Nach einer eher langen und bewusst breit gewählten Ausbildung bin ich seit nun mittlerweile neun Jahren als Hausarzt in Baselland (Lausen) tätig.
Was ist Hausarztmedizin?
«Die Hausarztmedizin» gibt es nicht, denn jede Hausärztin und jeder Hausarzt praktiziert auf seine Art und Weise und entwickelt ihren bzw. seinen eigenen Stil – abhängig von der Ausbildung, den erworbenen Fertigkeiten und individuellen Fähigkeiten, den Erfahrungen; abhängig von der Region, in der man praktiziert (Distanzen und Zugänge zu Spitälern und Spezialisten variieren stark), sowie von den Erwartungshaltungen der Patientinnen (die in städtischen Regionen oft anders sind als in ländlichen).
Und trotzdem gibt es bestimmt Gemeinsamkeiten:
Als Hausärzte sind wir sehr oft die erste Anlaufstelle für unsere Patienten, und nicht selten die letzte («der Spezialist hat nichts gefunden, ich habe immer noch Schmerzen»). Wir können unsere Patientenfälle nicht «abschliessen» und die Patienten wieder den Hausärzten zurückschicken; wir betreuen die Patienten weiter, ob wir ihnen «helfen» können oder nicht, ob wir eine genaue Diagnose stellen können oder nicht.
Wir können uns nicht immer an Richtlinien halten, weil bestimmte Beschwerdekomplexe nicht genau einzuordnen sind oder in keine Schublade passen, wir wollen und müssen oft individuell auf unsere Patienten eingehen und gelegentlich auch mal ein «therapeutisches» Blutbild, CRP und EKG machen, damit der Patient sicher ist, dass sich hinter seinem Husten keine Pneumonie versteckt und sein stechender Thoraxschmerz kein Herzproblem ist.
Wir Hausärztinnen und Hausärzte geben viel, und es ist ein herausfordernder Beruf: Wir haben lange Arbeitstage, ein akutes Problem kann nicht erst in drei Tagen gesehen werden, da wir «keine freien Termine mehr haben», sondern der Patient bekommt am Ende der Sprechstunde einen Platz eingeräumt. Wir müssen uns stets fortbilden, um den Anschluss an Neuerungen nicht zu verpassen; dazu kommen Management-Aufgaben als selbstständig Erwerbender.
Wir Hausärzte erhalten aber auch viel zurück: das grosse Vertrauen, das viele Patienten in uns haben, ist berührend. Eine seltene Diagnose gestellt zu haben, ist genugtuend, oder das Leiden eines Patienten gelindert zu haben, freut einen selber.
Unser Tag ist sehr vielfältig – aus meiner Sicht eine gute Mischung aus Routine und Herausforderungen.
Schade, dass ich nach bereits zwei Jahren als tätiger Hausarzt einen Patientenaufnahmestopp einführen musste, denn ich möchte meinen bestehenden Patienten gerecht werden, aber auch meiner Familie und mir selber; auch ich benötige Zeit für mich und meine Ausgleiche.
Würde ich wieder Hausarzt werden wollen? – Ja.
Hoffen wir, dass sich die Bedingungen in der Grundversorgung nicht verschlechtern und dass Nachwuchs nachkommt!
Ein herzliches Dankeschön an all meine Kolleginnen und Kollegen, die diesen Beruf gewählt haben und sich fürs Wohl ihrer Patienten einsetzen und danke auch an all jene, die sich zusätzlich für unseren Berufsstand politisch engagieren.Speziell hervorheben möchte ich das Engagement des Verbandes der Haus- und Kinderärzte Schweiz, mfe, den ihr mit einer Mitgliedschaft unterstützen könnt!
Risiko für das Auftreten von Melanomen bei Personen mit monoklonaler B-Zell-Lymphozytose
Hintergrund:Eine monoklonale B-Zell-Lymphozytose (MBL) vom Phänotyp einer Chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) ist eine prämaligne Erkrankung, die etwa 500-mal häufiger als eine CLL auftritt. Es ist nicht bekannt, ob das mit einer CLL assoziierte zweifach erhöhte Risiko, an einem Melanom zu erkranken, auch für MBL-Personen gilt.
Methoden: Mit Hilfe der Mayo Clinic Biobank wurden Teilnehmer 40 Jahre oder älter identifiziert, die keine früheren hämatologischen Malignome aufwiesen, in den 27 Bezirken um die Mayo Clinic wohnten und über verfügbare Bioproben für das Screening verfügten. Eine Acht-Farben-Durchflusszytometrie wurde für das MBL-Screening verwendet. Personen mit MBL wurden auf der Grundlage des prozentualen Anteils an klonalen B-Zellen als MBL mit geringer (LC-MBL) oder mit hoher Leukozyten-/Lymphozytenzahl (High-Count-MBL) klassifiziert. Auftretende Melanome wurden anhand von International Classification of Diseases-Codes identifiziert und durch Überprüfung der Krankenakten bestätigt.
Ergebnisse: Von den 7334 untersuchten Teilnehmern wurden 1151 mit einer CD5-positiven MBL bzw. 1098 mit einer LC-MBL identifiziert. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren entwickelten 131 Teilnehmer ein Melanom, von denen 36 Personen MBL-positiv waren. Die geschätzte kumulative 5-Jahres-Inzidenz von Melanomen betrug 3,4% bei den Teilnehmern mit MBL und 2,0% bei den Teilnehmern ohne MBL. Nach Anpassung von Alter, Geschlecht und Melanomvorgeschichte wiesen Personen mit MBL ein 1,86-faches (95% CI, 1,25 bis 2,78) Melanomrisiko auf. Dieses erhöhte Risiko blieb auch bestehen, als die Analyse auf Personen ohne Melanom in der Vorgeschichte beschränkt wurde (HR, 2,05 [95% CI, 1,30 bis 3,23]). Personen mit LC-MBL hatten ein 1,92-fach (95% CI, 1,29 bis 2,87) erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Melanoms insgesamt und ein 2,74-fach (95% CI, 1,50 bis 5,03) erhöhtes Risiko für ein Melanom in situ im Vergleich zu Personen ohne MBL.
Schlussfolgerung: Der Nachweis einer LC-MBL ist mit einem etwa zweifach erhöhten Risiko für ein Melanom insgesamt und einem 2,74-fach erhöhten Risiko für ein Melanom in situ verbunden.
Diskussionspunkte
• In dieser grössten MBL-Screening-Kohorte wiesen Teilnehmer aus der Mayo Clinic Biobank, die bei der Basisuntersuchung positiv auf MBL getestet wurden, ein etwa zweifach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Melanoms auf, verglichen mit Teilnehmern ohne MBL.
• Damit ist das Melanom-Risiko ähnlich dem Risiko, das bei CLL-Patienten beobachtet wurde.
• Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die erhöhte Anfälligkeit für Melanome eher auf das Auftreten von MBL als von CLL zurückzuführen zu sein scheint.
• Falls sich diese Daten bestätigen, so sollte es Auswirkungen auf die Screening- und Überwachungsstrategien von MBL-Patienten haben.
Prof. Dr. med. Christoph Renner
Literatur: Vallejo BA et al., J Clin Oncol. 2024. doi: 10.1200/JCO.24.00332. Studie: Für diese Studie wurden die Ressourcen des Rochester Epidemiology Project (REP) genutzt, das vom National Institute on Aging (NIA; AG 058738) unterstützt wird.
Krafttraining und Gewichtsabnahme sind günstig für Gonarthrose
Kürzlich sind zwei Studien publiziert worden, welche die alte Binsenwahrheit, dass Bewegung und Gewichtsverlust die Arthrose der gewichttragenden Gelenke günstig beeinflusst, belegen.
Im Rahmen der prospektiven longitudinalen Beobachtungsstudie der ‚Osteoarthritis Initiative‘ (OAI) wurden an 4 Zentren Patienten untersucht, welche vollständige Daten zu Krafttraining, Knieschmerzen und röntgenologischem Nachweis von Kniearthrose aufwiesen. 2607 Teilnehmer (44 % Männer; Alter 64 Jahre; BMI 28.5) füllten einen Fragebogen hinsichtlich Teilnahme an einem Krafttraining im Alter von 12-18, 19-34, 35-49 und ≥50 Jahren aus. Die Endpunkte waren röntgenologische Arthrose (ROA), symptomatische röntgenologische OA (SOA) und häufige Knieschmerzen. Die Odds Ratios für ROA, SOA und häufige Knieschmerzen betrug bei denjenigen, die zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben an einem Krafttraining teilgenommen haben, verglichen zur Gesamtpopulation 0.83, 0.77 respektive 0.82. Unabhängig vom Zeitpunkt des Krafttrainings wurde die Entwicklung der Gonarthrose günstig beeinflusst und konnten keine schädigenden Einflüsse dokumentiert werden.
Die zweite, von Novo Nordisk finanzierte Studie untersuchte 407 Teilnehmer (82 % Frauen, Alter 56 Jahre, mittlerer BMI 40,3 kg/m2 und mittlerer WOMAC-Schmerzwert 71), welche nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 2:1 einmal wöchentlich subkutanes Semaglutid (2,4 mg) oder Placebo erhielten. Die Veränderung des Körpergewichts bei Woche 68 betrug -13,7 % unter Semaglutid und -3,2 % unter Placebo (p<0,001). Die Veränderung des WOMAC-Schmerzscores in Woche 68 betrug -41,7 Punkte mit Semaglutid und -27,5 Punkte mit Placebo (p<0,001). Die Teilnehmer in der Semaglutid-Gruppe hatten eine grössere Verbesserung der körperlichen Funktion im 36-Item Short Form Health Survey (SF-36) als die Teilnehmer in der Placebogruppe (12,0 Punkte vs. 6,5 Punkte; p<0,001). Daraus kann geschlossen werden, dass der Gewichtsverlust dank der Einnahme von Semaglutid, einem Glucagon-ähnlichen Peptid-1-Rezeptor-Agonisten, zur Verminderung der Schmerzen und zur Verbesserung der Funktion bei Gonarthrose geführt hat.
Die beiden Studien geben uns den wissenschaftlichen Rückhalt, unseren Patientinnen und Patienten mit Gonarthrose begründete gute Ratschläge zu geben: Gewichtsabnahme und mehr Bewegung sind bei Gonarthrose wirksam.
KD Dr. med. Marcel Weber
Literatur: Lo G.H. et al. Strength Training Is Associated With Less Knee Osteoarthritis: Data From the Osteoarthritis Initiative. Arthritis Rheumatol 2024;76:377-383. doi: 10.1002/art.42732. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37870119/
Bliddal H et al. Once-Weekly Semaglutide in Persons with Obesity and Knee Osteoarthritis. N Engl J Med 2024;391(17):1573-1583. doi: 10.1056/NEJMoa2403664. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39476339/
Akuter Alkoholkonsum und Arrhythmien bei jungen Erwachsenen: The Munich BREW II Study
Das «Holiday-Heart Syndrom», ein bedeutendes Gesundheitsproblem, ist seit 1978 bekannt. Es kommt zu einem verzögerten Auftreten von supraventrikulären und ventrikulären Extrasystolen nach akutem übermässigem Alkoholkonsum.
