Warm anziehen oder in die Hände spucken?

Jetzt bekommen wir neu noch einen 4. und 5. CDK4/6-Inhibitor, dies nach der Erstzulassung von Palbociclib im Februar 2015 durch die FDA. Etwas überraschend? Gut für Patientinnen und Ärzte eine weitere Option zu haben, besser, wenn es vielleicht dann auch noch etwas weniger teuer geht. Was steckt dahinter? Lerociclib mit grosser chinesischer Studie und Dalcipiclib von Jiangsu Hengrui Pharmaceuticals und dem Chinese Academy of Medical Sciences Innovation Fund for Medical Sciences, welche die wegweisende Studie dazu durchgeführt, respektiv unterstützt haben. Wissenschaftlich nicht sehr innovativ, die Publikation hat es denn auch nicht «to the top» geschafft, aber das Ganze hat doch System (1).

Seit einiger Zeit, von vielen kaum beachtet, expandieren chinesische Pharmafirmen, auch im Ausland. Nach Pyrotinib, das 2017 die Phase 1 für HER2-positives Mammakarzinom durchführte und bereits 2018 eine FDA-Registrierung erhielt (2), kommt jetzt also Dalpiciclib. Die Rekrutierung für die Zulassungsstudie wurde innert 17 Monaten abgeschlossen.

Die chinesische Pharmaindustrie hat drei klare Vorteile: ein unerschöpfliches Patientenreservoir im Inland, externe Unterstützung und die Möglichkeit eigene Derivate von bereits erfolgreichen Molekülen zu entwickeln, was im «westlichen Ausland» wegen den gesetzten «standards of care» nicht mehr möglich ist.

Die Chinesen sind übrigens auch bei den anspruchsvolleren Antikörpern, drug conjugates, CAR-T, TILs, NK- und engeneered T-cell sowie oncolytic virus Therapie sehr aktiv und haben einen «grossen Sprung nach vorne» gemacht: Wie? Im Jahr 2017 wurde eine umfassende Reform der Medikamentenregulierung durchgeführt, so dass eine dynamische Phase eingeleitet werden konnte. Das Resultat: Nur 1 Jahr danach – 2018 – wurden 312 neue Moleküle in 364 Phase 1 Studien getestet, ein Plus von 102%, und 20’212 gegenüber 7133 PatientInnen rekrutiert, fast eine Verdreifachung. Ebenso stiegen innert Jahresfrist die First In Humans Studien um 60%. Die Studien wurden auch grösser mit neu durchschnittlich 56 Patientinnen (+ 405). Besonders dynamisch war die Auswahl der Molekülstrategie. In diesem ersten Jahr haben die Immuntherapeutika erstmals die klassischen Antikörper überholt… und wie: In 165/312 neuen Phase 1 Studien wurden Immunonkologika getestet (53%), ein Anstieg von sagenhaften 416% gegenüber dem Vorjahr: noch viel weiteres Potential im Inland ist da: 10 Provinzen warteten 2018 immer noch auf die erste Studie (3).

Hengrui ist auch in der Schweiz aktiv geworden und dabei in Zürich eine Biotechplattform aufzubauen (4).

So treten neue, bisher kaum beachtete Mitspieler im Pharmabereich aus China auf. Zeit auch in der Schweiz innovativ bei den Bedingungen für die Medikamentenentwicklung vorwärtszumachen – wie China 2017 – und die klinische Forschung aus dem Abwärtsweg wieder auf den Erfolgspfad zu führen. Ansonsten könnten wir wie bei den Generika und den Wirkstoffen für Medikamente generell erwachen. Nur mit Wettbewerb, ohne sinnvolle Leitplanken, geht es in einem teilregulierten Markt nicht: in Spanien kostet 1 OP Parazetamol weniger als 1 Päckli Kaugummi. «Switzerland produces all the milk it needs. Why can’t it do the same for medicines?» (5) Aber das ist eine andere Geschichte… auch mit Handlungsbedarf…

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

1. https://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/
PIIS1470-2045(23)00172-9/fulltext#%20
2. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30341682/
3. Anticancer drug R&D landscape in China Zhao et al. Journal of Hematology & Oncology (2020) 13:51. https://doi.org/10.1186/s13045-020-00877-3
4. https://www.swissbiotech.org/listing/hengrui-europe-biosciences-ag-2/
5. https://www.nzz.ch/english/can-switzerland-become-self-sufficient-for-all-medicines-ld.1737326

Deutliche Zunahme durch neue Therapie- Indikationen für PARP-Inhibitoren

Genetische Beratungen und molekular-genetische Testungen werden bei hereditären Krebserkrankungen und entsprechender Prädisposition standardmässig durchgeführt. Dadurch können familiäre Risiken erkannt sowie Früherkennungs-Modalitäten individuell festgelegt werden. Neuerdings stehen auch Therapieoptionen zur Verfügung, deren Indikation ebenfalls von einer genetischen Beratung und (Keimbahn-)Testung abhängen. Dies sind die Poly[ADP-Ribose]-Polymerase-)Inhibitoren (PARPi), welche zuerst beim Ovarialkarzinom als Erhaltungstherapie erfolgreich eingesetzt wurden, dann beim Mammakarzinom in der adjuvanten als auch palliativen Situation ihre Wirksamkeit zeigten. PARP-Inhibitoren haben nun auch beim Prostata- und Pankreaskarzinom ihren festen Platz erhalten. Dies sind Therapie-Fortschritte für unsere PatientInnen und bedeuten eine enorme Zunahme an Indikationen für genetische Beratungen und Testungen. Wie können wir diesen Herausforderungen begegnen?

Genetic counseling and molecular genetic testing are performed as standard for hereditary cancers and corresponding predisposition. Thus, familial risks can be identified and early detection modalities can be individually defined. Recently, therapeutic options have become available whose indication also depends on genetic counseling and (germline) testing. These are the poly[ADP-ribose] polymerase) inhibitors (PARPi), which were first successfully used in ovarian cancer as maintenance therapy, then showed efficacy in breast cancer in the adjuvant as well as palliative situation. PARP inhibitors have now also become firmly established in prostate and pancreatic cancer. These are therapeutic advances for our patients and represent a tremendous increase in indications for genetic counseling and testing. How can we meet these challenges?
Keywords: genetic testing with therapeutic intent, PARP inhibitors, pathogenic BRCA1,2 variants, HBOC

Genetische Beratung in der Schweiz

Die genetische Beratung und Testung bei Krebsleiden und -prädispositionen haben sich in den letzten Jahren etabliert in der onkologischen Praxis. Deren Umfang nimmt in allen Zentren zu (Abb. 1). Im Rahmen des «Netzwerks für die Testung auf eine genetische Krebsprädisposition und Risikoberatung» («Network for Cancer Predisposition Testing and Counseling» [CPTC]) der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für klinische Krebsforschung (SAKK) wird einerseits ein nationaler fachlicher Austausch geschaffen, es werden aber auch regelmässige Fortbildungen angeboten anlässlich der Halbjahresversammlungen sowie interessierte ÄrztInnen kontinuierlich zu genetischen BeraterInnen ausgebildet für deren Tätigkeit in den jeweiligen Zentren. Aufgrund der Bedarfszunahme an genetischen Beratungen werden sogenannte Genetic Counsellors ausgebildet, dies in den USA, Kanada und Australien sowie zunehmend in Europa (z.B. UK, Frankreich, Norwegen, Schweden und Spanien). Neu gibt es auch Ausbildungslehrgänge dafür in Italien und Österreich. In der Schweiz gibt es bisher nur wenige, im Ausland ausgebildete Genetic Counsellors, dies vor allem in der Westschweiz (1). stehen. High-risk Patienten sollten, sofern verfügbar, im Rahmen von Phase 3 Studien behandelt werden.

