Hyperechogenes Fruchtwasser als mögliches Zeichen einer Pathologie

Fallpräsentation

Eine 41-jährige Gravida V, Para II stellte sich das erste Mal bei uns in 37+6 SSW in unserer Gebärabteilung mit regelmässigen Kontraktionen vor. Die ersten beiden Geburten waren unkomplizierte Spontangeburten mit gesunden Kindern. Familienanamnese bland. Der bisherige Schwangerschaftsverlauf gestaltete sich problemlos mit niedrigem Risiko für T21, T18/T13 im ETT sowie unauffälliger, externer Zweittrimestersonographie. Beim Aufnahme-Ultraschall in der Gebärabteilung fielen mehrere Auffälligkeiten auf. Es konnte ein Polyhydramnion mit einem «maximal vertical pocket» von 9 cm dargestellt werden («amnion fluid index» von 22 cm). Innerhalb des Fruchtwassers zeigten sich sehr hyperechogene Ablagerungen bzw. Abschilferungen (Abb. 1). Das Amnion schien vom Chorion im Sinne einer Amnionablösung separiert zu sein (Abb. 2). Die fetale Haut war ödematös und deutlich verdickt (Abb. 3 und 4). Aufgrund der regelmässigen Kontraktionen wurde keine 3D-Sonographie durchgeführt und die Geburt angestrebt.

Es folgte eine unkomplizierte Entbindung. Die primäre kardiopulmonale Adaptation des Neugeborenen war unauffällig und problemlos. Das Mädchen zeigte allerdings sehr ausgeprägte Ödeme im Bereich des gesamten Körpers, besonders an Händen, Füssen, Lippen und den Genitalien (Abb. 5).
Die Haut war geschwollen, gespannt sowie sehr trocken mit feiner Schuppung. Das Neugeborene konnte die Augen aufgrund des beidseitigen Ektropium nicht schliessen. Ebenso war die Beweglichkeit der Extremitäten sehr eingeschränkt. Aufgrund des dringenden V.a. eine kongenitale Ichthyose wurde das Neugeborene zur weiteren Abklärung und Therapie auf die neonatologische Station verlegt. Es wurde eine lamelläre Ichthyose diagnostiziert.

Die kongenitale Ichthyose ist eine seltene Hauterkrankung mit Störung der Keratinisierung und Verhornung. Ursächlich hierfür sind autosomal rezessive Mutationen in unterschiedlichen Genen wie zum Beispiel TGM 1, KRT1, ALOXE 3 oder ABCA 12.
Aufgrund der multiplen möglichen genetischen Variationen ist auch die Ausprägung der Erkrankung sehr unterschiedlich (1,2).
Bezüglich des Phänotyps des Neugeborenen werden 3 Formen unterschieden (3):

  • Harlequin Ichthyose (HI)
  • Die HI gilt als die schwerste Form. Charakteristisch hierfür ist die dicke und sehr enge, panzerartige Bedeckung der gesamten Körperoberfläche. Dies führt zu einer extremen Einschränkung der Beweglichkeit und führt zu einer Deformität im Bereich des Gesichtes, des Kopfes sowie der Extremitäten (4).
  • Lamelläre Ichthyose (LI)
    Die LI ist die häufigste Form mit einer Prävalenz von 1:100 000 bis 1:1 000 000. Die Neugeborenen wirken wie von einer dünnen, enganliegenden Membran eingeschlossen (5).
  • Ichthyosiforme Erythrodermie (CIE)
    Variante der lamellären Ichthyose mit zusätzlicher Rötung der Haut.

Sonographische Zeichen einer Ichthyose im Sinne von hyperechogenen Ablagerungen im Fruchtwasser wurden bereits früh beschrieben (6). Zusätzliche Informationen hinsichtlich der Körperoberfläche und der Auffälligkeiten der Extremitäten liefert die 3D- und 4D-Sonographie (7, 8).

Dr. med.Tina Fischer

Kantonsspital St.Gallen
Frauenklinik Geburtshilfe
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

tina.fischer@kssg.ch

Dr. med.Janis Kinkel

Kantonsspital St. Gallen
Frauenklinik
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

  • Die kongenital autosomal rezessive Ichthyose ist eine seltene, allerdings schwerwiegende Hauterkrankung.
  • Die Vererbung ist in den meisten Fällen autosomal rezessiv und bedingt in diesen Fällen für eine selbst gesunde Schwangere mit gesundem Partner (jeweils Träger) ein Wiederholungsrisiko von 25% für ein erkranktes Kind in der nächsten Schwangerschaft.
  • Sonographische Zeichen für den Formenkreis der Ichthyose umfassen hyperechogene Abschilferungen im Fruchtwasser, ödematöse Haut, Fehlstellungen der Extremitäten sowie Auffälligkeiten der Hautober-
    fläche, insbesondere des Gesichts, im 3D- bzw. 4D-Ultraschall.

1. Richard G. Autosomal Recessive Congenital Ichthyosis. 2001 Jan 10 [Updated 2017 May 18]. In: Adam MP, Ardinger HH, Pagon RA, et al., editors. GeneReviews®. Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993-2019.
2. Fischer J: Autosomal recessive congenital ichthyosis. J Invest Dermatol 2009; 129: 1319-1321.
3. Inherited ichthyoses/generalized Mendelian disorders of cornification. European Journal of Human Genetics 2013; 21, 123–133.
4. K. Washio et al.: Case of harlequin ichthyosis with a favorable outcome: Early treatment and novel, differentially expressed, alternatively spliced transcripts of the ATP-binding cassette subfamily A member 12 gene. In: The Journal of dermatology. Bd. 44, Nr. 8, August 2017, S. 950-953.
5. B. Hanson et al.: Ectropion Improvement with Topical Tazarotene in Children with Lamellar Ichthyosis. Pediatric dermatology. Bd. 34, Nr. 5, September 2017, S. 584-589.
6. Montague I. et al. Intra-amniotic debris identified at ultrasound scanning: a feature of congenital ichthyosis. Ultrasound Obstet Gynecol. 1997 May;9(5):350-1.
7. Holden S, Ahuja S, Ogilvy-Stuart A, Firth HV, Lees C. Prenatal diagnosis of Harlequin ichthyosis presenting as distal arthrogryposis using three-dimensional ultrasound. Prenat Diagn. 2007;27:566-7.
8. Kudla MJ, Timmerman D. Prenatal diagnosis of harlequin ichthyosis using 3- and 4-dimensional sonography. J Ultrasound Med. 2010;29:317-9.

PFS als klinische Masseinheit

Kovic B et al. Evaluating progression-free survival as a surrogate outcome for Health Related Quality of Life in Oncology. A systematic review and quantitative analysis. JAMA Intern Med. 2018; 178: 1586-1596. doi:10.1001/jamainternmed.2018.4710

Seidman AD et al. National Cancer Institute Breast Cancer Steering Committee Working Group Report on meaningful and appropriate end points for clinical trials in metastatic breast cancer. J Clin Oncol 2018; 36: JCO1800242. Doi:10.1200/JCO.18.00242 Epub.

