Experteninterviews ESMO 2020

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Reinhard Dummer, UniversitätsSpital Zürich

Welche Resultate/Erkenntnisse am ESMO 2020 haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Positiv überrascht war ich von der Wirksamkeit von anti-PD1 Antikörpern (Pembrolizumab) bei seltenen Hauttumoren. Es wurden sehr spannende Daten zur Wirksamkeit von Pembrolizumab beim klassischen Kaposi-Sarkom vorgestellt. Nach der Entscheidung, Interferone vom Markt zurück zu ziehen, haben diese Patienten sehr wenige sinnvolle Behandlungsoptionen. Mit anti-PD1 Antikörpern haben wir jetzt eine vielversprechende Alternative. Ich hoffe, dass dieses Medikament für die Indikation bald zugelassen wird. Positiv waren auch die Ergebnisse zum Einsatz von Cemiplimab bei Patienten mit Basalzellkarzinomen die nicht mehr mit Hedgehog-Inhibitoren behandelt werden können.
Enttäuscht hat mich das Ergebnis der COMBI-I Studie. Ich hätte erwartet, dass die Behandlung mit Spartalizumab Dabrafenib Trametinib wesentlich mehr Vorteile bringt.

Welche Probleme hat die Sars-CoV2 Pandemie für ihre persönliche Arbeit als Onkologe mit den Patienten gebracht?

Wir haben an unserer Klinik proaktiv Patienten und Mitarbeiter getestet und konnten so in einer COVID freien Umgebung arbeiten. Ich spüre vor allem sehr grosse Verunsicherung von Seiten der Patienten. Viele Patienten haben Angst in die Klinik zu kommen.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis eine grosse Bedeutung?

Siehe die ersten beiden Punkte Antwort 1.

Welches sind Bereiche mit noch grösstem Forschungsbedarf?

Bei den Melanomen sind es sicherlich die Aderhautmelanome. Hier müssen wir verstehen lernen warum sie weder mit Immuntherapie noch mit zielgerichteten Thera-pien beeinflussbar sind. Wichtig wäre auch ein besseres Verständnis zu den kutanen Lymphomen insbesondere den primär kutanen B-Zelllymphomen.

Gibt es Fortschritte bei der Identifizierung von Biomarkern, die als Prädiktoren für das Ansprechen der Immuntherapie eine ausreichende Zuverlässigkeit garantieren?

In der Zwischenzeit haben wir doch sehr verlässliche Biomarker. Ich denke, dass eine Kombination aus Tumor Mutational Burden und Interferon Gamma Expressionsprofil bereits sehr viel zum Ausgang einer Immuntherapie aber auch einer zielgerichteten Behandlung sagen kann. Im Bereich von Forschungsprojekten können wir diese Untersuchungen schon durchführen. Für Routineanwendungen stehen diese Untersuchungen leider noch nicht zur Verfügung. Wenn wir in diesem Bereich vorankommen möchten, müssen möglichst viele Patienten am Zentrum behandelt werden, wo über entsprechendes Biobanking die Proben eingesammelt werden und in Kooperation mit Grundlageninstituten entsprechende Untersuchungen laufen. In Zürich ist das ein grosses interdisziplinäres Projekt (Tumorprofiler).

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ESMO repräsentiert?

Ich bin hier etwas zwiegespalten. In einigen Bereichen ist die Schweiz gut vertreten. In anderen Bereichen gar nicht. Insgesamt bin ich der Meinung: die klinische Forschung in der Schweiz entspricht nicht dem wissenschaftlichen Potential des Landes.

Ihre Highlights am diesjährigen virtuellen ESMO resp. ESMO in the Alps

Anti-PD1 Therapie bei Kaposi-Sarkom und bei therapieresistenten Basalzellkarzinom.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Ulrich Güller, Thun

Welche Resultate/Erkenntnisse am ESMO 2020 haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Eine erfreuliche Überraschung waren zweifelsohne die Daten des Checkmate-649 Trials. In dieser prospektiv randomisierten Studie wurden Patienten mit HER2-negativem, metastasiertem Adenokarzinom des Magens, des gastro-ösophagealen Überganges wie auch des distalen Oesophagus eingeschlossen. Die Patienten wurden zu einer Standard Erstlinien Chemotherapie (FOLFOX/CAPOX) versus Chemotherapie plus Nivolumab randomisiert. Die Co-primären Endpunkte waren das progressionsfreie und Gesamtüberleben. In dieser Studie waren im experimentellen Arm beide primären Endpunkte statistisch signifikant besser. Der Benefit bezüglich des medianen Gesamtüberlebens war besonders relevant in der a priori definierten Subgruppe von Patienten mit einem combined positive score (CPS) von 5 oder mehr (14.4 vs 11.1 Monate). Somit ist in der CPS-high Subgruppe Chemotherapie plus Nivolumab ein neuer Standard bei diesen Patienten. Positiv überrascht haben mich ebenfalls die Daten des randomisierten Phase III ASCENT Trials: in dieser Studie wurden stark vorbehandelte Patientinnen mit metastasiertem, triple-negativem Mammakarzinom 1: 1 randomisiert zu Chemotherapie nach Wahl des behandelnden Onkologen versus Sacituzumab Govitecan (SG). Das SG ist ein Antikörper-Chemotherapie Konjugat, welches gegen Trop-2 gerichtet ist. In dieser randomisierten Studie mit über 500 Patientinnen fanden sich im SG Arm eine statistisch signifikante und klinische sehr relevante Verbesserung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens. Das mediane Gesamtüberleben war in der SG Gruppe mit 12.1 vs 6.7 Monate fast doppelt so lang, die hazard ratio betrug 0.48. Die Ansprechrate war mit 35% im Vergleich zum Standard Arm (5%) erstaunlich hoch. Bei ordentlich guter Verträglichkeit ist das SG zweifelsohne die neue Standardtherapie bei stark vorbehandelten Patientinnen mit metastasiertem, triple-negativem Mammakarzinom.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis eine grosse Bedeutung?

Nebst der obgenannten Trials ist zweifelsohne die PROFOUND-Studie hervorzuheben bei Patienten mit metastasiertem, hormonrefraktärem Prostatakarzinom (mHRPC) und einer Mutation im DNA-Reparatur-Mechanismus durch homologe Rekombination (HRR) – z. b. BRCA1/2 oder ATM. Alle Patienten waren zuvor progredient unter Abirateron (ABI) und/oder Enzalutamid (ENZA); ca. zwei Drittel der Patienten waren ausserdem mit einem Taxan, meist Docetaxel, vorbehandelt. In der Studie wurden die Patienten 2: 1 zu Olaparib oder einer Behandlung mit ABI oder ENZA (je nach Wahl des Arztes und Vortherapie) randomisiert. In der Kohorte mit BRCA 1/2 und ATM Mutation (Kohorte A) zeigte sich eine statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserung des medianen Gesamtüberlebens mit 19.1 versus 14.7 Monaten, und dies trotz eines Cross-overs von über 80%! Der Vergleich ist also nicht «Olaparaib versus no Olaparib» sondern vielmehr «early versus late Olaparib»!

Was bedeutet dieses Studienresultat für die Praxis? Soll man Patienten mit mHRPC auf BRCA1/2-Mutationen testen – und falls ja, wann?

Ja, es ist wichtig, an diese Mutationsanalysen zu denken. An der letzten Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC) in Basel sprachen sich 90% der Experten dafür aus, die Patienten zu testen. Diskutiert wurde ebenfalls der richtige Zeitpunkt: Eine Mehrzahl (52% des Experten-Panels) votierte dafür, gleich bei Diagnosestellung des metastasierten Prostatakarzinoms zu testen, die anderen waren der Meinung, erst nach der ersten Linie, weitere plädierten für eine Testung nach Ausschöpfern aller Standardtherapien. Ich bin der Ansicht, man sollte diese Analysen lieber früher als später durchführen, denn immerhin finden sich bei ca. 15 – 20% aller Patienten eine solche Mutation, und diese können u. U. von einem PARP-Inhibitor profitieren.

Welches sind Bereiche mit noch grösstem Forschungsbedarf?

Im GI-Bereich sicherlich das Pankreaskarzinom. Der am ESMO 2020 präsentierte Canadian Cancer Trials Group PA.7 ist ein weiteres von mehreren Dutzend Beispielen einer negativen randomisierten Studie bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom. In diesem Trial wurden Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom zu einer Standard-Erstlinien Chemotherapie mit Gemcitabine/nab-paclitaxel versus einer Immuno-Chemotherapie mit zusätzlich Durvalumab/Tremelimumab randomisiert. Die Hypothese war, dass die zusätzliche duale Checkpoint-Inhibitor Blockade das Gesamtüberleben verbessern würde. Leider fanden sich keine signifikanten Unterschiede, weder beim Gesamtüberleben, noch beim progressions-freien Überleben oder bei der Ansprechrate. Das Pankreasadenokarzinom gilt als «immunological desert» und Checkpoint Inhibitoren sind schlicht nicht wirksam.

Gibt es Fortschritte bei der Identifizierung von Biomarkern, die als Prädiktoren für das Ansprechen der Immuntherapie eine ausreichende Zuverlässigkeit garantieren?

Uns fehlen nach wie vor gute, prädiktive Marker für Checkpoint Inhibitoren. Der einzige, wirklich verlässliche Marker im Bereiche der gastroinestinalen Malginome ist die fehlende MMR-Proteinexpression, resp. Mikrosatelliteninstabilität (MSI-high). Diese Erkenntnis hat im 2020 auch zu einem Paradigmenwechsel geführt mit Pembrolizumab als neue Standard-Frontlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom und MMR-Defizienz/MSI-high (Keynote-177 Studie) und in derselben Situation beim metastasierten Magenkarzinom (Subgruppen-Analyse der Keynote 062-Studie). Wie bei diesem ESMO und speziell in der Checkmate-649 Studie gezeigt, haben Patienten mit hohem CPS einen grösseren Benefit von Checkpoint Inhibitoren. Nichtsdestotrotz stecken wir im Verständnis der prädiktiven Markern bei den gastro-intestinalen Malignomen in den Kinderschuhen. Die Identifikation neuer und verlässlicher Prädiktoren für die Wirksamkeit von Checkpoint Inhibitoren ist von kardinaler Bedeutung.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit PD Dr. med. Richard Cathomas, Chur

Welche Resultate/Erkenntnisse am ESMO 2020 haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Insgesamt hat mich dieses Jahr am ESMO erneut die Fülle an neuen Resultaten aus grossen Studien in fast allen Bereichen der Onkologie überrascht. Mittlerweile werden am ESMO fast mehr Phase 3 Studien vorgestellt als am ASCO und der Kongress ist enorm aktuell und gut organisiert – auch virtuell. Hier darf den Organisatoren der ESMO ein sehr grosses Lob ausgesprochen werden. Eine negative Tendenz ist die zunehmende Unart, dass Studien früh (oder zu früh) gezeigt werden, bevor die relevanten Endpunkte erreicht sind. Dies mag kurzfristig für die Industrie interessant sein, ist aber weder für uns Onkologen noch für die Patienten hilfreich sondern verwirrend und führt nicht selten auch zu falschen voreiligen Schlüssen.

Welche Probleme hat die Sars-CoV2 Pandemie für ihre persönliche Arbeit als Onkologe mit den Patienten gebracht?

Der Alltag in der Klinik hat sich mit Covid im Verlaufe der vergangenen Monate immer wieder geändert. Bei uns standen bei den Patienten anfänglich wie wohl überall Angst und Unsicherheit im Vordergrund. Mittlerweile scheinen sich die Meisten damit arrangiert zu haben wobei die Einschränkungen bei den Spitalbesuchen (Besucherregelungen, Maskenpflicht) von den Patienten vermehrt kritisch aufgenommen werden. Für die Mitarbeiter und Teams hat die Pandemie zunehmend negativen Einfluss auf die Zusammenarbeit und die Weiterbildung. Mir persönlich fehlt am meisten, dass ich beim Gespräch mit dem Patienten dessen Gesicht nicht sehen kann, was die Kommunikation und die optimale Begleitung immer wieder erschwert.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis eine grosse Bedeutung?

Beim metastasierten Blasenkarzinom ist meines Erachtens mit den beiden negativen Phase 3 Studien Keynote-361 (Alva et al, abstract LBA 1572) und Danube (Powles et al, abstract 697O) der Einsatz von Immuntherapie in der Erstlinientherapie als alleinige Behandlung oder in Kombination mit Chemotherapie vorerst nicht indiziert. Stattdessen sollten die Patienten primär eine Platin-basierte Chemotherapie erhalten und anschliessend allenfalls eine Erhaltungstherapie mit dem Immunologikum Avelumab (Studie Javelin 100, abstract 704MO bzw. NEJM 2020). Beim Prostatakarzinom haben sich BRCA 1 und 2 als prädiktive Marker für die Therapie mit PARP Inhibitoren etabliert und sollten beim metastasierten kastrationsresistenten Patienten bestimmt werden (Studie Profound, abstract 610O bzw NEJM 2020).

Welches sind Bereiche mit noch grösstem Forschungsbedarf?

Sehr viele Gebiete in denen jahrelang fast keine Fortschritte erzielt wurden haben kürzlich einen grossen Schub erfahren. Das Gebiet mit den geringsten Fortschritten erscheint mir im Moment das kolorektale Karzinom. Hier haben das Screening und verbesserte Metastasenchirurgie einen grossen Impact gehabt, aber bei der Therapie in der Palliativsituation fehlen wirklich durchschlagende Erfolge und das zeigt sich auch in der Therapie dieser Patienten die oft frustrierend ist.

Gibt es Fortschritte bei der Identifizierung von Biomarkern, die als Prädiktoren für das Ansprechen der Immuntherapie eine ausreichende Zuverlässigkeit garantieren?

Nicht wirklich. PD-L1 stellt sich immer mehr als Trugbild heraus und kann in den meisten Fällen keine prädiktive Hilfe sein. Dasselbe gilt für den Mutationsload (TMB). Einzig das Vorhandensein von Mismatch-Repair (MMR) Defizienz scheint übergreifend prädiktiv für ein Ansprechen auf Immuntherapie zu sein und kann tumor-agnostisch verwendet werden. Es ist zu hoffen, dass in den nächsten Jahren weitere klare Subgruppen definiert werden können.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ESMO repräsentiert?

Unter anderem Dank der aktuellen ESMO Präsidentin Prof. Solange Peters war die Schweiz in verschiedenen Sessions am scientific weekend des ESMO 2020 als Chair oder Discussant gut vetreten. Demgegenüber schafften es nur wenige Schweizer Studien in die oral sessions. Eine der wenigen Ausnahmen war die SARS-CoV2 Studie der SAKK die Prof. Markus Jörger an einer Mini-oral session vorstellen durfte (SAKK 80/20, abstract LBA 80).

Ihre Highlights am diesjährigen virtuellen ESMO resp. ESMO in the Alps?

Ich bin positiv überrascht gewesen, wie gut das Format des virtuellen Meetings geklappt hat. Das Format mit voraufgezeichneten Talks und anschliessender online Diskussion der Chairs und Referenten war lebhaft und spannend und war im Vergleich zu den Live-Kongressen eigentlich offener und direkter und somit aussagekräftiger. Dies machte das Fehlen der Diskussion der Resultate mit internationalen Kollegen bis zu einem gewissen Teil wett. Ich bin gespannt zu sehen, wie sich die grossen Meetings in den nächsten Jahren aufgrund der Erfahrungen von 2020 verändern werden.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Miklos Pless, Winterthur

Welche Resultate/Erkenntnisse am ESMO 2020 haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Dieses Jahr waren die positiven Resultate beim Ösophagus- und Magenkarzinom im Vordergrund. Es war auch höchste Zeit bei diesen beiden Entitäten Fortschritte zu sehen. Die gezeigten Resultate waren sehr ermutigend. Für mich als Lungenonkologen war vor allem die Lung-Art Studie interessant. Die Diskussion einer postoperativen Radiotherapie beim nichtkleinzelligen Bronchuskarzinom im Stadium IIIA/N2 ist über 30 Jahre alt und die Frage konnte jetzt endlich gelöst werden: Es braucht die postoperative Radiotherapie nicht.

Welche Probleme hat die Sars-CoV2 Pandemie für ihre persönliche Arbeit als Onkologe mit den Patienten gebracht?

Natürlich hat uns die Pandemie sehr betroffen, und auch betroffen gemacht. Für uns alle, Ärzte, Pflege, Forschende und vor allem Patienten ist das eine ganz neue und extrem herausfordernde Situation. Wir haben sehr früh auf einen Zweischichtbetrieb umgestellt, und alle nicht wirklich wichtigen Konsultationen, z.B. Nachsorgen oder Blutbildkontrollen virtuell durchgeführt oder ausgelassen. Eine grosse Sorge war und ist, dass die Onkologiepflege ausfallen könnte. Dann wäre es, wahrscheinlich über mehrere Wochen, unmöglich Chemotherapien zu verabreichen. Dieses Fachwissen ist praktisch nicht ersetzbar und die Dienstleistung kann man natürlich auch nicht virtuell anbieten. Glücklicherweise sind unserer Patienten sehr vorsichtig und befolgen die Hygienemassnahmen recht gewissenhaft.

Welche Erkenntnisse bezüglich Sars-COV2 konnten Sie mitnehmen:

Es gab dieses Jahr gleich 2 poffered paper sessions am ESMO. Das zeigt die enorme Wichtigkeit des Themas, aber auch, dass wichtige klinische Studien sofort eingeleitet wurden, unter anderem auch die SAKK Studie 80/20. Die Schwierigkeit aller Studien ist der Nenner: beziehen sich die Zahlen auf die ganze Bevölkerung? Auf alle Krebspatienten? Auf alle Patienten die Hospitalisiert werden mussten? Daher sind sehr viele bias unvermeidbar: Selection-bias z.B. underreporting (nur die schwer kranken Krebspatienten erfasst), undertreatment (keine IPS Plätze für Krebspatienten), misclassification (Differentialdiagnose Pneumonitis unter Immuntherapie vs. COVID Infekt) u.v.m. Es kristallisiert sich aber heraus, dass die Diagnose Krebs mit einem etwas höheren Risiko eines schweren Verlaufs korreliert, das scheint vor allem für Lungenkarzinome und noch mehr für hämatologische Tumore zuzutreffen. Für mich eine der qualitativ besten Arbeiten ist diejenige von Williamson et al, welche in Nature im Juli publiziert wurde. Sie hatten vom NHS Patienten-Angaben über 17 Millionen Patienten zur Verfügung, darunter fast 11’000 COVID19 Fälle: das sind sehr robuste Daten.
(doi: 10.1038/s41586-020-2521-4)

Welches sind Bereiche mit noch grösstem Forschungsbedarf?

Das ist jetzt ein Themenwechsel: für einen Kliniker ist das einfach, die Entitäten mit dem grössten Handlungsbedarf sind klar das Pankreaskarzinom und das Glioblastom.

Gibt es Fortschritte bei der Identifizierung von Biomarkern, die als Prädiktoren für das Ansprechen der Immuntherapie eine ausreichende Zuverlässigkeit garantieren?

Kurz gesagt: Nein

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ESMO repräsentiert?

Die Schweiz ist am ESMO recht gut repräsentiert. Einerseits durch verschiedene zusammenarbeiten mit internationalen kooperativen Gruppen wie der IBCSG, der EORTC, ETOP oder der Deutschen Hodgkin Gruppe. Andererseits zeigt die Schweiz eine konstante und qualitativ hochstehende eigene Forschungsleistung, vor allem repräsentiert durch die SAKK, das war auch dieses Jahr wieder der Fall.

Ihre Eindrücke zum virtuellen ESMO resp. ESMO in the Alps?