Trinkt ein 85 Kilo schwerer Mann bei 180 cm eine Mass Helles (1 Liter 5%) innerhalb einer Stunde, hat er höchstwahrscheinlich 0,53 Promille im Blut. Trinkt eine Dame mit 60 Kilo bei 170 cm ein Liter Bier innerhalb einer halben Stunde, so können es bei ihr 0,78 Promille im Blut sein. Sie muss 2 Stunden und 21 Minuten warten bis der Spiegel 0,5 Promille beträgt.
1 Mass Bier entspricht ca. 8 Schnäpsen resp. 40 Gramm Alkohol (vgl. https://rechtswissen.ch/tools/promille-rechner). In einer aktuellen zweiten Studie aus München wurden 193 Personen (davon 36% Frauen, Durchschnittsalter 30 Jahre, mit einem leichten Alkoholkonsum von 6.8 Standarddrinks/Woche) einem geplanten Trinkgelage über 5 Stunden ausgesetzt. Die max. Atemalkoholkonzentration betrug dabei durchschnittlich 1,4gr/kg. Die Probanden wurden während 48 Stunden mit einem 3 Kanal-Holter-EKG überwacht. Es kam in diesen 5 Stunden zu einem deutlichen Anstieg der mittleren Herzfrequenz von 89 auf 97 Schläge/min., max. 130/min. Zusätzlich gehäuft atriale Schläge/Tachykardien vor allem in der anschliessenden Kontrollperiode. Während der Trinkphase vermehrt ventrikuläre Extrasystolen. In 10 Fällen kam es zu deutlichen Arrhythmien vor allem in der Erholungsphase von der 6. bis 19. Stunde: 5 Fallbeispiele sind hier abgebildet (ESC TV TODAY, C. Aguiar, Lisbon, 10.10.24):
Die Studie zeigt die Auswirkungen des Rauschtrinkens auf Veränderungen der Herzfrequenz und erhöhte atriale Tachykardien während der «Trinkperiode» sowie das Auftreten klinisch relevanter Arrhythmien während der «Erholungsphase». Die Daten unterstützen die Beobachtung, dass eine alkoholinduzierte Modulation des autonomen Nervensystems das Auftreten von Arrhythmien vermittelt. Die Limitationen dieser Studie war die kleine Kohorte und eine fehlende Kontrollgruppe.
Insgesamt ist das «Holiday-Heart-Syndrom» bei ansonsten gesunden Menschen selten, sollte aber als relevantes Gesundheitsproblem erkannt werden. Wahrscheinlich verändert der Alkohol in bestimmten Bereichen des Herzens die Leitungseigenschaften. Das macht das ganze Herz elektrisch ein bisschen instabiler und begünstigt die Entstehung von Vorhofflimmern oder anderen Herzrhythmusstörungen. Jüngere Daten legen nahe, dass bereits 330 ml Bier oder 120 ml Wein am Tag das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern steigern können. In den aktuellen ESC-Guidelines 2024 zum Vorhofflimmern wird daher empfohlen den Alkoholkonsum auf ≤3 Standarddrinks pro Woche zu reduzieren. In den aktuellen ESC-Guidelines 2024 zum erhöhten Blutdruck und Hypertonie sollten weniger als 100g Alkohol pro Woche eingenommen werden. Das Thema Alkohol hat in den letzten Jahren somit einen deutlichen Meinungsumschwung in der Kardiologie erbracht.
Dr. med. Urs Dürst
Literatur: Brunner S. et al., Acute Alcohol Consumption and Arrhythmias in Young Adults: The MunichBREW II Study, European Heart Journal, ehae695, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae695/
Brunner S. et al., Alcohol consumption, sinus tachycardia, and cardiac arrhythmias at the Munich Octoberfest: results from the Munich Beer Related Electrocardiogram Workup Study (MunichBREW), Eur Heart J 2017 Jul 14;38(27):2100-2106.
In diesem Beitrag möchten wir nach einer kurzen Einleitung die Pathophysiologie und eine Definitions-Präzisierung des Eisenmangels besprechen, dies allgemein und bei der Herzinsuffizienz (HI). Zudem werden wir eine kurze Literaturübersicht zur intravenösen Eisentherapie bei der HI wiedergeben. Die Diagnosekriterien des Eisenmangels bei kardiovaskulären Erkrankungen stehen nicht final fest. In einem weiteren Abschnitt wird die Frage behandelt: «Besser keine Eisensubstitution unter einem SGLT2-Hemmer?» Das Thema des Eisenmangels ist bei der Betreuung von HI-Patienten in der hausärztlichen und kardiologischen Sprechstunde wichtig.
In this article, after a brief introduction, we would like to discuss the pathophysiology and a definitional specification of iron deficiency, both in general and in heart failure (HF). We will also provide a brief literature review on intravenous iron therapy in HI. The diagnostic criteria for iron deficiency in cardiovascular disease have not been finalised. In a further section the question will be addressed: ‘Is it better not to use iron substitution with an SGLT2 inhibitor?’ The topic of iron deficiency is important in the care of HI patients in GP and cardiological consultations. Key words: Heart failure, iron deficiency, ferritin, transferrin saturation, intravenous iron, SGLT2-Inhibitor and iron
Einleitung, Grundlagen
Die Herzinsuffizienz (HI) ist eine chronische Erkrankung, von der schätzungsweise 1 bis 2 % der Weltbevölkerung und bis zu 10 % der Patienten ab 65 Jahren betroffen sind. Bei Patienten mit HI hat ein Eisenmangel eine geschätzte Prävalenz von 30–83%, oft ohne begleitende Anämie. Der Eisenmangel ist die häufigste Mangelerkrankung der Menschen und weltweit die häufigste Ursache einer Anämie. Eisen ist essentiell für die Funktion von: Hämoglobin, Myoglobin, Mitochondrien, Immunsystem, Enzymen und Hormonen. Ein Eisenmangel verstärkt die HI-Symptome, erhöht die HI-Hospitalisationsrate, verschlechtert die Nierenfunktion und die Gesamtmortalität; dies mit und ohne begleitende Anämie. Letztere tritt mit einer Verzögerung von 6-8 Wochen in 30-50% der Patienten mit Eisenmangel auf (1-3).
Diagnose/Differentialdiagnose:
Die Diagnosestellung und Therapie eines Eisenmangels bei einer HI sind leider im Alltag immer noch selten. Nach einer retrospektiven Studie im Jahre 2019 wurden bei 10 381 Klinikeinweisungen wegen HI (HFrEF, HFpEF) nur 158 Patienten bez. Eisenmangel abgeklärt: davon 109x Eisenmangel nach Leitlinien und letztendlich 23 Patienten intravenös behandelt (3). Im Schwedischen HI-Register wurde diese Untersuchung 2021 bei 21 496 Patienten nur bei ¼ der Patienten durchgeführt, von diesen hatte ca. 50 % einen Eisenmangel; nur 1 von 5 erhielt eine Substitution (4).
Neben einem Diff.-Blutbild mit Hb, Hkt, inkl. Ec-Indizes (MCV, MCH, MCHC), dem Serum-Ferritin und der Transferrinsättigung (TSAT), gehört ein CRP zur primären Abklärung. Bei einer Anämie können zusätzlich die Retikulozytenzahl, die RDW (Ec-Verteilungsbreite) sowie das Ret-Hb bestimmt werden. Die RDW kann zusammen mit dem MCV zur DD der Anämie genutzt werden: Eisenmangelanämie (MCV↓, RDW↑). Das Ret-Hb ist ein früher Marker eines funktionellen Eisenmangels. Bei Unklarheit kann die Bestimmung des Transferrin-Rezeptors (sTfR) bestimmt werden (Tab. 1) – vgl. Onlineversion des Artikels.
Primär ist diese hyporegenerative Anämie normochrom, normozytär, später bei defizienter Erythropoese hypochrom, mikrozytär (MCV, MCH). Die Retikulozyten sind vermindert. Zusätzlich findet man als Ausdruck einer ineffektiven Erythropoese eine Anisozytose (RDW), eine Poikilozytose und Anulozyten. Evtl. kein Eisen im Knochenmark. Das Serumferritin ist bei der Eisenmangelanämie erniedrigt – vgl. dazu funktionellen und absoluten Eisenmangel.
Zur DD einer hyporegenerativen Anämie bedarf es weiterer Laborparameter wie: Kreatinin, e-GFR, Leberwerte, Vit. B12 mit Holo-Transcobalamin und Folsäure (makrozytäre hyperchrome Anämie: MCV↑, MCH n -↑, RDW↑). Sind diese Vitamine normal oder erhöht, so bedarf es einer hämatologischen Abklärung (Myelodysplastisches Syndrom, schwerer Leberschaden). Sind die Ec-Indizes, Ferritin, Vit.B12 u. Folsäure normal, so ist die DD gross: renale Anämie bei CKD, Anämie bei chron. Erkrankungen (ACD), Knochenmarkserkrankungen, Leukämie, Multiples Myelom, Lymphom, Tumoranämie, endokrine Störungen, Leberleiden.
Tabelle 1 vermittelt die verschiedenen wichtigen Labor-Parameter, welche bei der Frage nach einer Eisenstoffwechselstörung primär abgeklärt werden. Dafür sollte die Blutentnahme morgens nüchtern durchgeführt werden, kann doch eine Nahrungsaufnahme kurzfristig die Transferrinsättigung (TSAT) erhöhen. Auch sollte man diese Parameter nicht während einer akuten Erkrankung bestimmen, so könnte die TSAT falsch tief sein.
Bei einer hyperregenerativen Anämie mit erhöhten Retikulozyten muss primär eine Hämolyse (LDH↑, indirektes Bilirubin↑, Haptoglobin↓) und eine akute Blutungsanämie ausgeschlossen werden. Man findet diese auch in einer Therapie-Erholungsphase. Die Anamnese ist auch hier besonders wichtig. Man unterscheidet einen funktionellen von einem absoluten Eisenmangel – vgl. www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/eisenmangel-und-eisenmangelanaemie/@@guideline/html/index.html
Funktioneller Eisenmangel: Die Eisenreserve des Körpers ist hier nicht aufgebraucht, aber die Freisetzung des Eisens aus dem Speicher ist beeinträchtigt.