Booth CM, Eisenhauer E. Progression-free survival: meaningful or simply measurable? J Clin Oncol 2012; 30: 1030-1033

Wesentliche Punkte: Progressionsfreies Überleben (PFS) zu messen, hat sich in vielen klinischen Onkologie-Studien eingebürgert, vor allem bei palliativen Tumortherapien; der Endpunkt geniesst allgemeine Akzeptanz. Die Bestimmung dieser klinischen Masseinheit reflektiert jedoch nicht in jedem Fall und nicht mit Sicherheit bessere Lebensqualität und/oder längeres Überleben. Die Autoren führten (verdienstvoll) eine Meta-Analyse von randomisierten klinischen Krebsstudien durch, um den Zusammenhang zwischen PFS und Lebensqualität (Health-Related Quality of Life HRQoL) zu erhärten oder zu widerlegen; sie versuchten demnach, PFS als Surrogat-Marker für die praktischklinische Güte einer Krebstherapie zu validieren. Aus 35’960 Berichten publiziert in den Jahren 2000 bis 2016 selektionierten sie (aufgrund ihrer vormals festgelegten Kriterien) 52 Artikel zu 38 Studien. Die Schlussfolgerung ist ernüchternd: «We failed to find a significant association between PFS and HRQoL in cancer clinical trials».

Chioreso C et al. Association between hospital and surgeon volume and rectal cancer surgery outcomes in patients with rectal cancer treated since 2000:  systematic literature review and meta-analysis. Dis Colon Rectum 2018; 61: 1320–1332

Investition in die Zentralisierung der Rektumkarzinom-Therapie lohnt sich

Zusammenfassung: die erfolgreiche Primärtherapie des Rektumkarzinoms erfordert den Einsatz eines eingeschworenen Teams verschiedener klinischer Krebsspezialisten, und vor allem von Chirurgen, die Übung haben mit diesen heiklen Eingriffen. Der Chirurge und sein Können (oder seine fehlende Übung) sind meist match-entscheidend für das weitere Schicksal eines Patienten mit Rektumkarzinom – Komplikationen sind belastend und teuer; Rezidive in vielen Fällen nicht mehr kurativ therapierbar. Der logische Zusammenhang zwischen hohen Fallzahlen an einem Spitalzentrum und besseren Therapieresultaten ist in der Literatur bestens belegt, die vorliegende Studie stösst ins gleiche Horn. Sie fasst alle Studien (aus diversen Kontinenten) zum Thema zusammen, die zwischen 2000 und 2017 publiziert wurden. Alle klinisch relevanten Messpunkte (Überleben, Komplikationsrate, etc) fielen besser aus in Zentren mit hohem Patientenaufkommen. Die USA stehen schlechter da als Europa – offenbar weil sie weniger Energie in die Zentralisierung der Rektumkarzinom-Therapie investieren als viele europäische Länder. Was zählte als «high volume»? Tab. 1 gibt Werte an zwischen > 20 bis teilweise > 100 Patienten pro Jahr pro Zentrum; und > 10 bis > 25 Fälle pro Chirurg (Angaben zu «surgeon volume» nur für die Minderzahl der Kliniken).

Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

martin.fey@insel.ch

Beratungsmandat Nestlé Health Sciences, Epalinges – Aktien bei Novartis, Roche, und Johnson&Johnson

Ibrutinib-basierte Therapie gegenüber Immunchemotherapie bei älteren Patienten mit unbehandelter CLL

Woyach JA et al. Ibrutinib Regimens versus Chemoimmunotherapy in Older Patients with Untreated CLL. N Engl J Med 2018;379:2517-28.

Hintergrund

Ibrutinib ist von der Food and Drug Administration für die Behandlung von Patienten mit unbehandelter chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) seit 2016 zugelassen. Diese Behandlung wurde aber nicht mit der Immunchemotherapie verglichen. Eine entsprechende Phase-3-Studie wird in dieser Arbeit präsentiert.

Methoden

Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter, die eine unbehandelte CLL hatten, wurden in folgende Gruppen randomisiert: Bendamustin plus Rituximab (BR), Ibrutinib allein oder Ibrutinib plus Rituximab.
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben. Das Alliance Data and Safety Monitoring Board entschied sich für die Freigabe der Daten nachdem der nach Protokoll spezifizierte Wirksamkeits-Schwellenwert erreicht worden war.

Resultate

Insgesamt 183 Patienten wurden mit BR behandelt, 182 erhielten Ibrutinib, und 182 Ibrutinib plus Rituximab. Das mediane progressionsfreie Überleben wurde nur mit BR erreicht. Das geschätzte progressionsfreie Überleben betrug nach 2 Jahren 74% mit BR und war mit der Ibrutinib-Monotherapie (87%, Hazard Ratio für Krankheitsprogression oder Tod, 0,39; 95% Konfidenz-
intervall (CI), 0,26 bis 0,58; P< 0,001%), sowie der Ibrutinib-Rituximab-Kombinationstherapie (88%, Hazard Ratio, 0,38; 95% CI, 0,25% bis 0,59; P < 0,001) höher.
Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen der Ibrutinib plus Rituximab-Gruppe und der Ibrutinib-Gruppe im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben.
(Hazard Ratio, 1,00; 95% CI, 0,62 bis 1,62; P = 0,49). Bei einem medianen Follow-up von 38 Monaten gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den drei Behandlungsgruppen in Bezug auf das Gesamtüberleben. Die Rate von Klasse 3, 4 oder 5 hämatologischen Nebenwirkungen war mit BR (61%) höher als mit Ibrutinib oder Ibrutinib plus Rituximab (41% bzw. 39%), während die Rate der Klasse 3, 4 oder 5 nicht-hämatologischen Nebenwirkungen mit BR (63%) geringer war als mit den Ibrutinib-haltigen Therapien (je 74%).

Schlussfolgerungen

Die Schlussfolgerungen waren, dass bei älteren Patienten mit unbehandelter CLL die Behandlung mit Ibrutinib der Behandlung mit BR im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben überlegen war. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen Ibrutinib und Ibrutinib plus Rituximab in Bezug auf das progressionsfreie Überleben.

Frick M et al Role of Donor Clonal Hematopoiesis in Allogeneic Hematopoietic Stem-Cell Transplantation. J Clin Oncol 2018; 37:375-385.

Rolle der klonalen Donor-Hämatopoese bei der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation

Hintergrund

Eine klonale Hämatopoese unbestimmter Signifikanz (CHiP) tritt im Blut von ca. 20% der älteren Menschen auf. CHiP ist mit einem erhöhten Risiko für hämatologische Malignome und einer erhöhten Gesamtmortalität vergesellschaftet. Ob Spender mit CHiP für eine Stammzellspende geeignet sind, ist nicht bekannt. In dieser Studie wurde umfassend untersucht, wie ein sogenanntes «Donor-ChiP» das Ergebnis der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (allo-HSZT) beeinflusst.

Methoden

Blutproben von 500 gesunden, verwandten HSZT-Spendern (Alter ≥ 55 Jahre) wurden zum Zeitpunkt der Stammzellspende mit einer gezielten Sequenzierung von 66-Genen untersucht. Die Auswirkung eines Donor-CHiPs auf das Empfänger-Outcome, einschliesslich Graft-versus-Host Disease (GVHD), kumulative Inzidenz von Rückfällen/Progression (CIR/P) und Gesamtüberleben (OS) wurde analysiert.

