KVV-Revision für den Bereich Off-Label-Use

KVV-Revision für den Bereich Off-Label-Use – Wird jetzt alles einfacher und besser oder vielleicht doch nicht?

Die jüngste Revision des Krankenversicherungsgesetzes, insbesondere im Bereich des Off-Label-Use, hat bedeutende Veränderungen im schweizerischen Gesundheitswesen mit sich gebracht. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) identifizierte dabei eklatante Ungleichbehandlungen von Versicherten, abhängig von ihrer Versicherung und dem Wohnort. Dies führte zu einer dringenden Notwendigkeit, die bestehenden Regelungen zu überarbeiten und gerechtere Strukturen zu schaffen.

Das Hauptziel dieser Revision war nicht nur die Beseitigung von Ungleichbehandlungen, sondern auch die Vereinfachung von Prozessen, die Reduzierung von Bürokratie und die Steigerung der Transparenz im Gesundheitswesen. Eine Prämisse dabei war die Kostenneutralität, was jedoch angesichts der rapiden steigenden Gesuche als illusorisch erscheinen mag. Dennoch wurde dieser Weg eingeschlagen, um das Gesundheitssystem effizienter und gerechter zu gestalten.

Ein weiteres Ziel der Revision war die Schaffung von Anreizen für die rasche Aufnahme neuer Medikamente auf die Spezialitätenliste. Dies soll die Anzahl Gesuche nicht weiter in die Höhe schnellen lassen und die Firmen dazu veranlassen sich nicht auf eine Schatten Spezialitätenliste zu verlassen.
Seit dem 1. Januar 2024 ist die überarbeitete Fassung des Krankenversicherungs-gesetzes in Kraft. Besonders relevant für klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte ist die Auswirkung dieser Änderungen auf ihre tägliche Praxis. Eine informative Powerpräsentation, die über die Homepage der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) abrufbar ist, stellt die Konsequenzen und Anpassungen für den klinischen Alltag anschaulich dar, eine detaillierte Wiedergabe hier würde den Rahmen eines Editorials sprengen. Es wird dringend empfohlen, diese Präsentation zu studieren und die Strukturen in den Kliniken entsprechend anzupassen.

Die Herausforderungen und Chancen, die diese Gesetzesrevision mit sich bringt, erfordern eine proaktive Haltung und eine sorgfältige Anpassung der klinischen Abläufe. Die SGMO steht Ihnen dabei als zuverlässige Informationsquelle zur Verfügung.

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

Behandlung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer Krebserkrankung in der Schweiz

Jugendliche und junge Erwachsene mit Krebs zeigen besondere Bedürfnisse auf, werden aber in der Medizin nicht als eigene Interessensgruppe wahrgenommen, sondern zusammen mit Kindern oder mit Erwachsenen behandelt. In diesem Beitrag wurde daher durch eine Interviewstudie näher untersucht, wo Jugendliche und junge Erwachsene (insbesondere im Alter von 16 bis 18 Jahren) in der Schweiz behandelt werden sowie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Vorgehensweisen näher betrachtet.

Adolescents and young adults with cancer have special needs but are not recognized as a separate interest group in medicine but are treated together with children or adults. This article therefore used an interview study to analyze in more detail where adolescents and young adults (particularly those aged 16 to 18) are treated in Switzerland and to take a closer look at the advantages and disadvantages of the various approaches.
Key Words: AYA, Krebs, pädiatrische Onkologie, hochspezialisierte Medizin

Einleitung

Jugendliche und junge Erwachsene mit Krebs im Alter von 15-39 Jahren werden als AYA (engl. adolescents and young adults) bezeichnet (1). Der vorliegende Beitrag fokussiert sich auf die untersuchte Altersgruppe von 16- bis 18-jährigen Patient/-innen und bezeichnet diese als AYA. Krebs bei AYA ist selten (2). Die pädiatrische Onkologie gehört aufgrund der geringen Fallzahlen und der komplexen Behandlungsverfahren, verbunden mit einem hohen personellen und technischen Aufwand, zur hochspezialisierten Medizin (HSM) (3).

AYA haben besondere Bedürfnisse, die sich von denjenigen der Kinder und auch von Erwachsenen unterscheiden. Im Ausland, z.B. in den USA, gibt es deshalb eigene AYA-Zentren, die an die Erwachsenenonkologie (4) oder an die Pädiatrie (5) angegliedert sind. In der Schweiz werden AYA hingegen nicht als eigene Interessensgruppe in der Medizin wahrgenommen, sondern entweder zusammen mit Kindern oder mit Erwachsenen behandelt (6). Es bestehen keine klaren gesetzlichen Regelungen, ob AYA in der Schweiz in einem Kinderonkologiezentrum oder auf der Erwachsenenstation behandelt werden. Der vorliegende Beitrag stellt die durchgeführte Interviewstudie vor, mit der Forschungsfrage: «Wo werden AYA – insbesondere 16- bis 18-jährige – mit Krebserkrankungen in der Schweiz behandelt?». Zudem wurden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Vorgehensweisen näher betrachtet.

Methodisches Vorgehen

Zur Beantwortung der Forschungsfrage, auf welchen Abteilungen AYA behandelt werden, wurden Interviews mit Spitälern in der Schweiz durchgeführt. Es wurden insgesamt 33 Spitäler kontaktiert. Mit acht Spitälern kam ein Interview zustande. Das detaillierte Vorgehen kann der Grafik entnommen werden (Abb. 1).

Heterogener Umgang mit AYA

Aus den Interviews ergab sich, dass die Zuweisung zur jeweiligen Abteilung unterschiedlich erfolgen kann. Einerseits werden AYA in erster Linie durch den Hausarzt/die Hausärztin überwiesen. Andererseits kann eine Zuweisung auch durch eine spezialisierte Fachperson innerhalb der Behandlungsstätte erfolgen. Schliesslich kann eine Zuweisung auch im Rahmen eines Transitionsgesprächs stattfinden. Damit soll insbesondere auch die Nachsorge gewährleistet werden.

Die Befragung dazu, über welche Altersspanne Patient/-innen auf der jeweiligen Station behandelt werden oder werden sollten, hat ergeben, dass hier ein Graubereich besteht. Grundsätzlich ist das Alter ein formales Zuweisungskriterium, und die Kinderonkologie nimmt Patient/-innen bis 18 Jahre auf, während auf der Erwachsenenonkologie Patient/-innen ab 18 Jahren behandelt werden. Dieses Vorgehen entspricht auch den Vorgaben der HSM. Von dieser starren Altersgrenze gibt es in der Praxis jedoch Abweichungen. Ein Spital vermutet diese Abweichung aufgrund der erst kürzlich erfolgten Anhebung der Altersgrenze von 16 auf 18 Jahre. Aus den Interviews hat sich einstimmig ergeben, dass das Alter eine künstliche Abgrenzung für die Zuweisung darstellt und starre Vorgaben zur Zuweisung allein aufgrund des Alters unerwünscht sind. Vielmehr ist die Tumorart ausschlaggebend, nämlich ob es sich um einen typischen Kinder- bzw. Erwachsenentumor handelt.