Hereditäres Brust- und Ovarial-karzinomrisiko (HBOC)

Bei Brustkrebspatientinnen finden sich in ca. 5% aller Fälle pathogene Varianten (PV’s, früher Mutationen genannt) in HBOC-Genen (Hereditäres Brust- und Ovarialkarzinomrisiko). Diese Varianten werden mittels Keimbahnanalyse diagnostiziert. Sie treten gehäuft auf bei entsprechender Familienanamnese, jüngerem Alter, mit synchronen oder metachronen kontralateralen Mammakarzinomen oder bei Ovarialkarzinomen (2).
Im Jahr 2021 wurden erstmals in den NCCN guidelines auch die Pankreas- und Prostata-Karzinome zu den HBOC-assoziierten Krankheiten hinzugefügt mit entsprechenden Test-Indikationen und Screening-Empfehlungen (www.nccn.org). Eine Häufung an hereditären Krebsrisiken kann es auch in ethnischen Gruppen mit sogenannten Founder-Varianten geben. Pathogene Varianten werden einerseits als sog. Hochrisiko-Gene (high-risk genes) klassifiziert. Sie erhöhen das Risiko, an einem Mamma- oder Ovarial-Karzinom zu erkranken, um ca. das Vierfache (> 30%), dies sind BRCA1,2, PALB2, PTEN, CDH1, STK11, TP53. Andererseits gibt es sog. moderate-risk Gene wie CHEK2, ATM, BARD1, RAD51C, RAD51D mit Risikoerhöhung um das Zwei-bis Vierfache (3, 4).

In den Sprechstunden für genetische Beratungen werden Hochrisiko-Patientinnen und deren Familien hinsichtlich erblicher Krebsrisiken informiert (Abb. 1). Hierbei sind die Beratenden oft mit unvollständiger Familienanamnese oder (zunehmend) sehr kleinen Familien konfrontiert (zB weniger als zwei weibliche erst- oder zweitgradig Verwandte > 45 Jahre). Hier besteht das Risiko der Unterschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass eine pathogene oder mögliche pathogene Variante (P/LP) vorliegen könnte. Sind viele Familienangehörige gesund geblieben, gibt dies starke Hinweise auf ein niedriges Risiko für eine P/LP Variante. Der nun häufigere Einsatz von Multigen-Tests mittels NGS (next-generation sequencing) hat den klinischen Alltag in den letzten wenigen Jahren verändert. Die CPTC der SAKK hat dies in ihrer praxisnahen Empfehlung zur Zusammensetzung der Gen-Panels festgehalten (www.sakk.ch). Hier werden massgeschneiderte, auf die Krankheit fokussierte Genpanels für klinisch relevante Krebs-Suszeptibilitäts-Gene empfohlen, im Gegensatz zu grossen Multigen-Panels mit unklarer oder unbekannter klinischer Bedeutung. Je breiter das Genpanel gewählt wird, umso höher ist das Risiko auf VUS (variants of unknown significance). In den 9 Genen des BRCA Ovar Panels werden auch sog. intermediär-penetrante Gene (= moderate-risk Gene) bestimmt. Für immer mehr dieser Genvarianten haben wir fundierte Daten zu Krebsrisiken sowie Empfehlungen für ein Risko-Management, z.B. durch die NCCN-Guidelines (www.nccn.org), (Abb. 2).

Somatische Testung

Oftmals wird in der Onkologie eine Tumortestung auf bestimmte, therapie-hinweisende Mutationen hin veranlasst, die sog. somatische Testung. Wird eine pathogene oder möglicherweise pathogene (P/LP) Variante gefunden, welche eine klinische Relevanz aufweist für die PatientIn oder weitere gesunde Familienmitglieder, ist die Verifizierung an der Keimbahn (EDTA-Blut) der nächste Schritt. Diese und weitere Testindikationen für die Keimbahntestung wurden von der SAKK (CPTC) 2019 erstmals und 2021 in einem up-date publiziert (Update Swiss guideline for genetic counselling and testing-09.21.pdf (sakk.ch)). Die genetische Testung wird durch die im September 2022 revidierte Bundesgesetzgebung über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) geregelt und bedarf, auch im Falle der rein somatischen Testung, eines mündlichen und schriftlichen Einverständnisses der zu testenden Person (sog. «informed consent») (www.bag.admin.ch). Eine alleinige Tumortestung birgt das Risiko, dass bis zu 10% klinisch relevante Keimbahnvarianten übersehen werden (zB Deletionen, Duplikationen oder sog. splicing variants) (7). Möglicherweise werden ctDNA -Assays in Zukunft Auskunft darüber geben, ob eine bestimmte Gen-Variante eine genügend hohe VAF (variant allele frequency) aufweist, welche klar auf eine Keimbahnvariante hinweist (8). Noch gibt es allerdings keine validierten Tests hierfür.

Polygenic Risk Score (PRS)

Der Polygenic Risk Score kann Auskunft geben über das genetische Gesundheitsrisiko eines Individuums gegenüber anderen Menschen mit einer anderen genetischen Konstitution. Er kann in Risikoberechnungsmodellen eingesetzt werden wie z. B. dem CanRisk-Berechnungsmodell (www. canrisk.org). Aktuell besteht keine Empfehlung, routinemässig eine Bestimmung des PRS zu veranlassen, da die Interpretation unklar bleibt. Im Rahmen klinischer Studien jedoch wird er breit angewandt (9, 10).

Genetische Testung von DNA-Reparatur-Genen in therapeutischer Hinsicht

Genetische Beratung und Testung bei Brust- und Eierstockkrebs sowie Prostata- und Pankreaskarzinomen wurde bis vor kurzem aufgrund eines erhöhten hereditären Risikos (HBOC, hereditäres Brust- und Ovarialkarzinom-Syndrom) gestellt. Diese Leistungspflicht der Krankenkasse ist in der KLV (Krankenpflege-Leistungsverordnung) Art. 12d lit. f als „Massnahmen der Prävention“ begründet. Die entsprechenden Schweizerischen Richtlinien für genetische Beratung und Testung wurden oben erwähnt. Diese Leitlinien sollten jedoch nicht angewendet werden, wenn eine BRCA1,2-Keimbahntestung zur Evaluation einer Therapieoption bei Krebspatienten primär in therapeutischer Hinsicht erfolgt. Dies ist auch für die Kostengutsprache-erteilenden Vertrauensärzte der Krankenversicherungen ein neuer Umstand, der beachtet werden muss, im Sinne einer massgeschneiderten Therapie für die PatientInnen.