Einen solchen findet man bei Patienten mit Infektionen, chronischen Entzündungen, autoimmunen Erkrankungen, CKD, Leberleiden, fortgeschrittenen Tumorleiden, Alkoholexzess = Anämie bei chronischen Erkrankungen (ACD). Diese ist bei einem Teil der Patienten hypochrom, oft jedoch normochrom, normozytär ohne Anisozytose (MCV+MCH normal, RDW normal). Die Ursache ist multifaktoriell und führt zu einer verminderten Erythrozytenproduktion, d. h. die Zahl der Retikulozyten ist niedrig. Zytokine (Interleukin 1, TNF-α, γ-Interferon) werden im Rahmen chronischer Erkrankungen verstärkt freigesetzt und führen zur reduzierten Empfindlichkeit der Erythropoesevorläuferzellen auf Erythropoetin.
Da bei einer Herzinsuffizienz (HI) eine systemische Entzündung besteht, wird vor allem durch Interleukin-6 vermehrt Hepcidin in der Leber gebildet. Dies bewirkt eine Eisenresorptionsstörung im Duodenum und oberen Jejunum durch eine blockierte Freisetzung aus den Enterozyten und den retikulo-endothelialen Makrophagen – «Hepcidin-Block» – z.B. aus Leber und Milz. Kann die Entzündung gemildert werden, so wird im Serum Hepcidin und Ferritin wieder gesenkt. Dies führt zu einer Erhöhung des bioreaktiven zytosolischen Fe2+ und einer Verbesserung des funktionellen Eisenmangels. Es besteht dabei keine Erythropoetin-Resistenz und eine Eisensubstitution ist nicht erforderlich. Diese Eisenverteilungsstörung bewirkt trotz ausreichendem Depoteisen einen Eisenmangel an der erythropoetischen Vorläuferzelle.
Ferritin ist ein Akutphasen-Protein und kann bei Infekten bzw. einer akuten oder chronischen Erkrankung mit Entzündung (hsCRP↑), CKD, HI, Lebererkrankung, Alkohol-Exzess, Krebs pseudonormal bis erhöht sein, obwohl die Eisenspeicher vermindert bis leer sind. Ferritinwerte > 300ug/l schliessen auch bei einer chronischen Entzündung einen Eisenmangel aus. Bei akuten und chronischen Entzündungen kann die Transferrinsättigung trotz normaler Eisenspeicher erniedrigt sein. Der sTfR, der lösliche Transferrinrezeptor, hat eine der Transferrinsättigung (TSAT,TfS) vergleichbare diagnostische Wertigkeit, ist aber im Unterschied zur TfS auch bei der ACD ein Indikator des Funktionseisens, da er nicht durch eine Entzündung beeinflusst wird. Besteht bei der ACD ein Mangel an Funktionseisen, so ist der sTfR erhöht; ebenso bei einer gesteigerten Erythropoese.
Ein funktioneller Eisenmangel reagiert auf eine intravenöse Eisen (Fe³+)-Substitution; nicht aber auf eine orale Substitution (1, 2).
Absoluter Eisenmangel: Die Eisenreserve des Körpers ist aufgebraucht. Dies findet man u.a. bei einer okkulten GI-Blutung unter Plättchenhemmern oder Antikoagulanzien; einer langen Einnahme eines Protonenhemmers/Antazida – die Eisen-Resorption ist durch den pH-Anstieg gestört; chronisch hoher Schwarztee- oder Kaffee-Konsum – die Polyphenole hemmen die Resorption im Duodenum; Kalziumantagonisten – blockieren die Transportkanäle in den Membranen von Enterozyten; Eisenmangel in der Ernährung (kein Fleisch, viel Soja u.a.) und gastrointestinale Neoplasien mit Sickerblutungen (1,2). Hepcidin wird herunterreguliert und der Transferrin-Rezeptor 1 (transmembranöses Transportprotein für Transferrin) hochreguliert, um die Eisenaufnahme in eine Zelle zu erleichtern; gleichzeitig wird Ferritin abgebaut, wodurch sequestriertes Eisen aus intrazellulären Speichern freigesetzt wird. Niedriges Hepcidin und Ferritin und hohe Spiegel des Transferrins und Transferrin-Receptor 1 (TfR1) bei einer tiefen Transferrinsättigung (TSAT) im zirkulierenden Blut werden als verlässliche Parameter für einen Eisenmangel angesehen (Tab. 1). Ein Ferritinwert <15ug/l bestätigt den totalen Eisenmangel. Es besteht eine mikrozytäre hypochrome Anämie (MCV↓, MCH↓), die Erythropoese ist hypoproliferativ mit tiefen Retikulozyten.
Beim absoluten Eisenmangel kann eine Verbesserung durch eine orale (Fe²+)- oder intravenösen Eisen (Fe³+)- Substitution erfolgen, wobei letztere deutlich rascher wirksam ist. Die Resorptionsrate bei oralen Fe²+-Salzen beträgt lediglich 10%. Oral wird bei einer einmal täglichen Einnahme ≥60mg/die, diese nüchtern alle 2 Tage empfohlen, dies wegen kurzfristigem Hepcidin-Anstieg/Abfall. Eine gleichzeitige Einnahme von Vitamin C (Orangensaft) fördert, eine gleichzeitige Kalziumtablette verzögert die Resorption. Auch dürfen nicht zeitgleich Kaffee, Tee, Milch, Antazida, Oxalate und Phosphate eingenommen werden.
Eine orale Eisensubstitution ist bei einer HI mit einer LV-EF ≤50% wegen erwähnter Mechanismen und dem funktionellen Eisenmangel nach der sehr kleinen IRON-HF Studie betreffend Leistungsverbesserung nicht effektiv. Die intravenöse Eisenzufuhr ist bei der Verbesserung der Funktionsfähigkeit (VO2max) überlegen. Die Korrektur der Anämie schien jedoch zwischen der Eisengabe in Tablettenform und der iv. Eisengabe ähnlich zu sein (5). In der IRONOUT-HF Studie – der einzigen grossen randomisierten kontrollierten Studie bei Patienten mit HFrEF und Eisenmangel – verbesserte orales Eisenpolysaccharid die körperliche Leistungsfähigkeit nicht und erreichte in dieser Publikation bei der Mehrheit der Patienten über 16 Wochen keine Eisenrepletion (6). Bei einem funktionellen Eisenmangel wird oral aufgenommenes Eisen sehr langsam resorbiert, da es durch den «Hepcidinblock» abgefangen wird, bevor es an die Zielorgane gelangt. Eine optimale Therapie-Antwort auf eine orale Gabe liegt vor bei: Anstieg der Transferrinsättigung, der Retikulozyten und der sTfR, dann Zunahme des Hb-Werts, dann Normalisierung des Ferritins (>100ug/l).
Klinik
Neben einer Herzinsuffizienz haben Schwangere, Hochleistungssportler und alte Leute häufig einen Eisenmangel. Anamnestisch spielen bei Letzteren mögliche Blutungen die wichtigste Rolle. Weitere Möglichkeiten sind die Ernährung, gewisse Medikamente, Alkoholismus, Infekte und verschiedene chron. Erkrankungen. Klinisch kommt es bei einem Eisenmangel zu multiplen Symptomen wie z.B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Dyspnoe, Infektanfälligkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafstörung, Depression. Ein Eisenmangel ist prognostisch ungünstig, dies unabhängig von einer Anämie, und führt zu einer schlechten Lebensqualität.
Aktuelle Guidelines
Gemäss den ESC HI-Guidelines 2021 besteht ein Eisenmangel bei einer HI bei einem Ferritin <100ug/l oder einem Ferritin von 100-299ug/l und einer Transferrin Sättigung <20%. Bei einem Infekt mit erhöhtem CRP ist das Ferritin als Akut-Phasenprotein, wie bereits erläutert, erhöht und die Aussage betreffend Ferritin somit eingeschränkt. Bei HI-Patienten sollte nach den Leitlinien eine regelmässige Kontrolle (alle 2-3 Monate) auf das Vorliegen eines potenziellen Eisenmangels und einer Anämie erfolgen (IC-Indikation) (7). Dieses Screening (Blutbild, Serumferritin, TSAT) sollte bei einer HI auch vor nicht kardialen Eingriffen durchgeführt werden (Tab. 1).
Die iv. Eisen-Therapie hat nach den 2023 Focused Update ESC HI-Guidelines bei der symptomatischen HI (LVEF <50%) mit Eisenmangel zur Verbesserung der Symptome und Erhöhung der Lebensqualität neu eine IA-Indikation (8). Eine iv.-Eisen(III)-Carboxymaltose (FCM) oder Eisen(III)-Derisomaltose (FDI) Therapie bei symptomatischen Patienten mit HFrEF und HFmrEF sowie Eisenmangel sollte in Betracht gezogen werden, um das Risiko einer HI-Hospitalisation zu verringern (IIa A) (8).
Die Transferrinsättigung (TSAT, TfS), ein Marker für Eisenmangel, spiegelt sowohl die Serumkonzentrationen von Eisen als auch von Transferrin wider. TSAT ist anfällig für Veränderungen in jedem dieser Biomarker. Kürzlich publizierte Daten legen allerdings nahe, dass gerade Patienten mit einer chronischen HI oft niedrige Transferrin- und Serumeisenwerte haben, obwohl die TSAT >20% und das Serumferritin >100ng/ml betragen. Solche Patienten haben eine hohe Prävalenz einer Anämie und eine schlechte Prognose und könnten an Eisenmangel leiden, sind aber derzeit von klinischen Studien zur Eisenergänzung ausgeschlossen (9). Die Diagnosekriterien des Eisenmangels bei kardiovaskulären Erkrankungen stehen nicht final fest; im klinischen Alltag sind diese brauchbar, jedoch noch nicht perfekt (10).
Nach einer aktuellen Arbeit im EHJ nimmt das Herz Eisen aus intravenöser Eisencarboxymatose (FCM) über einen nicht der Regel entsprechenden neuen Weg auf, der unabhängig von retikuloendothelialen Makrophagen ist. Diese myokardiale Akkumulation von nicht-transferringebundenem Eisen ist möglicherweise klinisch relevant. Die Persistenz des Eisens im Myokard und in labiler Form birgt die Gefahr, dass wiederholte Gaben zu einer kumulativen Anreicherung und Toxizität führen (11).
