In einer nicht systematischen Übersichtsarbeit wurden die Daten zur Influenza-Epidemiologie und Immunogenität des Grippeimpfstoffs und zur Wirksamkeit und Sicherheit in wichtigen Risikogruppen zusammengefasst. Außerdem wurde auch der optimale Zeitpunkt für die Impfung und der Einfluss einer Immunität auf die Reaktion auf den Impfstoff erörtert (1). Die Autoren kommen zu den folgenden Schlussfolgerungen:
Trotz Verbesserungen der Grippeimpfstoffe durch die Verwendung höherer Dosen, Adjuvantien und alternativen Verabreichungswegen ist die saisonale Influenza weiterhin ein grosses Problem für die öffentliche Gesundheit und eine Todesursache auf der ganzen Welt, insbesondere bei denjenigen anfällig für schwere oder komplizierte Erkrankungen. Trotz sehr grosser saisonaler Schwankungen in der Wirksamkeit stützen die verfügbaren Daten die aktuellen Empfehlungen, Risikogruppen gegen Influenza zu impfen und dies jährlich durchzuführen. Zu den dringendsten Fragen sind die Bestätigung der Wirksamkeit von verstärkten Grippeimpfstoffen im Vergleich zu Standardimpfstoffen und eine evidenzbasierte Betrachtung ihres potenziellen Nutzens bei Anwendung in grösserem Umfang zur Influenza-Prävention in Risikopopulationen. Brauchen wir unterschiedliche Korrelate des Schutzes bei bestimmten Erkrankungen, wie Fettleibigkeit oder Nierenversagen? Was sind die Risiken und Vorteile einer halbjährlichen Impfung?
Die Beziehung zwischen Immunreaktionen und Effektivität der Influenza-Vakzine wird von einer ganzen Reihe von virus-, wirts- und impfstoffspezifischen Faktoren beeinflusst, einschliesslich der Übereinstimmung zwischen Impfstoffstämmen und zirkulierenden Stämmen, dem Alter der Geimpften sowie dem Ausmass früherer Expositionen und vorbestehender Immunität. Meta-Analysen zur Wirksamkeit von Grippeimpfstoffen in bestimmten Bevölkerunwgsgruppen sind durch die grosse Anzahl von Studien beeinträchtigt, die anfällig für Verzerrungen sind oder potenzielle Faktoren berücksichtigen, die die Studienergebnisse erheblich beeinflussen können.
Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die verfügbaren Daten auf gut konzipierte Studien zu erweitern, die während mehrerer Grippesaisons in größeren Populationen durchgeführt wurden. Ausserdem ist es wichtig, ein besseres Verständnis für die langfristigen Auswirkungen einer wiederholten Grippeimpfung auf die künftige Wirksamkeit der Influenza-Impfung zu gewinnen. Der ideale Grippeimpfstoff würde einmal verabreicht werden und einen verlängerten oder sogar lebenslangen Schutz gegen alle Influenzastämme bieten, unabhängig von den Auswirkungen von Antigenshift und -drift. Ein solcher universeller Grippeimpfstoff würde einen wichtigen Beitrag zur globalen öffentlichen Gesundheit leisten, insbesondere bei Personen mit Erkrankungen, die ein hohes Risiko für schwere und komplizierten Influenza-Erkrankungen gefährdet sind, hat sich aber bisher als schwer realisierbar erwiesen.
Quelle: Buchya P and Badur S. Who and when to vaccinate against influenza. Int. Journal of Infectious Diseases 2020;93:375–387
Une revue non systématique a examiné les données relatives à la épidémiologie de la grippe et l’immunogénicité du vaccin antigrippal, ainsi que son efficacité et sécurité dans les principaux groupes à risque. En outre, le moment optimal pour la vaccination et l’influence de l’immunité.sur la réponse au vaccin (1). Les auteurs sont parvenus aux conclusions suivantes:
Malgré les améliorations apportées aux vaccins antigrippaux grâce à l’utilisation de doses plus élevées, d’adjuvants et de voies d’administration alternatives, la grippe saisonnière reste un problème majeur de la santé publique et une cause de décès dans le monde entier, en particulier chez les personnes susceptibles de développer des maladies graves ou compliquées. Malgré des variations saisonnières très importantes en termes d’efficacité, les données disponibles soutiennent les recommandations actuelles de vacciner les groupes à risque contre la grippe et de le faire chaque année. Parmi les questions les plus urgentes figurent la confirmation de l’efficacité des vaccins antigrippaux renforcés par rapport aux vaccins standard et l’examen, sur la base de données probantes, de leurs avantages potentiels lorsqu’ils sont utilisés à plus grande échelle pour prévenir la grippe dans les populations à risque. Avons-nous besoin de corrélats de protection différents pour certaines maladies, comme l’obésité ou l’insuffisance rénale? Quels sont les risques et les avantages d’une vaccination semestrielle?
La relation entre les réponses immunitaires et l’efficacité du virus de la grippe est influencée par toute une série de facteurs spécifiques au virus, à l’hôte et au vaccin, notamment la correspondance entre les souches vaccinales et les souches circulantes, l’âge des personnes vaccinées ainsi que l’ampleur des expositions antérieures et l’immunité préexistante. Les méta-analyses sur l’efficacité des vaccins antigrippaux dans des groupes de population spécifiques sont affectées par le grand nombre d’études susceptibles d’être biaisées ou de prendre en compte des facteurs potentiels susceptibles d’influencer considérablement les résultats des études.
Il est donc essentiel d’élargir les données disponibles à des études bien conçues, menées pendant plusieurs saisons grippales dans des populations plus importantes. Il est également important de mieux comprendre l’impact à long terme d’une vaccination antigrippale répétée sur l’efficacité future du vaccin antigrippal. Le vaccin antigrippal idéal serait administré une seule fois et offrirait une protection prolongée, voire à vie, contre toutes les souches de la grippe, indépendamment des effets du décalage et de la dérive antigéniques. Un tel vaccin antigrippal universel apporterait une contribution importante à la santé publique mondiale, en particulier chez les personnes souffrant de maladies à haut risque de grippe grave et compliquée, mais il s’est avéré difficile à réaliser jusqu’à présent.
Source: Buchya P and Badur S. Who and when to vaccinate against influenza. Int. Journal of Infectious Diseases 2020;93:375–387
Der Trikuspidalklappeninsuffizienz und ihrer Behandlung wurde lange Zeit eine geringe klinische Bedeutung beigemessen, da in der Vergangenheit nur chirurgische Verfahren zur Verfügung standen, die mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden waren. Grundlage der Therapie einer schweren Trikuspidalklappeninsuffizienz bleibt die optimale medikamentöse Behandlung mit Diuretika. Bei anhaltender schwerer Trikuspidalklappeninsuffizienz stehen eine Reihe neuartiger minimalinvasiver Reparaturverfahren sowie die perkutane Trikuspidalklappenimplantation zur Verfügung.