PARP (Poly[ADP-Ribose]-Polymerase)-Inhibitoren

Bei verschiedenen Tumor-Entitäten haben wir im Falle einer pathogenen Variante in DNA-Reparatur-Genen wie BRCA1 und BRCA2 einen Prädiktor für das Ansprechen auf PARP-Inhibitoren (PARPi). Sie sind erstmals in der Erhaltungstherapie beim hochgradig-serösen Ovarialkarzinom erfolgreich eingesetzt worden (11).

Abbildung 5 zeigt den Wirkmechanismus bei gesunden Zellen im Vergleich zu HR-defizienten Tumorzellen.

A. Ovarialkarzinome

Aus Daten von drei randomisierten Phase 3-Studien (SOLO1, PRIMA, PAOLA-1) (12, 13, 14) haben wir drei verschiedene PARPi-Erhaltungstherapie-Strategien beim Ovarialkarzinom in der ersten Linie, welche alle eine FDA- und EMA-Zulassung haben. Die Regulierung für die Schweiz ist in Tabelle 2
ersichtlich.

Mittlerweile konnte ein Überlebensvorteil bei Frauen mit DNA-Reparaturgen-Defekten (BRCA1,2-Mutationen sowie weiteren HR (Homologe Rekombinations)-Defizienzen) mit dieser oralen Therapie (die meist ordentlich toleriert wird) in der Ovarialkarzinom-Erstlinienbehandlung gezeigt werden (12). In der Situation des platin-sensitiven Rückfalls ist die Indikation für die Erhaltungstherapie mit PARPi nicht an einen DNA-Reparaturdefekt gekoppelt.

B. Mammakarzinome

Weitere Indikationen für PARPi bestehen beim Mammakarzinom (in der adjuvanten (mit Olaparib) und metastasierten Situation (mit Olaparib oder Talazoparib). Beim frühen Mammakarzinom konnte dadurch ein Überlebensvorteil erreicht werden (15, 16,17).

C. Prostata-Karzinome

In der Schweiz gibt es ca. 7000 Neuerkrankungen an Prostatakarzinomen; dies ist somit die häufigste Krebsart beim Mann. Bis zu 25% aller Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom weisen eine somatische oder Keimbahn-DNA-Reparaturgen-Alteration auf. Bereits als Standard werden nun die PARPi in der metastasierten, kastrations-resistenten Situation (mCRPC) angesehen. Mit Olaparib konnte das Gesamtüberleben nach mindestens einer «neuen Hormontherapie» (NHT) bei Männern in der Kohorte mit pathogenen BRCA1,2- sowie ATM-Varianten verbessert werden (PROfound-Studie) (19) und ist in dieser Indikation in der Schweiz zugelassen (Tab. 2). Auch für andere PARPi, wie z.B. Niraparib, gibt es vielversprechende Phase 2-Daten (20). Grundsätzlich profitieren Prostatakarzinom-Patienten mit einer BRCA1,2-Mutation am meisten von PARPi, dies wird im Kommentar der Autoren der European Association of Urology (21) hervorragend herausgearbeitet. Eine klare Übersicht über die neuen Aspekte der Molekulargenetik beim Prostatakarzinom und deren Umsetzung in der Praxis gibt der Artikel von PD Dr. med. Aurelius Omlin et al. im SMF 2022 (22).

D. Pankreas-Karzinome

Als einziger PARPi ist Olaparib in der Schweiz in der Erhaltungstherapie als Monotherapie bei metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas zugelassen aufgrund einer randomisierten Phase 3-Studie (Pancreas Cancer Olaparib Ongoing (POLO) (23). Es bedarf des Nachweises einer Keimbahnmutation in den BRCA1,2-Genen. Zudem darf die Erkrankung nach mindestens 16 Wochen einer platinhaltigen Erstlinien-Chemotherapie nicht fortgeschritten sein und ein Performance Status ECOG 0 – 1 vorliegen. Die Behandlung erfolgt hier bis zur Progression.

Schlussfolgerung

Aufgrund neuer Therapieindikationen für PARP-Inhibitoren, welche teils nur mittels Keimbahnnachweis einer Mutation in DNA-Reparaturgenen eingesetzt werden können, wird die Nachfrage nach genetischen Beratungen und Testungen in unseren Sprechstunden noch deutlicher zunehmen. Im Sinne der Prävention werden daraufhin auch vermehrt gesunde Familienangehörige beraten und auf eine etwaige Trägerschaft hin abgeklärt. Dies bedeutet für unseren Klinikalltag eine enorme Herausforderung an Personal und Infastruktur.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Ursula Hasler-Strub

Stv. Leitende Ärztin Medizinische Onkologie
FMH Medizinische Onkologie
Kantonsspital Graubünden
Loestrasse 170
7000 Chur

ursula.hasler-strub@ksgr.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Genetische Beratung und Testung bei Brust- und Eierstockkrebs sowie Prostata- und Pankreaskarzinomen wurden bis vor kurzem aufgrund eines erhöhten hereditären Risikos (HBOC, hereditäres Brust- und Ovarialkarzinom-Syndrom) gestellt
◆ Neu werden die Beratungen zunehmen, da therapeutische Optionen für PARP-Inhibitoren bestehen. Zusätzlich zum Ovarialkarzinom gibt es neue Indikationen beim Mamma-, Prostata- und Pankreaskarzinom.
◆ Für die Zukunft müssen wir an Lösungen arbeiten, die diese oft aufwändigen genetischen Beratungsgespräche in hoher Qualität und auch zeitnah sicherstellen (zB mit Hilfe von Genetic Counsellors)