Dieses Jahr wurden alle grossen Kongresse virtuell durchgeführt. In vielerlei Hinsicht war das sehr eindrücklich: es ist bemerkenswert wie schnell grosse Organisationen wie ESMO sich dieser Herausforderung gestellt haben und innerhalb kurzer Zeit ein technisch und qualitativ hervorragendes Meeting organisieren konnten. Auch die Solidarität unter den Onkologen war schön mit zu erleben, man war tolerant, empathisch und enthusiastisch, trotz der widrigen Umstände. Dennoch vermisse ich, und ich bin damit sicher nicht alleine, den direkten Austausch mit den Kollegen und die Diskussion gerade im Anschluss an einen guten oder wichtigen Vortrag. Ich hoffe darum sehr, dass es uns bald wieder möglich sein wird «live» Meetings abzuhalten.

Eleonore E. Droux

Kongressausgabe der info@herz+gefäss

Hier finden Sie das PDF der ESC-Kongresszeitung

EDITORIAL ESC-Kongress 2020 *virtuell*– die digitale Erfahrung

Nach Ausbruch der COVID-19 Pandemie sah es zunächst so aus, als müsste der geplante ESC Kongress 2020 abgesagt werden. Trotz der logistischen und technischen Herausforderungen wurde der Kongress als «Online Veranstaltung des Jahres zum Rekord brechenden Ereignis: 125 000 Angehörige der Gesundheitsberufe aus 213 Ländern stellen ein neues Rekordergebnis dar!

Dies natürlich auch bedingt durch die spezielle Situation – ausgelöst durch die COVI-19 Pandemie – die praktisch sämtliche Länder getroffen hat und das Reisen grösstenteils verunmöglichte.

Die perfekte Organisation und das ausgesuchte Programm trugen indessen ebenso zum grossen Erfolg der Veranstaltung bei.

Neue Leitlinien, praxisrelevante Studien und vieles mehr, was die kardiologische Praxis wesentlich beeinflussen könnte, wurde in über 500 Sessions von einer Fakultät von 750 Experten zusammengestellt.

Zehntausende von Kardiologen konnten mit einem einfachen Mausklick verbunden, die neuesten Ergebnisse weltweiter Forschung erfahren. Trotz all dieser Fortschritte und Annehmlichkeiten blieben der soziale Kontakt und die persönlichen Austausche, die einen Kongressbesuch ebenso ausmachen wie das Erfahren der neuesten Forschungsergebnisse, dieses Jahr leider auf der Strecke.

Wir versuchen mit unserer Kongress-Zeitung den ESC-Kongress nochmals aufleben zu lassen und die wichtigsten neuen Erkenntnisse auch denjenigen, die die 4 Tage nicht vor dem Computer verbringen konnten, näher zu bringen.

Eleonore E Droux
Verlegerin & Publizistische Leitung

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen
Wissenschaftliche Leitung

ESC Congress 2020 – Hot Line Präsentationen

Auch dieses Jahr wurden am virtuellen ESC Congress wichtige Studien in Form von Hot Line Präsentationen vorgestellt. Die folgende Zusammenfassung gibt eine Übersicht über einzelne Präsentationen

EXPLORER-HCM

Erfolg bei obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie

Mavacamten verbessert die Herzfunktion und die Symptome bei Patienten mit obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie, so die Ergebnisse der EXPLORER-HCM-Studie, die in einer Hotline-Sitzung auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurden «Die Ergebnisse dieser entscheidenden Studie unterstützen eine Rolle für eine krankheitsspezifische Therapie der obstruktiven hypertrophen Kardiomyopathie (HCM), die die Ursache behandelt, anstatt nur die Symptome zu managen», sagte Studienleiter Prof. Iacopo Olivotto von der Careggi Universitätsklinik in Florenz, Italien.
Von der HCM sind etwa 1 von 500 Menschen betroffen. Sie wird definiert als linksventrikuläre Hypertrophie, die nicht durch eine andere Herz- oder Systemerkrankung erklärt werden kann. Die Mehrheit der HCM-Patienten leidet an einer obstruktiven HCM, bei der eine Kombination aus kardialer Hypertrophie, übermässiger Kontraktilität und abnormaler Bewegung der Mitralklappe den Blutfluss vom linken Ventrikel zur Aorta blockiert oder reduziert – dies wird als Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT) bezeichnet.
Zu den häufigen Symptomen gehören Dyspnoe, atypische Brustschmerzen, Herzklopfen, Müdigkeit, Schwindelgefühl oder Ohnmacht. Einige Menschen haben wenige oder keine Symptome. Aber für andere ist HCM eine schwächende und lebensverändernde Krankheit, die zu körperlichen Einschränkungen und geringerer Lebensqualität führt. Bei einigen Patienten schreitet die Remodellierung der linken Herzkammer zu einer refraktären Herzinsuffizienz fort.
Die derzeit verfügbaren medizinischen Behandlungsmethoden konzentrieren sich auf die Linderung der Symptome und versäumen es, die der obstruktiven HCM zugrunde liegenden Ursachen anzugehen. Diese unspezifischen Mittel haben oft eine bescheidene Wirksamkeit oder erhebliche Nebenwirkungen. Die chirurgische Septummyektomie und die Alkoholseptumablation sind wirksam, bergen jedoch die mit invasiven Verfahren verbundenen Risiken und erfordern spezifisches Fachwissen, das nicht immer verfügbar ist. Daher ist eine wirksame pharmakologische Therapie der obstruktiven HCM ein wichtiges, nicht erfülltes Bedürfnis.
Mavacamten ist ein erstklassiger kardialer Myosin-Inhibitor, der direkt auf die zugrunde liegende Pathophysiologie der HCM abzielt und die normale Herzfunktion wiederherstellt. In frühen klinischen Studien führte die Behandlung mit Mavacamten zu signifikanten Verbesserungen der Symptome, der körperlichen Funktion, der körperlichen Belastbarkeit und der Lebensqualität und reduzierte die LVOT-Obstruktion bei Patienten mit obstruktiver HCM.
EXPLORER-HCM war eine zentrale, globale, randomisierte, placebokontrollierte klinische Studie der Phase 3, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von Mavacamten bei der Behandlung der symptomatischen obstruktiven HCM getestet wurde. Insgesamt 251 Patienten erhielten 30 Wochen lang einmal täglich Mavacamten oder ein Placebo. Die Endpunkte wurden gewählt, um die körperliche Belastbarkeit, die Symptome, die LVOT-Obstruktion, den funktionellen Status und die Lebensqualität zu untersuchen.
Der primäre Endpunkt bewertete den Behandlungseffekt von Mavacamten in Woche 30 im Vergleich zu Placebo sowohl auf die Symptome als auch auf die Herzfunktion. Er wurde definiert als 1) ≥1.5 ml/kg/min Verbesserung des Spitzen-Sauerstoffverbrauchs (VO2-Spitzenwert) und ≥1 Reduktion der New York Heart Association (NYHA)-Klasse ODER 2) ≥3.0 ml/kg/min Verbesserung des VO2-Spitzenwertes und keine Verschlechterung der NYHA-Klasse. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Veränderung des LVOT-Gradienten nach dem Training von der Basislinie bis zur 30. Woche sowie von Patienten gemeldete Endpunkte wie der Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire-Clinical Summary Score (KCCQ-CSS) und der HCM-Symptomfragebogen-Shortness-of-Breath (HCMSQ-SoB)-Subscore.
In Woche 30 erreichten 45 (36,6%) Mavacamten-Patienten den primären zusammengesetzten Endpunkt im Vergleich zu 22 (17,2%) Placebo-Patienten (p=0,0005). Alle sekundären Endpunkte, einschliesslich des LVOT-Gradienten nach der Übung und der von den Patienten berichteten Endpunkte, zeigten ebenfalls statistisch signifikante Verbesserungen für Mavacamten im Vergleich zu Placebo (alle p<0,0006).
Sicherheit und Verträglichkeit von Mavacamten waren ähnlich wie bei Placebo. Etwa 11 schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden bei 8,1% der Patienten mit Mavacamten berichtet, gegenüber 20 Ereignissen bei 8,6% der Patienten mit Placebo. Schwerwiegende kardiale Nebenwirkungen traten bei vier Patienten auf, die mit Mavacamten behandelt wurden (zwei Vorhofflimmern, zwei Stresskardiomyopathie), und vier in der Placebogruppe (drei Vorhofflimmern, ein Vorhofflimmern und kongestive Herzinsuffizienz).sagte Professor Olivotto: «Die Gesamtheit und Konsistenz der Ergebnisse zeigte einen Nutzen der Mavacamten-Behandlung im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit einer HCM-Hintergrundtherapie. Mavacamten verbesserte die Funktionsfähigkeit, den LVOT-Gradienten, die Symptome und Schlüsselaspekte der Lebensqualität bei Patienten mit obstruktiver HCM und wurde im Allgemeinen gut vertragen. Die Rhythmuskontrolltherapie verbessert die Ergebnisse bei Patienten mit Vorhofflimmern.

WFR

Herzinfarktrisiko bei Patienten mit Diabetes halbiert sich in 15 Jahren

Die drastische Senkung des Herzinfarktrisikos bei Patienten mit Diabetes fällt mit einer starken Zunahme des Einsatzes von Präventivmedikamenten zusammen.

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei der Diagnose von Typ-2-Diabetes die Einnahme von Medikamenten zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einen erheblichen Einfluss auf das Risiko von Herzinfarkten und vorzeitigem Tod hat», sagte die leitende Prüfärztin Dr. Christine Gyldenkerne vom Universitätskrankenhaus Aarhus, Dänemark.
Menschen mit Typ-2-Diabetes haben im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes ein doppelt so hohes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden oder an einer Herzerkrankung zu sterben.
Das Management von Patienten mit Typ-2-Diabetes hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich verändert, wobei der Schwerpunkt verstärkt auf der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen liegt. Dies war die erste Studie, in der untersucht wurde, wie sich diese Veränderungen auf das Risiko von Herzinfarkt und vorzeitigem Tod bei Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes und keiner früheren Herz-Kreislauf-Erkrankung ausgewirkt haben könnten.
Die Forscher identifizierten alle Patienten in Dänemark, die von 1996 bis 2011 eine Therapie für Typ-2-Diabetes einleiteten – insgesamt 211’278 Patienten. Jeder Patient mit Diabetes wurde hinsichtlich Alter und Geschlecht mit fünf Personen ohne Diabetes aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Personen mit früheren Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden ausgeschlossen.
Alle Teilnehmer wurden sieben Jahre lang beobachtet. Anhand von Daten aus nationalen Gesundheitsregistern erfassten die Forscher Herzinfarkte und Todesfälle während der Nachbeobachtung. Sie vermerkten auch den Einsatz von Medikamenten zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Zeitpunkt der Diabetes-Diagnose.
Die Forscher stellten fest, dass bei Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes und ohne vorherige Herz-Kreislauf-Erkrankung das Risiko für Herzinfarkt und Tod stark reduziert wurde. Von 1996 bis 2011 wurde das relative Risiko für einen Herzinfarkt um 61% und für den Tod um 41% gesenkt. Im gleichen Zeitraum sanken die absoluten Risiken für Herzinfarkt und Tod um 4% bzw. 12%.
Vergleicht man Patienten mit Diabetes mit der Allgemeinbevölkerung, so verringerten sich die anfänglich grossen Unterschiede im Risiko im Laufe der Zeit. Am Ende der Studie war das Herzinfarktrisiko bei Patienten mit Diabetes nur noch geringfügig – 0,6% – höher als in der Allgemeinbevölkerung.
Bei Diabetikern stieg die Einnahme cholesterinsenkender Medikamente um mehr als das Zehnfache, Aspirin um 50% und blutdrucksenkende Medikamente um bis zu viermal während des Studienzeitraums.
sagte Dr. Gyldenkerne: «Das Risiko für Herzinfarkt und vorzeitigen Tod bei Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes und keiner früheren Herz-Kreislauf-Erkrankung wurde von 1996 bis 2011 ungefähr halbiert. Im gleichen Zeitraum verringerte sich der Unterschied im Risiko für Herzinfarkt und Tod bei Patienten mit Diabetes im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erheblich», sagte Dr. Gyldenkerne. Sie merkte an, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handele und ein Kausalzusammenhang nicht angenommen werden könne. Dr. Gyldenkerne sagte: «Neben dem Einsatz von Präventivmedikamenten können andere Faktoren die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes und eines vorzeitigen Todes beeinflusst haben. Zum Beispiel könnten eine strengere Kontrolle von Diabetes und Änderungen des Lebensstils wie Raucherentwöhnung, körperliche Aktivität und gesündere Ernährung zu der verbesserten Prognose beigetragen haben».

WFR

EMPEROR-Reduced

SGLT2-Hemmer erfolgreich bei Herz-insuffizienzmit reduzierter Auswurffraktion

Die EMPEROR-Reduced-Studie wurde konzipiert, um die Wirkungen von Empagliflozin 10 mg einmal täglich (im Vergleich zu Placebo) bei Patienten mit Herzinsuffizienz und einer reduzierten Auswurffraktion, mit oder ohne Diabetes, die bereits alle geeigneten Behandlungen für Herzinsuffizienz erhielten, zu untersuchen.3
Der primäre Endpunkt war die Zusammensetzung aus kardiovaskulärem Tod oder Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz. Sekundäre Endpunkte umfassten unerwünschte Nierenergebnisse, definiert als chronische Dialyse oder Nierentransplantation oder anhaltende Reduktion der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR).
Durch die Anpassung der Eignung auf der Grundlage der natriuretischen Peptidspiegel an die Ejektionsfraktion der Ausgangssubstanz wurden in die Studie bevorzugt Patienten mit höherem Risiko aufgenommen, die in früheren Studien nicht gut repräsentiert waren.
In die Studie wurden 3.730 Patienten mit Herzinsuffizienz und einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von 40% oder weniger, mit oder ohne Diabetes, aufgenommen. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip einmal täglich 10 mg Empagliflozin oder Placebo verabreicht.
Während einer medianen Nachbeobachtung von 16 Monaten trat der primäre Endpunkt bei 361 Patienten in der Empagliflozin-Gruppe und 462 Patienten in der Placebo-Gruppe auf (Hazard Ratio [HR] 0,75; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,65-0,86; p<0,0001). Empagliflozin reduzierte die Gesamtzahl der Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz (HR 0,70; 95% KI 0,58-0,85; p<0,001). Unerwünschte Nierenresultate traten bei 30 Patienten in der Empagliflozin-Gruppe und 58 Patienten in der Placebo-Gruppe auf (HR 0,50; 95% KI 0,32-0,77; p<0,01). Unkomplizierte Urogenitaltrakt-Infektionen traten in der Empagliflozin-Gruppe häufiger auf (1,3% vs. 0,4%), aber die Häufigkeit von Hypotonie, Volumendepletion und Hypoglykämie war in beiden Gruppen ähnlich.
Dies sagte der leitende Prüfarzt Dr. Milton Packer vom Baylor University Medical Centre, Dallas, Texas: «Empagliflozin reduzierte das Risiko schwerer Herzinsuffizienzereignisse um 30% und senkte das Risiko schwerwiegender unerwünschter Nierenausfälle um 50%. Diese Studie dehnt den Nutzen von SGLT2-Inhibitoren auf Patienten mit höherem Risiko aus und zeigt zum ersten Mal einen signifikanten Nutzen für das Nierenergebnis bei Patienten mit Herzinsuffizienz».
sagte Dr. Packer: «Auf der Grundlage der kombinierten Ergebnisse unserer Studie (zusammen mit der früheren Studie mit Dapagliflozin) glauben wir, dass die SGLT2-Inhibition mit Empagliflozin und Dapagliflozin nun zu einem neuen Behandlungsstandard für Patienten mit Herzinsuffizienz und einer reduzierten Ejektionsfraktion werden wird.

WFR

EAST-AFNET-4-

Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern profitieren von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie

Die Rhythmuskontrolltherapie wird in der Regel verzögert, es sei denn, die Patienten haben anhaltende Symptome bei ansonsten wirksamer Rhythmuskontrolle. In der EAST-AFNET 4-Studie wurde untersucht, ob eine kurz nach der Diagnose durchgeführte Rhythmuskontrolltherapie – mit Antiarrhythmika oder Ablation – die Ergebnisse verbessert.

«Das Risiko schwerer kardiovaskulärer Komplikationen und des Todes bei Patienten mit Vorhofflimmern ist im ersten Jahr nach der Diagnose am höchsten, was darauf hindeutet, dass eine frühe Therapie am vorteilhaftesten sein könnte», sagte der leitende Prüfarzt Prof. Paulus Kirchhof vom Universitäts-Herz- und Gefässzentrum UKE Hamburg, Deutschland, und der Universität Birmingham, Grossbritannien. «Darüber hinaus verursacht Vorhofflimmern innerhalb weniger Wochen nach Ausbruch der Krankheit Vorhofschäden. Eine frühzeitige Rhythmuskontrolltherapie könnte diese Schädigung reduzieren oder verhindern und dadurch wirksamer machen».
Im ersten Jahr der Diagnose Vorhofflimmern und mit mindestens zwei Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden im Zeitraum 2011 bis 2016 insgesamt 2.789 Patienten aus 135 Standorten in 11 Ländern aufgenommen. Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 zu einer frühen Rhythmuskontrolltherapie oder einer üblichen Behandlung randomisiert und nach Standorten stratifiziert. Die Patienten in beiden Gruppen erhielten eine Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Antikoagulation und Rhythmuskontrolle gemäss den Richtlinien.
Die Patienten in der frühen Rhythmuskontrollgruppe erhielten Antiarrhythmika oder eine Katheterablation (von den lokalen Studienteams ausgewählt). Die Rhythmuskontrolltherapie wurde eskaliert, wenn rezidivierendes Vorhofflimmern klinisch oder per EKG dokumentiert wurde, einschliesslich der Überwachung mit patientenoperierten EKG-Geräten.
Patienten in der üblichen Versorgungsgruppe wurden zunächst mit einer Rhythmuskontrolle behandelt. Die Rhythmuskontrolltherapie wurde nur zur Linderung schwerer vorhofflimmerbedingter Symptome trotz optimaler Frequenzkontrolle unter Beachtung der aktuellen Leitlinien eingesetzt.
Der erste primäre Endpunkt war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Schlaganfall, sich verschlechternder Herzinsuffizienz und akutem Koronarsyndrom. Der zweite primäre Endpunkt waren Krankenhausaufenthalte pro Jahr. Der primäre Endpunkt der Sicherheit war eine Kombination aus Schlaganfall, Tod durch alle Todesursachen und schweren unerwünschten Ereignissen, die durch die Rhythmuskontrolle verursacht wurden.
Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5,1 Jahren trat der erste primäre Endpunkt bei 249 Patienten unter Frühtherapie und bei 316 Patienten in der Regelversorgung auf. Angepasst an das Gruppen-sequentielle Studiendesign trat er bei Patienten mit früher Rhythmuskontrolle seltener auf (Hazard Ratio [HR] 0,79; Konfidenzintervall [CI] 0,67-0,94; p=0,005). Die absolute Risikoreduktion mit früher Rhythmuskontrolle betrug 1,1% pro Jahr.
Der klinische Nutzen einer frühen Rhythmuskontrolle war in allen Untergruppen konsistent, einschliesslich asymptomatischer Patienten und Patienten ohne Herzinsuffizienz. Alle Komponenten des primären Endpunkts traten bei Patienten, die einer frühen Therapie randomisiert wurden, numerisch seltener auf, und kardiovaskuläre Todesfälle und Schlaganfälle waren im Vergleich zur üblichen Behandlung signifikant reduziert.
Hinsichtlich des zweiten primären Endpunktes gab es zwischen den Gruppen keinen Unterschied bei den Krankenhausübernachtungen (Frühtherapie 5,8±21,9 Tage/Jahr; übliche Versorgung 5,1±15,5 Tage/Jahr; p=0,226).
Der primäre Sicherheitsendpunkt unterschied sich nicht zwischen den Gruppen (Frühtherapie 231 Ereignisse; Regelversorgung 223 Ereignisse). Komplikationen der Rhythmuskontrolltherapie traten bei Patienten unter frühzeitiger Therapie häufiger auf, traten aber im Einklang mit anderen neueren Rhythmuskontrollstudien seltener auf.
Prof. Kirchhof sagte: «Eine Rhythmuskontrolltherapie, die kurz nach der Diagnose von Vorhofflimmern eingeleitet wird, reduziert kardiovaskuläre Komplikationen, ohne die Krankenhausverweildauer zu erhöhen und ohne Sicherheitsbedenken. Diese Ergebnisse haben das Potenzial, die klinische Praxis frühzeitig nach der Diagnose von Vorhofflimmern vollständig in Richtung einer Rhythmuskontrolltherapie zu verändern».