In the past, tricuspid valve regurgitation was considered of little clinical importance as only surgical procedures associated with high mortality rates were available. Cornerstone therapy for severe tricuspid valve insufficiency remained optimal medical treatment with diuretics. However, with advanced interventional techniques and new minimally invasive repair procedures including percutaneous tricuspid valve implantation, an updated assessment of treatment options is essential. Key Words: Tricuspid valve insufficiency, transcatheter therapy, valve reconstruction, valve replacement
Einführung
Die Prävalenz einer signifikanten, mässigen oder schweren Trikuspidalinsuffizienz (TI) beträgt ca. 0,6% in der Allgemeinbevölkerung und bis zu 3% nach dem 75. Lebensjahr, ähnlich wie bei der Aorten-stenose. Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass eine signifikante TI mit einer fast doppelt so hohen Sterblichkeit verbunden ist. Trotz der hohen Prävalenz und der schlechten Prognose wird sie nur selten operativ behandelt (1). Der Outcome bei operativer Sanierung hängt direkt mit der Funktion des linken (LV) und rechten Ventrikels (RV) und des Pulmonalarteriendrucks ab (2-4).
In der Vergangenheit wurde die Funktion der Trikuspidalklappe (TK) von der medizinischen Fachwelt als deutlich weniger wichtig erachtet als die Funktion der Aorten- und Mitralklappe. Ausserdem ging man davon aus, dass eine schwere TI mit alleiniger medikamentöser Therapie gut toleriert und kontrolliert werden kann. Die derzeitige Auffassung über die TK hat sich jedoch erheblich geändert.
Angesichts des hohen Risikos einer Trikuspidalklappenoperation (5, 6) und der schlechten Ergebnisse der konservativen Therapie (7) hat sich die kathetergestützte Trikuspidalintervention in jüngster Zeit als praktikable Alternative zur Chirurgie entwickelt. Zudem zeigten jüngste Studien, dass die Sterblichkeit im Spital, periprozedurale Komplikationen, sowie Dauer des Krankenhausaufenthalts und die medizinischen Kosten bei interventionellem Trikuspidalrepair im Vergleich zu den chirurgischen Methoden tiefer waren (8).
Im Folgenden werden die aktuell gängigen kathetergestützten Verfahren, die für die Reparatur oder den Ersatz der TK zur Verfügung stehen, sowie die damit verbundenen klinisch relevanten Studien erörtert.
Anatomie, Ätiologie und Symptome der Trikuspidalinsuffizienz
Die TK ist die grösste aller Herzklappen und in ihrer Morphologie sehr variabel. Der normale Trikuspidalanulus weist eine unebene D-förmige Struktur auf (9). Das vordere Segel, das eine viereckige Form hat, ist das grösste Segel und weist die grösste Bewegung auf, das hintere Segel, das eine dreieckige Form aufweist, ist das kürzeste. Das septale Segel, das halbkreisförmig ist und Einbuchtungen aufweist, ist das am wenigsten bewegliche Segel und ist direkt über dem interventrikulären Septum am Trikuspidalanulus befestigt (10). Eine kürzlich eingeführte neue Nomenklatur wird der Variabilität gerecht und berücksichtigt auch bikuspide, quadrikuspide und quindikuspide Konfigurationen in 5%, 39%, respektive 2% (11). Zusätzlich wurde die TI auch neu in 5 Schweregrade eingeteilt: reissend («torrential»), sehr schwer («massive»), schwer («severe»), mittelschwer («moderate») und leicht («mild») (12). Die TI ist in hohem Masse vom Ausmass der Dilatation des Klappenanulus abhängig (Abb. 1).
In ca. 90% der Fälle liegt eine sekundäre Genese vor, die Prävalenz nimmt dabei mit dem Alter zu (3, 9, 13, 14). Diese ist zumeist durch eine ischämische Herzkrankheit, Vorhofflimmern, Aorten- oder Mitralklappenerkrankungen, Kardiomyopathien oder pulmonale Erkrankungen verursacht. Eine wichtige Ursache ist auch die durch Schrittmacher- oder ICD-Elektroden induzierte TI. Ähnlich wie bei der Mitralklappe wird auch bei der TK zwischen der atriogenen und ventrikulogenen funktionellen TI unterschieden. Nur bei rund 10% der Patienten liegt eine primäre Aetiologie vor. Ursächlich dafür sind meist degenerative Veränderungen wie myxomatöse Degeneration (Prolaps), Endokarditis, Karzinoid-Syndrom, rheumatische Herzerkrankung oder Bestrahlung des Thorax, seltener kongenitale Ursachen wie eine Ebstein-Anomalie (13).
Zu den typischen Symptomen der TI gehören Müdigkeit und Leistungsreduktion, Atemnot, Appetitlosigkeit, Aszites und periphere Ödeme (13). Zur Verbesserung dieser Symptome werden in erster Linie Diuretika eingesetzt. Eine langjährige, hochdosierte Behandlung mit Diuretika zusammen mit der chronischen Rechtsherzinsuffizienz kann zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion (kardio-renales Syndrom), Leberfunktion und letztlich zu einem Nierenversagen und Leberzirrhose führen.
Behandlung der TI
Die Behandlung der TI ist komplex und sollte deshalb interdisziplinär im Heart Team evaluiert werden, um die optimale Lösung für jeden Patienten individuell definieren zu können. In vielen Fällen kann die defekte Herzklappe chirurgisch rekonstruiert werden. Dieser Eingriff wird meistens minimalinvasiv unter Verwendung der Herzlungenmaschine (HLM) vorgenommen und gilt heute als «Goldstandard». Bei einigen Patienten kommt eine chirurgische Lösung allerdings nicht in Frage, da die rechtsventrikuläre Funktion oder das operative Risiko prohibitiv sind. Für solche Fälle wurden wenig invasive Verfahren entwickelt, die am schlagenden Herzen angewandt werden.
Die Wahl der alternativen, katheterbasierten TK-Intervention (TTVI) ist ebenfalls komplex (Abb. 2). Neben den anatomischen Gegebenheiten ist auch ein umfassendes Verständnis der physiologischen und hämodynamischen Bedingungen wichtig für den Erfolg der Klappenintervention (Tab. 1) (15). Eine multimodale Evaluation, welche nicht-invasive und invasive Untersuchungen kombiniert, ist zentral und sollte idealerweise in einem euvolämen Patientenzustand durchgeführt werden. Dabei sind die zu erwartenden hämodynamischen Auswirkungen einer TTVI zu beachten: Eine Reduktion der TI erhöht akut die Nachlast des RV, was zu einer Verschlechterung der RV-Funktion führen kann. Langfristig zeigen sich aber auch eine Reduktion des RV-Volumens und Verbesserung der RV-Kontraktilität durch Reduktion der Volumenbelastung. Aktuelle Studien konnten trotz initial echokardiographischer Verschlechterung der RV-Funktion eine Verbesserung von Schlagvolumen und Herzminutenvolumen nach TTVI dokumentieren (16, 17).
Das Outcome nach TTVI hängt auch direkt von der Funktion anderer Organsysteme ab, insbesondere der Leber- und Nierenfunktion. Ein vorbestehendes hepato-kardiales Syndrom zeigte ein signifikant schlechteres Outcome nach TTVI hinsichtlich Mortalität und Re-Hospitalisationen wegen Herzinsuffizenz (18).
Unter katheterbasierte Verfahren fallen (in Analogie zu den Mitralklappenbehandlungen) Rekonstruktionsverfahren wie Implantation von Anuloplastie-Devices (Abb. 3), edge-to-edge repair (TEER, Abb. 3B und Abb. 4) und der interventionelle TK-Ersatz (Abb. 5). Abhängig von der zugrundliegenden valvulären Pathologie bieten sich auch kombinierte Eingriffe an, wie z.B. die direkte Ringanuloplastie mit anschliessender «edge-to-edge-repair». In kürzlich publizierten Studien haben TEER-Devices den echokardiografisch gemessenen Schweregrad der TI in 80-85% der Patienten von schwer auf moderat und davon in 30-50% der Fälle auf leicht reduziert. Gleichzeitig wurden eine signifikante klinische Besserung sowie eine Verbesserung der Lebensqualität dokumentiert (19, 20). Am effizientesten zeigte sich der orthotope Trikuspidalklappen-Ersatz, der bei 90% der Fälle den Schweregrad der TI auf mild oder weniger reduzieren konnte (21).