1. Amstad H. Genetic Counsellors in der Schweiz. Bericht zuhanden der Eidg. Kommission für genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMEK), 2021 bericht-genetic-counsellors-in-der-schweiz-de-pdf.pdf
2. Greenberg S, Buys SS, Edwards SL, et al. Population prevalence of individuals meeting criteria for hereditary breast and ovarian cancer testing. Cancer Med. 2019;8(15):6789-6798
3. Breast Cancer Association ConsortiumDorling L, Carvalho S, Allen J, et al. Breast cancer risk genes – association analysis in more than 113,000 women. N Engl J Med. 2021;384(5):428-439.
4. Hu C, Hart SN, Gnanaolivu R, et al. A population-based study of genes previously implicated in breast cancer. N Engl J Med. 2021;384(5):440-451
5. Kuchenbaecker KB, Hopper JL, Barnes DR, et al. Risks of breast, ovarian, and contralateral breast cancer for BRCA1 and BRCA2 mutation carriers. JAMA. 2017;317(23):2402-2416
6. C. Sessa et al Risk reduction and screening of cancer in hereditary breast-ovarian cancer syndromes: ESMO Clinical Practice Guideline, available online 25th of october 2022, https://doi.org/10.1016/j.annonc.2022.10.004
7. Rowley SM, Mascarenhas L, Devereux L, et al. Population-based genetic testing of asymptomatic women for breast and ovarian cancer susceptibility. Genet Med. 2019;21(4):913-922
8. Wentzensen N, Clarke MA. Liquid biopsy for cancer detection: Clinical and epide miologic considerations. Clin Cancer Res. 2021;27(21):5733-5735
9. Clinical Implementation of a Polygenic Risk Score (PRS) for Breast Cancer: Impact on Risk Estimates, Management Recommendations, Clinical Outcomes, and Patient Perception (NCT03688204 )
10. GENetic Risk Estimation of Breast Cancer Prior to Decisions on Preventive Therapy Uptake, Risk Reducing Surgery or Intensive Imaging Surveillance (GENRE2) NCT04474834
11. M.Friedlander et al Long-term efficacy, tolerability and overall survival in patients with platinum-sensitive, recurrent high-grade serous ovarian cancer treated with maintenance olaparib capsules following response to chemotherapy, British Journal of Cancer (2018) 119:1075–1085; https://doi.org/10.1038/s41416-018-0271-
12. Paul DiSilvestro et al Overall Survival With Maintenance Olaparib at a 7-Year Follow-Up in Patients With Newly Diagnosed Advanced Ovarian Cancer and a BRCA Mutation: The SOLO1/GOG 3004 Trial, J Clin Oncol 41:609-617. © 2022 by American Society of Clinical Oncolog
13. Antonio Gonzalez Martin Niraparib in Patients with Newly Diagnosed Advanced Ovarian Cancer, N Engl J Med 2019; 381:2391-2402
14. I. Ray-Coquard et.al Olaparib plus Bevacizumab as First-Line Maintenance in Ovarian Cancer, N Engl J Med 2019;381:2416-28.
15. Tutt ANJ, Garber JE, Kaufman B, et al. Adjuvant olaparib for patients with BRCA1- or BRCA2-mutated breast cancer. N Engl J Med. 2021;384(25):2394-2405.
16. M.E. Robson et al OlympiAD final overall survival and tolerability results: Olaparib versus chemotherapy treatment of physician’s choice in patients with a germline BRCA mutation and HER2-negative metastatic breast cancer, Annals of Oncology 30: 558–566, 2019
17. Jennifer K Litton et al. Talazoparib in Patients with Advanced Breast Cancer and a Germline BRCA Mutation, N Engl J Med 2018 Aug 23;379(8):753-763.
18. www.krebsliga.ch
19. de Bono J, Mateo J, Fizazi K, et al. Olaparib for metastatic castrationresistant prostate cancer. N Engl J Med 2020;382:2091–102.
20. Fizazi K, Piulats JM, Reaume MN, et al. Rucaparib or physician’s choice in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 2023;388:719–32.
21. Nick Beije et. al. PARP Inhibitors for Prostate Cancer: Tangled up in PROfound and PROpel (and TALAPRO-2) Blues, https://doi.org/10.1016/j.eururo.2023.03.038
22. A. Omlin et al, Molekulargenetik und Molekular¬pathologie beim Prostatakarzinom, Schweizerisches Medizin-Forum 2022;22(1–2):28–34
23. Golan, T, et al. Maintenance Olaparib for Germline BRCA-Mutated Metastatic Pancreatic Cancer. N. Engl. J. Med. 2019, 381, 317–327.

Neue radioonkologische Konzepte bei Hirnmetastasen

Hirnmetastasen sind eine einschneidende Komplikation, die bei bis zu 20 % der Patienten mit fortgeschrittenen soliden Malignomen auftritt, und stellen eine Hauptursache für Morbidität und Mortalität in dieser Patientengruppe dar. Die moderne Bildgebung mit der Magnetresonanztomographie (MRT) sowie die längeren Krankheitsverläufe dank wirksamerer systemischer Therapien tragen zu einem stetigen Anstieg der Prävalenz von Hirnmetastasen bei. Obwohl neue Wirkstoffe, die im zentralen Nervensystem wirken, entwickelt werden, ist ihre Wirksamkeit im ZNS nach wie vor begrenzt. Die aktuellen Leitlinien empfehlen die primäre radiochirurgische Behandlung von bis zu drei Hirnmetastasen mit einem maximalen Durchmesser von 2,5 cm  (1), wobei man auf die zusätzliche oder alleinige Ganzhirnbestrahlung verzichten soll. Die Empfehlung der Radiochirurgie stützt sich auf die Schonung des normalen Hirngewebes zur Erhaltung der neurokognitiven Funktionen (bei der stereotaktischen Bestrahlung werden nur die Metastasen im Zielvolumen bestrahlt) und auf die besseren lokalen Kontrollraten, die mit höheren Bestrahlungsdosen erreicht werden, was sich in einem verbesserten Gesamtüberleben niederschlagen kann. In Anbetracht dessen ist der Einsatz der therapeutischen Ganzhirnbestrahlung deutlich zurückgegangen. In verschiedenen Situationen bleibt der Wert der Radiochirurgie jedoch umstritten. Im Folgenden wird die Indikation für die definitive Radiochirurgie (die als fraktionierte stereotaktische Strahlentherapie bezeichnet wird, wenn sie in mehreren Sitzungen durchgeführt wird) in den klinischen Szenarien von Patienten mit mehr als vier Hirnmetastasen erörtert und auf der Grundlage der verfügbaren Daten der relative Nutzen der postoperativen versus präoperativen Radiochirurgie diskutiert, wenn eine Metastasektomie indiziert ist.

Brain metastases are a drastic complication occurring in up to 20 % of patients with advanced solid malignancies and represent a major cause of morbidity and mortality in this patient group. Modern imaging with magnetic resonance imaging (MRI), as well as longer disease courses due to more effective systemic therapies, are contributing to a steady increase in the prevalence of brain metastases. Although new agents that act in the central nervous system are being developed, their efficacy in the CNS remains limited. Current guidelines recommend primary radiosurgical treatment of up to three brain metastases with a maximum diameter of 2.5 cm (1) while avoiding additional or sole whole-brain irradiation. The recommendation of radiosurgery is based on the sparing of normal brain tissue to preserve neurocognitive function (in stereotactic irradiation, only the metastases in the target volume are irradiated) and the better local control rates achieved with higher irradiation doses, which may translate into improved overall survival. In view of this, the use of therapeutic whole-brain irradiation has declined significantly. However, in several situations, the value of radiosurgery remains controversial. In the following, we discuss the indication for definitive radiosurgery (termed fractionated stereotactic radiotherapy when delivered in multiple sessions) in the clinical scenarios of patients with more than four brain metastases and, based on available data, discuss the relative benefit of postoperative versus preoperative radiosurgery when metastasectomy is indicated.
Keywords: Brain metastases, primary radiosurgical treatment, metastasectomy