Ein inoffizielles Kriterium der Zuweisung von AYA stellt die psychosoziale Situation der Patient/-innen dar. Je nach Autonomiebedürfnis und Grad der Selbständigkeit sind Patient/-innen in der Pädiatrie oder in der Erwachsenenonkologie besser aufgehoben, was von den Expert/-innen gemäss eigenen Angaben auch berücksichtigt wird. Alle Interviewpartner/-innen haben betont, dass eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist und die individuellen Bedürfnisse der Patient/-innen im Vordergrund berücksichtigt werden sollten.

Übergang zwischen der pädiatrischen Station und der Station für erwachsene Onkologiepatient/-innen

Die Befragung der Spitäler verdeutlichte eine unterschiedliche Handhabung des Übergangs von AYA aus einer pädiatrischen Onkologiestation zu einer Onkologiestation für Erwachsene. Der Ablauf hängt insbesondere von der internen Spitalorganisation und Vernetzung zwischen den einzelnen Onkologiezentren ab.

Es gaben fünf von acht Spitälern an, sie hätten kein Standard-Prozedere für den Übergang. Der Übergang würde in diesen Spitälern durch die Kinderonkologie an die Hand genommen. Dazu kontaktiere das behandelnde ärztliche Personal der pädiatrischen Onkologie die zukünftig behandelnden Mediziner/-innen der Erwachsenenonkologie und vereinbarte eine Sprechstunde für die betroffene Person. Betont wurde auch die aktive Unterstützung der AYA beim Übergang. In diesen fünf Spitälern finden jedoch regelmässig interdisziplinäre Tumorboards statt. Ein drittes der fünf Spitäler (Erwachsenenonkologie) berichtete zudem den Beizug einer externen Fachärztin zur Übernahme der Nachsorge bei Erwachsenen, die in der Kindheit eine Krebserkrankung hatten.

In drei der befragten Spitäler etablierten sich sogenannte Transitionssprechstunden. Die Kinderonkologie begleitet die betroffenen AYA eng beim Übergang in die Erwachsenenonkologie. Der Übertritt wird bereits ein Jahr im Voraus geplant, wobei Mediziner/-innen der pädiatrischen Onkologie und der Erwachsenenonkologie zusammen mit den Betroffenen eine gemeinsame Sprechstunde abhalten, in welcher auch das weitere Vorgehen geplant wird und im sog. Survivorship Care Plan festgehalten wird. Es werden insgesamt zwei gemeinsame Sprechstunden organisiert, wobei diese vor dem Übertritt in die Kinderonkologie und im ersten Jahr danach auf die Erwachsenenonkologie abgehalten werden. Zwei weitere Spitäler, welche die Transitionssprechstunden nicht anbieten, haben zudem berichtet, dass sie das Konzept kennen und grundsätzlich begrüssen würden, allerdings die Fallzahlen in ihrem Spital zu gering wären, dass es sich lohnen würde.

Alle befragten Spitäler gaben an, dass unter Umständen auch über 18-Jährige während einer laufenden Behandlung auf einer pädiatrischen Station verbleiben dürfen. Es wurde zudem ausgeführt, dass in der Regel die Nachsorge von Kinderkrebsbetroffenen im Kinderonkologiezentrum bleibt.
Die Expert/-innen äusserten zudem, ausser den standesrechtlichen Empfehlungen keine Kenntnis von spitalübergreifenden oder gar schweizweiten schriftlichen Vorgaben zu Follow-up-Richtlinien zu haben. Gemäss ihrer Kenntnis sei der Übergang spitalintern geregelt und eine Einzelfallbetrachtung. Eine Ausnahme bilden die Transitionssprechstunden mit dem Survivorship Care Plan.

Erfahrungen und Bedürfnisse von AYA-Patient/-innen in der Onkologie

Die befragten Spitäler anerkennen alle, dass AYA im Alter von 16 bis 18 spezielle Bedürfnisse haben.

Das am häufigsten genannte Bedürfnis betrifft die Physioonkologie während der Behandlung bzw. Reha nach der Behandlung. Insgesamt sprach sich die Hälfte der befragten Spitäler für die Wichtigkeit von Angeboten für AYA im Rahmen von Physiotherapie und Reha aus. Auch internationale Zusammenarbeiten seien interessant, weil beispielsweise in Deutschland Angebote bestünden, die Kinder und junge Erwachsene in eigene Interessensgruppen bei der Reha aufteilten. Drei der befürwortenden Spitäler erklärten, dass es im Rahmen von Reha-Behandlungen bei AYA oft zu Problemen mit der Kostenübernahme durch die Krankenkasse käme.
Vier der befragten Spitäler sprachen sich für die Stärkung der Reproduktionsmedizin für AYA in Folge einer Krebsbehandlung aus. So könnte beispielsweise ein interdisziplinäres Team sich auch schon bei AYA verstärkt mit Fragen der Reproduktionsmedizin auseinandersetzen und AYA entsprechend aufklären.

Drei Spitäler bewerteten die Psychoonkologie zur Stärkung der psychischen Stabilität und des Selbstbewusstseins als wichtig. Insbesondere wurde von zwei Spitälern der Austausch in einer AYA-Peer-Group positiv gewertet.

Als klarer Vorteil für die Behandlung von AYA auf einer Kinderonkologie wird von drei Expert/-innen angegeben, dass die pädiatrischen Stationen einen anderen Stellenschlüssel für das Personal haben. Ausserdem sei das Betreuungsteam der pädiatrischen Kliniken interdisziplinärer aufgestellt und es seien mehr Ressourcen vorhanden. Diese Massnahmen fördern die Patient/-innen intensiver und holistischer.
Als Vorteil von Behandlungen von AYA auf Erwachsenenstationen wurde hingegen angegeben, dass AYA eher auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Es wurde berichtet, dass AYA in der Erwachsenenonkologie in der Regel autonomer sind und bspw. ohne Begleitung der Eltern zur Nachsorge kommen und sich daher viel offener zu ihren Problemen äussern können.

