Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Depressionen, Ängste und das Krebsrisiko: Eine Meta-Analyse der Daten einzelner Teilnehmer

van Tuijl L.A. Depression, anxiety, and the risk of cancer: An individual participant data meta-analysis. Cancer First published: 07 August 2023, https://doi.org/10.1002/cncr.34853

Seit langem wird vermutet, dass Depressionen und Angstzustände mit einem erhöhten Krebsrisiko zusammenhängen. Trotz der umfangreichen Forschungsarbeiten sind die Ergebnisse nicht eindeutig. Um eine solidere Grundlage für die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Depressionen, Ängsten und der Häufigkeit verschiedener Krebsarten (Gesamtkrebs, Brustkrebs, Lungenkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs, alkoholbedingter Krebs und Krebs im Zusammenhang mit dem Rauchen) zu schaffen, wurden im Rahmen des Konsortiums Psychosocial Factors and Cancer Incidence (PSY-CA) Meta-Analysen der Daten einzelner Teilnehmer (IPD) durchgeführt.

Methoden

Das PSY-CA-Konsortium umfasst Daten aus 18 Kohorten mit Messungen von Depressionen oder Angstzuständen (bis zu N = 319.613; Krebsinzidenzen, 25.803; Personenjahre des Follow-up, 3.254.714). Sowohl die Symptome als auch die Diagnose von Depressionen und Ängsten wurden als Prädiktoren für das zukünftige Krebsrisiko untersucht. Es wurden zweistufige IPD-Meta-Analysen durchgeführt, zunächst unter Verwendung von Cox-Regressionsmodellen in jeder Kohorte (Stufe 1) und dann durch Aggregation der Ergebnisse in Meta-Analysen mit zufälligen Effekten (Stufe 2).

Ergebnisse

Es wurden keine Zusammenhänge zwischen Depressionen oder Angstzuständen und Krebs insgesamt, Brust-, Prostata-, Darmkrebs und alkoholbedingten Krebserkrankungen festgestellt. Depressionen und Angstzustände (Symptome und Diagnosen) wurden mit der Inzidenz von Lungenkrebs und rauchbedingten Krebserkrankungen in Verbindung gebracht (Hazard Ratios [HRs], 1,06-1,60). Diese Assoziationen wurden jedoch erheblich abgeschwächt, wenn zusätzlich bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und Body-Mass-Index berücksichtigt wurden (HRs, 1,04-1,23).

Schlussfolgerung

Depressionen und Angstzustände stehen nicht in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für die meisten Krebserkrankungen, mit Ausnahme von Lungenkrebs und rauchbedingten Krebserkrankungen. Diese Studie zeigt, dass wichtige Kovariaten wahrscheinlich den Zusammenhang zwischen Depressionen, Ängsten und Krebserkrankungen der Lunge und des Rauchens erklären.

Kommentar

Robuste Zahlen zu einer oft gestellten Frage. Auch ein gutes Beispiel dafür, dass Assoziationen keine Kausalzusammenhänge beweisen und dass die subjektive Erfahrung mit vielen depressiven Krebskranken meist Folge und nicht Ursache des Beobachteten ist. Zudem zeigt die Studie, dass ein Zusammenhang, wenn denn einer existiert, häufig durch Begleitfaktoren bedingt ist.

Leider werden diese Zusammenhänge in den Medien häufig bei der Berichterstattung vernachlässigt, nicht nur in der Medizin.

Erstlinienbehandlung mit Pembrolizumab + Chemotherapie versus Placebo + Chemotherapie bei persistierendem, rezidivierendem oder metastasiertem Gebärmutterhalskrebs: Endgültige Ergebnisse zur Gesamtüberlebenszeit von KEYNOTE-826.