In den letzten Jahren hat sich die Indikation zur Radiochirurgie bei Patienten mit mehr als 4 Hirnmetastasen dynamisch entwickelt. Die Begrenzung auf 3 Hirnmetastasen war bisher zumindest teilweise auf den grösseren technischen, finanziellen und zeitlichen Aufwand zurückzuführen, der mit der Behandlung einer grösseren Anzahl von Hirnmetastasen verbunden ist. Bedenken bestanden auch im Hinblick auf eine möglicherweise höhere Toxizität durch ein grösseres kumulatives Bestrahlungsvolumen. Yamamoto et al. veröffentlichten 2014 eine grosse multizentrische Studie (2), die eine Nichtunterlegenheit in Bezug auf das Gesamtüberleben und die meisten sekundären Endpunkte nach radiochirurgischer Behandlung von 5-10 versus 2-4 Hirnmetastasen zeigte. Mit dieser Arbeit konnten einige der Bedenken ausgeräumt werden. Dieselbe Gruppe bestätigte in ihrer Publikation von 2019, dass ausgewählte Patienten mit 10 oder mehr Hirnmetastasen ebenfalls als Kandidaten für eine Radiochirurgie in Frage kommen (3). Gleichzeitig ist die Inzidenz von radiochirurgischen Komplikationen zwischen Gruppen mit 1, 2-4, 5-10 sowie > 10 Hirnmetastasen vergleichbar (3). Derzeit gibt es noch keinen Konsens welches kumulative Bestrahlungsvolumen bei der Radiochirurgie von Multimetastasen erlaubt ist (15 cm3 (2), 25 cm3 (4)).

Eine Ganzhirnbestrahlung kann die Häufigkeit neuer Läsionen verringern, allerdings um den Preis einer schlechteren neurokognitiven Funktion, weshalb eine Abschätzung der Lebenserwartung unter Berücksichtigung sowohl der extrakraniellen als auch der intrakraniellen Tumorsituation für die Optimierung der individuellen Therapie wichtig ist. Eine Ganzhirnbestrahlung unter Vermeidung der Hippocampus-Gehirnstruktur in Kombination mit dem Medikament Memantin bietet einer randomisierten Studie zufolge bei ausgewählten Patienten einen gewissen neuroprotektiven Effekt; eine maximale Schonung des normalen Gehirns kann jedoch nur durch eine Radiochirurgie erreicht werden (1). Die bisher verwendeten Prognoseinstrumente wie ds-GPA (disease-specific graded prognostic assessment) oder BMV (brain metastases velocity) (5), d.h. die Anzahl der neuen Hirnmetastasen pro Jahr, sind mit Vorsicht zu geniessen. Derzeit wird argumentiert, dass auch das Bestrahlungsvolumen und systemische Therapieoptionen (Immuntherapie und zielgerichtete Therapien) zusätzlich berücksichtigt werden sollten (6).

Postoperative fraktionierte stereotaktische Radiotherapie versus präoperative Radiochirurgie

Die fraktionierte stereotaktische Strahlentherapie wird bei Hirnmetastasen von mehr als 2 cm bzw. 3 cm empfohlen. In einer Meta-Analyse wurde gezeigt, dass diese Strategie im Vergleich zur einfraktionierten Radiochirurgie mit einer signifikant niedrigeren Strahlennekroserate (23 % gegenüber 7 %) (7) und einer besseren lokalen Kontrollrate (91 % gegenüber 77 %) verbunden ist (8). Im Analogieschluss zur postoperativen Situation, in der die Resektionshöhle oft relativ gross ist, gilt deshalb in den meisten Zentren als Standardpraxis, eine Resektionshöhle nach einer metastatischen Resektion mit einer stereotaktischen Technik mit 3 bis 6 Fraktionen zu bestrahlen. Interessanterweise bietet diese Strategie in der postoperativen Situation möglicherweise eine höhere lokale Kontrollrate gegenüber der Radiochirurgie (87,3 % gegenüber 80 %) (9). Die Inzidenz von Radionekrosen in der postoperativen Situation beträgt in veröffentlichten Serien durchschnittlich 10,3 % (0-19 %) (10), wobei ein höheres Toxizitätsrisiko bei 3 Fraktionen beobachtet wurde (11). Es gibt auch eine Debatte über die angewandten «Sicherheits»-Säume (PTV Margin). Der Kompromiss zwischen besserer lokaler Kontrolle und häufigeren Strahlennekrosen dürfte bei 2 mm liegen (10).

Die noduläre leptomeningeale Metastasierung ist ein bekanntes Versagensmuster nach einer Hirnmetastasektomie mit einer Inzidenz von bis zu 18 % (9). Eine grössere Operationszugang und die Resektion mehrerer Metastasen, ein Zeitintervall zwischen Operation und fraktionierter stereotaktischer Bestrahlung von mehr als 50 Tagen, die Histologie Mammakarzinom und die infratentorielle Lage wurden als potenzielle Risikofaktoren für leptomeningeale Rezidive ermittelt (10). Eine diffuse leptomeningeale Erkrankung ist in der Regel eine Indikation für eine Ganzhirnbestrahlung, die mit den bekannten Toxizitäten wie neurokognitiven Beeinträchtigungen und Alopezie einhergeht. Das Bestreben, die leptomeningeale Rezidivrate zu reduzieren und gleichzeitig die lokalen Kontrollraten in der Kavität ohne zusätzliche Toxizität aufrechtzuerhalten, bildet die Grundlage für das Konzept die Radiochirurgie präoperativ anstelle von postoperativ durchzuführen. Es gibt zahlreiche Argumente für die präoperative Radiochirurgie von resektablen Hirnmetastasen. Wie bereits erwähnt, führt die Aussaat von Tumorzellen in die Zerebrospinalflüssigkeit während des neurochirurgischen Eingriffs zu einem häufigeren Vorkommen der nodulären leptomeningealen Metastasierung. Deshalb ist die Idee der Sterilisierung der Tumorzellen durch die präoperative Radiochirurgie besonders attraktiv. Die bereits publizierten retrospektiven Serien der präoperativen Radiochirurgie weisen eine Inzidenz der leptomeningealen Rezidive von nur 0-7 % (12,13) auf. Darüber hinaus stellt in der klinischen Praxis eine Konturierung der Operationshöhle nicht selten eine gewisse Herausforderung dar. Insbesondere sind die meningealen Resektionsränder nicht immer eindeutig zu definieren. Folglich resultieren diese und andere Faktoren in der Notwendigkeit der Anwendung von grösseren Margins und konsekutiv in einem grösseren Bestrahlungsvolumen des normalen Hirngewebes (insbesondere bei kleineren Hirnmetastasen) (14), (15). Im Gegensatz dazu ist die Volumendefinition bei der präoperativen Radiochirurgie wesentlich einfacher und der Sicherheitssaum kann auf 1 mm begrenzt werden. Des Weiteren ist die chirurgische Entfernung des bestrahlten Hirngewebes ebenfalls von Vorteil und senkt das Risiko für Radionekrose. Ein weiterer Vorteil bezieht sich auf die Möglichkeit der früheren Durchführung der Radiochirurgie von zusätzlichen und nicht operativ entfernten Hirnmetastasen sowie der Einleitung einer postoperativen systemischen Therapie. Wie die Machbarkeitsstudie PREOP–1 erwiesen hat (Manuskript in Vorbereitung) ist die neoadjuvante radiochirurgische Behandlung bezüglich zeitlichen Ablaufs und ohne relevant erhöhten Ressourcenaufwand gut möglich. Gleichzeitig hat die Machbarkeitsstudie keine relevanten Sicherheitsbedenken aufgeworfen. Die Gefahr einer falsch positiven Diagnose der Hirnmetastase durch die präoperative MRT ist zwar nicht vollkommen vernachlässigbar, aber dank der modernen multiparametrischen Bildgebung ist die Inzidenz deutlich reduziert. Der Nutzen der präoperativen Radiochirurgie wird aktuell im Rahmen der internationalen randomisierten Phase III Studie (PREOP-2), die eine Fraktion präoperativ mit fünf Fraktionen postoperativ mit dem primären Endpunkt «Inzidenz leptomeningealer Rezidive» vergleicht, weiter untersucht.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Susanne Rogers

