegt in der Zeitspanne, in der die Heilung der Krankheit als nicht mehr möglich erachtet wird und deshalb kein primäres Ziel mehr darstellt. Patientinnen und Patienten wird eine ihrer Situation angepasste optimale Lebensqualität bis zum Tode gewährleistet, indem man versucht Leiden und Komplikationen vorzubeugen (2).
Die Palliativmedizin versteht sich dabei als eine Haltung, welche die Grenzen der Medizin anerkennt und sich dem Sterben des Patienten und dem häufig anklingenden Gefühl der Hilflosigkeit stellt (3). Palliativversorgung ist dabei in einem breiten Spektrum von Bereichen der Gesundheitsversorgung durchführbar, vom Spital der Maximalversorgung bis hin zur medizinisch-ambulanten Grundversorgung. Alle in der Gesundheitsversorgung Beschäftigten sollten eine angemessene Palliativversorgung anbieten können, dies ist gerade in einer drohenden Krise besonders wichtig. Sie müssen daher kontinuierlich aus- und weitergebildet werden, um entsprechendes Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen zu erlangen. Nur so ist es möglich, den herausfordernden Bedürfnissen der Patienten und ihrer Familien gerecht zu werden und – unabhängig von der zugrundeliegenden Diagnose – den höchstmöglichen Versorgungsstandard zu erreichen (4).
Offene und angemessene Kommunikation
Aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie werden die Mitarbeiter in den Gesundheitsberufen mit einer Vielzahl von schwierigen Gesprächssituationen konfrontiert, für die manche von ihnen geschult sind, andere nicht. Ungenügende kommunikative Fähigkeiten von Gesundheitsfachpersonen können nicht selten zur Vermeidung emotional belastender Diskussionen mit schwer erkrankten Patienten führen (5).
Die Begleitung sterbender Menschen und ihres sozialen Umfelds erfordert dabei Empathie, Feingefühl und Intuition. Darüber hinaus sollten Ärzte und Pflegefachpersonen wissen, welche Möglichkeiten der Kommunikation sich ihnen bieten. Studien haben dabei gezeigt, dass diese besonderen Kompetenzen in speziellen Kommunikationsseminaren geschult werden können (6), was letztlich zu mehr Selbstsicherheit im Umgang mit Patienten und einer höheren Zufriedenheit mit dem eigenen Beruf führt (7) – alles wichtige Faktoren in der Prophylaxe von Überforderung und Burnout, was speziell im Berufsbild des Arztes eine Gefahr ist. In der Ausbildung haben sich dazu interprofessionelle Kurskonzepte besonders bewährt (z.B. mit Ärzten und Pflegefachpersonen) (8).
Die aktuellen Erfahrungen in Italien haben gezeigt (9), dass medizinische Rationierungsentscheidungen erforderlich sein können. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) haben daher am 20. März 2020 gemeinsame Richtlinien für Triage-Entscheidungen hinsichtlich Aufnahme und Verbleib auf Intensivstationen veröffentlicht, deren jeweils aktuelle Fassung online verfügbar ist: www.samw.ch/corona.
Folgende Probleme kommen möglicherweise auf uns zu oder haben uns bereits erreicht:
Familienangehörigen und Bevollmächtigten ist es untersagt, akut kranke Spitalpatienten und chronische Langzeitpflegebedürftige in Pflegeeinrichtungen zu besuchen. Um unerwünschte Spitalaufenthalte und Intensivbehandlungen zu vermeiden, ist es von grösster Bedeutung, die Präferenzen der Patienten in einem Notfalldokument (z.B. die Schweizer Version der Ärztlichen Notfallanordnung, ÄNO) klar zu ergründen und zu dokumentieren. Dabei ist es wichtig, die Wünsche der Patienten zu dokumentieren und die Dokumente für eine akute Situation verfügbar zu machen (10).
Die Betreuung von Schwerstkranken oder Sterbenden fordert vom gesamten Behandlungsteam ein grosses Engagement ab. Personen, welche im palliativen Bereich tätig sind, sind fortlaufend belastenden Situationen ausgesetzt. Dies kann dazu führen, dass ein Missverhältnis zwischen Kraft und Last entsteht, was wiederum die Anfälligkeit auf Krankheiten und Ineffizienz in einem Team erhöht. Andere Fachpersonen werden vielleicht nach Hause geschickt, um zwei Wochen in Zwangs-Quarantäne zu verbringen, obwohl sie wissen, dass ihre Patienten und Kollegen sie brauchen. Moralische Bedrängnis, Trauer und Frustration werden Nerven und Beziehungen zerreissen. Geistige und spirituelle Betreuung, Teamunterstützung und Anleitung zur Selbstpflege werden mehr denn je im Zentrum stehen.
Schwierige Gespräche in Krisensituationen und am Lebensende
Gerade junge Kollegen sind mit dieser Art von Gesprächen oftmals überfordert. Auch wenn es schwierig ist, für die individuellen Situationen kommunikative Standards zu benennen, gibt es Kompetenzen, die erworben werden können, um das Wohl des Patienten und seiner Angehörigen in diesen schwierigen Situationen zu unterstützen (12 – 14). Hierzu ist jedoch ein interprofessionelles Vorgehen wichtig. Nur eine gute Abstimmung und ein enger Austausch zwischen Ärzten und Pflegenden im Aufklärungsprozess kann das Risiko widersprüchlicher Aussagen verringern (Tab. 1). Eine der dabei bekanntesten Kommunikationsstrategien ist das sog. SPIKES–Protokoll (15). Dieses leicht zu merkende englische Akronym stellt strukturierte Schritte zur Überbringung schlechter Nachrichten dar. Deren Umsetzung im Gespräch muss geübt werden und kann – mit etwas Erfahrung – die eigene Kommunikationsfähigkeit in schwierigen Situationen massgeblich verbessern. Dabei können folgende Punkte von besonderer Wichtigkeit sein:
• Setting
Planen Sie genügend Zeit für ein Aufklärungsgespräch ein und informieren Sie sich über die relevanten Fakten zur Krankheit und zum Patienten. Wählen Sie dafür einen geeigneten Ort für das Gespräch (z.B. separater Raum, Ruhe, kein Telefon, ausreichend Sitzgelegenheiten) und klären Sie, wer ausser dem Patienten am Gespräch teilnehmen soll (z.B. Pflegefachperson, Partner, Kinder). Neben diesen eher formalen Kriterien ist es jedoch auch wichtig, sich selbst emotional auf das schwierige Gespräch vorzubereiten. Eine kürzlich im JAMA erschiene Übersichtsarbeit hat diesbezüglich unterschiedliche evidenz- und erfahrungsbasierte Praktiken beschrieben, die dem Kliniker helfen sollen, sich vor bzw. während eines wichtigen Gesprächs aufmerksam und sensibel zu verhalten (16).
• Perception
Hier geht es um die Einschätzung der Patientenwahrnehmung bzw. um den Wissensstand des Patienten. Ohne zu wissen wo die «Baseline» des Patienten ist, ist ein Gespräch auf «Augenhöhe» nicht möglich!
• Knowledge
Führen Sie schrittweise zu der Nachricht hin, z.B. indem Sie die bisherigen Untersuchungen zusammenfassen. Nennen Sie den Namen der Krankheit und beschreiben Sie diese in verständlicher Sprache. Kündigen Sie die schlechte Nachricht ggf. durch eine «Warnung» an und lassen Sie dem Patienten ausreichend Zeit, die Nachricht aufzunehmen. Dabei gibt der Patient ganz klar das Tempo vor (17). Lassen Sie sich daher von dem leiten, was der Patient besprechen möchte, und passen Sie ihre Themen daran an. Dem Credo folgend «Es ist nicht wichtig was der Arzt sagt, sondern was der Patient verstanden hat!» vergewissern Sie sich durch Rückfragen, ob der Patient Sie verstanden hat (17). Die Prognose von Überlebenszeit stellt ein sehr herausforderndes und ethisch empfindliches Thema im Rahmen des Umgangs mit schwer kranken und sterbenden Menschen dar. Hierzu sind in Tab. 2 einige Hilfestellungen aufgeführt. Ein Leitfaden für eine COVID-19 kompatible Kommunikation basierend auf der VitalTalk-Open-Source ist aktuell von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ins Deutsche übersetzt worden (11, 18) (Tab. 2).
• Emotions
Achten Sie auf die Reaktionen und Emotionen des Patienten und gehen Sie empathisch darauf ein, indem Sie das vermutete Gefühl des Patienten in Form einer Frage ansprechen bzw. spiegeln. Melden Sie beim Patienten beobachtete nonverbale Reaktionen zurück, ohne sie zu interpretieren (Tab. 2). Emotionen wie Schock, Trauer, Wut, Rückzug und Vermeidung muss Raum gegeben und Beachtung entgegengebracht werden, sie dürfen und sollen angesprochen werden. Erfahrungsgemäss unterbinden starke negative Emotionen die Informationsverarbeitung der Aufklärung, sodass Patienten nachträglich berichten, nicht aufgeklärt worden zu sein.
• Summary
Wiederholen Sie wichtige Aspekte und fassen Sie diese zusammen. Bitten Sie Ihrerseits den Patienten um eine Zusammenfassung (Tab. 2). Ihr Patient wird es dabei schätzen, wenn Sie Ihm stichpunktartig die wesentlichsten Dinge des Gespräches notieren (zeitgleich ermöglicht dies Ihnen, sich während des Schreibens nochmals Gedanken zu machen!). Weisen Sie ggf. auf Unterstützungsmöglichkeiten hin (z. B. Psychologe, Selbsthilfegruppe…) und planen Sie einen Termin für ein nächstes Gespräch bzw. die nächsten Schritte, ohne dabei einen Ansprechpartner für Nachfragen zu vergessen. Nach dem Gespräch ist es wichtig, sich selbst einen Moment der Ruhe und Reflexion zu gönnen, um auch im eigenen Gleichgewicht zu bleiben. Ein schönes Ritual hierfür kann (wie VOR dem Gespräch) zum Beispiel das Händewaschen sein, in dem man nochmals für einen Moment innehält und reflektiert (16).
Urteilsfähigkeit
Bei geriatrischen, polymorbiden Patienten kann es oft zu einer Einschränkung der Urteilsfähigkeit kommen. Die Frage, wie Urteilsfähigkeit am besten evaluiert werden soll, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen (19). Angehörige sind oftmals wichtige Auskunftspersonen, um den (mutmasslichen) Willen der urteilsunfähigen Patienten zu eruieren, sie übernehmen aber auch Vertretungsfunktionen, wenn der Patient selbst nicht mehr entscheiden kann. In Anlehnung an die in den USA gängigen Voraussetzungen definiert die SAMW die folgenden Kriterien für eine Urteilsfähigkeit (20):
Die Fähigkeit, Informationen in Bezug auf die zu fällende Entscheidung zu verstehen.
Die Fähigkeit, die Situation und die Konsequenzen, die sich aus alternativen Möglichkeiten ergeben, richtig abzuwägen.
Die Fähigkeit, die erhaltenen Informationen im Kontext eines kohärenten Wertesystems rational zu gewichten.
Die Fähigkeit, die eigene Wahl zu äussern.
Im klinischen Alltag sollte man dabei eine situative und zeitliche Relativität von Urteilsfähigkeit beachten. So kann auf der einen Seite eine Person als urteilsunfähig erachtet werden, wenn es um schwerwiegende medizinische Entscheidungen geht, zeitgleich ist es aber durchaus möglich, dass für alltägliche Entscheidungen wie zum Beispiel der Ernährung oder Körperpflege eine Urteilsfähigkeit besteht (situative Relativität). Auf der anderen Seite gilt die Beurteilung der Urteilsfähigkeit immer nur für einen bestimmten Zeitpunkt, da die relevanten psychischen Fähigkeiten zum Beispiel im Rahmen eines Deliriums stark fluktuieren können (zeitliche Relativität). Es ist daher notwendig, die Urteilsfähigkeit periodisch zu reevaluieren (20). Eine Einschränkung der Urteilsfähigkeit soll aber nicht dazu führen, dass die Behandler nicht mit dem Patienten sprechen!
Delirium
Neben eingeschränkter Urteilsfähigkeit ist speziell das Delirium bei terminalen Patienten oftmals eine Herausforderung für alle Beteiligten. Der Begriff des Deliriums umschreibt ein neuropsychiatrisches Syndrom. Dieses definiert sich als Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, einhergehend mit Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen und Wahrnehmungsveränderungen, die typischerweise innerhalb weniger Stunden oder Tage auftreten und während des Tagesverlaufs fluktuieren. Dabei soll die stärkste Ausprägung eines Symptoms zur Bewertung herangezogen werden (21, 22).
