Vom 23. bis 30. April 2019 fand in Milano der 38. Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Radio-Onkologie (ESTRO) mit einer Beteiligung von 3700 Teilnehmern (ohne Industrie-Vertreter) statt – im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 6%. 2250 wissenschaftliche Abstracts wurden eingeschickt. Im Folgenden soll eine kleine Auswahl der Highlights kurz vorgestellt werden.
Hypofraktionierte vs. konventielle Radiotherapie beim Prostata-Karzinom: 7 Jahre Follow-up Data des HYPRO-Trials (Abstract E38-1311)
Basierend auf zahlreichen randomisierten Studien wurde die moderate hypofraktionierte Radiotherapie für das primäre Prostatakarzinom in den Leitlinien als Standardbehandlung festgelegt. Die HYPRO-Studie ist eine randomisierte Studie mit einem grossen Anteil von Patienten mit «intermediate» und «high risk» Prostatakarzinom, in welcher das Outcome der moderaten Hypofraktionierung (64,6 Gy, 19 Fraktionen/3,4 Gy, 3 Fraktionen/Woche) mit der Normofraktionierung (78 Gy, 39 Fraktionen /2 Gy, 5 Fraktionen /Woche) Bestrahlung verglichen wurde. Die Autoren präsentierten die Resultate nach 7 Jahren Follow-up. In Bezug auf das Gesamtüberleben und das krankheitsfreie Überleben zeigten sich weiterhin keine signifikanten Unterschiede. Abgesehen von einem Trend zu gebesserter lokaler Kontrolle in Patienten mit Gleason-Score ≥8 nach Hypofraktionierung, wurde über keine signifikanten Unterschiede in der Subgruppen-Analyse berichtet. Diese Langzeitdaten bestätigen, dass für viele Patienten die moderate Hypofraktionierung als sicherer Standard angewendet werden kann.
Hippocampus-Schonung und bei der prophylaktischen Ganzhirnbestrahlung von Patienten mit kleinzelligem Bronchus-Karzinom: Phase III Studie (Abstract E38-2563)
Die prophylaktische Ganzhirnbestrahlung (PCI) ist Standard bei Patienten mit kleinzelligem Bronchus-Karzinom (SCLC) nach kompletter Remission des Primärtumors unter Radiochemotherapie. Die PCI führt zu einer Abnahme der Inzidenz von Hirnmetastasen und verbessert das Gesamtüberleben. Allerdings kann die PCI zu neurokognitiven Nebenwirkungen inklusive Verschlechterung der Gedächtnisfunktion führen. Die Dosisbelastung hippocampaler Strukturen mag zu letzterem beitragen. Die Ergebnisse der weltweit ersten randomisierten Phase-III-Studie zur Rolle der Hippocampus-Schonung im Rahmen der prophylaktischen Ganzhirnbestrahlung (25 Gy in 10 Fraktionen) bei 168 Patienten mit kleinzelligem Bronchus-Karzinom (SCLC) zeigten in der PCI-Gruppe mit Hippocampus-Schonung (PCI HA) keinen signifikanten Unterschied bezüglich Neurokognition, dem primären Endpunkt der Studie, im Vergleich zur Gruppe mit Standard-PCI-Behandlung. In der Studie wurde eine Abnahme des Gesamt-Erinnerungsvermögens, gemessen mit dem «Hopkins Verbal Learning Test Revised» (HVLT-R), nach 4 und 8 Monaten untersucht. Ein Rückgang um 5 Punkte oder mehr wurde als klinisch signifikant interpretiert. Der HVLT-R-Gesamtwert war ≥5 Punkte niedriger nach 4 bzw. 8 Monaten bei 28% bzw. 34% der Patienten der PCI-Gruppe und 29% bzw. 26% der Patienten der PCI HA-Gruppe (p=0.99 bzw. p=0.46). Die Häufigkeit von Metastasenrezidiven in der geschonten Hippocampus-Region war nicht erhöht. Fazit: Diese weltweit erste randomisierte Phase-III-Studie zur Klärung der Rolle der Hippocampus-Schonung bei Patienten mit SCLC, welche mit einer PCI behandelt wurden, konnte keinen Vorteil einer solchen zeigen. Es fehlt uns weiterhin an grundlegendem Wissen zur Funktionsweise des Gedächtnisses, um die Balance zwischen den wirksamen Behandlungsoptionen wie die PCI und deren Nebenwirkungen zu optimieren.
Organerhalt nach Radiochemotherapie beim Rektum-Karzinom: 5-Jahres-Resultate des GRECCAR2 Phase III Trials (Abstract E38-1982)
Der Organerhalt nach Radiochemotherapie beim Rektum-Karzinom wird zunehmend diskutiert bei Patienten mit gutem Ansprechen auf die neo-adjuvante Radiochemotherapie. Im französischen GRECCAR2 Phase III Trial wurden 148 Patienten randomisiert in einen Arm mit klassischer Operation (TME) versus einen Arm mit organerhaltender lokaler Exzision (LE). Im LE-Arm erhielten 26 Patienten eine TME wegen Nachweis von ypT2-3 (festgelegte Salvage-Strategie als Teil des Protokolls). Das Overall Survival und das Disease-free Survival waren in beiden Gruppen identisch. Ebenso waren sowohl die lokale Kontrolle als auch die Metastasen-Häufigkeit in beiden Armen gleich. Diese Resultate zeigen, dass bei gutem Ansprechen auf die neo-adjuvante Radiochemotherapie der Versuch einer organerhaltenden lokalen Exzision eine valable Strategie darstellen kann. Nach wie vor muss sowohl die Rate an lokalen Komplett-Remissionen als auch das Risiko einer Fernmetastasierung (in beiden Armen ca. 20%) durch Therapie-Optimierungen verbessert werden.
Brachytherapie in der Gynäko-Onkologie
An allen Sessions betreffend Brachytherapie beim Mamma-Karzinom waren die Studien der GEC-ESTRO Breast Working Group Hauptthema. Ob im Konsens der alleinigen Teilbrustbestrahlung (GEC-ESTRO-Phase-III-trial: 5-Jahres Follow-up, Akut- und Spättoxizität, Quality-of-Life-Daten) oder als «Second Conservative Treatment» beim ipsilateralen Rezidiv. Eine ausgedehnte Diskussion mit Einbezug des Publikums entstand bei der Frage der besten Technik der Teilbrustbestrahlung: interstitielle HDR-Brachytherapie intra- oder postoperativ implantiert oder in Form einer Single-catheter-brachytherapy. Neben dem Einsatz der Brachytherapie beim Mamma-Karzinom war auch der Einsatz beim Zervix-Karzinom Gegenstand lebhafter Diskussionen. Seit im Sommer 2018 die neuen ESTRO-Guidelines zum Zervixkarzinom publiziert wurden, die die Notwendigkeit der Brachytherapie in diesem Therapiekonzept unterstrichen, war auf der ESTRO38 weniger der Einsatz der Brachytherapie als solches, sondern waren technische Optimierungen das Hauptthema der Diskussionen, insbesondere die bildgestützte adaptive Brachytherapie mit Hauptfokus auf Dosiskonzept des Primärtumors sowie auf die Schonung der Risikoorgane. Hier unterstreichen immer mehr die Daten der EMBRACE-Gruppe die Komplexität der neuen gynäkologischen Brachytherapie.
Highlights aus Sicht der Medizinphysik
Die medizinphysikalischen Aspekte fokussierten sich auf die Anwendung und Entwicklung neuer Methoden im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz, adaptiver Strahlentherapie, verbesserter Dosis-Optimierung und Dosisberechnung sowie ultra-hoher Dosisrate mit Protonentherapie. Exemplarisch für die Physik-Themen sei hier eine Studie (Abstract OC-0898) erwähnt, welche sich mit der klinischen Anwendung von MLC-Tracking für Lungen-SABR beschäftigte. Die Studie umfasste 17 Patienten, welche an einem Standard-Linac behandelt wurden, wobei durch eine Kopplung eines Bildgebungssystems mit einem MLC die Dosisapplikation auf einen bewegenden Tumor nicht nur erfasst, sondern in Echtzeit korrigiert wurde. Durch dieses MLC-Tracking-Verfahren konnte das Zielvolumen um bis zu 47% und die Lungendosis um das Zielvolumen herum um bis zu 42% reduziert werden.
PD Dr. med. Kristina Lössl Dr. med. Evelyn Herrmann Dr. med. Mohamed Shelan PD Dr. sc. nat. Peter Manser Inselspital
Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Radio-Onkologie
Freiburgstrasse
3010 Bern
Prof. Dr. med. Daniel M. Aebersold
Inselspital
Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Radio-Onkologie
Freiburgstrasse
3010 Bern
Die Stiftung Krebsforschung Schweiz stellt mit dem Programm «Health Services Research in Oncology and Cancer Care» jährlich rund eine Million Franken für Versorgungsforschungsprojekte zur Verfügung. Drei Förderrunden sind vorbei, in diesem und im nächsten Jahr haben Forschende nochmals die Gelegenheit Projekte einzureichen.
Das Gesundheitswesen steht vor grossen Herausforderungen, dazu gehört der steigende Bedarf an ökonomischen, aber auch personellen Ressourcen. Um Unter-, Über- und Fehlversorgung zu vermeiden und langfristig eine gute Versorgung zu gewährleisten, müssen aktuelle Prozesse im Gesundheitswesen analysiert und neue Konzepte entwickelt werden. Die Versorgungsforschung (engl. health services research, HSR) leistet hier einen wesentlichen Beitrag. Sie untersucht, wie Menschen mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen versorgt werden. Im Zentrum stehen dabei vor allem die Qualität, der Nutzen und die Kosten der medizinischen Versorgung. Wobei sich der Begriff Versorgung nicht nur auf Patientinnen und Patienten, sondern auch auf die gesunde Bevölkerung bezieht, beispielsweise in der Prävention (1).