Zur Frage, ob eigene Abteilungen oder Zentren für AYA mit Krebs geschaffen werden sollten, besteht Zurückhaltung. Kritik bestand seitens eines Spitals insbesondere daran, dass sich eigene Units aufgrund der verhältnismässig kleinen Zahlen von Patient/-innen nicht lohnen würden. Wenn es eine eigene Unit für AYA gäbe, wäre laut diesem Spital eine Anlaufstelle in der Schweiz genügend. Die weiteren Meinungen zur Ausgestaltung von Angeboten für AYA divergierten ebenfalls stark: Ein Spital schlug eine spezielle AYA-Sprechstunde vor. Zwei weitere Spitäler waren der Meinung, dass dem Wunsch von AYA-Patient:innen, auf welcher Station sie behandelt werden möchten, Rechnung getragen werden sollte. Ein anderes Spital erklärte, dass die Altersgrenze nicht auf 16 bis 18 Jahre beschränkt sein sollte, sondern Patient/-innen bis zu 25 Jahren umfassen müsste, damit auch weitere Krebserkrankungen, wie Brustkrebs, beinhaltet seien (Abb. 2).

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MLaw Ariana Aebi

Kompetenzzentrum Medizin – Ethik – Recht Helvetiae (MERH)
Universität Zürich
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Freiestrasse 15
8032 Zürich

MLaw Carolin Ehrentraut

Kompetenzzentrum Medizin – Ethik – Recht Helvetiae (MERH)
Universität Zürich
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Freiestrasse 15
8032 Zürich

MLaw Julia Tiefenbacher

Kompetenzzentrum Medizin – Ethik – Recht Helvetiae (MERH)
Universität Zürich
Rechtswissenschaftliche Fakultät
Freiestrasse 15
8032 Zürich

Die Autorinnen haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Eine schweizweite Praxis zur Zuweisung von 16- bis 18-jährigen Krebspatient:innen zu Kinder- oder Erwachsenenonkologiezentren besteht nicht.
◆ Starre Altersgrenzen sind entgegen den Regelungen der HSM bei der Zuweisung nicht sinnvoll – eine Einzelfallbetrachtung ist in jedem Fall notwendig;
◆ Transitionssprechstunden als Good Practice
◆ AYA werden von allen interviewten Spitälern als Gruppe mit eigenen Bedürfnissen wahrgenommen. Dieser Interessensgruppe sollte mit einer Stärkung der Angebote angemessen begegnet werden (insb. Peer-Group und interdisziplinäre Zusammenarbeit betr. Reproduktionsmedizin und Transitionssprechstunde).
◆ Zum Umgang mit AYA mit Krebs könnte sich die klinische Praxis in der Schweiz am internationalen Umfeld orientieren und den wissenschaftlichen Austausch pflegen (z.B. PeterMac Center, Melbourne, USA oder UT Health San Antonio, Texas, USA).

 

1. Vgl. Internet: <https://jamanetwork.com/journals/jamaoncology/fullarticle/2800540>, zuletzt besucht am 22.05.2023.
2. Jährlich erkranken ca. 340 Kinder und Jugendliche (im Alter von 0-19 Jahren) an Krebs in der Schweiz, vgl. Internet: <https://www.kinderkrebs-schweiz.ch/aktuell/uebersicht-kampagnen/mein-kind-hat-krebs>, zuletzt besucht am 29.04.2023; <https://www.kinderkrebsregister.ch/statistiken-und-berichte/#:~:text=Krebs%20bei%20Kindern%20und%20Jugendlichen,Schweiz%20eine%20Krebserkrankung%20diagnostiziert%20wurde.>, zuletzt besucht am 22.05.2023.
3. Gesundheitsdirektion (GDK) Erläuternder Bericht für die Zuordnung des Bereichs zur hochspezialisierten Medizin vom 26.08.2021, S. 16, <https://www.gdk-cds.ch/fileadmin/docs/public/gdk/themen/hsm/HSM-Bereiche/BT_PaedOnco_Re1_Zuord_SchlussBT_Pub_20210907_def_d.pdf>, zuletzt besucht am 22.05.2023 (nachfolgend: GDK, Erläuternder Bericht, S. …).
4. PeterMac Center, Melbourne, USA, <https://www.petermac.org/patients-and-carers/children-and-young-people/adolescents-and-young-adults-aya-for-patients>, zuletzt besucht am 22.01.2024
5. UT Health San Antonio, Department of Pediatrics, Texas, USA <https://lsom.uthscsa.edu/pediatrics/divisions/hematology-oncology/clinical-programs/adolescent-and-young-adult-program/>, zuletzt besucht am 22.01.2024
6. Zum Ganzen STAUDINGER SINA, Unterstützungsprogramme für junge Krebspatienten, in: Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 2020, S. 17.

ctDNA beim Kolonkarzinom – der Weg in die Klinik in der adjuvanten Situation

Beim Kolonkarzinom stellt sich insbesondere nach Resektion im Stadium II die Frage, ob eine adjuvante Chemotherapie zur Verbesserung des Überlebens notwendig ist. Im Stadium III ist die adjuvante Chemotherapie unbestritten, in den letzten Jahren wurde aber die Dauer der Therapie – 3 versus 6 Monate – ausgiebig untersucht und festgestellt, dass für sehr viele Situationen eine Dauer von 3 Monaten ausreicht. Bisher wurden klinische und pathologische Risikofaktoren zu Rate gezogen, ob im Stadium II eine adjuvante Therapie durchgeführt werden soll und ob im Stadium III doch eine 6-monatige Behandlung mit Oxaliplatin und Fluorouracil erfolgen muss. In diesem Feld ist die Bestimmung von zirkulierender Tumor-DNA ein wichtiger Baustein zur Rezidivrisiko-Abschätzung und scheint die Stratifizierung deutlich sicherer zu machen.