Radio-Onkologie-Zentrum KSA-KSB
Kantonsspital Aarau
Tellstrasse 25
5001 Aarau

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die bessere Prognose bei Patienten mit einer metastasierten Krebserkrankung begünstigt die aktuell dynamische Entwicklung der Radiochirurgie der Hirnmetastasen, die für sich ebenfalls zu einem längeren Gesamtüberleben beiträgt.
◆ Ein proaktiver Entscheidungsprozess soll bei Patienten mit multiplen Hirnmetastasen vor allem auf kumulativem Zielvolumen und nicht lediglich auf der Anzahl der Läsionen basieren.
◆ Die aktuell untersuchte präoperative Radiochirurgie berechtigt zur
Hoffnung, dass die operierten Patienten in der nahen Zukunft von verbesserter lokaler Kontrolle und niedrigerer Inzidenz der leptomeningealen Erkrankung profitieren.
◆ Die Indikationsstellung für die Ganzhirnbestrahlung wurde deutlich reduziert und ist heutzutage hauptsächlich für Patienten mit diffuser leptomeningealer Erkrankung oder stark ausgeprägter Symptomatik reserviert.

 

1. Kocher, M., et al. (2014). “Stereotactic radiosurgery for treatment of brain metastases. A report of the DEGRO Working Group on Stereotactic Radiotherapy.” Strahlenther Onkol 190(6): 521-532.
2. Yamamoto, M., et al. (2014). “Stereotactic radiosurgery for patients with multiple brain metastases: a case-matched study comparing treatment results for patients with 2-9 versus 10 or more tumors.” J Neurosurg 121 Suppl: 16-25.
3. Yamamoto, M., et al. (2019). “Stereotactic Radiosurgery for Patients with 10 or More Brain Metastases.” Prog Neurol Surg 34: 110-124.
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5. Farris, M., et al. (2017). “Brain Metastasis Velocity: A Novel Prognostic Metric Predictive of Overall Survival and Freedom From Whole-Brain Radiation Therapy After Distant Brain Failure Following Upfront Radiosurgery Alone.” Int J Radiat Oncol Biol Phys 98(1): 131-141.
6. Rogers, S. J., et al. (2022). “Radiosurgery for Five to Fifteen Brain Metastases: A Single Centre Experience and a Review of the Literature.” Front Oncol 12: 866542.
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Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Hochdosierte Strahlentherapie bei Wirbelsäulenmetastasen

Ryu S. et al. Stereotactic Radiosurgery vs Conventional Radiotherapy for Localized Vertebral Metastases of the SpinePhase 3 Results of NRG Oncology/RTOG 0631 Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol. Published online April 20, 2023. doi:10.1001/jamaoncol.2023.0356.

Wirbelsäulenmetastasen können mit einer hochdosierten Strahlentherapie mit fortschrittlicher Verabreichungstechnologie behandelt werden, um eine langfristige Tumor- und Schmerzkontrolle zu erreichen, wie in einer kürzlich publizierten Studie gezeigt wurde.
In der Studie sollte untersucht werden, ob die von den Patienten angegebene Schmerzlinderung durch stereotaktische Radiochirurgie (SRS) im Vergleich zur konventionellen externen Strahlentherapie (cEBRT) bei Patienten mit 1 bis 3 Stellen mit Wirbelmetastasen verbessert wurde.

Design, Setting und Teilnehmer

In dieser randomisierten klinischen Studie wurden Patienten mit 1 bis 3 Wirbelmetastasen im Verhältnis 2:1 auf die Gruppen SRS oder cEBRT randomisiert. Diese Phase-3-Studie NRG 0631 wurde innerhalb der NRG Oncology als einrichtungsübergreifende Mulitzenterstudie durchgeführt. Zu den Zulassungskriterien gehörten die folgenden: (1) eine einzelne Wirbelmetastase, (2) zwei zusammenhängende Wirbelkörper oder (3) maximal drei separate Stellen. Jede Stelle kann bis zu zwei aneinandergrenzende Wirbelkörper betreffen. Insgesamt nahmen 353 Patienten an der Studie teil, und 339 Patienten wurden ausgewertet. Diese Analyse umfasst Daten, die am 9. März 2020 extrahiert wurden.

Patienten, die der SRS-Gruppe zugeteilt wurden, wurden mit einer Einzeldosis von 16 oder 18 Gy (zur Umrechnung in Rad mit 100 multiplizieren) behandelt, die nur auf den/die betroffenen Wirbel verabreicht wurde und keine benachbarten Wirbel einschloss. Die Patienten, die einer cEBRT unterzogen wurden, erhielten 8 Gy für den betroffenen Wirbel und einen weiteren Wirbel darüber und darunter.

Wichtige Ergebnisse

Der primäre Endpunkt war das von den Patienten angegebene Ansprechen auf die Schmerzen, definiert als eine Verbesserung um mindestens 3 Punkte auf der numerischen Schmerzskala (NRPS) ohne Verschlechterung der Schmerzen an der/den sekundären Stellen oder die Verwendung von Schmerzmitteln. Zu den sekundären Endpunkten gehörten behandlungsbedingte toxische Wirkungen, Lebensqualität und langfristige Auswirkungen auf Wirbelknochen und Rückenmark.

Insgesamt wurden 339 Patienten (mittleres [SD] Alter der SRS-Gruppe bzw. der cEBRT-Gruppe: 61,9 [13,1] Jahre bzw. 63,7 [11,9] Jahre; 114 [54,5 %] Männer in der SRS-Gruppe bzw. 70 [53,8 %] Männer in der cEBRT-Gruppe) analysiert. Der durchschnittliche (SD) Schmerzscore bei Studienbeginn am Indexwirbel betrug 6,06 (2,61) in der SRS-Gruppe und 5,88 (2,41) in der cEBRT-Gruppe. Der primäre Endpunkt, das Ansprechen auf die Schmerzen nach 3 Monaten, fiel zugunsten der cEBRT aus (41,3 % für die SRS gegenüber 60,5 % für die cEBRT; Differenz, -19 Prozentpunkte; 95 % CI, -32,9 bis -5,5; 1-seitiger P = .99; 2-seitiger P = .01). Der Zubrod-Score (ein Mass für den Leistungsstatus, das von 0 bis 4 reicht, wobei 0 für voll funktionsfähig und symptomlos und 4 für bettlägerig steht) war der signifikante Faktor, der die Schmerzreaktion beeinflusste. Es gab keine Unterschiede beim Anteil der akuten oder späten unerwünschten Wirkungen. Der Anteil der Wirbelkompressionsfrakturen betrug nach 24 Monaten 19,5 % bei der SRS und 21,6 % bei der cEBRT (P = .59). Nach 24 Monaten wurden keine Rückenmarkskomplikationen gemeldet.

Schlussfolgerung

In dieser randomisierten klinischen Studie wurde keine Überlegenheit der SRS in Bezug auf den primären Endpunkt der von den Patienten berichteten Schmerzlinderung nach 3 Monaten festgestellt, und 2 Jahre nach der SRS traten keine Rückenmarkskomplikationen auf. Dieses Ergebnis kann für die weitere Untersuchung des Einsatzes der Wirbelsäulen-Radiochirurgie bei Oligometastasen von Bedeutung sein, bei denen die Dauerhaftigkeit der Krebskontrolle entscheidend ist.

Kommentar

Ist das Neue wirklich besser? Beim Resultat könnte sich ja herausstellen, dass der Standardarm besser ist. Ein Beispiel dafür, dass 2-sided Tests angezeigt sind!

15-Jahres-Ergebnisse nach Überwachung, Operation oder Strahlentherapie bei Prostatakrebs

Hamdy FC et al. Fifteen-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Prostate Cancer. N Engl J Med 2023; 388:1547-1558

Zwischen 1999 und 2009 wurde im Vereinigten Königreich bei 82’429 Männern im Alter zwischen 50 und 69 Jahren ein Test auf prostataspezifisches Antigen (PSA) durchgeführt. Bei 2664 Männern wurde lokalisierter Prostatakrebs diagnostiziert. Von diesen Männern wurden 1643 in eine Studie zur Bewertung der Wirksamkeit von Behandlungen aufgenommen. 545 wurden nach dem Zufallsprinzip für eine aktive Überwachung, 553 für eine Prostatektomie und 545 für eine Strahlentherapie eingeteilt.

Methoden

Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren (Bereich 11 bis 21) verglichen die Autoren die Ergebnisse in dieser Population hinsichtlich des Todes durch Prostatakrebs (primäres Ergebnis) und des Todes aus jeglicher Ursache, Metastasen, Fortschreiten der Krankheit und Beginn einer langfristigen Androgenentzugs­therapie (sekundäre Ergebnisse).

Resultate

Die Nachbeobachtung war bei 1610 Patienten (98 %) abgeschlossen. Eine Risikostratifizierungsanalyse ergab, dass mehr als ein Drittel der Männer zum Zeitpunkt der Diagnose ein mittleres oder hohes Risiko aufwies. Der Tod durch Prostatakrebs trat bei 45 Männern (2,7 %) ein: 17 (3,1 %) in der Gruppe mit aktiver Überwachung, 12 (2,2 %) in der Prostatektomiegruppe und 16 (2,9 %) in der Strahlentherapiegruppe (P=0,53 für den Gesamtvergleich). Der Tod trat bei 356 Männern (21,7 %) ein, wobei die Zahl in allen drei Gruppen ähnlich hoch war. Metastasen entwickelten sich bei 51 Männern (9,4 %) in der Gruppe mit aktiver Überwachung, bei 26 (4,7 %) in der Prostatektomiegruppe und bei 27 (5,0 %) in der Strahlentherapiegruppe. Eine langfristige Androgenentzugstherapie wurde bei 69 Männern (12,7 %), 40 (7,2 %) bzw. 42 (7,7 %) eingeleitet; eine klinische Progression trat bei 141 Männern (25,9 %), 58 (10,5 %) bzw. 60 (11,0 %) auf. In der Gruppe mit aktiver Überwachung lebten am Ende der Nachbeobachtung 133 Männer (24,4 %) ohne jegliche Prostatakrebsbehandlung. Es wurden keine unterschiedlichen Auswirkungen auf die krebsspezifische Sterblichkeit in Bezug auf den Ausgangs-PSA-Wert, das Tumorstadium oder den Tumorgrad oder den Risikostratifizierungs-Score festgestellt. Nach der 10-Jahres-Analyse wurden keine Behandlungskomplikationen gemeldet.

Schlussfolgerung

Nach einer Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren war die prostatakrebsspezifische Sterblichkeit unabhängig von der gewählten Behandlung gering. Bei der Wahl der Therapie müssen also Nutzen und Schaden der Behandlungen bei lokalisiertem Prostatakrebs gegeneinander abgewogen werden.

Kommentar

Dies ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Studien der letzten 15 Jahre in der Krebsmedizin oder in der Medizin überhaupt. Sie gibt auch wichtige Erkenntnisse für den Public Health Bereich. Wenig überraschend woher die Studie kommt oder anders gefragt: Wer hat’s erfunden? Natürlich die Leute im UK…, und mit 98% Vollständigkeit der Daten über 15 Jahre. Congratulations!

Auch ein Beispiel, dass wichtige Daten mit Langzeit Beobachtungen erhoben werden müssen, wie bei vielen potentiell tödlichen Krankheiten mit relativ guter Prognose: Brustkrebs, Hodentumoren, teils Lymphome, in der Pädiatrischen Onkologie. Hier fehlt gerade in unserem reichen Land die Unterstützung, insbesondere von staatlicher Seite/Nationalfonds.

Letzterer erhält immerhin 4,1 Mrd. Franken in dieser Legislatur.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Verbessertes Gesamtüberleben mit Axicabtagene Ciloleucel bei grosszelligem B-Zell Lymphom

J.R. Westin et al. N Engl J Med. 2023 Jul 13;389(2):148-157. doi: 10.1056/NEJMoa2301665

Hintergrund

In einer Analyse des primären Endpunkts dieser Phase III Studie wiesen Patienten/innen mit früh rezidiviertem oder refraktärem grosszelligen B-Zell-Lymphom nach Therapie mit axicabtagene ciloleucel (axi-cel) ein signifikant längeres Ereignis-freies Überleben (EFS) als die Kontrollgruppe mit Standardbehandlung auf. Aktuell wurden Daten zum Gesamtüberleben (OS) erhoben.

Methoden

In dieser Studie wurden Patienten/innen mit früh rezidiviertem oder refraktärem grosszelligen B-Zell-Lymphom in einem Verhältnis von 1:1 randomisiert, um entweder axi-cel oder die Standardtherapie (zwei bis drei Zyklen Chemoimmuntherapie, gefolgt von einer Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation) zu erhalten. Das primäre Ergebnis war das EFS, und die wichtigsten sekundären Ergebnisse waren die Ansprechrate und das OS 5 Jahre nach der Randomisierung des ersten Patienten/in.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 359 Patienten/innen nach dem Zufallsprinzip für die Behandlung mit axi-cel (180 Patienten) oder der Standardbehandlung (179 Patienten) zugeteilt. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 47,2 Monaten traten Todesfälle bei 82 Patienten/innen in der axi-cel-Gruppe und bei 95 Patienten/innen in der Standard-Gruppe auf. Das mediane OS wurde in der axi-cel-Gruppe nicht erreicht und betrug 31,1 Monate in der Standardbehandlungsgruppe. Das geschätzte 4-Jahres-Gesamtüberleben lag bei 54,6% bzw. 46,0% (P = 0,03). Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 14,7 Monate in der axi-cel-Gruppe und 3,7 Monate in der Gruppe mit Standardtherapie. Seit der primären EFS-Analyse waren keine neuen therapiebedingten Todesfälle aufgetreten.

Schlussfolgerungen

Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 47,2 Monaten führt axi-cel als Zweitlinienbehandlung für Patienten/innen mit früh rezidiviertem oder refraktärem grosszelligen B-Zell-Lymphom zu einem signifikant längeren Gesamtüberleben als die Standardtherapie.

Finanziert von Kite; ZUMA-7 ClinicalTrials.gov Nummer, NCT03391466

Cilta-cel oder Standardbehandlung bei Lenalidomid-refraktärem Multiplem Myelom

J. San-Miguel et al., N Engl J Med. 2023 Jul 27;389(4):335-347. doi: 10.1056/NEJMoa2303379.

Hintergrund

Ciltacabtagene autoleucel (cilta-cel) ist eine BCMA-gerichtete CAR-T-Zelltherapie mit belegter Wirksamkeit bei stark vorbehandelten Patienten/innen mit rezidiviertem oder refraktärem Multiplem Myelom (MM). In der vorliegenden CARTITUDE-4 Studie wurde nun die Wirksamkeit von Cilta-cel in früheren Behandlungslinien bei Patienten/innen mit Lenalidomid-refraktärer Erkrankung untersucht.

Methoden

In dieser randomisierten, offenen Phase III Studie wurden Lenalidomid-refraktäre Patienten/innen entweder mit Cilta-Cel oder einer vom behandelnden Arzt gewählten Standardbehandlung therapiert. Alle Patienten/innen hatten zuvor ein bis drei Therapielinien erhalten. Der primäre Endpunkt war das Progressions-freie Überleben (PFS).

Ergebnisse

Insgesamt wurden 419 Patienten/innen randomisiert (208 für die Behandlung mit Cilta-Cel und 211 für die Standardbehandlung). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15,9 Monaten wurde das mediane PFS in der Cilta-Cel-Gruppe nicht erreicht und lag bei 11,8 Monaten in der Standardbehandlungsgruppe (P<0,001). Das PFS nach 12 Monaten betrug 75,9% in der Cilta-Cel-Gruppe und 48,6% in der Standardbehandlungsgruppe. Mehr Patienten/innen in der Cilta-Cel-Gruppe als in der Gruppe mit Standardbehandlung hatten ein sehr gutes Ansprechen (VGPR; 84,6% vs. 67,3%), ein vollständiges Ansprechen oder besser (73,1% vs. 21,8%), bzw. erreichten eine negative minimale Resterkrankung (60,6% vs. 15,6%).

Von den 176 Patienten/innen, die Cilta-Cel in der unbehandelten Population erhielten, wiesen 134 (76,1%) ein Zytokinfreisetzungssyndrom (Grad 3 oder 4, 1,1%; kein Grad 5), 8 (4,5%) ein Immun-Effektorzell-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom (alle Grad 1 oder 2) auf. Ein Patient hatte Bewegungs- und neurokognitive Symptome (Grad 1), 16 (9,1%) hatten Hirnnervenlähmung (Grad 2, 8,0%; Grad 3, 1,1%), und 5 (2,8%) hatten eine CAR-T-bedingte periphere Neuropathie (Grad 1 oder 2, 2,3%; Grad 3, 0,6%).

Schlussfolgerungen

Eine einzelne Cilta-Cel-Infusion führte bei Patienten/innen mit Lenalidomid-refraktärem Multiplem Myelom und ein bis drei Vortherapien zu einem geringeren Risiko für das Fortschreiten der Erkrankung oder Tod als die Standardbehandlung.

Finanziert von Janssen und Legend Biotech; CARTITUDE-4 ClinicalTrials.gov-Nummer, NCT04181827.

Prof. Dr. med. Christoph Renner

Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Christoph.renner@hirslanden.ch

Register und Studie zum EGFR-mutierten NSCLC

Im Rahmen des Projekts SAKK_LuCa_2 sollen Gesundheitsdaten von Pa­tientinnen und Patienten erhoben werden, die an einem fortgeschrittenen, EGFR-mutierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) erkrankt sind.

Rund 13% aller NSCLC-Adenokarzinome weisen eine EGFR-Mutation auf. Bei der Behandlung des fortgeschrittenen, EGFR-mutierten NSCLC wurden in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte erzielt. Man weiss heute aber noch zu wenig über die Verträglichkeit der Wirkstoffe, die zur Therapie dieser Krankheit zugelassen sind. Auch über das Therapieansprechen und den Krankheitsverlauf bei Patientinnen und Patienten, die ausserhalb von Studien mit diesen Medikamenten behandelt werden, ist zu wenig bekannt. Ausserdem ändern sich die Algorithmen zur Therapie des fort-
geschrittenen, EGFR-mutierten NSCLC in kurzen Abständen, da auf diesem Gebiet rasche Fortschritte erzielt und neue Medikamente entwickelt werden.

Aufbau eines Registers

Aus diesen Gründen wird es immer wichtiger, Register-Projekte mit Personen durchzuführen, die wegen eines fortgeschrittenen, EGFR-mutierten NSCLC ausserhalb von klinischen Studien im normalen klinischen Alltag behandelt werden. Für solche Register braucht es entsprechende Daten. Das Projekt SAKK_LuCa_2 besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil ist ein ebensolches Register, in dem gesundheitsbezogene Daten von Personen mit einem EGFR-mutierten NSCLC gesammelt werden. Im zweiten Teil, einer Studie, soll auf Basis von den im ersten Teil erhobenen Daten untersucht werden, wie diese Personen in der Schweiz behandelt werden und wie sie auf die gegebenen Therapien ansprechen.
Es werden nur Daten gesammelt, die im Rahmen der normalen medizinischen Betreuung erhoben werden.

Ziele der Analysen

Die gesammelten Daten werden statistisch ausgewertet. Wichtige Ziele dieser Analysen bestehen darin, Überlebensraten, Therapiesequenzen, Ansprechraten und Nebenwirkungen in drei verschiedenen Kohorten zu beschreiben:

► Kohorte A: 60 Personen mit NSCLC und EGFR-Exon-20-Insertionsmutationen
► Kohorte B: 80 Personen mit NSCLC und klassischen EGFR-Mutationen mit Krankheitsprogression nach der Erstlinienbehandlung mit Osimertinib
► Kohorte C: 60 Personen mit NSCLC und anderen EGFR-Mutationen als Exon-20-Insertionsmutationen

Weiterhin sollen folgende Faktoren untersucht werden:
► Kumulative Inzidenzraten von Metastasen in Kohorte A (insgesamt und abhängig von der Art der Therapie)
► Situation in der Schweiz bezüglich der molekularen Testung von Patientinnen und Patienten mit NSCLC
► Molekulare Veränderungen bei Krankheitsprogression nach Erstlinienbehandlung mit Osimertinib

Prof. Dr. med. Miklos Pless

Winterthur
SAKK Präsident

miklos.pless@ksw.ch