Ein vergessener Ort hoch über der Magadinoebene

Die Alpe di Ruscada liegt am bergseitigen Ende der unwegsamen Valle di Cugnasco, einem der wenig beachteten kleinen Täler unmittelbar nördlich der Piano di Magadino. Die Alp ist eingebettet zwischen den Felskreten des Madonetto im Westen und der Cima di Morisciolo im Osten. Gegen Norden begrenzt die Cima dell’Uomo die Alpweiden. Ein kleiner Pass erlaubt den Übergang in die Val della Porta der Valle Verzasca mit den weiten Weiden der Alpe Mognora und der Capanna Borgna, die aus den Häusern des obersten Stafels dieser Alp errichtet wurde. Vor rund 40 Jahren war auch dieser oberste Stafel noch mit Grossvieh bestossen und übernachteten wir dort in der zugigen Alphütte, wärmten uns am offenen Feuer, dessen Rauch zwischen den Steinplatten des Daches und durch die offene Tür abzog. Heute erwarten uns zwei komfortable Selbstversorgerhütten, in denen nicht nur Gas- und Holzherd zur Verfügung stehen, sondern auch eine warme Dusche möglich ist.
Eine Fahrstrasse führt gegen Nordwesten von Cugnasco über Agarone und Monti di Ditto zu den Monti di Motti hinauf. In der Val del Carcale zweigen wir bei der Höhenquote 1028 Meter gegen Südosten ab und erreichen nach kurzer Zeit den Parkplatz bei der Barriere auf den Monti della Motta. So lassen sich die ersten 900 Höhenmeter leicht überwinden. Zu Fuss folgen wir weiter der Fahrstrasse bis zu den Häusern der Monti della Gana. Hier zweigt ein Bergweg gegen Osten ab und schwenkt später gegen Nordosten in die Valle di Cugnasco ein. Talseitige Abzweigungen lassen wir unbeachtet. Immer steiler fallen die Talflanken in die Schlucht, bis der gute Weg eine überhängende Felswand umgeht und schliesslich in östlicher Richtung zu den Alpweiden von Ruscada mit den Corti di fondo, di mezzo und di cima hinüberleitet. Nun lassen wir die letzten Geräusche des hektischen Lebens unten in der Ebene endgültig hinter uns zurück und sind plötzlich von einer tiefen Stille umgeben, die nur noch vom Rauschen des Baches durchbrochen wird. Jetzt im Herbst erstrahlt der Bergwald in den herrlichsten Farben, leuchten die Alpweiden goldgelb (Abb. 1).

Abb. 1: Alpe di Ruscada, Corte di fondo

Beim Corte di mezzo können wir uns noch nicht für ein Bad in einem der grün schimmernden Felsenbecken motivieren und folgen gleich dem Pfad in exakt nördlicher Richtung zum Corte di cima, wo wir Mittagsrast halten. Die aus dem anstehenden Gneis erbauten Alphütten verschmelzen mit den Geröllhalden, die vom Madonetto herunterziehen. Einige kleine und ein grösseres Stallgebäude sind direkt an oder unter Felsblöcke gebaut, eine mächtige
Felsplatte diente als Dach für einen Keller, in dem Milch, Butter und Käse kühl gelagert werden konnten. Das am weitesten talwärts liegende Stallgebäude wurde bergwärts durch eine massive Steinmauer gegen Steinschlag und Lawinen geschützt. Ein Rundgang macht einerseits deutlich, unter welch einfachen Bedingungen die Menschen noch im letzten Jahrhundert die Sommermonate in dieser Abgeschiedenheit verbringen mussten, sich andererseits aber auch auf äusserst geschickte Weise den Gegebenheiten der Natur anzupassen wussten (Abb. 2).

Abb. 2: Alpe di Ruscada, Corte di cima

Immer gegen Norden steigen wir zu dem kleinen Passübergang auf, über den wir später gegen Südwesten die Capanna Borgna erreichen. Vorerst gönnen wir uns allerdings noch ein herbstlich erfrischendes Bad in einem der letzten Wasserbecken des Baches und lassen uns anschliessend in der warmen Sonne trocknen. Auf Borgna treffen wir zwar keine Menschenseele an, werden dafür aber durch eine grosse Herde schwarzer Ziegen der Nera Verzasca-Rasse begrüsst. Diese nehmen sich neugierig unserer glücklicherweise gut verschlossenen Rucksäcke an, während wir den Schalensteinen nachgehen, die auf eine bereits sehr frühe Besiedelung der Valle Verzasca hinweisen. In der Hütte findet sich eine Beschreibung dieser Steine.
Für den Abstieg wählen wir den Pfad, der gegen Süden zur Forcola östlich der Cima di Sassello quert und danach in mehreren langen Kehren zu den Monti di Gana zurückführt. Vorerst beherrscht uns der weite Rundblick vom Pizzo di Vogorno über die Val della Porta bis hin zu den Walliser Alpen, später der Tiefblick auf die Piano di Magadino und den Lago Maggiore (Abb. 3).

Abb. 3: Im Abstieg zur Forcola mit Blick auf die Val della Porta und den Corte di fondo der Alpe Mognora

Wir können uns nicht genug sattsehen am herbstlichen Aufflammen der Farbenpracht, bevor der Winter seinen Einzug halten wird. Entlang der Fahr-strasse zurück zu den Monti della Motta leuchtet hoch über uns die Felszinne des Sassariente im abendlichen Licht und lässt uns den harten Strassenbelag vergessen (Abb. 4).

Abb. 4: Routenverlauf

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

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Wundervoll wie ein guter Tropfen Wein

Diese Wanderung führt uns in ein Gebiet, das ich mit meinen Eltern schon als kleiner Junge erkundet hatte. Damals war Montana noch ein kleines Feriendorf und die Meinung über die im Bau befindlichen ersten grossen Ferienhäuser sehr gespalten, die in Form überdimensionierter Chalets in die Landschaft gesetzt wurden. Die Frauen auf den Maiensässen trugen noch ihre schwarze Arbeitstracht und strickten, die eine Nadel unter dem Arm eingeklemmt, während sie das Vieh hüteten. Die Alpweiden waren von grossen Herden der stämmigen, schwarzen Eringer Kühe bestossen, das Glockengeläut und Muhen der Tiere weit herum zu hören. Diese Bilder steigen auch heute wieder in mir auf und es ist mir, als würde ich das Rufen der Hirten und das Bellen der Herdenhunde wieder hören. Doch mittlerweile hat sich Vieles im Zeichen des Massentourismus verändert.

 

Wir folgen der Suone, wie die deutsche Bezeichnung dieser Wasserführungen lautet, bis zur Kreuzung mit der Fahrstrasse, die zur Cave de Merdechon hinaufführt. Dort liegt, gleich hinter der nächsten Bodenwelle versteckt, die ganzjährig bewirtete Cabanne de la Tièche, wo wir als erste Gäste des Tages bei heissem Kaffee den Blick über die Alpweiden von Montagne du Sex und Montagne du Plan bis hinauf zu den Faverges schweifen lassen, den Felskamm, der den Glacier de la Plaine Morte nach Süden begrenzt.

Wir verlassen später die Fahrstrasse an der Stelle, wo sie zur Tièche hinunter leitet, und queren auf einem schmalen Pfad zur Steilstufe im Norden hinüber, über die das Gletscherwasser in mehreren Fällen in die Tiefe stürzt. Eine abschüssige Passage ist mit Fixseilen und in die Felsen geschlagene Stufen gut gesichert. Danach erreichen wir den hohen Wasserfall, der über die Wand der Arête de Nusey herunterstürzt (Abb. 1). Über eine kleine Brücke gelangen wir zum Wandfuss und lassen uns die Dusche unter dem herabstürzenden Wasser nicht nehmen. Allerdings müssen wir uns mit dem Sprühwasser begnügen, da die Gewalt der Wassermassen der Hitze der letzten Wochen wegen zu gross ist.
Der Weg wendet sich nun gegen Osten in Richtung des Mont Bonvin, dem grösseren Bruder des Kleineren, zu dem wir unterwegs sind. Oberhalb der Creux de la Tièche zweigt unser Pfad auf genau 2300 Metern Höhe gegen Süden ab. Über die schmale Weide der Alpage de Béveron gewinnen wir schliesslich den Felskopf des Petit Mont Bonvin (Abb. 2). Zum Gipfel gelangt man über eine gegen Norden ausstreichende Verschneidung. Hier ist bei feuchtem Untergrund Vorsicht geboten. Die Aussicht ist atemberaubend. Jenseits des Rhonetales schimmert die schier endlose Reihe der Walliser Viertausender, eine prachtvolle Rundsicht, zu der, getreu dem Namen des kleinen Berges, auf dem wir stehen, ein guter Tropfen Wein gehört (Abb. 3).

Der Abstieg über die weiten Alpweiden von Les Granzettes hinunter zum langen Stallgebäude von Prabaron lässt sich vom Gipfel aus gut planen. Unseren Gelenken zu liebe meiden wir die harten und steinigen Alpsträsschen. Den letzten Abschnitt unserer kleinen Rundwanderung kürzen wir über die stotzige Waldschneise ab, die gegen Osten zur Cave de Colombire hinunter leitet (Abb. 4). Hier hat sich mittlerweile die Masse der Spätaufsteher versammelt und begrüsst uns mit Lärm und Klamauk – wo ist nur das Geläut der Glocken, das Rufen der Hirten geblieben?

Aufgepasst

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

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Monte Bar

Zum Monte Bar in der Val Colla nördlich von Lugano führen viele Wege, die je nach Wetter und Jahreszeit ihren Charakter völlig ändern können. Eine häufige Konstante ist jedoch der Wind, dem der Bar schutzlos ausgesetzt ist, aus welcher Richtung auch immer er wehen mag, bei Nordföhn meist besonders heftig. Nur selten haben wir den Gipfel bei Windstille erlebt, sodass sich das Mitnehmen warmer winddichter Kleidung auf alle Fälle lohnt, kalt fühlt es sich dort oben bei Wind in jeder Jahreszeit an.

Eine herrliche Gratwanderung in der klaren Herbstluft ergibt sich von Borisio aus. In dieser Maiensiedlung finden sich für die Val Colla typische kleine, in den Hang hineingebaute, mit Steinplatten gedeckte Gebäude. Diese weisen in der Regel im Innern ein gemauertes Gewölbe auf und wurden über einer Quelfassung errichtet. Borisio erreicht man über das Fahrsträsschen, das von Somazzo zur Capanna Monte Bar hinaufführt. Wir nehmen den Weg, der die Gebäude gegen Südwesten zu verbindet bis zum letzten Haus, wo gegen Nordosten ein Weg zur Alpe Rompiago abzweigt. Diesem folgen wir bis zur Waldecke, wo wir uns in der Falllinie des Hanges gegen Nordwesten wenden. Über diesen Pfad erreichen wir schliesslich das weithin sichtbare Kreuz auf Motta della Croce, ein herrlicher Aussichtspunkt hoch über dem Luganese und der Val Colla.
Von hier aus ist der Weiterweg über den breiten Gratrücken der Caval Drossa in den Sattel oberhalb der Alpe Crocc und weiter hinauf zum Gipfel des Monte Bar vorgezeichnet. Von dort oben reicht der Blick vom Appenin über die Seealpen bis hin zum Monte Rosa, der Spitze des Matterhorns, der Mischabel- und Weissmiesgruppe, dem Finsteraarhorn und den Bündner Bergen des Bergells (Abb. 1 und 2). Gegen Süden ist es nun ein Katzensprung bis zur neuen Capanna Monte Bar, wo man sich kulinarisch verwöhnen lassen kann, im Winter allerdings nur an den Wochenenden ab Donnerstag.


Den Abstieg beginnen wir auf der Fahrstrasse gegen Nordwesten, bis nach dem dritten Bachgraben talwärts einer der alten Aufforstungswege abzweigt. Nach weiteren zwei Bachläufen wenden wir uns dem Pfad zu, der vorerst gegen Südosten und später mit einem Schlag gegen Westen zur Hütte von Tassera hinunterführt. Wunderschön ist das herbstliche Farbenspiel in diesem Bergwald. Über den gegen Westen abgehenden breiten Zuweg erreichen wir die Fahrstrasse und die Alpe Rompiago, wo herrlich mundender Alpkäse oder eine weitere Wegstärkung erhältlich ist. Gegen Südosten findet sich eine alte Wegspur, die eine Kurve der Fahrstrasse abkürzen lässt, auf der wir schliesslich wieder den Ausgangspunkt unserer Bergtour erreichen (Abb. 4).


Im Winter bietet sich für Schneeschuhgänger der Aufstieg von Albumo über Monte zum Gipfel des Monte Bar an. Die Route folgt vorerst dem Fahsträsschen bis nach der Spitzkehre nördlich von Monte, wobei sich bei der Kirche und später auf dem Maiensäss jeweils eine Strassenkehre ohne Mühe abkürzen lässt. Nach besagter Kurve zweigt bergwärts ein Pfad ab, der sich in mehreren Kehren bis zu einem Waldsträsschen hinaufwindet. Die Fortsetzung des Pfades findet sich wenige Meter westlich und führt weiter gegen Norden hangaufwärts, bis man zum Teil weglos zur weiten Weide von Piazza Grande gelangt. Hier vermögen die häufigen Winde die Schneeschicht in der Regel bis hinauf zum Gipfel des Monte Bar stark auszudünnen und zu gefrieren, was den weiteren Aufstieg wesentlich erleichtert. Faszinierend sind die z. T. bizarren Schneeskulpturen, die der Wind zu formen vermag. Den Gipfel erreicht man, indem man gegen Norden über die Weiden und an der Hütte vorbei zum breiten Südgrat aufsteigt. Unnötig zu erwähnen, dass die Rundsicht vom Monte Bar aus auch im Winter herrlich ist, diesmal, sofern auf diesem Gipfel Schnee liegt mit verschneiten, im Sonnenlicht gleissenden Tessiner Bergen (Abb. 3).
Auf dem Abstieg wenden wir uns von der Capanna Monte Bar gegen Süden zur Alpe Musgatina und weiter gegen Pian Sotto hinunter, bis der Weg gegen Osten zur Maiensiedlung Cozzo und weiter nach Piazza hinunter abzweigt. Von dort aus erreichen wir in Kürze auf einem Fahrsträsschen wieder das Dorf Albumo (Abb. 4).

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Schneeschuhtour im Winterlicht der Birkenwälder

Diese Schneeschuhtour auf den Monte Bigorio entführt uns in eine glazial geprägte, vom Nordföhn oft umtoste Landschaft mit jungen Birkenwäldern, die die weiten ehemaligen Weide- und Anbauflächen der Capriasca allmählich zurückerobern. Ein Seitenarm des Tessingletschers hat nicht nur die Felsformationen am Monte Ceneri, sondern auch in der Val Capriasca glatt geschliffen und an der Gola di Lago einen glazialen Restsee hinterlassen, der mittlerweile zu einem kleinen Hochmoor verlandet ist. Der Westkamm der Val Capriasca stellte bis zum Ende des Kalten Krieges auch eine militärstrategisch wichtige Geländeformation am Passübergang des Monte Ceneri dar und wurde in den zwei Weltkriegen massiv befestigt, wie wir noch sehen werden.
Wir starten unsere Rundtour gleich beim Parkplatz auf der Passhöhe von Gola di Lago und überschreiten in westlicher Richtung den ersten Rundhöcker mit der Höhenquote 994 Meter. Wir durchqueren das kleine Tälchen jenseits des Hügels, vorbei an einem weiteren Parkplatz zum Nordhang der Cima di Lago hinüber. Über diese Flanke, die häufig dank des angreifenden Nordföhns eine eher wenig tiefe Schneedecke aufweist, gewinnen wir den Gipfel (Abb. 1).

Abb. 1: Im Aufstieg zur Cima di Lago mit Blick auf den Monte Bar und Caval Drossa

Auf der südlich des Gipfels gelegenen Felsformation steht ein Denkmal zu Ehren der Soldaten, die seit 1938 in der Grenzbrigade 9 zum Schutz der südlichen Grenze im Tessin gedient haben. Die Einheiten der Brigade und die Namen ihrer Kommandanten sind aufgeführt. Das Denkmal ist als nach Süden offene Schutzhütte mit schrägem Dach gestaltet, deren hoch aufragende Stütze zugleich als Kamin für eine offene Feuerstelle dient. Erst beim Umgehen des Felskopfes realisieren wir, dass das Denkmal auf dem zentralen Infanterieverteidigungswerk im Bereich von Gola di Lago errichtet worden ist. Es besteht aus zwei Kampfstellungen für Maschinengewehre und einem unterirdischen Unterstand mit Notausgang. Zur Sicherung dieses örtlich wichtigen Infanteriebunkers wurde im gegenüberliegenden Hügel ein Stützwerk mit zwei Maschinengewehrstellungen angelegt. Auch diese Anlage wurde mit einem allerdings kleineren Unterstand versehen. Ein Teil des Infanteriehindernisses aus Stacheldraht ist belassen worden, das das vermutlich auch zur Verminung vorgesehene Vorfeld zusätzlich sicherte.
Auf dem Weiterweg überschreiten wir den Matro di Stinche und umgehen im folgenden Sattel die Umzäunung der gleichnamigen Maiensiedlung gegen Westen (Abb. 2).

Abb. 2: Im Birkenwald zwischen der Cima di Lago und dem Matro di Stinche, im Hintergrund der Monte Tamaro

Wir passieren den Sattel gegen Osten, wenden uns bei den ersten Häusern gleich wieder gegen Süden und steigen über den Nordhang des Monte Bigorio zu dessen lang gezogenem Grat hinauf. Auch hier profitieren wir wieder von der Vorarbeit des Nordwindes und erreichen schon kurz nach der Senke wieder eine dünnere, gut spurbare Schneedecke. Es lohnt sich, den höchsten Punkt des Monte Bigorio zu überschreiten und bis zum Geländepunkt 1167.2 Meter südlich der Hütten von Moschera zu queren, da sich dort der Blick auf das gesamte Umland von Lugano und bei klarer Sicht weit über den Ceresio hinaus bis zum Appenin und den Seealpen öffnet. In der Nähe umgibt uns ein verschneiter Kranz von Bergen, von Ost nach West Caval Drossa, Monte Bar, Cima di Fojorina, Denti della Vecchia, Monte Boglia, Sighignola, Monte Generoso, Monte S. Giorgio und die Krete vom Monte Lema bis zum Tamaro. Gegen Norden erheben sich jenseits des Ceneri die Berge um die Valle Verzasca (Abb. 3).

Abb. 3: Ausblick vom Geländepunkt 1167.2 m auf die Verzascheser Berge

Nach ausgiebiger Rast wenden wir uns gegen Norden und folgen der ersten Geländerippe östlich der Krete des Monte Bigorio in eine Bachrinne, auf deren Nordseite wir den Verbindungsweg von den Monti di Cima nach Stinche erreichen. Diesmal umgehen wir die weitläufige Einfriedung von Stinche gegen Osten und benutzen weiter die Trasse des breiten Weges zurück nach Gola di Lago, wobei sich nördlich eines kleinen Hügels mit Bank ein Schlenker des Pfades abkürzen lässt (Abb. 4). Herrlich ist auch hier, wie bereits auf der gesamten Route, das Spiel des warmen Lichts der tief stehenden Sonne und der Schatten der silbern schimmernden Birkenwälder, an dem wir uns nicht satt zu sehen vermögen. Noch lange klingen in uns die leuchtenden Bilder dieses herrlichen Tages nach.

Abb. 4: Routenverlauf

Aufgepasst

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

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Ein Höhenweg im Angesicht der Walliser Viertausender

Meine Kindheitserinnerungen an Montana und Crans sind einerseits geprägt durch Junggesellenferien, wie mein ­Vater und ich die Bergwochen nannten, die wir nur zu zweit verbracht haben. Wir mieteten eine kleine Wohnung im Zentrum des damals noch kleinen Montanas und machten die Umgebung auf vielen Touren unsicher. Einem Ritual gleich setzten wir am ersten Tag eine währschafte Gerstensuppe auf, die wir die Woche über laufend «verlängerten», sodass diese immer gehaltvoller wurde und jeden Besuch über unsere vermeintlich besonderen Kochkünste staunen liess. Auf den umliegenden Wiesen weideten noch Kühe, die von strickenden Frauen in ihrer schwarzen Arbeitstracht gehütet wurden, eine der langen Holznadeln unter den Arm geklemmt.

Weniger erfreulich sind meine Erinnerungen aus jener Zeit an Abfallhalden, die sich in den Tobeln häuften, an Bäche, die schäumten und stanken. Eine Abwasserreinigungsanlage gab es damals nicht. Bald einmal mochten wir diesen Ort des explodierenden Massentourismus wegen nicht mehr. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch Vieles zum Guten gewendet, wenn auch manche Bausünden nicht mehr gutzumachen sind. Crans-Montana hat sich zu einer attraktiven Feriendestination entwickelt, die vieles bietet, auch für den Bergwanderer, der Natur und Stille sucht.

Eine Wanderung, bei der man die herrliche Aussicht auf die Walliser Alpen besonders gut geniessen kann, erwartet uns auf dem Höhenweg von Cry d’Er über Les Violettes zu den Weiden von Colombire. Wir benutzen die Luftseilbahn von Crans nach Cry d’Er hinauf. Dort öffnet sich der Blick auch gegen Nordwesten in das Tal von Tseuzier mit seinem Stausee, eingebettet zwischen dem Wildhorn- und Wildstrubelmassiv (Abb. 1).

Wir folgen vorerst ein kurzes Stück dem von Bella Lui herunterziehenden Grat, bevor wir uns östlicher der Hangschulter von Les Violettes zuwenden. Wir durchwandern eine Landschaft, die durch Schiefer- und Kalkgestein geprägt wird, deren Schichtung sichtbar Rutschungen begünstigt. Die Spuren eines mächtigen prähistorischen Bergsturzes finden sich noch heute südlich der Varneralp. Dessen Ausläufer bildeten nicht nur die fruchtbaren Rebhügel um Sierre, sondern auch die Schutthügel in der Rhoneebene, die bis nach Grône reichen. Auf dem nährstoffreiche Boden zwischen Cry d’Er und Les Violettes gedeiht eine reiche Alpenflora. Kurz vor Les Violettes helfen komfortable Metalltreppen bei der Über­windung einer Steilstufe.

Etwas verloren und trendig aufgemacht steht die Cabane des Violettes des Schweizer Alpenclubs neben den gleichnamigen, von Montana herkommenden und zur Plaine Morte hinaufführenden Seilbahnen. Vor dem Bestehen dieser Transportmittel bildete diese Unterkunft zusammen mit der Wildstrubelhütte auf der Berner Seite eine wichtige Basis für Bergtouren rund um den Glacier de la Plaine Morte. Wir ­geniessen die herrliche Aussicht bei einem Kaffee auf der Hüttenterrasse. Im Osten überragt das Bietschhorn das ­Lötschental, gefolgt unter anderen vom Bortelhorn und dem Monte Leone über dem Simplongebiet. Über den Tälern von Saas und Zermatt erheben sich Fletschhorn, Lagginhorn und Weissmies sowie die Mischabelgruppe. Im Süden leuchten die Viertausender um die Val d’Anniviers herüber, das Bis-, Weiss-, Zinalrot- und Obergabelhorn sowie die Dent Blanche. Und schon befinden wir uns bei den Bergipfeln um Arolla, weiter westlich überragt vom Grand Combin. Ganz im Westen erstrahlt dass Massiv rund um den Mont Blanc, an dem man nochmals seine geographischen Kenntnisse prüfen kann.

Anschliessend tauchen wir zwischen Tubang und Mont Bonvin in eine steinige Welt ein, die einen krassen Kontrast zu den zuvor durchwanderten Blumenwiesen bietet (Abb. 2).

Aber auch hier vermögen an unerwarteten Stellen Pflanzen zu überleben. Der Einstieg in das Tal der Bovèrèche ist etwas luftig und erfordert Vorsicht sowie Trittsicherheit. Auf der gegenüberliegenden Talseite verlassen wir die Einöde wieder und gelangen erneut auf blumenreiche Alpwiesen, die vom Petit Mont Bonvin bis zu den Lärchenwäldern hinunterreichen. Wir wenden uns bei der Alp von Les Granzettes nach Westen und steigen an der Hütte von Les Taules vorbei zur Bovèrèche ab. Dieser folgen wir am Ostufer talwärts bis zur nächsten Brücke. Wir bleiben weiterhin auf dieser Bachseite und wählen die nicht markierte Pfadspur, die unterhalb des nach Prabaron führenden Karrenwegs abgeht. Dieser kaum mehr begangene Pfad folgt einer ehemaligen Bisse, die trotz Fassung in Röhren und Verankerung durch Betonfundamente einer Hangrutschung zum Opfer gefallen ist. Auch diese Passage erfordert wieder Trittsicherheit in unwegsamem Gelände, kann aber über den am jenseitigen Ufer der Bovèrèche beginnenden Weg nach Ploumachit leicht umgangen werden. Unsere Pfadspur führt durch stillen Lärchenwald und unberührte Weiden zu einem Wasserreservoir hinunter. Hier beginnt ein Strässchen, über das wir das Restaurant von Ploumachit erreichen. Von dort aus kann man während der Sommersaison mit öffentlichen Bussen nach Montana und Crans zurückkehren. Wer noch nicht müde ist, der steigt Richtung Süden wieder in die Schlucht der Bovèrèche ab und erreicht so die Strasse von Aminona nach Montana. An dieser findet sich etwa einen Kilometer westlich bei den ­Häusern von Les Barzettes eine Bushaltestelle (Abb. 3).

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Kleine Wanderung zum Hochmoor am Pilatus

Die gedeckte Holzbrücke über den Ränggbach zwischen Oberrodel südwestlich von Kriens bei Luzern und Hergiswald wurde 1791 von Josef Ritter erbaut. Diese historische Druckbogenbrücke musste im Lauf der Zeit mehrfach den sich wandelnden Erfordernissen des Verkehrs angepasst werden. So wurde neben anderen Massnahmen das Dach angehoben, bis die Brücke den wachsenden Fahrzeugdimensionen und Belastungen endgültig nicht mehr gewachsen war. 2012 erfolgte deshalb flussabwärts ein neue, filigranere Brückenkonstruktion in Zugbogenbauweise. Die alte Hergiswaldbrücke wurde durch feine Zimmermannsarbeit in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt und gilt heute als älteste erhaltene Holzbogenbrücke der Schweiz. Dieses gelungene Nebeneinander von Alt und Neu zeigt die faszinierende Weiterentwicklung des modernen Holzbaus.


Wir beginnen unsere gemütliche Rundwanderung beim Parkplatz gleich neben den Holzbrücken. Wir benutzen den Weg zwischen Ränggbach und Hergiswaldstrasse bergwärts bis zum Zufluss des Rotbachs. Durch dessen stotziges Tobel steigen wir nun zum Hochmoor südwestlich der Krienseregg hinauf. Kurz vor Erreichen der ersten Ebene überwinden wir auf einer sehr steilen Steintreppe die letzte Felsstufe des Tobels (Abb. 1).

Wir queren das Fahrsträsschen gleich nach der Schlucht und durchsteigen auch noch den Hang im Wald östlich der Gibelegg bis zur Ricketschwendistrasse. Dieser folgen wir nach Osten bis zur Einmündung in die Kreuzstrasse. Dort liegt das heimelige Naturfreundehaus Krienseregg, wo wir im Anblick des verschneiten Pilatus einkehren und währschaft zu Mittag essen (Abb. 2).

Mit vollem Magen wenden wir uns nach Norden, überschreiten nach wenigen Metern den hier noch harmlosen Rotbach und durchqueren auf dem Kriensereggweg das Foremoss bis zum ersten nach Norden abgehenden Weg. Dieser führt uns nach kurzem Anstieg durch den Wald von Schärersrüti zum Chäsgade hinunter. Hier öffnet sich der Blick auf die Kirche von Hergiswald sowie über den Sempachersee hinaus bis zum Jura (Abb. 3).

Die Dampfsäulen der Kernkraftwerke von Leibstadt und Gösgen helfen bei der Orientierung. An der Wegkreuzung beim Geländepunkt 973 Meter wenden wir uns weiter talwärts Richtung Westen und gelangen so bald einmal an den Rand des Rotbachtobels, dem wir bis zum Bauernhof von Oberschwendi folgen. Auf dem Fahrsträsschen Richtung Vorderschwendi erreichen wir den Waldstreifen, in dem der Chrienbach verläuft. Diesem entlang gelangen wir zur Zufahrtsstrasse von Hinterschwendi, wo ein Weg beginnt, der Richtung Nordwesten zum nächst tieferen Waldrand hinunterführt. Bei der Weggabelung wenden wir uns dem linken, exakt nach Norden weisenden Hohlweg zu, über den wir steil abwärts an den unteren Waldrand bei den Häusern von Oberrodel gelangen. Nun sind es nur noch ein paar Schritte bis zur alten Hergiswaldbrücke und dem Ausgangspunkt unserer kurzen Wanderung zurück, der südwestlich liegt (Abb. 4).

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