Neudefinition Eisenmangel bei HI
In einer lesenswerten Publikation von M. Packer im Circulation Mai 2024 wird die bisherige Definition eines Eisenmangels in den Guidelines von internationalen Experten unter Beteiligung der Charité in Berlin hinterfragt. Die Autoren fordern: «Die aktuelle auf Ferritinkonzentration beruhende Definition eines Eisenmangels bei HI-Patienten aufzugeben und durch eine auf der Hypoferrämie (TSAT <20%) basierenden Definition zu ersetzen». Der Grund ist der erwähnte funktionelle Eisenmangel durch die systemische Entzündung und der erhöhte zentralvenöse Druck bei einer HI, welche das Hepcidin in der Leber erhöhen und dadurch die Eisenfreisetzung hemmen. Ferritin wird, wie erwähnt, bei einer Entzündung vermehrt synthetisiert und freigesetzt; die Synthese von Tranferrinrezeptoren gehemmt. So werden nach den Autoren oft Ferritinwerte beobachtet, welche im Normbereich zwischen 20 -300ug/l liegen. So würde dann ohne die Berücksichtigung der TSAT nach der aktuellen Definition in den ESC-HI-Guidelines fälschlicherweise keine Eisentherapie veranlasst werden. «Die hypoferrämischen Patienten mit einer TSAT <20% haben in der Regel auch in einer Knochenmarks-Untersuchung einen Eisenmangel; nach intravenöser Eisentherapie verbessert sich ihre funktionelle Kapazität und das Risiko eines cv Ereignisses sinkt beträchtlich» (12). Bei einer TSAT >20% und einem Serumferritin von 20-100mg/l besteht eine gute Prognose ohne Eisenersatztherapie. Eine solche wäre dann ungünstig – proinflammatorische Wirkung, Förderung eines Tu-Wachstums. Daher schlagen die Autoren vor, die derzeitige auf Ferritin basierende Definition von Eisenmangel bei HI aufzugeben und eine auf Hypoferrämie (TSAT< 20%) basierende Definition zu übernehmen.
Studien zur iv.-Eisen-Therapie bei einer chronischen Herzinsuffizienz
Seit 2009 wurden insgesamt zehn unterschiedliche Studien und zwei Metaanalysen zur Eisentherapie bei HI publiziert. Die in den letzten Jahren publizierten Doppelblinden Placebo-kontrollierten Studien: CONFIRM-HF (13), AFFIRM-AHF (14) und zwei Metaanalysen 2018 u. 2023 (15,16) ergaben durch eine konsequente iv. Eisencarboxymaltose (FCM) Therapie einen besseren Outcome bei HI-Patienten (HFrEF, HFmrEF) mit Eisenmangel. In der grossen AFFIRM-AHF Studie (RCT) mit 1082 Patienten nach einer akuten HI-Episode konnten bei einer LVEF <50% durch eine solche Therapie die HI-Hospitalisationsrate und der cv-Tod über 52 Wochen nicht ganz signifikant um 21% gesenkt werden, NNT von 7. Betrachtet man die Endpunkte einzeln, wird offensichtlich, dass sich die Eisengabe alleinig auf die HI bedingte Hospitalisierungsrate ausgewirkt hat, das Risiko für eine Klinikeinweisung war unter der Therapie um 26% signifikant geringer (RR: 0,74; p=0,013). Auf die kardiovaskuläre Mortalität hatte die Eisengabe vs. Placebo keinen Einfluss (14).
Bei einem breiten Spektrum von 1137 älteren Patienten (median 73j.) mit HI in der IRONMAN-Studie (17) mit einer LVEF ≤45%, einem Eisenmangel (TSAT <20%, Serumferritin <100ug/l) und einem Hb unter dem Normwert von 13g/dl bei Frauen resp. 14g/dl bei Männern war die wiederholte iv. Verabreichung von Eisen³+-Derisomaltose (FDI) mit einem geringeren Risiko von Krankenhaus-einweisungen wegen HI und einer Leistungssteigerung über 2.7 Jahre verbunden, ohne dass die cv Todesrate oder der Gesamttod signifikant zurückging. Die Hazard Ratio für den kardiovaskulären Tod (0,86; 95 % CI, 0,67 bis 1,10) war ähnlich hoch wie die HR in der negativ ausgefallenen HEART-FID, der bisher grössten iv. Eisengabe Studie. Bei 3065 ambulanten Patienten mit HI mit reduzierter Auswurffraktion von ≤40% und einem Eisenmangel (nach Guidelines) und einer HI-Hospitalisation in den vergangenen 12 Monaten oder ein erhöhtes NT-pro-BNP zeigte letztere keinen offensichtlichen Unterschied zwischen Eisencarboxymaltose und Placebo in Bezug auf den primären Endpunkt: Tod, Klinikaufenthalten wegen HI oder einer Veränderung im 6-Minuten-Gehtest. Die durchschnittliche TSAT betrug 23.9% (18).
Eine aktuelle Metaanalyse aus: HEART-FID, CONFIRM und AFFIRM-AHF ergab bezüglich cv Tod und cv Hospitalisation zwar eine Risikoreduktion von 14% (HR 0.86), dies jedoch getrieben durch die Klinikeinweisungen, ohne erkennbare Auswirkungen auf die Sterblichkeit. In einer Subanalyse zeigte eine TSAT <15% einen deutlich vorhersehbaren Nutzen einer Eisensubstitution mit FCM. Die Risikoreduktion für den cv Tod oder die Hospitalisation betrug hier 28%. Potenziell ungünstige Auswirkungen bei Patienten mit einem TSAT-Wert von ≥24 % (19).
In der ersten HFpEF Studie mit Eisenmangel: FAIR-HFpEF, bei älteren Patienten mit einer HFpEF ( ≥50%) verbesserte die intravenöse FCM-Therapie die 6-Minuten-Gehstrecke (+49m) und war mit weniger schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen verbunden. Die Studie war jedoch wegen der kleinen Teilnehmerzahl (n=39) nicht aussagekräftig genug, um Auswirkungen auf die Symptome oder die Lebensqualität festzustellen oder zu widerlegen. Die Gründe für die positiven Wirkungen der intravenösen Verabreichung von Eisen sind etwas klarer geworden und gehen weit über die Eisenversorgung bei der Erythropoese hinaus (20). Der potenzielle Nutzen von intravenösem Eisen bei HFpEF mit einem Eisenmangel sollte in einer grösseren Kohorte weiter untersucht werden.
Bei einer iv.-Eisentherapie ist zu beachten: cave Flush bei zu schneller iv.-Gabe, akute Überempfindlichkeitsreaktion vom Soforttyp (anaphylaktische Reaktion), Betreuung und Nachbetreuung (mind. 30 Min.) des Patienten; Abwägung Risiko-Nutzen einer Infusionstherapie. Dosierung je nach Hb und Körpergewicht.
Einsatz von SGLT2-H. bei einer iv. Eisentherapie
In einer Arbeit von M. Packer im JACC Januar 2023 wird die Interaktion der iv. Eisengabe (Fe³+) mit der gleichzeitigen Gabe eines SGLT2-Hemmers kritisch hinterfragt (21). Es werden im Artikel zwei Hypothesen diskutiert: die «zytosolische Eisenmangel Hypothese» und die «zytosolische Eisenauffüllungs Hypothese». Bei Letzterer bewirken SGLT2-H. über den Sirtuin-1-Signalweg und über eine Reduktion der Entzündung einen Abfall von Ferritin, Hepcidin in den Hepatozyten und Makrophagen und einen Anstieg von Erythropoetin und der Transferrinrezeptoren unabhängig von der Erythropoese. Der Autor geht davon aus, dass die Eisen-Biomarker Veränderungen unter SGLT2-H. keinen intrazellulären Eisenmangel anzeigen. Das Eisen 2+ ist im Zytosol nach seiner Überlegung erhöht, mit einer erhöhten Nutzung, erhaltener Erythropoese und erhaltener Kardioprotektion verbunden.
Bei einer HI werden auch der renale Sympathikus, Angiotensin II, Neprilysin und die α-Receptoren aktiviert. Dies führt zu einer Expression von NHE3 – NHE3 ist ein Na+/H+-Antiporter 3, dies ist ein Membrantransportprotein, welches im Darm und im proximalen Tubulus der Niere vorkommt und durch den Protonentransport den pH-Wert in den Zellen reguliert (Abb. 1).
Eine weitere Expression bei einer HI ist SGLT2. Dieses führt zu einer Natrium- und Wasserretention mit Anstieg des Volumens im Interstitium und Plasma. Dies wiederum verschlechtert die HI. SGLT2-H. blockieren nach M. Packer den renalen Sympathikus und die Expression von NHE3 und SGLT2 (22).
SGLT2-Hemmer vermindern die Entzündung und die Fibrose, senken den oxidativen Stress; sie sind organoprotektiv. Sie erhöhen neben dem Erythropoetin auch die Erythrozytose (Hkt↑) mit einem Anstieg der O2-Freisetzung, die Gluconeogenese und die Fettsäure Oxidation. Diese Mechanismen führen über die Sauerstofferhöhung und die Synthese von Ketonkörpern zu einer erhöhten ATP-Produktion in den Mitochondrien der Kardiozyten und Nierenzellen. Bekannte osmotische Diurese (Potenzierung der Schleifendiuretika) mit Abnahme des Plasmavolumens und die erwähnte direkte kardioprotektive Wirkung mit Verbesserung der Dyspnoe; Senkung der Harnsäure (22) (Abb. 2).
Nach klinischen Daten der DAPA-HF wird diese «zytosolische Eisenauffüllungs Hypothese» favorisiert. «Die intravenöse Eisentherapie könnte daher unnötig und theoretisch schädlich (Entzündung/ Ferroptose) sein, bei HI-Patienten, welche unter SGLT2-H. Eisendefizient erscheinen». Weiter Studien zu dieser Kombinationstherapie sind daher nach dem Autor notwendig, bevor eine solche breit empfohlen wird (22,23). So hatten in der IRONMAN Studie lediglich 3%, in der bez. primärem Endpunkt negativen grossen HEART-FID Studie 7.7% einen SGLT2-H (24,25). Bisherige Daten deuten nicht daraufhin, dass ein zugrunde liegender Eisenmangel den grossen Nutzen dieser Medikamentenklasse beeinträchtigt.
Eisenmangel war bei DAPA-HF in einer post hoc Analyse häufig (43,7%) und mit schlechteren Ergebnissen verbunden. Dapagliflozin schien den Eisenverbrauch zu erhöhen, verbesserte jedoch die Ergebnisse, unabhängig vom Eisenstatus zu Studienbeginn. TSAT, Ferritin und Hepcidin wurden reduziert und die Gesamteisenbindungskapazität und der lösliche Transferrinrezeptor mit Dapagliflozin im Vergleich zu Placebo erhöht. Die Wirkung von Dapagliflozin auf den primären Endpunkt war bei Patienten mit Eisenmangel im Vergleich zu Patienten mit genügend Eisen konsistent (Hazard Ratio, 0,74). Ähnliche Ergebnisse wurden für kardiovaskuläre Todesfälle, Krankenhausaufenthalte bei HI und Gesamtmortalität beobachtet (23). Die Feststellung eines konsistenten Nutzens von Dapagliflozin bedeutet, dass ein vorbestehender absoluter Eisenmangel nicht als Hindernis für den Beginn der Behandlung mit Dapagliflozin oder die Entwicklung eines absoluten Eisenmangels während der Behandlung, nicht als Grund für ein Absetzen der Behandlung angesehen werden sollte. Diese Studien-Beobachtungen erhöhen das Potenzial für eine therapeutische Synergie zwischen Eisenauffüllung und SGLT2-Hemmung bei Patienten mit HFrEF/HFmrEF nicht nur um Eisenmangel zu vermeiden, sondern vielleicht auch um eine Anämie zu behandeln. Zur definitiven Beurteilung dieser Interaktion sind weitere Studien erforderlich.