For Stage II Colon cancer there is lot of debate, whether adjuvant chemotherapy is really necessary after surgery to increase disease free or overall survival and for stage III there has been work done in deescalate duration of therapy from 6 to 3 months for many situations. Up to now decision making for or against adjuvant chemotherapy in stage II and whether to treat 6 or 3 months after surgery in stage III has been done using clinicopathological risk factors. In this field ctDNA becomes an important tool for better defining recurrence risks.
Keywords: Stage II Colon cancer, clinicopathological risk factors, ctDNA, recurrence risks

Risikostratifizierung durch Nachweis von ctDNA beim Kolonkarzinom

In den Stadien II und III des Kolonkarzinoms ist trotz erfolgreicher Chirurgie das 5-Jahresüberleben bei ca. 68-83% bzw. 45-65% und das Rezidivrisiko kann im Stadium II bei Vorliegen von Risikofaktoren mit einer 5FU-haltigen Therapie um ca. 3-5% und im Stadium III mit einer 5FU- und Oxaliplatin-haltigen Kombinations-Chemotherapie um ca. 15-20% gesenkt werden (1). Insbesondere im Stadium II, wo die Risikoreduktion gesamthaft recht gering scheint, ist die richtige Selektion der Patienten, welche eine adjuvante Chemotherapie erhalten, essenziell (2,3). Aber auch im Stadium III mag es Patienten geben, bei welchen evtl. keine oder eine weniger toxische Therapie ausreichend wäre. So wurde nämlich in einer Analyse von 12’834 Patienten im Stadium III, welche in der IDEA-Studie eingeschlossen waren, gesehen, dass das 5-Jahres krankheitsfreie Überleben stark variierte in den klinischen Gruppen mit tiefstem Risiko (T1N1a) mit 89% bis zu nur noch 31% mit höchstem klinischem Risiko (T4N2b), der Nutzen der adjuvanten Therapie war ebenso unterschiedlich gross. So ergab diese Analyse eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens von 8% bei den Patienten mit niedrigem Risiko und bis zu 20% bei den Hochrisikosituationen (4).

Eine wichtige grössere Arbeit zur Frage bzgl. prädiktiver Aussage von postoperativem Nachweis von ctDNA nach Resektion von Stadium II Kolonkarzinomen ist die Studie von Tie et al., publiziert 2016 (5). In dieser Studie wurden 231 Patienten eingeschlossen, wobei bei 230 Patienten eine verwertbare somatische Mutation im Tumorgewebe gefunden wurde. Bei 20 dieser Patienten (8.7%) wurde in der Zeit 4-10 Wochen postoperativ diese tumor-spezifische Mutation im Plasma gefunden. 52 von diesen 230 Patienten wurden mit adjuvanter Chemotherapie behandelt und aus der Analyse ausgenommen, um die prognostische Aussage nicht zu verringern. Somit wurde schliesslich bei 14 von 178 analysierten Patienten (7.9%) zirkulierende Tumor-DNA gefunden. 92.1 % waren somit ctDNA negativ. Im medianen Beobachtungszeitraum von 27 Monaten hatten bei den positiv getesteten Patienten 78.6% ein radiologisch detektierbares Rezidiv und bei den negativ getesteten lediglich 9.8%. Das rezidiv-freie Überleben war somit bei den ctDNA positiven deutlich geringer mit einer Hazard-Ratio von 18.

In einer ergänzenden Analyse von derselben Autorin, publiziert im 2021 (6), wurden 3 Kohorten gepoolt, auch Stadium III Kolonkarzinome und eine Rektumkarzinomkohorte eingeschlossen.

Übereinstimmend mit dem höheren pathologischen Stadium waren auch mehr Patienten postoperativ ctDNA positiv, so wurde bei den Stadium II Patienten bei 8.7% und bei den Stadium III Patienten bei 21% ctDNA nach der Primäroperation nachgewiesen.
In den meisten Studien wird jeweils angegeben, ob ctDNA nachgewiesen wurde oder nicht, hier wurde noch die Abhängigkeit von der Höhe der nachgewiesenen Allelfrequenz der gesuchten Mutation berichtet, wobei auch hier bei höherer Allelfrequenz ein höheres Risiko für ein Tumorrezidiv gesehen werden konnte.

Die jüngste Publikation der GALAXY-Analyse, der Observationsarm der CIRCULATE-Japan, bestätigt und verfeinert die bisherigen Resultate. In dieser Studie wurden Stadien II bis resektable Stadium IV Patienten eingeschlossen, weiter auch Patienten mit Rektumkarzinom.
Das Ziel war, den bezüglich Rezidivrisiko prädiktiven Wert der postoperativ positiven ctDNA zu zeigen und auch die Auswirkung auf die adjuvante Chemotherapie zu analysieren (7).

Die Analyse der ctDNA erfolgte 4 und 12 Wochen postoperativ, 1039 Patienten wurden analysiert und 18% (187 Patienten) waren ctDNA positiv, 4 Wochen postoperativ. Patienten, welche innerhalb der 12 Wochen rezidivierten oder zum Zeitpunkt 12 Wochen postoperativ keine ctDNA-Analyse erhielten, wurden ausgeschlossen, dies, um die ctDNA-Dynamik korrekt analysieren zu können. Somit wurden schliesslich 838 Patienten in die Analyse eingeschlossen und es blieben 182 Patienten mit positivem Nachweis von ctDNA.

Für die ctDNA Analyse wurde eine Tumor-informed Methode mittels «whole-exome-sequencing» verwendet. Die am häufigsten verwendeten Gene waren TP53 und APC.

Nach einem Follow-up von gut 16 Monaten konnte folgendes gezeigt werden: Patienten, welche 4 Wochen postoperativ einen positiven ctDNA-Nachweis hatten, rezidivierten zu 61.4% im Gegensatz zu nur 9.5% der Patienten mit negativem ctDNA-Resultat zum gleichen Zeitpunkt, was einer Hazard-Ratio von 10 entspricht. Dieser Trend konnte für alle pathologischen Stadien gezeigt werden, wobei die Hazard-Ratio für die lokalisierteren Stadien höher war als für resezierte Stadien IV. Die Risikostratifizierung konnte mittels traditionellen klinikopathologischen Faktoren bezüglich krank­heitsfreien Überlebens in den Stadien II-III in dieser Analyse nicht signifikant diskriminieren. Die Untersuchung des Nutzens der adjuvanten Therapie bei Hochrisiko Stadien II und Stadium III Patienten konnte einen signifikanten Nutzen zeigen bei Pati­enten, welche ctDNA positiv waren, bei Patienten, welche ctDNA negativ waren, war der Nutzen bzgl. krankheitsfreiem Überleben nicht signifikant. Ein weiterer Punkt, der gezeigt werden konnte, ist dass ctDNA-Clearance unter adjuvanter Chemotherapie prognostisch günstig ist, bzw. die fehlende Clearance definitiv prognostisch schlecht. Wichtig ist hier nochmals anzumerken, dass dies rein beobachtende Resultate sind und die Therapieentscheide jeweils auf klinischen und pathologischen Faktoren beruhten und dass der Follow-up mit 16 Monaten für krankheitsfreies Überleben von kurativ therapierten Kolonkarzinomen noch kurz ist.

