Risikoadaptiertes Screening bei Gestationsdiabetes?

Prof. Dr. med. Irene Hösli absolvierte ihr Medizinstudium an den Universitäten Mainz, Freiburg und Tübingen sowie Basel. Sie spezialisierte sich innerhalb der Geburtshilfe und Gynäkologie auf feto-maternale Medizin. Sie ist emeritierte Extra-ordinaria für Geburtshilfe und leitete die Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin als Chefärztin an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel. Als Mitglied der Arbeitsgruppe feto-maternale Medizin war sie Mitautorin der Schweizer Empfehlungen zur Versorgung von Frühgeborenen an der Grenze der Lebensfähigkeit zwischen 22. und 26. Schwangerschaftswochen. Sie ist Mitglied der Ethikkommission Nordwest- und Zentralschweiz, der Qualitätssicherungskommission der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und Ko-Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgruppe für perinatale Pharmakologie. Sie engagiert sich zudem für Projekte in Rumänien, Moldawien, Litauen und Tansania mit dem Ziel die perinatale Versorgung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen zu verbessern.

Ehm: Was sind die Hauptunterschiede zum Expertenbrief «Screening Gestationsdiabetes» von 2011?

Hösli: 2011 haben wir uns auf das Screening fokussiert. Wir waren damals eine der ersten Fachgesellschaften im deutschsprachigen Raum, die die Kriterien der HAPO Studie (75 g oGTT) übernommen hat. Im neuen Expertenbrief, der viel ausführlicher ist, haben wir zusätzlich das klinische Management während Schwangerschaft, Geburt und postpartal aufgenommen. Wir haben bewusst versucht, sehr praxistaugliche Empfehlungen abzugeben. Da der GDM zur häufigsten endokrinologischen Erkrankung in der Schwangerschaft geworden ist, arbeiten wir eng mit den Endokrinologen zusammen. Dies zeigt sich auch im neuen Expertenbrief, der interprofessionell erstellt wurde und bei dem 6 von 15 Autor/-innen Endokrinologen sind.

Ehm: Welches sind die neuen Erkenntnisse, die in den neuen ­Expertenbrief eingeflossen sind?

Hösli: Seit 2011 haben die Risikofaktoren für die Entwicklung eines DM zugenommen. Deshalb haben wir den Abschnitt «Frühes Screening auf einen vorbestehenden DM» aufgenommen. Ausserdem haben wir spezielle Situationen wie Status nach bariatrischen Eingriffen, die ebenfalls zugenommen haben im Expertenbrief beschrieben.

Zum Screening-Verfahren, das mit dem einzeitigen 75 g oGTT aufwendig ist, gibt es neuere Arbeiten, die wieder auf ein zweizeitiges Verfahren (zuerst 50 g Glc und bei Auffälligkeit im zweiten Schritt ein 75 g oGTT) zurückgegangen sind.

Die Ergebnisse des Langzeitoutcomes bei Jugendlichen, deren Mütter bei der HAPO Studie teilgenommen hatten, haben wir ebenfalls als Argument für das einzeitige Vorgehen aufgenommen.

Ehm: Hat die Bedeutung der Erkennung und Therapie des GDM zugenommen?

Hösli: Ja eindeutig. Die Risikofaktoren wie Adipositas und mangelnde Bewegung, familiäre Belastung nehmen zu. Ausserdem hat sich mit den Ergebnissen der Langzeituntersuchung aus der HAPO Studie bestätigt, dass ein nicht erkannter und nicht behandelter GDM bei den Kindern im jugendlichen Alter zu einem höheren Risiko für einen gestörten Glucosestoffwechsel führt. Die Theorie der intrauterinen Prägung hat sich mit diesen Daten bestätigt. Wir müssen neben der Reduktion der maternalen Komplikationen wie Präeklampsie und SIH auch für die zukünftige Gesundheit der Kinder sorgen.

Ehm: Was sind die Hauptgefahren des GDM für die Mutter und für das Kind?

Hösli: Bei der Mutter sind dies u.a. das Risiko für SIH, Präeklampsie, höhergradige Geburtsverletzungen bei einem makrosomen Kind. Beim Kind besteht bei Makrosomie das Risiko für eine Schulterdystokie und postpartal das Risiko einer Hypoglykämie.

Ehm: Der OGTT ist ja bei den Frauen nicht sehr beliebt (Nausea, Erbrechen, Ekel). Könnte man nicht auch mehrere HbA1c-Bestimmungen machen?

Hösli: Das Screening mittels HbA1c ist sinnvoll zum Ausschluss eines vorbestehenden DM in der Frühschwangerschaft. Allerdings muss die Diagnose DM dann durch einen 2. Test (z. B. Nüchtern-Glucose) bestätigt werden. Für die Diagnose eines GDM hat das HbA1c eine deutlich geringere Sensitivität für das Vorliegen eines GDM. Wahrscheinlich müsste man tiefere Normwerte wählen, aber dazu gibt es keine Daten in der Schwangerschaft. Man darf auch nicht vergessen, dass z. B. bei einer Fe-Anämie oder Hämoglobinopathie die HbA1c-Werte verändert sind.

Ehm: Welches ist vom Medizinischen her gesehen das optimale Screeningverfahren?

Hösli: Das ist eine sehr gute Frage, die wir viel diskutiert haben. Gemäss neuerer Publikationen gibt es keinen Unterschied im primären Outcome «large for gestational age», wenn man das einzeitige mit dem zweizeitigen Screening vergleicht, bei deutlich geringerer Prävalenz an GDM. Wir wissen aber nicht, ob das Langzeitoutcome für die Kinder gleich ist, da hierzu keine Daten existieren. Somit lässt sich die Frage, welches Screening verfahren zu bevorzugen ist, zur zeit nicht abschliessend beurteilen und sollte individuelle maternale und geburtshilfliche Risiken miteinbeziehen. Der Weg zu einem kosten- und gleichzeitig schwangeren- und anwenderfreundlichen Screening liegt wahrscheinlich auch eher bei einem Risiko-adaptieren Screening, bei dem beide Verfahren, das ein- und das zweizeitige Vorgehen, zum Einsatz kommen.

Ehm: Welches ist von der Praktikabilität her das noch gerade akzeptable pragmatische Screeningverfahren? Wir haben in der Schweiz seit 2011 die Möglichkeit über den Nüchtern-­BZ

Hösli: Ja, genau. Wir praktizieren in der Schweiz eigentlich bereits seit 2011 ein individuelles Vorgehen unter Einbezug des Nüchtern­-BZ. Damit haben wir nur eine gering tiefere Sensitivität, können aber bei ca. der Hälfte der Schwangeren auf einen 75 g oGTT verzichten. Dieses Verfahren sollte allerdings nicht bei Frauen mit Risikofaktoren wie hoher BMI, vorausgegangener GDM etc. angewendet werden.