In der Palliativmedizin kann ein Delirium oftmals mit intensivem Träumen oder visionärem Erleben in Todesnähe verwechselt werden. Studien zeigen, dass mindestens 30 – 36% der Sterbenden, die von den befragten Personen begleitet wurden, solche Erlebnisse hatten (23). Das Bilderleben in Todesnähe kennt dabei verschiedene Formen. Zu unterscheiden ist zwischen jenen Erlebnisformen, die den Sterbeprozess begleiten, und solchen, die von Menschen berichtet werden, die sich vorübergehend in akuter Todesnähe befanden. Typisch für das Bilderleben am Lebensende sind Traum- und Wachvisionen. Während Patienten im Delirium oft verängstigt und misstrauisch sind, werden diese intensiven Träume oft als Ressource erlebt. Im Sinne einer patientenzentrierten Fürsorge bedarf es hierzu einer unvoreingenommenen und sorgsamen Validation z.B. durch die Kollegen der Spiritual Care (24). In dieser Situation ist es besonders wichtig, nicht mit Medikamenten zu reagieren.
Im Jahr 2017 wurden die bis heute einzigen zwei randomisiert-kontrollierten Studien zur Pharmakotherapie eines Deliriums in der Palliativmedizin durchgeführt. Eine Schweizer Expertengruppe aus unterschiedlichen Fachbereichen (Palliativmedizin, Psychiatrie, Geriatrie) hat sich in einer Übersichtsarbeit kritisch mit den beiden Studien auseinandergesetzt und Handlungsempfehlungen entworfen (21).
An erster Stelle steht die Identifikation von Patienten mit einem erhöhten Risikoprofil mittels entsprechender Screening Methoden (z.B. Delirium Observational Screening Scale). An zweiter Stelle stehen die nicht-pharmakologischen Massnahmen. Inouye et al. konnten zeigen, dass rein pflegerische Massnahmen die Delirentstehungsrate und -dauer um ein Drittel senken (26). An dritter Stelle steht die Prävention, Identifizierung und Behandlung des Auslösers (Kausaltherapie), wie z.B. die Fiebersenkung oder die effektive Schmerzbehandlung. Sollten diese Schritte nicht ausreichen, so ist eine adäquate antipsychotische Begleittherapie mit Neuroleptika unumgänglich. Soweit es sich nicht um Entzugsdelirien handelt, sollte auf die Gabe von Benzodiazepinen zugunsten von Neuroleptika/atypischen Neuroleptika verzichtet werden (21).
Symptomkontrolle
Unabhängig vom Behandlungsziel in Bezug auf die Lebensdauer ist eine ausreichende Symptomtherapie für die Lebensqualität des Patienten von entscheidender Bedeutung. Die interprofessionelle Behandlung und Begleitung konzentrieren sich dabei auf die Linderung belastender Symptome physischer, psychischer, sozialer und spiritueller Natur und die bestmögliche Erhaltung der Lebensqualität. Da insbesondere ältere multimorbide Patienten gefährdet sind, hat die Fachgesellschaft Palliative Geriatrie Behandlungsempfehlungen für die häufigsten zu erwartenden Symptome im ambulanten Setting herausgegeben (Tab. 3) (10). Für weiterführende Informationen rund um den Covid-19 Virus hat die Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Betreuung (palliative ch) die Task Force «Fokus Corona» mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Fachgruppen Ärztinnen und Ärzte, Pflege und Seelsorge ins Leben gerufen und entsprechende Guidelines erarbeitet, die online verfügbar sind (26).
Prof. Dr. med. David Blum
Oberarzt meV Kompetenzzentrum Palliative Care
UniversitätsSpital Zürich
Klinik für Radio-Onkologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich
david.blum@usz.ch
Dr. med. Mathias Schlögl
Department für Innere Medizin
Abteilung für Akutgeriatrie, Geriatrische Rehabilitation & Langzeitpflege
5017 Barmelweid
mathias.schloegl@waid.zuerich.ch
Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Beitrag keine Interessenskonflikte deklariert.
Im Kontakt mit Schwerkranken und Sterbenden ist auf klinisch relevante Punkte wie Urteilsfähigkeit, Delirium und visionäres Erleben am Lebensende zu achten.
Kommunikative Kompetenzen können im Rahmen von interprofessionellen Lehr- und Fortbildungsveranstaltungen gelernt werden und sollten in den aktuellen Curricula der Facharztausbildung in der Schweiz verstärkte Beachtung finden.
Nicht-medikamentöse Massnahmen in der Delir-Therapie sind bei der Begleitung Sterbender besonders hilfreich.
Die Versorgung von Sterbenden umfasst körperliche, psychologische, soziale und spirituelle Massnahmen, dabei ist sie multiprofessionell und endet nicht mit dem Tod des Patienten.
1. Weiss P, Murdoch DR. Clinical course and mortality risk of severe COVID-19. Lancet Lond Engl. 2020 Mar 17;
2. Nationale Leitlinien Palliative Care 2010, Bundesamt für Gesundheit (BAG). 2010.
3. Medizin-ethische Richtlinien und Empfehlungen Palliative Care, Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). 2006.
4. Krumm N. Kernkompetenzen in der Palliativversorgung. Z Palliativmed. 2015;16:152–167.
5. Parle M, Maguire P, Heaven C. The development of a training model to improve health professionals’ skills, self-efficacy and outcome expectancies when communicating with cancer patients. Soc Sci Med 1982. 1997 Jan;44(2):231–40.
6. Fallowfield L, Jenkins V, Farewell V, Saul J, Duffy A, Eves R. Efficacy of a Cancer Research UK communication skills training model for oncologists: a randomised controlled trial. Lancet Lond Engl. 2002 Feb 23;359(9307):650–6.
7. Ramirez AJ, Graham J, Richards MA, Cull A, Gregory WM. Mental health of hospital consultants: the effects of stress and satisfaction at work. Lancet Lond Engl. 1996 Mar 16;347(9003):724–8.
8. Schildmann J, Harlein J, Burchardi N, Schlogl M, Vollmann J. Breaking bad news: evaluation study on self-perceived competences and views of medical and nursing students taking part in a collaborative workshop. Support Care Cancer Off J Multinatl Assoc Support Care Cancer. 2006 Nov;14(11):1157–61.
9. Lazzerini M, Putoto G. COVID-19 in Italy: momentous decisions and many uncertainties. Lancet Glob Health. 2020 Mar 18;
10. Kunz R, minder M. Covid-19-Pandemie: Aspekte der Palliative Care für alte und gebrechliche Menschen zu Hause und im Alters- und Pflegeheim. Fachgesellschaft Palliative Geriatrie; 2020.
11. https://www.dgpalliativmedizin.de/images/COVID_ready_communication_German-DEUTSCH_V01.pdf.
12. Paladino J, Bernacki R, Neville BA, Kavanagh J, Miranda SP, Palmor M, et al. Evaluating an Intervention to Improve Communication Between Oncology Clinicians and Patients With Life-Limiting Cancer: A Cluster Randomized Clinical Trial of the Serious Illness Care Program. JAMA Oncol. 2019 Jun 1;5(6):801–9.
13. Kiely BE, Stockler MR. Discussing Prognosis, Preferences, and End-of-Life Care in Advanced Cancer: We Need to Speak. JAMA Oncol. 2019 Jun 1;5(6):788–9.
14. Bernacki R, Paladino J, Neville BA, Hutchings M, Kavanagh J, Geerse OP, et al. Effect of the Serious Illness Care Program in Outpatient Oncology: A Cluster Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2019 Jun 1;179(6):751–9.
15. Baile WF, Buckman R, Lenzi R, Glober G, Beale EA, Kudelka AP. SPIKES-A six-step protocol for delivering bad news: application to the patient with cancer. The oncologist. 2000;5(4):302–11.
16. Zulman DM, Haverfield MC, Shaw JG, Brown-Johnson CG, Schwartz R, Tierney AA, et al. Practices to Foster Physician Presence and Connection With Patients in the Clinical Encounter. JAMA. 2020 Jan 7;323(1):70–81.
17. Schlögl M. Time Well Spent. J Palliat Med. 2018 Jul;21(7):1046–7.
18. LeBlanc TW, Marron JM, Ganai S, McGinnis MM, Spence RA, Tenner L, et al. Prognostication and Communication in Oncology. J Oncol Pract. 2019 Apr;15(4):208–15.
19. Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Medizin-ethische Richtlinien – Urteilsfähigkeit in der medizinischen Praxis. Ethik in der Medizin. 2019;31:91–102.
20. Trachsel M. Urteilsfähigkeit. Schweiz Med Forum. 2014;(2014):221–225.
21. Gaertner J, Eychmueller S, Leyhe T, Bueche D, Savaskan E, Schlögl M. Benzodiazepines and/or neuroleptics for the treatment of delirium in palliative care?-a critical appraisal of recent randomized controlled trials. Ann Palliat Med. 2019 Sep;8(4):504–15.
22. Schlögl M, Schietzel S, Kunz R, Savaskan E, Kressig RW, Riese F. [The Physical Examination of an «Uncooperative» Elderly Patient]. Praxis. 2018 Sep;107(19):1021–30.
23. Peng-Keller S. «Palliative Imagination» und Spiritual Care am Lebensende. Vol. 1. palliative.ch; 2017. 12–15 p.
24. Peng-Keller S. Symbolisierungen des ultimativen Abschieds: zum Bilderleben Sterbender. Swiss Arch Neurol Psychiatr Psychother.; 2016. 81–87 p. (167; vol. 03).
25. Inouye SK, Bogardus STJ, Charpentier PA, Leo-Summers L, Acampora D, Holford TR, et al. A multicomponent intervention to prevent delirium in hospitalized older patients. N Engl J Med. 1999 Mar 4;340(9):669–76.
26. https://www.palliative.ch/de/fachbereich/task-forces/fokus-corona/
Am 23. Januar fand am Universitätsspital Zürich der traditionelle, von der Klinik für Kardiologie organisierte Hypertonietag statt. Das Ziel war ein intensiver Gedankenaustausch zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen rund um den Bluthochdruck und dessen Folgen, wobei es galt, neue Horizonte zu entdecken und auch bisher Bekanntes in neuem Lichte zu sehen.
Prof. F. Ruschitzka
Als Einstimmung schilderte Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka, Direktor der Klinik für Kardiologie am USZ, den Ausflug von US-Präsident Donald Trump an das WEF. Gesichtet: Orange Flasche auf dem Weg nach Davos – Ein Migros-Tweet mit einem Seitenhieb gegen US-Präsident Donald Trump geht derzeit viral um.
Prof. Ruschitzka widmete sich ferner der präsidialen Gesundheitsakte, die ausser dem BMI, der erst nach einer geringen «Höhenkorrektur» mit 29.9kg/m2 noch passabel wurde. Der Referent zeigte zusammenfassend eine Hypertonie-Risikotafel der amerikanischen Präsidenten der letzten Jahrzehnte, die vom niedrigen Risiko (Obama) bis zur etablierten Krankheit (Clinton) reicht (Abb.1).
Der hypertensive Notfall
Glücklicherweise ist vor kurzem eine Übersicht über den hypertensiven Notfall im New Engl Journal of Medicine (Aldo J Peixoto NEJM 2019; 381: 19) erschienen, bemerkte Prof. Dr. med. Alain Rüdiger, Chefarzt Spital Limmattal, Schlieren, auf den er sich abstützen wolle.
Prof. A. Rüdiger
Die Bezeichnungen des hypertensiven Notfalls sind «hypertensive Krise» definiert als BD > 180/110 mmHg, hypertensive Gefahrensituation (ohne Organschaden) versus hypertensiver Notfall (mit Organschaden). Zu den Organschäden gehören Mikroangiopathie (Hämolyse, Retinopathie), Aortendissektion, Herzinsuffizienz, Myokardnekrosen, Niereninsuffizienz, Hirn-Ischämie, Hirn-Blutung, posteriores reversibles Encephalopathie-Syndrom (PRES).
Die Ursachen sind nicht oder ungenügend behandelte Hypertonie, Schmerzen, Harnverhalt, Drehschwindel, Angst. Medikamentöse Ursachen können NSAR, Steroide und Katecholamine sein, ferner Intoxikationen durch Kokain oder Amphetamine. Eine weitere Ursache sind Endokrinopathien: Phäochromozytom und Hyperthyreose, Nierenerkrankung: systemische Sklerose und Glomerulonephritis sowie das HELLP-Syndrom in der Schwangerschaft.
Die Diagnostik besteht aus Anamnese (Medikamente), Blutdruckmessung, Erfassung von Organschäden. Zu den Laborbestimmungen gehören Troponin, Kreatinin, Fragmentozyten. Ferner EKG, Echokardiographie und CT (Schädel, Thorax).
Die Therapie besteht in der Behandlung der Grundkrankheit, Verordnung von Ruhe, Anxiolyse und Schmerztherapie. Bei hypertensiver Gefahrensituation (ohne Organschaden) erfolgt ambulant oder stationär eine perorale Therapie. Der hypertensive Notfall (mit Organschaden) wird in der Intermediate Care Unit oder Intensivstation durch intravenöse Therapie behandelt.
Bei der Behandlung der hypertensiven Gefahrensituation ohne Symptome wird mit einer oralen antihypertensiven Therapie begonnen, ambulante Nachkontrollen erfolgen in den nachfolgenden Tagen. Bei Vorhandensein von Symptomen sollten eine Blutdrucksenkung auf < 180/110 mmHg und eine Kontrolle der Symptome erfolgen. Als Medikamente zur Behandlung der hypertensiven Gefahrensituation empfiehlt der Referent Nifedipin ret 20 mg, Nitroglycerin (Nitroderm TTS) 5 oder 20 mg/24h;ACE-Hemmer: Captopril, Lisinopril; Betablocker: Bisoprol, Carvediol (Dilatrend); Clonidin (Catapresan) 75-150 mg.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Behandlungsstrategien bei hypertensiven Notfällen.
Zusammenfassung
Der Referent schloss seine Ausführungen mit den folgenden wichtigen Punkten: Unterschied hypertensive Gefahrensituation (ohne Organschaden) versus Hypertensiver Notfall
Organschäden (d.h. Schaden an Gefässen, Herz, Nieren, Gehirn)
Antihypertensiva (Urapidil, Clevidipin, Esmolol) als therapeutische Optionen
Exposom und Hypertonie – viel Lärm um nichts?
Wesentliche Einflussfaktoren für den Blutdruck sind Rauchen, Trinken, fettreiche Ernährung, körperliche Inaktivität und die Genetik. Welche andern Einflussfaktoren gibt es noch?
Prof. P. Suter
Prof. Dr. med. Paolo Suter, Zürich, illustrierte dies an einem Patientenbeispiel. Der männliche Patient, Jahrgang 1960 war immer normotensiv mit ACE-I, schönes Dipping 24h ABPM, plötzlich «schwer einstellbar», Kreatinin 98 mmol/l, K 3.8 mmol/l, keine sekundäre Hypertonie, Risikostratifizierung mit AGLA-Score: niedrig. Der Blutdruck nimmt mit dem Alter zu. Dies zeigt sich praktisch bei allen Populationen, im Fallbeispiel treten die Veränderungen indessen innerhalb kurzer Zeit ein. Was ist da los? Der Referent führte die Zuhörer in die Welt des Exposoms, Foodoms und Pollutoms ein. Die genomweiten Assoziationsstudien werden nun von den exposomweiten Assoziationsstudien ergänzt.
Das Exposom wird oft in ein externes (Luft, Diät, Lärm, soziale Faktoren) und ein internes Exposom (biologisches Ansprechen auf Exposition) eingeteilt. Das Exposom kann als Summe aller Expositionen ab Beginn der Konzeption definiert werden, entsprechend hat das HELIX-Projekt eine Beziehung zwischen den Umwelt-Expositionen im frühen Leben und dem Blutdruck bei Kindern gezeigt. Die Hypertonieprävention beginnt also mit einem optimalen pränatalen Exposom. Der besagte Patient ist vom ländlichen Wasterkingen mitten in die Stadt Zürich umgezogen und fragt sich, ob dies der Grund des Blutdruckanstiegs ist. In der Tat kann die multisensorische Pollution (Licht-, Lärm-, Umwelt-, Nahrungspollution) zur Hypertonie führen. Die Konsequenzen sind 3 x mehr Tote als durch AIDS, Tuberkulose und Malaria, 15 x mehr Tote als durch Krieg und Gewalt, so der Referent.
Der Patient wohnt in Zürich an der Kreuzung Badener-/Seebahnstrasse, die stark befahren ist und wo es nie dunkel wird. Zwischen Licht bei Nacht und Dunkelheit wurde eine signifikante Zunahme von 3.3 mmHg systolisch und 2.3 mmHg diastolisch (Obayashi K et al Chronobiology Int. 2014) dokumentiert.
Eine Assoziation zwischen Blutdruck und Hypertonie zeigen ferner die Pestizide. Der Referent erwähnte die Muttertag-Studie in Ecuador, die eine Blutdruckabnahme nach dem Muttertag zeigte, die möglicherweise nach der Zunahme des Blutdrucks infolge der Pestizide in den am Muttertag verschenkten Blumen eintrat.
Umweltfaktoren wie Licht, Lärm und Pollution scheinen somit ebenso bedeutend zur Hypertonie beizutragen wie Ernährung, Rauchen, körperliche Inaktivität und Stress. «Optimieren Sie Ihr/unser Exposom!», war der entsprechende Ratschlag des Referenten.
Renale Denervation: Phönix aus der Asche?
Der Nierennervensympathikus diente als therapeutisches Zielorgan bei Hypertonie seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Damals wurde durch chirurgische Nierendenervation eine dauerhafte Blutdrucksenkung erreicht. Dies aber auf Kosten einer hohen Morbidität. Das Prinzip wurde in den Jahren 2008-2013 durch endovaskuläre renale Denervation wieder aufgenommen (Ardian – Medtronic). Nach einer negativen Schlüsselstudie fielen die zwei Hauptsponsoren aus und mehr als 90% der Beteiligten stoppten die Weiterentwicklung, stellte Prof. Dr. med. Thomas F. Lüscher, London, Zürich, eingangs fest.
Prof. T. F. Lüscher
Der Referent teilte seine Ausführungen in Verstehen, Verfeinern, Beweisen und Erweitern ein. Er präsentierte die ersten klinischen Resultate der sympathischen Splanchinektomie bei resistenter Hypertonie, deren Pionier Max Minor Peet war. Die experimentelle Evidenz zur Wirkung der renalen Denervation ergibt sich aus Untersuchungen der Noradrenalinkonzentration im Gewebe, die sowohl nach chirurgischer als auch nach katheterbasierter Denervation von ursprünglich 149pg/ml auf 14 bzw. 21pg/ml sank, wobei zwischen den beiden Verfahren kein signifikanter Unterschied resultierte.
Die Studien zur renalen Denervation
Während der systolische Blutdruck in der SIMPLICITY HTN-1-Studie noch 27 mmHg (nach 12 Monaten) gefallen war, und die SIMPLICITY HTN-2-Studie sogar einen Vorteil von 32 mmHg erzielte, betrug die Blutdrucksenkung in der SIMPLICITY HTN-3-Studie bloss 14 mmHg. Die detaillierte Auswertung der SIMPLICITY HTN-3-Studie zeigte einige Unstimmigkeiten, die das schlechte Ergebnis erklären könnten. Der wichtigste Einwand sind prozedurale Mängel: Nicht alle Patienten hatten die empfohlenen 4-6 Ablationen pro Nierenarterie erhalten. Bei zwei Patienten war die Therapie sogar nur an einem Punkt pro Arterie durchgeführt worden.
Es zeigte sich, dass die blutdrucksenkende Wirkung mit der Zahl der Ablationen korrelierte. Die beste Wirkung erfolgte, wenn 14 oder mehr Punkte der Arterienwand behandelt wurden. Ein weiterer Fehler in SIMPLICITY HTN-3 war, dass die Ablationen nicht immer an allen vier Quadranten der Nierenarterie durchgeführt wurden. Auch hier korrelierte die Wirkung mit der Zahl der behandelten Quadranten.
In einer weiteren Studie (DNERHTN) wurde der Einfluss der medikamentösen Therapie minimiert. In Patienten mit gut dokumentierter resistenter Hypertonie wurde die renale Denervation plus eine standardisierte stufenweise antihypertensive Therapie mit der renalen Denervation ohne antihypertensive Therapie verglichen. Dabei wurde der ambulatorische Blutdruck nach 6 Monaten mehr als mit der gleichen antihypertensiven Therapie allein gesenkt.
Die SPYRAL HTN-ON MED-Studie war eine mittels Scheinbehandlung kontrollierte Studie zur Untersuchung der Wirkung der renalen Denervierung auf hypertone Patienten, die einer antihypertensiven Medikation mit bis zu drei verschiedenen Medikamenten unterliegen. Verglichen wurde die Behandlungsgruppe mit einem Scheineingriff bei der Kontrollgruppe, die auch einer antihypertensiven Medikation mit gleichen Parametern unterlag. Das Ziel der Studie bestand darin, eine signifikante Blutdrucksenkung durch die renale Denervierung mit zusätzlicher Einnahme einer antihypertensiven Medikation nachzuweisen. Nach 6 Monaten Behandlung zeigte sich bei den mit RDN behandelten Patienten (n = 38) eine signifikante Reduktion des Praxis-Blutdrucks sowie des 24-Stunden-Langzeit-Blutdrucks (p < 0,05) im Vergleich mit der Kontrollgruppe.
In SPYRAL HTN-OFF MED wurden Patienten ausgewählt, bei denen keine für die Untersuchungsergebnisse möglicherweise störenden Blutdrucksenker eingesetzt wurden. Die Patienten hatten noch nie Blutdrucksenker erhalten oder diese wurden vor der Behandlung abgesetzt. Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie wurden ausgeschlossen, weil die renale Denervierung bei ihnen in früheren Untersuchungen keine Wirkung erzielt hatte. Nach drei Monaten zeigte sich bei mit RDN behandelten Patienten (n = 35) im Vergleich zu Patienten, die die Scheinbehandlung erhielten (n = 36), eine signifikante (p < 0,05) Abnahme des Praxisblutdrucks sowie des 24-Stunden-Langzeit-Blutdrucks.
Es wurden aber auch andere Verfahren getestet, wie die endovaskuläre renale Ultraschalldenervation in RADIANCE HTN SOLO. Dieses Prozedere senkte den Blutdruck bei Patienten mit kombiniert systolischer-diastolischer Hypertonie ohne medikamentöse Begleitung innerhalb von 2 Monaten signifikant in der gleichen Dimension wie sie in SPYRAL HTN gesehen wurde. Ein weiteres Verfahren, das der Referent vorstellte, ist die Transkatheter-alkoholvermittelte perivaskuläre Nierendenervation, die 2016 erstmals beim Menschen angewandt wurde. Auch diese Methode zeigte signifikante Blutdrucksenkungen sowohl systolisch als auch diastolisch. Die renale Denervation und die Studien mit diesem Verfahren sind durch die Phasen Hype, Hope und Reality gekennzeichnet. Die neuesten Studien scheinen allerdings die Wirksamkeit dieser Methode zu bestätigen.
Hypertonie – die Rolle von Belastung und Stress
Die INTERHEART-Studie untersuchte den Effekt von potentiell modifizierbaren Risikofaktoren und wurde in 52 Ländern bei 15 152 Fällen und 14 820 Kontrollen durchgeführt . Die berücksichtigten Hauptrisikofaktoren waren Nikotin, Cholesterin und Stress (Yusuf S et al. Lancet 2004;364:937-52), hielt PD Dr. med. Christian Schmied, Zürich, fest.
PD Dr. Ch. Schmied
Stress führt über Inflammation durch Aktivierung des Knochenmarks (z.B. durch IL-6) zur Koronarsklerose. Der Referent verwies auf Berichte über koronare Herzkrankheit bei US-amerikanischen Soldaten, die im Koreakrieg getötet wurden. Bei 73% der Herzen wurden starke Hinweise auf koronare Atheriosklerose gefunden. Auch Sport kann Stress bedeuten. Der Referent zeigte entsprechende Beispiele. So erfolgten im letzten Abschnitt eines Rennens wesentlich mehr Herzstillstände als in den 3 vorgängigen Abschnitten
Führt Sport zu Arteriosklerose? Teilnehmer ohne koronare Grunderkrankung entwickelten keine Krankheit (extremer Ausdauersport verursacht keine KHK, wenn kein anderer pathogener Auslöser vorliegt). 4 von 8 Läufern wiesen eine subklinische KHK auf (dies bestätigt, dass körperliche Aktivität, insbesondere Langstreckenlauf, nicht vollständig vor KHK schützt). Eine Progression der KHK wurde bei Läufern mit Basiserkrankung festgestellt.
In den aktuellen Guidelines besteht kein Konsens zum normalen Blutdruck während körperlicher Aktivität. Es gibt einige Anzeichen, dass eine exzessive Zunahme des Blutdrucks während körperlicher Aktivität eine Hypertonie unabhängig vom Ruheblutdruck verursacht. Trotzdem sind Belastungstests als Routineevaluation der Hypertonie nicht empfohlen, wegen zahlreicher Limitationen, einschliesslich eines Mangels an Standardisierung von Methoden und Definitionen.
Definition und Pathogenese der Belastungshypertonie
Wo liegt der optimale Cut-off?
Bei normotensiven Patienten gilt: je höher der Belastungsblutdruck (Perzentilen), desto wahrscheinlicher ist die Entwicklung einer zukünftigen Ruhe-Hypertonie.
Männer: > 160 mmHg syst. (bei 100W Belastung) oder > 200 mmHg (bei Maximalbelastung)
Frauen: > 190 mmHg (bei Maximalbelastung).
Die Korrelation zwischen diastolischem Blutdruck und Risiko für künftige Hypertonie ist umstritten.
58% der Normotoniker mit Belastungshypertonie zeigen eine zugrunde liegende «maskierte Hypertonie». Die Prävalenz der maskierten Hypertonie beträgt ca. 15%, die Prognose ist schlecht.
Der Referent schloss wie folgt:
Mentaler Stress ist ein massiv unterschätzter (u.a. kardialer ) Risikofaktor
Die durch mentalen und/oder physischen Stress ausgelöste «Belastungshypertonie» ist eine unterschätzte, ungenügend definierte Einheit
Die prognostische Relevanz ist klar evidenzbasiert (Ruhe-Hypertonie, kardiovaskuläre Mortalität, kardiovaskuläre Morbidität)
Bei mehr als 50% der in Ruhe normotonen Patienten mit Belastungshypertonie steht eine «maskierte Hypertonie» im Hintergrund.
Quelle: Zürcher Hypertonietag, Universitätsspital Zürich, 23. Januar 2020.
Zum 29. Mal verlieh die Stiftung Pfizer Forschungspreis am 6. Februar in Zürich ihre Auszeichnung an 19 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Forschungsarbeiten, die an Schweizer Forschungsinstituten oder Spitälern durchgeführt wurden.
Insgesamt wurden 10 Forschungsarbeiten aus 5 Bereichen der Medizin geehrt. Der Pfizer Forschungspreis ist in diesem Jahr mit CHF 150000.- dotiert.
Bereich: Herzkreislauf, Urologie und Nephrologie
Dr. Julie und ihr Team Refardt vom Universitätsspital Basel verglichen die Genauigkeit des herkömmlichen Durstversuchs zur Diagnose des Diabetes insipidus mit einer neuen auf Copeptin basierten Methode. Der Test mit Copeptin führte in 97% der Fälle zur richtigen Diagnose, während dies beim Durstversuch nur 77% betrug. Die Copeptin basierte Messung wurde zudem von den Studienteilnehmenden gegenüber dem aufwendigen und mühsamen Dursttest bevorzugt.
Literatur: A Copeptin-Based Approach in the Diagnosis of Diabetes Insipidus. Wiebke Fenske, Julie Refardt, et al. N Engl J Med. 2018; 379: 428-439.
Bereich: Infektiologie, Rheumatologie und Immunologie
In diesem Bereich wurden zwei Preise vergeben: «Aufspüren von HIV-Stämmen, gegen die effektive Antikörper-Antworten möglich sind», eine Arbeit von Prof. Roger Kouyos, Universitätsspital und Universität Zürich und Prof. Claus Kadelka, Universität Zürich (Tracing HIV-1 strains that imprint broadly neutralizing antibody responses. Roger D. Kouyos, et al. Nature. 2018; 561 (7723): 406-10).
«Die Rolle von B-Gedächtniszellen in der Aktivierung von T-Zellen bei Multipler Sklerose», Dr. Ivan Jelčić, Universitätsspital Zürich und Dr. Faiez AJ Nimer, Universität Zürich und Karolinska Institutet Stockholm.
(Memory B Cells Activate Brain-Homing, Autoreactive CD4+ T Cells in Multiple Sclerosis. Ivan Jelcic, et al. Cell. 2018 Sep 20;175(1):85-100).
Bereich: Neurowissenschaften und Erkrankungen des Nervensystems
In diesem Bereich wurden gleich 3 Arbeiten prämiert: «Bioelektrische Aktivität treibt die neuronale Vielfalt in der Hirnentwicklung an»
(Progenitor Hyperpolarization Regulates the Sequential Generation of Neuronal Subtypes in the Developing Neocortex. Ilaria Vitali, et al. Cell. 2018; 174: 1264–1276).
Die beiden Forscherinnen stellten fest, dass nicht nur das genetisch festgelegte Programm, sondern auch bioelektrische Mechanismen eine zentrale Rolle bei der Gehirnentwicklung spielen.
«Narkolepsie: Licht ins Dunkel einer rätselhaften Krankheit»
(T cells in patients with narcolepsy target self-antigens of hypocretin neurons. Daniela Latorre et al. Nature 2018; 562 (7725): 63-68) von Dr. Daniela Latorre, Istituto di Ricerca in Biomedicina (IRB), Bellinzona, Università della Svizzera italiana, Lugano, ETH Zürich und Prof. Ulf Kallweit, Inselspital, Bern und Universität Witten/Herdecke (DE).
Die Forscher identifizierten im Blut und der Hirnflüssigkeit erstmals CD4- und CD8-Lymphozyten, die gegen die von Hypokretin-produzierenden Neuronen sezernierten Proteine, inkl. Hypokretin gerichtet sind. Diese Beobachtung stellt den ersten direkten Nachweis dar, dass es sich bei der Narkolepsie um eine Autoimmunerkrankung handelt. Damit eröffnen sich neue Wege für Frühdiagnose und Therapie der Narkolepsie.
«Wieder Gehen lernen nach Querschnittslähmung durch elektrische Rückenmarksstimulation»
(Targeted neurotechnology restores walking in humans with spinal cord injury. Fabien B. Wagner et al. Nature. 2018; 563: 65–71) von der Forschergruppe Dr. Fabien B. Wagner, Dr. Jean-Baptiste Mignardot und Dr. Camille Le Goff-Mignardot, Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL).
Bereich: Onkologie
«Die zerstörerische Kraft des Immunsystems bei Prostatakrebs»
(IL-23 secreted by myeloid cells drives castration-resistant prostate cancer. Calcinotto A, et al Nature. 2018; 559 (7714): 363-369). Dr. Arianna Calcinotto, Institute of Oncology Research IOR, Bellinzona; Università della Svizzera italiana, Lugano.
Das Forschungsteam um Dr. Calcinotto identifizierte eine Anreicherung spezieller Immunzellen, der sogenannten Myeloiden Suppressorzellen. Bei Tumorpatienten unterdrücken diese die Immunantwort der Abwehrzellen und unterstützen somit das Tumorwachstum. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Zytokin IL-23, das von Myeloiden Suppressorzellen ausgeschüttet wird. Bereits ist eine Untersuchung geplant, bei der mit Antikörpern versucht werden soll, das Zytokin IL-23 und damit die Tumorunterstützung zu blockieren. «Wenn die Bremse gelöst wird: Autoimmune Nebenwirkungen bei Checkpoint Inhibitoren»
(Association of Checkpoint Inhibitor–Induced Toxic Effects with Shared Cancer and Tissue Antigens in Non–Small Cell Lung Cancer. Fiamma Berneret al. JAMA Oncol. 2019; 5: 1043-1047.)Fiamma Berner, Dr. David Bomze, Prof. Lukas Flatz, Kantonsspital St. Gallen.
Bereich: Pädiatrie
«CRISPR DNA-Reparatur: Behandlung einer genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung am Mausmodell»
(Treatment of a metabolic liver disease by in vivo genome base editing in adult mice. Lukas Villiger et al.. Nat. Med. 2018; 24: 1519–1525) Lukas Villiger, ETH Zürich.