Wichtig werden prospektive und randomisierte Studien, welche zur Deeskalation der adjuvanten Therapie für die prognostisch günstigen Situationen mit postoperativ fehlendem ctDNA-Nachweis führen können und Therapie-Eskalationsstrategien, um die ganz schlechte Situation der fehlenden ctDNA-Clearance trotz adjuvanter Chemotherapie zu verbessern.

Adjuvante Chemotherapie gesteuert nach Bestimmung von ctDNA

Die DYNAMIC-Studie, publiziert im NEJM 2022, hat sich die Frage gestellt, ob bei Stadium II Kolonkarzinomen nach Resektion und fehlendem Nachweis von ctDNA auf die adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann, ohne das Rezidivrisiko zu verschlechtern (8).
In dieser Studie wurden Patienten mit folgenden Tumorstadien eingeschlossen: T3 oder T4, N0 und M0. Das Studiendesign ist eine randomisierte Phase 2 Studie, es wurde 2:1 randomisiert in entweder ctDNA gesteuerte Therapieentscheidung versus Therapieentscheid analog den bekannten klinikopathologischen Risikofaktoren beim Stadium II (pT4, weniger als 12 Lymphknoten im Resektat, G3, LV1, Pn1, Ileus). ctDNA wurde mittels Tumor-informed Ansatz 4 und 7 Wochen postoperativ bestimmt. Die Resultate wurden den Behandlern 8 bis 10 Wochen postoperativ mitgeteilt. Wenn zu einem der Zeitpunkte ctDNA nachgewiesen wurde, wurde eine adjuvante Therapie durchgeführt, die Art und Weise war dem jeweiligen Kliniker überlassen. Waren bei beiden Zeitpunkten die ctDNA-Ergebnisse negativ, dann wurde keine Chemotherapie durchgeführt. Der primäre Endpunkt dieser Studie war das Rezidiv freie Überleben nach 2 Jahren. 459 Patienten wurden in diese Studie eingeschlossen, bei der Datenanalyse war der mittlere Follow-up 37 Monate. In der ctDNA-gesteuerten Therapiegruppe erhielten weniger Patienten eine adjuvante Therapie (15 versus 28%) und trotzdem blieb das krankheitsfreie Überleben in beiden Gruppen gleich. Patienten, welche einen positiven ctDNA Nachweis hatten, erhielten öfter eine Oxaliplatin-haltige adjuvante Chemotherapie als die Patienten im Standard-Strategiearm. Insbesondere die Stadium II Patienten mit niedrigem Rezidivrisiko hatten bei ctDNA-Negativität eine sehr gute Prognose mit einem Rezidiv freien Überleben von mehr als 96% nach 3 Jahren. Beim T4-Stadium bestand auch bei negativer ctDNA doch ein gewisses Rezidivrisiko, diese Subgruppen waren aber post hoc anaylsiert worden. Sicher konnte gezeigt werden, dass mit dieser ctDNA-gesteuerten Therapieentscheidung im Stadium II deutlich adjuvante Chemotherapie mit auch teils persistierender Langzeittoxizität wie Polyneuropathie, gespart werden kann. Insgesamt wurde hier die adjuvante Therapie eher spät nach Operation begonnen und dies wird auch für den klinischen Alltag dann wichtig sein für die Logistik der ctDNA- Analysen.

In vielen Ländern laufen derzeit Studien mit der Fragestellung bzgl. De-Eskalation aber teils auch mit der Frage nach Intensivierung der Behandlung gesteuert anhand von ctDNA-Analysen, teils im Stadium II, teils im Stadium III und teilweise auch kombiniert und auch Studien, welche Rektumkarzinompatienten einschliessen (Tab. 1).

Die Resultate der bisherigen Studien sind sehr ermutigend, dass mit dem Messen der ctDNA nach kurativ intendierter Resektion von Kolonkarzinomen für die Rezidivrisikobeurteilung ein starkes neues Werkzeug dazukommen wird. Vergessen darf man aber dabei nicht, dass in all diesen bisherigen Arbeiten auch ohne Nachweis von ctDNA ca. 10% der Patienten ein Rezidiv erlitten und dass auch nicht alle mit positiver ctDNA in den Beobachtungszeiträumen der Studien ein offensichtliches Rezidiv hatten.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Christian Weisshaupt

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Der Autor hat keine Interessenskonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Für resezierte Kolonkarzinome konnte gezeigt werden, dass der Nachweis von ctDNA postoperativ prognostisch ungünstig ist
◆ Die DYNAMIC-Studie konnte erstmals in einem randomisierten Design zeigen, dass beim Stadium II (ausser pT4, post-hoc-Analyse) nach Resektion bei negativer ctDNA auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann bei gleichbleibendem Krankheitsfreiem Überleben.
◆ Weltweit laufen viele Studien mit Deeskalation- und teils auch Eskalationsstrategien gesteuert am Resultat von ctDNA-Analysen nach kurativer Operation eines Kolonkarzinoms.

 

1. Argilés G, Tabernero J, Labianca R, Hochhauser D, Salazar R, Iveson T, u. a. Localised colon cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. Oktober 2020;31(10):1291–305.
2. Benson AB, Hamilton SR. Path Toward Prognostication and Prediction: An Evolving Matrix. J Clin Oncol. 10. Dezember 2011;29(35):4599–601.
3. O’Connor ES, Greenblatt DY, LoConte NK, Gangnon RE, Liou JI, Heise CP, u. a. Adjuvant Chemotherapy for Stage II Colon Cancer With Poor Prog­nostic Features. J Clin Oncol. 1. September 2011;29(25):3381–8.
4. Sobrero, A. F. et al. A new prognostic and predictive tool for shared decision making in stage III colon cancer. Eur. J. Cancer 138, 182–188 (2020).
5. Tie J, Wang Y, Tomasetti C, Li L, Springer S, Kinde I, u. a. Circulating tumor DNA analysis detects minimal residual disease and predicts recurrence in patients with stage II colon cancer. Sci Transl Med [Internet]. 6. Juli 2016 [zitiert 18. Oktober 2023];8(346). Verfügbar unter: https://www.science.org/doi/10.1126/scitranslmed.aaf6219
6. Tie J, Cohen JD, Lo SN, Wang Y, Li L, Christie M, u. a. Prognostic significance of postsurgery circulating tumor DNA in nonmetastatic colorectal cancer: Individual patient pooled analysis of three cohort studies. Int J Cancer. 15. Februar 2021;148(4):1014–26.
7. Kotani D, Oki E, Nakamura Y, Yukami H, Mishima S, Bando H, u. a. Molecular residual disease and efficacy of adjuvant chemotherapy in patients with colorectal cancer. Nat Med. Januar 2023;29(1):127–34.
8. Tie J, Cohen JD, Lahouel K, Lo SN, Wang Y, Kosmider S, u. a. Circulating Tumor DNA Analysis Guiding Adjuvant Therapy in Stage II Colon Cancer. N Engl J Med. 16. Juni 2022;386(24):2261–72.