Monk BJ et al. First-Line Pembrolizumab + Chemotherapy Versus Placebo + Chemotherapy for Persistent, Recurrent, or Metastatic Cervical Cancer: Final Overall Survival Results of KEYNOTE-826. DOI: 10.1200/JCO.23.00914 Journal of Clinical Oncology

Die doppelblinde Phase-III-Studie KEYNOTE-826 mit Pembrolizumab 200 mg oder Placebo einmal alle drei Wochen für bis zu 35 Zyklen plus platinbasierter Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab zeigte einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil Dieser Artikel berichtet über das Gesamtüberleben (OS), die in den Populationen PD-L1 combined positive score (CPS) ≥1, all-comer und CPS ≥10 getestet wurden. Die mediane Nachbeobachtungszeit der Studie beträgt 39,1 Monate (CI 32,1-46,5 Monate). In den Populationen PD-L1 CPS ≥1 (N = 548), All-Comer (N = 617) und CPS ≥10 (N = 317) betrug das mediane OS mit Pembrolizumab- gegenüber Placebo 28,6 Monate versus 16. 5 Monate (Hazard Ratio [HR] für Tod, 0,60 [95% CI, 0,49 bis 0,74]), 26,4versus 16,8 Monate (HR, 0,63 [95% CI, 0,52 bis 0,77]) und 29,6versus 17,4 Monate (HR, 0,58 [95% CI, 0,44 bis 0,78]). Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen des Grades ≥3 lag bei 82,4 % unter der Pembrolizumab-Chemotherapie und bei 75,4 % unter der Placebo-Chemotherapie. Diese Ergebnisse zeigen, dass Pembrolizumab plus Chemotherapie, mit oder ohne Bevacizumab, bei Patienten mit persistierendem, rezidivierendem oder metastasiertem Gebärmutterhalskrebs weiterhin klinisch bedeutsame Verbesserungen des Überlebens bietet.

Kommentar

Nach mehreren Dekaden Stillstand bei den gynäkologischen Tumoren, auch beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom, kommt hier positive Bewegung auf….Einmal mehr durch Pembrolizumab und interessanterweise weitgehend unabhängig vom PD-L1 Status. Die kombinierte Chemo-Immuntherapie war nur mit einem relativ kleinem Zuwachs an Toxizität verbunden. Neben den schon früher positiven Daten für PFS zeigt sich jetzt auch ein klarer Vorteil im Gesamtüberleben: practice changing.

Die Frage bleibt, wie, die es am meisten brauchen, die Frauen in den LMIC zu Pembrolizumab +/- Bevacizumab kommen. Eine grosse Verantwortung und Aufgabe für die Industrie und die Regulierer.

Risiko von hämatologischen Malignomen durch CT-Strahlenexposition bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Bosch de Basea Gomez, M. et al. Risk of hematological malignancies from CT radiation exposure in children, adolescents and young adults. Nat Med (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02620-0

Mehr als eine Million Kinder in Europa werden jährlich einer Computertomographie (CT) unterzogen. Obwohl die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung in mittlerer bis hoher Dosis ein anerkannter Risikofaktor für hämatologische Malignome ist, sind die Risiken bei CT-Untersuchungsdosen nach wie vor unklar. In einer multinationalen Kohorte (EPI-CT) von 948.174 Personen, die sich vor dem Alter von 22 Jahren in neun europäischen Ländern einer CT-Untersuchung unterzogen haben, wurde in einer kürzlich publizierten Studie nachverfolgt. Die Strahlendosen für das aktive Knochenmark wurden auf der Grundlage des gescannten Körperteils, der Patientenmerkmale, des Zeitraums und der abgeleiteten technischen Parameter der CT geschätzt. Die Autoren fanden einen Zusammenhang zwischen der kumulativen Dosis und dem Auftreten hämatologischer Malignome mit einem relativen Risiko von 1,96 (95% Konfidenzintervall 1,10 bis 3,12) pro 100 mGy (790 Fälle). Ähnliche Schätzungen wurden für lymphoide und myeloide Malignome ermittelt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass von 10.000 Kindern, die heute untersucht werden (mittlere Dosis 8 mGy), 1 bis 2 Personen in den folgenden 12 Jahren ein hämatologisches Malignom entwickeln werden, das auf eine Strahlenexposition zurückzuführen ist. Die vorliegenden Ergebnisse untermauern die Belege für ein erhöhtes Krebsrisiko bei niedrigen Strahlungsdosen und unterstreichen die Notwendigkeit, pädiatrische CT-Untersuchungen weiterhin zu rechtfertigen und die Dosis zu optimieren.