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Dr. med. Urs N. Dürst
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Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Bei einer symptomatischen Herzinsuffizienz mit einer EF ≤50% muss ein Eisenmangel regelmässig gesucht und allenfalls durch eine intravenöse Eisengabe behandelt werden. Ein Eisenmangel ist prognostisch ungünstig, dies unabhängig von einer Anämie, und führt zu einer schlechten Lebensqualität und vermehrten HI-Hospitalisationen.
Definition des Eisenmangels bei der HI nach ESC 2023 (Männer&Frauen):
Absoluter Eisenmangel: Ferritin <100ng/ml allein oder
Funktioneller Eisenmangel: Ferritin 100-299ng/ml bei TSAT <20%
Einige Autoren halten die Bestimmung der TSAT als alleiniges Kriterium für einen Eisenmangel bei der HI als ausreichend mit einem Wert <20%.
Das Akut-Phasen Protein Ferritin ist bei einer chron. Erkrankung mit einer Anämie (ACD) wegen des funktionellen Eisenmangels pseudonormal oder erhöht. Die Bestimmung von Ferritin und der Transferrinsättigung ist hier ungenügend. Der sTfR kann zwischen Eisenmangel und ACD unterscheiden und ist bei Letzterer normal, bei zusätzlichem Eisenmangel erhöht – vgl. Tab.1.
Durch die intravenöse Eisengabe bei funktionellem und absolutem Eisenmangel und einer HI mit reduzierter (HFrEF ≤40%) und leicht reduzierter (HFmrEF 41-49%) Ejektions-fraktion kommt es zu einer Verbesserung der Symptome, der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität mit einer Risikoreduktion für HI-Hospitalisationen.
Ausstehend sind grössere Studien bei einer HFpEF (≥50%) mit Eisenmangel.
SGLT2-H. lindern den Eisenmangel (entzündungsbedingter Veränderungen der Eisenhomöostase) und haben u.a. die Fähigkeit, die Erythrozytose und die Produktion von ATP in den Kardiomyozyten und Nierenzellen zu fördern. Sie sind organoprotektiv.
Die bisherigen klinischen Daten zeigen bei einer HI mit einem Eisenmangel eine günstige Wirkung der SGLT2-Hemmer. Weitere Studien zu diesem Thema sind notwendig.
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Die häufigsten ophthalmologischen Notfälle in der Hausarztpraxis sind Konjunktivitiden und Fremdkörper. Diese Notfälle, welche oft in der Hausarztpraxis behandelt werden können, wie auch viele andere ophthalmologische Krankheitsbilder, präsentieren sich mit geröteten Augen. Die Kunst der Hausärztin oder des Hausarztes besteht darin, durch die gezielte Anamnese und eine problemorientierte ophthalmologische Untersuchung zu differenzieren, was in Eigenregie behandelt werden kann und was in eine ophthalmologische Praxis oder gar in ein Zentrumsspital gehört. Die Frage nach Tragen von Kontaktlinsen, kürzlich stattgehabten ophthalmologischen Operationen, Doppelbildern wie auch nach der akuten Visusverschlechterung darf bei der Beurteilung nicht fehlen. Sollte sich im klinischen Untersuch nebst geröteten Lidern oder Konjunktiven auch eine Veränderung auf der Kornea oder intraokuläre pathologische Befunde zeigen, sollte eine Augenärztin oder ein Augenarzt involviert werden.
The most common ophthalmological emergencies in the General practitioner’s practice are conjunctivitis and foreign bodies. These emergencies, which can often be treated in the practice, as well as many other ophthalmological conditions, present with reddened eyes. The skill of the general practitioner is to differentiate between what can be treated in the general practitioner’s practice or what belongs in an ophthalmological practice or even in a hospital by taking a specific medical history and performing a problem-oriented ophthalmological examination. Questions about wearing contact lenses, recent ophthalmological operations, double vision and acute deterioration in visual acuity should be included in every assessment. If the clinical examination reveals not only reddened eyelids or conjunctiva but also a change in the cornea or intraocular pathological findings, an ophthalmologist should be involved. Key Words: eye emergencies, red eye, conjunctivitis, sicca, general practitioner’s practice
Einleitung
Für viele Patientinnen und Patienten ist die Hausärztin oder der Hausarzt auch für Augennotfälle immer noch die erste Ansprechperson. Ein häufiger Befund in der Hausarztpraxis sind gerötete Augen (1). Rote Augen sind oft harmlos, können aber auch auf eine schwere ophthalmologische Erkrankung hindeuten. Auch manifestieren sich zahlreiche ernsthafte Erkrankungen am Auge oder gehen mit Augenkomplikationen einher, beispielsweise neurologische, Stoffwechsel- und Herz-Kreislauferkrankungen (2). Viele Augenleiden können in der Hausarztpraxis versorgt werden. Die Schwierigkeit besteht darin, herauszufinden, was in einer Hausarztpraxis behandelt werden kann, was an eine ophthalmologische Praxis geschickt werden sollte und was direkt an ein Zentrumsspital mit ophthalmologischer Abteilung überwiesen werden muss.
Im Folgenden sollen hierfür einige häufige ophthalmologische Krankheitsbilder aufgegriffen und Hinweise für die Entscheidungsfindung gegeben werden.
Anamnese/Untersuchung
Wie in jeder Fachdisziplin kann eine zielgerichtete Anamnese massgeblich zur Diagnosefindung beitragen. Nebst der hausärztlich bestens bekannten Symptom-, Schmerz- und Medikamentenanamnese ist es in der Ophthalmologie wichtig, Symptome wie Visusverschlechterung, Doppelbilder, das Tragen von Kontaktlinsen und vorangegangene Augenoperationen zu erfragen. Als Faustregel gilt, eine einseitige Problematik ist meist gefährlicher als eine beidseitige. Eine weitere, einfache, aber wichtige Unterscheidung ist es, ob die Beschwerden gesehen oder gespürt werden, was Aufschluss darüber geben kann, ob es sich um ein intra- oder extraokuläres Geschehen handelt. Intraokuläre Probleme bedürfen meist einer Beurteilung durch eine Ophthalmologin oder einen Ophthalmologen, extraokuläre, v. a. die Konjunktivitiden, können durch Hausärztinnen und Hausärzte behandelt werden. Bestehen jedoch Hinweise auf eine Beteiligung der Kornea, empfiehlt es sich, rasch eine ophthalmologische Beurteilung zu organisieren.
Eine plötzlich eintretende, einseitige Visusverschlechterung oder eine Amaurosis fugax müssen umgehend an eine Zentrumsklinik mit ophthalmologischer Abteilung überwiesen werden, da es sich um eine Arteriitis temporalis und/oder um einen Zentralarterienverschluss handeln könnte, was faktisch einem Stroke entspricht (3).
Eine komplette ophthalmologische Untersuchung ist sehr geräteintensiv. Für die Hausarztpraxis reichen jedoch ein direktes Ophthalmoskop, lokalanästhetische Augentropfen mit Fluorescein, Watteträger, eine Nah- und Fernvisustafel, Farbtafeln sowie polarisierende Testtafeln. Mit dieser Ausstattung können folgende Tests durchgeführt und ophthalmologische Strukturen untersucht werden: Visus, konfrontatorisches Gesichtsfeld, Farbsinntest, Binokularfunktionen, Bulbusmotilität, Augendruck, Lider, Tränenwege, Orbita und Untersuchung aller Strukturen am Bulbus mit dem direkten Ophthalmoskop. Es ist sinnvoll, die Augen problemorientiert von vorne nach hinten zu untersuchen.
Häufige Augennotfälle
Die meisten Augennotfälle gehen mit einem roten, oft schmerzhaften Auge einher, sodass folgend die häufigsten Differentialdiagnosen des roten Auges beleuchtet werden (Tab.1). Je nachdem, welche Struktur des Auges gerötet ist, kommt eine andere Ätiologie in Frage. Bei einer Rötung der Lider kann es sich um akute Infektionen wie ein Hordeolum, superinfiziertes Chalazion oder um eine Dakryozystitis handeln, bei exazerbierenden chronischen Veränderungen um eine Blepharitis, eine Lidfehlstellung oder ein Lidkantentumor. Trichiasische Wimpern oder ein Lagophthalmus (inkompletter Lidschluss) führen durch Reizung der Kornea ebenfalls zu einer vermehrten Gefässinjektion der konjunktivalen und teilweise auch ziliären Gefässe. Dies sieht bei einem kornealen Fremdkörper ebenfalls so aus, geht aber stets mit einem ausgeprägten Blepharospasmus einher. Ein Hyposphagma (subkonjunktivale Blutung) ist häufig harmlos, kann aber auch durch ein stattgehabtes Trauma, einen Hypertonus oder eine hämorrhagische Diathese entstehen. Eine vermehrte konjunktivale Injektion mit gut erkennbaren Gefässen und vermehrtem Sekret sprechen für eine Konjunktivitis. Sektorielle Gefässinjektionen sprechen für eine Episkleritis. Ziliäre Injektionen lassen sich durch eine perikorneale Rötung ohne differenzierbare Gefässzeichnung erkennen, diese sind Hinweise auf eine schwere Entzündung des Auges im Sinne einer Keratitis, Uveitis oder auch einen akuten Glaukomanfall. Trübungen der sonst klaren Hornhaut oder Eiteransammlungen in der Vorderkammer (Hypopyon) müssen notfallmässig ophthalmologisch beurteilt werden.
Das trockene Auge (Sicca-Syndrom)
Das Sicca-Syndrom kann aufgrund seiner Prävalenz von 5 bis 34 % in der Gesamtbevölkerung als Volkskrankheit bezeichnet werden (4). Mit zunehmendem Alter steigt das Erkrankungsrisiko, Frauen sind häufiger betroffen als Männer (5). Grund für die Oberflächenproblematik ist meist die chronische Blepharitis im Rahmen einer multifaktoriell bedingten Meibomdrüsendysfunktion. Auch verschiedene Medikamente wie Antihistaminika, Antidepressiva, MAO-Hemmer, Antiarrhythmika, Alpha-Antagonisten, Beta-Blocker oder NSAR können für ein trockenes Auge verantwortlich sein. Weiter kommen als Ursache Erkrankungen wie das Sjögren-Syndrom, systemische Sklerose, Zirrhose, verschiedene Autoimmunerkrankungen, Sarkoidose, HIV, Lupus oder rheumatoide Arthritis in Frage. Patientinnen und Patienten beklagen unabhängig von der Ursache ähnliche, wenn auch oft unspezifische Symptome. Dazu gehören Brennen, Jucken, Fremdkörper- und Trockenheitsgefühl, Rötung und Lichtscheu (6). Die Behandlung des trockenen Auges besteht primär aus der regelmässigen Lidkantenpflege bei der chronischen Blepharitis sowie der Anwendung von befeuchtenden, vorzugsweise konservierungsmittelfreien Augentropfen. Weiter können Anpassungen bei der Ernährung, antientzündliche Medikamente und in stark ausgeprägten Fällen auch chirurgische Interventionen eingesetzt werden (7). Die langfristig topische entzündungshemmende Behandlung mit Kortikosteroiden oder Cyclosporin-A-Augentropfen sowie oral verabreichte Tetracyclin-Derivate und Omega-3- oder Omega-6-Fettsäuren können bei schweren Fällen eine positive Wirkung zeigen (4). Eine solche Behandlung sollte aber nur mit ophthalmologischer Betreuung initiiert werden.
Allergien
Bei der akuten allergischen Konjunktivitis/Blepharokonjunktivitis beklagen die Betroffenen tränende, gerötete, aber nicht schmerzhafte Augen sowie einen ausgeprägten Juckreiz. Die Konjunktiven sind diffus gerötet und oft chemotisch geschwollen und es kann wässrig-schleimiges Exsudat auftreten. Die Lider können mitbetroffen sein mit Rötung und Schwellung. Die akute allergische Konjunktivitis kann sich ähnlich wie eine virale oder bakterielle Konjunktivitis präsentieren. Zur Unterscheidung hilft das Kardinalsymptom Juckreiz, bei infektiösen Konjunktivitiden treten eher schmerzhaftes Brennen und Fremdkörpergefühl auf. Zudem tritt die akute allergische Konjunktivitis gleichzeitig beidseits auf, die infektiösen Konjunktivitiden sequenziell.
Ursachen für allergisch bedingte Rötung der Augen sind meist Allergene wie Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare oder Federn. Eine symptomatische, lokale Therapie mit antihistaminhaltigen und zusätzlich befeuchtenden Augentropfen reichen in leichteren Fällen meist aus. Natürlich sollte das auslösende Agens nach Möglichkeit vermieden werden. In schwereren Fällen können topische Kortikosteroide sowie eine Überweisung zu einer Ophthalmologin oder einem Ophthalmologen nötig sein (8).
Bakterielle Infekte
Es gilt primär zu unterscheiden, ob es sich um eine Keratitis oder Konjunktivitis handelt. Keratitiden (Abb. 1) treten gehäuft bei Kontaklinsentragenden auf und stellen eine akute Bedrohung der Sehkraft dar. Nach Entfernung der Kontaktlinse sollte die Patientin oder der Patient notfallmässig an eine Ophthalmologin oder einen Ophthalmologen überwiesen werden.
Häufige Ursache für bakterielle Konjunktivitiden bei Erwachsenen sind Staphylococcus aureus Bakterien. Seltener sind andere Staphylokokken, Moraxella, Neisseria gonorrhoeae, Pseudomonaden, Chlamydien oder gram-negative Organismen wie Escherichia coli nachweisbar. Die Betroffenen berichten über milde, moderate oder je nach Erreger starke Schmerzen mit Brennen, gerötetem Auge, Fremdkörpergefühl sowie leichten bis mässigen putriden Ausfluss und verklebte Augen beim Aufwachen.
Im Allgemeinen werden zur Therapie von bakteriellen Konjunktivitiden topische Antibiotika verschrieben. Dies führt meist zu einer raschen Besserung der Symptomatik. Jedoch zeigen Studien auch, dass bakterielle Infektionen der Konjunktiva in vielen Fällen selbstlimitierend und schwere Komplikationen selten sind (9). Im Zusammenhang mit der Problematik von zunehmenden Antibiotikaresistenzen ist das Aufschieben einer medikamentösen Behandlung für viele Betroffene eine gute Option, sofern diese auch entsprechend aufgeklärt werden. Hierbei ist es aber wichtig, dass eine Beteiligung der Kornea ausgeschlossen ist und dass es sich bei der Infektion nicht um eine Infektion mit Neisseria gonorrhoeae handeln könnte. Gonokokkeninfektionen können sehr fulminante Verläufe haben und es kann innerhalb von 24 Stunden zu einer Einschmelzung der Hornhaut kommen (8).
Virale Infekte
Für virale Infektionen sind mehrheitlich Adenoviren verantwortlich, seltener kommen Herpes- Entero-, Coxsackie-, Varizella-Zoster-, Ebstein-Barr-, Hepatitis-B- oder Influenza-Viren als Ursache vor. Auch hier gilt es zu unterscheiden, ob es sich um eine Keratitis oder Konjunktivitis handelt. Virale Infektionen der Kornea, allem voran die Herpeskeratitis bedürfen einer raschen Überweisung an eine Ophthalmologin oder einen Ophthalmologen (Abb. 2). Virale Konjunktivitiden zeichnen sich aus durch eine diffuse Rötung, keine oder milde Schmerzen, gelegentlich Fremdkörper- und Kratzgefühl sowie wässriger oder seröser Ausfluss. Bei der häufig auftretenden Keratokonjunktivitis epidemica beginnt die Symptomatik meist auf einer Seite, aufgrund der hohen Kontagiosität ist aber häufig das zweite Auge innerhalb von ein bis zwei Tagen mitbetroffen (8). Die Behandlung von viralen Konjunktivitiden ist primär symptomatisch, da diese in der Regel selbstlimitierend sind. Dies kann jedoch bis zu drei Wochen dauern. Künstliche Tränen zur Befeuchtung sowie kühle Kompressen können die Symptome lindern. Es besteht auch die Möglichkeit, verdünnte Povidon-Iod-Augentropfen zu verwenden; diese sind nicht kurativ, verkürzen aber die Dauer der Symptome und der Infektiosität signifikant (10). Zur Eindämmung der Ausbreitung auf das andere Auge oder weitere Personen sollten die Betroffenen darauf hingewiesen werden, die Augen möglichst nicht zu berühren sowie eine gute Händehygiene einzuhalten. Weiter sollten sie darüber informiert werden, möglichst nicht in die Schule oder zur Arbeit zu gehen, bis die Symptome abgeklungen sind. Bei therapieresistenten Konjunktivitiden mit prolongierten Verläufen sollte eine Ophthalmologin oder ein Ophthalmologe hinzugezogen werden (11).
Akuter Glaukomanfall
Ein akuter Glaukomanfall zeichnet sich aus durch einen rasch einsetzenden, zunehmend starken, dumpfen frontalen Kopfschmerz. Dies ist oft begleitet von einem tränenden, roten Auge, Nausea und Vomitus. Glaukome, akut wie auch chronisch, sind eine Gruppe von progressiven, multifaktoriell bedingten optischen Neuropathien. Der intraokuläre Druck sowie weitere Faktoren führen zu den charakteristischen Symptomen wie dem Gesichtsfeldverlust (12). Betroffene des akuten Glaukomanfalls berichten prodromal über farbige Halos, zunehmendes Nebelsehen, progrediente frontale Kopfschmerzen und Nausea. Die Pupille des betroffenen Auges ist meist mittelweit und schwach bis nicht lichtreagibel. Bei der Bulbuspalpation imponiert ein empfindlicher, harter Bulbus. Bei einem Verdacht auf einen akuten Glaukomanfall muss eine notfallmässige Überweisung an ein Zentrumsspital mit ophthalmologischer Abteilung erfolgen (8).
Uveitis
Eine Uveitis ist ein entzündlicher Prozess mindestens einer Struktur der Uvea, die aus Iris, Ziliarkörper und der Choroidea besteht. Es können davon auch weitere okuläre Strukturen betroffen sein. 38 bis 56 % der Uveitisfälle und somit der grösste Anteil sind idiopathisch. Weiter können seronegative Spondyloarhtropathien, juvenile Arthritis, Toxoplasmose und Sarkoidose oder Tuberkulose für eine Uveitis verantwortlich sein. Betroffene beklagen oft Schmerzen, gerötete Augen, verschwommenes Sehen und Floaters (13). Aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes mit vielen unterschiedlichen Formen sowie der möglichen Komplikationen und Sekundärfolgen ist bei Verdacht auf eine Uveitis eine genaue Diagnostik sowie Therapieeinleitung durch eine Ophthalmologin oder einen Ophthalmologen für optimale Patientinnen- respektive Patientenergebnisse zielführend.
Copyright Aerzteverlag medinfo AG
Dr. med. Scott Tschuppert
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9000 St. Gallen
scott.tschuppert@kssg.ch
Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Stellt sich eine Patientin oder ein Patient notfallmässig in ihrer Hausarztpraxis aufgrund eines Augenleidens vor, sollten die folgenden Fragen beantwortet werden:
Hat die Patientin oder der Patient in den vergangenen vier bis sechs Wochen eine Operation am Auge gehabt?
Trägt die Patientin oder der Patient Kontaktlinsen?
Ist das Leiden einseitig?
Hat die Patientin oder der Patient einen akuten Visusverlust?
Ist die Hornhaut sichtbar betroffen?
Falls eine dieser Fragen mit ja beantwortet werden muss, sollte eine sofortige ophthalmologische Beurteilung stattfinden. Ansonsten kann die Therapie in der Hausarztpraxis eingeleitet werden und die Patientin oder der Patient nur bei ausbleibender Symptombesserung an den ophthalmologischen Fachbereich überwiesen werden. Therapeutisch sind befeuchtende Augentropfen immer gut, lokale Steroide sollten jedoch sehr zurückhaltend eingesetzt werden.
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Bildquellen: Augenklinik Kantonsspital St. Gallen.
Hospital at Home ist ein in der Schweiz neues, jedoch international etabliertes Versorgungsangebot, das eine spitaläquivalente Behandlung zu Hause ermöglicht. Patient/-innen und ihre Angehörigen werden von einem interprofessionellen Team aus Pflegefachkräften, Ärztinnen und Ärzten betreut, das sie mehrmals täglich besucht und analog zu einem Spitalaufenthalt zu Hause behandelt.
Hospital at Home is a new but internationally established care program in Switzerland, which enables hospital-equivalent treatment at home. Patients and their relatives receive interprofessional care from a team of nurses and doctors who will visit several times a day and treat them at home in a similar way to a hospital stay. Key Words: Hospital at Home, hospital-equivalent, health care innovation, value-based healthcare, Swiss hospital at home society
Hospital at Home ist als neues Versorgungsmodell in den letzten Jahren in der Schweiz verstärkt in den Fokus gerückt. Doch was steckt hinter dem Begriff Hospital at Home?
Internationale Definition von Hospital at Home:
Die internationale Konsensdefinition für Hospital at Home wurde am World Hospital at Home Kongress 2023 in Barcelona durch das wissenschaftliche Komitee vorgestellt. (1)
«Hospital at Home ist eine akute klinische Dienstleistung, die Personal, Ausrüstung, Technologien, Medikamente und Fähigkeiten, die normalerweise in Spitälern zur Verfügung gestellt werden, übernimmt und diese Spitalversorgung für ausgewählte Menschen in ihrem Zuhause oder in Pflegeheimen erbringt. Hospital at Home ersetzt für diese Menschen den akut stationären Spitalaufenthalt.
Ziel ist es, das Leben kranker Menschen, die auf ein Spital angewiesen sind, zu verbessern, indem die Spitalkultur dahingehend verändert wird, dass eine Versorgung auf Spitalniveau zu Hause erfolgt.»
Was Hospital at Home nicht ist:
• Primäre häusliche Pflege
• Hausärztliche Grundversorgung
• Häusliche Krankenpflege (Spitex)
• Tagesstationäre Behandlung
• Ausschliesslich virtuelle Pflege oder Telemonitoring aus der Ferne
• Ein Programm zur Langzeitbetreuung chronischer Krankheiten
• Bisherige ambulante Versorgung z.B.: OPAT
(Outpatient Parenteral Antimicrobial Therapy)
Swiss Hospital at Home Society
Im November 2023 hat sich die Swiss Hospital at Home Society (SHaHS) als nationale Standesvertretung in der Schweiz gegründet. (2)
Im Rahmen dieser Gründung wurde deutlich, dass der Begriff Hospital at Home in der Schweiz sehr vielfältig benutzt wird. Deshalb haben wir neben der internationalen Definition, an der sich auch die Swiss Hospital at Home Society orientiert, eine differenzierte Kategorisierung der unterschiedlichen Angebote erstellt, welche sich in der Schweiz unter dem Begriff Hospital at Home subsumieren. (3)
Diese drei differenzierten Kategorien von Hospital at Home sollen Klarheit und Transparenz darüber schaffen, was hinter den jeweiligen Angeboten von Hospital at Home steht. Ein weiteres Ziel ist es, dass diese unterschiedlichen Kategorien als Grundlage für differenzierte Finanzierungsmodelle für Hospital at Home Angebote dienen.
Kategorie I: Akutmedizin zu Hause, mit pflegerischer und ärztlicher vor Ort Betreuung zu Hause. Diese Kategorie bietet eine spitaläquivalente, akutmedizinische Versorgung direkt im häuslichen Umfeld.
Kategorie II: Früherer Spitalaustritt, mit pflegerischer und ärztlicher Vor-Ort-Betreuung zu Hause, spitalergänzend. Hier ermöglicht Hospital at Home einen früheren Austritt aus dem Krankenhaus mit weiterer Betreuung zu Hause.
Kategorie III: Home Monitoring mit telemedizinischen Kontakten und/oder erweiterter Grundversorgung. Diese Kategorie konzentriert sich auf das Monitoring von Patient/-innen zu Hause, unterstützt durch telemedizinische Kontakte und erweiterte Grundversorgung.
Generell bietet Hospital at Home nicht nur die Möglichkeit, Spitaleinweisungen zu vermeiden und frühzeitige Entlassungen zu unterstützen, sondern stellt auch eine innovative Form der Gesundheitsversorgung dar, die sich nahtlos in das individuelle Leben der Patient/-innen integriert. Es handelt sich dabei um eine neue Form von interprofessioneller und gegebenenfalls intersektoraler Versorgung, die die Patient/-innen Bedürfnisse in den Fokus setzt.
Mit dieser Definition und Differenzierung des Begriffs wollen wir Klarheit und Transparenz bei den unterschiedlichen Hospital at Home Angeboten schaffen. Damit sollen Gesundheitsdienstleister, Kostenträger, Patient/-innen und die Gesundheitspolitik eine Orientierung haben, mit welcher Form von Hospital at Home sie es zu tun haben.
Gwen Gehrecke 2
Prof. Dr. Qian Zhou 3
KD Dr. med. Abraham Licht 4
Christian Ernst 5
Laura Treccani 6
Dr. med. Helene von Bremen 7
Prof. Dr. Sang-Il Kim 8
2 Vorständin Swiss Hospital at Home Society Pflegeexpertin, Innere Medizin/Visit – Spital Zollikerberg Zuhause Spital Zollikerberg
3 Leitende Ärztin Innere Medizin, Universitätsspital Basel
4 Vorstand Swiss Hospital at Home Society Gründer der Hospital@Home AG Chefarzt Notfallzentrum Klinik Hirslanden Zürich
5 Klinikleiter Klinik Innere Medizin und Mitglied der Spitalleitung Co-Projektleiter Visit – Spital Zollikerberg Zuhause Spital Zollikerberg
6 Vorständin Swiss Hospital at Home Society Gesundheitsökonomin Definition des Vorprojekts Hospital at Home des CHUV Universitätsspital
7 Vorständin Swiss Hospital at Home Society Assistenzärztin Innere Medizin Kantonsspital Baselland
8 Vorstand Swiss Hospital at Home Society Berner Fachhochschule Technik und Informatik
Dr. med. univ. Severin Pöchtrager
Präsident Swiss Hospital at Home Society
Leitender Arzt Innere Medizin/Hospital at Home Klinik Arlesheim
severin.poechtager@shahs.ch
Die Autorinnen und Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Hospital at Home bietet eine spitaläquivalente Behandlung zu Hause.
Es werden Patient/-innen behandelt, die sonst stationär im Spital behandelt würden.
Hospital at Home ist keine ambulante Pflege oder hausärztliche Langzeitbetreuung.
Hospital at Home ist ein international etabliertes und wissenschaftlich evaluiertes Behandlungskonzept.
Das Risiko von thromboembolischen Ereignissen wie unter anderem ischämischen Schlaganfällen ist bei Krebspatienten bekanntermassen signifikant erhöht. Eine paraneoplastische Gerinnungsstörung wird bei onkologischen Patienten häufig als primäre Ursache für Schlaganfälle, tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien angesehen. Neben dieser paraneoplastischen Thrombusbildung trägt auch das Vorhandensein klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren, die Krebs- und Schlaganfallpatienten gemeinsam haben, erheblich zum Auftreten von Schlaganfällen bei Krebspatienten bei. Bestimmte Chemo-, Hormon- und Immuntherapien sowie Strahlentherapien im Bereich des Halses und des Gehirns erhöhen ebenso das Schlaganfallrisiko bei Krebspatienten. Es ist daher wichtig, die entsprechenden Krebspatienten mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko zu erkennen und entsprechend zu sensibilisieren.
The risk of thromboembolic events is known to be increased in cancer patients. This also applies to cerebrovascular events such as strokes. Paraneoplastic coagulopathy is often regarded as the main cause of strokes and other thromboembolic events (venous thrombosis and pulmonary embolism) in cancer patients. In addition to paraneoplastic coagulopathy, the presence of classic cardiovascular risk factors, which cancer and stroke patients have in common, also contributes significantly to the occurrence of strokes in cancer patients. Certain chemo-, hormone- and immunotherapies and radiotherapy to the neck and brain also increase the risk of stroke in cancer patients. It is therefore crucial to be able to identify and provide care for cancer patients at increased risk of stroke. Key words: Cancer-associated stroke, Hypercoagulability, Paraneoplastic coagulopathy, Secondary prevention, Anticoagulation therapy
Fallbericht
Eine 68-jährige Patientin wurde mit Verdacht auf einen Schlaganfall mit einer schweren Aphasie, einer leichtgradigen motorischen Hemiparese rechts und einer deutlichen Vernachlässigung (Neglekt) der linken Körperseite in ein Zentrumsspital eingeliefert. Einige Monate zuvor war bei der Patientin ein metastasierendes Bronchialkarzinom diagnostiziert worden. Bildgebende Untersuchungen zeigten das Vorliegen multipler zerebraler Infarkte in verschiedenen zerebralen Versorgungsgebieten, was auf eine proximal-embolische Genese schliessen liess (Abb. 1).
Die laborchemische Untersuchung zeigte eine ausgeprägte Gerinnungsaktivierung mit stark erhöhten D-Dimer-Werten von 9835 µg/L (Referenzbereich <500 µg/L), die nach Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose und Lungenembolie auf das Vorliegen einer paraneoplastischen Gerinnungsstörung zurückgeführt wurde. Auch das C-reaktive Protein (CRP) war mit 48 mg/L (Referenzbereich <5 mg/L) signifikant erhöht. In Abwesenheit weiterer Hinweise auf eine Infektion oder systemische Entzündung wurde dieser Anstieg ebenfalls im Kontext der zugrundeliegenden aktiven Krebserkrankung interpretiert. Zusätzlich wurde eine Anämie mit einem Hämoglobinwert von 108 g/L (Norm: 121-154 g/L) festgestellt, die mangels Anzeichen einer akuten Blutung als chronische Anämie gewertet und höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit der Krebserkrankung gesehen wurde.
Im Rahmen der ätiologischen Abklärung des Schlaganfalls konnten keine alternativen Ursachen festgestellt werden. Insbesondere fanden sich keine Hinweise auf eine kardiale Emboliequelle, welche häufig ein ähnliches multiterritoriales Verteilungsmuster der Schlaganfälle aufweist. Der Schlaganfall wurde letztlich ätiologisch der Krebserkrankung zugeschrieben. Als Sekundärprävention wurde nach 6 Tagen eine therapeutische Antikoagulation mit niedrigmolekularem Heparin (Clexane) in voller Dosierung eingeleitet.
Da die tägliche subkutane Injektion für die Patientin unangenehm war, entschied sie sich nach zwei Wochen, selbstständig die Antikoagulation abzusetzen. In der darauffolgenden Konsultation in der hausärztlichen Praxis wurde eine blutverdünnende Therapie mit Eliquis initiiert und diesmal konsequent fortgeführt.
Risikofaktoren für krebsassoziierte Schlaganfälle
Krebsassoziierte Schlaganfälle werden neben allgemeinen kardiovaskulären Risikofaktoren auch durch spezifische Risikofaktoren beeinflusst, die sowohl mit der Tumorerkrankung selbst als auch mit den therapeutischen Massnahmen zusammenhängen (Tab. 1).
Dabei treten die Schlaganfälle häufig innerhalb des ersten Monats nach der Krebsdiagnose auf, wobei das Risiko insbesondere in den ersten drei Monaten nach Diagnosestellung signifikant erhöht ist und anschliessend wieder abnimmt (1).
Hyperkoagulabilität und Krebs
Bestimmte Krebserkrankungen wie Lungen-, Pankreas-, Gastrointestinal- und Ovarialkarzinome, insbesondere in lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Stadien, sind eng mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Darüber hinaus weisen vor allem histologische Adenokarzinome eine deutliche Assoziation mit thromboembolischen Ereignissen auf (2–5). Es wird angenommen, dass alle diese spezifischen und fortgeschrittenen Krebsformen zu einer Hyperkoagulabilität führen, indem prothrombotische Elemente (z. B. von Willebrand-Faktor, Tissue Factor, Tumorantigene, zirkulierende Tumorzellen und entzündungsfördernde Zytokine) in den Kreislauf freigesetzt werden (3, 6, 7).
Diese prothrombotischen Prozesse führen zu einer verstärkten Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin sowie zu einer erhöhten Thrombinaktivität wodurch die Thrombusbildung begünstigt wird (4, 8–10). D-Dimere, Abbauprodukte von Fibrin, werden daher häufig als Marker für eine Hyperkoagulabilität verwendet und sind bei Krebspatienten mit Schlaganfällen deshalb oft stark erhöht (5). Auch die mikroskopische Zusammensetzung von krebsassoziierten Thromben weist entsprechend oft einen höheren Fibringehalt auf als bei anderen Schlaganfallursachen (11). Der detaillierte Pathomechanismus der paraneoplastischen Gerinnungsstörungen ist jedoch insgesamt noch zu wenig verstanden und weitere Studien sind notwendig, um konkrete Behandlungsansätze zu entwickeln.
Krebstherapie als Risikofaktor für Schlaganfall
Krebstherapien können das Schlaganfallrisiko erhöhen, da sie prothrombotische Nebenwirkungen haben und die Blutgefässe schädigen können (12–15). Dabei ist auch bei diesem Prozess weitere Forschung zum genauen Verständnis der Pathophysiologie notwendig. 1. Chemotherapie: Gewisse Chemotherapeutika (Cisplatin, Bevacizumab, Thalidomid) können eine prokoagulierende Aktivität oder Erhöhung der Blutviskosität verursachen und erhöhen daher das Risiko eines Schlaganfalls (16). Darüber hinaus sind einige Chemotherapeutika (Doxorubicin, Cyclophosphamid) direkt toxisch für das Gefässendothel, was die lokale Bildung von Thromben fördern kann.
Ebenso können die kardiotoxischen Nebenwirkungen verschiedener Chemotherapien (z.B. Anthrazykline oder Trastuzumab) durch die Entstehung einer akuten und/oder chronischen Kardiomyopathie oder Herzrhythmusstörungen zu Schlaganfällen führen (17). 2. Immuntherapien: Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Pembrolizumab, Nivolumab) können durch beschleunigte Zunahme von Atherosklerose thrombotische Ereignisse begünstigen. CAR-T Cell Therapien wurden ebenfalls mit Schlaganfällen assoziiert, aber der Mechanismus ist derzeit noch nicht geklärt (18, 19). 3. Hormontherapien: Bei bestimmten Krebsarten, insbesondere Brust- und Prostatakrebs, werden häufig Hormontherapien eingesetzt. Diese Therapien (z.B. Tamoxifen, Aromatasehemmer [z. B. Anastrozol, Letrozol] und LHRH-Agonisten [z. B. Goserelin, Leuprolid]) stören das hormonelle Gleichgewicht und können dadurch einen prothrombotischen Zustand induzieren. 4. Strahlentherapie: Strahlentherapie bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich kann zur direkten Schädigung der zerebralen Gefässe führen und weiterhin auch atherosklerotische Gefässveränderungen durch Entstehung von Plaques begünstigen. Beide Phänomene erhöhen langfristig das Schlaganfallrisiko.
Kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Krebsassoziierten Schlaganfällen
Neben der direkten Wirkung des Tumors und seiner Therapie spielen klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren eine erhebliche Rolle bei der Entstehung von Schlaganfällen bei Krebspatienten. Patienten mit Krebs haben häufig eine Reihe zusätzlicher «gemeinsamer» Risikofaktoren mit Schlaganfallpatienten, die das Schlaganfallrisiko weiter erhöhen (20, 21). Hierbei sind vor allem Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Alkoholkonsum und Nikotinabusus aufzuführen.
Akuttherapeutische Möglichkeiten bei krebsassoziierten Schlaganfällen
Die Behandlung akuter Schlaganfälle bei Krebspatienten stellt eine besondere klinische Herausforderung dar, da die Hyperkoagulabilität und die vorliegenden kardiovaskulären Risikofaktoren dieser Patienten das Risiko von neuen thromboembolischen Ereignissen, Blutungen als auch von peri- und postinterventionellen Komplikationen erhöhen können (4, 13).
Intravenöse Thrombolyse
Studien haben gezeigt, dass die intravenöse Thrombolyse bei Schlaganfallpatienten mit Krebs im Thrombolysezeitfenster sicher durchgeführt werden kann. Krebspatienten zeigten nach einer Thrombolysebehandlung eine Verbesserung der Schlaganfall-Symptome. Allerdings besteht bei diesen Patienten ein erhöhtes Risiko für Nachblutungen, insbesondere bei metastatischen Erkrankungen oder bei fortgeschrittenem Tumorstadium (22, 23). Dabei wurde jedoch kein Unterschied zwischen symptomatischen intrakraniellen Nachblutungen nachgewiesen (24). Zusammenfassend ist die intravenöse Thrombolyse bei Schlaganfallpatienten mit Krebs eine sichere Behandlung, wobei jedoch aufgrund eines erhöhten Nachblutungsrisikos eine sorgfältige Abwägung der Risiken und Nutzen erforderlich ist.
Mechanische Thrombektomie
Im Allgemeinen haben Studien gezeigt, dass die Behandlung mittels mechanischer Thrombektomie von Schlaganfallpatienten mit Krebs sicher ist. Die langfristig verbleibenden Defizite nach einer mechanischen Thrombektomie bei Schlaganfallpatienten mit Krebs waren
jedoch schlechter als bei Patienten ohne Krebs. Dieser Unterschied scheint aber hauptsächlich auf die Krebserkrankung selbst zurückzuführen zu sein und nicht primär auf das Ergebnis der mechanischen Thrombektomie an sich (25).
Prävention von krebsassoziierten Schlaganfällen
Primäre Prävention bei Krebspatienten zur Vermeidung von Schlaganfällen ist derzeit nicht indiziert (26, 27). Eine kürzlich veröffentlichte Literaturübersicht und eine Metaanalyse zeigten keine Reduktion der arteriellen Thrombosen (einschliesslich Schlaganfälle) bei Krebspatienten unter systemischer Therapie, die zur Primärprävention mit Antikoagulanzien behandelt wurden. Thrombozytenaggregationshemmer spielen eine Rolle bei der Primärprävention von arteriellen Thrombosen bei myeloproliferativen Erkrankungen, werden aber nicht generell zur Primärprävention von Schlaganfällen empfohlen.
Sekundärprävention von krebsassoziierten Schlaganfällen.
Post-hoc-Analysen von randomisierten klinischen Studien haben ergeben, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) und Aspirin in der Sekundärprävention bei Schlaganfallpatienten mit Krebs gibt (28). Aufgrund der jeweiligen Studiengestaltung sind diese Ergebnisse allerdings nicht ausreichend, um evidenzbasierte Empfehlungen zur Sekundärprävention abzugeben.
Aktuell werden basierend auf der Annahme ihrer Wirksamkeit auf die paraneoplastische Hyperkoagulabilität bei Krebspatienten zumeist DOAKs nach krebsassoziiertem Schlaganfall als Sekundärprävention eingesetzt. Eine Studie hat gezeigt, dass eine Senkung des D-Dimer-Spiegels durch Antikoagulanzien mit einer reduzierten 1-Jahres-Mortalität verbunden ist, was diese Hypothese unterstützt (29, 30).
Die Langzeitdurchführung einer Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin hingegen wurde aufgrund der unzureichenden Patienten-Compliance infrage gestellt (31). Die Anwendung von DOAKs gilt als sicher, erfordert jedoch weitere Evidenz (32). Generell ist bei der Wahl der Sekundärprävention das spezifische Blutungsrisiko des individuellen Patienten zu berücksichtigen (33).
Ebenso kommt auch der Behandlung von generellen kardiovaskulären Risikofaktoren eine wichtige Bedeutung zu, um das Schlaganfallrisiko insgesamt zu reduzieren.
Fazit für die ärztliche Praxis
Krebsassoziierte Schlaganfälle sind eine erhebliche Herausforderung in der klinischen Praxis, insbesondere aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen Krebserkrankungen und thromboembolischen Ereignissen.
Dabei werden krebsassoziierte Schlaganfälle neben gemeinsamen kardiovaskulären Risikofaktoren auch durch spezifische krebsbedingte Einflüsse verursacht. Besonders Patienten mit fortgeschrittenen oder metastasierten Tumoren weisen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko auf. Das Schlaganfallrisiko ist hierbei insbesondere in den ersten Monaten nach der Krebsdiagnose erhöht.
Zudem können bestimmte Krebsbehandlungen prothrombotische Zustände begünstigen. Hinsichtlich der Akutbehandlung gelten sowohl die intravenöse Thrombolyse als auch die mechanische Thrombektomie bei Krebspatienten als sicher durchführbar. Entsprechend ist eine schnelle notfallmässige Vorstellung auf einer Notfallstation beim Auftreten von Schlaganfallsymptomen von entscheidender Bedeutung.
Eine Primärprophylaxe von krebsassoziierten Schlaganfällen ist aktuell nicht indiziert.
Die Wahl der Sekundärprophylaxe in Abwesenheit klarer Richtlinien bleibt oft in der Entscheidung des behandelnden Arztes. Während DOAKs bei vielen Patienten aufgrund der zugrundeliegenden Hyperkoagulation bevorzugt werden, zeigen aktuelle Studien keine klare Überlegenheit gegenüber Thrombozytenaggregationshemmer.
Hôpital universitaire Inselspital
service de neurologie
Freiburgstrasse
3010 Berne
Dr. med. Morin Beyeler
Universitätsklinik für Neurologie
Inselspital Bern
Rosenbühlgasse 25
3010 Bern
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Patienten mit fortgeschrittenen oder metastasierten
Tumoren haben ein signifikant erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, insbesondere in den ersten drei Monaten nach der Krebsdiagnose. Diese sind oft durch paraneoplastische Gerinnungsstörungen verursacht.
Krebsassoziierte Schlaganfälle werden durch prothrombotische Mechanismen begünstigt, die von fortgeschrittenen Krebsformen ausgelöst werden, wie die Freisetzung von
Tissue Factor und anderen entzündungsfördernden Faktoren. Stark erhöhte D-Dimer-Werte sind ein häufiger Marker für diese Prozesse.
Gewisse Chemotherapien, Immuntherapien, Hormontherapien sowie Strahlentherapie können durch prothrombotische Nebenwirkungen und Gefässschädigungen das Schlaganfallrisiko erhöhen.
Sowohl die intravenöse Thrombolyse als auch die mechanische Thrombektomie sind bei krebsassoziierten Schlaganfällen sicher, erfordern jedoch eine sorgfältige Abwägung der Risiken aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos bei metastasierten Tumoren.
Während DOAKs häufig zur Sekundärprävention bei krebsassoziierten Schlaganfällen eingesetzt werden, gibt es keine klaren evidenzbasierten Empfehlungen. Eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung, einschliesslich des Blutungsrisikos und der Patienten-Compliance, ist entscheidend.
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