Resultate

Insgesamt wurden 92 klonale Mutationen mit einer mittleren Allelfrequenz von 5,9% in 80 von 500 Spendern (16,0%) identifiziert. Die CHiP-Prävalenz war bei Spendern im Zusammenhang mit Patienten mit myeloiden Neoplasien höher als bei Patienten mit lymphoiden Neoplasien (19,2% v. 6,3%; P ≤ 0.001). Bei den Empfängern von Donor-CHiP, fand sich eine hohe kumulative Inzidenz von chronischer GVHD (cGVHD; Hazard Ratio[HR], 1,73; 95% CI, 1,21 bis 2,49; P = 0.003) und ein niedrigeres CIR/P (univariate Analyse: HR, 0,62; 95% CI, 0,40 bis 0,97; P = 0.027; multivariate Analyse: HR, 0,63; 95% CI, 0,41 bis 0,98;P = 0.042), aber keine Auswirkung auf die Nicht-Rezidiv-bedingte Mortalität. Die serielle Quantifizierung von 25 Mutationen zeigte eine Expansion von 24/25 Klonen und eine überproportionale Expansion in der Hälfte dieser Klone. Eine Spenderzell-Leukämie wurde bei zwei Empfängern beobachtet. Das Gesamtüberleben des Empfängers war nicht vom Donor-CHiP-Status betroffen (HR, 0,88; 95% CI, 0,65 bis 1,321; P = 0.434).

Schlussfolgerungen

Die allo-HSZT von älteren, verwandten Spendern mit CHiP scheint sicher und beeinflusst das Gesamtüberleben des Empfängers nicht ungünstig. Zukünftige Studien mit jüngeren und nicht verwandten Spendern sind notwendig, um diese Ergebnisse weiter zu überprüfen. Weitere Studien und mechanistische Experimente werden zeigen, ob ein Donor-CHiP die cGVHD-Entwicklung fördern und das Rückfall-/Progressionsrisiko verringern kann.

Prof. Dr. med.Markus G. Manz

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

PD Dr. med. Alexandre Theocharides

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

Alexandre.Theocharides@usz.ch

Radiotherapie und Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren

Die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Behandlungspfeiler geworden. Viele Patienten mit einer Immuntherapie erhalten im Verlauf ihrer Erkrankung auch eine Radiotherapie. Obwohl die Evidenzlage zur kombinierten Therapie und zu möglichen Interaktionen insgesamt noch unzureichend ist, sind die vorliegenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit vielversprechend.

Ces dernières années, le traitement du carcinome bronchique non à petites cellules par des inhibiteurs de l’immunocheckpoint est devenu un pilier important du traitement. De nombreux patients en immunothérapie reçoivent également une radiothérapie au cours de leur maladie. Bien que les données sur la thérapie combinée et les interactions possibles soient encore insuffisantes, les données disponibles sur l’efficacité et l’innocuité sont prometteuses.

Die Einführung der Immuntherapie (IT) mit Immuncheckpoint-Inhibitoren hat in den letzten wenigen Jahren die Behandlung des fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) grundlegend verändert (1). Durch Antikörper gegen Rezeptoren wie CTLA-4, PD-L1 und dessen Liganden PD-L1 werden immunsupprimierende Signalwege gehemmt, woraus eine gesteigerte Tumor-gerichtete T-Zell-Aktivierung resultiert. Beim fortgeschrittenen NCSLC konnte auf diese Weise das Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zu einer klassischen Chemotherapie in der Erstlinientherapie und Zweitlinientherapie signifikant verbessert werden (1). In der Schweiz sind die Immuncheckpoint-Inhibitoren Nivolumab, Pembrolizumab (Anti-PD-1) und Atezolizumab (Anti-PD-L1) zur Therapie des metastasierten NSCLC zugelassen. Seit September 2018 ist zusätzlich im Stadium III nach Radiochemotherapie der anti-PD-L1-Antikörper Durvalumab zur konsolidierenden Behandlung verfügbar (2).
Ein Grossteil der Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC erhält vor oder nach einer Immuntherapie (IT) im Verlauf ihrer Erkrankung auch eine Radiotherapie (RT), sei es nach einer kurativ-intendierten Radiochemotherapie im inoperablen Stadium III oder im Rahmen einer palliativen Bestrahlung intrakranieller oder extrakranieller Metastasen im Stadium IV. Im limitierten metastasierten Stadium (Oligometastasierung) wird ausserdem zunehmend eine radikale Lokaltherapie des Primärtumors und der einzelnen Metastasen empfohlen (3). Der vorliegende Artikel fasst die aktuelle Evidenz zur Sicherheit und Effektivität der Kombination von Immuncheckpoint-Inhibitoren und Radiotherapie zusammen und gibt einen Ausblick auf momentan laufende Studien.

Potentielle Synergismen der Kombinationstherapie.

Neben dem klassischen Verständnis der zytotoxischen Wirkung der RT durch DNA-Schädigungen ist in den letzten Jahren die immunmodulatorische Wirkung der RT ins Interesse der Forschung gerückt (4). Präklinische Studien konnten nachweisen, dass die Bestrahlung von Tumoren über verschiedene Mechanismen, einschliesslich der gesteigerten Tumor-Antigen-Freisetzung, zu einer gesteigerten lokalen, aber auch systemischen Tumor-gerichteten Immunantwort führen kann (4). Die optimale Dosierung und Fraktionierung der RT in Kombination mit einer IT ist aber weiterhin unklar. Es gibt jedoch Hinweise, dass hypofraktionierte Einzeldosen bis ungefähr 10 Gy gegenüber höheren, ablativen Dosierungen vorteilhaft sind, da letztere auch immunsuppressive Mechanismen auslösen können (4).
Retrospektive Analysen zur Wirksamkeit der Kombination von IT und RT beim NSCLC zeigen insgesamt widersprüchliche Ergebnisse bezüglich einer Verbesserung des progressionfreien Überlebens (PFS) oder Gesamtüberlebens (OS) (5). Erwähnenswert ist jedoch eine ungeplante Sekundäranalyse der KEYNOTE-001 Phase I-Studie zur Therapie mit Pembrolizumab beim fortgeschrittenen NSCLC, die auf die Bedeutung einer vorgängig erfolgten RT einging (6). Die 39% der 98 Studienpatienten, die eine Radiotherapie vor Pembrolizumab erhalten hatten, zeigten ein signifikant verlängertes PFS (4.4 versus 2.1 Monate) sowie ein verbessertes OS (10.7 versus 5.3 Monate) ohne Hinweis auf erhöhte Grad ≥3 Toxizität. Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass keine Details zu den jeweiligen Bestrahlungen angegeben werden konnten und die Aussagekraft des Ergebnisses dieser retrospektiven Studie durch mögliche Störfaktoren eingeschränkt ist.
Aktuell wird die Kombinationstherapie aus RT und IT in zahlreichen prospektiven Studien untersucht, wobei die grosse Mehrheit aus Phase I-II Studien besteht (5). Das untersuchte Spektrum reicht hierbei vom resektablen NSCLC im Stadium I bis zur Kombinationstherapie im metastasierten Stadium.
In der PEMBRO-RT Phase II-Studie wurden Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und mehr als zwei Therapielinien zwischen einer IT mit Pembrolizumab allein und mit der zusätzlichen Bestrahlung einer Tumormanifestation mit 3 x 8 Gy randomisiert (7). Die vorläufigen Ergebnisse der 64 auswertbaren Patienten, die auf der ASCO-Konferenz 2018 präsentiert wurden, zeigten einen nicht-signifikanten Trend für ein verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS, 7.1 vs. 2.8 Monate, p = 0.08) sowie für ein längeres OS (19.2 versus 7.3 Monate, p = 0.1) ohne verstärkte Nebenwirkungen. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass der Effekt der Kombinationstherapie bei PD-L1-negativen Tumoren am deutlichsten war.
Die PACIFIC Phase III-Studie untersuchte den Nutzen einer konsolidierenden Immuntherapie mit dem PD-L1 Inhibitor Durvalumab bei Patienten mit einem inoperablen NSCLC im Stadium III nach abgeschlossener Radiochemotherapie (8). Die ein Jahr andauernde adjuvante Immuntherapie verbesserte das 2-Jahres-OS signifikant von 55.6% auf 66.3%. Eine Subgruppenanalyse bezüglich des PD-L1-Status, der für den Studieneinschluss nicht vorgeschrieben war, zeigte die OS-Verlängerung nur bei Tumoren mit einer PD-L1-Expression ≥ 1%. Durvalumab war klinisch wirksam unabhängig von dem Intervall zwischen Radiochemotherapie und IT (9). Wenngleich die PACIFIC-Studie die erste Phase III-Studie zur (sequentiellen) Kombination von RT und IT im Stadium III darstellt, kann aufgrund des Studiendesigns nicht zwischen einer unabhängigen und synergistischen Wirkung beider Therapien unterschieden werden. Ob eine konsolidierende Therapie mit Durvalumab im Stadium III auch ohne vorgängige RT das OS deutlich verbessern kann, werden aktuell laufende Studien wie z.B. SAKK 16/14 zeigen, deren Resultate für 2020 erwartet werden (10).

Sicherheit der Kombination von Radiotherapie und Immuntherapie.

Zahlreiche retrospektive Analysen zur «akzidentellen Kombination» von IT und RT im Stadium IV NSCLC und beim metastasierten Melanom haben keine Hinweise auf eine exzessive Erhöhung der Toxizität gezeigt (5, 6). Dies ist insofern beruhigend, als dass die RT und IT gerade im Bereich der Lunge mit der Pneumonitis prinzipiell überschneidende Toxizitätsprofile haben. Die kürzlich publizierte PACIFIC-Studie wies keine erhöhte Raten an Grad ≥ 3 Pneumonitis bei sequentieller Radiochemotherapie und IT mit Durvalumab auf, obwohl Durvalumab gemäss Protokoll unmittelbar nach Abschluss der Bestrahlung gegeben werden konnte (8). Auch bei einer Gabe innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss der Bestrahlung wurde keine erhöhte Toxizität beobachtet (9). In der Phase II-Studie NICOLAS wurde eine IT mit Nivolumab bereits konkomitierend zur platinbasierten Radiochemotherapie gegeben. Eine frühe Interimsanalyse zeigte keine erhöhte Rate an Grad ≥3 Pneumonitis, wobei jedoch nur Daten zu 21 Patienten vorlagen (11).
Die kürzlich erschienenen Guidelines der Amerikanischen Gesellschaft für Radio-Onkologie (ASTRO) (12) sowie eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) (13) zur Kombination von RT und Systemtherapien fassen zusammen, dass die Kombination von RT und IT bei Patienten mit metastasierter Tumorerkrankung prinzipiell sicher erscheint, aufgrund der limitierten Datenlage jedoch Patienten, die beide Therapien erhalten, aufmerksam überwacht werden sollten. Dies trifft insbesondere zu, wenn IT und RT je nach Lokalisation der Bestrahlung ähnliche Nebenwirkungen haben können. Für die kurativen Stadien I-III liegt zurzeit jedoch keine ausreichende Evidenz vor, um eine kombinierte IT und RT ausserhalb von Studien zu rechtfertigen.

Dr. med.Cédric Panje

Klinik für Radio-Onkologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

cedric.panje@kssg.ch

Dr. med.Markus Glatzer

Klinik für Radio-Onkologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

PD Dr. med.Martin Früh

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Die Autoren geben an, dass für diese Publikation kein Interessenkonflikt vorliegt.

  • Die Kombination von IT und RT ist im klinischen Alltag häufig gegeben.
  • Auch wenn eine sequentielle Therapie von IT und RT sowie eine «akzidentelle Kombination» bei einer palliativen Bestrahlung im
    Stadium IV nach heutigem Wissensstand weitgehend sicher erscheint, sollte ausserhalb von klinischen Studien keine Bestrahlung mit dem Ziel einer Immunstimulation verabreicht werden.
  • Vorerst sollten die Ergebnisse von prospektiven randomisierten Studien abgewartet werden, welche einen Vorteil dieses Therapieansatzes zeigen.
  • Eine sequentielle Radiochemotherapie und Immuntherapie im inoperablen Stadium III kann nach den Ergebnissen der PACIFIC-Studie als neuer Standard angesehen werden.
  • Für eine gleichzeitige IT und RT in den Stadien I-III sind keine ausreichenden Daten vorhanden.
  • Die aktuell laufenden randomisierten Studien werden in den nächsten Jahren zeigen, ob die vielversprechenden Hinweise auf einen Synergismus von IT und RT sich bewahrheiten werden.

Messages à retenir

  • L’ immunothérapie (IT) et de la radiothérapie (RT) sont fréquemment combinées dans la pratique clinique quotidienne.
  • Même si une thérapie séquentielle de l’ IT et de la RT ainsi qu´une «combinaison accidentelle» dans le cadre d´une irradiation palliative en stade IV paraissent actuellement être fiables, il n´est pas recommandable d’ irradier dans le but d´une stimulation immunitaire en dehors des études cliniques.
  • Pour l’ instant, il faut attendre les résultats études prospectives randomisées qui démontrent un avantage de cette approche thérapeutique.
  • Selon les résultats de l’ étude PACIFIC, la radiochimiothérapie séquentielle et l’ immunothérapie en stade III inopérable peuvent être considérées comme «le nouveau standard».
  • Toutefois on ne dispose pas de données suffisantes sur la combinaison de l’ IT et de la RT dans les stades I à III.
  • Les essais randomisés en cours montreront dans les années à venir
    si les indications prometteuses d’une synergie de l’ IT et de la RT
    s’ avéreront.

1. Raju, S., R. Joseph, and S. Sehgal, Review of checkpoint immunotherapy for the management of non-small cell lung cancer. Immunotargets Ther, 2018. 7: p. 63-75.
2. Bundesamt für Gesundheit. Swiss Specialty List. 2019; www.listedesspecialites.ch (aufgerufen am 22.02.2019).
3. Ettinger, D.S., et al., Non-Small Cell Lung Cancer, Version 5.2017, NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology. J Natl Compr Canc Netw, 2017. 15(4): p. 504-535.
4. Vanpouille-Box, C., S.C. Formenti, and S. Demaria, Toward Precision Radiotherapy for Use with Immune Checkpoint Blockers. Clin Cancer Res, 2018. 24(2): p. 259-265.
5. Ko, E.C., D. Raben, and S.C. Formenti, The Integration of Radiotherapy with Immunotherapy for the Treatment of Non-Small Cell Lung Cancer. Clin Cancer Res, 2018. 24(23): p. 5792-5806.
6. Shaverdian, N., et al., Previous radiotherapy and the clinical activity and toxicity of pembrolizumab in the treatment of non-small-cell lung cancer: a secondary analysis of the KEYNOTE-001 phase 1 trial. Lancet Oncol, 2017. 18(7): p. 895-903.
7. Theelen, W., et al., Randomized phase II study of pembrolizumab after stereotactic body radiotherapy (SBRT) versus pembrolizumab alone in patients with advanced non-small cell lung cancer: The PEMBRO-RT study. Journal of Clinical Oncology, 2018. 36(15_suppl): p. 9023-9023.
8. Antonia, S.J., et al., Overall Survival with Durvalumab after Chemoradiotherapy in Stage III NSCLC. New England Journal of Medicine, 2018. 0(0): p. null.
9. Faivre-Finn, C., et al., 1363OEfficacy and safety evaluation based on time from completion of radiotherapy to randomization with durvalumab or placebo in pts from PACIFIC. Annals of Oncology, 2018. 29(suppl_8).
10. Rothschild, S., et al., SAKK 16/14: Anti-PD-L1 antibody durvalumab (MEDI4736) in addition to neoadjuvant chemotherapy in patients with stage IIIA(N2) non-small cell lung cancer (NSCLC)—A multicenter single-arm phase II trial. Journal of Clinical Oncology, 2016. 34(15_suppl): p. TPS8573-TPS8573.
11. Peters, S., et al., Safety evaluation of nivolumab added concurrently to radiotherapy in a standard first line chemo-RT regimen in unresectable locally advanced NSCLC: The ETOP NICOLAS phase II trial. Journal of Clinical Oncology, 2018. 36(15_suppl): p. 8510-8510.
12. Bristow, R.G., et al., Combining precision radiotherapy with molecular targeting and immunomodulatory agents: a guideline by the American Society for Radiation Oncology. Lancet Oncol, 2018. 19(5): p. e240-e251.
13. DEGRO. Strahlentherapie in Kombination mit Immuntherapie (aufgerufen am 28.02.2019). 2018; https://www.degro.org/wp-content/uploads/2018/02/20180203_DEGRO-Stellungnahme-zur-Strahlentherapie-in-Kombination-mit-Immuntherapie_FINAL.pdf.

Innovative Therapiestrategien

Kombinierte Strategien spielen eine immer wichtigere Rolle in der Onkologie. Bi- Tri- und sogar multimodale Therapiestrategien bestehend aus Chirurgie, Radiotherapie, Chemotherapie und seit neuestem auch Immuntherapie werden in verschiedenen Kombinationen heutzutage vermehrt eingesetzt. Die stereotaktische Radiotherapie (SBRT: stereotactic body radio-
therapy) stellt eine effektive Behandlungsmethode dar um eine hohe lokale Kontrolle bei niedrigen Nebenwirkungen sowie kurzer Behandlungsdauer zu erreichen. Darauf basierend, wird sie immer häufiger angewendet um entweder eine Nebenwirkungs-trächtige Systemtherapie in einzelnen Fällen zu meiden oder andererseits eine gut verträgliche Systemtherapie fortzuführen und damit den Wechsel auf eine Zweitlinientherapie zu verzögern. Ein Paradebeispiel in welchem beide Strategien zur Geltung kommen ist das oligometastasierte Stadium.

Les stratégies combinées jouent un rôle de plus en plus important en oncologie. Aujourd’ hui, les stratégies thérapeutiques bi-tri-modales, voire multimodales, comprenant la chirurgie, la radiothérapie, la chimiothérapie et, plus récemment, l’immunothérapie, sont de plus en plus utilisées dans diverses combinaisons. La radiothérapie stéréotaxique (SBRT) est une méthode de traitement efficace pour obtenir un contrôle local élevé avec de faibles effets secondaires et une courte durée de traitement. Sur cette base, elle est de plus en plus utilisée soit pour éviter une thérapie systémique associée à des effets secondaires fréquents dans des cas individuels, soit pour continuer une thérapie systémique bien tolérée et ainsi retarder le passage à une thérapie de deuxième ligne. Un excellent exemple dans lequel les deux stratégies viennent au premier plan est le stade oligométastasé.

Kombinierte Therapieverfahren gewinnen mehr und mehr an Bedeutung in der Krebstherapie. Obwohl bereits seit längerem, aufgrund ihrer verbesserten Ergebnisse, bei einzelnen Entitäten als Standardtherapie gesehen u.a. bei fortgeschrittenen Kopfhalspa-tienten (1) oder in adjuvanter Situation beim Glioblastom (2) erleben diese einen neuen Aufschwung. Die Vorteile basieren vor allem auf einem synergetischen Effekt. Dabei spielen die Sequenz sowie Intervall zwischen den verschiedenen Behandlungsoptionen als auch die Selektion der Patienten eine wichtige Rolle. Zugleich verfügt die Radioonkologie heute mit der stereotaktischen Bestrahlung über eine fokussierte hoch-präzise Behandlungsmethode die der konventionellen Bestrahlungstechnik in verschiedenen Punkten überlegen ist : Sie ermöglicht eine lokale, ablative Dosis mit gleichzeitiger besserer Schonung der umherliegenden Organe sowie kürzeren Behandlungszeiten: Die kürzlich publizierte CHISEL Studie, eine randomisierte Phase III Studie hat die normofraktionierte Radiotherapie mit der SBRT beim lokalisierten inoperablen Stadium I Lungenkarzinom verglichen: nach einer medialen Beobachtungszeit von 2.1 Jahren zeigte sich nach SBRT eine deutlich verbesserte lokale Kontrolle (HR 0.32; 95% CI 0.13-0.77, p = 0.0077) ohne erhöhte Nebenwirkungen (3).

Radiobiologische Vorteile einer Kombination

Präklinische Daten haben ergeben, dass die Strahlentherapie das adaptative Immunsystem aktivieren kann, dies mittels einer vermehrten Präsentation von Antigenen durch Antigen präsentierende Zellen. Darüber hinaus kommt es zu einer verstärkten PD-L1 Expression durch die Tumorzellen. Dank dieser immun-modulatorischen Fähigkeiten könnte die Radiotherapie eine wichtige Rolle spielen immunresistente in immunogene Tumore umzuwandeln, «kalte» Tumore in «heisse» Tumore zu ändern (4-6). Zusätzlich haben präklinische Modelle gezeigt, dass eine gleichzeitige Bestrahlung und Gabe einer Immuntherapie bessere Resultate erzielen im Vergleich zu sequentiellen Schemata, und dass höhere Bestrahlungsdosen beziehungsweise eine stereotaktische Radiotherapie einer normofraktionierten überlegen ist (7, 8). Zusätzlich gibt es vermehrt Hinweise, dass die Strahlentherapie zusätzlich zu ihrem lokalen Effekt aktuell auch einen systemischen Effekt haben kann, sprich einen Effekt ausserhalb des Strahlenfeldes (9).

Das oligometastasierte Stadium

Die Oligometastasierung stellt ein begrenzt metastasiertes Stadium dar. Hellman und Weichselbaum beschrieben erstmals dieses Konzept als eigene Entität zwischen dem lokal-begrenzten und dem metastasierten Stadium (10): in diesem Konzept erzielt eine lokal ablative Behandlung aller Tumorlokalisationen einen Überlebensvorteil. Evidenz für diese Theorie, gibt es von der seit kurzem veröffentlichten COMET Studie: Dabei wurden Patienten mit einem kontrollierten Primarius sowie 1 bis maximal 5 Metastasen eingeschlossen und randomisiert zwischen einer palliativen Standardtherapie (Arm 1) und zusätzlich einer stereotaktischen Radiotherapie aller Herde (Arm 2): Zwischen 2012 und 2016 wurden 99 Patienten rekrutiert. Mediane Beobachtungszeit war 27 Monate: Das mediane Gesamtüberleben konnte von 28 Monate im Arm 1 (95% CI 19-33) auf 41 Monate im Arm 2 verbessert werden (95% CI: 26-NA; p = 0.09) (11).
Das oligometastasierte Stadium ist allerdings komplexer und es müssen verschiedene klinische Situationen unterschieden werden. Die beiden am besten Untersuchten sollen im Folgenden vorgestellt und diskutiert werden. 1. Die Oligorezidivsituation stellt ein Stadium dar, in welchem der Patient nach Behandlung des Primarius – metachron – in einer Behandlungs-freien Phase eine Oligometastasierung entwickelt. 2. In Oligoprogression unter laufender Systemtherapie einer polymetastasierten Erkrankung entwickeln wenige Metastasen eine Resistenz und sind dann Ziel einer lokal ablativen Behandlung.

Prostata-Karzinom

Die diesjährig publizierte «Milestone» Studie STAMPEDE ist eine internationale, mehrarmige randomisierte Mehrphasen Kontrollstudie, die das Prostatakarzinom im fortgeschrittenen Stadium untersucht. Die Studie zeigt eindrücklich, dass eine Kombination einer Bestrahlung der Prostata zusätzlich zur Standard- Systemtherapie das progressionsfreie Überleben verbessert (HR = 0.76; 95% CI 0.68-0.84; < 0.0001). Darüber hinaus hat eine geplante Subgruppenanalyse ergeben, dass bei Patienten mit einem gering metastatischen Befall (weniger als 4 Knochenmetastasen) das Gesamtüberleben signifikant verbessert werden konnte (HR 0·68, 95% CI 0·52–0·90; p = 0·007; 3-Jahres Überleben von 73% ohne RT vs. 81% mit RT (12).
Offen ist der Nutzen der sogenannten Metastasen-gerichteten Therapie (MDT: Metastatic directed therapy) u.a einer stereotaktischen Radiotherapie in diesem Patientenkollektiv. Erwähnenswert hier ist die abgeschlossene STOMP Studie von P. Ost et al. Dabei handelt es sich um eine randomisierte, multizentrische Phase II Studie die zwischen 2012 und 2015, 62 Patienten rekrutierte in entweder den Beobachtungsarm oder den MDT Arm, in dem alle sichtbaren Metastasen lokal behandelt wurden. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 3 Jahren lag das Hormontherapie-freie Überleben bei 21 Monaten in der MDT Gruppe im Vergleich zu 13 Monaten in der Beobachtungsgruppe. (HR 0.60(80% CI 0.40- 0.90; log-rank p = 0.11). Auch in der Oligorezidivsituation mit regionalen PSMA positiven Lymphknoten nach primärer Therapie wird aktuell eine Kombination zwischen einer MDT und einer 6-monatigen Hormontherapie mit oder ohne elektive Beckenbestrahlung untersucht. (PEACE V: NCT03569241): Eine andere interessante Studie die den Nutzen einer stereotaktischen Bestrahlung bei M1a-b Prostatapatienten untersucht, kommt aus dem Sunnybrook Hospital (Toronto, Kanada). In diesem Protokoll werden Patienten mit maximal 5 Metastasen behandelt. Das Behandlungsschema sieht 5 Fraktionen vor, dies bis zu einer Gesamtdosis von 35-40 Gray auf die Prostata, 25-35 Gray auf die Lymphabflusswege und 30-40 Gray auf alle Metastasen in Kombination zur einer einjährigen Androgendeprivation.

Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom

Die randomisierte Phase III PACIFIC Studie konnte einen signifikanten Überlebensvorteil im Stadium IIIB NSCLC mit Durvalumab Erhaltungstherapie im Vergleich zu Placebo nach abgeschlossener Radiochemotherapie (RCT) feststellen und stellt somit den neuen Goldstandard in diesem Stadium dar [2 Jahres Überlebensrate 66.3 (95% CI 61.7-70.4) versus 55.6% (95% CI 48.9-61.8)] (13). Erwähnenswert ist die Subgruppenanalyse die zeigte, dass eine frühe erste Gabe Durvalumab weniger als 14 Tage nach Ende der RCT ein besseres Ergebnis erzielte (oral presentation, ESMO 2018).
Was das oligometastasierte Lungenkarzinom (NSCLC) betrifft, so gibt es auch hier Evidenz welche den Nutzen einer lokalen Therapie zusätzlich zur Systemtherapie untermauern: In einer Phase II Studie wurden Patienten mit einem Stadium IV NSCLC (≤ 3 Metastasen) randomisiert zwischen der Standardtherapie und einer zusätzlich konsolidierenden lokalen Therapie aller Tumormanifestationen: nach einer medianen Beobachtungszeit von 14.2 Monaten konnte ein Vorteil der MDT mit Verbesserung des progressionsfreien Überlebens von 14.2 Monaten (95% CI 7.4-24.3) versus 4.4 Monate ( 95% CI 2.2-8.3;p = 0.017) nachgewiesen werden. Dabei wurde keine erhöhte Grad III oder mehr Toxizität festgestellt (14). Mit einer längeren Beobachtungszeit von median 38.8 Monaten, konnte sogar eine Verbesserung des Gesamtüberlebens gezeigt werden (15): medianes Überleben von 41.2 Monaten (95% CI 18.9, NA) vs. 17 Monaten (95% CI 10.1, 39.8; p = 0.017). Auch in der Oligoprogressionssituation gibt es in der Zwischenzeit interessante Studien: Eine wichtige Studie ist die «HALT Studie» (Targeted therapy with or without dose intensified radiotHerapy for oligo-progressive disease in oncogene-Addicted Lung Tumours): Dies ist eine Phase II-III, multizentrische Studie. Einschlusskriterien sind Patienten mit einem mutierten und somit gut ansprechenden Tumor auf Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) sowie bis zu drei progredienten Herden, die resistent gegen die TKI geworden sind. Eine erste Phase II Studie untersucht ob eine zusätzliche SBRT auf eine limitierte (≤ 3) Anzahl an Metastasen mit Fortführung der Systemtherapie das Progressionsfreie Überleben verbessert im Vergleich zur alleinigen TKI Therapie. (16).

Aktuelle klinische Studien zur Kombination SBRT und Immuntherapie

Die Kombination einer Immuntherapie mit Bestrahlung wurde vor allem im metastasierten Stadium analysiert. Eine Zweitanalyse von 98 Patienten mit metastasiertem NSCLC wurden in der Keynote 001 mit Pembrolizumab durchgeführt. Dabei wurde eine Verbesserung des Progressionsfreien Überlebens (HR = 0.56, 95%; CI: 0.34–0.91) als auch des Gesamtüberlebens (HR = 0.58, 95% CI, 0.36–0.94) festgestellt bei Patienten die vorher eine RT erhielten. Eine SBRT wurde dabei in 29% der Fälle angewendet (17). Eine weitere Studie mit stereotaktischer Bestrahlung und sequentieller Therapie mit Pembrolizumab bei Patienten mit multimetastasierten soliden Tumoren ergab ein Ansprechen in nicht bestrahlten Metastasen von bis zu 27% sowie ein globales Ansprechen von 13.2%. Diese Resultate in einer sehr heterogenen Gruppe sowie unabhängig vom PD-L1 Status sind vielversprechend und unterstützen zukünftige Studien die eine SBRT mit einer Immuntherapie kombinieren (18).

Dr. med.Jean-Jacques Stelmes

Klinik Radioonkologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Jean-Jacques.Stelmes@usz.ch

Prof. Dr. med.Matthias Guckenberger

Klinik Radioonkologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Prof. Dr. med.Nicolaus Andratschke

Klinik Radioonkologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autoren geben an, dass für diese Publikation kein Interessenskonflikt vorliegt.

  • Der Stellenwert von kombinierten Strategien wird immer bedeutender in der modernen Krebstherapie. Dabei spielt die Sequenz, das
    Intervall sowie die Patientenselektion eine wichtige Rolle.
  • Patienten mit einer limitierten Anzahl an Metastasen und dies
    unabhängig von der Tumorentität, können in bestimmten Fällen von einer stereotaktischen Bestrahlung profitieren.
  • Die stereotaktische Bestrahlung stellt dabei eine innovative Behandlungsoption dar, dies aufgrund ihrer schonenden und zugleich lokal kurativen Möglichkeiten.
  • Die immunomodulatorischen Effekte stereotaktischer Bestrahlung eröffnen neue Möglichkeiten in Kombination mit Immun Checkpoint Inhibitoren, auch in der multimetastasierten Situation; diese Strategien werden aktuell prospektiv untersucht.

Messages à retenir

  • L’ importance des stratégies combinées devient de plus en plus importante dans le traitement moderne du cancer. La séquence, l’ intervalle et la sélection des patients jouent un rôle important.
  • Les patients présentant un nombre limité de métastases, quel que soit l’entité tumorale, peuvent bénéficier d’un rayonnement stéréotaxique dans certains cas.
  • L’ irradiation stéréotaxique est une option de traitement innovante grâce à ses possibilités indulgentes et en même temps curatives locales.
  • Les effets immunomodulateurs de l’ irradiation stéréotaxique ouvrent
    de nouvelles possibilités en combinaison avec des inhibiteurs immunitaires, même dans des situations multimétastatiques ; ces stratégies font actuellement l’ objet d’une étude prospective.

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Personalisiertes Finetuning 2019

Da ca. 50% der Männer im Alter über 50 Jahren Prostata-Tumorzellträger sind, aber nur 8% zeitlebens daran erkranken werden, basiert die differenzierte Prostatakrebsvorsorge insbesondere auf Daten der fast 2 Jahrzehnte langen, prospektiv randomisierten ERSPC- und PLCO-Studien mit evidenzbasierter Mortalitätsreduktion und Unterscheidung von relevanten vs. insignifikanten Prostatakarzinomen (P-CA). Klinische Konsequenz ist nach einem «informed consent»-Gespräch das im Risikoalter 45-50 Jahren beginnende kostengünstige sog. «organisierte PSA-Finetuning» mit Einsatz der aus der ERSPC entwickelten Risiko-Kalkulatoren (SWOT Rotterdam/ProstateCheck Aargau) zur Festlegung der Kontrollintervalle bzw. weiterer notwendiger Abklärungen.

Étant donné qu’environ 50 % des hommes de plus de 50 ans sont porteurs de cellules tumorales de la prostate, mais que seulement 8 % développeront un cancer de la prostate au cours de leur vie, le dépistage différencié du cancer de la prostate est fondé en particulier sur les données de près de deux décennies d’études randomisées prospectivement ERSPC et PLCO avec réduction de mortalité et différenciation des carcinomes pertinents et non significatifs de la prostate (P-CA) basées sur des preuves. Après un entretien de consentement éclairé, la conséquence clinique est ce qu’il est convenu d’ appeler le «réglage fin organisé de l’ APS», qui commence à l’ âge de 45-50 ans et utilise les calculateurs de risque développés par ERSPC (SWOT Rotterdam/ProstateCheck Aargau) pour déterminer les intervalles de contrôle et d‘autres précisions nécessaires.

Da PSA bei Männern mit kleineren Prostatae ein optimaler Risiko-Parameter für die Langzeitentwicklung (15-20 Jahre) eines relevanten Karzinoms ist, können Kontrollintervalle bei mehr als der Hälfte der Männer durch die Kalkulatoren auf bis zu 4-6 Jahre ausgedehnt werden. Neben PSA und freiem PSA bieten andere Kallikreine keine wesentlichen Zusatzinformationen zu den Kalkulatoren. Bei weiteren Abklärungen ist das MRI der Prostata in der Diskussion als Direktuntersuchung vor einer Biopsie, es ist spätestens vor der Rebiopsie indiziert. Genetische Untersuchungen von Mutationen (SNPs) müssen weiter validiert werden, um in ihrer klinischen Bedeutung einen Stand in der Diagnostik zu erlangen. Die Vorsorge verliert ihren Wert bei einer Lebenserwartung von weniger als 10 Jahren.

PSA-Screening reduziert die Prostatakarzinom-Mortalität

Die langjährigen Diskussionen zwischen den Ergebnissen der prospektiv randomisierten Vorsorgestudien ERSPC und PLCO zeigen schlussendlich, dass in beiden Studien eine Mortalitätsreduktion von 25-32% nach 11 Jahren besteht (1). Die schon 2012 von uns beschriebene, das Ergebnis verzerrende extrem hohe Kontaminationsrate des PLCO-Kontrollarms, hat erst vor 2 Jahren Eingang in die Korrektur des PLCO Trials gefunden (2). Die ERSPC-Daten dokumentieren zudem, dass mit längerer Beobachtungsdauer sich die NND (Number Necessary to diagnose) von 76 (9 Jahre) auf 34 (11 Jahre), 26 (13 Jahre) und 18 (16 Jahre) weiter reduziert (2,3,4). Die 16-Jahres Ergebnisse werden in Bälde publiziert. In einer separaten populationsbasierten Kohorten-Studie beträgt die NND 16 für PSA Screening zwischen 50-54 Jahren. Verglichen mit den retrospektiven Malmö-Daten (absolut kein Screening) ist die Mortalität um 71% reduziert (6). Die USPSTF hat mittlerweile ihre Recommendation D auf C im 2017 umgestellt.

PSA ist «der» Gatekeeper für das Langzeitrisiko einer Prostatakarzinom-Entwicklung.

Die Frage des Finetunings in Bezug auf PSA-Kontrollintervalle lässt sich anhand retrospektiver (7) und prospektiver Daten (PLCO, Swiss ERSPC; Rotterdam ERSPC) wesentlich optimaler handhaben (Tab. 1). Dabei präsentiert sich der PSA-Wert als Prognoseparameter für das Langzeitrisiko der Entwicklung eines Prostatakarzinoms. Vickers et al konnten in einer Case Control Study dokumentieren, dass z.B. die oberste 10% Percentile im Alter 45-49 (PSA >1.6ng/ml) insgesamt 44% aller P-Ca-Toten nach 25 Jahren ausmacht (6). Umgekehrt zeigen Männer mit Werten < 1.0ng/ml (50% der Probanden) im PLCO, ERSPC Aargau und Rotterdam ERSPC nach 5, 8 bzw. 11 Jahren so gut wie nie ein Karzinom: 0%; 0,12% bzw. 0.36% liegt kumulativ ein aggressives P-Ca vor (?) (Tab.1.). D.h. es gibt eine grosse Gruppe von Männern, deren Kontrollintervalle auf ca. 5 und mehr Jahre verlängert werden können (8,9). Auch in der Gruppe PSA 1-1.9ng/ml können die u.g. Kalkulatoren Kontrollintervalle über ein/zwei Jahre hinaus verlängern. Dies ermöglicht die fehlende PSA-Ausschüttung bei nicht oder nur minim vorhandener benigner Prostatahyperplasie, die bei grösseren Hyperplasien einen Tumor kaschieren würde. Der PSA-Wert charakterisiert dadurch deutlicher die periphere Zone, wo am häufigsten die Karzinome entstehen (10).