WFR

ATPCI-Trial

Angina-Präparat verbessert die Ergebnisse nach erfolgreicher Revaskularisierung nicht

Trimetazidin, das nach erfolgreicher perkutaner Koronarintervention (PCI) verabreicht wird, verbessert laut Ergebnissen der ATPCI-Studie auf dem ESC-Kongress 2020 die Ergebnisse bei Patienten mit chronischen oder akuten Koronarsyndromen nicht.1
Unter Angina pectoris versteht man einen einengenden Schmerz oder Unbehagen im vorderen Brustbereich oder im Nacken, Kiefer, Schulter oder Arm aufgrund eines verminderten Blutflusses zum Herzen. Sie kann bei akuten Koronarsyndromen (ACS) und chronischen Koronarsyndromen (CCS) auftreten.
Die PCI verbessert die Prognose bei akuten Patienten und kann die Symptome bei chronischen Patienten, die auf Medikamente nicht ansprechen, lindern. Frühere Studien haben jedoch gezeigt, dass die Angina trotz antianginöser Therapie und erfolgreicher PCI bei 30% der Patienten wieder auftritt. Es gibt nur wenige aktuelle Daten über den prognostischen Nutzen von Antiangina-Medikamenten bei Patienten nach einer PCI.
Die randomisierte ATPCI-Studie untersuchte die Wirkung von Trimetazidin, das nach der PCI zur Standardtherapie hinzugefügt wurde. Im Gegensatz zu typischen Angina pectoris-Medikamenten, die den Blutfluss durch Entspannung und Erweiterung der Blutgefässe verbessern, schützt Trimetazidin vor Myokardischämie, indem es den Stoffwechsel des Herzens verbessert und die Verwendung von Glukose begünstigt.
In die Studie wurden 6.007 Patienten aufgenommen, die sich erfolgreich einer PCI unterzogen hatten, entweder elektiv für eine stabile Angina pectoris (n=3.490) oder dringend für eine instabile Angina pectoris oder einen Myokardinfarkt ohne ST-Erhöhung (n=2.517). Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip Trimetazidin oder Placebo zugeteilt.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Kombination aus Herztod oder Krankenhausaufenthalt wegen eines kardialen Ereignisses oder rezidivierender/persistierender Angina pectoris, die zu einem Hinzufügen, Umschalten oder Erhöhen der Dosis von Antiangingmitteln oder einer Koronarangiographie führte.
Nach einer medianen Nachbeobachtung von fünf Jahren trat der primäre Wirksamkeitsendpunkt bei 700 (23,3%) Patienten in der Trimetazidin-Gruppe und 714 (23,7%) Patienten in der Placebo-Gruppe auf (p=0,7). Hinsichtlich der Rate der Nebenwirkungen gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen.
Studienleiter Prof. Roberto Ferrari von der Universität Ferrara, Italien, sagte: «Die Studie zeigt, dass Trimetazidin bei Patienten mit akuten und chronischen Koronarsyndromen keine Verbesserung der Ergebnisse oder Symptome nach erfolgreicher PCI bewirkt.

WFR

POPular TAVI-Studie

Beste Anti-Gerinnungsstrategie nach Herzklappenintervention

Die Studie POPular TAVI hat die aktuellen Empfehlungen der Leitlinien zur Thrombozytenaggregationshemmung nach Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) bei Patienten, die keine orale Antikoagulation einnehmen, in Frage gestellt.
«Aspirin allein im Vergleich zu Aspirin mit Clopidogrel reduzierte die Blutungsrate signifikant, mit einer absoluten Reduktion von mehr als 10%», sagte der koordinierende Prüfarzt Dr. Jorn Brouwer vom St. Antonius-Hospital, Nieuwegein, Niederlande. «Gleichzeitig führte Aspirin allein im Vergleich zu Aspirin mit Clopidogrel nicht zu einer Zunahme der thromboembolischen Ereignisse, wie sie in den sekundären Endpunkten erfasst wurden».
Die Aortenstenose (Verengung der Aortenklappe) ist das am weitesten verbreitete Herzklappenproblem in Europa. TAVI ist eine etablierte Behandlung für Patienten mit schwerer symptomatischer Aortenstenose. Es wird geschätzt, dass die jährliche Zahl der Eingriffe in Europa 177.000 erreichen könnte.
Das Risiko von Blutungen und ischämischen Komplikationen nach TAVI ist relativ hoch und geht mit einer erhöhten Mortalität einher. Leitlinien empfehlen die Zugabe von Clopidogrel zur Aspirintherapie für drei bis sechs Monate nach dem Eingriff, um thromboembolische Ereignisse zu reduzieren.2,3 Explorative Studien haben jedoch gezeigt, dass die vorübergehende Zugabe von Clopidogrel mit einer höheren Rate schwerer Blutungen verbunden ist, ohne dass es zu einem Rückgang thromboembolischer Komplikationen kommt.
Die Studie POPular TAVI untersuchte die optimale antithrombotische Therapie in zwei Kohorten: Patienten, die keine oralen Antikoagulanzien erhielten (Kohorte A), und Patienten mit chronischer oraler Antikoagulation (Kohorte B). Die Ergebnisse der Kohorte B wurden veröffentlicht.4 Beide Kohorten wurden hinsichtlich der Studienergebnisse getrennt voneinander untersucht.
Die aktuelle Studie (Kohorte A) schloss Patienten aus, bei denen innerhalb von drei Monaten vor TAVI ein Koronararterienstent mit einem medikamentenbeschichteten Stent oder innerhalb eines Monats vor TAVI ein Bare-Metal-Stent eingesetzt worden war. Insgesamt 665 Patienten ohne Indikation zur oralen Antikoagulation wurden nach dem Zufallsprinzip auf Aspirin allein (331 Patienten) oder Aspirin mit dreimonatiger Clopidogrel-Behandlung (334 Patienten) verteilt.
Die Studie prüfte die Hypothese, dass Aspirin allein im Vergleich zu Aspirin mit dreimonatiger Einnahme von Clopidogrel die Blutungsrate nach einem Jahr reduzieren würde. Die ko-primären Ergebnisse waren: 1) alle Blutungen (prozedurale und nicht-prozedurale) und 2) nicht-prozedurale Blutungen.
Darüber hinaus prüfte die Studie die Hypothese, dass Aspirin allein in Bezug auf zwei sekundäre Endpunkte nach einem Jahr Aspirin mit Clopidogrel nicht unterlegen wäre. Der erste untersuchte Blutungen und thromboembolische Ereignisse und setzte sich zusammen aus kardiovaskulärer Mortalität, nicht-prozeduralen Blutungen, Schlaganfall aller Ursachen oder Myokardinfarkt. Das zweite untersuchte nur thromboembolische Ereignisse und war eine Kombination aus kardiovaskulärer Mortalität, ischämischem Schlaganfall oder Myokardinfarkt. Hinsichtlich der co-primären Endpunkte führte Aspirin allein nach einem Jahr zu einer signifikant geringeren Inzidenz von Blutungen im Vergleich zu Aspirin mit Clopidogrel. Alle Blutungen traten bei 50 Patienten (15,1%) auf, die Aspirin allein erhielten, gegenüber 89 (26,6%) Patienten, die Aspirin mit Clopidogrel erhielten (Risikoverhältnis [RR] 0,57; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,42-0,77; p=0,001). Nicht prozedurale Blutungen traten bei 50 Patienten (15,1%) bzw. 83 (24,9%) auf (RR 0,61; 95% CI 0,44-0,83; p=0,005).
Hinsichtlich des sekundären Outcome bei Blutungen und thromboembolischen Ereignissen war Aspirin allein der kombinierten Therapie überlegen. Das Ergebnis trat bei 76 Patienten (23,0%) auf, die Aspirin allein erhielten, im Vergleich zu 104 Patienten (31,1%), die Aspirin mit Clopidogrel erhielten (Differenz -8,2 Prozentpunkte; 95% KI bei Nichtunterlegenheit -14,9 bis -1,5; p<0,001; RR 0,74; 95% KI bei Überlegenheit 0,57-0,95; p=0,04).
Der sekundäre Endpunkt bei thromboembolischen Ereignissen trat bei 32 Patienten (9,7%) auf, die nur Aspirin erhielten, im Vergleich zu 33 Patienten (9,9%), die Aspirin mit Clopidogrel erhielten (Differenz -0,2 Prozentpunkte; 95% KI für Nichtunterlegenheit -4,7 bis 4,3; p=0,004) sagte Dr. Brouwer: «Die Studie zeigt, dass Aspirin allein bei Patienten, die sich einer TAVI unterziehen, keine orale Antikoagulation erhalten und nicht kürzlich einem koronaren Stenting unterzogen wurden, eingesetzt werden sollte.

WFR

Kein Zusammenhang zwischen Blutdruckmedikation und Krebs

Es gibt keinen Beweis dafür, dass blutdrucksenkende Medikamente das Krebsrisiko erhöhen, so die umfangreichste Studie, die zu diesem Thema durchgeführt wurde.
«Unsere Ergebnisse sollten die Öffentlichkeit hinsichtlich der Sicherheit von blutdrucksenkenden Medikamenten in Bezug auf Krebs beruhigen, was angesichts ihres erwiesenen Nutzens zum Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall von grösster Bedeutung ist», sagte die Studienautorin Dr. Emma Copland, Epidemiologin an der Universität Oxford, Grossbritannien.
Ein möglicher Zusammenhang zwischen Blutdruckmitteln und Krebs wird seit mehr als 40 Jahren diskutiert. Die Beweise für ein erhöhtes oder vermindertes Krebsrisiko bei der Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten sind widersprüchlich und widersprüchlich.
Es handelte sich um die grösste Studie über die Krebsergebnisse bei Teilnehmern an randomisierten Studien, in denen blutdrucksenkende Medikamente untersucht wurden – rund 260`000 Personen in 31 Studien. Die Prüfer aller Studien wurden um Informationen darüber gebeten, welche Teilnehmer an Krebs erkrankten. Viele dieser Informationen sind bisher noch nicht veröffentlicht worden, so dass die aktuelle Analyse die bisher detaillierteste ist.
Fünf Klassen blutdrucksenkender Medikamente wurden getrennt untersucht: Angiotensin-konvertierende Enzym-(ACE-)Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARB), Betablocker, Kalziumkanalblocker (CCB) und Diuretika.
Die Forscher schätzten die Wirkung jeder Medikamentenklasse auf das Risiko, an irgendeiner Art von Krebs zu erkranken, an Krebs zu sterben und Brust-, Darm-, Lungen-, Prostata- und Hautkrebs zu entwickeln. Sie untersuchten auch, ob es Unterschiede je nach Alter, Geschlecht, Körpergrösse, Raucherstatus und vorherigem Gebrauch von blutdrucksenkenden Medikamenten vor der Teilnahme an der Studie gab.
Während eines Zeitraums von durchschnittlich vier Jahren gab es etwa 15’000 neue Krebsdiagnosen. Die Forscher fanden keine Hinweise darauf, dass die Einnahme einer blutdrucksenkenden Medikamentenklasse das Krebsrisiko erhöhte. Dieser Befund war unabhängig von Alter, Geschlecht, Körpergrösse, Raucherstatus und früherer Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten konsistent.
Jede Medikamentenklasse wurde mit allen anderen Kontrollgruppen verglichen, einschliesslich Placebo, Standardbehandlung und anderen Medikamentenklassen.
Es gab keinen wichtigen Effekt einer einzelnen Medikamentenklasse auf das Gesamtkrebsrisiko. Die Hazard Ratio (HR) für jede Krebsart betrug 0,99 (95% Konfidenzintervall [CI]) 0,94-1,04) bei ACE-Hemmern, 0,97 (95% CI 0,93-1,02) bei ARB, 0,98 (95% CI 0,89-1,08) bei Betablockern, 1,06 (95% CI 1,01-1,11) bei CCBs und 1,01 (95% CI 0,95-1,07) bei Diuretika. Statistisch gesehen unterschieden sich diese Effektstärken nicht signifikant voneinander, so dass es keinen Hinweis auf ein erhöhtes Krebsrisiko bei einer der Medikamentenklassen gab.
Ebenso gab es keine Hinweise darauf, dass irgendeine Art von blutdrucksenkenden Medikamenten einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, Brust-, Darm-, Lungen-, Prostata- oder Hautkrebs zu entwickeln, hatte.
Wenn die Teilnehmer während des gesamten Verlaufs der einzelnen Studien verfolgt wurden, gab es keinen Hinweis darauf, dass das Krebsrisiko mit längerer Anwendungsdauer dieser Behandlungen zunahm.
«Unsere Studie hat sich mit einer anhaltenden Kontroverse darüber befasst, ob blutdrucksenkende Medikamente das Risiko, an Krebs zu erkranken, erhöhen. Wir haben die bisher grösste randomisierte Evidenz auf individueller Ebene zu blutdrucksenkenden Medikamenten verwendet und Beweise für die Sicherheit von blutdrucksenkenden Medikamenten in Bezug auf Krebs erbracht», sagte Dr. Copland.

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PARALLAX-Studie

Primärer Endpunkt bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion erreicht

Sacubitril/Valsartan reduziert NT-proBNP, einen Biomarker, der die langfristigen klinischen Ergebnisse bei Herzinsuffizienz vorhersagt, verbessert aber nicht die Funktionsfähigkeit im Vergleich zur individualisierten Hintergrundtherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion. Das ist das Hauptergebnis der PARALLAX-Studie, das heute in einer Hotline-Sitzung auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurde.1
Die Herzinsuffizienz mit konservierter Auswurffraktion (HFpEF) betrifft etwa die Hälfte der Patienten mit Herzinsuffizienz. Es wird erwartet, dass die Prävalenz mit der alternden Bevölkerung und der Zunahme von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas und Vorhofflimmern steigen wird. Die Patienten sind oft hochgradig symptomatisch, mit Kurzatmigkeit, verminderter Bewegungsfähigkeit, eingeschränkter Lebensqualität und häufigen Rehospitalisierungen.
Es gibt derzeit keine zugelassene Therapie zur Verringerung der Morbidität und Mortalität bei Patienten mit HFpEF. Die Behandlungsempfehlungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Linderung der Symptome mit Diuretika und die Behandlung von Komorbiditäten, typischerweise mit Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RAS), einschliesslich Inhibitoren des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE) oder Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB).
Die PARAGON-HF-Endpunktstudie deutete darauf hin, dass Sacubitril/Valsartan im Vergleich zu Valsartan (ein ARB) die Hospitalisierung von HFpEF-Patienten mit Herzinsuffizienz verringern kann.2 In der täglichen Praxis erhalten jedoch nicht alle HFpEF-Patienten einen ARB. Viele nehmen einen ACE-Hemmer ein, einige überhaupt keinen RAS-Hemmer.
PARALLAX testete daher die Wirkungen von Sacubitril/Valsartan im Vergleich zur optimalen individualisierten Hintergrundtherapie, die der ACE-Hemmer Enalapril, das ARB-Valsartan oder ein Placebo sein könnte. Die koprimären Endpunkte wurden ausgewählt, um den Schweregrad und die funktionelle Kapazität der Herzinsuffizienz zu beurteilen: 1) Veränderung des Plasma-N-terminalen pro B-Typ natriuretischen Peptids (NT-proBNP) vom Ausgangswert bis zu 12 Wochen; und 2) Veränderung der sechsminütigen Gehstrecke vom Ausgangswert bis zu 24 Wochen.
Insgesamt 2.572 HFpEF-Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip Sacubitril/Valsartan oder ihrer aktuellen RAS-Medikation (Enalapril, Valsartan oder Placebo, wenn sie keinen RAS-Hemmer einnahmen) zugeteilt. Die Patienten in der Studie hatten ein Durchschnittsalter von 73 Jahren und 51% waren Frauen. Die mittlere linksventrikuläre Ejektionsfraktion zu Studienbeginn betrug 56%.
Die Studie erreichte den ersten primären Endpunkt: Nach 12 Wochen zeigten Patienten, die mit Sacubitril/Valsartan behandelt wurden, eine hochsignifikante, um 16,4% stärkere Reduktion von NT-proBNP als Patienten, die mit einer optimalen individualisierten medikamentösen Therapie behandelt wurden (p<0,0001).
Der zweite primäre Endpunkt wurde in der Studie nicht erreicht: In Woche 24 hatte sich die Sechs-Minuten-Gehdistanz in beiden Gruppen im Vergleich zum Ausgangswert verbessert (die mittlere Veränderung betrug 9,7 m in der Sacubitril/Valsartan-Gruppe und 12,2 m in der Gruppe mit individualisierter medizinischer Therapie), wobei es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen gab (mittlerer Unterschied -2,5 m; 95% Konfidenzintervall -8,5 bis 3,5 m; p=0,79).
Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Veränderung der Lebensqualität von der Basislinie bis zu 24 Wochen (gemessen mit dem Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire; KCCQ) und die Funktionsklasse der New York Heart Association (NYHA). Die Lebensqualität verbesserte sich in beiden Gruppen und war mit Sacubitril/Valsartan besser als der Komparator in Woche 4, aber es gab keinen Unterschied zwischen den Gruppen in Woche 24. Die Veränderungen in der NYHA-Klasse waren in beiden Gruppen in Woche 24 ähnlich.
Insgesamt wurden mit Ausnahme der Herzinsuffizienz-Ereignisse in beiden Gruppen ernste unerwünschte Ereignisse in ähnlichen Proportionen der Patienten berichtet. Ereignisse der Herzinsuffizienz (wie z.B. eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht oder keine Krankenhauseinweisung erfordert) waren die häufigsten schweren unerwünschten Ereignisse und traten bei mehr Patienten in der Gruppe der individualisierten medizinischen Therapie als in der Sacubitril/Valsartan-Gruppe auf. Auf dieser Grundlage zeigte eine Post-Hoc-Analyse, dass Sacubitril/Valsartan das Risiko einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz um 50% senkte (p=0,005). Bei Patienten in der Sacubitril/Valsartan-Gruppe war die Abnahme der Nierenfunktion (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate; eGFR) nach 24 Wochen ebenfalls signifikant geringer.
Studienleiter Prof. Burkert Pieske von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Deutschen Herzzentrum, Berlin, sagte: «Die Studie zeigte eine konsistente Abnahme des Surrogat-Outcome-Markers NT-proBNP mit Sacubitril/Valsartan im Vergleich zur individuellen medizinischen Therapie.

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Früh einsetzender Myokardinfarkt bei Männern und Frauen Italienische Genetik-Studie

Die Studie verglich die Ergebnisse von Frauen und Männern unter 45 Jahren, die einen Herzinfarkt hatten. Sie gibt Hoffnung für junge Frauen nach Herzinfarkt Prämenopausale Frauen haben gute Langzeitergebnisse nach einem Herzinfarkt, laut einer late breaking study die auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurde.
«Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit nach einem Herzinfarkt sterben als Männer», sagte der leitende Forscher Prof. Diego Ardissino vom Universitätskrankenhaus in Parma, Italien«. Unsere Studie zeigt, dass dies vor den Wechseljahren, wenn Frauen noch Östrogen ausgesetzt sind, einem Hormon, das vor Herzkrankheiten schützt, nicht zutrifft.
Die italienische Genetik-Studie über den früh einsetzenden Myokardinfarkt verglich die Ergebnisse von Frauen und Männern unter 45 Jahren, die einen Herzinfarkt hatten. Die Studie schloss 2.000 Patienten (1.778 Männer und 222 Frauen) ein, die sich zwischen 1998 und 2002 auf 125 italienischen Koronarstationen mit einem Herzinfarkt vor dem Alter von 45 Jahren im Krankenhaus vorstellten. Der primäre Endpunkt war eine Zusammensetzung aus rezidivierendem Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen.
Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 20 Jahren trat der primäre zusammengesetzte Endpunkt bei 25,7% der Frauen im Vergleich zu 37,0% der Männer auf (Hazard Ratio [HR] 0,69; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,52-0,91; p=0,01).
Als die Komponenten des primären Endpunkts getrennt analysiert wurden, fanden die Forscher heraus, dass zweite Herzinfarkte bei Frauen seltener auftraten als bei Männern (14,2% vs. 25,4%; HR 0,53; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,37-0,77; p<0,001). Allerdings war die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls bei Frauen höher als bei Männern (7,7 % vs. 3,7 %; HR: 2,02; 95 % KI 1,17-3,49; p=0,012). Rauchen (46,5% vs. 42,8%), Alkoholkonsum (65,3% vs. 27,4%), hohe Blutfettwerte (62,3% vs. 50,7%) und Diabetes (7,8% vs. 5,4%) waren bei Männern häufiger als bei Frauen (alle p<0,001). Prof. Ardissino sagte, die bessere Prognose bei prämenopausalen Frauen im Vergleich zu Männern hänge wahrscheinlich mit verschiedenen Mechanismen hinter den Herzinfarkten zusammen. Bei Frauen war die Wahrscheinlichkeit, gesunde Arterien zu haben, mehr als doppelt so hoch wie bei Männern (36,5% vs. 15,4%; p<0,001), aber eine Koronararteriendissektion (ein Riss in einem Blutgefäss, das das Herz versorgt) war bei Frauen häufiger (5,4% vs. 0,7%; p<0,01).
Er sagte: «Bei Männern waren koronare Ereignisse meist auf blockierte Arterien zurückzuführen, während sie bei Frauen andere Ursachen hatten, wie z.B. eine koronare Dissektion, von der bekannt ist, dass sie eine günstigere Prognose und ein geringeres Rezidivrisiko hat.
Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus wurden Männern häufiger als Frauen Medikamente zum Schutz vor einem zweiten Herzinfarkt verschrieben, darunter Betablocker, Aspirin und ACE-Hemmer (ACE = Angiotensin-Converting-Enzyme) oder Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB = Angiotensin Receptor Blocker). Die Wahrscheinlichkeit einer Behandlung mit Statinen war bei Männern und Frauen ähnlich hoch.
Prof. Ardissino sagte: «Die Unterschiede in der Verschreibung könnten auf die geringere Belastung durch koronare Herzkrankheiten zurückzuführen sein, die in der Studie bei Frauen festgestellt wurde. Sie könnte auch mit der generellen Unter-Verschreibung von Medikamenten für Frauen im Vergleich zu Männern zusammenhängen, die in anderen Studien über akute kardiale Ereignisse festgestellt wurde».
Er schloss: «Im Gegensatz zur vorherrschenden Literatur haben Frauen, die einen früh einsetzenden Herzinfarkt erleiden, im Vergleich zu Männern günstige Langzeitergebnisse, obwohl ihnen weniger Präventivmedikamente verschrieben werden.»

WFR

LoDoCo2-Studie

Gichtmedikament zur Bekämpfung von Herzkrankheiten umgestellt

Colchizin reduziert das Risiko von Herz-Kreislauf-Grossereignissen bei Patienten mit chronischer Koronarerkrankung, so die Ergebnisse der LoDoCo2-Studie, die heute in einer Hotline-Sitzung auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurden.
«Im Laufe eines Jahrzehnts wird mehr als einer von drei Herzpatienten trotz der Einnahme von Präventivmedikamenten einen weiteren Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden oder an einer Herzerkrankung sterben», sagte der Studienautor Dr. Mark Nidorf von GenesisCare, Australien. «Unsere Studie zeigt, dass dies durch die Zugabe von niedrig dosiertem Colchicin auf einen von vier Patienten reduziert werden könnte».
Colchizin, ursprünglich aus der Zwiebel der Krokuspflanze gewonnen, wird seit der Antike zur Behandlung von Entzündungen eingesetzt. Jetzt synthetisch hergestellt, ist es ein generisches Medikament, das zur Behandlung von Gicht eingenommen wird. Das Medikament hemmt auch mehrere Entzündungswege, von denen bekannt ist, dass sie bei Atherosklerose wichtig sind. Die Pilotstudie LoDoCo (Low Dose Colchicine) ergab, dass Colchicin in einer Dosis von 0,5 mg einmal täglich sicher und wirksam ist, um kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit zu verhindern.
Die LoDoCo2-Studie randomisierte 5`552 Patienten, die an chronischer Koronarerkrankung litten und während einer 30-tägigen offenen Einlaufphase Colchizin vertrugen, mit 0,5 mg Colchizin täglich oder einem passenden Placebo vor dem Hintergrund einer Lipidsenkung und einer antithrombotischen Therapie.2,3 Der primäre Endpunkt war ein Kompositum aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder ischämiebedingter Koronarrevaskulari-sierung.
Während einer medianen Nachbeobachtung von fast 30 Monaten trat der primäre Endpunkt bei 187 (6,8%) Patienten in der Colchicin-Gruppe und 264 (9,6%) Patienten in der Placebo-Gruppe auf (Hazard Ratio [HR] 0,69; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,57-0,83; p<0,001). Bei getrennter Analyse der Komponenten des primären Endpunkts zeigte sich bei allen Endpunkten ein konsistenter Trend, und sowohl Myokardinfarkt als auch ischämiebedingte Koronarrevaskularisierung waren in der Colchizin-Gruppe signifikant seltener.
Mehr als 90% der Patienten waren gegenüber offenem Colchicin tolerant. Von den Intoleranten berichteten die meisten über vorübergehende gastrointestinale Symptome. Bei den Patienten, die in die Studie randomisiert wurden, wurde niedrig dosiertes Colchizin längerfristig gut vertragen: Die Rate der dauerhaften Absetzung war gering (<10%) und ähnlich hoch wie bei den Patienten, die ein Placebo erhielten.
Während einer maximalen Nachbeobachtungszeit von fünf Jahren war niedrig dosiertes Colchizin nicht mit ernsthaften unerwünschten Wirkungen verbunden. Neutropenie und Myotoxizität waren selten und mit dem Medikament nicht häufiger als mit Placebo. Bei der kombinierten Statintherapie traten auch bei hohen Statindosen keine ungünstigen Wirkungen auf. Auch das Risiko einer Infektion, die zu einem Krankenhausaufenthalt oder zum Tod oder zu neuem oder tödlichem Krebs führte, unterschied sich nicht von dem eines Placebos.
Die Studie bestätigte, dass niedrig dosiertes Colchicin langfristig vertragen wurde, und reduzierte das Risiko des primären Endpunkts signifikant um fast ein Drittel. Die Vorteile zeigten sich bald nach Beginn der Therapie, setzten sich mit der Zeit fort und wurden bei Patienten beobachtet, die bereits andere wirksame Präventionstherapien erhielten. so der Studienleiter Dr. Nidorf
Er stellte fest, dass das Ausmass der Wirkung von Colchicin auf die kardiovaskulären Ergebnisse mit dem in den Studien CANTOS und COLCOT gefundenen übereinstimmte.4,5 Dr. Nidorf sagte: «Die Ergebnisse der LoDoCo2-Studie etablieren Colchizin als eine potenzielle neue Option für die langfristige Prävention kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit chronischer Koronarerkrankung».

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Der Body-Mass-Index ist ein stärkerer Risikofaktor für Diabetes als die Genetik

Gewichtsverlust könnte Diabetes vorbeugen oder sogar rückgängig machen, so die heute auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellte, late breaking news.
Im Jahr 2019 waren weltweit etwa 463 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, von denen die überwiegende Mehrheit (etwa 90%) Typ-2-Diabetes war. Diabetes verdoppelt das Risiko für koronare Herzkrankheit, Schlaganfall und Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Adipositas ist die wichtigste veränderbare Ursache von Typ-2-Diabetes, während die genetische Ausstattung auch Personen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung der Erkrankung identifizieren kann.
«Da wir mit unseren Genen geboren werden, könnte es möglich sein, schon früh im Leben festzustellen, wer ein hohes Risiko hat, im Laufe seines Lebens an Diabetes zu erkranken», sagte der leitende Forscher Prof. Brian Ference von der Universität Cambridge, Grossbritannien, und der Universität Mailand, Italien. «Wir haben diese Studie durchgeführt, um herauszufinden, ob die Kombination des vererbten Risikos mit dem aktuellen Body-Mass-Index (BMI) Menschen mit dem höchsten Risiko, an Diabetes zu erkranken, identifizieren könnte. Die Präventionsbemühungen könnten sich dann auf diese Personen konzentrieren.
Die Studie umfasste 445’765 Teilnehmer der britischen Biobank. Das Durchschnittsalter betrug 57,2 Jahre und 54% waren Frauen. Das vererbte Diabetes-Risiko wurde anhand von 6,9 Millionen Genen bewertet. Grösse und Gewicht wurden bei der Einschreibung gemessen, um den BMI in kg/m2 zu berechnen. Die Teilnehmer wurden nach dem genetischen Diabetes-Risiko in fünf Gruppen eingeteilt. Sie wurden auch nach dem BMI in fünf Gruppen eingeteilt.
Die Teilnehmer wurden bis zu einem Durchschnittsalter von 65,2 Jahren nachbeobachtet. In diesem Zeitraum entwickelten 31.298 Personen Typ-2-Diabetes. Diejenigen in der Gruppe mit dem höchsten BMI (durchschnittlich 34,5 kg/m2) hatten ein 11-fach erhöhtes Diabetes-Risiko im Vergleich zu den Teilnehmern in der Gruppe mit dem niedrigsten BMI (durchschnittlich 21,7 kg/m2). Die Gruppe mit dem höchsten BMI hatte unabhängig vom genetischen Risiko eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, als alle anderen BMI-Gruppen.
«Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der BMI ein viel stärkerer Risikofaktor für Diabetes ist als die genetische Veranlagung», sagte Prof. Ference.
Die Forscher schätzten dann mit statistischen Methoden ab, ob die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, bei Menschen mit einem hohen BMI noch grösser wäre, wenn sie über einen längeren Zeitraum übergewichtig wären. Sie fanden heraus, dass die Dauer eines erhöhten BMI keinen Einfluss auf das Diabetes-Risiko hat.
sagte Prof. Ference: «Dies deutet darauf hin, dass bei Menschen, die eine bestimmte BMI-Schwelle überschreiten, die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, steigt und auf demselben hohen Risikoniveau bleibt, unabhängig davon, wie lange sie übergewichtig sind.
Er merkte an, dass die Schwelle wahrscheinlich für jede Person unterschiedlich ist und der BMI wäre, bei dem sie anfängt, abnorme Blutzuckerwerte zu entwickeln. Prof. Ference sagte: «Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Fälle von Diabetes vermieden werden könnten, wenn der BMI unter dem Schwellenwert gehalten würde, der abnormale Blutzuckerwerte auslöst. Das bedeutet, dass zur Vorbeugung von Diabetes sowohl der BMI als auch der Blutzucker regelmässig beurteilt werden sollten. Die Bemühungen, Gewicht zu verlieren, sind entscheidend, wenn eine Person beginnt, Blutzuckerprobleme zu entwickeln. Es kann auch möglich sein, einen Diabetes durch Gewichtsabnahme in den frühen Stadien rückgängig zu machen, bevor bleibende Schäden auftreten», sagte Prof. Ference.

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BRACE CORONA-Studie

Erste randomisierte Studie unterstützt die Sicherheit üblicher Herzmedikamente bei COVID-19-Patienten

Herzpatienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden, können Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE)-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARBs) sicher weiter einnehmen. Dies geht aus der BRACE CORONA-Studie hervor, die in einer Hotline-Sitzung auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurde.
ACE-Hemmer und ARBs werden von Herzpatienten häufig zur Senkung des Blutdrucks und zur Behandlung der Herzinsuffizienz eingenommen. Es gibt widersprüchliche Beobachtungen über die möglichen klinischen Auswirkungen von ACE-Hemmern und ARBs auf Patienten mit COVID-19.2 Ausgewählte präklinische Untersuchungen haben Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit bei Patienten mit COVID-19 aufgeworfen. Vorläufige Daten gehen von der Hypothese aus, dass Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS)-Inhibitoren Patienten mit COVID-19 zu Gute kommen könnten, indem sie akute Lungenschäden verringern und Angiotensin-II-vermittelte Lungenentzündungen verhindern.
Angesichts des häufigen Einsatzes dieser Wirkstoffe weltweit ist der Nachweis randomisierter klinischer Studien dringend erforderlich, um die Behandlung von Patienten mit COVID-19 zu steuern.
Das membrangebundene Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2) ist der funktionelle Rezeptor für SARS-CoV-2, das Virus, das für die Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) verantwortlich ist.3 Die Expression von ACE2 könnte aufgrund der Hochregulation bei Patienten, die ACE-Hemmer und ARBs verwenden, zunehmen.4
Bei der BRACE-CORONA-Studie handelte es sich um eine akademisch geführte, randomisierte Phase-4-Studie, in der zwei Strategien getestet wurden: vorübergehende Unterbrechung des ACE-Hemmers/ARB für 30 Tage im Vergleich zu kontinuierlichen ACE-Hemmern/ARBs bei Patienten, die diese Medikamente chronisch einnahmen und mit einer bestätigten Diagnose von COVID-19 ins Krankenhaus eingewiesen wurden. Der primäre Endpunkt war die Anzahl der Tage, an denen die Patienten noch lebten und 30 Tage aus dem Krankenhaus entlassen wurden.
Patienten, die mehr als drei blutdrucksenkende Medikamente oder Sacubitril/Valsartan einnahmen oder die bei der Präsentation hämodynamisch instabil waren, wurden aus der Studie ausgeschlossen.
An der Studie nahmen 659 Patienten aus 29 Zentren in Brasilien teil. Alle Teilnehmer verwendeten chronisch einen ACE-Hemmer oder ARB und wurden mit COVID-19 hospitalisiert. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip so eingeteilt, dass sie den ACE-Hemmer/ARB für 30 Tage absetzten oder den ACE-Hemmer/ARB weiter einnahmen.
Die durchschnittliche Anzahl der Tage am Leben und ausserhalb des Krankenhauses betrug 21,9 Tage für Patienten, die ACE-Hemmer/ARBs abgesetzt hatten, und 22,9 Tage für Patienten, die diese Medikamente weiter einnahmen. Das durchschnittliche Verhältnis von Lebens- und Aufenthaltstagen zwischen der suspendierenden und der weiterführenden Gruppe betrug 0,95 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,90 bis 1,01, p=0,09). Der durchschnittliche Unterschied zwischen den Gruppen betrug -1,1 Tage (95% Konfidenzintervall [KI] -2,33 bis 0,17).
Der Anteil der Patienten, die am Ende der 30 Tage noch lebten und aus dem Krankenhaus entlassen wurden, betrug in der Gruppe mit suspendiertem ACE-Hemmer/ARB 91,8 % gegenüber 95 % in der Gruppe mit anhaltender Wirkung. Eine ähnliche 30-Tage-Mortalitätsrate wurde bei den Patienten festgestellt, die den ACE-Hemmer/ARB fortsetzten und suspendierten (2,8% gegenüber 2,7%, jeweils mit einer Hazard-Ratio von 0,97).
«Dies sind die ersten randomisierten Daten, die die Rolle von ACE-Hemmern und ARB bei Patienten mit COVID-19 im Vergleich zu ACE-Hemmern und ARB bei Patienten mit COVID-19 bewerten», sagte der leitende Prüfarzt Prof. Renato Lopes vom Duke Clinical Research Institute, Durham, USA. «Bei Patienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingewiesen wurden, wirkte sich die Aussetzung von ACE-Hemmern und ARBs für 30 Tage nicht auf die Anzahl der Tage, die sie noch lebten und das Krankenhaus verliessen, aus», sagte Prof. Renato Lopes vom Duke Clinical Research Institute in Durham, USA.Er schloss: «Da diese Daten darauf hinweisen, dass eine routinemässige Unterbrechung dieser Medikamente bei hospitalisierten Patienten mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19 keinen klinischen Nutzen hat, sollten sie bei Patienten mit einer Indikation im Allgemeinen fortgesetzt werden.

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DAPA-CKD-

Primärer Endpunkt bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung erreicht

SacuDapagliflozin reduzierte das Risiko für Nierenversagen, Tod durch kardiovaskuläre Ursachen oder Krankenhausaufenthalte wegen Herzinsuffizienz sowie die Gesamtmortalität bei chronisch nierenkranken Patienten mit oder ohne Typ-2-Diabetes. Das ist das Hauptergebnis der DAPA-CKD-Studie, das in einer Hotline-Sitzung auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurde.
Die DAPA-CKD-Studie prüfte die Hypothese, dass die Behandlung mit Dapagliflozin bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (mit oder ohne Typ-2-Diabetes), die bereits eine stabile Dosis entweder eines Angiotensin-Converting-Enzyme-(ACE)-Hemmers oder eines Angiotensin-Rezeptorblockers (ARB) als Hintergrundtherapie erhalten, hinsichtlich der Senkung des Risikos von Nieren- und Herz-Kreislauf-Ereignissen dem Placebo überlegen ist.2
Der primäre zusammengesetzte Endpunkt war die Verschlechterung der Nierenfunktion (definiert als >50% anhaltende Abnahme der geschätzten glomerulären Filtrationsrate [eGFR] oder Beginn einer Nierenerkrankung im Endstadium) oder der Tod aufgrund einer Nierenerkrankung oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Die sekundären Endpunkte waren in hierarchischer Reihenfolge: 1) ein zusammengesetzter Endpunkt der Verschlechterung der Nierenfunktion (definiert als >50% anhaltende Abnahme der eGFR oder Beginn einer Nierenerkrankung im Endstadium) oder Tod durch Nierenversagen; 2) ein zusammengesetzter Endpunkt der Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärem Tod; und 3) Gesamtmortalität.
An der Studie nahmen 4`304 Patienten im Alter von 18 Jahren und älter aus 386 Zentren in 21 Ländern teil. Alle Patienten hatten eine eGFR ≥25 und ≤75 ml/min/1,73m2; das Verhältnis von Urinalalbumin zu Kreatinin lag zwischen ≥200 mg/g und ≤5000 mg/g; und sie erhielten mindestens vier Wochen lang eine stabile, maximal verträgliche Dosis eines ACE-Hemmers oder ARB (sofern nicht kontraindiziert).Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip zusätzlich zur Standardbehandlung (d.h. einem ACE-Hemmer oder ARB) einmal täglich 10 mg Dapagliflozin oder Placebo verabreicht. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 61,8 Jahre, 66,9% waren männlich. Insgesamt hatten 2.906 (67,5%) Patienten Typ-2-Diabetes.
Während einer medianen Nachbeobachtung von 2,4 Jahren gab es 197 primäre Endpunktereignisse mit Dapagliflozin und 312 mit Placebo. Die Hazard Ratio (HR) für den primären Endpunkt betrug 0,61 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,51-0,72; p=0,00000000028). Der Nutzen von Dapagliflozin für den primären Endpunkt war bei Patienten mit und ohne Typ-2-Diabetes konsistent.
Im Vergleich zu Placebo reduzierte Dapagliflozin alle drei sekundären Endpunkte. Die HRs waren: 1) Verschlechterung der Nierenfunktion oder Tod durch Nierenversagen 0,56 (95% KI 0,45-0,68; p<0,0001); 2) Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärem Tod 0,71 (95% KI 0,55-0,92; p=0,0089); und 3) Gesamtmortalität 0,69 (95% KI 0,53-0,88; p=0,0035).
Die Sicherheit und Verträglichkeit von Dapagliflozin entsprach seinem etablierten Profil. In der Placebo-Gruppe betrug der Anteil der Patienten, die das Studienmedikament wegen eines unerwünschten Ereignisses absetzten oder ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis erlebten, 5,7% bzw. 33,9%. Der Anteil der Patienten mit diesen Ereignissen war in der Dapagliflozin-Gruppe ähnlich hoch (5,5% bzw. 29,5%). Eine diabetische Ketoazidose wurde bei keinem Patienten berichtet, der nach dem Zufallsprinzip mit Dapagliflozin behandelt wurde, und trat bei zwei Patienten in der Placebo-Gruppe auf. Weder eine diabetische Ketoazidose noch eine schwere Hypoglykämie wurden bei Patienten ohne Typ-2-Diabetes beobachtet.
Studienautor Prof. Hiddo J.L. Heerspink vom Universitätsklinikum Groningen, Niederlande, sagte: «DAPA-CKD zeigte, dass Dapagliflozin das Risiko einer Verschlechterung der Nierenfunktion oder des Todes durch Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung mit und ohne Typ-2-Diabetes senkte. Die Ergebnisse unterstreichen das Potenzial des Medikaments, Patienten mit chronischer Nierenerkrankung zu helfen, die verbesserte Behandlungsmöglichkeiten benötigen.

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HOME-PE-Studie

Welche Patienten mit akuter Lungenembolie können zu Hause behandelt werden?

Patienten mit akuter Lungenembolie können nach dem sPESI-Score oder den Hestia-Kriterien für die häusliche Behandlung ausgewählt werden, so die Ergebnisse der HOME-PE-Studie, die heute in einer Hotline-Sitzung auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurden.
Studienleiter Prof. Pierre-Marie Roy von der Universitätsklinik Angers, Frankreich, sagte: «Die pragmatische Hestia-Methode war mindestens so sicher wie der sPESI-Score für die Triagierung hämodynamisch stabiler Lungenembolie-Patienten für die ambulante Versorgung».
Die akute Lungenembolie ist die schwerste Form einer venösen Thromboembolie (VTE). Die Inzidenz liegt bei etwa 60 bis 70 pro 100’000 Menschen, steigt jedoch mit dem Alter, bei Krebspatienten, bei längerer Bettruhe oder nach der Operation an. Sie tritt auf, wenn ein Blutgerinnsel, meist in den Venen der Beine, auf die rechte Herzseite wandert und die Lungenarterien blockiert. Die häufigsten Symptome sind akute Dyspnoe und Brustschmerzen. In schweren Fällen können Patienten eine akute Rechtsherzinsuffizienz mit Schock und manchmal auch plötzlichem Tod entwickeln.
Abgesehen von hämodynamisch instabilen Patienten, die ein spezifisches Management erfordern, basiert die Behandlung hauptsächlich auf Antikoagulation, um ein Wiederauftreten der Lungenembolie zu vermeiden und eine natürliche Fibrinolyse zu ermöglichen. Die Antikoagulation erhöht jedoch das Risiko von Blutungen. In der Vergangenheit war ein Krankenhausaufenthalt aufgrund des Rezidiv- und Blutungsrisikos gerechtfertigt. Im letzten Jahrzehnt haben mehrere Studien die Möglichkeit einer Heimbehandlung für ausgewählte hämodynamisch stabile Patienten gezeigt. Über die optimalen Überweisungsstrategien und Eignungskriterien für die ambulante Behandlung wird jedoch weiterhin kontrovers diskutiert.
Europäische Leitlinien empfehlen den PESI-Score (Pulmonary Embolism Severity Index) oder den vereinfachten PESI-Score (sPESI), um das Risiko einer Gesamtmortalität abzuschätzen. 2 Patienten mit einem sPESI-Score von 0 können zu Hause behandelt werden, vorausgesetzt, dass eine angemessene Nachsorge und Antikoagulanzientherapie möglich ist. Amerikanische Richtlinien verlangen keinen vordefinierten Score,3 und raten zur Anwendung pragmatischer Kriterien wie in der Hestia-Studie.4
In der HOME-PE-Studie wurde untersucht, ob eine auf den Hestia-Kriterien basierende Strategie mindestens so sicher ist wie eine auf dem sPESI-Score basierende Strategie zur Auswahl von Patienten für die Heimbehandlung. Darüber hinaus wurde untersucht, ob die Hestia-Methode im Vergleich zum sPESI-Score effizienter war – mit anderen Worten, ob sie dazu führte, dass mehr Patienten für die Heimbehandlung ausgewählt wurden.
Dabei handelte es sich um eine randomisierte, offene Nicht-Unterlegenheitsstudie mit offenem Etikett, in der die beiden Triaging-Strategien verglichen wurden. Sie wurde in 26 Krankenhäusern in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz durchgeführt, die vor Beginn der Studie ein Thromboseteam für die ambulante Versorgung von Patienten mit akuter Lungenembolie gebildet hatten.
In den Jahren 2017 bis 2019 wurden 1’974 Patienten mit normalem Blutdruck eingeschlossen, die sich mit einer akuten Lungenembolie in der Notaufnahme vorstellten. Patienten, die in die sPESI-Gruppe randomisiert wurden, kamen für die ambulante Versorgung in Frage, wenn der Score 0 war; andernfalls wurden sie stationär behandelt. Patienten, die in die Hestia-Gruppe randomisiert wurden, kamen für eine ambulante Behandlung in Frage, wenn alle 11 Kriterien negativ waren; andernfalls wurden sie ins Krankenhaus eingewiesen. In beiden Gruppen konnte der behandelnde Arzt die Entscheidung über den Behandlungsort aus medizinischen oder sozialen Gründen überstimmen.
Das primäre Ergebnis war eine Kombination aus rezidivierender VTE, schweren Blutungen und Tod aller Ursachen innerhalb von 30 Tagen. Die Hestia-Strategie war der sPESI-Strategie nicht unterlegen: Der primäre Endpunkt trat bei 3,8% der Hestia-Gruppe und bei 3,6% der sPESI-Gruppe auf (p=0,005).
Ein grösserer Anteil der Patienten kam für die häusliche Pflege mit sPESI in Frage (48,4%) als bei Hestia (39,4%). Der für den Patienten verantwortliche Arzt überstimmte die sPESI jedoch häufiger als Hestia. Folglich wurde ein ähnlicher Anteil der Patienten innerhalb von 24 Stunden zur häuslichen Behandlung entlassen: 38,4% in der Hestia-Gruppe und 36,6% in der sPESI-Gruppe (p=0,42). Alle Patienten, die zu Hause behandelt wurden, wiesen eine niedrige Komplikationsrate auf.
sagte Prof. Roy: «Diese Ergebnisse unterstützen die ambulante Behandlung von Patienten mit akuter Lungenembolie nach der Hestia-Methode oder dem sPESI-Score mit der Möglichkeit, dass die Ärzte die Entscheidung überstimmen können. In Krankenhäusern, die für die ambulante Behandlung organisiert sind, ermöglichen beide Triaging-Strategien die Behandlung von mehr als einem Drittel der Lungenembolien-Patienten zu Hause mit einer niedrigen Komplikationsrate»

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«Herzrhythmusstörungen werden am besten behandelt, wenn den Patienten zugehört wird»

ESC-Leitlinien zur Diagnose und Behandlung von Vorhofflimmern (in Zusammenarbeit mit der European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS))

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und erhöht das Schlaganfallrisiko um das Fünffache. Patienten mit unregelmässigem Herzschlag sollten den Behandlungsplan gemeinsam mit ihren Angehörigen der Gesundheitsberufe wählen, so die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), die heute online im European Heart Journal1 und auf der ESC-Website veröffentlicht wurden.2 Das Dokument wurde in Zusammenarbeit mit der European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) entwickelt.
«Patienten wollen in Entscheidungen über ihre Versorgung einbezogen werden, und ihre Präferenzen sollten respektiert werden», sagte Prof. Gerhard Hindricks, Vorsitzender der Leitlinien-Taskforce und medizinischer Direktor der Abteilung Rhythmologie, Herzzentrum Leipzig, Deutschland.
Es wird geschätzt, dass einer von drei Europäern an Vorhofflimmern erkranken wird. Es ist mit einem doppelt so hohen Sterberisiko bei Frauen und einem 1,5-fach höheren bei Männern verbunden. Menschen mit Vorhofflimmern werden mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit ins Krankenhaus eingeliefert wie ihre Altersgenossen ohne diese Erkrankung.
Zu den Symptomen gehören Herzklopfen, Kurzatmigkeit, Müdigkeit und Schlafstörungen. Bis zu einer von fünf Patienten ist depressiv. Mehr als 60% der Patienten berichten über eine erheblich eingeschränkte Lebensqualität, während kognitive Beeinträchtigung und Demenz etwa 50% wahrscheinlicher sind als in der Allgemeinbevölkerung.
Die Leitlinien befürworten den ABC-Pfad (Atrial fibrillation Better Care). A« (Antikoagulation/Avoid stroke) umfasst Antikoagulationsmedikamente zur Verhinderung eines Schlaganfalls, ausser bei Patienten mit geringem Risiko. B» (Besseres Symptommanagement) bezieht sich auf die Kontrolle der Herzfrequenz und des Herzrhythmus mit Medikamenten und Verfahren. C« (Herz-Kreislauf- und Comorbiditäts-Optimierung) bezieht sich auf die Behandlung anderer Erkrankungen wie Bluthochdruck und Lebensstil – z.B. Raucherentwöhnung, verbesserte Ernährung zur Gewichtsreduktion, Vermeidung von übermässigem Alkoholkonsum und mässig intensive körperliche Betätigung.
Ein individueller Pflegeplan sollte vereinbart werden, nachdem die Patienten und ihre Angehörigen die Vorteile und Grenzen jeder Behandlungsoption mit einem interdisziplinären Team aus Kardiologen, Krankenschwestern und Psychologen besprochen haben. Der Behandlungserfolg aus der Perspektive des Patienten sollte durch routinemässiges Sammeln von Informationen über Lebensqualität, Symptome, kognitive Funktion und die Fähigkeit zu arbeiten und körperlich aktiv zu sein beurteilt werden. Die Prävention von Schlaganfällen ist ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung.
Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen während der Schwangerschaft – insbesondere bei älteren Frauen und solchen, die mit Herzfehlern geboren werden – und ist mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden. Eine vaginale Entbindung ist bei Frauen, die Warfarin einnehmen, wegen des Blutungsrisikos für das Baby kontraindiziert. Die Einnahme von oralen Antikoagulanzien (NOACs), die keine Vitamin-K-Antagonisten sind, ist während der Schwangerschaft verboten.
Bei Sportlerinnen ist die Wahrscheinlichkeit, im Laufe ihres Lebens Vorhofflimmern zu entwickeln, etwa fünfmal höher als bei Personen mit sitzender Tätigkeit. Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren und Skilanglauf bergen das höchste Risiko. Berufssportler sollten darauf hingewiesen werden, dass eine lang anhaltende intensive sportliche Betätigung Vorhofflimmern fördern kann. Kontaktsportarten sollten bei Patienten, die orale Antikoagulanzien einnehmen, wegen des Risikos von Blutungen vermieden werden.
Durch ein Screening könnten Personen mit zuvor nicht diagnostiziertem Vorhofflimmern identifiziert werden, die dann eine Behandlung zur Verhinderung eines Schlaganfalls erhalten könnten. Mehr als 100’000 Apps für Smartphones, Armbänder und Uhren sowie mindestens 400 tragbare Aktivitätsmonitore stehen zur Verfügung – doch die Leitlinien besagen, dass Vorsicht geboten ist, da viele davon nicht klinisch validiert sind, um Vorhofflimmern zu erkennen.
Ein opportunistisches Screening wird für Menschen ab 65 Jahren und für Menschen mit hohem Blutdruck empfohlen, die sich einer Pulsmessung oder einem Elektrokardiogramm (EKG) unterziehen sollten. Die Betroffenen sollten über die Behandlungsimplikationen der Erkennung von Vorhofflimmern informiert werden. Personen, deren Test positiv ist, sollten zur Bestätigung der Diagnose an einen Arzt überwiesen werden. «Bei Menschen mit ungesunder Lebensweise ist es wahrscheinlicher, dass sie Vorhofflimmern entwickeln», sagte Prof. Tatjana Potpara, Vorsitzende der Leitlinien-Taskforce und Leiterin der Abteilung für intensive Rhythmusstörungen, Klinisches Zentrum Serbiens, Belgrad. «Das Risiko kann durch eine Änderung des Lebensstils – zum Beispiel durch Gewichtskontrolle und moderate körperliche Aktivität – reduziert werden.

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«Was passiert, wenn Babys mit Herzfehlern erwachsen werden?»

ESC-Leitlinien für die Behandlung von angeborenen Herzfehlern bei Erwachsenen

Mehr als 90% der Babys, die mit Herzfehlern geboren werden, überleben bis ins Erwachsenenalter. Infolgedessen leben heute mehr Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern als Kinder. Diese Erwachsenen haben eine chronische, lebenslange Erkrankung, und die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat Ratschläge erarbeitet, um ihnen die besten Chancen auf ein normales Leben zu geben. Die Leitlinien werden heute online im European Heart Journal, und auf der Website der ESC veröffentlicht.
Als angeborene Herzerkrankungen gelten alle strukturellen Defekte des Herzens und/oder der grossen Gefässe (die direkt mit dem Herzen verbunden sind), die bei der Geburt vorhanden waren. Angeborene Herzerkrankungen betreffen alle Aspekte des Lebens, einschliesslich der körperlichen und geistigen Gesundheit, des Soziallebens und der Arbeit. Die meisten Patienten sind nicht in der Lage, sich auf dem gleichen Niveau wie ihre Altersgenossen zu bewegen, was zusammen mit dem Bewusstsein, eine chronische Erkrankung zu haben, das psychische Wohlbefinden beeinträchtigt.
«Eine angeborene Herzerkrankung, die eine langfristige Nachsorge und Behandlung erfordert, kann sich auch auf das soziale Leben auswirken, die Beschäftigungsmöglichkeiten einschränken und den Abschluss einer Versicherung erschweren», sagte Prof. Helmut Baumgartner, Vorsitzender der Leitlinien-Taskforce und Leiter der Arbeitsgruppe Angeborene Herz- und Klappenerkrankungen bei Erwachsenen am Universitätsklinikum Münster, Deutschland. «Die Begleitung und Unterstützung der Patienten in all diesen Prozessen ist ein fester Bestandteil ihrer Versorgung.
Alle Erwachsenen mit einer angeborenen Herzerkrankung sollten mindestens einen Termin in einem spezialisierten Zentrum haben, um festzulegen, wie oft sie gesehen werden müssen. Die Teams in diesen Zentren sollten aus spezialisierten Krankenschwestern, Psychologen und Sozialarbeitern bestehen, da Angst und Depression gemeinsame Anliegen sind.
Eine Schwangerschaft ist bei Frauen mit bestimmten Erkrankungen wie Bluthochdruck in den Lungenarterien kontraindiziert. «Es wird eine Beratung vor der Empfängnis für Frauen und Männer empfohlen, um das Risiko des Defekts bei der Nachkommenschaft und die Option eines Fötus-Screenings zu besprechen», sagte Prof. Julie De Backer, Vorsitzende der Leitlinien-Taskforce und Kardiologin und klinische Genetikerin an der Universitätsklinik Gent, Belgien.
Was den Sport betrifft, so werden für jede Erkrankung Empfehlungen gegeben. Prof. De Backer sagte: «Alle Erwachsenen mit einer angeborenen Herzerkrankung sollten ermutigt werden, Sport zu treiben, wobei die Art des zugrunde liegenden Defekts und ihre eigenen Fähigkeiten zu berücksichtigen sind.
Die Leitlinien geben an, wann und wie Komplikationen zu diagnostizieren sind. Dazu gehören, die proaktive Überwachung auf Herzrhythmusstörungen, Herz-Bildgebung und Bluttests zur Erkennung von Problemen mit der Herzfunktion.
Es werden detaillierte Empfehlungen dazu gegeben, wie und wann Komplikationen zu behandeln sind. Herzrhythmusstörungen sind eine wichtige Ursache für Krankheit und Tod, und in den Leitlinien wird die Bedeutung einer korrekten und rechtzeitigen Überweisung an ein spezialisiertes Behandlungszentrum betont. Sie listen auch auf, wann bestimmte Behandlungen in Betracht gezogen werden sollten, wie die Ablation (ein Verfahren zur Zerstörung von Herzgewebe und zum Stoppen fehlerhafter elektrischer Signale) und die Implantation von Geräten.
Für mehrere Defekte gibt es neue Empfehlungen für die Behandlung mit Kathetern. «Die kathetergestützte Behandlung sollte von Spezialisten für angeborene Herzerkrankungen bei Erwachsenen durchgeführt werden, die in einem multidisziplinären Team zusammenarbeiten», sagte Prof. Baumgartner.

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Können Menschen mit Herzkrankheiten sicher trainieren?

ESC-Leitlinien zur Sportkardiologie und Bewegung bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Die ersten Empfehlungen zu Sport und körperlicher Aktivität bei allen Arten von Herzkrankheiten werden heute von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt. Das Dokument wird online im European Heart Journal und auf der Website der ESC veröffentlicht.2
«Angesichts der steigenden Zahl von Fettleibigkeit und sitzender Lebensweise ist die Förderung der körperlichen Aktivität heute wichtiger denn je», sagte Prof. Antonio Pelliccia, Vorsitzender der Leitlinien-Taskforce und Leiter der Kardiologie am Institut für Sportmedizin und -wissenschaft in Rom, Italien. «Regelmässige Bewegung beugt nicht nur Herzkrankheiten vor, sondern reduziert auch den vorzeitigen Tod bei Menschen mit nachgewiesener Herzerkrankung», so Pelliccia.
«Die Wahrscheinlichkeit, dass Bewegung einen Herzstillstand oder Herzinfarkt auslöst, ist extrem gering», sagte Prof. Sanjay Sharma, Vorsitzender der Leitlinien-Taskforce und Professor für Sportkardiologie und erbliche Herzerkrankungen, St. George’s, Universität London, Grossbritannien. «Menschen, die völlig inaktiv sind, und Menschen mit fortgeschrittener Herzerkrankung sollten ihren Arzt konsultieren, bevor sie Sport treiben.
Das Dokument behandelt Freizeit- und Leistungssport für Menschen mit Herzkrankheiten und Erkrankungen, die das Risiko von Herzkrankheiten wie Adipositas und Diabetes erhöhen. Es werden auch Ratschläge zur körperlichen Betätigung während der Schwangerschaft oder in besonderen Situationen wie in grosser Höhe, in der Tiefsee, in verschmutzten Gebieten und bei extremen Temperaturen gegeben. In dem Dokument heisst es, dass Verkehrsabgase den Nutzen körperlicher Aktivität für die Herzgesundheit wahrscheinlich nicht schmälern.
Wie gesunde Erwachsene jeden Alters sollten Menschen mit Herzkrankheiten an den meisten Tagen Sport treiben, insgesamt mindestens 150 Minuten pro Woche mit mässiger Intensität. Mässige Intensität bedeutet, dass Sie Ihre Herz- und Atemfrequenz erhöhen, aber immer noch in der Lage sind, ein Gespräch zu führen.
Für Menschen, die fettleibig sind oder an Bluthochdruck oder Diabetes leiden, wird in den Leitlinien empfohlen, mindestens dreimal pro Woche kraftaufbauende Übungen (z.B. leichtes Heben von Gewichten) sowie mässige oder kräftige aerobe Übungen wie Radfahren, Laufen oder Schwimmen durchzuführen.
Die koronare Herzkrankheit ist die häufigste Form der Herzkrankheit und wird durch die Ansammlung von Fettablagerungen an den Innenwänden der Arterien verursacht. Wenn die Arterien vollständig blockiert sind, kann dies zu einem Herzinfarkt führen. Die meisten Menschen mit koronarer Herzkrankheit können Wettkampf- oder Amateursportarten ausüben.
«Menschen mit langjähriger koronarer Herzkrankheit, die zum ersten Mal Sport treiben möchten, sollten zuerst ihren Arzt aufsuchen», sagte Prof. Pelliccia. «Das Ziel ist es, die Intensität der Aktivität auf das individuelle Risiko, ein akutes Ereignis wie einen Herzinfarkt zu verursachen, abzustimmen.
Regelmässige, moderate körperliche Aktivität wird empfohlen, um die häufigste Herzrhythmusstörung – das sogenannte Vorhofflimmern – zu verhindern. Menschen mit Vorhofflimmern, die Antikoagulanzien zur Vorbeugung eines Schlaganfalls einnehmen, sollten aufgrund des Blutungsrisikos Kontaktsportarten vermeiden.
Menschen mit Herzschrittmacher sollten wegen des Geräts nicht davon abgehalten werden, Sport zu treiben (mit Ausnahme von Kollisionssportarten). Sie müssen ihre Wahl jedoch auf die Grunderkrankung abstimmen.
Prof. Pelliccia merkte an, dass jeder, der länger als 15 Minuten Brustschmerzen hat, einen Krankenwagen rufen sollte. Er fügte hinzu: «Wenn Sie feststellen, dass die Übung zu Herzklopfen oder ungewöhnlicher Kurzatmigkeit oder Brustschmerzen führt, reduzieren Sie Ihre Aktivität und vereinbaren Sie einen Termin bei Ihrem Arzt, sagte Prof. Sharma: «Körperliche Aktivität ist gut für alle Menschen mit Herzkrankheiten, und selbst kleine Mengen sind vorteilhaft. Wir hoffen, dass diese Richtlinien den Patienten und ihren Angehörigen der Gesundheitsberufe dabei helfen werden, die besten und angenehmsten Aktivitäten für sie auszuwählen».

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Wie behandelt man die häufigsten Herzinfarkte?

ESC-Leitlinien für die Behandlung von akuten Koronarsyndromen bei Patienten ohne persistierende ST-Strecken-Hebung

Jeder fünfte Patient stirbt innerhalb eines Jahres nach der häufigsten Form des Herzinfarkts. Die Behandlungsleitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society of Cardiology, ESC) für das akute Koronarsyndrom ohne ST-Hebung werden heute online im European Heart Journal,1 und auf der ESC-Website veröffentlicht.2 Brustschmerzen sind das häufigste Symptom, zusammen mit Schmerzen, die in einen oder beide Arme, den Nacken oder den Kiefer ausstrahlen. Wer unter diesen Symptomen leidet, sollte sofort einen Krankenwagen rufen. Zu den Komplikationen gehören potenziell tödliche Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien), die ein weiterer Grund sind, dringend ärztliche Hilfe aufzusuchen.
Die Behandlung zielt auf die zugrunde liegende Ursache ab. Der Hauptgrund sind Fettablagerungen (Atherosklerose), die von einem Blutgerinnsel umgeben sind und die Arterien, die das Herz mit Blut versorgen, verengen. In diesen Fällen sollten die Patienten Blutverdünner und Stents erhalten, um den Blutfluss wiederherzustellen. Zum ersten Mal empfehlen die Leitlinien eine bildgebende Diagnostik, um andere Ursachen, wie z.B. einen Riss in einem zum Herzen führenden Blutgefäss, zu erkennen.
Hinsichtlich der Diagnose gibt es auf dem Elektrokardiogramm (EKG) keine unterscheidbare Veränderung, die normal sein kann. Der wichtigste Schritt ist die Messung einer Chemikalie im Blut, die Troponin genannt wird. Wenn der Blutfluss zum Herzen vermindert oder blockiert ist, sterben Herzzellen ab, und der Troponinspiegel steigt an. Wenn die Werte normal sind, sollte die Messung eine Stunde später wiederholt werden, um die Diagnose auszuschliessen. Bei erhöhten Werten wird eine Krankenhauseinweisung empfohlen, um den Schweregrad der Erkrankung weiter zu beurteilen und die Behandlungsstrategie festzulegen. Da die Hauptursache mit der Atherosklerose zusammenhängt, besteht ein hohes Rezidivrisiko, das auch tödlich sein kann. Den Patienten sollten Blutverdünner und lipidsenkende Therapien verschrieben werden. «Ebenso wichtig ist ein gesunder Lebensstil, der Raucherentwöhnung, Bewegung und eine Ernährung mit Schwerpunkt auf Gemüse, Obst und Vollkorngetreide bei gleichzeitiger Begrenzung von gesättigten Fettsäuren und Alkohol einschliesst», sagte Prof. Jean-Philippe Collet, Vorsitzender der Leitlinien-Taskforce und Professor für Kardiologie, Universität Sorbonne, Paris, Frankreich.
Verhaltensänderungen und die Einhaltung der Medikation werden am besten erreicht, wenn die Patienten von einem multidisziplinären Team unterstützt werden, dem Kardiologen, Allgemeinmediziner, Krankenschwestern, Ernährungsberater, Physiotherapeuten, Psychologen und Apotheker angehören.
Die Wahrscheinlichkeit, bei sexueller Aktivität einen weiteren Herzinfarkt auszulösen, ist bei den meisten Patienten gering, und regelmässige Bewegung verringert dieses Risiko. Gesundheitsversorger sollten Patienten zu sexuellen Aktivitäten befragen und Ratschläge und Beratungen anbieten.
Eine jährliche Grippeimpfung wird empfohlen – insbesondere für Patienten ab 65 Jahren -, um weiteren Herzinfarkten vorzubeugen und die Lebenserwartung zu erhöhen.
«Frauen sollten den gleichen Zugang zur Versorgung, eine prompte Diagnose und Behandlungen mit der gleichen Geschwindigkeit und Intensität wie Männer erhalten», sagte Prof. Holger Thiele, Vorsitzender der Leitlinien-Taskforce und medizinischer Direktor, Abteilung Innere Medizin/Kardiologie, Herzzentrum Leipzig, Deutschland.

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BPLTTC trial

Blutdrucksenkung sogar noch vorteilhafter als bisher angenommen

Blutdruckmedikamente können Herzinfarkt und Schlaganfall verhindern – auch bei Menschen mit normalem Blutdruck. Das ist das Ergebnis einer späten Forschungsarbeit, die heute in einer Hotline-Sitzung auf dem ESC-Kongress 2020 vorgestellt wurde.1
«Grössere Blutdrucksenkungen mit Medikamenten führen zu einer stärkeren Senkung des Risikos von Herzinfarkt und Schlaganfall», sagte der leitende Forscher Prof. Kazem Rahimi von der Universität Oxford, Grossbritannien. «Dies gilt unabhängig vom Ausgangswert des Blutdrucks, bei Menschen, die zuvor einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, und bei Menschen, die noch nie eine Herzerkrankung hatten.
«Die Tatsache, dass die relativen Auswirkungen bei jedem Menschen ähnlich sind, bedeutet nicht, dass jeder behandelt werden sollte», fügte er hinzu. «Diese Entscheidung wird von der Wahrscheinlichkeit abhängen, dass ein Individuum in Zukunft eine Herz-Kreislauf-Erkrankung erleiden wird – es gibt eine Reihe von Risikorechnern, die Mediziner benutzen können. Andere Faktoren, die zu berücksichtigen sind, sind das Potenzial für Nebenwirkungen und die Kosten der Behandlung».
Es hat Kontroversen darüber gegeben, ob eine pharmakologische Blutdrucksenkung bei Menschen mit und ohne vorherigen Herzinfarkt oder Schlaganfall gleichermassen vorteilhaft ist, und wenn der Blutdruck unterhalb der Schwelle für Bluthochdruck liegt (typischerweise 140/90 mmHg). Die Ergebnisse früherer Studien waren nicht schlüssig, was zu widersprüchlichen Behandlungsempfehlungen auf der ganzen Welt geführt hat.
Dies war die grösste – und detaillierteste – Studie, die jemals zur Untersuchung dieser Fragen durchgeführt wurde. Die Forscher kombinierten Daten über Personen, die an einer randomisierten klinischen Studie teilgenommen hatten, und führten eine Metaanalyse durch. Die Studie umfasste 348.854 Teilnehmer aus 48 Studien.
Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen eingeteilt: diejenigen mit einer früheren Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und diejenigen ohne. Jede Gruppe wurde auf der Grundlage des systolischen Blutdrucks bei Studienbeginn in sieben Untergruppen unterteilt (weniger als 120, 120-129, 130-139, 140-149, 150-159, 160-169, 170 und mehr mmHg).
Während einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von vier Jahren senkte jede Senkung des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg das relative Risiko für kardiovaskuläre Grundereignisse um etwa 10%. Die Risiken für Schlaganfall, ischämische Herzerkrankungen, Herzinsuffizienz und Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen wurden um 13%, 7% bzw. 14% und 5% gesenkt.
Weder das Vorliegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung noch die Höhe des Blutdrucks zu Studienbeginn änderte die Wirkung der Behandlung, sagte Prof. Rahimi: «Die Entscheidung, Blutdruckmedikamente zu verschreiben, sollte nicht einfach auf einer vorherigen Diagnose einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder dem aktuellen Blutdruck einer Person beruhen. Vielmehr sollten Blutdruckmedikamente als ein wirksames Mittel zur Senkung des kardiovaskulären Risikos betrachtet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls bei einer Person erhöht ist».

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Kachexie: anspruchsvoll versus simpel

Kachexie: anspruchsvoll versus simpel

Roeland EJ et al: Management of cancer cachexia: ASCO guideline. J Clin Oncol 2020; 38: 2438.

Zusammenfassung: Dietary counseling may be offered with the goal of providing patients and caregivers with advice for the management of cachexia. Enteral feeding tubes and parenteral nutrition should not be used routinely. In the absence of more robust evidence, no specific pharmacological intervention can be recommended as the standard of care; therefore, clinicians may choose not to prescribe medications specifically for the treatment of cancer cachexia. Nonetheless, when it is decided to trial a drug to improve appetite and/or weight gain, currently available pharmacologic interventions that may be used include progesterone analogs and short-term (weeks) corticosteroids.

Urothelkarzinom  −  Check the point: Platin 1.line bleibt auf dem Platz

Powles T et al: Durvalumab alone and durvalumab plus tremelimumab versus chemotherapy in previously untreated patients with unresectable, locally advanced or metastatic urothelial carcinoma (DANUBE): a randomised open-label multicentre phase 3 trial. Lancet Oncol 2020; https://doi.org/10.1016/ S1470-2045(20)30541-6.

Zusammenfassung: Survival outcomes are poor for patients with metastatic urothelial carcinoma who receive standard, first-line, platinum-based chemotherapy. We assessed the overall survival of patients who received durvalumab (a PD-L1 inhibitor), with or without tremelimumab (a CTLA-4 inhibitor), as a first-line treatment for metastatic urothelial carcinoma. This study did not meet either of its co-primary endpoints.

NSCLC − Osimertinib adjuvant: klappt es nun?

Wu YL et al. Osimertinib in resected EGFR-mutated non-small-cell lung cancer. NEJM 2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2027071.

Zusammenfassung: In patients with stage IB to IIIA EGFR mutation–positive NSCLC, disease-free survival was significantly longer among those who received osimertinib than among those who received placebo.

Nostalgische Erinnerung an Ice Cream

Kuroda H et al. Successful postoperative recovery management after thoracoscopic lobectomy and segmentectomy using an ERAS-based protocol of immediate ice cream intake and early ambulation: a 3-year study. Cancer Management and Research 2019:11 4201–4207.

Zusammenfassung: We developed enhanced recovery after surgery (ERAS) protocols involving immediate ice cream intake for checking postoperative chylothorax and subsequent early ambulation in order to investigate whether these methods have postoperative benefits. The results suggested that our ERAS protocol represented by immediate ice cream intake, and early ambulation is feasible and can help in reducing postoperative complications, chest drainage duration, and hospitalization after TSL.

Nachlese zum Artikel «Eating beef causes colon cancer»

Ich erhielt einen interessanten Kommentar von Prof. Heinz Läubli (MD PhD), Med. Onkologie und Tumorzentrum, Universitätsspital Basel:

Samraj AN, Läubli H et al. A red meat-derived glycan promotes inflammation and cancer progression. PNAS 2015; 112: 542.

Das Fehlen von GI-Tumoren bei Raubkatzen unterstützt einen möglichen Pathomechanismus, bei welchem eine chronische Immunreaktion gegen den nicht-menschlichen Zucker N-glycosyl-Neuraminsäure (Neu5Gc, somit ein Fremdantigen) aus rotem Fleisch die Entstehung von Karzinomen fördern könnte. Der Mensch kann Neu5Gc aus genetischen Gründen nicht selber bilden, wohl aber als Folge des Konsums von Fleisch in seinen Geweben einlagern, vor allem im Kolon. Die Folge ist die Bildung von Antikörpern, die ihrerseits eine chronische Entzündung auslösen, und damit den Boden für ein erhöhtes Karzinom-Risiko schaffen (man denke an das Kolonkarzinom-Risiko bei Colitis ulcerosa). Da Raubkatzen im Gegensatz zum H. sapiens selber Neu5Gc herstellen können, ist Neu5Gc bei Raubkatzen nicht immunogen und dieser Pathomechanismus kann bei ihnen nicht greifen.
In einer früheren Arbeit zu diesem Thema (Hedlund M et al PNAS 2008; 105: 18939) wurde überdies (ebenfalls an einem Mäusemodell) gezeigt, dass COX2-Inhibitoren Neu5Gc-vermittelte Entzündung bremsen können, und vielleicht über diesen Weg die Entstehung von GI-Karzinomen verhindern mögen. Tatsächlich gibt es ja alte Arbeiten, die eine Reduktion von Kolonkarzinomen und Kolonadenomen nachwiesen bei Patienten, denen Adenome koloskopisch entfernt worden waren (Arber N et al. N Engl J Med 2006; 355: 885).
Vielleicht müsste man ein Rinds-Entrecôte zur Sicherheit als Entrecôte Café de Paris au Célécoxib anbieten. Experimentelle Konzepte (und seien sie noch so spannend) können jedoch nicht ohne viel Federlesens auf die Praxis der Humanmedizin extrapoliert werden. Wie Herr Läubli mir so treffend schreibt: «Leider weiterhin alles nur Assoziationen und schwierig zu beweisen…». Er und ich essen aktuell weiterhin (gerne) Neu5Gc-haltiges Fleisch. Old habits die hard.

Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

martin.fey@insel.ch

Beratungsmandat bei Nestlé Health Sciences, Epalinges, Aktien von Novartis, Roche und Johnson & Johnson

Azacitidin und Venetoclax bei zuvor unbehandelter akuter myeloischer Leukämie

Azacitidin und Venetoclax bei zuvor unbehandelter akuter myeloischer Leukämie

Quelle: DiNardo CC et al. Azacitidine and Venetoclax in Previously Untreated Acute Myeloid LeukemiaC.D. N Engl J Med 2020;383:617-29. DOI: 10.1056/NEJMoa2012971

Hintergrund

Ältere Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) haben eine ungünstige Prognose, selbst nach Behandlung mit einer hypomethylierenden Therapie. In einer früheren Phase-1b-Studie zeigte die Azacitidin-Venetoclax Kombination eine vielversprechende Wirksamkeit.

Methoden

Die Autoren randomisierten zuvor unbehandelte Patienten mit bestätigter AML, die aufgrund koexistierender Erkrankungen nicht für eine Standardinduktionstherapie in Frage kamen und/oder weil sie 75 Jahre alt oder älter waren, zu Azacitidin plus entweder Venetoclax oder Placebo. Alle Patienten erhielten eine Standarddosis Azacitidin (75 mg pro Quadratmeter Körperoberfläche subkutan oder intravenös an den Tagen 1 bis 7 in einem 28-tägigen Zyklus); Venetoclax (Zieldosis 400 mg) oder das entsprechende Placebo wurde oral einmal täglich in 28-tägigen Zyklen verabreicht. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben.

Resultate

431 Patienten (286 in der Azazitidin-Venetoclax-Gruppe und 145 in der Azazitidin-Placebo-[Kontroll-]gruppe) gehörten zur intention-to-treat Patientenpopulation. Das mittlere Alter betrug in beiden Gruppen 76 Jahre (Bereich 49 bis 91). Bei einem medianen Follow-up von 20.5 Monaten betrug die mediane Gesamtüberlebenszeit 14.7 Monate in der Azazitidin-Venetoclax-Gruppe und 9.6 Monate in der Kontrollgruppe (Hazard-Ratio für Tod, 0,66; 95% Konfidenzintervall, 0,52 bis 0,85; P<0,001). Die Inzidenz einer vollständigen Remission war in der Azazitidin-Venetoclax-Gruppe höher als bei der Kontrollgruppe (36,7% vs. 17,9%; P<0,001), ebenso wie die zusammengesetzte vollständige Remission (komplette Remission oder komplette Remission mit unvollständiger hämatologischer Regeneration) (66,4% vs. 28,3%; P<0,001). Zu den wichtigsten unerwünschten Ereignissen gehörten Übelkeit jeden Grades (bei 44% der Patienten in der Azazitidin-Venetoclax-Gruppe und 35% der Patienten in der Kontrollgruppe) und Thrombozytopenie Grad 3 oder höher (bei 45% bzw. 38%), Neutropenie (bei 42% bzw. 28%) und fieberhafte Neutropenie (bei 42% bzw. 19%). Bei 84% der Patienten in der Azacitidin-Venetoclax-Gruppe und 67% der Patienten in der Kontrollgruppe traten Infektionen jeden Grades auf, und bei 83% bzw. 73% traten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auf.

Schlussfolgerung

Bei zuvor unbehandelten AML Patienten, die für eine intensive Chemotherapie nicht in Frage kamen, war das Gesamtüberleben länger und die Inzidenz von Remissionen höher bei Patienten, die Azacitidin plus Venetoclax erhalten hatten, als bei Patienten, die eine Azacitidin Monotherapie erhielten. Fieber in Neutropenie war in der Venetoclax-Azacitidin-Gruppe häufiger als in der Kontrollgruppe.

10-Tage-Decitabin mit Venetoclax bei neu diagnostizierter, für intensive Chemotherapie nicht geeigneter und rezidivierter oder therapierefraktärer akuter myeloischer Leukämie: eine monozentrische Phase-2-Studie

Quelle: Di Nardo CD et al. 10-day decitabine with venetoclax for newly diagnosed intensive chemotherapy ineligible, and relapsed or refractory acute myeloid leukaemia: a single-centre, phase 2 trial. Lancet Haematol 2020, published online September 4, 2020 https://doi.org/10.1016/ S2352-3026(20)30210-6

Hintergrund

Venetoclax in Kombination mit einer hypomethylierenden Therapie ist ein neuer Behandlungsstandard für Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML), die 75 Jahre oder älter sind oder für eine intensive Chemotherapie nicht in Frage kommen. Pharmakodynamische Studien haben eine Überlegenheit des längeren 10-Tage-Regimes mit Decitabin suggeriert, welches bei Patienten mit Hochrisiko-AML in Phase 2-Studien vielversprechende Ergebnisse gezeigt hat. In dieser Studie wurde untersucht, ob Venetoclax in Kombination mit 10-Tage-Decitabin die Aktivität bei Patienten mit neu diagnostizierter AML und bei solchen mit rezidivierter oder therapieresistenter AML, insbesondere in Hochrisiko-Subgruppen, verbessern könnte.

Methoden

Diese monozentrische Phase 2-Studie wurde an der University of Texas MD Anderson Cancer Center (Houston, TX, USA) durchgeführt. In die Studie wurden ältere Patienten (Alter >60 Jahre) mit neu diagnostizierter AML, die nicht für eine intensive Chemotherapie in Frage kamen, Patienten mit sekundärer AML (nach myelodysplastischem Syndrom oder chronischer myelomonozytärer Leukämie) und Patienten mit rezidivierter oder therapieresistenter AML eingeschlossen. Die Patienten mussten einen ECOG-Score von 3 oder weniger, eine Leukozytenzahl von weniger als 10×10⁹ pro L und eine adäquate Endorganfunktion aufweisen. Patienten mit günstiger Risikozytogenetik (z.B. t[15;17] oder CBF-AML) oder die zuvor eine BCL2-Inhibitor-Therapie erhalten hatten, wurden ausgeschlossen. Die Patienten erhielten Decitabin 20 mg/m² intravenös während 10 Tagen mit oralem Venetoclax 400 mg täglich zur Induktion, gefolgt von Decitabin während 5 Tagen mit täglichem Venetoclax zur Konsolidierung. Der primäre Endpunkt war das Gesamtansprechen. Zu den sekundären Endpunkten, die im Rahmen dieser Studie analysiert wurden, gehörten Sicherheit, Gesamtüberleben und Ansprechdauer in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Leitlinien des Europäischen Leukämienetzwerks 2017. Alle Patienten, die mindestens eine Behandlungsdosis erhielten, kamen für eine Beurteilung der Sicherheit und des Ansprechens in Frage. Die Studie wurde unter ClinicalTrials.gov (NCT03404193) registriert und schliesst weiterhin Patienten ein.