Kommentar

Die Möglichkeit CTs durchzuführen ist ein medizinischer Segen, die Schwelle tief, der Gewinn an Information hoch, aber es hat auch seinen Preis:
Das beunruhigende an der Studie ist, dass die Beobachtungszeit der Fälle «nur» 7 Jahre beträgt und die jungen Erwachsenen noch viele Jahre dem erhöhten, möglicherweise wachsenden Risiko ausgesetzt sein werden trotz «low-dose» Technik.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Reale Ausgaben und Überlebenszeit nach CAR-T-Behandlung bei grosszelligem B-Zell-Lymphom in der Schweiz: eine retrospektive Studie anhand von Versicherungsdaten

Trottmann M, et al. Swiss Med Wkly. 2023;153:3441

Dass Myelodysplastische Neoplasien (MDS) und akute Myeloische Leukämien (AML) in gewissen Familien gehäuft vorkommen ist bekannt, eine kürzlich beschriebene Keimbahnmutation, welche einen Teil dieser Häufung erklärt, ist die DEAD box RNA helicase 41 gene (DDX41-GPV) Mutation. Dies wurde in einer grossen UK Populationsdatenbank mit über 450’000 Menschen untersucht um das Risiko von MDS und AML zu definieren. 452 unterschiedliche Keimbahn Varianten wurden in 3538 (1 in 129) Menschen gefunden. Pathogene Varianten wurden in 1 von 430 Menschen gefunden. Bei einem Follow-up von 13 Jahren wurde ein 12 fach erhöhtes Risiko für MDS und AML gefunden. Der Krankheitsbeginn war mit 71 Jahren relativ spät, häufiger bei Männern. Die biologischen Mechanismen sind nicht gut bekannt. Meist ist die Entwicklung zum MDS / AML mit der Acquisition einer zweiten Mutation und einem erhöhten MCV vergesellschaftet.

Klonale Hämatopoese war nicht häufiger, ebenso gab es keine Assoziation mit myeloproliferativen Neoplasien, lymphatischen Neoplasien, soliden Tumoren oder mit Autoimunerkrankungen. Das absolute Risiko ist 3.2% (5.5% bei Männern, 1.4% bei Frauen). Das Risiko war unterschiedlich je nach Typ der Mutation, höher bei trunkierenden und start-loss Mutationen. Diese Daten informieren über das Risiko von Menschen mit einer solchen Keimbahnmutation an einem MDS oder AML zu erkranken. Bedeutung haben diese Daten auch für die Auswahl von Spendern für Patienten mit einer solchen Keimbahnmutation.

Kommentar

Die Information, dass sogenannte sporadische Tumorerkrankungen z.T. auch eine genetische Prädisposition haben, ist nicht neu. Die Erforschung dieser Prädispositionen ist für die Betroffenen wichtig. Strategien, wie mit solchen Belastungen umzugehen ist, sind zu definieren.

CD19-gerichtete chimäre Antigenrezeptor-T-Zelltherapie bei Patienten mit gleichzeitigem B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom und rheumatischen Autoimmunerkrankungen: eine Propensity-Score-Matching-Studie

Wang J et al. Bone Marrow Transplanation 2023;58:1223-1228

Diese observationelle Studie untersucht die Wirkung der CD19 gerichteten CAR-T Zell Therapie bei älteren Patienten mit diffusem grosszelligen B-Zell Lymphom (DLBCL). Die CD19 CAR-T Zellen sind gentechnisch veränderte autologe T-Lymphozyten mit einem T-Zell Rezeptor der das CD19 Antigen auf den B-Zellen erkennt. Die CAR-T zellulären Therapien sind in der Schweiz zugelassen ab der Zweitlinienbehandlung für diffus grosszellige B Zelllymphome. Ob diese Therapie auch bei älteren Patienten nützlich ist, ist wenig untersucht. 551 Patienten > 65 Jahre alt wurden auf Grund der Medicare Rechnungen zwischen 2018 -2020 eingeschlossen. CAR T Zellen wurde zu dieser Zeit ab der dritten Behandlungslinie angewendet, 19% 65 – 69 Jahre alt, 22% 70 – 74 Jahre alt, 13% ≥75 Jahre alt. Medianer Spitalaufenthalt war 21 Tage. Das EFS nach 1 Jahr war 34%, 43%, und 52% in den 3 Altersgruppen. Mediane Kosten waren $352 572 in den ersten 3 Monaten und unterschied sich nicht in den 3 Altersgruppen. Die Anwendung der CAR-T Technologie war in den 3 Altersgruppen unterschiedlich und wurde bei den älteren Patienten weniger häufig eingesetzt. Die Autoren kommen zum Schluss, dass auch bei etwas schlechteren Resultaten diese Technologie bei älteren Patienten ähnlich gut wirkt wie bei jüngeren Patienten.

Kommentar

Die CAR-T Zell Technologie verteuert die Behandlung von DLBCL Patienten erheblich. Der Einsatz ist auch bei älteren Patienten mit gutem Allgemeinzustand möglich. Die Therapieentscheidungen bleiben bei dieser Patientenpopulation aber komplex. Zwei Drittel der DLBCL Patienten ist > 65 Jahre alt, ein Drittel > 75 Jahre. Outcome Daten sind schwierig zu interpretieren, da mit progressivem Alter die Patienten, die für komplexe Therapien ausgewählt werden, wohl stärker selektioniert sind.

Praktische Erfahrungen mit der CAR-T-Zelltherapie bei älteren Patienten mit rezidiviertem/refraktärem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom.

Chihara D, et al. Blood (2023) 142 (12): 1047–1055.

In einer observationellen Studie hatten von 1363 Patienten mit einem B Zell Lymphom 58 (4.3%) gleichzeitig eine rheumatologische Autoimmunerkrankung. Die Gruppe der gleichzeitig vorliegenden Autoimmunerkrankungen war heterogen und schloss Lupus, Rheumatoide Arthritis, Sjoegren Syndrom, Polymyositis, ankylosierender Spondylitis, Psoriasis ein. Die CD19 CAR-T Zellen sind gentechnisch veränderte autologe T-Lymphozyten des Patienten mit einem T-Zell Rezeptor, der das CD19 Antigen auf den B-Zellen erkennt. Die CAR-T zellulären Therapien sind in der Schweiz zugelassen ab der Zweitlinienbehandlung für diffus grosszellige B Zelllymphome, aber auch für die akute B-lymphatische Leukämie, follikuläre und Mantelzelllymphome. Die Komplikationen der CAR-T Therapie war vergleichbar bei Patienten mit und ohne rheumatologische Autoimmunerkrankung. Das Überleben, die Rezidivrate der Lymphome unterschied sich nicht in den beiden Gruppen. Eine erhebliche Anzahl der Patienten rheumatologischer Autoimmunerkrankung erlebte ein Ansprechen der Entzündungszeichen, der Autoantikörper und benötigte weniger Steroide und andere gegen die Autoimmunität gerichtete Medikamente.

Kommentar

Patienten mit Lymphom und rheumatologischer Autoimmunerkrankung können mit CAR-T Therapien ohne erhöhte Risiken behandelt werden. Diese bemerkenswerten Ergebnisse, Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben ein erhöhtes Lymphomrisiko und das Vorliegen beider Entitäten ist somit keine Ausnahme, führen zur Frage, ob die CD19 (B-Zell Marker) gerichtete CAR-T Technologie auch für schwere Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden können. Dies kann in Analogie zum Einsatz der autologen Stammzelltransplantation die für gewisse Formen der Autoimmunerkrankungen gesehen werden.

Immuneffektorzellen-assoziierte Hämatotoxizität: EHA/EBMT-Konsens zur Einstufung und Empfehlungen für bewährte Verfahren

Rejeski K et al. Blood 2023;142:865-877

CAR-T Zellen sind gentechnisch veränderte autologe T-Lymphozyten mit einem T-Zell Rezeptor der das CD19 oder das BCMA-Antigen erkennt. CAR-T zelluläre Therapien sind in der Schweiz zugelassen für Lymphome, die akute lymphatische Leukämie (CD19) sowie für Plasma Zell Myelome (BCMA). Die Toxizitäten sind gut bekannt und beschrieben, insbesondere das CRS (Zytokin Freisetzungssyndrom) sowie das ICANS (Immuneffektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom). Weitere Toxizität schliessen die B-Zell Depletion mit notwendiger Immunglobulinsubstitution sowie hämatologische Ztopenien ein. Dieses Paper beschreibt, gradiert die hämatologischen Zytopenien (ICAHT) und schlägt Behandlungs-Algorithmen vor. Hämatologische Toxizitäten sind häufig nach CAR-T Behandlung, können langdauernd sein und zu infektiösen Komplikationen führen. Für die Gradierung wurde auf die Tiefe und die Dauer der Neutropenie zurückgegriffen (Tabelle), sowie auf den zweiphasigen Verlauf, früh in den ersten 30 Tagen und spät nach 30 Tage nach Behandlung hingewiesen. Risikofaktoren wurden im CAR-HEMATOTOX score zusammengefasst, welcher prätherapeutische Blut- und Entzündungswerte umfasst. Die Risikofaktoren schliessen die Grundkrankheit sowie die Krankheitslast, Vorbehandlungen, Knochenmarksbefall, Inflammation, immunologische und infektiöse Komplikationen mit ein. Zu diesen Toxizitäten gehört auch die CAR-T assoziierte Hämophagozytose. Behandlungsempfehlungen sind Transfusionen, Wachstumsfaktoren, prophylaktische Antiinfektiva und als Ultima Ratio eine Stammzelltransplantation.

Kommentar

ICAHT ist eine wichtig zu kennende Komplikation der CAR-T Zell Therapie. Prolongierte Zytopenien und Immunsuppression führen zu Problemen, die eine sorgfältige Nachbetreuung erfordern.

Prof. Dr. med. Jakob R. Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

Unterstützung für Angehörige von Krebsbetroffenen

Hinter jedem Krebsbetroffenen stehen auch Angehörige. Diese werden allzu oft vergessen. Sie sind für die Betroffenen meistens die wichtigste Stütze und kommen mit ihren eigenen Bedürfnissen oft zu kurz, denn auch sie brauchen Unterstützung.

Angehörige übernehmen in der Schweiz einen bedeutenden Teil der Betreuungsarbeit von Krebsbetroffenen. Für die meisten von ihnen ist der Spagat zwischen Care-Arbeit, Berufsalltag, Kinderbetreuung und eigenen Bedürfnissen äusserst schwierig. «Ich fühlte mich emotional und körperlich erschöpft. Doch ich sagte mir immer wieder: “Es geht nicht um mich. Ich habe keinen Krebs und darf gesund sein.” Mit diesen Schuldgefühlen leben zu lernen, war nicht einfach», erzählt beispielsweise Karel, 47, die mittlerweile andere Angehörige auf ihrem Weg unterstützt.

SGK-S will Situation der betreuenden Angehörigen verbessern

Mitte Oktober hat die ständerätliche Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit SGK-S als Antwort auf eine Motion von Ständerätin Marianne Maret anerkannt, dass die Situation der betreuenden Angehörigen verbessert werden muss. Sie wird sich nun mit entsprechenden Lösungsvorschlägen befassen. Eine Möglichkeit wäre, eine nationale Strategie der betreuenden Angehörigen zu erarbeiten und eine einheitliche Definition der Angehörigenbetreuung festzulegen. Ein klar definierter Status, wie er beispielsweise in Belgien existiert, würde auch den je nach Kanton unterschiedlichen Anspruch auf bestimmte Leistungen (Entlastungsangebote, Sozialleistungen usw.) vereinheitlichen.

Beratung und Information für betreuende Angehörige

Die Krebsliga bietet Angehörigen die nötige Unterstützung, wenn diese nicht mehr wissen, wie sie den Alltag bewältigen sollen. Einerseits können sich Angehörige für Beratung und Information an die 18 regionalen und kantonalen Ligen (www.krebsliga.ch/regionen) wenden. Andererseits steht ihnen das Beratungsteam des Krebstelefons (www.krebsliga.ch/krebstelefon) via Telefon, E-Mail oder Chat zur Verfügung – anonym und kostenlos. Und unter www.krebsforum.ch können sie sich untereinander austauschen oder über die Peerplattform www.krebsliga.ch/peerplattform Unterstützung von anderen Angehörigen erhalten, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

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Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger

Co-Gesamtprojektleiter NSK
Nationale Strategie gegen Krebs
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Finanzielle Toxizität bei Krebsbetroffenen

Nach einer Krebserkrankung sind Menschen nebst den physischen und psychischen Folgen häufig mit finanziellen Problemen konfrontiert. Sowohl Gesundheitsfachpersonen als auch Betroffene unterschätzen jedoch krebsbedingte finanzielle Probleme oft oder erkennen sie zu spät.

In einem von der Krebsliga Schweiz unterstützten Projekt hat die Ostschweizer Fachhochschule OST Wechselwirkungen finanzieller Belastungen und gesundheitsrelevanter Variablen analysiert, um daraus ein Screening-Tool zur Früherkennung finanzieller Notlagen zu entwickeln. Die Forschenden führten zunächst Interviews mit Krebsbetroffenen und Expertinnen und Experten sowie eine Literaturrecherche durch. Anschliessend veranschaulichten sie identifizierte zentrale Wechselwirkungen in einem systemdynamischen Modell der Cancer related Financial Toxicity. Fachpersonen aus der Onkologie und Sozialarbeit haben dieses partizipativ validiert. Aus dem Modell entstand ein Screening-Tool für die onkologische Praxis, das in Praxisinstitutionen getestet und anschliessend in Fokusgruppen evaluiert wurde. Das Screening-Tool soll helfen, Menschen mit erhöhtem Risiko für finanzielle Notlagen frühzeitig zu identifizieren, um sozioökonomische Belastungen einer Krebserkrankung zu reduzieren.

Weiterführende Informationen: Scheidegger, A., Bernhardsgrütter, D., Kobleder, A. et. al. (2023), Financial toxicity among cancer survivors: a conceptual model based on a feedback perspective, Supportive Care in Cancer 31:618. doi.org/10.1007/s00520-023-08066-x. Die Studie wurde am 22. November am SOHC in Basel vorgestellt.

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Chancengleichheit bei familiärem Krebsrisiko: Vorsorgliche Eingriffe sollen vergütet werden

Gewisse Menschen haben eine Gen-Mutation, die ein erhöhtes Krebsrisiko birgt – beispielsweise die Schauspielerin Angelina Jolie. Doch nicht bei allen Mutationen deckt die Grundversicherung eine prophylaktische Entfernung des Brustgewebes oder der Eierstöcke. Die Krebsliga Schweiz und die Schweizerische Gesellschaft für Senologie (SGS) setzen sich deshalb gemeinsam mit anderen Organisationen dafür ein, dass künftig alle Personen mit erblicher Vorbelastung Zugang zu vorsorglichen Operationen und entsprechender Beratung haben.

Fünf bis zehn Prozent aller Krebsbetroffenen haben eine angeborene Mutation im Erbgut, die die Entstehung von Krebs begünstigt – zum Beispiel BRCA. Diese Personen haben ein höheres Risiko, an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Eine chirurgische Entfernung des Brustgewebes bzw. der Eierstöcke senkt dieses Risiko fast vollständig.

Kostenübernahme nicht bei allen Gen-Mutationen

Aktuell deckt die Grundversicherung einen solchen vorsorglichen Eingriff bei BRCA1 und BRCA2-Genen, aber nicht bei anderen Gen-Mutationen, die ein vergleichbares Risiko aufweisen. «Mir wurde bewusst, dass wir bei einer vorsorglichen Entfernung des Brustgewebes keinerlei Rechtsanspruch gegenüber der Krankenkasse stellen können und wir auf deren Kulanz angewiesen sind», erzählt Markus Marugg. Seine Schwägerin ist an einem aggressiven Brustkrebs erkrankt, der auf die Gen-Mutation PALB2 zurückzuführen war. Auch seine Ehefrau und möglicherweise seine Kinder tragen diese Gen-Mutation, die aber aktuell nicht in der Krankenpflegeleistungs-Verordnung (KLV) aufgeführt ist. «Es darf nicht sein, dass bei einer erwiesenen erblichen Vorbelastung aus finanziellen Gründen auf einen präventiven Eingriff verzichtet werden muss. Im Krankheitsfall werden die Krankenkassen mit massiv höheren Kosten konfrontiert als bei einem präventiven Eingriff» ist Marugg überzeugt.

Antrag beim BAG eingereicht

Deshalb hat die Krebsliga Schweiz gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Senologie SGS und weiteren Organisationen beim Bundesamt für Gesundheit einen Antrag zur Anpassung der KLV (Art. 12be) eingereicht. Damit soll erreicht werden, dass solche risikoreduzierenden Operationen künftig allen Personen offenstehen, die aufgrund einer Gen-Mutation ein stark erhöhtes Risiko für Brust- oder Eierstockkrebs haben. Zudem sollen sie vorher eine ausführliche Beratung über ihr individuelles Risiko erhalten. Auch eine Gleichbehandlung aller Versicherter soll mit dem Antrag erreicht werden.

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Aktuelle Krebspolitik

Tabakprävention
Tabakproduktegesetz (TabPG). Teilrevision (23.049)
Po. WAK-N. Gesamtschau des Markts für Tabak- und Tabakersatzprodukte (23.3588)

Aktueller Stand: Infolge der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» am 13. Februar 2022 sollen im neuen Tabakproduktegesetz (TabPG) weitergehende Einschränkungen der Werbung, der Verkaufsförderung und des Sponsorings in Zusammenhang mit Tabakprodukten und elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten) eingeführt werden. Sämtliche Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten, die Minderjährige erreichen kann, soll verboten werden.
Die Mehrheit der ständerätlichen Kommission (SGK-S) war der Meinung, dass der Vorschlag des Bundesrats weiter geht als die Initiative und schlug deshalb verschiedene Änderungen vor: So sollte Werbung im Innenteil von Presseerzeugnissen, die mehrheitlich über Abonnemente an Erwachsene verkauft werden, weiterhin erlaubt bleiben (Art. 18 Abs. 1 Bst. a). Dies lehnte der Ständerat ab. Er nahm hingegen eine Regelung an, welche den Verkauf durch Verkaufspersonal an öffentlich zugänglichen Orten, die von Minderjährigen besucht werden, weiterhin erlaubt (Art. 19 Abs. 1 Bst. c). In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf vom Ständerat mit 37 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.
Mit 139 zu 41 Stimmen bei 3 Enthaltungen stimmt der Nationalrat dem Postulat der WAK-N zu. Gegen die Annahme hatte sich die SVP-Fraktion gestellt. Sie wolle nicht mehr Steuern unter dem Vorwand der Prävention, wie Céline Amaudruz (SVP/GE) erklärte. Es sei klar, dass als Folge der Prüfung Vorschläge für mehr Steuern kommen würden, so Amaudruz weiter. Bundesrätin Karin Keller-Sutter stellte klar, dass es nicht um Steuererhöhungen gehe, sondern darum, dass man eine Gesamtschau des Tabakmarktes präsentieren und Entscheidungsgrundlagen erarbeiten kann.
Ausblick: Das Tabakproduktegesetz (23.049) geht in die zuständige Kommission des Nationalrats. Das Postulat ist an den Bundesrat überwiesen.
Position Oncosuisse: Po. WAK-N. Gesamtschau des Markts für Tabak- und Tabakersatzprodukte (23.3588)

Die Oncosuisse begrüsst, dass neu auch E-Zigaretten besteuert werden. Tabakbesteuerung ist eine wirksame Präventionsmassnahme. Ein hoher Preis wirkt vor allem bei jungen Menschen und reduziert den Konsum. Mit der aktuellen Gesetzgebung sind diese Steuersätze zu tief und orientieren sich nicht an der massgebenden Einheit, dem Nikotin. Die Oncosuisse unterstützt daher das Postulat 23.3588 Gesamtschau des Markts für Tabak- und Tabakersatzprodukte, welche vom Bundesrat eine neue Auslegeordnung verlangt.

Tabakproduktegesetz (TabPG). Teilrevision (23.049)
Oncosuisse begrüsst die Entscheidung, Werbung im Innenteil von Presseerzeugnissen zu verbieten. Allerdings bedauert Oncosuisse, dass der Ständerat für Zigarren und Zigarillos eine Ausnahme definieren will und dass das Sponsoring an Festivals in VIP-Zonen beibehalten werden soll. Es irritiert zudem, dass der Ständerat die Verkaufsförderung vom Verfassungsauftrag ausnehmen möchte. Als eine der effizientesten Werbeformen, bei der potenzielle Kundinnen und Kunden direkt angesprochen werden, muss auch die Verkaufsförderung im Sinne des Jugendschutzes gemäss dem Bundesrat einbezogen werden. Die Version des Ständerates erfüllt unserer Ansicht nach den Verfassungsauftrags nicht.

V2021/74 Änderungen der KVV und KLV:
Arzneimittelmassnahmen
Geschäftstyp: Geschäft des Bundesrats
Stand der Beratung: Vernehmlassung abgeschlossen
Urheber/-in: Nächster Schritt: Bundesrat Inkraftsetzung

Aktueller Stand: Mit dieser Revision sollen einerseits Massnahmen zur Kostendämpfung im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) umgesetzt werden. Andererseits sind Anpassungen geplant, die der Prozessoptimierung sowie der Erhöhung der Transparenz und der Schaffung von mehr Klarheit und Rechtssicherheit dienen sollen. Gleichzeitig sind Anpassungen im Bereich der Gebühren für die Verwaltungsverfahren vorgesehen. Schliesslich sollen auch die Bestimmungen über die Vergütung im Einzelfall angepasst werden.
Die SGK-N empfiehlt dem Bundesrat mit 13 zu 10 Stimmen, die Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) zu sistieren, bis die parlamentarische Beratung des zweiten Kostendämpfungspakets abgeschlossen ist.

Im Gegensatz zur SGK-N erachtet es die SGK-S als notwendig, die Arbeiten weiterzuführen, damit Patientinnen und Patienten rasch, zuverlässig und gleichberechtigt Zugang zu Medikamenten erhalten. Sie teilt aber die Einschätzung, dass die vorgeschlagenen Änderungen nochmals sorgfältig geprüft werden sollen, unter anderem auf deren Rechtsmässigkeit. Deshalb schliesst sie sich den weiteren Empfehlungen ihrer Schwesterkommission an.

Ausblick: Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 22. September 2023 die Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV), der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) und der Arzneimittel-verordnung (VAM) verabschiedet. Die revidierten Verordnungen treten am 1. Januar 2024 in Kraft.
Position Oncosuisse: Die Oncosuisse sieht die Revision kritisch bis ungenügend. Wichtige Punkte wie der konsequente Einbezug von Experten wurde nicht umgesetzt (lediglich empfohlen), obwohl Daten vorhanden sind, dass Experten Situationen besser einschätzen als Nicht Spezialisten (siehe SPAP). Die Vertreter:innen der Kinderonkologie begrüssen den zwingenden Experteneinbezug, geben jedoch zu bedenken, dass dieser auch klar definiert werden muss. Weiters wird keine Ombudsstelle (= Expertengremium für Härtefälle) geschaffen bei definitiv abgelehnten Gesuchen, Patienten bleibt nach wie vor nur der Rechtsweg, was im Falle von z.B. Krebspatienten zu einer für den Patienten und seine Angehörigen untragbaren Situation führt. Ziel einer Vereinfachung der Prozesse mit fixen Abschlägen war nebst der Reduzierung der Bürokratie auch die Beschleunigung des Prozesses. Leider wurde auch diese Chance verpasst und die Zeit bis zum Entscheid beträgt nach wie vor 10 Tage. Bei einer initialen Ablehnung kann es somit einen Monat gehen, bis die Therapie gestartet werden kann, was bei Krebserkrankungen nicht tolerabel ist. Weitere wichtige Aspekte wie z.B. die Schaffung einer off-label-use Liste wurden in der Verordnungsänderung leider nicht aufgenommen. Der administrative Aufwand der Ärzteschaft steigt weiterhin, vgl. hierzu die neuen Regelungen punkto Selbstbehalt und Substitution. Die in der neuen Verordnung vorgesehene Preisfestsetzung birgt das Risiko, dass in der Schweiz wohnhafte Patient:innen künftig weniger oder erst mit Verspätung Zugang zu neuen, effektiven Therapien haben und somit auch der off- label-use gefährdet ist. Es ist zudem nicht unbedingt davon auszugehen, dass durch diese Revision die Anzahl der off-Label-use Fälle nach Art. 71 a-d abnehmen wird. Insgesamt ist die Oncosuisse mit der Revision in der aktuellen Form unzufrieden, wurden doch zentrale Elemente der Forderungen nicht umgesetzt.

Weitere Informationen Krebsliga Schweiz:
info@krebsliga.ch

Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger

Co-Gesamtprojektleiter NSK
Nationale Strategie gegen Krebs
c/o Oncosuisse
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