Dr. med. David Ehm

Bern

David.Ehm@hin.ch

Systematische, nicht-invasive Endometriose-Diagnostik mittels Transvaginalsonographie

Die TVS ist heute das primäre Diagnoseinstrument bei Verdacht auf Endometriose, u. a. aufgrund ihrer ausgezeichneten Akzeptanz, Kosteneffizienz, direkten Anwendbarkeit durch Gynäkologen und Gynäkologinnen und hervorragenden Bildqualität. Die dynamische Anwendung der TVS ist dabei unerlässlich, um den Verlust an physiologischem Gleiten (Sliding) zwischen Organen/Strukturen zu erkennen, aber auch zum Aufspüren von endometriotischen Läsionen. Die Diagnose der Endometriose erfordert spezifische Fachkenntnisse und stellt eine grosse Herausforderung für die Ausbildung auf verschiedenen Ebenen dar. Die SGUM präsentiert 2024 einen neuen praktischen, systematischen, umfassenden, checklistengestützten sonographischen Standard zur Diagnose der Endometriose im kleinen Becken in fünf klar definierten Kompartimenten. Er enthält detaillierte Erklärungen, Diagramme und Ultraschallvideos auf der Grundlage von IDEA. Er leitet direkt zur #ENZIAN-Klassifikation über, was eine Vergleichbarkeit über Fälle, Bildgebungsmodalitäten und Disziplinen hinweg ermöglicht.

Today, TVS is the primary diagnostic tool for suspected endometriosis, e.g., due to its cost-effectiveness, direct applicability by gynecologists, and excellent imaging quality. Althoug h TVS is generally well tolerated, its dynamic application is mandatory for detecting sliding loss and endometriotic lesions. Still, it requires specific expertise and poses a challenge for the training at different levels. SGUM presents a new practical, systematic, comprehensive, checklist-based sonographic standard for diagnosing pelvic endometriosis in five well-defined compartments. It includes detailed explanations, diagrams, and ultrasound videos based on IDEA. It directly links to the #ENZIAN classification, resulting in comparability across cases, imaging modalities, and disciplines.
Keywords: Endometriosis, ultrasound, diagnosis, checklist, SGUM, IDEA, #ENZIAN

Übersicht

Die transvaginale Sonographie (TVS) ist heute die bildgebende Methode der Wahl zur Diagnose der Endometriose im kleinen Becken. In den Händen erfahrener Ärzte und Ärztinnen bietet die TVS eine hohe Sensitivität und Spezifität für das Erkennen von Endometriomen, der Adenomyose, aber auch der tiefen Endometriose (DE) und von Adhäsionen. Andererseits stellt der sonographische Nachweis der peritonealen Endometriose immer noch eine grosse Herausforderung dar. Bei symptomatischen Patientinnen sind nicht nur die morphologischen Auffälligkeiten wie Adenomyose und DE häufige Befunde. Ebenso gut verrät ein negatives Sliding Sign (Verlust an physiologischem Gleiten vom Uterus zum Darm), aber auch der Verlust des Slidings der Ovarien die Endometriose, in dem es auf Adhäsionen unterschiedlicher Ausprägung hinweist.

Ein vereinheitlichendes und umfassendes Abklärungsprotokoll zur Endometriose in Form von einer Checkliste wird dringend benötigt. So stellt die Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (SGUM) einen neuen, umfassenden und systematischen Standard vor, um das gesamte weibliche kleine Becken in fünf Kompartimenten mittels TVS auf Läsionen und Adhäsionen zu untersuchen (1).

Das sonografische Erscheinungsbild von Endometrioseläsionen in der TVS lässt sich kurz in direkte und indirekte Zeichen unterteilen. Direkte Zeichen (Endometriome und echoarme, raumfordernde Läsionen) sind Indikatoren für eine DE. Indirekte Zeichen (eingeschränktes, oder fehlendes Sliding zwischen den Organen, Verdichtungen im Gewebe, schmerzhafte Bereiche) sind Indikatoren für Adhäsionen, welche wiederum auf eine peritoneale Endometriose hinweisen können. Letztere gilt zu Recht als nur schwierig zu erkennen.

Der SGUM-Standard basiert auf dem IDEA-Konsens von 2016 (IDEA 2016) (2), einschließlich späterer Erweiterungen, Verfeinerungen und Validierungen. Er hebt die fünf am häufigsten von DE betroffenen Lokalisationen hervor (Sakrouterinligamente (SUL) 53 %, Darm 23 %, Vagina 16 %, Blase 6 % und Harnleiter 2 %). Des Weiteren erklärt der Artikel, wie das bekannte Sliding Sign zum Erkennen von Adhäsionen erweitert und als einzigartige Stärke der TVS genutzt werden kann, nämlich im Rahmen einer gezielten, (hoch-)dynamische Untersuchung. Abschliessend werden die Endometriosebefunde mittels der #ENZIAN Endometriose-Klassifikation (#ENZIAN) von 2021 (3) umfassend abgebildet und die Vergleichbarkeit über Fälle, Bildgebungsmodalitäten und Disziplinen hinweg ermöglicht.

Praktisches Vorgehen

Die Beurteilung des kleinen Beckens mittels TVS beginnt mit der üblichen sonographischen Basisuntersuchung («Basis-TVS»). Dabei sollen alle nicht-endometriotischen Befunde nach den vorgegebenen Standards beschrieben werden. Die umfassende Beurteilung der Endometriose schliesst sich direkt an und sollte Schritt für Schritt dem Untersuchungsprotokoll folgen (sgumgg.ch). Es werden die dedizierten 35 Slidings, Strukturen und Organe im anterioren, zentralen, posterioren und in beiden lateralen Kompartimenten untersucht, wie in IDEA 2016 und seinen Ergänzungen beschrieben. Anschliessend wird der Fall nach #ENZIAN klassifiziert.

Im gesamten Vorgehen spielt die White Sliding Line (WSL) eine herausragende Rolle. Sie stellt in der medianen Sagittalebene eine unterbrochene, kurvig verlaufende, dünne, weisse Linie dar, die von der Symphyse zwischen der vorderen Vaginalwand und Blase zur Zervix zieht, sich als Uterusserosa fortsetzt, um schliesslich im tiefen Pouch of Douglas zwischen hinterer Vaginalwand und Rektum am M. spincter ani externus zu enden (Abb. 1). Um die WSL klar sichtbar zu machen, muss der Uterus angemessen hochgeschoben werden (exposure). Weiter lässt sich mit leichter Parallelverschiebung der WSL-Ebene nach rechts und links die gesamte Uterusserosa und Vagina einsehen und abgrenzen. Diese beiden von der WSL umschlossenen Strukturen definieren nicht nur das zentrale Kompartiment anhand von in der TVS klar nachvollziehbaren anatomischen Grenzen. Die WSL beinhaltet im Abschnitt der Uterusserosa einen wichtigen Bereich, in dem der Uterus zu den umgebenden Organen, vornehmlich dem Darm, uneingeschränkt verschieblich sein sollte, entsprechend einem uneingeschränkt positiven Sliding.
Der Begriff Knötchen ist geeignet, einen tastbaren Befund im Sinne eines harten knotigen Widerstandes im Becken zu beschreiben. Im Gegensatz dazu erscheinen endometriotische Läsionen in der TVS typischerweise als diskrete, unscharf begrenzte, echoarme Gewebeveränderungen von unterschiedlicher Größe und Form an bevorzugten Stellen. Sie ähneln oft nicht einem Knoten und sind oft nur schwer zu erkennen. Daher sollte in der die TVS von Läsionen statt Knoten gesprochen werden.

Eine bewusste Navigation durch das Becken, bei der die zu untersuchende Region so gut wie möglich eingesehen wird, ist obligatorisch, um zu vermeiden, dass relevante Pathologien übersehen werden. Die freie Hand des Untersuchers ruht auf der suprapubischen Region und übt sanften Druck in Richtung des kleinen Beckens aus, um die Einsehbarkeit der gesuchten Organe/Strukturen zu unterstützen und zwischen ihnen zu gleiten.

Die richtigen Geräteeinstellungen, vor allem der optimale Vergrößerungsmaßstab, ermöglichen die Inspektion der zu untersuchenden Organe/Strukturen auf einen Blick. Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig ein langsames, aber betontes Anschieben der region of interest ist. Dadurch werden gleich mehrere Ziele erreicht: Es wird die zu untersuchende Struktur möglichst klar dargestellt und auch abgrenzbar (exposure), die Verschieblichkeit getestet und nach Spannung oder Schmerzen gefahndet. Währenddessen soll auf das Wohlbefinden der Patientinnen geachtet werden.

Exemplarisch stellen wir die am häufigsten befallene Struktur, die Sakrouterinligamente (SUL), und die Empfehlung zu deren Diagnostik dar. Das ausführliche Protokoll mit Illustrationen kann eingesehen bei (1).

Sakrouterinligamente

Die SULs sollen zunächst topographisch aufgesucht werden: Im Transversalschnitt wird das rechte, später das linke Lig. latum neben dem Uterus dargestellt. Dieses verrät sich durch das Sliding des Darmes an seinem hinteren Blatt (tail sign). Anschliessend wird die Ebene gesenkt, bis die uterinen Gefässe (Venen um die Arteria uterina) sichtbar werden. Diese definieren das Lig. cadinale (CAL) auf der Höhe des tiefen Corpus uteri und der Zervix. Die SULs schliessen sich direkt kaudal an die CALs an, morphologisch zu erkennen als schlanke, stark echogene Bänder im dorsalen Peritoneum, sich von der Zervix nach lateral zur Beckenwand erstreckend. Die Sonde sollte etwas nach außen und nach unten gekippt werden, um den SULs in Richtung der Beckenseitenwand folgen zu können. Wenn das SUL richtig erfasst ist, biegt es sich auf der ganzen Länge über die Spitze der TVS-Sonde (Abb. 2).

Die SULs sind die bevorzugte Stelle für DE und beherbergen 53 % der DE-Läsionen. Sie sollten als betroffen angesehen werden, wenn das retrozervikale Sliding auch nur punktuell aufgehoben (negativ) ist, eine hypoechogene Läsion die hyperechogene Anatomie unterbricht, oder eine DE-Läsion einem oder beide SULs anhaftet, oder den dazwischen liegenden Torus betrifft (Abb. 3). Es kann sich um isolierte oder multiple Läsionen handeln, die die Vaginalwand, die Ovarien, den Darm, die Harnleiter, oder mehrere von ihnen gleichzeitig betreffen. Der grosse Vorteil der Betrachtung in der Transversalebene ist die Vergleichbarkeit von rechtem und linkem SUL und die Inspektion des Torus auf einen Blick.

Wie bei CAL-Läsionen werden die SUL-Läsionen im größten Durchmesser gemessen und anschließend nach #ENZIAN B (links/rechts) seitengetrennt klassifiziert. Zu beachten ist, dass zentrale Läsionen am Torus, die den retrozervikalen Bereich betreffen, dem #ENZIAN A zugeordnet werden müssen.

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Prof. Dr. med. Michael Bajka

– Gynecology
University Hospital Zurich, Switzerland
– Faculty of Medicine
University of Zurich, Switzerland

Dr. Julian Metzler

– Gynecology
University Hospital Zurich, Switzerland
– Faculty of Medicine
University of Zurich, Switzerland

Julian Metzler und Michael Bajka sind Gründer der Firma Scanvio Medical AG.
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  • Der Begriff «Knoten» sollte ausschliesslich bei auffälligen Palpationsbefunden verwendet werden. Zu oft erscheinen Endometrioseherde im Ultraschall nur als diskrete, echoarme und unscharf begrenzte «Läsionen» in oder an Organen/Strukturen, sodass in der TVS die Suche nach Knoten weitgehend fehlleitend ist.
  • Zur sonographischen Diagnose der Endometriose müssen Adhäsionen (indirekte Zeichen) genauso gesucht werden, wie morphologische Läsionen (direkte Zeichen).
  • Adhäsionen sollen mittels (hoch-)dynamischer Untersuchung gesucht werden. Ihr sonographisches Zeichen ist der Verlust an ­physiologischem Sliding (Gleiten) zwischen zwei benachbarten ­Organen/Strukturen.

1. Metzler JM, Finger L, Hodel ME, Manogold-Brauer G, Imboden S, Pape J, Imesch P, Witzel I, Bajka M. Systematic, non-invasive endometriosis diagnosis in transvaginal sonography by the Swiss Society of Ultrasound in Medicine. Ultraschall in Med, DOI: 10.1055/a-2241-5233.
2. Guerriero S, Condous G, van den Bosch T et al. Systematic approach to sonographic evaluation of the pelvis in women with suspected endometriosis, including terms, definitions and measurements: a consensus opinion from the International Deep Endometriosis Analysis (IDEA) group. Ultrasound in obstetrics & gynecology : the official journal of the International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology 2016; 48: 318-332. DOI: 10.1002/uog.15955
3. Keckstein J, Saridogan E, Ulrich UA et al. The #Enzian classification: A comprehensive non-invasive and surgical description system for endometriosis. Acta obstetricia et gynecologica Scandinavica 2021; 100: 1165-1175. DOI: 10.1111/aogs.14099

Neue Therapiestandards beim Zervixkarzinom

Die randomisierte SHAPE Studie zeigte, dass beim IA2 und IB1 Zervixkarzinom mit < 10mm Stromainvasion keine Exzision des parazervikalen Gewebes nötig ist. Dies hat auch Konsequenzen für fertilitätserhaltende Operationsmethoden. Beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom verbessert eine kurze Induktionschemotherapie über 6 Wochen vor Standard Chemo-Radiotherapie das Überleben, wie die INTERLACE Studie belegt. Beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom bringt die Zugabe des immun Checkpoint Inhibitors Pembrolizumab zur Standard Chemo-Radiotherapie (Cisplatin wöchentlich) eine Verbesserung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens. Auch bei der Primärtherapie des metastasierten Zervixkarzinom verlängern immun Checkpoint Inhibitoren (Pembrolizumab oder Atezolizumab) in Kombination mit Chemotherapie und Angiogenesehemmer das mediane Gesamtüberleben um ca. 10 Monate.

The randomized SHAPE study could show that simple hysterectomy has the same recurrence rate as radical hysterectomy but less complications in early stage cervical cancer IA2 and IB1 with less than 10mm stromal invasion. This study will change practice also in fertility sparing surgery. In locally advanced cervical cancer a short induction chemotherapy over 6 weeks before standard chemo-radiotherapy does increase survival as shown in the INTERLACE study. Also the addition of the checkpoint inhibitor Pebrolizumab to chemo-radiotherapy was able to prolong survival. In metastasized cervical cancer the addition of a checkpoint inhibitor to standard chemotherapy including bevacizumab was able to prolong survival by about 10 months.
Keywords: cervical cancer, checkpoint inhibitor, induction chemotherapy, radical hysterectomy

Die Schweiz ist mit einer Inzidenz von 5 pro 100 000 Frauen pro Jahr ein Niedrigrisiko-Land betreffend Zervixkarzinom. Über 99 % aller Zervixkarzinome werden durch onkogene humane Papilloma Viren (HPV) verursacht, einzelne Zervixkarzinome des oberen Zervikalkanals sind offenbar HPV negativ. Mit der HPV-Impfung wird die niedrige Inzidenz in der Schweiz hoffentlich auch so bleiben oder sogar weiter sinken, wie Populations-basierte Studien aus Schweden und England vermuten lassen. Dort zeigte sich, dass Mädchen, welche sich vor dem 17 Lebensjahr impfen liessen, beinahe vollständig vor Zervixkarzinomen geschützt sind (1).

Die FIGO 2018 und UICC 2021 Klassifikation berücksichtigt die oberflächliche Ausdehnung eines frühen Karzinoms nicht mehr und klassifiziert allein aufgrund der Invasionstiefe: IA1 mit < 3 mm Invasionstiefe, IA2 mit 3.1– < 5 mm, IB1 > 5 mm Invasionstiefe und unter 2 cm Tumordurchmesser etc.

Konservativere chirurgische Therapie und ­Konsequenzen für die Fertilitätserhaltung

Schon lange ist bekannt, dass Metastasen im parazervikalen Gewebe beim frühen Zervixkarzinom sehr selten sind, selbst bei befallenen Lymphknoten. Die SHAPE Studie mit 700 Patientinnen mit Zervixkarzinom IA2 und IB1 (d. h. < 2 cm Durchmesser und < 10 mm Invasion im Konus oder im MRI < 50 % Stromainvasion unabhängig von Lymphangiose oder Grading und klinisch N0) wies die gleiche pelvine Rezidivrate bei einfacher Hysterektomie auf wie bei radikaler Hysterektomie jedoch mit deutlich weniger Komplikationen bei einer Nachkontrollzeit von 4.5 Jahren (2).

Somit können diese frühen Stadien schonender mit Sentinel Lymphknotenexzision (plus pelviner Lymphadenektomie bei IB1) und einfacher Hysterektomie behandelt werden. Diese Studie hat auch Konsequenzen für die fertilitätserhaltende Operation indem in diesen Stadien keine radikale Trachelektomie mehr durchgeführt werden muss und eine einfache Trachelektomie mit Sentinel Lymphknotenexzision (mit pelviner Lymphadenektomie bei IB1) genügt.

Lokal forgeschrittenes Zervixkarzinom:
Fortschritte mit Induktions Chemotherapie und Check-point Inhibitoren

Stadium IIB bis IVA gelten als lokal fortgeschrittene Zervixkar­zinome, das heisst ohne Fernmetastasen. Die EORTC-55994 Studie verglich die neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von radikaler Chirurgie mit der Standard Chemo-Radiotherapie bei 626 Patientinnen im Stadium IB3-IIB (3). Das 5-Jahres­überleben unterschied sich nicht in den zwei randomisierten Gruppen, sodass die Chemo-Radiotherapie (Radiotherapie mit Cisplatin wöchentlich) Standard bleibt, auch weil mehr schwere > Grad 3 Nebenwirkungen in der Gruppe mit neoadjuvanter Chemotherapie und Operation auftraten.

Auch die zusätzliche Gabe von 4 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel Chemotherapie nach Standard Chemo-Radiotherapie mit Cisplatin brachten keine Verlängerung des 5-Jahresüberleben bei 919 randomisierten Patientinnen in der OUTBACK Studie (4).

Hingegen zeigte die Induktionschemotherapie über 6 Wochen mit wöchentlichem Paclitaxel 80 mg/m2 + Carbo AUC2 gefolgt von Cisplatin-Radiotherapie gegenüber der Standard Chemo-Radiotherapie in der randomisierten INTERLACE Studie einen Überlebensvorteil der Gruppe mit Induktionschemotherapie nach 5 Jahren von 80 % versus 72 % (5). Eine 6 wöchige wöchentliche Chemotherapie vor Chemo-Radiotherapie muss somit beim Stadium IB N1 bis IVA in Betracht gezogen werden.

Auch die Zugabe des Check-point Inhibitors Pembrolizumab während der Chemo-Radiotherapie (gefolgt von 15 Zyklen Pembrolizumab) konnte in der ENGOT Cx11/Keynote A-18 Phase III Studie (n = 1060) das progressionsfreie Überleben nach 2 Jahren um 10 % verbessern (67.8 % versus 57.3 %) (6). Ob die Prognoseverbesserung additiv zum Benefit der Induktions-Chemotherapie ist, müssen zukünftige Studien klären.

Metastasiertes Zervixkarzinom:
Prognoseverbesserung durch Immuntherapie

Vor sieben Jahren konnte erstmals wieder eine Prognoseverbesserung des metastasierten Zervixkarzinom durch die Zugabe des Angiogenesehemmers Bevacizumab zur Standard-Chemotherapie mit Platin/Paclitaxel erreicht werden (7). Der Benefit war allerdings überschaubar. Nun konnte die KEYNOTE-826 Studie einen Überlebensvorteil durch die Zugabe des Check-point Inhibitors Pembrolizumab nachweisen. 617 Patientinnen mit persistierendem, rezidivierendem oder primär metastasiertem Zervixkarzinom ohne vorhergehende Systemtherapie wurden in die randomisierte Studie eingeschlossen. Die Zugabe von Pembrolizumab zu Platin/Paclitaxel Chemotherapie (+/– Bevacizumab) führte bei PD-L1 positivem Zervixkarzinomen zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens von 8.2 auf 10.4 Monate (HR 0.58, CI 0.47–0.71, p < 0.001). Auch das Gesamtüberleben nach 24 Monaten wurde signifikant von 41.7 % auf 53 % erhöht.

Interessanterweise waren die Resultate ähnlich, wenn auch die kleine Gruppe PD-L1 negativer Zervixkarzinome in die Analyse miteingeschlossen wurde. Hingegen war die Gruppe der PD-L1 negativen Karzinome zu klein um einen Benefit in dieser Gruppe nachzuwiesen. Die Subgruppenanalyse zeigte, dass der Benefit unabhängig von der Verabreichung von Bevacizumab eintrat (8).

Auch die BEATcc Studie mit dem Check-point Inhibitor Atezolizumab zusätzlich zur Chemotherapie +/– Bevacizumab konnte eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien- und Gesamtüberlebens nachweisen (9). Das mediane progressionsfreie Überleben wurde von 10.4 auf 13.7 Monate verlängert, und das mediane Gesamtüberleben von 22.8 Monate auf 32.1. Somit gehören diese Check-point Inhibitoren zur Standard-Primärtherapie beim metastasierten Zervixkarzinom.

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Prof. Dr. med. Mathias Fehr

Chefarzt Gynäkologische Onkologie
Frauenklinik STGAG
Kantonsspital
8501 Frauenfeld

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Beim IA2 und IB1 Zervixkarzinom mit < 10 mm Stromainvasion ist keine Exzision des parazervikalen Gewebes nötig.
  • Beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom verbessert eine
    kurze Induktionschemotherapie über 6 Wochen vor Standard Chemo- Radiotherapie das Überleben.
  • Beim metastasierten Zervixkarzinom verlängern immun Checkpoint Inhibitoren in Kombination mit Chemotherapie und Angioge­nesehemmer das mediane Gesamtüberleben um ca. 10 Monate.
  • Auch beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom bringt die Zugabe eines immun Checkpoint Inhibitors zur Standard Chemo-Radio­therapie (Cisplatin wöchentlich) eine Verbesserung des progressions­freien und Gesamtüberlebens.

1. Lei J et al. N Engl J Med 2020;383:1340-1348
2. Plante M et al. N Engl J Med 2024;390:819-829
3. Kenter GG et al. J Clin Oncol 2023;41:5035-5043
4. Mileshkin LR et al. Lancet Oncol 2023;24:468-482
5. McCormack M et al. ESMO 2023
6. Lorusso D et al Lancet 2024;403:1341-1350
7. Tewari KS et al. Lancet 2017;390:1654-1663
8. Colombo N et al. N Engl J Med 2021;385:1856-1867
9. Oaknin A et al. Lancet 2024;403:31-43

Insomnia

An der diesjährigen 26. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM) in Luzern präsentierte Dr. med. Martin Meyer, Basel, und Dr. Cristina Mitrachem, Basel, ein Seminar über das Thema Insomnie und stellten dabei einführend fest, dass es sich dabei um ein 24h-Syndrom und nicht bloss um ein Symptom handelt.

Insomnie ist eine klinische Diagnose. Es handelt sich um eine im Vordergrund stehende Beschwerde der Unzufriedenheit mit der Schlafqualität oder -quantität, verbunden mit einem oder mehreren der folgenden Symptome: Schwierigkeiten einzuschlafen, Schwierigkeiten durchzuschlafen, charakterisiert durch häufige Wachperioden oder Schwierigkeiten nach nächtlichen Wachperioden wieder einzuschlafen. Frühmorgendliches Erwachen mit der Unfähigkeit wieder einzuschlafen, so Dr. med. Martin Meyer.

Die Schlafstörung führt zu klinisch signifikantem Leiden oder Einschränkungen im sozialen, ausbildungs- und beruflichen Leben oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Die Schlafstörung tritt mindestens 3 Nächte pro Woche auf und hält mindestens drei Monate an. Sie tritt trotz ausreichender Schlafgelegenheit ein. Sie wird nicht besser erklärt und tritt nicht ausschliesslich im Rahmen einer andern Schlaf-, Wach- oder Rhythmusstörung auf. Die Insomnie ist nicht zurückführbar auf die physiologischen Effekte einer Substanz (Droge oder Medikation) und die koexistierenden psychischen und körperlichen Erkrankungen erklären nicht das Auftreten der Insomnie.

Dr. med. Meyer stellte das psychologische Insomnie-Modell nach Morin CM 1993 vor (Abb. 1).

Er nannte als Problem 1 das Bett als Stressor (Wut, Anspannung, Grübeln, Angst, Ärger, Wachsein). Das ­Problem 2 ist die Erniedrigung des homöostatischen Schlafdrucks. Die zirkadiane Rhythmik und die Schlafhomöostase sind zwei Hauptkomponenten der Schlaf-Wach-Regulation. Das fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel dieser zwei oszillatorischen Prozesse erlaubt dem Menschen optimale Aufmerksamkeit während des Wachseins am Tag und konsolidierten Schlaf in der Nacht. Kleine Abweichungen im Zusammenspiel beider Prozesse führen zu Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen.

Insomnia Severity Index Fragebogen

Der Fragebogen umfasst die folgenden 5 Punkte: Einschätzung der Schwere der Schlafstörung in den letzten beiden Wochen, Zufriedenheit mit dem gegenwärtigen Schlaf, Auswirkung der Schlafstörung auf die Lebensqualität, Sorge um die momentane Schlafstörung mit jeweils 4 Schweregraden (gar nicht – 0 Punkte, bis sehr schwer – 4 Punkte). Cut Off: 10 Punkte, 15–21 mittelschwer, 22–28 schwer.

Elemente der Kognitiven Verhaltenstherapie

Verhaltenstherapeutische Techniken: Stimuluskontrolle, Bettzeit-Restriktion.
Instruktionen zur Stimuluskontrolle:
1. Erst ins Bett gehen, wenn man glaubt, innerhalb von 15–20 Min. einschlafen zu können.
2. Wenn dies nicht möglich, aufstehen, Zimmer verlassen, sich anderweitig beschäftigen.
Die konsequente Durchführung führt zu Erfolgen nach 2–3 Wochen.
Des Weiteren ist ein Mittagsschlaf zu vermeiden, das Bett ist ausschliesslich zum Schlafen zu nutzen, nirgendwo sonst darf geschlafen werden, beispielsweise nicht vor dem Fernseher. Die Aufstehzeit am Morgen ist fix einzuhalten. Eine Reduktion der Schlafdauer führt zur Konsolidierung der Schlafphase. Die Wachphasen werden geringer, die Schlafeffizienz erhöht sich, die Einschlaflatenz wird verkürzt. Die Anwendung dieser Methode ist bei Vorliegen einer Psychose, bipolaren Erkrankung oder Epilepsie kontraindiziert.
Zur Durchführung der Bettzeit-Restriktion ist es erforderlich, dass die betreffende Person lediglich die durchschnittliche Schlafphase im Bett verbringt.
• Minimum: 5 h stationär, 6 h ambulant
• Restriktion am Anfang vs. Ende der Nacht, Aufstehzeiten fixieren
• Zeitfenster entsprechend dem Chronotyp planen.
Die Ziele umfassen die Erhöhung des Schlafdrucks sowie die Assoziation von Bett und Schlaf. Die Evaluation erfolgt wöchentlich und umfasst eine sukzessive Verlängerung der Zeit im Bett. Die Schlafeffizienz wird anhand folgender Kriterien beurteilt:
≥ 90 %: Zeit im Bett + 30 min
≥ 80 % und ≤ 90 %: keine Veränderung
≤ 80 %: Zeit im Bett – 30 min

1. Sitzung

Die erste Sitzung dauert 45 Minuten und beinhaltet einen persönlichen Kontakt. Im Rahmen dessen werden Hintergrundinformationen, schlafverhinderndes oder schlafstörendes Verhalten, Bildschirmzeit und Onlineverhalten, Schlafphysiologie, Schlafprotokoll der letzten 14 Tage sowie Bettzeiten und Aufstehzeiten, Einschlaflatenz, Wachzeiten nach Schlafbeginn, Zeit im Bett und Schlafzeit besprochen.
Regel 1: Die Bettzeit wird auf 6 Stunden reduziert. Ziel ist eine Zeit im Bett von 8–9 Stunden. Das Zubettgehen erfolgt, wenn man müde ist. Die Aufstehzeit ist fixiert. Die Einschlafzeit kann verschoben werden, unabhängig davon, wie schlecht die Nacht davor war. Es wird empfohlen, nicht wach im Bett zu liegen. Wenn man 20 Minuten wach ist, sollte man das Bett verlassen, bis man wieder schläfrig wird.

2. Sitzung

In der zweiten Sitzung wird ein Kurzkontakt persönlich oder telefonisch durchgeführt. Die Einschlafzeit sollte zwischen 15 und 30 Minuten vorverschoben werden und weniger als 30 Minuten betragen. Auch die Wachzeit im Bett sollte unter 30 Minuten liegen.

3. Sitzung

In der dritten Sitzung wird eine persönliche Beratung mit folgenden Empfehlungen durchgeführt:
a) Die Einschlafzeit sollte weniger als 30 Minuten betragen, genauso wie die Wachzeit im Bett. Einschlafzeit um 15–30 Minuten vorverschieben
b) Einschlafzeit > 30 Minuten oder > 30 Minuten Wachzeit im Bett. Die Einschlafzeit sollte zwischen 15–30 Minuten nach hinten verschoben werden.

4. Sitzung

Die vierte Sitzung findet persönlich statt, wobei es um eine Evaluation und die Rückfallprävention geht. Bei fehlender Verbesserung nach vier Wochen sollte eine Zuweisung an einen Schlafspezialisten mit CBT-I erwogen werden.
Komorbiditäten sind zu berücksichtigen, insbesondere OSAS, Restless-Legs-Syndrom und Parasomnien.
Circadiane Schlafstörungen können wie Insomnien aussehen, insbesondere bei jungen Patienten oder bei einem deutlichen Unterschied zwischen Arbeits- und Schulphasen einerseits und Ferien oder Wochenenden andererseits.

Patientenbeispiele

Im Rahmen der Präsentation stellte Dr. med. Mayer drei Fallbeispiele von Patienten mit Insomnie vor. Fall 1 umfasste einen jungen Erwachsenen, der durch seinen Medienkonsum nicht ausreichend Schlaf erhielt. Fall 2 zeigte eine Person, die durch Schichtarbeit in ihrer Schlafqualität beeinträchtigt wurde. Fall 3 demonstrierte eine circadiane Schlafstörung.

Zusammenfassung

• Chronische Isomnie ist ein 24 h Syndrom
• Klinische Diagnose (DSM-V, ICD-11) mit Behandlungsbedarf
• Stress und Hyperarrousel als Modell für die Einleitung und Aufrechterhaltung der Insomnie mit oder ohne Grunderkrankung
• Therapie 1. Wahl bei Erstkontakt: Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Therapie 2. Wahl: KVT und Medikation → Schlafspezialisten
https://prodormo.ch/clubdesk/www?p=1000056
• Therapieoption für Grundversorger: Brief Behavioral Treatment for Insomnia (BBT-I) und Medikationsempfehlungen, Rückfallprophylaxe
• Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) sind evidenz­basiert und werden auch teilweise von Kostenträgern übernommen. (Beispiel CH: Somnio ist Medizinalprodukt https://somn.io)
• Gemeinsame Erwartungen bewältigen: kleine, aber stetige Schritte, weil die Therapie einer chronischen Insomnie ein unspezifischer, aber effektiver Faktor für körperliches und psychisches Wohlbefinden ist.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Infektiologie: Therapie im Wandel

Antimikrobielle Resistenzen sind eine grosse Gefahr für die öffentliche Gesundheit, stellte PD Dr. med. Andreas Plate, MSc vom Institut für Hausarztmedizin am Universitätsspital Zürich im Seminar mit Hausärztin Dr. med. Hanni Bartels, Küssnacht, fest.

Die WHO hat unter den zehn grössten Bedrohungen der globalen Gesundheit die antimikrobielle Resistenz nach Luftverschmutzung und Klimaveränderungen, den nicht übertragbaren Krankheiten, der Bedrohung durch eine Influenza-Pandemie sowie fragilen und gefährdeten Situationen an fünfter Stelle gelistet. Das beste Mittel gegen steigende Resistenzen ist, kein Antibiotikum einzusetzen, so der Referent.

Fall

Frau Dr. Bartels präsentierte einen Fall aus ihrer Praxis, der eine 28-jährige nicht schwangere Frau betraf. Die persönliche Anamnese ergab, dass die Patientin keine Operationen hatte, keine täglichen Medikamente einnimmt und seit drei Jahren in einer festen Partnerschaft lebt.

Klinik

Seit drei Tagen besteht eine Dysurie und Pollakisurie. Der Abdomen ist weich, wobei eine leichte Druckdolenz suprapubisch zu verzeichnen ist. Eine Abwehrspannung ist nicht festzustellen, ebenso wenig ein Peritonismus. Die Körpertemparatur ist normal, und es bestehen keine Klopfdolenz oder Flanken- oder Rückenschmerzen.

Diagnostik

Urinstatus: Lc +++, Erys ++, Nitrit +++. BB: Lc 9.8, leichte ­Granulozytose, CRP 17.
Urinkultur: E. coli 105 KBE/ml (pansensible).

Unkomplizierte Zystitis ohne Antibiotika

Wer kennt die nationalen Guidelines?
Welches ist Ihr First-Line Antibiotikum?
Wer hat schon einmal eine akute, unkomplizierte Harnwegsinfektion (HWI) ohne Antibiotikum behandelt?
Bei wem ist eine Therapie ohne Antibiotikum erste Wahl bei Patienten mit einem unkomplizierten HWI? So lauteten die Fragen der Referenten.

Antibiotika-sparende Therapieansätze im Zeichen der Antibiotikaresistenz

Untere HWI:
Bis zur Hälfte der Harnwegsinfektionen heilen spontan ab (allerdings beschleunigen Antibiotika den Heilungsprozess um 1–2 Tage).
Eine unbehandelte Zystitis scheint das Risiko einer Progression zur Pyelonephritis nicht signifikant zu erhöhen.
Für ausgewählte Patienten können zuerst Antibiotika-sparende Ansätze versucht werden.
Keine Vorgeschichte einer Pyelonephritis.
Symptomdauer ≤ 5Tage.

Häufige komplizierende Faktoren und Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf in der Hausarztpraxis:

Alle HWI bei Kindern, Männern und Schwangeren.
Funktionelle oder anatomische Besonderheiten, Z. n. OP.
Immunsupprimierte Patient/-innen.
Fieber und Flankenschmerzen.
Urologische Behandlung bei Nierensteinen innerhalb der letzten zwei Wochen:
• Anlage eines Urinkatheters.
• Entlassung aus dem Krankenhaus oder dem Pflegeheim.
• Antibiotikatherapie in den letzte zwei Wochen
• renale Erkrankung
Welche Patientengruppen eignen sich für eine primärsymptomatische Behandlung? Junge und ansonsten gesunden Patienten mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Bei komplizierten Harnwegsinfektionen oder Hinweisen auf komplizierende Faktoren, älteren Patienten (> 65 Jahre), Patienten mit eingeschränktem Allgemeinzustand, Patienten mit stark erhöhtem CRP, Pyelonephritis in der Vorgeschichte, Patienten mit Fieber sowie Patienten mit Symptomen, die länger als fünf Tage andauern, sollte eine antibiotische Therapie erfolgen.
Aus einer Publikation aus dem Jahr 2019 (Gharbi M et al. BMJ 2019;364: l525) geht hervor, dass bei älteren Patienten, bei denen in der Primärversorgung eine Harnwegsinfektion diagnostiziert wurde, keine Antibiotika und aufgeschobene Antibiotika im Vergleich zur sofortigen Antibiotikagabe mit einem signifikanten Anstieg der Blutstrominfektionen und der Gesamtmortalität verbunden war. Vor dem Hintergrund der Zunahme von Escherichia coli-Blutstrominfektionen in England wird eine frühzeitige Einleitung der empfohlenen Erstlinien-Antibiotika bei Harnwegsinfektionen in der älteren Bevölkerung befürwortet.

Empirische Therapie

Zystitis
Erstlinien-Therapie: Nitrofurantoin, po 100 mg alle 8 h für 5 Tage oder Trimethoprim /Sulfamethoxazol (TMP/SMX) pro 160/80 mg alle 12 h für 3 Tage.
Zweitlinien-Therapie: Fosfomycin po 3 g (Einmaldosis) oder Norfloxacin po 400 mg alle 12 h für 3 Tage oder Cefuroxim po 500 mg alle 12 h für 3 Tage oder Amoxicillin/Clavulansäure po 500/125 mg alle 8 h für 3 Tage.

Fazit

Bei Patienten mit einer unkomplizierten Harnwegsinfektion kann eine symptomatischer Therapieversuch vor einer (sekundären) antibiotischen Therapie erfolgen.
Antibiotika-sparende Therapieansätze werden in den nationalen (SSI-) Guidelines empfohlen.
Achten Sie auf die richtige Identifizierung der Patienten, bei welchen Sie diese Therapie durchführen.
Aufklärung und Beratung. Viele Patienten sind darüber froh, keine Antibiotika einnehmen zu müssen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Neuer Behandlungsstandard für HER2-low und HER2-ultralow bei mBC?

Die Behandlung des metastasierenden Brustkrebses (mBC) bleibt anspruchsvoll. Die auf der ASCO-Jahrestagung 2024 in Chicago vorgestellten Forschungsergebnisse liefern neue Erkenntnisse über HER2*-low Brustkrebs, darunter auch einen neuen potenziellen Behandlungsstandard (1). Die Phase-3-Studie DESTINY-Breast06 (DB-06) vergleicht die Therapie mit Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) mit der Chemotherapie nach Wahl des Arztes (ChT) bei Patientinnen mit HR*-positiven HER2-low oder HER2-ultralow mBC unter vorheriger endokriner Therapie (1). Die Studie könnte T-DXd nun als Standardbehandlung nach ≥ 1 endokrinen Therapien bei HR-positiven mBC-Patientinnen mit HER2-low und -ultralow etablieren (1).​

Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsart bei Frauen und allein in der Schweiz werden jährlich mehr als 6500 Frauen mit der Erkrankung diagnostiziert (2, 3). Der Expressionsstatus von Hormonrezeptoren wie ER* und PR*, sowie von HER2 sind für die Behandlungsstrategie von zentraler Bedeutung, denn sie bieten Auskunft über die Anwendbarkeit zielgerichteter Wirkstoffe. Angesichts der gesteigerten Wirksamkeit neuer HER2-gerichteter Therapien, stellt sich die Frage, wo die therapeutisch relevante Grenze zwischen niedrig und ultraniedriger Expression verläuft.

HER2-Expression

Die Leitlinien der American Society of Clinical Oncology (ASCO) und dem College of American Pathologists (CAP) definieren die aktuelle Bestimmung des HER2-Status (4, 5). Die HER2-Expression auf der Oberfläche der Krebszellen wird mittels immunhistochemischer Färbung (IHC) sichtbar gemacht und mit einem vierstufigen Score von 0 bis 3 + bewertet. Zudem kann mithilfe von In-situ-Hybridisierung (ISH) untersucht werden, ob eine HER2-Genamplifikation vorliegt. Somit zeigen etwa 15–20 % aller Brusttumore eine starke HER2-Überexpression, die den Einsatz zielgerichteter Therapien erlauben (6). Doch mittlerweile wurde gezeigt, dass auch Patientinnen mit niedriger HER2-Expression (HER2-low) von signifikant verlängerten progressionsfreien Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) im Rahmen einer HER2-gerichteten Antikörper-Therapie in Vergleich zu ChT profitieren können (7).

T-DXd auch bei HER2-ultralow

Am diesjährigen ASCO wurden diverse Forschungsergebnisse zum Thema HER2-low mBC vorgestellt (1, 8–10). Unter anderem wurden primäre Daten zur DESTINY-Breast06 präsentiert, in der 866 HR-positive Patientinnen (HER2-low: n = 713; HER2-ultralow: n = 153) eingeschlossen und 1 : 1 zu T-DXd 5.4 mg/kg oder ChT randomisiert wurden (1). Eine HER2-low Erkrankung war definiert durch einen IHC-Score von 1 + oder 2 + mit einem negativen ISH-Ergebnis, und eine HER2-ultralow-Krankheit durch einen IHC-Score von 0 mit Membranfärbung in 10 % der Tumorzellen oder weniger. Die Patientinnen hatten zuvor keine ChT für mBC erhalten, waren jedoch je nach Krankheitsprogression mit mindestens einer endokrinen Therapie behandelt worden. Eine erste Zwischenanalyse zeigte eine mediane Behandlungsdauer von 11 Monaten (T-DXd) gegenüber 5.6 Monaten (ChT), mit einem medianen Follow-up von 18.2 Monaten. Der primäre Endpunkt PFS betrug bei HER2-low Patientinnen unter T-DXd median 8.1 Monate im Vergleich zu 13.2 Monaten unter ChT, was einer signifikanten Verbesserung entspricht (HR: 0.62 (95 % CI 0.51, 0.74), P < 0.0001). Auch die Ergebnisse der HER2-ultralow Patientinnen waren mit den Daten der HER2-low Patientinnen konsistent. Bei dieser ersten Zwischenanalyse wurde das OS noch nicht bewertet. Die Sicherheit war in beiden Gruppen vergleichbar, wobei bei 40.6 % der Patientinnen in der T-DXd-Gruppe unerwünschte Ereignisse vom Grad ≥ 3 auftraten (31.4 % bei der ChT-Gruppe).

Fazit

Primäre Daten der DESTINY-Breast06 zeigen einen statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen PFS-Vorteil von T-DXd gegenüber ChT bei HER2-low und HER2-ultralow mBC. Auf Grundlage dieser Daten könnte sich T-DXd als Standardbehandlung nach ≥ 1 endokrinen Therapien bei mBC-Patientinnen mit HR-positiven HER2-low und -ultralow etablieren. Es bleibt jedoch noch offen, wie dies in der Klinik umgesetzt werden soll, da die IHC für niedrige HER2-Expressionen einen grossen Interpretationsspielraum birgt (11, 12).

red.

* Abkürzungen
ER Estrogenrezeptor
HER2 humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2
HR Hormonrezeptor
PR Progesteronrezeptor

Literatur
1. Curigliano, G., et al. LBA1000. Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) vs physician’s choice of chemotherapy (TPC) in patients (pts) with hormone receptor-positive (HR+), human epidermal growth factor receptor 2 (HER2)-low or HER2-ultralow metastatic breast cancer (mBC) with prior endocrine therapy (ET): Primary results from DESTINY-Breast06 (DB-06). Presented at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
2. International Agency for Research on Cancer (IARC). https://gco.iarc.fr/today/data/factsheets/cancers/20-Breast-fact-sheet.pdf. .
3. Krebsliga Schweiz. Krebs in der Schweiz: wichtige Zahlen. Massgeblicher Zeitraum 2016 – 2020. Stand Dezember 2023.
4. Wolff, A.C., et al., Human Epidermal Growth Factor Receptor 2 Testing in Breast Cancer: American Society of Clinical Oncology/College of American Pathologists Clinical Practice Guideline Focused Update. Arch Pathol Lab Med, 2018. 142(11): p. 1364-1382.
5. Wolff, A.C., et al., Human Epidermal Growth Factor Receptor 2 Testing in Breast Cancer: ASCO-College of American Pathologists Guideline Update. J Clin Oncol, 2023. 41(22): p. 3867-3872.
6. Exman, P. and S.M. Tolaney, HER2-positive metastatic breast cancer: A comprehensive review. Clin. Adv. Hematol. Oncol, 2021. 19: p. 40-50.
7. Modi, S., et al., Trastuzumab deruxtecan in previously treated HER2-low advanced breast cancer. New England Journal of Medicine, 2022. 387(1): p. 9-20.
8. Molinelli, C., et al. Abstract 532 Dose-dense adjuvant chemotherapy in patients with HER2-low early breast cancer: An exploratory analysis of the GIM2 trial. Abstract at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
9. Qureshi, Z., et al. Abstract 1034 Safety and efficacy of trastuzumab deruxtecan for metastatic HER2+ and HER2-low breast cancer: An updated systematic review and meta-analysis of clinical trials. Abstract at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
10. Chong, E., et al. Abstract 599 Evaluating the efficacy of neoadjuvant endocrine therapy in HER2 low vs. HER2 negative breast cancer: An NCBD analysis. Abstract at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
11. Robbins, C.J., et al., Multi-institutional Assessment of Pathologist Scoring HER2 Immunohistochemistry. Mod Pathol, 2023. 36(1): p. 100032.
12. Fernandez, A.I., et al., Examination of Low ERBB2 Protein Expression in Breast Cancer Tissue. JAMA Oncol, 2022. 8(4): p. 1-4.