Resultate

168 Patienten wurden zwischen dem 19. Januar 2018 und dem 16. Dezember 2019 in die Studie eingeschlossen; 70 (42%) hatten eine neu diagnostizierte AML, 15 (9%) eine unbehandelte sekundäre AML, 28 (17%) eine behandelte sekundäre AML und 55 (33%) eine rezidivierte oder therapierefraktäre AML. Das mediane Alter betrug 71 Jahre (IQR 65-76) und 30% der Patienten hatten einen ECOG-Leistungsstatus von 2 oder höher. Die mediane Nachbeobachtung betrug 16 Monate (95% CI 12-18; tatsächliche Nachbeobachtung 6.5 Monate; IQR 3.4-12.4). Das Gesamtansprechen betrug 74% (125 von 168 Patienten; 95% CI 67-80) und in den Subgruppen: 89% bei neu diagnostizierter AML (62 von 70 Patienten; 79-94), 80% bei unbehandelter sekundärer AML (12 von 15 Patienten; 55-93), 61% bei vorbehandelter sekundärer AML (17 von 28 Patienten; 42-76) und 62% bei rezidivierter oder refraktärer AML (34 von 55 Patienten; 49-74). Zu den häufigsten therapiebedingten unerwünschten Ereignissen gehörten Infektionen mit Neutropenie Grad 3 oder 4 (n=79, 47%) und Fieber in Neutropenie (n=49, 29%). 139 (83%) von 168 Patienten hatten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, am häufigsten Fieber in Neutropenie (n=63, 38%), gefolgt von Pneumonie (n=17, 10%) und Sepsis (n=16, 10%). Die 30-Tage-Mortalität betrug 3.6% (n=6, 95% CI 1.7-7.8). Das mediane Gesamtüberleben betrug 18.1 Monate (95% CI 10.0-nicht erreicht) bei neu diagnostizierter AML, 7.8 Monate (2.9-10.7) bei unbehandelter sekundärer AML, 6.0 Monate (3.4-13.7) bei behandelter sekundärer AML und 7.8 Monate (5.4-13.3) bei rezidivierter oder refraktärer AML. Die mediane Dauer des Ansprechens wurde bei neu diagnostizierter AML nicht erreicht (95% CI 9.0-nicht erreicht), war 5.1 Monate (95% CI 0.9-nicht erreicht) bei unbehandelter sekundärer AML, wurde nicht erreicht (95% CI 2.5-nicht erreicht) bei zuvor behandelter sekundärer AML und betrug 16.8 Monate (95% CI 6.6-nicht erreicht) bei rezidivierter oder refraktärer AML.

Schlussfolgerung

Die Kombination aus Venetoclax und 10-Tage-Decitabin weist ein vertretbares Sicherheitsprofil auf und zeigte eine hohe Aktivität bei neu diagnostizierter AML und molekular definierten Subgruppen bei rezidivierter oder refraktärer AML. Zukünftige grössere und randomisierte Studien sind erforderlich, um die Aktivität in Hochrisiko AML-Subgruppen zu definieren.

Prof. Dr. med.Markus G. Manz

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

PD Dr. med. Alexandre Theocharides

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

Alexandre.Theocharides@usz.ch

Onko-Kardiologie

Das noch junge und sehr dynamische Gebiet der Onko-Kardiologie hat sich in den letzten Jahren als Subspezialität der Kardiologie etabliert. Während der Fokus zu Beginn vorwiegend auf der Kardiotoxizität klassischer Chemotherapien wie der Anthrazykline lag, hat sich das Gebiet stark weiterentwickelt und auf sämtliche Schnittstellen der Onkologie und der kardiovaskulären Medizin ausgeweitet.

Le domaine encore jeune et très dynamique de l’ onco-cardiologie s’ est imposé comme une sous-spécialité de la cardiologie ces dernières années. Alors qu’ au départ, l’ accent était principalement mis sur la cardiotoxicité des chimiothérapies classiques telles que les anthracyclines, le domaine s’  est considérablement développé et s’ est étendu pour inclure toutes les interfaces entre l’ oncologie et la médecine cardiovasculaire.

Dies widerspiegelt sich in der sogenannten «Multiple Hit» Hypothese (1), gemäss derer die Tumor-assoziierte kardiale (und vaskuläre) Schädigung aus sequentiellen kumulativen Belastungen resultiert, die schon vor der Tumordiagnose ihren Ursprung nehmen (Abb. 1). Dabei ist die «kardiovaskuläre Reserve» vor Beginn der Tumortherapie eine wichtige Determinante. Diese kann durch genetische Faktoren sowie vorbestehende Risikofaktoren und Vorerkrankungen limitiert sein. Hinzu kommen die zusätzlichen Risiken, wie die Tumorerkrankung selber, deren Therapie («major hit») sowie die Progredienz vorbestehender und erworbener Schädigungen.

Gemeinsame Risikofaktoren und pathophysiologische Überlappungen

Nicht nur Nebenwirkungen von Tumortherapien, sondern auch gemeinsame Risikofaktoren für onkologische und kardiovaskuläre Erkrankungen sowie pathophysiologische Mechanismen tragen dazu bei, dass Tumorpatienten gehäuft an kardiovaskulären Erkrankungen leiden (2). Dabei fallen sowohl modifizierbare als auch nicht-modifizierbare Faktoren (z.B. Alter, Geschlecht, genetische Prädisposition) ins Gewicht. Unter den modifizierbaren Risikofaktoren finden sich die klassischen Life-Style Faktoren wie Nikotinabusus, Adipositas und Bewegungsmangel, sowie Dyslipidämie, Diabetes und Hypertonie. Hinzukommen «neue» Risikofaktoren, wie z.B. die klonale Hämatopoiese. Ihnen gemeinsam ist ein systemischer inflammatorischer Zustand, der sowohl Entstehung und Wachstum von Tumoren als auch die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen wie Atherosklerose und Herzinsuffizienz fördert und der von beiden Erkrankungen weiter propagiert wird. Dieses Bewusstsein hilft in der interdisziplinären Risikostratifizierung und Behandlung von Tumorpatienten und hat zur Idee von strukturierten gemeinsamen Screen-ing- und Präventions-Programmen geführt. So könnte zum Beispiel anlässlich einer CT-Untersuchung des Thorax im Rahmen eines Lungenkarzinom-Screenings in einer Risikopopulation zugleich der koronare Calcium-Score bestimmt werden (2).

Kardiovaskuläre Toxizität «klassischer» Chemotherapien

Von den klassischen, kardiotoxischen Chemotherapien nach wie vor regelmässig eingesetzt werden Anthrazykline (Doxorubicin, Daunorubicin, Epirubicin, Idarubicin und Mitoxantron) sowie alkylierende Substanzen (Cyclophosphamid und Ifosfamid). Anthrazykline kommen vorwiegend in der Behandlung von Lymphomen, akuten Leukämien, Sarkomen und dem Mammakarzinom zur Anwendung. Die Anthrazyklin-assoziierte kardiale Dysfunktion zeigt eine Abhängigkeit von der kumulativen Dosis und steigt bei > 400 mg/m2 Doxorubicin exponentiell von ca. 5% auf > 26% an (3). Allerdings können bereits niedrigere Dosen kardiotoxisch sein, insbesondere wenn im juvenilen oder jungen Adoleszenzalter verabreicht (> 250 mg / m2). Als diagnostisch für eine Kardiotoxizität gilt eine Abnahme der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) um mehr als 10 Prozentpunkte unter den Normwert (53% gemäss Definition der Echokardiographie-Gesellschaften) (4). Heutzutage können mit Hilfe eines engmaschigen Monitorings mittels hoch-sensitiver Troponine sowie SpeckleTracking Echokardiographie mit Strain-Messung (globaler longitudinaler Strain, GLS) bereits subklinische Formen der Toxizität erkannt werden, die eine frühzeitige Prophylaxe bzw. Behandlung ermöglichen. Dabei werden ACE-Hemmer (oder Angiotensin Rezeptor Blocker (ARB)) und Beta-Blocker eingesetzt (5). Ein möglicher Therapiealgorithmus ist in Abbildung 2 wiedergegeben (aktueller Algorithmus des Universitätsspitals Basel). Nach Anthrazyklin-haltiger Chemotherapie sollten die Patienten lebenslang, bei normalen Befunden und wenn asymptomatisch z.B. alle 5 Jahre, nachkontrolliert werden, um auch die spät auftretenden Kardiomyopathien nicht zu verpassen. Kardiale Dysfunktion und Kardiomyopathien werden auch in Zusammenhang mit Cyclophosphamid und Ifosfamid beobachtet, welche oft in Kombination mit Anthrazyklinen und in hohen Dosen (z.B. vor Stammzell-Transplantation) verabreicht werden (6). Im Gegensatz zu den Anthrazyklinen tritt diese Toxizität in aller Regel jedoch zeitnah zur Verabreichung auf. Auch diese Patienten bedürfen einem entsprechenden kardialen Monitoring.
Ebenfalls zu den klassischen Chemotherapien gehören die Fluoropyrimidine (5-FU) und die Platinderivate. Beide Substanzklassen können ein akutes Koronarsyndrom auslösen, wenn auch über unterschiedliche Mechanismen. 5-FU führt vorwiegend zu Vasospasmen, welche mit Nitraten und Calcium-Antagonisten therapeutisch angegangen werden können (7). Allerdings können auch Endothel-Schädigungen auftreten. Eine genetische Testung auf Mutationen der Dihydropyrimidin-Dehydrogenase erlaubt die Identifikation von Patienten, die aufgrund eines verminderten Metabolismus von 5-FU ein hohes Risiko für eine Toxizität aufweisen. Platine führen vorwiegend zu Endothelschäden und können über prothrombotische Mechanismen zu einer Gefässokklusion führen (8).

Kardiale Dysfunktion unter Her2-gerichteten Therapien

Anders als die Anthrazyklin-induzierte Kardiotoxizität ist die kardiale Dysfunktion unter Her2-gerichteten Therapien (Trastuzumab, Pertuzumab), die vorwiegend beim Mamma-Karzinom zum Einsatz kommen, mehrheitlich funktionell und nicht strukturell bedingt. Diese Toxizität zeigt eine hohe Reversibilität (bis zu 80%) nach Absetzen der Therapie, allerdings werden auch irreversible Formen beobachtet (9). Während eine Abnahme der LVEF früher oft zu einem Therapieabbruch geführt hat, haben neuere Studien gezeigt, dass kardiale Ereignisse bei asymptomatischen Patientinnen mit eingeschränkter LVEF von 40-49% lediglich bei ca. 10% vorkommen (10). Voraussetzung für eine Fortführung der Therapie bei asymptomatischen Patientinnen mit eingeschränkter LVEF ist allerdings eine engmaschige kardiologische Betreuung und eine adäquate Herzinsuffi-zienztherapie mit ACE-Hemmer/ARB und Betablocker.

Tyrosinkinase-Inhibitoren

Nennenswert sind auch kardiovaskuläre Nebenwirkungen in Zusammenhang mit Tyrosinkinase-Inhibitoren. Erwähnenswert dabei ist insbesondere die arterielle Hypertonie unter Inhibitoren des Vascular Endothelial Growth Factor (Rezeptor) VEGF(R) Signalwegs (11). Diese Hypertonien können schwerwiegend sein, und zu Komplikationen oder einem Behandlungsabbruch führen. Therapeutisch sollte aus nephroprotektiven Überlegungen auf jeden Fall ein ACE-Hemmer oder ARB verabreicht werden. Die Hypertonie lässt sich vorwiegend durch Calcium-Antagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ sowie vasodilatierende Betablocker behandeln (12). Vorsicht ist geboten bei Dosisreduktionen des VEGF(R)-Inhibitors oder Therapie-freien Intervallen, da dies zu schweren Rebound-Hypotonien führen kann. In diesem Fall muss die antihypertensive Therapie rasch deeskaliert oder abgesetzt werden. VEGF(R)-Inhibitoren erhöhen zudem das thrombo-embolische Risiko (13) und können ebenfalls zu kardialer Dysfunktion und Herzinsuffizienz führen (14). Auch andere Tyrosinkinase-Inhibitoren können mit signifikanten kardialen und vaskulären Nebenwirkungen einhergehen. Tyrosinkinase-Inhibitoren gehören ferner zu denjenigen Substanzen, die eine Verlängerung der korrigierten QT-Zeit hervorrufen können. Auch wenn diese nur sehr selten zu fatalen Arrhythmien führt, sollten regelmässige EKG Kontrollen durchgeführt und die onkologische oder Begleitmedikation bei Bedarf angepasst werden (15). Eine Liste der QT-Zeit verlängernden Medikamente, die regelmässig aktualisiert wird, kann unter www.crediblemeds.org gefunden werden.

Immuncheckpoint-Inhibitoren und neue Herausforderungen

Neue Herausforderungen haben sich durch den erfolgreichen Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) ergeben. ICI sind Antikörper, die gegen sogenannte Checkpoints gerichtet sind, welche die Aktivierung von zytotoxischen T-Lymphozyten hemmen. Dies führt zu einer Aktivierung von T-Lymphozyten, die sich auch gegen körpereigene Antigene richten und eine Vielzahl von immunvermittelten Nebenwirkungen verursachen können. Im Falle von Kardiomyozyten kann dies zu teils schwerwiegenden Myokarditiden führen, die einen fatalen Ausgang haben können (16). Auch hier ist das Monitoring von hoch-sensitiven Troponinen wichtig. Vor ICI-Therapie sollte ein EKG, eine Echokardiographie sowie eine Bestimmung der kardialen Biomarker durchgeführt werden, um einen verlässlichen Ausgangsbefund zu haben. Bei Verdacht auf eine ICI-induzierte Myokarditis sollte diese mittels Bildgebung (Herz-MRI), besser aber bioptisch gesichert und eine immunsuppressive Therapie mit hochdosierten Steroiden sowie bei eingeschränkter LVEF eine Herzinsuffizienztherapie eingeleitet werden (17). Bei Non-Respondern kommen zusätzliche Immunsuppressiva zum Zuge. Gefährlich sind in diesem Zusammenhang die Rhythmusstörungen bzw. teils irreversiblen Blockbilder, die durch lymphozytäre Infiltration und Ödem des Reizleitungssystems verursacht werden. Nebst der Myokarditis können ICI zu Vaskulitiden u.a. der Koronararterien führen und ein akutes Koronarsyndrom hervorrufen. Auch Takotsubo-Kardiomyopathien wurden beschrieben (18).
Zahlreiche andere neuere Therapien wie z.B. Proteasom-Inhibitoren (Bortezomib, Carfilzomib) oder Immunomodulatoren (Lenalidomid), beide eingesetzt beim Multiplen Myelom bzw. letzteres auch beim myelodysplastischen Syndrom, können ebenfalls kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie kardiale Dysfunktion (19-21) sowie thromboembolische Ereignisse inklusive akutes Koronarsyndrom zur Folge haben (22). Rasche Entwicklungen auf dem Gebiet der Onkologika führen zu einer kontinuierlich grossen Zahl an Neuzulassungen bzw. im Rahmen von Studien verabreichten neuen Substanzen und Substanzklassen. Dadurch werden kardiovaskuläre Nebenwirkungen bei onkologischen Patienten auch in Zukunft von Relevanz sein. Entsprechend sollen auch Patienten, die mit neuen Substanzen behandelt werden, engmaschig auf kardiovaskuläre Nebenwirkungen hin beobachtet werden. Um das Überleben von Tumorpatienten sowohl in Bezug auf die Tumorerkrankung als auch auf kardiovaskuläre Erkrankungen nachhaltig zu verbessern, ist eine enge interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit unverzichtbar.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Zweitabdruck des in «info@herz+gefäss» 04-2020 erschienen Originalartikels.

Prof. Dr. med. Gabriela Kuster

Leiterin Kardio-Onkologie
Klinik für Kardiologie, Universitäres Herzzentrum
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

gabriela.kuster@usb.ch

Prof. Dr. med. Dr. phil. nat. Sacha Rothschild

Kantonsspital Baden
Zentrum für Onkologie & Hämatologie
Im Ergel 1
5404 Baden

sacha.rothschild@ksb.ch

Die Autorin hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
Der Autor: Forschungsunterstützung durch AbbVie, Astra-Zeneca, BMS, Boehringer-Ingelheim, Merck. Honorare für Advisory Boards (Bezahlung an die Institution) von Astra-Zeneca, BMS, Boehringer-Ingelheim, Eisai, Eli Lilly, Merck, MSD, Novartis, Pfizer, Roche, Takeda. Honorare für Vorträge (Bezahlung an die Institution) von Astra-Zeneca, BMS, Boehringer-Ingelheim, MSD, Novartis, Roche. Bezahlung von Reisen und Kongressteilnahmen durch Amgen, Roche, BMS, MSD, AstraZeneca, Takeda, Boehringer-Ingelheim. Mitglied der Arzneimittelkommission des Bundesamtes für Gesundheit Schweiz und Mitglied des Vorstandes der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK).

  • Tumorpatienten haben bereits aufgrund ihrer Diagnose und unabhängig von der Tumortherapie ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.
  • Herzinsuffizienz und kardiale Dysfunktion gehören zu den häufigen und prognostisch ungünstigsten Nebenwirkungen von Tumortherapien.
  • Durch kardiales Monitoring (hoch-sensitive Biomarker und Bildgebung) kann eine Kardiotoxizität frühzeitig erkannt und behandelt werden.
  • Bei den Nebenwirkungen der zielgerichteten («targeted») Therapien sind an die VEGF(R)-Signal-Inhibitor-assoziierte Hypertonie (häufig und hartnäckig) und die Immuncheckpoint-Inhibitor-assoziierte Myokarditis (potentiell gefährlich) zu denken.
  • Die erfolgreiche Betreuung von Tumorpatienten setzt eine enge Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und den für die Tumorbehandlung zuständigen Spezialisten der Onkologie, Radioonkologie und Hämatologie voraus.

Messages à retenir

  • Les patients atteints de tumeurs présentent déjà un risque cardiovasculaire accru en raison de leur diagnostic et indépendamment de la thérapie tumorale.
  • L’ insuffisance cardiaque et le dysfonctionnement cardiaque sont parmi les effets secondaires les plus fréquents et les plus défavorables au pronostic des thérapies tumorales.
  • La surveillance cardiaque (biomarqueurs et imagerie très sensibles) permet de détecter et de traiter précocement la cardiotoxicité.
  • Les effets secondaires des thérapies ciblées comprennent l’ hypertension associée à l’ inhibiteur du signal VEGF(R) (fréquente et persistante) et la myocardite associée à l’ inhibiteur du checkpoint immunologique (potentiellement dangereuse).
  • La réussite des soins aux patients atteints de tumeurs exige une coopération étroite entre les cardiologues et les spécialistes en oncologie, en radio-oncologie et en hématologie responsables du traitement des tumeurs.

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20. Siegel D, Martin T, Nooka A, Harvey RD, Vij R, Niesvizky R, et al. Integrated safety profile of single-agent carfilzomib: experience from 526 patients enrolled in 4 phase II clinical studies. Haematologica. 2013;98(11):1753-61.
21. Lee DH, Fradley MG. Cardiovascular Complications of Multiple Myeloma Treatment: Evaluation, Management, and Prevention. Curr Treat Options Cardiovasc Med. 2018;20(3):19.
22. Knight R, DeLap RJ, Zeldis JB. Lenalidomide and venous thrombosis in multiple myeloma. N Engl J Med. 2006;354(19):2079-80.