State of the Art Therapie bei fortgeschrittenen Basalzellkarzinomen

Das Basalzellkarzinom (BZK) ist der häufigste Tumor in der hellhäutigen Bevölkerung. Es entwickelt nur äusserst selten Metastasen, kann aber lokal invasiv und destruktiv wachsen, wenn die Therapie verzögert wird. Therapie der Wahl ist die chirurgische Exzision. Bei fortgeschrittenem BZK, wo die Chirurgie nicht angebracht und eine Radiotherapie nicht möglich ist, kommt eine Systemtherapie mit smoothened inhibitoren zum Einsatz. Neu zugelassen in der Schweiz ist auch die Immuntherapie mit anti PD1 als second line Therapie. Wichtig ist die interdisziplinäre Besprechung am Tumorboard bei fortgeschrittenen BZK zur Therapieplanung.

Basal cell carcinoma (BCC) is the most common tumour in the fair-skinned population. It only develops metastases extremely rarely, but can grow locally invasive and destructive if treatment is delayed. Surgical excision is the treatment of choice. In advanced BCC, where surgery is not appropriate and radiotherapy is not possible, smoothened inhibitors are used. Immunotherapy with anti PD1 as a second line therapy is also newly authorised in Switzerland. Interdisciplinary discussion at the tumour board is important for therapy planning in advanced BCC.
Keywords: basal cell carcinoma, smoothened inhibitor, anti PD1 therapy

Das Basalzellkarzinom (BZK) ist der häufigste Tumor überhaupt in der hellhäutigen Bevölkerung weltweit, die Inzidenz ist steigend (1, 2). Ursache ist die chronische UV-Exposition, weshalb es erst im höheren Alter auftritt (ausser bei Genodermatosen). Wahrscheinlich erleidet jeder Dritte Hellhäutige achtzigjährige Mensch ein BZK. Aufgrund seiner Häufigkeit besteht keine Meldung im Krebsregister, weshalb die genauen Zahlen unklar sind. Das BZK gehört zum weissen Hautkrebs, NonMelanomaSkinCancer, zusammen mit dem Spinozellulären Karzinom (Verhältnis Basalzellkarzinome: spinozelluläre Karzinome 4:1 in der immunkompetenten Bevölkerung).

Therapie der Wahl ist die chirurgische Exzision

Die Therapie der Wahl für das BZK ist eine chirurgische Exzision, im besten Fall mittels MOHS Chirurgie, der mikrographisch kontrollierten Chirurgie mit einer 98%igen Heilungrate (3).

Superfizielle Basalzellkarzinome können mittels Kryochirurgie, Photodynamischer Therapie oder Salbentherapien (Imiquimod, 5-FU) behandelt werden; noduläre BZK können gut auch mittels Radiotherapie therapiert werden, während szirrhöse BZK weniger gut auf Radiotherapie ansprechen und mit höhen Rezidivraten verbunden sind und chirurgisch entfernt werden sollen (3).

Systemtherapie, wenn Chirurgie oder Radiotherapie nicht möglich sind

Wenn eine Radiotherapie oder eine chirurgische Exzision nicht angebracht sind (Aetas, Operabilität, Compliance, grosse Mutilation), dann kommt die Systemtherapie zum Zug. Diese Entscheidung sollte an einem interdisziplinären Tumorboard gefällt werden. First line zugelassen bei fortgeschrittenen BZK (lokal fortgeschritten: la BZK und metastasierten BZK: mBZK) sind smoothened inhibitoren (SMOi) wie Sonidgeb und Vismodegib. Diese zielgerichtete oral verfügbare Therapie ist ein Hedgehog-Inhibitor, der direkt in die Pathophysiologie von BZK eingreift. In der ERIVANCE-BCC Studie wurde Vismodegib zugelassen mit 1 Kapsel täglich à 150mg mit einer ORR von 40% (mBZK) und 60% (la BZK). Sonidegib wurde zugelassen mit einer Dosis von 1x200mg in der Zulassungsstudie BOLT mit einer ORR von 56% (laBZK) und 8% (mBZK). Die Nebenwirkungen von SMOi sind unter anderem Muskelspasmen, Hypogeusie mit Gewichtsverlust und Haarausfall. Limitierende Faktoren für eine Langzeitbehandlung von SMOi sind die Toxizität mit Verlust der Lebensqualität und der Therapieadhärenz sowie des Wirkungsverlusts durch das Auftreten einer sekundären Resistenz. Zur Therapieverbesserung kann eine Dosisreduktion oder Dosisunterbrechung (z.B. 2 Monate on, 2 Monate off) versucht werden oder eine Wiederaufnahme der Behandlung bei Progress nach Therapiepause.

Falls es unter der Therapie mit SMOi zu keinem Ansprechen oder einem Rezidiv/einer Resistenz kommt, ist neu in der Schweiz seit Ende 2023 anti PD1 Cemiplimab zugelassen. Dieser wird in derselben Dosis wie auch für das kutane Plattenepithelkarzinom verabreicht (350mg Flatdose alle 3 Wochen i.v.). Die Zulassungsstudie zeigte eine ORR von 31% bei laBZK (also deutlich tiefer als beim Spinozellulären Karzinom).

Die Anwendung von topischen SMOi (Patidegib-Gel 2%) wird in Studien geprüft. Itraconazol ist ein weiterer potenter SMOi, welcher in Studien seine Wirkung jedoch verfehlte.

Man fragt sich, wieso Patienten mit riesigen ulzerierten Basal­zellkarzinomen sich erst sehr spät ärztlich vorstellen. Häufig versuchen die Patienten bei diesem relativ langsam wachsenden Tumor Salben anzuwenden und stellen sich erst vor, wenn der Tumor blutet und stinkt. Häufig verursacht er lange keine Schmerzen, was die späte Vorstellung mit erklärt.