«Weniger Medikationsfehler bei Kindern in Notfallsituationen»
(A mobile device application to reduce medication errors and time to drug delivery during simulated paediatric cardiopulmonary resuscitation: a multicentre, randomised, controlled, crossover trial. Johan N Siebert, et al. The Lancet Child & Adolescent Health. 2019;3: 303-311). Dr. Johan N. Siebert, Hôpital des enfants, Hôpitaux universitaires de Genève (HUG) und Dr. Dr. Fréderic Ehrler, HUG.
Quelle: Verleihung des Pfizer Forschungspreises, Zürich, 6.2.2020
Ein Bericht von Heinz Staffelbach in der Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 26. Mai 2019 hat uns dazu motiviert, wie empfohlen an einem drückend heissen Sommertag ein einzigartiges Naturschutzgebiet zwischen Udligenswil und Meggen bei Luzern zu entdecken. Dieses liegt mit seinen Wäldern und Moorgebieten im Bereich von auffälligen Geländerippen, die von Nordosten nach Südwesten verlaufen. Diese wurden während der alpinen Gebirgsbildung aufgeworfen. Die von Süden her dem älteren Gotthard- und Aaremassiv überschobenen Decken pflügten im Norden die im Bereich des heutigen Mittellandes liegenden Molasseschichten vor sich her. Die enormen Kräfte bewirkten, dass die mächtigen Nagelfluhbänke der Rigi nach Norden ausstreichend aufgeworfen wurden, während es westlich von Küssnacht nur noch zu kleinen Aufschiebungen reichte, die die heutige Rippenlandschaft bilden.
Ein Bericht von Heinz Staffelbach in der Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 26. Mai 2019 hat uns dazu motiviert, wie empfohlen an einem drückend heissen Sommertag ein einzigartiges Naturschutzgebiet zwischen Udligenswil und Meggen bei Luzern zu entdecken. Dieses liegt mit seinen Wäldern und Moorgebieten im Bereich von auffälligen Geländerippen, die von Nordosten nach Südwesten verlaufen. Diese wurden während der alpinen Gebirgsbildung aufgeworfen. Die von Süden her dem älteren Gotthard- und Aaremassiv überschobenen Decken pflügten im Norden die im Bereich des heutigen Mittellandes liegenden Molasseschichten vor sich her. Die enormen Kräfte bewirkten, dass die mächtigen Nagelfluhbänke der Rigi nach Norden ausstreichend aufgeworfen wurden, während es westlich von Küssnacht nur noch zu kleinen Aufschiebungen reichte, die die heutige Rippenlandschaft bilden. Der gewaltige Druck auf die Molasse während der Bildung der Alpen wurde aber quer durch das Mittelland übertragen und führte zur Auffaltung des Juragebirges. Die aufgeschobenen Rippen zwischen Udligenswil und Meggen wurden anschliessend während den Eiszeiten rund geschliffen.
Zwischen den aus harter Nagelfluh bestehenden Rippen liegen wasserundurchlässige Mergelschichten, die zu Mulden ausgewaschen wurden und die Bildung von Mooren ermöglichten.
Wir starten beim Restaurant Frohsinn in Udligenswil, das auch zur Einkehr vor oder nach der Wanderung bestens empfohlen werden kann. Wir wenden uns gegen Süden, queren die Landstrasse und das Tälchen des Würzebachs zum Waldrand hinüber. Von ferne leuchten die Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau herüber. Im Wald stossen wir auf einen breiten Weg, der noch Reste einer Pflästerung aufweist. Dieser führt uns auf die Ostseite der Rippe, auf der der Undere Wald liegt. Bei der fünften Wegverzweigung wählen wir den nach Südwesten abbiegenden Weg zum Teuffe- und Haseried. Hier wurde noch bis Ende des 2. Weltkrieges Torf gestochen, zur Befeuerung der Eisenwerke in Emmen. Immer in gleicher Richtung, eingeklemmt zwischen zwei Geländerippen erreichen wir durch Wald zuerst das Weiherried und später den Moorsee bei den Häusern von Wagemoos. Hier erwartet uns das muntere Quaken von Fröschen und der herrliche Duft der an besonnter Hauswand hochrankenden Rosen. Bänke laden an diesem wunderbaren Ort zum Rasten ein.
Südwestlich des Sees schwingen wir uns auf die Geländeerhebung im Osten, bevor wir zum Gränzetürli absteigen. Hier erfahren wir auf einer Informationstafel, dass im 18. Jahrhundert die Oberen durch Zollerhebungen an jedem erdenkbaren Ort ihre Einnahmen zu erhöhen versuchten, während die Handeltreibenden und Reisenden dies verständlicherweise zunehmend als eine unerträgliche Schikane empfanden. Entsprechend begannen sie die Zollstationen wo nur immer möglich zu umgehen, so auch zwischen Meggen und Udligenswil. Über das Gränzetürli bestand damals eine solche Route, um schadlos in den Kanton Schwyz oder in umgekehrter Richtung auf Luzerner Gebiet zu gelangen. Gegen Westen erreichen wir leicht ansteigend eine dreifache Wegverzweigung. Wir wählen jene nach rechts, überqueren nach wenigen Metern einen breiten Weg und steigen anschliessend wieder in südwestlicher Richtung ins Tälchen des Foremooses ab.
Nach der Überschreitung der Autostrasse in einer leider unübersichtlichen Kurve finden wir im Süden die Fortsetzung unseres Weges. Dieser erklimmt die Rippe, die das Foremoos nach Süden begrenzt und folgt dieser bis zu einem breiten Waldweg, über den wir die letzte Moorlichtung vor Meggen, das Bächtelemoos erreichen. Entlang des abfliessenden Baches gelangen wir schliesslich zum Waldrand bei der Buchmatt von Meggen, wo sich beim Englischen Friedhof eine Bushaltestelle der Linie 25 Richtung Luzern anbietet. Wer noch etwas weiter gehen und für die Rückfahrt nach
Udligenswil nicht umsteigen möchte, der wendet sich bei den roten Häusern am Waldrand gegen Norden und findet so den Weg zum Würzebach hinunter. Wir entscheiden uns für die Quartierstrasse, die jenseits des Baches in einem Schlag Richtung Osten zur Strasse nach Adligenswil hinauf führt. Dort treffen wir auf die Haltestelle Schädrütihalde der Buslinie 73, die uns nach Udligenswil zurückbringt (Abb. 4). Auf der Rückfahrt und im Trubel der Luzerner Agglomeration erscheint uns die Stille des soeben durchwanderten Naturschutzgebietes wie eine Fata morgana.
Aufgepasst
In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.