Individuell «organisiertes PSA-Finetuning» ist besser als opportunistisches Gelegenheitsscreening zum Sichern des kurativen «Window of opportunity»

Es stellt sich die Frage, welche Form des Screenings die besten Ergebnisse erzielt? Dabei ist zu beachten, dass es ein «Window of Opportunity» mit kurativer Intention gibt, das nur durch kontinuierliches, aber nicht starres Follow up getroffen werden kann. Zu häufige Tests beinhalten die Gefahr der Überdiagnostik, zu seltene die des Verpassens. Ergebnisse der prospektiven Multicenter CAP-Studie dokumentieren, dass eine nur einmalige PSA-Messung die P-CA-Mortalität nach 10 Jahren nicht beeinflusst (11). Die Ergebnisse des Kontrollarms der Schwedischen ERSPC-Teilnehmer bestätigen, dass opportunistisches, unorganisiertes Screening dem organisierten unterlegen ist. Die Kontamination im Kontrollarm führte zu einer doppelt so hohen Inzidenz als erwartet, hatte jedoch nur einen minimalen Effekt auf die Mortalität. Im organisierten Screening Arm ging die Mortalität jedoch um 42% zurück (12).

Nutzen multiparametrischer Risikokalkulatoren, um Kontrollintervalle bzw. Indikationen zur weiteren Abklärung festzulegen

In Rotterdam und Aarau sind die initialen PSA-Messungen und deren Follow up nach 4, 8 und 12 Jahren in Risikokalkulatoren eingeflossen. Neben PSA können freies PSA (interessant bei kleinen Prostatae), digitale rektale Untersuchung, Alter, Familienanamnese und das Prostatavolumen mitberücksichtigt werden (13). Einerseits werden Kontrollintervalle verlängert, andererseits Biopsien gespart. Cave vor der Benutzung des amerikanischen PCPT-Kalkulators, der lediglich eine einmalige statische, bioptische Entdeckungswahrscheinlichkeit eines Karzinoms angibt und bei fehlendem FU keine Aussage zur klinischen Wertigkeit des Befundes machen kann. Z.B. wird das Karzinomrisiko für PSA < 0.9 ng / ml mit 10% angegeben, obwohl klinisch in 11 Jahren lediglich 0.36% kumulativ ein Karzinom entwickeln (Tab.1.) (14). – Der Einsatz von 4 Kallekreinen (4K) Score war dem Rotterdam-Kalkulator nicht überlegen(15).
Aktuell ist der erste Kalkulator mit jeweiligem MRI-Ergebnis verfügbar (MRI–ERSPC-RC4), der 36% der Biopsien spart, dafür 4% der aggressiven Tumore übersieht (16). Er beruht auf 2 Tesla-Geräten und ist sicher noch verbesserungswürdig. Die Rolle von Genommarkern für den Einsatz in der Diagnostik und Prognostik sind ermutigend im Sinne einer Zusatzinformation, müssen in Multi-Center-Studien jedoch noch validiert werden, bevor der Einzug in die Klinik stattfinden kann (17).

mpMRI spätestens vor der Rebiopsie

Auch wenn die Leitlinien der EAU und DGU das mpMRI erst vor der Re-Biopsie empfehlen, so tritt in der täglichen Praxis die Untersuchung gehäuft schon direkt nach der Risikostratifizierung ein. Wenn mpMRI, sollte es mit einem 3-Tesla durchgeführt werden. Sog. Ultraschall-Fusions-gesteuerte randomisierte Biopsien incl. mpMRI auffälliger Target-Biopsien sind z.Zt. State of the Art. Bei blandem mpMRI darf nicht auf die randomisierte Biopsie verzichtet werden, da ca. 20% P-Ca peripher übersehen werden (18). Die Anzahl Biopsien sowie der Zugangsweg transrektal vs. trans-
perineal sind in der Diskussion. Leider wird auch immer öfter ausserhalb von Studien die komplette bioptische, histologische Abbildung der Prostata durch eine sog. Template-Biopsie erhoben (n = 30-50 Biopsien), so dass die gefundene Inzidenz dann nahe an die autoptische Prävalenz von 50-80% reicht. Auswuchs ist mittlerweile eine bioptische Inzidenz von beispielsweise 47% vermeintlich relevanten Karzinomen, wenn Autoren bei einem PSA von median 5.9ng/ml trotz einer niedrigen PSA-Dichte von nur 0.12 von einem klinisch relevanten Karzinom sprechen (19). Die bisherigen Kriterien für insignifikante Karzinome zur Einleitung einer Active-Surveillance-Therapie sind unter diesen Umständen zu strikt (Epstein, PRIAS) und sollten unbedingt revidiert werden, da sie ohne mpMRI und lediglich mit 12 randomisierten Biopsien erstellt wurden.

Prof. Dr. med.Franz Recker

Prostata- und Uroonkologisches Zentrum, Kantonsspital Aarau AG
Tellstrasse 25
5001 Aarau

franz.recker@ksa.ch

Prof. Dr. med.Stephen Wyler

Prostata- und Uroonkologisches Zentrum
Kantonsspital Aarau AG
Tellstrasse 25
5001 Aarau

Dr. med.Maciej Kwiatkowski

Prostata- und Uroonkologisches Zentrum
Kantonsspital Aarau AG
Tellstrasse 25
5001 Aarau

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • PSA-Screening reduziert die Prostatakarzinom-Mortalität
  • PSA ist «der» Gatekeeper für das Langzeitrisiko einer Prostatakarzinom-Entwicklung.
  • Individuell «organisiertes PSA-Finetuning» ist besser als opportunistisches Gelegenheitsscreening, um das kurative «Window of oppor-
    tunity» nicht zu verfehlen.
  • Nutzen multiparametrischer Risikokalkulatoren, um Kontrollintervalle oder aber Indikationen zur weiteren Abklärung festzulegen
  • mpMRI in der Praxis vor der ersten Biopsie, Leitlinien-gerecht spätestens vor der Rebiopsie

Messages à retenir

  • Le dépistage du PSA réduit la mortalité par cancer de la prostate
  • Le PSA est le «gardien» du risque à long terme de développement du cancer de la prostate.
  • Mieux vaut un «réglage fin organisé» individuel de la PSA qu’un
    dépistage occasionnel opportuniste afin de ne pas rater la «fenêtre d’opportunité» curative.
  • L’ utilisation de calculateurs de risques multiparamétriques pour définir des intervalles de contrôle ou des indications pour plus d‘évaluations
  • Le mpMRI en pratique avant la première biopsie, conforme aux lignes directrices au plus tard avant la rébiopsie.

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