Ausblick

Es befinden sich eine Reihe von neuen Substanzen in klinischer Prüfungen. Gerade metastasierte BZK haben eine sehr schlechte Prognose mit einem medianen Überleben nach mBZK Diagnosestellung von 54 Monaten, Fernmetastasen sogar nur 24 Monate und bei regionalen Metastasen 87 Monate (4). Wenn SMOi und anti PD1 nicht mehr wirken, gibt es folgende off label Möglichkeiten, die wir auch schon angewendet haben:
► Wechsel des SMOi Präparates (von Vismodegib auf Sonidegib oder umgekehrt) bei ggf. anderem Resistenzmechanismus? Smoothened Mutationen sind für die Entwicklung einer sekundären Resistenz unter Therapie mit Vismodegib und Sonidegib in bis zu 50% der Fäll von laBZK und mBZK verantwortlich. Der Wechsel auf ein anderen SMOi wird mit unterschiedlichem Erfolg bewertet.
► Klinische Studie mit Kombination von Sonidegib und Cemiplimab: Das BZK besitzt eine relativ geringe Immunogenität, was auch die niedrigere Ansprechrate auf anti PD1 erklärt. Die Therapie mit einem SMOi steigert die Expression von MHC-Klasse I Molekülen auf BZK –Zellen sowie die Infiltration von CD4+ und CD8+ T-Zellen in den Tumor, wodurch eine immunvermittelte Tumorantwort ermöglicht wird, was zu einem Synergismus führen kann bei Verabreichung beider Präparate (NCT04679480)
► Zugabe von Itraconazol als SMOi mit anderer Angriffsstelle
► Platinbasierte Chemotherapie
► EGRF Inhibitor (häufig basosquamöse Karzinome, die metastasieren)

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Dr. med. Mirjam C. Nägeli

Dermatologische Klinik
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100, 8091 Zürich

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert. Sie hat Beratungstätigkeit bei SunPharma und Sanofi.

◆ Das BZK ist der häufigste Tumor in Europa und meistens heilbar durch eine chirurgische Exzision
◆ Bei verzögerter Behandlung kann er invasiv und destruierend wachsen und sehr selten auch metastasieren mit sehr schlechter Prognose
◆ First line zugelassen bei fortgeschrittenen BZK, wo eine Radiotherapie oder Chirurgie nicht angebracht sind, sind smoothened inhibitoren (Sonidegib und Vismodegib), diese Fälle sollten am interdisziplinären Tumorboard besprochen werden
◆ Second line ist neu anti PD1 (Cemiplimab) zugelassen

1. Peris K, Fargnoli MC, Garbe C, et al. Diagnosis and treatment of basal cell carcinoma: European consensus-based interdisciplinary guidelines. Eur J Cancer. 2019;118:10-34
2. Herm F, Basset-Séguin N. Emerging drugs for the treatment of basal cell carcinoma. Exp Opin Emerging Drugs. 2021;1:17-25
3. Lang BM, Balermpas P, Bauer A, et al. S2k guidelines for cutaneous basal cell carcinoma- part 1: epidemiology, genetics and diagnosis. J Dtsch Dermatol Ges.2019;17(1):94-103
4. McCusker M et al. Metastatic basal cell carcinoma: prognosis dependent on anatomic site and spread of disease. Eur J Cancer 2014;50:774-83

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Daratumumab, Bortezomib, Lenalidomid, und Dexamethason in der Erstlinientherapie bei Patienten mit Multiplen Myelom

P. Sonneveld et al., N Engl J Med. 2023 Dec 12. doi: 10.1056/NEJMoa2312054. Epub ahead of print. PMID: 38084760.

Hintergrund

Der CD38 spezifische Antikörper Daratumumab ist in der Myelom-Therapien zugelassen. Sein Stellenwert in der Erstlinientherapie in Kombination mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason (D-VRd) für die Behandlung von Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (ndMM), die für eine Transplantation in Frage kommen, ist unklar.

Methoden

In dieser randomisierten Phase-3-Studie erhielten 709 ndMM-Patienten, die für eine Transplantation in Frage kommen, entweder subkutan Daratumumab in Kombination mit VRd-Induktions- und Konsolidierungstherapie und mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie (D-VRd-Gruppe) oder VRd-Induktions- und Konsolidierungstherapie und Lenalidomid-Erhaltungstherapie allein (VRd-Gruppe). Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Wichtige sekundäre Endpunkte waren ein komplettes Ansprechen (CR) oder besser und ein MRD-negativer Status (minimale Resterkrankung).

Ergebnisse

Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 47,5 Monaten war das Risiko eines Fortschreitens der Krankheit oder des Todes in der D-VRd-Gruppe signifikant niedriger als in der VRd-Gruppe. Der geschätzte Prozentsatz der Patienten mit einem PFS nach 48 Monaten betrug 84,3% in der D-VRd-Gruppe und 67,7% in der VRd-Gruppe (HR 0,42; P<0,001). Der Anteil der Patienten mit einer CR oder besser war in der D-VRd-Gruppe höher als in der VRd-Gruppe (87,9% vs. 70,1%; P<0,001), ebenso wie der Anteil der Patienten mit MRD-negativem Status (75,2% vs. 47,5%; P<0,001). Unerwünschte Ereignisse Grad 3 oder 4 traten in beiden Gruppen auf; die häufigsten waren Neutropenie (62,1% bei D-VRd und 51,0% bei VRd) und Thrombozytopenie (29,1% bzw. 17,3%). Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 57,0% der Patienten in der D-VRd-Gruppe und bei 49,3 % der Patienten in der VRd-Gruppe auf.

Schlussfolgerungen

Die Zugabe von subkutanem Daratumumab zur Induktions- und Konsolidierungstherapie mit VRd und zur Lenalidomid-Erhaltungstherapie weist einen signifikanten PFS-Vorteil bei Patienten mit ndMM, die für eine Transplantation in Frage kommen, auf.

Finanziert durch das European Myeloma Network in Zusammenarbeit mit Janssen Research and Development; PERSEUS ClinicalTrials.gov-Nummer, NCT03710603; EudraCT-Nummer, 2018-002992-16

Therapiesteuerung der chronischen lymphatischen Leukämie anhand der messbaren Resterkrankung

T. Munir et al., N Engl J Med. 2023 Dec 10. doi: 10.1056/NEJMoa2310063. Epub ahead of print. PMID: 38078508.

Hintergrund

Die Kombination von Ibrutinib und Venetoclax verbessert nachweislich die Ergebnisse bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) im Vergleich zur Chemoimmuntherapie. Es ist unklar, ob die Kombination aus Ibrutinib-Venetoclax und die Personalisierung der Behandlungsdauer entsprechend der messbaren Resterkrankung (MRD) wirksamer ist als eine Therapie mit Fludarabin-Cyclophosphamid-Ruximab (FCR).