Transcatheter edge-to-edge valve repair (TEER)
Trikuspid-TEER ist aktuell das häufigste perkutane Verfahren für die Behandlung der TI. Weltweit sind hierfür zwei Implantate kommerziell erhältlich und in Europa für die Behandlung der Trikuspidalklappe zugelassen (CE Marktzulassung): TriClip (Abbott Vascular) und PASCAL (Edwards Lifesciences). Beide Devices folgen dem Prinzip des chirurgischen Alfieri-Stitch (edge-to-edge) und reduzieren die TI durch Koaptation der TK-Segel. In der Handhabung sind sie ähnlich: Der Zugang erfolgt über die Punktion der rechten Femoralvene und das Implantat wird über eine steuerbare Schleuse bis in den rechten Vorhof vorgeschoben. Das lenkbare Kathetersystem wird unter echokardiographischer und fluoroskopischer Kontrolle bis zur TK gesteuert. Die Orientierung und Zahl von implantierten Devices richtet sich nach der Art, Schweregrad und Anatomie der funktionellen und strukturellen Läsion. Am häufigsten werden die Implantate zwischen dem anterioren und septalen Segeln, seltener zwischen posterioren und septalen Segel platziert. Die Echokardiographie spielt eine entscheidende Rolle zur Auswahl anatomisch geeigneter Patienten, sowie intraprozedural zur Anleitung des Eingriffs (mittels TEE). Als geeignete Anatomien für eine TK-TEER gelten v.a. zentrale Jets zwischen dem anterioren und septalen Segel, ein Koaptations-Gap <7mm, ein umschriebener Prolaps oder Flail und eine trikuspide Klappenmorphologie (Tabelle 1). Eher ungeeignet sind Koaptations-Gaps >9mm, schwer verdickte oder verkalkte Segel, die anteroposteriore oder septoposteriore Hauptlokalisation des Jets, quadriskupide oder quindiskuspide Klappenmorphologien, sowie das Vorhandensein einer adhesiven Schrittmacher-Elektrode.
Der TriClip™ (Abbott Vascular) stellt eine modifizierte Form des seit 2008 in der Schweiz eingeführten MitraClip™ Systems dar und ist das erste Device, das eine breite klinische Anwendung erlangte. Um unterschiedlichen Patientenanatomien gerecht zu werden, gibt es TriClip™ in zwei verschiedenen Grössen. Da diese Prozedur am schlagenden Herz durchgeführt wird, kann der Interventionserfolg schon während dem Eingriff mittels TEE beurteilt werden. Die TRILUMINATE-Studie ist die erste randomisierte Studie, in welcher die TTVI mittels TriClip™ mit einer medikamentösen Therapie bei 350 Patienten mit schwerer TI verglichen wurde (20). Die TTVI führte zu einer deutlichen Reduktion der TI (leicht oder mittelschwer in 87% der Patienten). Zwar gab es keine Unterschiede bzgl. Gesamt-Mortalität oder Re-Hospitalisationen zwischen den beiden Gruppen, die Studie war allerdings nicht dafür gepowert. Die Resultate des vordefinierten primären hierarchischen Composite-Endpunktes fielen zugunsten der Device-Gruppe aus, wobei ausschlaggebend hierfür eine Verbesserung der Lebensqualität (gemäss Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire) in der Device Gruppe war. Zudem fand sich ein gradueller Zusammenhang zwischen Verbesserung der TI und subjektiver Besserung: Die besten subjektiven Resultate wurden in der Gruppe erzielt, in welcher die TTVI zu einer Abnahme der TI um 2 oder mehr Grade führte.
Das PASCAL-Reparatursystem (Edwards Lifesciences) ist in zwei Grössen erhältlich. Das PASCAL P10 Device verfügt über einen zentralen Spacer und zwei breitere Klammerarme, während das PASCAL Ace System über dünnere Klammerarme und einen schlankeren Spacer verfügt. Für den Einsatz in der Triksupidalklappe kommt aufgrund der anatomischen Komplexität und Fragilität der Trikuspidalklappe fast ausschliessen das PASCAL Ace System in Frage (22). Vorläufige Resultate der aktuell laufenden Studien (CLASP TR und TRICLASP) bei Patienten mit schwerer TI zeigten nach 30 Tagen eine Abnahme der TI auf lediglich leicht bis mittelschwer bei 86% bis 90% (23, 24). Der enddiastolische RV-Durchmesser wurde signifikant reduziert, während das LV-Schlagvolumen sowie der funktionelle Status, die körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität signifikant verbessert werden konnten. Weitere prospektive, randomisierte Studien, die den TriClip und das Pascal-Device mit optimaler medikamentöser Therapie und alternativen Methoden vergleichen, sind geplant.
Annuloplastie: Cardioband (Edwards Lifesciences)
Die Annuloplastie ist heutzutage ein Standardverfahren in der herzchirurgischen Behandlung der TK-Rekonstruktion. Als Transkatheter-Therapie muss sich die Annuloplastie noch etablieren. Da es sich um eine annuläre Behandlung handelt, zielt sie prinzipiell eher auf die Pathologie assoziiert mit annulärer Dilatation ab. Katheter-basierte Annuloplastie-Systeme lassen sich in Ring- (direkt oder indirekt), nahtbasierte und nicht nahtbasierte Systeme unterteilen. Präinterventionell sind gefährdete Strukturen im Interventionsgebiet mit Bildgebung und Herzkatheter zu beurteilen; die rechte Koronararterie (RCA), das Erregungsleitungssystem (AV-Knoten und rechtes His-Bündel), sowie das Ostium des Koronarsinus. Das Cardioband besteht aus einem adaptierbaren Dacronband, die Grösse des Bandes wird anhand von CT-Messungen bestimmt. Dieses wird vorhofseitig am anterioren Anulus mittels multipler Anker fixiert. Zur Sicherheit wird ein Führungsdraht in die RCA platziert, um eine Verletzung zu vermeiden. Sobald alle Anker eingesetzt sind, wird das System vom Band gelöst und entfernt (22). Unter Studienbedingungen lag das Risiko für eine RCA-Perforation oder einer Komplikation, die eine Stentimplantation erforderte bei 15 % (25, 26).
Transkatheter Trikuspidalklappen-Implantation
Die Transkatheter-TK-Implantation (Abb. 5) ermöglicht die Implantation einer biologischen Klappenprothese in TK-Position ohne den Einsatz einer HLM (Herz-Lungen-Maschine) und ohne chirurgischen Zugang (Sternotomie oder Thorakotomie). Grundsätzlich muss zwischen bereits operierten TK (nach Anuloplastie oder chirurgischem Trikuspidalklappenersatz) und nativen Klappen unterschieden werden: Valve-in-Valve-Eingriffe werden heute idR. mit Ballon-expandierbaren TAVI-Prothesen durchgeführt, welche ähnlich wie bei der Mitraklappe auch für die TK «zweckentfremdet» werden. Valve-in-Ring-Eingriffe sind allerdings bei der TK meist problematisch, da die implantierten chirurgischen Anuloplastie-Ringe idR nicht-geschlossen und uneben sind und daher kein gutes Widerlager für eine Katheter-gesteuerte Prothese darstellen.
Anspruchsvoller ist der orthotope Katheter-basierte Klappenersatz (Abb. 5B) bei der nativen TK. Die Verankerung der Prothese im Annulus ohne Beeinträchtigung der benachbarten anatomischen Strukturen (AV-Reizleitungs-System, RCA, Ostium des S. coronarius, etc.) bildet dabei die grösste Herausforderung. Unterschiedliche Modelle wurden in den letzten Jahren getestet. Aktuell am weitesten fortgeschritten ist das EVOQUE-System (Edwards Lifesciences). Diese selbst-expandierbare Bioprothese steht in verschiedenen Grössen zu Verfügung (44-52mm) und besteht aus Rinderperikard. Der Zugang erfolgt femoral-venös mittels Führungsdraht. Dieses Device weist eine geringe Radialkraft auf um schwere Reizleitungsstörungen oder RCA-Impingement zu vermeiden. Erste Resultate zeigen eine eindrückliche Reduktion der TI, in ca. 90% der Fälle auf leicht und weniger und eine erstaunlich tiefe 1-Jahres-Mortalität von 7-10% (21, 27).
Die EVOQUE ist die erste perkutan orthotop implantierbare Klappe, welche eine CE Zertifizierung für die Behandlung der TI bekommen hat (Oktober 2023).
Ein heterotoper Klappenersatz (Abb. 5A) ist bei schwer symptomatischen Patienten als palliativer Eingriff indiziert, bei denen alle anderen Verfahren ungeeignet oder mit zu hohem Risiko verbunden sind. Dabei erfolgt die Implantation der biologischen Klappen in die untere und/oder obere Hohlvene (uni- oder bikaval) ohne die TK selbst einzubeziehen. Der heterotope bikavale Trikuspidalklappen-Ersatz mittels TricValve (transcatheter bicaval valves system) führt zu einer akuten Reduktion der venösen Druckwerte und damit einer «Entstauung» im Systemkreislauf. Mittelfristig beobachtet man eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit, der 6-min-Gehstrecke sowie ein rechtsventrikuläres Remodelling (28). Die TricValve ist ein seit Mai 2021 CE-zertifiziertes Medizinprodukt. Von Vorteil ist, dass diese unabhängig von der Morphologie der Trikuspidalklappe bzw. des Annulus oder des RV implantiert werden können. In der Tricus EURO-Studie konnte bei 35 Patienten eine 94%ige Erfolgsrate mit signifikanter Besserung der echokardiographischen Parameter, Verringerung des Lebervenenrückflusses und funktioneller Besserung gezeigt werden (28).
Bei hoher Gefahr einer Klappenthrombose infolge tiefer Druck- und Flussverhältnisse im rechten Herz ist nach Trikuspidalklappen-Implantation eine Antikoagulation indiziert (22).
Die HerzKlinik Hirslanden wurde als erste Klinik in Europa als center of excellence für HeartTeam anerkannt und bietet entsprechende Workshops für nationale und internationale Herzklappenzentren.
Die Autoren erklären, dass dieser kurze Review unabhängig von kommerziellen oder finanziellen Beziehungen, die als potenzieller Interessenkonflikt ausgelegt werden könnten, durchgeführt wurde.
◆ Transkatheter-Eingriffe bieten für ein bestimmtes Patientengut eine gute, weniger invasive Alternative zur chirurgischen Sanierung. Dabei ist eine interdisziplinäre Evaluation im Heart Team essentiell.
◆ Die minimalinvasiven, katheterbasierten Verfahren ermöglichen es, dass eine frühzeitige Therapie der «forgotten valve» evaluiert wird.
◆ Je nach Patient, Symptomatik, Klappenmorphologie und Ursache der Insuffizienz sollte eine individuelle Therapiestrategie gewählt werden.
◆ Eine detaillierte prä- und periinterventionelle Bildgebung (insbesondere 3D-TEE und gegebenenfalls CT) sind für die Auswahl von Patient und Interventionstechnik von besonderer Bedeutung.
◆ Die aktuelle Studienlage ist vielversprechend und weist darauf hin, dass eine frühzeitigere Versorgung höhergradiger Trikuspidalinsuffizenzen die Mortalität, Symptome und den klinischen Verlauf signifikant verbessern kann.
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2020 wurden weltweit 431 288 Nierenzellkarzinome (RCC) diagnostiziert. Der Grossteil der Patienten wird durch eine Lokaltherapie geheilt. Je nach Risikofaktoren rezidivieren allerdings bis zu 70% der Tumore, was eine Einschränkung der Lebenserwartung zur Folge hat. Um eine Verbesserung der Prognose zu erreichen, wurden verschiedene Tyrosinkinase (TKI)-, mTOR- und Checkpointinhibitoren (IO) im perioperativen Setting getestet. Nur in zwei Studien S-TRAC und Keynote 564 konnte eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) gezeigt werden. Für Sunitinib im S-TRAC Trial führte dies allerdings nicht zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS). In Zusammenschau mit der Toxizität des Sunitinib wird der Einsatz von EAU und ESMO nicht empfohlen. Die Keynote 564 Studie wies für Pembrolizumab bei Patienten mit RCC und Risikokonstellation für ein Rezidiv eine Verbesserung des DFS nach und beim diesjährigen ASCO GU wurde eine robuster OS Benefit gezeigt. Es besteht allerdings die Gefahr einer Übertherapie mit dem Risiko von unnötiger Toxizität für den Patienten und einer finanziellen Belastung für das Gesundheitssystem. Die Identifikation von klinischen und molekularen Biomarkern ist entscheidend für eine optimale Patientenselektion.
431,288 renal cell carcinomas (RCC) were diagnosed worldwide in 2020. The majority of patients are cured through local therapy. However, depending on the risk factors, up to 70% of tumors recur, which results in a reduction in life expectancy. To achieve improvement, various tyrosine kinase (TKI), mTOR and checkpoint inhibitors (IO) have been tested in the perioperative setting. Only two trials S- TRAC and Keynote 564 showed an DFS benefit. However, for sunitinib in the S-TRAC trial, this did not lead to an improvement in overall survival (OS). Together with the remarkable toxicity of sunitinib, EAU and ESMO do not recommended the use. Keynote 564 demonstrated an improvement in DFS for pembrolizumab in patients with RCC and a high-risk constellation for recurrence. The presentation at this years ASCO GU showed an OS benefit. However, there is a risk of overtreatment with the risk of unnecessary toxicity for the patient and a financial burden on the healthcare system. The identification of clinical and molecular biomarkers is crucial for optimal patient selection. Key Words: adjuvant, clear cell carcinoma, immunotherapy, tyrosine kinase inhibitors
2020 wurden weltweit 431 288 Nierenzellkarzinome (RCC) diagnostiziert und 179 368 Todesfälle dokumentiert (1). Der Grossteil der Patienten mit Nierenzellkarzinomen wird durch Lokaltherapien geheilt. Je nach Tumorgrösse, Lymphknotenstatus, Fuhrmangrad rezidivieren allerdings bis zu 70 % der Tumore, was eine Einschränkung der Lebenserwartung zur Folge hat (2). Die Frage der adjuvanten Therapie von Nierenzellkarzinomen hat somit einen grossen Stellenwert zur Verbesserung der Prognose dieser Patientengruppe. In der metastasierten Situation wurden in den letzten Jahren viele Fortschritte mit signifikanter Verbesserung der Überlebenszeit gemacht. Viele von den verwendeten Substanzen wurden als logische Konsequenz auch in der adjuvanten Situation getestet.
Tyrosinkinase- und mTOR Inhibitoren
Die sechs Phase 3 Studien, die Tyrosinkinase- und mTOR Inhibitoren im adjuvanten Setting nutzten, unterscheiden sich hinsichtlich Histologien und Risikogruppen zum Teil erheblich (Tab. 1).
Der S-TRAC Trial konnte eine Verbesserung des DFS für Sunitinib mit einer HR 0,76 (95% KI 0,59 – 0,98) zeigen, was zur Zulassung durch die «US Food and Drug Administration» (FDA) in den USA führte. Eine Verbesserung des OS konnte allerdings nicht gezeigt werden. 27 % der Patienten in der Sunitinibgruppe brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen (AE) ab (3). Eine Zulassung in der Indikation erfolgte daher in Europa nicht und die Therapie wird von ESMO und EAU nicht empfohlen (4, 5). Keiner der anderen Trials mit TKI oder mTOR Inhibitoren konnte einen DFS oder OS Benefit zeigen (6-11).
Checkpointinhibitoren
Für den Einsatz von Checkpointinhibitoren im adjuvanten Setting gibt es vier vorgestellte Phase 3 Studien, die eine Hochrisikopopulation gemäss Histologie, TNM und Fuhrmangrad einschliessen (Tab. 2).
Die Keynote 564 konnte für Pembrolizumab eine Verbesserung des DFS mit einer HR 0,68 (KI 0,53 – 0,87) zeigen (12). Der Benefit blieb auch im 30 Monate follow up erhalten (13). Dieser DFS Benefit führte zur Zulassung durch die FDA und European Medcine Administration (EMA). Beim aktuellen ASCO GU wurden nun die OS-Daten präsentiert, mit einer statistisch signifikanten Verbesserung HR 0,62 (KI 0,44 – 0,87) (14).
Die aktuellen NCCN Guidelines empfehlen eine adjuvante Therapie mit Pembrolizumab gemäss den Einschlusskriterien der Keynote 564 (15). Die aktuellen ESMO und EAU Guidelines schliessen sich dem mit einer optionalen respektive schwachen Empfehlung an. Allerdings berücksichtigen diese noch nicht den OS Benefit. (4, 5). Der IMmotion 010 Trial untersuchte Atezolizumab bei Patienten mit klarzelligem und sarkomatoid dedifferenziertem RCC ohne DFS-Benefit (16).
Die Checkmate 914 Studie testete die im metastasierten Stadium sehr effektive Kombination aus Ipiliumumab und Nivolumab. Etwas überraschend konnte kein DFS Benefit gezeigt werden (17). Der Prosper Trial verabreichte Nivolumab 2 x präoperativ zusätzlich zur adjuvanten Therapie, aber auch ohne DFS Benefit und wurde vorzeitig beendet (19).
Der RAMPART Trial rekrutiert aktuell Patienten für eine Durvalumabmonotherapie oder die Kombination aus Durvalumab und Tremelimumab. Die erste Datenauswertung ist für 2024 vorgesehen (20).
Die Frage, warum nur eine von vier IO basierten Studien einen DFS und OS Benefit zeigen konnte, kann bisher nicht abschliessend beantwortet werden. Es gibt keinen direkten Vergleich der verschiedenen PD-1 und PD-L1 Inhibitoren in der adjuvanten Situation. Das Studiendesign und die Einschlusskriterien der verschiedenen Studien sind heterogen. Prosper schloss nicht klarzellige Histologien ein, welche ein geringeres Ansprechen auf eine IO-Therapie im metastasierten Stadium zeigen (21). Die Subgruppenanalyse sowohl von der Keynote 564 als auch der CheckMate 914 lassen für Tumore mit sarkomatoider Differenzierung einen Benefit vermuten (13, 17).
Patienten mit vollständiger Metastasenresektion (M1 NED) wurden in der Keynote 564 und in der IMmotion 010, nicht aber in der CheckMate 914 eingeschlossen. Auch der PROSPER Trial schloss Patienten mit M1 NED ein, allerdings nur 3%. In der Subgruppenanalyse der Keynote 564 profitieren insbesondere Patienten mit M1 NED.
Die Therapiestrategie für den Rezidivfall nach adjuvanter Therapie ist aktuell noch unklar. Ist von einer IO/IO oder IO/TKI Therapie noch ein Benefit zu erwarten?
Spielt die Therapiedauer und kumulative Dosis eine Rolle? CheckMate 914 hatte eine geplante Therapiedauer von nur 6 Monaten. Trotzdem brachen 32% der Patienten die Therapie vorzeitig ab. Es gibt einen dritten Studienarm mit einer Nivolumabmonotherapie, auch für diesen konnte keine DFS-Benefit gezeigt werden (17,18). Ausserdem wurde mit der 6 wöchentlichen Gabe ein anderes Ipilimumabschema als im metastasierten Stadium üblich gewählt. Vergrösserte Therapieintervalle für Ipiliumumab gehen nicht mit einer reduzierten Effektivität in der metastasierten Situation einher (22).
Der nun nachgewiesene solide OS Benefit für Pembrolizumab ändert die Situation. Es ist davon auszugehen, dass die Guidelines der Fachgesellschaften angepasst werden.
Im präsentierten Zeitraum von 48 Monaten waren 64,9% in der Pembrolizumabgruppe vs 56,6% in der Placebogruppe ohne Rezidiv (14). Dies bedeutet aber auch, dass für 56,6% der Patienten Pembrolizumab eine Übertherapie darstellen würde. Eine optimale Patientenselektion ist also von entscheidender Bedeutung, und die Identifikation von klinischen und molekularen Biomarkern ist Gegenstand laufender und zukünftiger Forschung.
Dr. med. Katharina Hoppe
Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
Prof. Dr. med. Richard Cathomas
Onkologie/Hämatologie
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur
richard.cathomas@ksgr.ch
K. Hoppe hat folgende COI: Bayer, BMS, MSD,
Novartis, Pfizer. R.Cathomas hat folgende COI: Consulting für BMS, MSD, Roche, Pfizer, Bayer, Honoraria von BMS
◆ Die Frage der adjuvanten Therapie von Nierenzellkarzinomen ist weiterhin nicht beantwortet. Adjuvant Pembrolizumab zeigt zwar einen DFS Benefit aber bisher nur einen Trend für ein OS Benefit. Eine Therapie kann nach ausreichender Kosten- und Nutzenabwägung gemeinsam mit dem Patienten insbesondere bei Hochrisikokonstellation wie zum Beispiel sarkomatoider Differenzierung evaluiert werden. Um eine Übertherapie mit der Gefahr unnötiger Toxizität zu verhindern ist die Identifikation von klinischen und molekularen Biomarkern entscheidend für die optimale Patientenselektion.
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12. Choueiri TK, Tomczak P, Park SH, Venugopal B, Ferguson T, Chang YH, et al. Adjuvant Pembrolizumab after Nephrectomy in Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med. 2021;385(8):683-94.
13. Powles T, Tomczak P, Park SH, Venugopal B, Ferguson T, Symeonides SN, et al. Pembrolizumab versus placebo as post-nephrectomy adjuvant therapy for clear cell renal cell carcinoma (KEYNOTE-564): 30-month follow-up analysis of a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Oncol. 2022;23(9):1133-44.
14. Choueiri et al. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr LBA359)
15. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®)
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16. Pal SK, Uzzo R, Karam JA, Master VA, Donskov F, Suarez C, et al. Adjuvant atezolizumab versus placebo for patients with renal cell carcinoma at increased risk of recurrence following resection (IMmotion010): a multicentre, randomised, double-blind, phase 3 trial. Lancet. 2022;400(10358):1103-16.
17. Motzer RJ, Russo P, Grunwald V, Tomita Y, Zurawski B, Parikh O, et al. Adjuvant nivolumab plus ipilimumab versus placebo for localised renal cell carcinoma after nephrectomy (CheckMate 914): a double-blind, randomised, phase 3 trial. Lancet. 2023;401(10379):821-32.
18 Motzer et al. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr LBA358)
19. Allaf M, Kim SE, Harshman LC, McDermott DF, Master VA, Signoretti S, et al. LBA67 Phase III randomized study comparing perioperative nivolumab (nivo) versus observation in patients (Pts) with renal cell carcinoma (RCC) undergoing nephrectomy (PROSPER, ECOG-ACRIN EA8143), a National Clinical Trials Network trial. Annals of Oncology. 2022;33:S1432-S3.
20. Oza B, Frangou E, Smith B, Bryant H, Kaplan R, Choodari-Oskooei B, et al. RAMPART: A phase III multi-arm multi-stage trial of adjuvant checkpoint inhibitors in patients with resected primary renal cell carcinoma (RCC) at high or intermediate risk of relapse. Contemp Clin Trials. 2021;108:106482.
21. Zoumpourlis P, Genovese G, Tannir NM, Msaouel P. Systemic Therapies for the Management of Non-Clear Cell Renal Cell Carcinoma: What Works, What Doesn’t, and What the Future Holds. Clin Genitourin Cancer. 2021;19(2):103-16.
22. Vasudev NS, Ainsworth G, Brown S, Pickering L, Waddell TS, Fife K, et al. LBA29 Nivolumab in combination with alternatively scheduled ipilimumab in first-line treatment of patients with advanced renal cell carcinoma: A randomized phase II trial (PRISM). Annals of Oncology. 2021;32:S1304-S5.
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17. Allaf M, Kim SE, Harshman LC, McDermott DF, Master VA, Signoretti S, et al. LBA67 Phase III randomized study comparing perioperative nivolumab (nivo) versus observation in patients (Pts) with renal cell carcinoma (RCC) undergoing nephrectomy (PROSPER, ECOG-ACRIN EA8143), a National Clinical Trials Network trial. Annals of Oncology. 2022;33:S1432-S3.
18. Oza B, Frangou E, Smith B, Bryant H, Kaplan R, Choodari-Oskooei B, et al. RAMPART: A phase III multi-arm multi-stage trial of adjuvant checkpoint inhibitors in patients with resected primary renal cell carcinoma (RCC) at high or intermediate risk of relapse. Contemp Clin Trials. 2021;108:106482.
19. Zoumpourlis P, Genovese G, Tannir NM, Msaouel P. Systemic Therapies for the Management of Non-Clear Cell Renal Cell Carcinoma: What Works, What Doesn’t, and What the Future Holds. Clin Genitourin Cancer. 2021;19(2):103-16.
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Die COPD gilt als Volkserkrankung. Die globale Prävalenz der COPD liegt bei 10,3% mit steigender Tendenz aufgrund der steigenden Anzahl rauchender Menschen in low and middle-income-countries (LMICs) und der zunehmenden Alterung in high income countries. Wie schon in den Vorjahren gab es 2023 von der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) ein Update zur erstmalig 2001 publizierten Empfehlung bezüglich Diagnose, Management und Prävention der COPD mit einigen essentiellen Neuerungen. (1)
COPD is considered a widespread disease and the global prevalence of COPD is 10.3% with an upward trend due to the increasing number of smokers in low and middle-income countries (LMICs) and the ageing population in high-income countries. As in previous years, in 2023 the Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) issued an update to the recommendation first published in 2001 recommendation regarding the diagnosis, management and prevention of COPD with some essential innovations (1). Key Words: COPD, Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), prevention of COPD
Unter anderem wird die Definition der Erkrankung COPD angepasst, die berücksichtigt, dass neben dem Tabakrauch als Hauptursache der Erkrankung andere weitere pathogenetische Mechanismen zur klinischen Präsentation der COPD als sehr heterogene Erkrankung beitragen. Die angepasste Taxonomie umfasst folgende sogenannte Etiotypen der COPD:
► COPD-G (genetic): genetisch determinierte COPD, z.B. AA1AT Mangel
► COPD-D (developement): durch abnorme Lungenentwicklung verursacht, z.B. Frühgeburtlichkeit
► COPD-C (cigarette): durch Exposition zu Tabakrauch (Zigaretten, Passivrauchexposition, Vaping/E-Zigarette) verursacht
► COPD-P (pollution): durch Exposition gegenüber (Luft-) Schadstoffen verursacht
► COPD-I (infections): durch schwere/wiederholte (frühkindliche) Infekte verursacht
► COPD-A (asthma): in Verbindung mit Asthma in Kindheit stehend
► COPD-U (unknown): unbekannte Urache
Die Diagnose der COPD sollte aufgrund der Anamnese, klinischen Symptomen, körperlicher Untersuchung und zudem spirometrischer Untersuchung gestellt werden. Bei der Spirometrie gilt weiterhin eine postbronchodilatatorische FEV1/FVC Ratio (Tiffeaneauwert) unter 70 % als Hinweis für eine obstruktive Ventilationsstörung. Es ist aber zu beachten, dass die Verwendung eines fixen FEV1/FVC Verhältnisses (kleiner 70%) zur Definition einer Obstruktion bei älteren Menschen zu einer Überdiagnose und bei jungen Erwachsenen zu einer Unterdiagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung bzw. der COPD führen kann, insbesondere bei leichten Erkrankungen (2).
Favorisiert wird daher die Verwendung eines Grenzwertes, der auf der unteren Grenze der Normalwerte für FEV1/FVC basiert (LLN: lower limit of normal). Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein erniedrigter FEV1 Wert (FEV1 kleiner 80% des Referenzwertes nach Bronchodilatation) bei gleichzeitig noch normalem Tiffeaneauwert über 70 % mit respiratorischen Beschwerden verbunden ein Vorbote einer COPD sein kann (PRISm: Preserved ratio impaired spirometry). Diese Patientengruppe weist auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für Komorbiditäten insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen und eine höhere
Mortalität jedweder Ursache auf (3). Die Einteilung der COPD-Patienten in die Schweregrade GOLD 1-4 erfolgt weiterhin bei eingeschränktem Tiffenauwert unter 0,7 bzw. 70 % nach bronchialem Dilatationstest abhängig von der Einschränkung der absoluten Einsekundenkapazität (GOLD 1: kleiner 80 % vom FEV1 Sollvolumen bis GOLD 4: kleiner 30 % vom FEV1 Sollvolumen).
Erwähnt werden sollte auch, dass eine nicht vollständige Reversibilität der Obstruktion im Bronchospasmolysetest (Spirometrie vor und 10 -15 min nach Gabe eines kurzwirksamen Betamimetikums mit positivem Befund bei Besserung der FEV1 um mehr als 200 ml und 10 % gegenüber Ausgangswert) auch bei Asthma und anderen Erkrankungen vorkommen kann. Zudem wird bei diagnostischen Unklarheiten die erweiterte lungenfunktionelle Diagnostik (hier v.a. Bodyplethysmographie und die Messung der Diffusionskapazität) und auch bildgebende Untersuchungen ((Herz-)ultraschall, Computertomographie, Pulsoxymetrie (auch bei Belastung, z.B. Sechsminutengehtest)) empfohlen. Gerade das CT Thorax sollte bei Patienten mit rezidivierenden Exacerbationen (u.a. Frage nach Bronchiektasien) bei einem FEV1 Wert unter 45% (u.a. Frage nach Hyperinflation/Emphysem), bei Symptomen die nicht im Verhältnis zum Schweregrad der Lungenfunktionseinschränkung bestehen (u.a. Frage nach Lungenfibrose) und bei Patienten, die die Kriterien für eine Lungenkrebsfrüherkennung erfüllen, erfolgen (4).
Betont wird von GOLD weiterhin die Bedeutung von Komorbiditäten wie v.a. kardiovaskulären Erkrankungen, Lungenkrebs, Osteoporose, gastrooesophagealer Reflux, Diabetes mellitus, Depression und Angststörungen sowie Sarkopenie, welche einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der COPD-Erkrankung und die Prognose haben. Dabei wird neben dem Rauchen auch eine chronische Inflammation im gesamten Organismus als Ursache für die Komorbiditäten vermutet (5).
Aufgrund der grossen Bedeutung von Exacerbationen für den Verlauf und die Prognose der COPD-Erkrankung werden die Schweregrade C und D neu zum Schweregrad E zusammengelegt, der, unabhängig von der Symptomschwere, durch mindestens zwei moderate Exazerbationen, beziehungsweise eine Exacerbation, die aber zur Hospitalisierung führt, charakterisiert ist (Abbildung 1).
Die Symptomatik sollte mittels CAT (COPD-Assessment-Test) oder mMRC (modified Medical Research Council)-Grades ermittelt werden und bestimmt die Einteilung in Gruppe A (wenig Symptome) oder B (starke Symptome), wenn nicht mehr als eine moderate Exacerbation (ohne Hospitalisierung) im Jahr stattgefunden hat (6, 7).
Ein wichtiger neuer Aspekt ist auch die angepasste Definition einer Exacerbation. Diese ist durch zunehmende Atemnot und/oder Husten mit Sputum innerhalb von weniger als 14 Tagen gekennzeichnet. Dies kann mit Tachypnoe und/oder Tachykardie einhergehen und ist oft mit gesteigerter lokaler und systemischer Inflammation verbunden, welche durch Atemwegsinfektionen, Luftverschmutzung oder andere Irritationen der Atemwege verursacht wird (8).
Wichtige Differentialdiagnosen bei einer COPD-Exacerbation sind Lungenembolie, kardiale Dekompensation, Myocardinfarkt, Pneumonie und Pneumothorax (9). Die Langzeitprognose einer COPD- Exazerbation mit Krankenhausaufenthalt ist mit Sterblichkeitsrate von ca. 50 % nach 3,6 Jahren schlecht. Zu den prognostischen Faktoren, die unabhängig voneinander mit einem schlechten Verlauf verbunden sind, gehören höheres Alter, niedrigerer BMI, Komorbiditäten (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Lungenkrebs), frühere Krankenhausaufenthalte wegen COPD-Exazerbationen, klinischer Schweregrad der Exacerbation und Notwendigkeit einer langfristigen Sauerstofftherapie bei der Entlassung.
Auch wenn bis 80 % aller Exacerbationen ambulant behandelt werden können (medikamentös mit Bronchodilatoren, Steroidstosstherapie mit 40 mg Prednison für 5 Tage und Antibiotika bei Patienten mit den drei Kardinalsymptomen vermehrte Dyspnoe, vermehrte Sputummenge und Sputumpurulenz) (10, 11) schlägt GOLD folgende Indikationen für eine Spitaleinweisung bei Exacerbation vor:
► schwere Symptome wie akute Dyspnoezunahme in Ruhe, hohe Atemfrequenz, schlechte Sauerstoffsättigung, neu Verwirrtheit
► akute respiratorische Insuffizienz
► Neuauftreten von körperlichen Zeichen wie Zyanose oder peripheren Ödemen
► fehlendes Ansprechen auf die initiale medikamentöse Therapie der Exacerbation
► schwere Komorbiditäten wie Herzinsuffizienz oder neu aufgetretene Herzrhythmusstörungen
► insuffiziente häusliche Versorgung
Die meisten COPD-Patienten leiden noch mehrere Wochen lang an den Folgen der Exacerbation und kommen oft nie auf ihren ehemaligen klinischen Stand zurück. Eine frühzeitige klinische Nachkontrolle sollte innerhalb eines Monats nach der Entlassung erfolgen und führt zu weniger Rückfällen bzw. Re-Exacerbationen (1).
Die Therapie der stabilen COPD basiert auf der Symptomatik und Exacerbationshistorie mit Einteilung in die Risikogruppen A, B und E und gliedert sich in zwei Teile, einerseits die initiale Therapieempfehlung und andererseits die Follow-Up-Behandlung.
Die Basistherapie der COPD besteht grundsätzlich aus Bronchodilatoren, in Gruppe A empfiehlt GOLD einen kurz- oder langwirksamen Bronchodilatator mit Präferenz für ein langwirksames Präparat, hierbei mit gewisser Bevorzugung langwirksamer Anticholinergika. In den Gruppen B und E ist die duale Bronchodilatation (Kombination aus LABA (long acting beta agonists) und LAMA (long acting muscarinic agonists) die Therapie der Wahl. Die Kombination aus LABA und ICS (inhaled corticosteroid) wird bei der COPD-Therapie grundsätzlich nicht mehr empfohlen. Falls ICS indiziert sind (siehe Graphik ICS Therapie Kriterien) sollte eine Dreifachkombination aus LABA, LAMA und ICS erfolgen. Als Kriterium für ICS als zusätzliche Therapie in Gruppe E sollte die Zahl der eosinophilen Zellen im Differentialblutbild (grösser als 300 Eosinophile/µl) und die Exacerbationshistorie herangezogen werden. Eine Langzeitgabe von oralen/systemischen Steroiden ist kontraindiziert.
Bei der Followup Situation ist entscheidend, ob die Patienten mehr unter Symptomen leiden oder aber eher bei dem Patienten unter Therapie zwischenzeitlich Exacerbationen aufgetreten sind. Bei einer bereits laufenden Therapie mit LABA/LAMA Kombination wird dann eine Eskalation mit ICS empfohlen (LABA/LAMA/ICS Kombination = Tripletherapie), falls die Eosinophilenzahl im peripheren Blutbild bei mehr als 100 Zellen/µl liegt. Hier ist aber zu beachten, dass eine ggf. zum Zeitpunkt der Blutbildbestimmung durchgeführte systemische Steroidtherapie eine ansonsten vorliegende Eosinophilenzahl von über 100/µl verschleiern kann.
Im Vergleich zu einer LAMA/LABA Kombinationstherapie kann die Behandlung mit einer Tripletherapie bei symptomatischen Patienten, bei denen es unter Therapie zu Exacerbationen kommt, einen signifikanten Überlebensvorteil bringen (12).
Fixkombinierte Wirkstoffe (sog. fixe Triple-Therapie) bieten hinsichtlich des grösstmöglichen Nutzens und der Therapieadhärenz einen Vorteil. Grundsätzlich empfiehlt GOLD vor/bei jeder Therapieänderung eine Bewertung, Überprüfung und Berücksichtigung der Symptomatik und Exacerbationshistorie aber auch der Inhalationstechnik und Therapietreue sowie von nichtpharmakologischen Massnahmen wie Rauchentwöhnung oder auch ambulante/stationäre Rehabilitationsmassnahmen mit dem Ziel der Steigerung der körperlichen Aktivität.
Darüber hinaus wird allen COPD-Patienten die Influenza-, SARS- Cov-2-, Pneumokokken-, Pertussis- und Herpes Zoster-Impfung empfohlen.
Last but not least ist für die optimale Betreuung unserer COPD-Patienten die bestmögliche Kooperation von Hausärzten, Fachärzten, Physiotherapeuten, Ernährungsspezialisten, Rehabilitationsmedizinern und im Endstadium auch Palliativmedizinern essentiell und unabdingbar.
Interessenskonflikt: Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
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Zwischen dem 24. und 27. September 1799 überschritt General Suworow mit seiner Armee von Altdorf kommend den Chinzig Chulm nach Muotathal, wo er vergeblich den Ausbruch nach Schwyz und weiter den Zusammenschluss mit den verbündeten Armeen bei Zürich suchte. Der Chinzigpass stellte grössere technische Herausforderungen für seine Soldaten als der Gotthardpass, da dieser zweite Übergang nur von lokaler Bedeutung und deshalb lediglich durch kaum oder schlecht befestigte Bergwege erschlossen war.
Wie am Gotthard und in der Schöllenenschlucht musste sich die russische Armee auch hier den Weg zum Pass hinauf freikämpfen und vorerst zwei französische Bataillone mit dem Bajonett besiegen. Danach waren die Soldaten und ihr Tross schlechtem Wetter mit eisigem Wind, Regen und Schneefall ausgesetzt. Die Wege waren vermutlich bald einmal völlig verschlammt oder vereist und stellten Truppen sowie Train insbesondere im stotzigen Aufstieg zum Chinzig Chulm vor grosse Schwierigkeiten. An die Biwaks in nasser Kleidung und ohne adäquate Ausrüstung mag man gar nicht erst denken. Während meiner Überschreitung des Passes am 23. November 2018 bei ebenfalls launischem Wetter und eisigem Wind war ich oft in Gedanken bei jenen russischen Soldaten und schätzte meinen leichten Rucksack sowie die moderne Gebirgsausrüstung sehr.
Wir starten die etwas längere Wanderung bei der Bergstation der Luftseilbahn Flüelen – Eggberge und folgen dem Fahrsträsschen über Unter- und Ober-Eggberge, bis dieses nach mehreren Kehren die Trasse des Skiliftes quert. Hier zweigt in östlicher Richtung ein Bergweg ab, der zur Hüenderegg hinaufführt, einem herrlichen Aussichtspunkt, hoch über dem Reusstal gelegen (Abb. 1). Der Blick reicht vom Schärhorn zu Windgällen, Bristen, Urirotstock und weiter über das Nebelmeer im Mittelland hinaus bis zur fernen Jurakette. Nach kurzer Rast steigen wir nach Norden über den Gratrücken zum Flesch Kiosk ab und queren anschliessend die Ostseite der Krete in Richtung der Chalberweid, von wo wir weglos durch den Kessel zwischen Hagelstock und Hagelstöckli den von letzterem herunterziehenden Grat, wie oft hier in der Gegend Eggen genannt, mit seinem Geländepunkt 1949 Meter gewinnen. Hier erwartet uns wieder eine Bank, die zum erneuten Geniessen der Aussicht einlädt. Weiterhin weglos steigen wir Richtung Wiltschi ab, wo wir über den Schächentaler Höhenweg das Skihaus Edelweiss erreichen, ein weiterer Ort der möglichen Einkehr.
Nun beginnt der Aufstieg durch den Felsenkessel über der Alp Hinter Wissenboden hinauf zum Chinzig Chulm. Der Pfad ist in seinem oberen Teil steil und an einigen Stellen in den Fels geschlagen. Im Bewusstsein, dass Suworows Armee damals zu wenig Maultiere für diesen Übergang zur Verfügung standen und deshalb auch Laffetten und Kanonenrohre, soweit nicht schon aufgegeben, von den Soldaten selbst getragen werden mussten, fällt dieser Anstieg ohne schwere Last leicht. Auf dem Pass, am Fuss der kleinen Kapelle, erinnert eine Gedenktafel an den Durchgang der russischen Armee (Abb. 2). Auch eine kleine Schutzhütte steht heute hier, die man bei windigem Wetter gerne in Anspruch nimmt.
Für den Abstieg ins Hürital wenden wir uns vorerst gegen Norden Richtung Wandfuss des Chaiserstocks, bevor wir nach Nordosten umbiegen und über Hoch Biel und Lang Egg zur Seenalp mit dem gleichnamigen See hinuntergehen. Hier erwartet uns eine karge, von Karren und Schratten durchzogene Landschaft, die im ersten Schnee nur noch abweisender wirkt (Abb. 3). Auf dem Seenalper Seeli sirrt die sich bildende dünne Eisdecke unter dem dahinfegenden Wind. Über Tannenboden und durch den Stöckwald geht es nun immer steiler hinab zum Grund und weiter bis Liplisbüel, wo im Sommer eine weitere Gastwirtschaft auf müde Wanderer wartet. In der Gruobi weiter talwärts, einem im Kanton Schwyz häufig anzutreffenden Unterstand aus Holz, hängen Gedenktafeln, die an den Tod von Wildheuern erinnern, welche vom Träsmerenband hoch oben am Wasserbergfirst stürzten.
Der alte Talweg folgt dem Hüribach bis hinunter nach Muotathal (Abb. 4). Ausgangs Hürital hat sich das Wildwasser über die Zeit eine tiefe enge Schlucht gegraben und lässt die Naturgewalten erahnen, die einmal entfesselt Mensch und Tier auch heute zu bedrohen vermögen. Am gegenüberliegenden Hang sind noch gut die Verwüstungen des Murganges zu erkennen, der im Januar 2016 vom First entlang des Teufbachs niederfuhr und einen einheimischen Autofahrer in den Tod riss. 2010 erfolgte zudem zwischen dem Weiler Ried und dem Dorf Muotathal beim Mettelbach ein mächtiger Felssturz, der im darunterliegenden Wald einen mächtigen Schuttkegel zurückliess.
Suworow fand bei seinem Durchzug im Minoritinenkloster nördlich des Dorfes Unterschlupf, während seine Truppen sich gegen die Franzosen bis zur Brücke in der Schlucht beim Schlattli vorkämpften. Letztere trägt noch heute den Namen des Generals. Da sie den Ausbruch nach Schwyz nicht schafften, zog das russische Heer schliesslich über Pragel- und Panixerpass bis ins Vorderrheintal, wo Suworow ohne den angestrebten militärischen Erfolg bei Zürich seine Reise in die russische Heimat antrat.