Somit unterscheidet sich die Versorgungsforschung klar von der Grundlagen- und klinischen Forschung. Während die Grundlagenforschung häufig als erste Säule bezeichnet wird und anhand von Zellkulturen, Geweben und Tiermodellen neue Erkenntnisse zu biologischen Prozessen liefert, gilt die klinische Forschung als zweite Säule. Sie untersucht die Wirksamkeit von Therapien an klar definierten und ausgewählten Patientinnen und Patienten. In dieser Logik kann die Versorgungsforschung als dritte Säule der Gesundheitsforschung betrachtet werden (Abb. 1) (1, 2).
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Versorgungsforschung sollen Patientinnen und Patienten, Leistungserbringern und Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft dienen und einen wesentlichen Beitrag zur notwendigen Umstrukturierung und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems leisten. Fachpersonen unterscheiden zwischen drei verschiedenen Ebenen: der Makro-, Meso- und Mikroebene. Die Forschung auf der Mikroebene fokussiert auf individuelle Interaktionen zwischen Leistungserbringer und -empfänger. Die Forschung auf der Mesoebene analysiert die Organisation und Erbringung von gesundheitsrelevanten Dienstleistungen und Produkten unter Alltagsbedingungen. Die Makroebene wiederum analysiert das Gesundheitssystem auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Meist werden dazu bereits bestehende, hoch aggregierte Daten ausgewertet. Auf der Meso- und Mikroebene hingegen verwenden die Forschenden nicht nur bereits bestehende Daten, sondern generieren diese auch selbst (3).
In der Schweiz unternahm die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) zusammen mit der Gottfried und Julia Bangerter-Rhyner-Stiftung im Jahr 2012 erste Bestrebungen zur Stärkung der Versorgungsforschung und lancierte ein fünfjähriges Förderprogramm. Seit 2015 betreibt auch der Schweizerische Nationalfonds das Nationale Forschungsprogramm «Gesundheitsversorgung» (NFP 74). Beide Förderprogramme haben aber nicht primär den Bereich Onkologie im Fokus. Deshalb hat die Stiftung Krebsforschung Schweiz (KFS) mit Unterstützung von der Stiftung Accentus (Marlies-Engeler-Fonds) im Rahmen der Nationalen Strategie gegen Krebs 2014-2020 ein Forschungsprogramm lanciert, das die Untersuchung von krebsbezogenen Fragestellungen aus der Versorgungsforschung unterstützt. Im Rahmen dieses Programms werden seit 2016 einmal jährlich jeweils bis zu vier grosse Forschungsprojekte (mit bis zu 250 000 Franken) und mehrere kleine Pilotprojekte (mit bis zu 75 000 Franken) gefördert. Das Förderprogramm soll den Verbesserungsbedarf in der Versorgung Krebsbetroffener aufzeigen und helfen, die besonderen Herausforderungen im Bereich Onkologie zu meistern (4-6).
Inzwischen hat die KFS das Förderprogramm mit dem Namen «Health Services Research in Oncology and Cancer Care» bereits drei Mal ausgeschrieben. Es wurden insgesamt 106 Forschungsprojekte eingereicht. Der geforderte Gesamtbetrag der eingereichten Projekte beläuft sich auf fast 16 Millionen Franken. In einem zweistufigen Evaluationsverfahren hat ein eigens zusammengestelltes Expertenpanel die eingereichten Gesuche begutachtet. Das Panel setzt sich aus Expertinnen und Experten zusammen, die alle relevanten Themengebiete der Versorgungsforschung abdecken. Die Fachpersonen prüften die Anträge hinsichtlich deren Bedeutung für die onkologische Versorgung, der wissenschaftlichen Qualität und Angemessenheit der gewählten Methoden sowie der Durchführbarkeit und des Leistungsausweises der Antragstellerin oder des Antragstellers.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben die Panelmitglieder 22 Gesuche in einer Gesamthöhe von etwas mehr als 3 Millionen Franken bewilligt (Tab. 1). Die geförderten Projekte stammen überwiegend von Forschenden, die an Spitälern und Universitäten oder Fachhochschulen tätig sind, aber auch von Krebsregistern, Krankenkassen und Patientenorganisationen. Eine vorläufige Auswertung der Fachgebiete und Institute der Haupt- und Nebenantragsteller zeigt, dass die beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen wie erwartet breit gestreut sind. Thematisch verteilen sich die bewilligten Projekte über alle Ebenen (Makro-, Meso- und Mikroebene) und den gesamten so genannten Patientenpfad (Abb. 2). Dieser setzt bereits bei der Vorsorge von Krebs an und beschreibt den langen Weg über Diagnose, Behandlung bis hin zu Palliative Care oder Survivorship. Wie aus Abbildung 2 und Tabelle 1 ersichtlich, befassen sich die geförderten Projekte im Bereich Vorsorge mit Fragestellungen zu Screening-Programmen und genetischen Tests. Demgegenüber stehen im Bereich Behandlung Fragestellungen zur medizinischen Versorgung und zur Betreuungsqualität im Vordergrund, untersucht werden aber auch gesundheitsökonomische und gesetzgeberische Aspekte. Vier Projekte beziehen sich übergreifend auf die Bereiche Behandlung und Survivorship und wurden deshalb an der Schnittstelle platziert. Wichtige Themen der Projekte im Bereich Nachsorge sind die Versorgung und die Bedürfnisse von Menschen, die im Kinderalter an Krebs erkrankt sind.
Der Überblick über die 22 geförderten Forschungsprojekte zeigt, dass das Förderprogramm «Health Services Research in Oncology and Cancer Care» erfreulich unterwegs ist. In diesem und im nächsten Jahr haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nochmals die Gelegenheit Projekte einzureichen. Ob das Förderprogramm nach Abschluss der offiziellen Dauer ausserhalb der Nationalen Strategie gegen Krebs weitergeführt wird, ist noch nicht klar. Fest steht hingegen, dass die KFS zusammen mit der Krebsliga und anderen relevanten Akteuren eine Community-Building-Tagung organisieren wird. Ziel der Tagung ist, die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Schweiz im Bereich Versorgungsforschung zu fördern und so die Versorgungsforschung in der Schweiz nachhaltig zu stärken.
Genauere Informationen zum Förderprogramm, zum Expertenpanel, zur Einreichung eines Projektes und zu allen bisher geförderten Projekten sind auf der Webseite der Stiftung Krebsforschung Schweiz einsehbar: www.krebsforschung.ch > Forschungsförderung > Programm zur Stärkung der onkologischen Versorgungsforschung.
Alexandra Uster
MSc ETH
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
healthservicesresearch@swisscancer.ch
Dr. Peggy Janich
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
healthservicesresearch@swisscancer.ch
1. Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) Stärkung der Versorgungsforschung in der Schweiz. Swiss Academies Report, Vol. 9, Nr. 1, 2014.
2. Pfaff H, Schrappe M. Einführung in die Versorgungsforschung, 2011. In: Pfaff H, Neugebauer E.A.M., Glaeske G, Schrappe M (eds) Lehrbuch Versorgungs-forschung. Schattauer, Stuttgart.
3. Schwartz FW, Busse R. Denken in Zusammenhängen: Gesundheitssystemforschung. Das Public Health Buch 2: 518-545, 2003.
4. Janich P. Programm Onkologische Versorgungsforschung – Rückblick auf die
erste Ausschreibung. In: Krebsforschung in der Schweiz, S. 37-40, 2017.
5. Nationale Strategie gegen Krebs 2014 – 2020. Verfügbar unter: www.nsk-krebsstrategie.ch > Alle Dokumente.
6. Stiftung Krebsforschung Schweiz. Verfügbar unter: www.krebsforschung.ch > Forschungsförderung > Programm zur Stärkung der onkologischen Versorgungsforschung.
Genitaler Pruritus und Dyspareunie sind im gynäkologischen Alltag ebenso häufige wie auch komplexe Symptome. Die Beschwerden und Krankheitsbilder weisen eine grosse Überschneidung auf, was mitunter die Diagnosestellung extrem erschweren und eine adäquate Therapieeinleitung verzögern kann. Diese Arbeit soll eine Übersicht über die Differentialdiagnosen geben und legt den Fokus auf die infektiologische Genese.
Genital pruritus as the main symptom
Vulvar or vaginal pruritus is a common leading symptom in gynecology, in children’s and gynecology it is even the most common complaint with over 60% (1). The list of possible causes is long and by far not always a fungal infection is responsible. Fewer than 50% of women with vulvar or vaginal pruritus actually have vulvovaginal candidiasis. However, if such is present, pruritus is the cardinal symptom associated with vulvovaginal candidiasis in 90% of cases (2). In genital pruritus are differential diagnostic allergies, skin irritation (care, hygiene products, etc.), infections of the vulva and / or vagina, internal disorders (eg diabetes mellitus), hormonal causes (estrogen deficiency), neoplasia, non-infectious, chronic skin diseases (eg. B. lichen sclerosus) or to consider a mental genesis (1). An overview of the differential diagnoses can be found in Table 1. The therapy is usually based on the underlying disease or, if no specific cause can be found, can be temporarily purely symptomatic (eg local corticosteroids, pH-neutral washing lotion, fatty cream).
dyspareunia
Dyspareunia, painful intercourse, affects about 15% of women (3). A distinction should be made between the superficial (often introitus-like, when penetrating) and the deep dyspareunia. The most common causes of dyspareunia in women under the age of 50 are vulvar dermatoses, endometriosis, provoked vulvar pain syndrome, myofascial pelvic pain syndrome, and interstitial cystitis / painful bladder syndrome. In women over 50, urogenital atrophy is the most common cause (4, 5). An overview of the most important differential diagnoses is given in Table 2. A purely mental classification of dyspareunia should be avoided as there are often different components. Typically, there is a sudden burning or stinging pain before, during, or during sexual intercourse. The intensity can vary and depends on the selected sexual position, especially in the case of adhesions and endometriosis (3). A detailed medical history and gynecological examination form the basis of the diagnosis. Certainly an inflammatory, infectious or neoplastic genesis must be excluded (5). Therapy: Since it is a symptom, the therapy depends on the underlying disease. Symptomatic therapy includes the use of lubricants for vaginal dryness as well as the use of local anesthetics for vulvar diseases. Great attention should also be paid to patient education and education.
Colpitis and vulvovaginitis
Als Vaginitis oder Kolpitis bezeichnet man eine Entzündung der Scheide. Häufig wird diese durch eine Entzündung des äusseren Genitale begleitet, in diesem Fall spricht man von der Vulvovaginitis. Die Entzündung kann durch Infektionen oder Veränderungen der physiologischen Vaginalflora verursacht sein (6). Eine Vulvovaginitis kann asymptomatisch sein, macht sich aber in den meisten Fällen durch Symptome wie ausgeprägten vulvovaginalen Juckreiz oder Brennen, Rötung der Vaginalwände bzw. des äusseren Genitales sowie vaginalen, teilweise übelriechenden Ausfluss bemerkbar. Ferner können Dysurie oder Dyspareunie auftreten (7).
Am häufigsten sind infektiöse Ursachen. Die gängigsten Infektionen wie bakterielle Vaginose, Candida Vulvovaginitis und Trichomoniasis machen über 90% der Infektionen aus (Tabelle 3.). Zu den nicht-infektiösen Ursachen der Vaginitis gehören vaginale Atrophie, Fremdkörper (verbliebener Tampon oder Kondom), Allergene und Reizstoffe sowie weitere seltenere Entitäten wie systemische Erkrankungen.
Physiologische Vaginalflora
Die Normalflora der Vagina wird von Laktobazillen (Döderlein-Bakterien), gramnegativen Stäbchen, gebildet. Durch Östrogenwirkung wird Glykogen in die Plattenepithelzellen der Vagina eingelagert. Glykogen aus abgeschilferten Epithelzellen wird von den Laktobazillen zu Laktat verstoffwechselt, dieses ist für das saure Milieu der Vagina verantwortlich (3, 8). Dadurch wird die normale Vaginalflora erhalten und das Wachstum von pathogenen Keimen unterdrückt (6). Der Fluor vaginalis entsteht im Wesentlichen durch Transsudation. Der physiologische Fluor vaginalis hat einen pH von 4.0 - 4.5, ist weisslich, dünnflüssig, säuerlich, nicht übelriechend und symptomlos. Die normale Menge beträgt < 5ml / 24h.
Candida Vulvovaginitis
Die vulvovaginale Candidiasis ist die häufigste Ursache von vulvovaginalem Pruritus und Ausfluss und nach der bakteriellen Vaginose die zweithäufigste Ursache einer Kolpitis. Die genaue Prävalenz ist jedoch schwierig zu eruieren, da Candidaspezies bei ca. 20% aller Frauen im Genitaltrakt ohne klinische Infektionszeichen vorkommen (Kolonisation), weswegen der alleinige Nachweis von Candida zur Diagnosestellung nicht ausreicht (2). In einer aktuellen US-amerikanischen Studie gaben 77.5% der Frauen an, mindestens einmal im Leben eine vulvovaginale Candidiasis gehabt zu haben, wovon wiederum 34.6% an rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis litten (≥ 4 Episoden pro Jahr) (9). Die Prävalenz der vulvovaginalen Candidiasis ist bei Frauen im reproduktiven Alter am höchsten. Jenseits der Menopause ist das Auftreten einer vulvovaginalen Candidiasis ungewöhnlich, ausser bei Frauen unter Östrogentherapie. Ebenso ungewöhnlich ist sie bei präpubertalen Mädchen, bei welchen sie gelegentlich überdiagnostiziert wird (10).
Im Gegensatz zur bakteriellen Vaginose ist bei der vulvovaginalen Candidiasis die Anzahl der vaginalen Laktobazillen nicht vermindert. Candidaspezies sind fakultativ pathogen. Ungefähr 80% der Infektionen sind durch Candida albicans verursacht, die restlichen vor allem durch Candida glabrata oder tropicalis (3). Eine klinisch manifeste Pilzinfektion mit Candida entwickelt sich nur, wenn zusätzlich zur ausreichenden Keimzahl eine Disposition bzw. Risikofaktoren bestehen (2). Zu den Risikofaktoren gehören Diabetes mellitus (vor allem bei schlechter Blutzuckerkontrolle), Gebrauch von Antibiotika, erhöhte Östrogenspiegel (orale Kontrazeptiva, Schwangerschaft, Östrogentherapie) sowie Immunsuppression (10).
Das dominierende Symptom ist der Pruritus. Aber auch ein Brennen, eine vaginale Rötung und ein ausgeprägtes Wundheitsgefühl werden häufig beschrieben. Die kleinen Labien können ödematös geschwollen sein. Zudem können Dysurie und Dyspareunie vorkommen (10). Der Ausfluss ist typischerweise weiss, dick, bröckelig und häufig an den Vaginalwänden klebend (2). Bisweilen kann er aber ganz fehlen. Der vaginale pH ist typischerweise normal, damit kann die Candidiasis von der bakteriellen Vaginose und von der Trichomonaden Kolpitis abgegrenzt werden. Die Intensität der Symptome kann stark variieren, so scheinen milde bis minimale Symptome bei Infektionen mit Candida glabrata oder parapsilosis (vor allem bei katheterassoziierten Infektionen) vorzukommen (10, 2). Die Diagnosestellung erfolgt durch Untersuchung des äusseren Genitale, der Vagina und Cervix. Die Cervix zeigt in der Regel einen Normalbefund. Zusätzlich sollte eine mikroskopische Diagnostik mittels Nativpräparat erfolgen. Lichtmikroskopisch zeigen sich typische, verzweigte Hyphenfäden. Diese entstehen bei günstigem Wirtsmilieu aus ellipsoiden Candidasporen. Deren Vorkommen entspricht bei fehlender Symptomatik eventuell nur einer Kolonisation, wohingegen Hyphenfäden oft mit einer symptomatischen Erkrankung korrelieren (2).
Bei klassischen Symptomen sowie mikroskopischem Nachweis von Candida ist eine Kultur nicht zwingend erforderlich. Sie sollte aber durchgeführt werden, wenn bei entsprechenden Symptomen und normalem pH mikroskopisch kein Nachweis erfolgen konnte oder bei persistierenden oder rezidivierenden Symptomen (10). Der Nachweis mittels PCR zeigt zwar eine hohe Spezifität und Sensitivität, wird aber bislang in der Routinediagnostik kaum eingesetzt.
Da keines der Symptome pathognomonisch für die vulvovaginale Candidiasis ist, sollte bei entsprechender klinischer Verdachtsdiagnose der Nachweis mittels Nativmikroskopie, Gramfärbung oder Kultur angestrebt werden, um eine Überdiagnose und in der Folge Übertherapie zu vermeiden. Ebenso sollten keine Selbstdiagnosen gestellt und mit rezeptfreien Medikamenten eine Selbsttherapie durchgeführt werden.
Therapie: Es stehen etliche Medikamente in unterschiedlicher Darreichungsform zur Verfügung. Bei unkompliziertem Infekt ist die lokale Therapie mit Clotrimazol oder Econazol empfohlen (Crème 7-10 Tage und Vaginalsuppositorien 3-6 Tage). Bei kompliziertem Infekt sollte zusätzlich eine systemische Therapie mit einer Einmaldosis Fluconazol 150mg 1x oder Itraconazol 200mg 2x gegeben werden. Bei chronisch rezidivierenden Infekten gibt es repetitive Therapieschemata.
Die Wirksamkeit einer probiotischen Therapie z.B. mit Gynoflor-Vaginaltabletten zur Restaurierung der Vaginalflora ist wissenschaftlich nicht bewiesen.
Eine Behandlung des asymptomatischen Sexualpartners scheint für die Patientin keinen Vorteil zu bringen.
Prof. Dr. med. René Hornung
Frauenklinik
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen
Dr. med. Jeannette Baldinger
Frauenklinik
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen
jeannette.baldinger@kssg.ch
Interessenskonflikt: Die Autorin hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
Der genitale Pruritus ist ein weitverbreitetes Symptom, jedoch haben weniger als 50% der Frauen mit diesem Symptom wirklich eine vulvovaginale Candidiasis.
Die vulvovaginale Candidiasis geht in den allermeisten Fällen mit Juckreiz einher. Weitere mögliche Symptome sind Rötung, Ödem oder Schmerz, wohingegen bei der bakteriellen Vaginose Entzündungszeichen zumeist fehlen.
Die Dyspareunie kann mannigfaltige Ursachen haben. Eine ausführliche Anamnese und vorsichtige aber genaue gynäkologische Untersuchung sind unerlässlich. Eine organische Ursache muss gezielt gesucht, bzw. ausgeschlossen werden.
1. Goerke, K., Steller, J. und Valet, A. Klinikleitfaden Gynäkologie und Geburtshilfe. München : Urban & Fischer Verlag, 2003.
2. Mylonas, I., Friese, K. und Lauper, U. EGONEplus. Infektiologische Krankheitsbilder. 22. April 2013.
3. Netter, Frank H. Gynäkologie. Stuttgart : Thieme, 2006.
4.vBarbieri, Robert L. UpToDate: Differential diagnosis of sexual pain in women. 03. Oct. 2017.
5. Kingsberg, Sheryl und Kellogg Spadt, Susan. UpToDate: Approach to the woman with sexual pain. 04. Apr 2019.
6. Sobel, Jack D. UpToDate: Approach to women with symptoms of vaginitis. 27. Aug. 2018.
7. [Online] https://flexikon.deccheck.com/de/Vaginitis.
8. Mylonas, I., Friese, K. und Montavon, C. EGONEplus. Allgemeine Infektiologie. 22. April 2013.
9. Yano, Junko und Sobek, Jack D. Current patient perspectives of vulvovaginal candidiasis: incidence, symptomes, management and posttreatment outcomes. BMC Women’s Health. 2019.
10. Sobel, Jack D. UpToDate: Candida vulvovaginitis: Clinical manifestations and diagnosis. 16. Nov. 2018. Candida vulvovaginitis: Clinical manifestations and diagnosis.
11. [Online] https://www.beobachter.ch/gesundheit/symptom/juckreiz-im-genitalbereich.
12. [Online] https://www.msdmanuals.com/de/profi/gynäkologie-und-geburtshilfe/symptome-gynäkologischer-erkrankungen/vaginaler-juckreiz-und-ausfluss#v1061219_de.
13. Sobel, Jack D. UpToDate: Bacterial vaginosis: Clinical manifestations and diagnosis. 11. Feb. 2019.
14. [Online] http://imdlab.ch/wp-content/uploads/2016/03/Trichomonas-vaginalis.pdf. 15. Petersen, Eiko E. Color atlas of vulvar diseases. Freiburg / Br. : Kaymogyn GmbH, 2007.
Brustschmerzen sind für viele Patientinnen ein besorgniserregendes Symptom und Anlass, die hausärztliche oder gynäkologische Praxis aufzusuchen. Brustschmerzen können in zyklus-
abhängige, zyklusunabhängige und Schmerzen anderer Ätiologie, welche beispielsweise in die Brust ausstrahlen, eingeteilt werden (1). Hinter den Beschwerden können viele, häufig funktionelle oder benigne, Ursachen stecken, jedoch können auch Karzinome Schmerzen verursachen (1). Ebenso können Brustschmerzen Ausdruck einer psychischen Belastungssituation oder ein Hilferuf sein. Daher ist es wichtig, die Patientin und ihre Beschwerden ernst zu nehmen. Eine genaue Anamnese und klinische Untersuchung sind für die weitere Diagnostik wegweisend, beispielsweise, ob eine Bildgebung benötigt wird oder nicht. Eine Ultraschalluntersuchung ist bei Brustschmerzen die Diagnostik der Wahl vor der Mammographie, der MRT oder der Biopsie, deren Indikation zur Abklärung suspekter Befunde im Verlauf gestellt werden kann (1). Dieser Artikel soll einen Überblick über die häufigsten Ursachen des Brustschmerzes, die wichtigsten diagnostischen Schritte sowie Therapiemöglichkeiten geben.
Über 70% aller Frauen erleben mindestens einmal in ihrem Leben Brustschmerzen (2). Oft sind diese selbstlimitierend, falls nicht, stellt sich die Patientin häufig bei ihrem Hausarzt oder Gynäkologen vor. Zu Beginn gilt es, zu evaluieren, ob es sich um einen zyklischen oder nicht-zyklischen Brustschmerz handelt (3). Prädisponierende Faktoren wie stattgehabte Verletzungen, Operationen oder Infektionen sollten erfragt werden, ebenso Medikamente (z.B. Antidepressiva, Methyldopa, Spironolacton), rauchen oder exzessiver Kaffeekonsum, welche eine Mastodynie hervorrufen können (2).
In der klinischen Untersuchung sollte darauf geachtet werden, ob die Schmerzen ein- oder beidseitig bestehen, ob sie lokal oder diffus sind, ob oberflächlich oder tief und ob sie in die Brustwand ausstrahlen (1).
Ebenso ist es wichtig zu beachten, ob zusätzlich zu den Schmerzen Fieber besteht, sich eine Resistenz palpieren lässt, ob sich Auffälligkeiten der Haut oder eine Mamillenretraktion zeigen. Darüber hinaus gilt es zu erfragen, ob sich das Gewicht innerhalb des letzten Jahres signifikant verändert hat (mehr als 5 kg) (2).
Klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung sollte eine beidseitige Mamma- sowie Axillapalpation beinhalten, um Resistenzen, Hautveränderungen und Mamillenveränderungen zu erfassen (1).
Der Untersucher sollte sich dessen bewusst sein, dass allein die Tatsache, dass ein Arzt die Patientin mit ihren Beschwerden ernst nimmt und sie untersucht, beruhigend und in manchen Fällen stress-bedingter Mastopathie sogar therapeutisch sein kann (4). Ebenso ist zu beachten, dass Brustschmerzen einen stillen Hilferuf darstellen und sich in der körperlichen Untersuchung Spuren körperlicher Misshandlung oder fortgeschrittener Karzinomerkrankungen zeigen können, welche die Patientin aus Scham verheimlichte.
Der Haut der Arme, Schultern und des Thorax sollte ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sich hier Zeichen eines zu engen BHs oder Tragens schwerer Taschen zeigen können, welche ebenfalls eine Mastopathie hervorrufen können (2). Ebenso könnten ein Herpes zoster oder Narben entdeckt werden (1).
Bildgebende Verfahren
Insbesondere bei beidseitigen, zyklischen Brustbeschwerden ist in der Regel keine Bildgebung erforderlich. Falls symptomatische, palpable Resistenzen vorliegen sollten, sollte eine Ultraschalluntersuchung der Mammae und Axillae durchgeführt werden. Bei klinisch suspekten Befunden sollte ergänzend eine Mammographie veranlasst werden (1). Gerade bei persistierenden, einseitigen und ansonsten asymptomatischen Brustschmerzen wird die Mammographie jedoch kontrovers diskutiert. Einerseits kann sie die Patientin beruhigen, andererseits kann sie in vielen Fällen auch nicht zielführend sein (5). Jedoch empfiehlt es sich in der Praxis, bei über Vierzigjährigen im Falle von ansonsten asymptomatischen Brustschmerzen eine Mammographie durchzuführen (1).
Brustschmerzen – Differentialdiagnosen die Mammae betreffend
Zyklische Mastodynie
Die zyklische Mastodynie ist mit 2/3 die häufigste Ursache aller Brustschmerz-Fälle (6). Typischerweise ist der Schmerz symmetrisch, hauptsächlich in den äusseren Quadranten und nimmt in der Lutealphase zu. Er kann als stechend, schwer oder brennend empfunden werden und die Innenseite des Oberarms mit einbeziehen. Nach der Menstruation lässt der Schmerz nach (6). Nach der Menopause treten zyklische Schmerzen nicht mehr auf. Die Schmerzen hängen mit hormonellen Veränderungen während des Menstruationszyklus zusammen (2). Frauen mit diesen Beschwerden haben zwar keine erhöhten Hormonspiegel, spüren die physiologischen Veränderungen jedoch verstärkt. Zyklische Mastodynien treten häufiger in Zeiten instabiler Hormonspiegel wie der Pubertät, der Perimenopause, dem ersten Schwangerschaftstrimenon oder auch vor dem postpartalen Milcheinschuss auf (7). Die Therapie des zyklischen Brustschmerzes beinhaltet in erster Linie die Beruhigung der Patientin und Aufklärung über die Harmlosigkeit der Beschwerden. Häufig ist keine Therapie erforderlich (1). Bei starken Beschwerden können körperliche Aktivität oder das Tragen eines stützenden BHs empfohlen werden (7). Manche Studien empfehlen die Reduktion des Kaffeekonsums oder die Einnahme von Vitamin-E-Präparaten (8), wobei dies in anderem Guidelines kontrovers diskutiert wird (7). Die abendliche Einnahme von Schlüsselblumenöl-Kapseln oder abendliche Massage mit Schlüsselblumenöl können einen positiven Einfluss haben (4, 9). Bei lokalem Progesteronmangel kann auch die lokale Applikation eines progesteronhaltigen Gels (z.B. Progestogel®) hilfreich sein. Hierbei wird zwischen dem 10. bis 25. Zyklustag täglich je ein Hub à 2.5 g Gel auf jede Brust aufgetragen. Progesteronhaltige Gele sind hydroalkoholische Gele zur Prophylaxe und Therapie der vaskulären und zellulären Auswirkungen eines lokalen Progesteron-Mangels in der weiblichen Brust. Progesteron wirkt der östrogenbedingten Erhöhung der Kapillarpermeabilität entgegen, ist am Wachstum und an der Differenzierung der Milchgänge und der Acini mitbeteiligt und blockiert den Zyklus der unter Östrogeneinfluss beschleunigten Epithelialmitosen. Durch die perkutane Verabreichung im Bereich der Brust kann eine bestehende Progesteron-Insuffizienz behoben werden. Die Symptome einer Mastodynie gehen zurück oder verschwinden ganz, sobald das Gleichgewicht zwischen Östradiol und Progesteron wiederhergestellt ist (14). In einer kleineren Studie von McFadyen et al. konnte die Wirkung im Vergleich mit einem Placebo jedoch nicht belegt werden (15).
Mastodynie und Palpationsbefund
In der klinischen Untersuchung muss darauf geachtet werden, ob ein Palpationsbefund weich oder fest ist und ob er verschieblich oder mit der Haut oder tieferen Gewebsschichten verwachsen ist. Meistens liegen benigne Ursachen zu Grunde. Die Ultraschalluntersuchung der Mammae und Axillae sind die Untersuchungsmethoden der Wahl. Bei Auffälligkeiten müssen weitere diagnostische Schritte veranlasst werden, beispielsweise weitere bildgebende Verfahren oder eine Histologie mittels Stanzbiopsie.
Zysten
Retentionszysten sind eine häufige Ursache für Brustschmerzen. Sie sind einfach mittels Ultraschall darzustellen, es zeigt sich eine runde, echoleere Struktur mit posteriorer Schallverstärkung. Eine Aspiration kann ultraschallgesteuert durchgeführt werden und ist eine einfache und schmerzarme Behandlung. Im Anschluss muss keine Verlaufsbildgebung durchgeführt werden.
Mastitis non-puerperalis
Eine Mastitis verursacht eine gerötete, schmerzende, überwärmte Brust oder subkutan ödematöse «peau d’orange». Es kann eine benigne Ursache zu Grunde liegen, es muss jedoch immer an ein karzinomatöses Geschehen gedacht werden (10). Infektionen (> 50% der Fälle) oder Entzündungen (30% der Fälle) sind am häufigsten. Ein inflammatorisches Mammakarzinom liegt in weniger als 10% der Fälle vor (11, 12). Die klinische Untersuchung ist hier wegweisend, ergänzt durch eine Ultraschalluntersuchung der Mammae und Axillae um beispielsweise Abszesse ausfindig zu machen (1). Zudem ist es wichtig, den klinischen Zusammenhang zu beachten: Immunsuppressive Faktoren wie Diabetes, Rauchen, HIV-Infektion, Brustoperationen oder Biopsien prädisponieren für Infektionen und Abszesse.
Ein anderes Beispiel ist die idiopathische granulomatöse Mastitis: Diese mit den typischen Symptomen einhergehende Brustentzündung kann jeden Quadranten der Brust betreffen, häufig breitet sie sich radiär aus der retroalleolären Gegend aus und betrifft hauptsächlich Frauen im reproduktiven Alter. Die Diagnosestellung ist schwierig, häufig stellt sie eine Ausschlussdiagnose dar. Die Diagnostik besteht in einer klinischen Brustuntersuchung, einer Bildgebung (Ultraschall, Mammographie und/oder MRI), ggf. einer Biopsie und ggf. einer Mikrobiologie. Therapeutisch kommen Kortikosteroide zum Einsatz, z.B. Prednisolon 16 mg 2 x täglich für 2 Wochen mit im Anschluss langsamer Dosisreduktion über insgesamt 8 Wochen. Bei Beschwerdepersistenz kann Methotrexat versucht werden, wobei die Datenlage hierzu ungenügend ist. In Steroid-refraktären Fällen sollte daher besser eine grosszügige lokale Exzision erfolgen (16).
Stillzeit und Mastitis puerperalis
In der Stillzeit berichten viele Frauen über schmerzende Brüste und Brustwarzen, insbesondere in den ersten zwei Wochen nach Stillbeginn. Die Mastitis puerperalis zeigt meist einen plötzlichen Beginn mit Fieber, Gliederschmerzen, Müdigkeit und grippeähnlichen Symptomen. Meist ist nur eine Seite betroffen. Die Inzidenz wird zwischen 9-20% angegeben (13).
In der klinischen Untersuchung muss auf Verhärtungen, Rötungen und Überwärmung im Sinne eines Milchstaus oder eines möglichen Abszesses geachtet werden. Eine Laboranalytik ist in der Regel nicht notwendig. Auch die Untersuchung der kindlichen Mundhöhle auf Zungenbändchen und Infektionen gehört dazu. Bei Vorliegen eines Zungenbändchens ist aufgrund einer fehlerhaften Saugtechnik beim Säugling manchmal eine Frenotomie notwendig (13).
Prädisponierende Faktoren für eine Mastitis puerperalis sind Milchstau, eine überschiessende Milchproduktion, abrupte Veränderungen der Stillfrequenz oder Abstillen. Traumata der Brustwarzen (Rhagaden) können Keimen als Eintrittspforte dienen.
Eine Mastitis puerperalis im frühen Stadium kann häufig durch eine suffiziente Entlastung (Stillen und/oder Abpumpen) behandelt werden. Antiphlogistika und viel Ruhe sollten ebenfalls Bestandteile der Therapie sein. Falls aber schwere Krankheitssymptome wie Fieber > 38.5°C oder systemische Krankheitszeichen auftreten sollten oder eine konservative Therapie über 24 Stunden keine Besserung bringen sollte, ist eine antibiotische Therapie indiziert.
Da häufig Streptokokken, Staphylokokken oder E. coli die ursächlichen Keime sind, werden typischerweise Penicilline eingesetzt, z.B. Amoxicillin/Clavulansäure 625 mg dreimal täglich p.o. über 10 bis 14 Tage. Bei Penicillin-Allergie wird beispielsweise Clindamycin 300 (bis 600) mg dreimal täglich p.o. eingesetzt.
Ein Mamma-Abszess sollte zunächst sonographisch gesteuert punktiert und gespült werden (ggf. wiederholt), bei ungenügender Wirksamkeit chirurgisch entlastet.
Brustschmerzen und Krebs
Es stellt sich immer wieder die Frage, ob ein Mammakarzinom Schmerzen verursacht. In der Regel ist dies nicht der Fall – daher können die meisten Patientinnen mit Brustschmerzen beruhigt werden. Jedoch muss stets eine adäquate Diagnostik erfolgen.
Brustschmerzen – Differentialdiagnosen andere Organsysteme betreffend
Differentialdiagnostisch kommen bei Brustschmerzen auch Erkrankungen in Frage, welche die Mammae nicht direkt betreffen, sondern deren Symptome lediglich in diese ausstrahlen können. Ein Beispiel hierfür ist das Tietze-Syndrom. Es ist eine selbstlimitierende, nicht-abszedierende Arthropathie, meist junge Erwachsene betreffend. In der Regel sind die sternocostalen oder sternoclavikulären Gelenke sowie costochondrale Verbindungen betroffen. Die charakteristischen Symptome sind Berührungsempfindlichkeit, lokale oder ausstrahlende Schmerzen und Ödeme. Die Diagnostik besteht in einer klinischen Untersuchung (Druckdolenz des betroffenen Gelenks), Labordiagnostik (erhöhte Infektparameter) und einer Bildgebung (Ultraschall, ggf. MRT, ggf. Skelett-Szintigraphie). Die Therapie ist primär konservativ (wärmende Wickel, Analgetika, NSAR, ggf. Lidocain- und steroidhaltige Infiltrationen), in persistierenden Fällen chirurgisch (Knorpelresektion) (17).
Thoraxwandschmerzen, induziert beispielsweise durch körperliche Aktivität, treten meist unilateral auf und sind sehr weit lateral oder sehr medial in der Brust zu spüren. Meist sind ältere, postmenopausale Frauen betroffen, insbesondere auch Frauen mit Spondylose und/oder Osteoarthrose. Diagnostisch wegweisend ist die Provozierbarkeit durch Druck auf die betroffene Stelle der Thoraxwand. Beruhigung mit Erklärung der Pathophysiologie, Analgetika/NSAR systemisch oder lokal, Infiltrationen mit Lidocain/Steroiden und Physiotherapie sind die therapeutischen Optionen der Wahl.
Dem praktischen Arzt ist bestens bekannt, dass sich hinter Brustschmerzen ebenso ein Myokardinfarkt, eine Pneumonie, Pleura-irritationen, ein Oesophagusspasmus oder auch Rippenfrakturen verbergen können (1). Ein EKG, Röntgen-Thorax, eine Blutgasanalyse und eine Laboranalytik (Troponin, D-Dimere, ggf. Infektlabor) gehören daher zur Diagnostik, ggf. ergänzt durch probatorische Therapien wie beispielsweise mit Protonenpumpenhemmern oder Nitroglycerinspray.
Auch seltenere Ursachen sollten bedacht werden – so stellte sich in unserer Klinik jüngst eine Patientin mit intramammärer Thrombophlebitis nach chirurgischer Therapie einer abszedierenden Mastitis puerperalis vor.
Dipl. ÄrztinAlice Kühn-Lichtenberg
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen
alice.kuehn-lichtenberg@kssg.ch
Prof. Dr. med. René Hornung
Frauenklinik
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen
Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
Brustschmerzen sind ein häufiges Symptom meist harmloser Ursache. Häufig sind sie auf hormonelle Veränderungen während des Menstruationszyklus zurückzuführen.
Bei zyklischen Brustschmerzen ist nach einer ausführlichen Anamnese und klinischen Untersuchung eine Bildgebung meist nicht notwendig.
Ultraschall ist die Untersuchung der Wahl bei Brustschmerzen. Es können sich hier beispielsweise Retentionszysten zeigen.
In der Stillzeit kann ein Milchstau mittels konservativer Massnahmen entlastet werden, eine Mastitis puerperalis muss bei ungenügendem Ansprechen konservativer Massnahmen über 24 Stunden antibiotisch behandelt werden. Ein Mammaabszess muss punktiert oder inzidiert werden.
Der Arzt muss sich dessen bewusst sein, dass ungewöhnliche Brustschmerzen ein Hinweis für ein Mammakarzinom sein können.
Bei einer entzündeten Brust muss immer auch an ein inflammatorisches Mammakarzinom gedacht werden.
1. Balleyguier C, Arfi-Rouche J, Haddag L, Canale S, Delaloge S, Dromain C. Breast pain and imaging. Diagnostic and Interventional Imaging 2015;96(10):1009-1016
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4. Kataria K, Dhar A, Srivastava A, Kumar S, Goyal A. A systematic review of current understanding and management of mastalgia. Indian J Surg 2014;76:217-222
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12. Woodward WA, Cristofanilli M. Inflammatory breast cancer. Semin Radiat Oncol 2009;19:256-265
13. Berens PD. Breast Pain: Engorgement, Nipple Pain, and Mastitis. Clinical Obstetrics and Gynecology 2015;58(4):902-914
14. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz®: Progestogel® (https://compendium.ch/mpro/mnr/1759/html/de#7550)
15. McFadyen IJ, Raab GM, Macintyre CCA, Forrest APM. Progesterone cream for cyclic breast pain. BMJ 1989;298:931
16. Freeman CM, Xia BT, Wilson GC, Lewis JD, Khan S, Lee SJ, Lower EE, Edwards MJ, Shaughnessy EA. Idiopathic granulomatous mastitis: A diagnostic and therapeutic challenge. The American Journal of Surgery 2017; 214:701-706
17. Rokicki W, Rokicki M, Rydel M. What do we know about Tietze’s syndrome? Kardiochirurgia i Torakochirurgia Polska 2018;15(3):180-182
In der hausärztlichen Praxis kommt es häufig zu Konsultationen schwangerer Patientinnen. Welche Medikamente mit ausreichenden Erfahrungswerten und damit grösstmöglicher Sicherheit in der Schwangerschaft verabreicht werden dürfen, sorgt oft für Verunsicherung. Dieser Artikel soll einen Überblick geben über die häufigsten Konsultationsgründe schwangerer Patientinnen in der Hausarztpraxis und die gängigsten Medikamente vorstellen.
Wenn bei Wirkstoffgruppen auf einen spezifischen Wirkstoff verwiesen wird, so stellt dieser stets das Mittel der Wahl dar. Es wird bewusst nur auf die Pharmakotherapie in der Schwangerschaft eingegangen. Es ist zu beachten, dass in der Stillzeit zum Teil abweichende Empfehlungen gelten, so dass hier eine Therapie unbedingt neu evaluiert werden sollte.
Schmerzen, Fieber
Gemäss Swiss Teratogen Information Service (STIS) und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Perinatale Pharmakologie (SAPP) ist Paracetamol weiterhin Mittel der Wahl bei Schmerzen und Fieber in der Schwangerschaft – auch zur Selbstmedikation. Fieber soll behandelt werden, da es Wehen auslösen kann. Gemäss aktuellen Forschungsdaten soll sich die Therapie mit Paracetamol aber auf einige Tage beschränken, da es bei längerer Anwendung zu unerwünschten Wirkungen auf den Fötus kommt (1, 2). NSAR (bevorzugt Ibuprofen) sollen aufgrund fehlender Datenlage nur in Einzeldosen eingesetzt werden und nur bis zur 28. SSW. Bei einer versehentlich längeren Einnahme von NSAR vor und bei jeder Einnahme nach der 28. SSW sollte eine sonographische Kontrolle des fetalen Ductus arteriosus Botalli erfolgen. Opiat- und Opioid-Analgetika (Morphin, Tramadol) sollten im ersten Trimenon nur in Einzeldosen gegeben werden – neuste Daten zeigen ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen v.a. unter Tramadol. Bei einer Entbindung unter Opiaten/Opioiden ist zu beachten, dass das Neugeborene aufgrund der in Terminnähe entwickelten Opiatrezeptoren u. U. stark sediert ist. Generell soll bei jeder Anwendung länger als wenige Tage zur Behandlung von Schmerzen eine kritische Evaluation und eine weitere Abklärung der Symptome erfolgen.
Ergänzend können nicht-medikamentöse Massnahmen wie Physiotherapie, Akupunktur oder Taping erwogen werden. Bei Kopfschmerzen gibt es eine gute Evidenz für Pfefferminzöl äusserlich; ausserdem zeigt Magnesiumaspartat (in einer Dosierung von 25 mmol/Tag; cave Durchfall) eine gute Wirksamkeit (3). Anhaltende Kopfschmerzen in der Schwangerschaft sollten geburtshilflich (Ausschluss Präeklampsie) und neurologisch (Ausschluss Sinusvenenthrombose, Migräne) abgeklärt werden.
Gastrointestinale Beschwerden
Eine Schwangerschaftsübelkeit kann zunächst mit Allgemeinmassnahmen behandelt werden. Hierzu zählen vor allem das Meiden von Triggern, die Einnahme von regelmässigen kleinen kohlenhydrat- und proteinreichen Mahlzeiten sowie ausreichendes Trinken. Ausserdem gibt es gute Wirksamkeitsnachweise für die Anwendung von Ingwer (als pulverisiertes Rhizom). Begleitend können Akupunktur und eine psychologische Betreuung hilfreich sein.
Mittel der Wahl zur Antiemese ist Meclozin kombiniert mit Vitamin B6. In Reserve können Metoclopramid und Ondansetron eingesetzt werden. Für die Behandlung von Gastritis und Refluxbeschwerden können aluminiumhaltige Antazida in therapeutischer Dosierung verwendet werden. Als zweite Wahl stehen H2-Rezeptorantagonisten (Ranitidin) zur Verfügung oder auch PPI (bevorzugt Omeprazol) (4). Rechtsseitige Oberbauchschmerzen ohne internistisches oder muskuloskelettales Korrelat müssen vor allem in der zweiten Schwangerschaftshälfte immer an ein HELLP-Syndrom denken lassen und erfordern eine labordiagnostische und gynäkologische Abklärung.
Allergien und Asthma bronchiale
Die Behandlung der allergischen Rhinitis erfolgt nach den gleichen Prinzipien wie ausserhalb der Schwangerschaft. Es werden topische (Azelastin) oder orale Antihistaminika (Loratadin, Cetirizin) eingesetzt. Topische Glukokortikoide (Budesonid, Fluticason) können ebenfalls verwendet werden. Der Beginn einer spezifischen Immuntherapie ist in der Schwangerschaft kontraindiziert; eine bereits begonnene Therapie kann jedoch weitergeführt werden (5).
Eine vor der Schwangerschaft etablierte Asthmatherapie kann und sollte in der Regel fortgesetzt werden, da ein unkontrolliertes Asthma ein erhöhtes maternales und fetales Risiko darstellt (5). Bei den inhalativen Betamimetika ist Salbutamol Mittel der Wahl, als inhalative Kortikosteroide können Budesonid, Beclometason und Fluticason eingesetzt werden. Auch systemische Kortikosteroide können in der Schwangerschaft verwendet werden, hierbei ist Prednisolon zu bevorzugen. Bei längerer Anwendung ist eine Entbindung im Zentrumsspital aufgrund des erhöhten Risikos für neonatale Anpassungsstörungen und Hypoglykämien indiziert. Aus der Gruppe der langwirksamen Betamimetika sollten bevorzugt Formoterol und Salmeterol verwendet werden (6).
Die Behandlung der anaphylaktischen Reaktion unterscheidet sich nicht von der Behandlung ausserhalb der Schwangerschaft: Es werden je nach Schweregrad orale oder intravenöse Antihistaminika und Kortikosteroide gegeben, neben der Inhalation eines Betamimetikums. Auch die Gabe von Adrenalin intramuskulär oder intravenös sollte stufengerecht erfolgen (7).
Psychische Störungen
Bei leichten depressiven Verstimmungen und Schlafstörungen sind folgende Phytotherapeutika gut untersucht: Baldrian, Johanniskraut und Bryophyllum pinnatum (8). Eine medikamentöse antidepressive Therapie sollte in der Schwangerschaft unbedingt fortgeführt werden. Vor allem gilt es, ein abruptes Absetzen zu vermeiden, um Krisen mit möglicher Gefährdung von Mutter und Kind zu verhindern. Wenn immer möglich sollte bereits bei Kinderwunsch auf ein gut erprobtes Medikament umgestellt werden. Mittel der ersten Wahl bei sehr guter Datenlage sind SSRI (Citalopram, Sertralin); bei Citalopram ist ab dem 2. Trimenon aufgrund der gesteigerten Clearance eine Dosissteigerung unerlässlich (9). Bei den trizyklischen Antidepressiva gelten vor allem Amitriptylin und Nortriptylin als ausreichend sicher. Eine Dosisreduktion präpartal ist bei Amitriptylin oftmals notwendig.
Da alle Antidepressiva ein Risiko neonataler Anpassungsstörungen mit sich bringen, ist bei einer solchen Therapie die Entbindung im Zentrumsspital empfohlen. Unmittelbar postpartal sollte nach Dosisanpassungen in der Schwangerschaft immer wieder auf die ursprüngliche Dosis zurückgestellt werden. Bei Symptomen einer Wochenbettdepression ist unbedingt eine rasche Zuweisung an ein gynäkopsychiatrisches Zentrum und die Evaluation einer Hospitalisation indiziert.
Bei bipolar-affektiven Störungen ist Quetiapin (6) das am besten untersuchte Medikament und verfügt über das günstigste Risikoprofil. Valproat, Carbamazepin und Lithium dürfen aufgrund ihrer Teratogenität nur bei sehr strenger Indikation gegeben werden und erfordern eine detaillierte fetale Sonographie (10).
Hypertensive Erkrankungen
Vorbestehende hypertensive Erkrankungen sollten präkonzeptionell bereits auf ein schwangerschaftsverträgliches Medikament umgestellt werden. Generell sollten vor einer geplanten Schwangerschaft eine optimale Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren und Blutdruckeinstellung erreicht sein. Kontraindiziert in der Schwangerschaft sind ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptor-antagonisten, Diuretika sollten möglichst vermieden werden. Mittel der Wahl sind Methyldopa, Nifedipin und Labetalol, in Reserve Metoprolol (6, 11).
Infektionen
Eine Erkältung kann in der Schwangerschaft symptomatisch behandelt werden mit ätherischen Ölen (Eukalyptus, Thymian, Efeu), befeuchtenden Mitteln wie Meerwasser und Hyaluronsäure, lokalen Vasokonstriktoren (Xylometazolin, Oxymetazolin) und Acetylcystein als Sekretolytikum (12).
Als Antiinfektiva werden bevorzugt Beta-Laktam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine) verwendet. In Reserve, z.B. bei Allergien, stehen Makrolide (insbesondere Erythromycin) sowie Clindamycin und Azithromycin bei speziellen gynäkologischen Infektionen zur Verfügung. Ein Harnwegsinfekt in der Schwangerschaft ist immer als komplizierter HWI anzusehen und sollte firstline mit Amoxicillin/Clavulansäure über 3-5 Tage behandelt werden (13).
Schwangere Patientinnen (und Mütter im Wochenbett sowie ihre Neugeborenen) zählen zu den Risikopatienten bei einer Influenzainfektion. Das Risiko für Komplikationen wie schwere Pneumonien, Abort, Frühgeburt und intrauteriner Fruchttod ist bei ihnen deutlich erhöht. Wenn die Symptome der Patientin noch nicht länger als 48 Stunden bestehen, ist eine Therapie mit Oseltamivir indiziert (14). Bei persistierender Verschlechterung des Allgemeinzustands muss eine Hospitalisation erfolgen.
Impfungen in der Schwangerschaft
Vor einer geplanten Schwangerschaft sollte der Impfstatus der Patientin überprüft werden. Lebendimpfungen wie MMR und Varizellen dürfen nicht in der Schwangerschaft verabreicht werden, bei eventuellen Impflücken (MMR) oder negativer bzw. unklarer Anamnese (Varizellen) sollte die Impfung vor einer geplanten Schwangerschaft erfolgen. Der Abstand zwischen Lebendimpfung und Konzeption sollte einen Monat betragen (15). Falls doch unmittelbar nach der Impfung eine Schwangerschaft eintritt, stellt dies jedoch keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch dar.
In der Schwangerschaft sollte saisonal so früh wie möglich gegen Influenza geimpft werden, eine Nachimpfung ist aber auch später immer noch indiziert bis 4 Wochen postpartal. Ebenfalls in jeder Schwangerschaft indiziert ist – unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Impfung – die Pertussisimpfung (DTPa) im zweiten Trimester. Hier sollte ebenfalls der Impfstatus des Partners und weiterer naher Betreuungspersonen des Neugeborenen überprüft werden. Liegt bei den betroffenen Personen die letzte DTPa-Impfung mehr als 10 Jahre zurück, sollte auch hier eine Auffrischimpfung erfolgen (16).
Weitere Informationen
Swiss Teratogen Information Service (STIS; www.swisstis.ch)
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für perinatale Pharmakologie (SAPP; www.sappinfo.ch)
Embryotox (www.embryotox.de)
Meldung über unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Mutter und (ungeborenem) Kind an Swissmedic über ElViS (Electronic Vigilance System)
Dr. med. Andrea Biener
Frauenklinik
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen
Beide Autorinnen geben an, keine Interessens-konflikte im Zusammenhang mit dem vorgelegten Manuskript zu haben.
Analgetikum und Antipyretikum der Wahl zur kurzzeitigen Behandlung in der Schwangerschaft ist Paracetamol, NSAR sollten vor der 28. SSW nur in Einzeldosen und ab der 28. SSW gar nicht mehr eingenommen werden.
Die gängigen Schemata zur Behandlung von allergischen Symptomen und Asthma bronchiale können und sollen auch in der Schwangerschaft fortgeführt werden.
Antibiotika der Wahl sind Penicilline, Cephalosporine und Makrolide.
In jeder Schwangerschaft sollte eine Impfung gegen Influenza (saisonal) und Pertussis erfolgen; ebenso sollten bei jungen Frauen in der hausärztlichen Praxis der Impfstatus überprüft und eventuelle Lücken vor einer Schwangerschaft geschlossen werden.
1. Stellungnahme der SAPP zur Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft vom 17.11.14
2. Alice Panchaud, David Baud. Le paracétamol reste l’antalgique de 1er choix pendant la grossesse. STIS, 2014
3. B. Lardi. Schmerz und Analgesie in der Schwangerschaft, Stillzeit und Neonatalperiode (Teil 1). pharmaJournal 5, 3.2012
4. B. Lardi. Gastrointestinale Beschwerden und Erkrankungen in der Schwangerschaft und Stillzeit. pharmaJournal 4, 2.2014
5. B. Lardi. Allergische Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit (Teil 1). pharmaJournal 3, 2.2017
6. Pharmakovigilanz – und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Embryotox.de. Aufrufdatum 18.03.2019
7. B. Lardi. Allergische Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit (Teil 2). pharmaJournal 4, 2.2017
8. U. von Mandach. SAPP-Jahrestagung 2012
9. Weisskopf E et al. Risk-benefit balance assessment of SSRI antidepressant use during pregnancy and lactation based on best available evidence. Expert Opin Drug Saf. 2015 Mar;14(3):413-27
10. B. Lardi, A. Heck. Mood Stabilizer während der Schwangerschaft und Stillzeit: Tabu oder möglich? pharmaJournal 13, 6.2012
11. August, P et al. Management of hypertension in pregnant and postpartum women. Up to date, Aufrufdatum 18.03.2019
12. U. von Mandach, K. Fürer. Schnupfen in Schwangerschaft und Stillzeit. pharmaJournal 1, 2018
13. Expertenbrief Nr. 58, 2018, SGGG
14. Guidelines.ch
15. Bundesamt für Gesundheit BAG, Empfohlene Impfungen für Frauen vor, während und nach der Schwangerschaft, Fact sheet, 2017
16. Bundesamt für Gesundheit BAG, Influenza- und Pertussisimpfung in der Schwangerschaft, Bulletin 5, 2019
Die Anlage eines auch vorübergehenden künstlichen Darmausgangs, eines Stomas, stellt für Betroffene eine grosse Belastung dar. Um trotzdem eine hohe Lebensqualität erhalten zu können, ist die Vermeidung von Komplikationen des Stomas von zentraler Bedeutung. Dabei zeigt sich, dass die interdisziplinäre Betreuung auch unter Einbezug der Hausärztin die besten Aussichten auf Erfolg bietet. Im vorliegenden Artikel werden die einzelnen Aspekte einer optimalen Stomaversorgung vorgestellt.
Um die Adhärenz von Patientinnen und Patienten (im Folgenden gilt die weibliche Form für alle Geschlechter) für ihre Stomabehandlung zu fördern und eine möglichst hohe Lebensqualität zu gewährleisten, beginnt die pluridisziplinäre Information und Betreuung der Patientinnen bereits präoperativ. So können Fragen zur Operationstechnik und der Ernährung geklärt werden und Ängste/Vorurteile im Zusammenhang mit dem Stoma abgebaut werden. Wichtig ist auch das präoperative Einzeichnen des Stomas durch die Stomaberaterin, damit die Patientinnen ihr Stoma selbst versorgen können. Dabei werden nebst den anatomischen Begebenheiten (Falten, Knochen, Narben) auch die Fähigkeiten und Gewohnheiten der Patientinnen berücksichtigt. Es kann sein, dass jemand zum Beispiel eine taktile Einschränkung hat, welche postoperativ berücksichtigt werden muss.
Am Stadtspital Triemli erfolgen die kolorektalen Eingriffe gemäss dem ERAS®-Protokoll (enhanced recovery after surgery). Der Erfolg dieses Behandlungskonzepts basiert aus einem Zusammenspiel unterschiedlichster Interventionen (Operationstechnik, Anästhesie, Mobilisation, Ernährung etc.) sowie einer guten Patientinnenedukation und einer aktiven Mitarbeit der Patientinnen. Innerhalb des pluridisziplinären ERAS-Teams nimmt die ERAS-NURSE eine wichtige Rolle als Bezugsperson der Patientinnen ein.
Indikationen
Ein Stoma ist ein temporärer oder definitiver künstlicher Darmausgang. Es kann im Dünn- (Ileostoma) oder Dickdarm (Kolostoma), als doppelläufige, doppelflinten (geformt aus Dünn- und Dickdarm) oder endständige Konstruktion angelegt werden.
Verschiedene Krankheitszustände machen die Anlage eines Stomas notwendig (siehe Tabelle 1 für die häufigsten Indikationen) und dementsprechend ist die Unterbrechung des natürlichen Wegs des Gastrointestinaltraktes durch die Konstruktion eines Stomas in der kolorektalen Chirurgie ein häufiger Eingriff. Dank der Einführung von sphinktersparenden Operationstechniken, ist die Anzahl der definitiven Stomata deutlich zurückgegangen.
Permanent
Die Anlage eines permanenten Stomas erfolgt im Rahmen einer Rektumamputation bei Rektumkarzinom und seltener eines Analkarzinoms. Auch als definitive Lösung bei einer therapierefraktären Stuhlinkontinenz.
Temporär
Die Anlage eines temporären Stomas erfolgt zum Beispiel im Rahmen eines obstruierenden Karzinoms mit Ileus in einem Zustand, in welchem die Patientin eine initiale Resektion nicht toleriert. Häufiger wird dieses Verfahren jedoch angewendet, um eine nachfolgende Anastomose zu schützen, zum Beispiel nach tiefer anteriorer Rektumresektion im Sinne einer temporären Anlage eines doppelläufigen Schutzileostomas.
Dünn- oder Dickdarmstoma?
In der Literatur wird prinzipiell die Anlage eines Ileostomas favorisiert, da es hinsichtlich Komplikation, wie parastomale Hernie, Stomaprolaps, Narbenhernie etc. deutlich besser abschneidet als das Kolostoma. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass eine Dekompression des Dickdarms durch ein Ileostoma bei gut funktionierender Ileozökalklappe ungenügend sein kann. Andererseits ist die Anlage eines Ileostomas technisch häufig einfacher, bedingt durch die Mobilität des Dünndarms. Die Anlage eines Kolostomas bedingt immer eine gewisse chirurgische Mobilisation des Dickdarmes, was mit weiteren Komplikationen behaftet sein kann. In Bezug auf die Ernährung stellt das Kolostoma hingegen die deutlich geringere Herausforderung dar als ein Stoma im Dünndarm – während beim Ileostoma in erster Linie die Flüssigkeits- und Elektrolytresorption beachtet werden muss, ist bei einem Stoma weiter proximal (z.B. Jejunostoma) auch die Nährstoffresorption kritisch.
Die Entscheidung für ein Ileo- oder Kolostoma wird auch durch individuelle Patientenfaktoren beeinflusst: Anatomie, Gewicht und Grösse. Aber auch der Zeitraum, wie lange ein temporäres Stoma bestehen soll, kann die Wahl beeinflussen.
Abb. 1: Präoperative Stomamarkierung Kolo- und Ileostoma.
Stomakonstruktion
Um die Komplikationsraten so tief wie möglich zu halten, ist die korrekte Wahl der Stomaplatzierung entscheidend. Hier ist es zwingend, dass die Patientin präoperativ der Expertin für Stomapflege vorgestellt wird, um in ruhiger Atmosphäre die Lage des zukünftigen Stomas festzulegen (Abb. 1). Die Stomatherapeutin betreut die Patientinnen auch postoperativ und ist die erste Ansprechperson.
Grundsätzlich ist darauf zu achten, das Stoma durch die Rektusmuskulatur zu ziehen, dabei aber den Defekt in der Bauchdecke klein zu halten, um die Gefahr der parastomalen Hernie tief zu halten. Vereinfacht lässt sich sagen, dass der verursachte Defekt nicht grösser sein sollte als zwei Querfinger. In Bezug auf die Anlagetechnik ist die laparoskopische Technik gegenüber der offenen Technik zu bevorzugen.
Komplikationen
Eine parastomale Hernie kann operativ mit einer Netzeinlage oder aber auch konservativ mit einem speziellen Herniengurt behandelt werden (Abb. 2). Grundsätzlich ist auch darauf zu achten, dass die Patientinnen in der ersten Zeit nach der Operation zurückhaltend mit schwerem Heben sind. Sie sollten zu Beginn nicht mehr als 10-15 kg heben. Zu einem späteren Zeitpunkt kann ein speziell angepasster Bauchgurt empfohlen werden, welche die Stomaberaterin anpasst.
Eine frühe Komplikation ist die Nekrose des Stomas (Abb. 3). Diese ist jedoch häufig nur oberflächlich und wird durch das initiale Schleimhautödem verursacht. Normalerweise erholt sich die oberflächliche Nekrose binnen Tagen.
Falls jedoch eine Nekrose alle Wandstrukturen erfasst, lässt dies auf eine Minderperfusion des entsprechenden Darmabschnitts schliessen und bedingt eine chirurgische Neuanlage (Abb. 4).
Häufige Komplikationen sind Hautirritationen, verursacht durch Dünndarmsekret insbesondere beim Ileostoma, wobei hier eine übermässige Flüssigkeitssekretion auch zu einem relevanten allgemeinen Flüssigkeitsverlust führen kann.
Deshalb ist es wichtig, dass die Patientin mit einem Ileostoma im Spital in Kontakt mit der Ernährungsberaterin ist, um zu wissen, was sie bei flüssigem Stuhlgang tun muss.
Ernährungs- und Flüssigkeitsmanagement
Bei einem tiefen Ileostoma ist die Nährstoffresorption vollständig gewährleistet, die Flüssigkeits(rück)resorption, welche zu einem beachtlichen Teil im Kolon stattfindet, ist jedoch reduziert. Liegt das Stoma weiter proximal (beispielsweise beim Jejunostoma) ist die Anatomie mit einem Kurzdarmsyndrom vergleichbar und die Nährstoffresorption und der Ernährungszustand müssen genau überwacht werden. Dementsprechend ist das Ziel der ernährungstherapeutischen Massnahmen beim Ileostoma, eine möglichst gute Flüssigkeitsresorption zu gewährleisten. Dies wird durch die Einnahme iso- bis leicht hypotoner Getränke mit einem hohen Natriumgehalt sowie durch Verhindern einer zu schnellen Darmpassage des Speisebreis erreicht. Da viele Patientinnen mit einem Ileostoma unter onkologischen Erkrankungen leiden, stellt die Prophylaxe oder Therapie einer Mangelernährung ein weiterer wesentlicher Aspekt der Ernährungstherapie dar. Dabei gilt es unnötige diätetische Restriktionen zu vermeiden und mit einer energie- und proteindichten, volumenarmen Ernährung, welche auf viele Mahlzeiten verteilt wird, eine ausreichende Energie- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten. Oft werden auch Trinknahrungen als orale Nahrungssupplemente eingesetzt.
Um all diese verschieden diätetischen Massnahmen miteinander zu vereinbaren und ein genussvolles Essen mit Freude und in sozialer Gesellschaft zu ermöglichen, wird die fachkundige Instruktion und Begleitung von Patientinnen mit Ileostoma durch eine spezialisierte Ernährungsberaterin SVDE empfohlen. Die Ernährungsberaterin ist dabei Teil eines interdisziplinären Behandlungsteam und spricht sich bei Bedarf mit den anderen Fachpersonen (Stomaberaterin, ERAS-Nurse, Chirurgin, Onkologin etc.) ab.
Massnahmen zur Optimierung der intestinalen Flüssigkeits- und Elektrolytresorption
Es gilt zu berücksichtigen, dass für die Flüssigkeits- und Natriumresorption die Osmolarität sowie das Vorhandensein von Glucose eine wichtige Rolle spielt. Die Osmolarität des Speisebreis und der intestinalen Flüssigkeit wird durch verschiedenste Faktoren beeinflusst – Osmolarität resp. Natrium und Glucosegehalt der Getränke, Salzgehalt der Speisen, Sekretion von Magensäure und Verdauungssekreten. Die aufgeführten Interventionen können helfen, die intestinale Flüssigkeitsresorption zu verbessern, deren Effekt soll jedoch stets klinisch evaluiert werden, da die Studienlage nicht eindeutig ist:
Massnahmen zur Verbesserung der intestinalen Flüssigkeitsresorption bei Ileostoma
Liberaler/grosszügiger Einsatz von Speisesalz bei den Mahlzeiten (Nachsalzen) und Konsum von salzreichen Snacks wie beispielsweise Salzstangen.
– Falls eine Abneigung gegenüber sal-zigen Speisen besteht: Einsatz vonSalztabletten (bis zu 7 g Natriumchlorid pro Tag).
– Reduktion von hypotonen (Wasser, Tee, Kaffee) und hypertonen Getränken (Fruchtsäfte, Limonaden etc.) und steigern des Konsums von isotonen Getränken.
– Einsatz von oralen Rehydratationslösungen mit einem hohen Natriumgehalt von mindestens 90 mmol/l (Tab. 2).
Der getrennte Konsum von Speisen und Getränken zeigt in einer kleinen klinischen Studie mit 10 Patienten keine verbesserte Flüssigkeits- oder Nährstoffresorption. Im praktischen Alltag berichten jedoch viele Patientinnen, dadurch das Stuhlvolumen reduzieren zu können, und haben subjektiv den Eindruck, dass die intestinale Transitzeit weniger schnell sei.
Allgemeine Ernährungsempfehlungen zur Prophylaxe einer Malnutrition und Stuhlregulation beim Stoma
Grundsätzlich Verordnung einer energiedichten, volumenarmen Ernährung.
Initial reduzierte Nahrungsfaserzufuhr und meiden von Rohkost auf Grund des hohen Volumens und der Verkürzung der intestinalen Transitzeit.
Eine Verteilung der Speisen auf 6 – 8 Mahlzeiten pro Tag führt oft zu einer grösseren oralen Energie- und Proteinaufnahme und erfahrungsgemäss ist die intestinale Transitzeit bei kleineren Nahrungsportionen eher langsamer als bei grossen Mahlzeiten.
Bei unzureichender oraler Nahrungsaufnahme können Trink-nahrungen eingesetzt werden. Die Osmolarität der Produkte stellt dabei oft einen entscheidenden Faktor der Verträglichkeit dar und hyperosmolare Produkte führen tendenziell eher zu Diarrhoe. Erfahrungsgemäss besser toleriert werden Produkte mit einer Osmolarität unter 350 mosmol/l.
Eine allfällige Evaluation individueller Unverträglichkeiten erfolgt unter fachkundiger Begleitung einer Ernährungsberaterin SVDE: eine laktosearme Ernährung ist nicht grundsätzlich indiziert, kann jedoch beim Vorliegen einer Laktoseintoleranz das Stuhlvolumen reduzieren und Verdauungsbeschwerden wie Meteorismus lindern. Bei Meteorismus und flüssigem Stuhlgang kann auch die Wirkung einer FODMAP-armen Ernährung evaluiert werden. Die individuelle Verträglichkeit von potentiell laxativen Nahrungsmitteln wie zuckerreichen Speisen, Kaffee, Alkohol etc. ist sehr unterschiedlich.
Probleme zu Hause
Zu Hause beginnt ein neuer Abschnitt für die Patienten. Sie bewegen sich in der Regel mehr, das Gewicht verändert sich und sie essen anders als während des Spitalaufenthaltes. Das Stoma, welches während des Spitalaufenthaltes noch leicht ödematös war, wird kleiner und flacher und der gespannte Bauch weicher. Die Ausscheidung ist breiig, kann auch sehr flüssig sein. All diese Faktoren können zu Undichtigkeiten oder Hautschädigungen (Hautmazeration) führen (Abb. 5).
Eine Hautmazeration ist Folge einer enzymatischen oder mechanischen Schädigung der Haut, welche durch den aggressiven Stuhlgang beim Ileostoma entsteht. Die Haut wird mit einem Stomapuder (Hydrocolloid in Pulverform, Abb. 6) behandelt, damit die Feuchtigkeit auf der geschädigten Haut gebunden wird und die Grundplatte wieder besser haftet. Oft wird ein Hautschutz eingesetzt. Da der Bauch weicher geworden ist und das Stoma flacher, wird oft von einer flachen Platte auf eine convexe Platte gewechselt (Abb. 7). Die Stomaberatung überprüft die Grösse des Stomas und passt die Schablone an. Durch eine kontinuierliche ambulante Stomakontrolle können mögliche Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt werden. Durch die interprofessionelle Zusammenarbeit fühlt sich der Stomaträger sicher und gut aufgehoben.
Carla Civelli
Stomatherapeutin DVET
Stoma- und Kontinenzzentrum Zürich
eine Fachstelle der Spitex Zürich Limmat AG
Rotbuchstrasse 46
8037 Zürich
Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
Die Anlage eines Stomas ist in der Abdominalchirurgie häufig.
Die Wahl des Stomas hängt ab von verschiedenen Faktoren.
Eine interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Ernährungsberatung, Stomatherapeutin und Chirurg, kann die Gefahr einer begleitenden Komplikation deutlich verringern.