Endoradiotherapie des Prostatakarzinoms mittels 177Lu-PSMA-Liganden

Die sogenannte PSMA-Therapie ist die einzige, in der Schweiz von den Behörden offiziell genehmigte Drittlinientherapie des metastasierten, kastrationsrefraktären Prostatakarzinoms. Soweit klinisch sinnvoll, kann sie jedoch nach Tumorboard­beschluss auch früher durchgeführt werden. Weitere Einschlusskriterien sind eine ausreichende PSMA-Expression der Tumorherde (sichtbar in der PSMA-PET/CT) sowie eine ausreichende Knochenmarkreserve und Nierenfunktion. Abgesehen von einer Chemotherapie-Karenz von wenigen Wochen (je nach Knochenmarkreserve) bedarf die PSMA-Therapie keiner besonderen Vorbereitung (keine spezifische Diät oder Medikamentenumstellung). Eine Kostengutsprache durch die Ver­sicherungen ist nicht erforderlich.

La thérapie dite PSMA est la seule thérapie de troisième ligne pour le cancer de la prostate métastatique et résistant à la castration qui a été officiellement approuvée par les autorités en Suisse. Toutefois, si elle est cliniquement significative, elle peut également être effectuée à un stade plus précoce, après une décision du conseil des tumeurs. D’autres critères d’inclusion sont une expression suffisante des foyers de la tumeur (visible dans le PSMA-PET/CT) ainsi qu’une réserve de moelle osseuse et une fonction rénale suffisantes. En dehors d’un congé de chimiothérapie de quelques semaines (en fonction de la réserve de moelle osseuse), la thérapie PSMA ne nécessite aucune préparation particulière (pas de changement de régime alimentaire ou de médicament spécifique). Un crédit de frais par les compagnies d’assurance n’est pas nécessaire.

Der erste Patient in der Schweiz wurde im August 2019 mit PSMA therapiert. Seitdem wird diese palliative Therapie routinemässig durchgeführt und zeigt in ca. 1/3 der Patienten eine hohe anti-tumorale Wirkung mit entsprechendem PSA-Abfall und erheblicher Verbesserung des allgemeinen Zustandes. Bei einem weiteren Drittel der Patienten kann ein stable disease erreicht werden. Negative prädiktive Faktoren sind Lebermetastasen und Cabazitaxel-Vorbehandlung. Die PSMA-Therapie ist während der ersten drei Zyklen in der Regel hervorragend verträglich; Nebenwirkungen treten meist ab dem 4. Zyklus auf und betreffen vor allem die Speicheldrüsen sowie das blutbildende Knochenmark. Andere Nebenwirkungen sind selten und treten in der Regel erst in späteren Stadien der PSMA-Therapie auf. Bei Respondern können im Durchschnitt progressionsfreie Überlebensintervalle von 4-5 Monaten erwartet werden.
In den letzten Jahren lag der Fokus innovativer theranostischer Möglichkeiten im Rahmen des Prostatakarzinoms (PC) vor allem auf dem Prostata-Spezifischen-Membran-Antigen (PSMA). PSMA ist ein transmembranes Protein, welches in der Mehrzahl der PC-Zellen signifikant stärker exprimiert wird als in normalen Prostatazellen. Entgegen seines Namens wird PSMA jedoch auch in anderen Geweben des Organismus exprimiert (Abb. 1). Die Zielstruktur PSMA eignet sich nicht nur zur Diagnostik - z.B. mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET), sondern in besonderem Masse auch für eine zielgerichtete, endogene Radiotherapie (Radioligandentherapie). Voraussetzung einer solchen Therapie ist eine ausreichend hohe PSMA-Expression der Tumorherde, die mittels PSMA-Liganden PET/CT sichtbar gemacht werden kann.

Die Anfänge der PSMA-basierten Endoradiotherapie

Die ersten «PSMA-Therapien» in Menschen mit radioaktiv markierten Liganden wurden – ebenso wie die PSMA-PET/CT – im Jahre 2011 in der Nuklearmedizin der Uniklinik Heidelberg (D) durchgeführt (1, 2). Dabei wurde der PSMA-Ligand MIP-1095 der US-amerikanischen Firma Molecular Insight Pharmaceuticals (MIP) mit dem radioaktiven Halogen 131Iod gekoppelt und bei konventionell in der Regel austherapierten Patienten intravenös verabreicht. Bereits nach einer einzigen Gabe (Zyklus) konnten damit teils erstaunliche Ergebnisse mit raschem biochemischem und bildmorphologischem Ansprechen und Herddosen bis zu 300 Gy erzielt werden (1, 2). Beispielsweise zeigten >38% der Patienten nach dem ersten Zyklus einen PSA-Abfall von mindestens 75%. Die Nebenwirkungen waren beim ersten Zyklus zumeist mild und klinisch selten relevant, nahmen jedoch ab dem zweiten Zyklus zu (2). Zum relevanten Nebenwirkungsprofil gehörten Leukozytopenie, Thrombopenie und Xerostomie. Letzteres ist der physiologischen Aufnahme von PSMA-Liganden im Speicheldrüsengewebe geschuldet.
Ein Nachteil der Therapie mit 131Iod-MIP-1095 lag in der langen Hospitalisationsdauer von bis zu 10 Tagen. Der Grund dafür war die lange im Organismus verbleibende Radioaktivität, so dass entsprechend die gesetzlich vorgeschriebenen Werte für die Entlassung nach Hause relativ spät erreicht wurden.

177Lutetium-PSMA-Liganden

Seit 2013 wurde 131Iod-MIP-1095 v.a. aufgrund der langen Hospitalisationsdauer von PSMA-Liganden, die das radioaktive Metall 177Lutetium (177Lu) tragen, abgelöst. Auch wenn nach 2013 unseres Wissens nach keine PSMA-Therapien mehr mit 131Iod-MIP-1095 durchgeführt wurden, hat diese Substanz in hohem Masse dazu beigetragen, diese PSMA-Therapie zu verstehen.
Auch bei den 177Lu-markierten PSMA-Liganden zeigten sich teils vielversprechende Therapieresultate bei einem günstigen Nebenwirkungsprofil und einer kurzen stationären Verweildauer von wenigen Tagen (2-4 Tagen). Aus diesen Gründen hat zunächst innerhalb Deutschlands und wenige Jahre später auch weltweit eine rasche Ausbreitung dieser Therapieform stattgefunden. Die zwei führenden 177Lu-Liganden sind 177Lu-PSMA-617 (entwickelt am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg) sowie 177Lu-PSMA-I&T (entwickelt an der Technischen Universität München). Suffiziente Studien zum Vergleich der beiden Substanzen untereinander bezüglich Wirkung und Nebenwirkungen sind aktuell nicht vorhanden.
Die positiven Ergebnisse multipler Publikationen und Erfahrungsberichte führten schliesslich dazu, dass nach einer aufwendigen Antrags-Prozedur die PSMA-Therapie mit 177Lu-PSMA-617 in 12/2018 auch in der Schweiz von den Behörden genehmigt wurde. Allerdings konnte aufgrund von Lieferschwierigkeiten der Substanz die erste Therapie in der Schweiz erst im August 2019 durchgeführt werden (Uniklinik Bern). Seitdem jedoch wird die PSMA-Therapie mit zunehmenden Fallzahlen routinemässig durchgeführt. Seit Mai 2020 liegt zur PSMA-Therapie mittels 177Lu-PSMA-I&T von den Schweizer Behörden ebenfalls eine Genehmigung vor.

Regularien

Die Regularien für die Durchführung einer PSMA-Therapie in der Schweiz sind wie folgt: die Therapie ist vorgesehen für die Drittlinientherapie des metastasierten, kastrations-resistenten PC (mCRPC). Allerdings kann sie nach Tumorboardbeschluss – sofern sinnvoll erachtet – auch früher als in der dritten Linie durchgeführt werden. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse einer klinischen Phase-II-Studie aus Aus­tralien, dass die PSMA-Therapie gegenüber der Therapie mit Cabazitaxel wirkungsvoller und nebenwirkungsärmer war (3). Insgesamt sind international immer häufiger Überlegungen und Bestrebungen ersichtlich, die PSMA-Therapie früher als in der dritten Linie einzusetzen.

Einschlusskriterien

Weitere Einschlusskriterien neben einem interdisziplinären Tumorboardbeschluss und einer ausreichenden PSMA-Expression der Tumorherde sind eine suffiziente Knochenmarkreserve und Nierenfunktion. Abgesehen von einer Chemotherapie-Karenz von wenigen Wochen (je nach Knochenmarkreserve) bedarf die PSMA-Therapie keiner besonderen Vorbereitung; eine spezielle Diät, das Absetzen von Medikamenten oder eine Kostengutsprache mit den Versicherungen sind somit nicht erforderlich. Es ist sinnvoll, die Basismedikation für das PC (z.B. GnRh-Analoga oder knochen-stabilisierende Substanzen bei entsprechender ossärer Metastasierung) fortzuführen.

Wirkungspotential der PSMA-Therapie

Die allgemeinen Erfahrungen mit 177Lu-PSMA-Therapien zeigen, wie oben angedeutet, bereits nach einem einzigen Zyklus vielversprechende, in der Anfangsphase sogar gelegentlich spektakuläre Ergebnisse, auch wenn grundsätzlich keine Heilung in Aussicht gestellt werden kann: bei >60% der Patienten sinkt der PSA-Wert um mindestens 50% (4). In dosimetrischen Analysen konnten Herddosen von bis zu 162 Gy für eine verabreichte Aktivität von 7.4 GBq 177Lu-PSMA-617 nachgewiesen werden (5).
Aktuell werden 4-6 Zyklen PSMA-Therapie à 6 bis 7.4 Gigabecquerel (GBq) in Abständen von 6-8 Wochen empfohlen (6). Jedoch kann – je nach Ausmass der Nebenwirkungen und dem sonstigen Zustand des Patienten – die Therapie bei Respondern über den
6. Zyklus hinaus fortgeführt werden. Bisherigen Erfahrungen nach können die Ansprechraten wie folgt angegeben werden: 1/3 der Patienten weisen eine sehr gute Response auf die PSMA-Therapie auf (Abb. 2-3). Dies zeigt sich innerhalb weniger Wochen auch in einer signifikanten Besserung des zuvor teils erheblich reduzierten Allgemeinzustandes. Bei 1/3 bleibt die Erkrankung für Wochen bis Monaten stabil und 1/3 der Patienten profitieren nicht von der Therapie (4). Bekannte negative prädiktive Faktoren sind Lebermetastasen und eine stattgehabte Cabazitaxel-Therapie.

Nebenwirkungen

Insgesamt ist die 177Lu-PSMA-Therapie während der ersten drei Zyklen hervorragend verträglich und relevante Nebenwirkungen sind nicht zu erwarten. Sollte die PSMA-Therapie darüber hinaus fortgeführt werden (bei Respondern oder denjenigen mit stable disease), so werden die Nebenwirkungen zumeist ab dem vierten Zyklus symptomatisch. Diese äussern sich in zunächst milden, pro weiteren Zy­klus zunehmenden Geschmacksveränderungen und Mundtrockenheit aufgrund von Schäden an den Speicheldrüsen, die auch bei einer längeren Pausierung der PSMA-Therapie kaum ein Erholungspotential zeigen. Bei Respondern gelten die Nebenwirkungen an den Speicheldrüsen als der primär limitierende Faktor der PSMA-Therapie.
Bisher haben mehrere Ansätze zur Reduktion der Schäden an den Speicheldrüsen wie z.B. ein Exkretionsreiz (Zitronensaft etc.) oder Sialoskopie mit Steroidinjektion keinen Erfolg gezeigt. Eine Injektion von Botulinumtoxin in die Speicheldrüsen kann die Aufnahme des PSMA-Liganden zwar reduzieren, ist jedoch aufgrund der langen Wirkung von 3-4 Monaten schwer kontrollierbar und hat sich bisher in der klinischen Routine nicht durchsetzen können. Ein weiterer Ansatz ist die Kühlung der Speicheldrüsen mit dem Ziel, die Perfusion und in der Folge dessen die Aufnahme der PSMA-Liganden zu reduzieren. Obwohl die Effektivität dieser Massnahme bisher nicht bewiesen worden ist, so ist sie dennoch leicht umsetzbar, von den Pateinten gut tolerierbar und auch von den Leitlinien empfohlen (1/2 h vor und 4-6 h nach Beginn der Injektion der PSMA-Liganden) (6).
Die unspezifische Mitbestrahlung des blutbildenden Knochenmarks im Rahmen der PSMA-Therapie äussert sich in einer von Zyklus zu Zyklus häufig abnehmenden Anzahl an entsprechenden Blutzellen wie Leukozyten, Thrombozyten und Erythrozyten. Diese Nebenwirkung stellt häufig einen weiteren limitierenden Faktor der PSMA-Therapie dar und ist vor allem dann eine schwer beherrschbare Herausforderung, wenn Patienten bereits mit einer deutlich reduzierten Knochenmarkreserve infolge multipler Chemotherapien oder infolge einer ausgeprägten Knochenmark­infiltration der PSMA-Therapie zugeführt werden. In Anbetracht dieser Umstände sind Überlegungen, die Chemotherapie frühzeitig zugunsten einer PSMA-Therapie zu pausieren, berechtigt und sinnvoll. Falls die Patienten von der PSMA-Therapie nicht profitieren sollten, kann auf der anderen Seite zeitnah die Chemotherapie wieder begonnen werden.
Ab dem 5. bis 6. Zyklus kann auch eine zunehmende Trockenheit der Augen infolge einer Tränendrüsenschädigung klinisch in Erscheinung treten (ebenfalls kaum Erholungspotential vorhanden). Regelmässig wird auch ein passagares Fatigue-Syndrom beobachtet, wobei noch unklar ist, ob dies infolge der Tumor­erkrankung oder infolge der PSMA-Therapie auftritt. Andere Nebenwirkungen wie eine abnehmende Leistungsfähigkeit der Nieren sind kurzfristig nicht beobachtet worden. Mittel- und langfristig auftretende Niereninsuffizienzen sind noch Gegenstand klinischer Forschung.

Auswirkungen auf das Überleben:

Der aktuellen Datenlage zufolge können progressionsfreie Überlebensintervalle von durchschnittlich 4-5 Monaten bei Respondern erwartet werden (7). Diese Ergebnisse sind in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei den Patienten in der Regel um end-stage Patienten handelt, beachtlich. Neue prospektive randomisierte Studien zur PSMA-Therapie auch in früheren Stadien werden zukünftig sicherlich weiteres Potential dieser Therapieform in Bezug auf das Gesamtüberleben zeigen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med.Ali Afshar-Oromieh

Klinik für Nuklearmedizin
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

ali.afshar@insel.ch

Prof. Dr. med.Axel Rominger

Klinik für Nuklearmedizin
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

Die Autoren haben im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die PSMA-Therapie zeigt bei auf konventionellem Weg austhera­pierten Patienten im kastrationsrefraktären, metastasierten Stadium beachtliches Potential bei gutem Nebenwirkungsprofil.
  • Einschlusskriterien sind eine ausreichend hohe PSMA-Expression, eine suffiziente Knochenmarkreserve sowie Nierenfunktion.
  • Eine Kostengutsprache mit den Versicherungen ist nicht erforderlich.
    – Bekannte negative prädiktive Faktoren sind Cabazitaxel und
    Lebermetastasen.
    – Abgesehen von einer Chemotherapie-Karenz von wenigen Wochen (je nach Knochenmarkreserve) bedarf die PSMA-Therapie keiner besonderen Vorbereitung. Die Basismedikation für das PC (z.B. GnRh-Analoga oder kochen-stabilisierende Substanzen) sollten fortgeführt werden.
  • Nebenwirkungen betreffen vor allem die Speicheldrüsen sowie
    das blutbildende Knochenmark. Andere Nebenwirkungen sind
    selten und treten in der Regel erst in späteren Stadien der PSMA-Therapie auf.
  • Bei Respondern zeigen sich durchschnittlich 4-5 Monate progressionsfreies Überleben.

Messages à retenir

  • La thérapie de PSMA présente un potentiel considérable avec un bon profil d’effets secondaires chez les patients traités de manière conventionnelle au stade métastatique, réfractaire à la castration.
  • Les critères d’inclusion sont une expression PSMA suffisamment élevée, une réserve de moelle osseuse et une fonction rénale.suffisante
  • Un crédit de frais auprès des compagnies d’assurance n’est pas nécessaire.
    – Les facteurs prédictifs négatifs connus sont le cabazitaxel et les métastases hépatiques.
    – En dehors d’un congé de chimiothérapie de quelques semaines (en fonction de la réserve de moelle osseuse), la thérapie PSMA ne nécessite aucune préparation particulière. Les médicaments de base pour le cancer de la prostate (par exemple, les analogues du GnRh ou les substances stabilisant l’ébullition) doivent être poursuivis.
  • Les effets secondaires touchent principalement les glandes salivaires et la moelle osseuse hématopoïétique. Les autres effets secondaires sont rares et ne surviennent généralement qu’à des stades ultérieurs du traitement de la PSMA.
  • Les répondants montrent une moyenne de 4-5 mois de survie sans progression.

1. Zechmann CM, Afshar-Oromieh A, Armor T, Stubbs JB, Mier W, Hadaschik B, et al. Radiation dosimetry and first therapy results with a (124)I/ (131)I-labeled small molecule (MIP-1095) targeting PSMA for prostate cancer therapy. European journal of nuclear medicine and molecular imaging. 2014;41:1280-92. doi:10.1007/s00259-014-2713-y.
2. Afshar-Oromieh A, Haberkorn U, Zechmann C, Armor T, Mier W, Spohn F, et al. Repeated PSMA-targeting radioligand therapy of metastatic prostate cancer with (131)I-MIP-1095. European journal of nuclear medicine and molecular imaging. 2017;44:950-9. doi:10.1007/s00259-017-3665-9.
3. https://www.urotoday.com/conference-highlights/asco-2020/asco-2020-prostate-cancer/121811-asco-2020-therap-a-randomised-phase-ii-trial-of-177lu-psma-617-lupsma-theranostic-versus-cabazitaxel-in-metastatic-castration-resistant-prostate-cancer-mcrpc-progressing-after-docetaxel-initial-results-anzup-protocol-1603.html.
4. Rahbar K, Ahmadzadehfar H, Kratochwil C, Haberkorn U, Schafers M, Essler M, et al. German Multicenter Study Investigating 177Lu-PSMA-617 Radioligand Therapy in Advanced Prostate Cancer Patients. Journal of nuclear medicine : official publication, Society of Nuclear Medicine. 2017;58:85-90. doi:10.2967/jnumed.116.183194.
5. Kratochwil C, Giesel FL, Stefanova M, Benesova M, Bronzel M, Afshar-Oromieh A, et al. PSMA-Targeted Radionuclide Therapy of Metastatic Castration-Resistant Prostate Cancer with 177Lu-Labeled PSMA-617. Journal of nuclear medicine : official publication, Society of Nuclear Medicine. 2016;57:1170-6. doi:10.2967/jnumed.115.171397.
6. Kratochwil C, Fendler WP, Eiber M, Baum R, Bozkurt MF, Czernin J, et al. EANM procedure guidelines for radionuclide therapy with (177)Lu-labelled PSMA-ligands ((177)Lu-PSMA-RLT). European journal of nuclear medicine and molecular imaging. 2019;46:2536-44. doi:10.1007/s00259-019-04485-3.
7. Brauer A, Grubert LS, Roll W, Schrader AJ, Schafers M, Bogemann M, et al. (177)Lu-PSMA-617 radioligand therapy and outcome in patients with metastasized castration-resistant prostate cancer. European journal of nuclear medicine and molecular imaging. 2017;44:1663-70. doi:10.1007/s00259-017-3751-z.