Methoden

In dieser multizentrischen, randomisierten, kontrollierten, offenen Phase 3 Studie an unbehandelten CLL-Patienten wurde die Therapie mit Ibrutinib-Venetoclax und Ibrutinib Monotherapie mit FCR verglichen. In der Ibrutinib-Venetoclax-Gruppe wurde nach einer 2-monatigen Ibrutinib Behandlung dann Venetoclax für eine bis zu 6 Jahre dauernde Therapie hinzugefügt. Die Dauer der Ibrutinib-Venetoclax-Therapie wurde anhand der MRD im peripheren Blut und Knochenmark bestimmt und betrug das Doppelte der Zeit, die bis zum Erreichen einer MRD-Negativität benötigt wurde. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), wichtige sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben (OS), das Ansprechen (ORR), die Rate einer MRD-Negativität und die Sicherheit der Behandlung.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 523 Patienten eingeschlossen. Nach einem Median von 43,7 Monaten war bei 12 Patienten in der Ibrutinib-Venetoclax Gruppe und bei 75 Patienten in der FCR-Gruppe eine Krankheitsprogression bzw. der Tod eingetreten (HR 0,13; P<0,001). Nach 3 Jahren hatten 58,0% der Patienten in der Ibrutinib-Venetoclax-Gruppe die Therapie aufgrund Erreichens einer MRD-Negativität gestoppt. Nach 5 Jahren Ibrutinib-Venetoclax Therapie wiesen 65,9% der Patienten eine MRD-Negativität im Knochenmark bzw. 92,7 % im peripheren Blut auf. Das Infektionsrisiko war in der Ibrutinib-Venetoclax Gruppe ähnlich hoch wie in der FCR-Gruppe. Der Anteil der Patienten mit schweren kardialen Nebenwirkungen war in der Ibrutinib-Venetoclax-Gruppe höher als in der FCR-Gruppe (10,7 % vs. 0,4 %).

Schlussfolgerungen

Die MRD-gesteuerte Gabe von Ibrutinib-Venetoclax verbessert das PFS und OS im Vergleich zu FCR.

Finanziert von Cancer Research UK und anderen; FLAIR ISRCTN-Registernummer, ISRCTN01844152; EudraCT-Nummer, 2013 -001944-76.

Prof. Dr. med. Christoph Renner

Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Christoph.renner@hirslanden.ch

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

FDA genehmigt erste Gentherapien zur Behandlung von Patienten mit Sichelzellanämie

https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-first-gene-therapies-treat-patients-sickle-cell-disease

Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) hat einen Meilenstein gesetzt und heute am 8. Dezember 2023 zwei bahnbrechende Behandlungen, Casgevy und Lyfgenia, zugelassen, die die ersten zellbasierten Gentherapien zur Behandlung der Sichelzellanämie bei Patienten ab 12 Jahren darstellen. Darüber hinaus ist eine dieser Therapien, Casgevy, die erste von der FDA zugelassene Behandlung, bei der eine neuartige Genom-Editing-Technologie zum Einsatz kommt, was einen innovativen Fortschritt auf dem Gebiet der Gentherapie signalisiert. Für Lyfgenia wurde allerdings eine Black Box Warnung betreffend «blood cancer» als Folge der Behandlung im Beipackzettel angeordnet. Deren verktorgestützte Stammzellgenmodifizierung codiert für HbAT87Q,das ähnlich wie das natürliche HbA funktioniert und weniger sichelt.

Die Sichelzellanämie ist eine genetisch bedingte Krankheit, deren größte Verbreitung in den Malariagebieten Afrikas und Asiens ist. In Äquatorialafrika sind 25 bis 40 % der Bevölkerung heterozygote Merkmalsträger. Die Häufigkeit des Defekts nimmt mit dem Abstand zum Äquator deutlich ab. Bei der schwarzen Bevölkerung Amerikas liegt die Häufigkeit nur noch zwischen 5 und 10 %. Dieses Phänomen lässt sich dadurch erklären, dass heterozygote Merkmalsträger eine relative Resistenz gegen Malaria besitzen – ein Umstand, der in Malariagebieten einen deutlichen Selektionsvorteil darstellt. In gemäßigten Breiten ist der Selektionsvorteil aufgrund der fehlenden Malaria nicht wirksam.

“Die Sichelzellkrankheit ist eine seltene, schwächende und lebensbedrohliche Blutkrankheit mit erheblichem ungedecktem Bedarf, und wir freuen uns, das Feld insbesondere für Personen, deren Leben durch die Krankheit stark beeinträchtigt wurde, voranzubringen, indem wir heute zwei zellbasierte Gentherapien zugelassen haben”, sagte Nicole Verdun, M.D., Direktorin des Office of Therapeuticproducts im Center for Biologics Evaluation and Research der FDA. “Die Gentherapie verspricht gezieltere und wirksamere Behandlungen, insbesondere für Menschen mit seltenen Krankheiten, bei denen die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten begrenzt sind.”

CRISPR/Cas9 kann so gesteuert werden, dass DNA in bestimmten Bereichen geschnitten wird, was die Möglichkeit bietet, DNA an der Stelle, an der sie geschnitten wurde, genau zu bearbeiten (zu entfernen, hinzuzufügen oder zu ersetzen). Die modifizierten Blutstammzellen werden zurück in den Patienten transplantiert, wo sie sich im Knochenmark einnisten (anheften und vermehren) und die Produktion von fetalem Hämoglobin (HbF) erhöhen. Bei Patienten mit Sichelzellanämie verhindert ein erhöhter HbF-Spiegel die Sichelbildung der roten Blutkörperchen.

“Diese Zulassungen stellen einen wichtigen medizinischen Fortschritt dar, da innovative zellbasierte Gentherapien eingesetzt werden, um potenziell verheerende Krankheiten zu bekämpfen und die öffentliche Gesundheit zu verbessern”, sagte Peter Marks, M.D., Ph.D., Direktor des Center for Biologics Evaluation and Research der FDA.

Diese Stammzellentransplantation ist teuer: Die Einmalbehandlung mit Casgevy hat einen Listenpreis von 2,2 Millionen Dollar, wie Vertex auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP schrieb.
Als Folge der FDA-Zulassung erhält das Zuger Biotechunternehmen von Vertex nun eine Meilensteinzahlung von 200 Millionen Dollar, wie beide Firmen weiter mitteilten. CRISPR Therapeutics erhält 40 Prozent der Gewinne, Vertex 60 Prozent.
Für die CRISPR-Technologie hatten die CRISPR Therapeutics-Co-Gründerin Emmanuelle Charpentier und die Amerikanerin Jennifer Doudna im Jahre 2020 den Nobelpreis erhalten.
Alles schön und gut. Die Frage, wie das Medikament die vielen Patienten in Äequatornähe, aber selbst in den USA erreichen soll, bleibt vorerst ungelöst.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen