Gemeinsamkeiten und Kerndisziplinen der Integrativen Onkologie

Einleitung

Gemäss der Definition der Society for Integrative Oncology (SIO) ist Integrative Onkologie «ein patientenzentriertes, evidenzinformiertes Gebiet der Krebstherapie, das Mind-Body-Verfahren, natürliche Produkte und/oder Lebensstiländerungen aus unterschiedlichen Traditionen begleitend zu den konventionellen Krebstherapien einsetzt. Die Inte­grative Onkologie versucht, Gesundheit, Lebensqualität und klinische Outcomes über den Behandlungsverlauf hinweg zu optimieren und Menschen zu befähigen, Krebs vorzubeugen und zu aktiven Teilnehmern vor und während der Krebsbehandlung sowie über diese hinaus zu werden» (1).

Häufig wird der Begriff «Integrative Onkologie» auch als «die Integration von komplementärmedizinischen Therapien in die konventionelle Onkologie» erklärt. Welche therapeutischen Verfahren ergänzend, d. h. komplementär zur konventionellen Therapie, angewendet werden, ist abhängig von den lokalen Gegebenheiten, wie beispielsweise kulturellen oder gesundheitspolitischen Aspekten. Es gibt bisher keine allgemein akzeptierte Definition von Komplementärmedizin, ausser dass diese ergänzend zur konventionellen Medizin eingesetzt wird. Die sinnvolle synergistische Kombination von Komplementärmedizin und konventioneller Medizin wird dann Integrative Medizin genannt (2). Im deutschsprachigen Raum sind beispielsweise «Gesamtsysteme» wie die Anthroposophisch erweiterte Medizin oder die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) verbreitete Methoden. Neben diesen «Gesamtsystemen» spielt beispielsweise die therapeutische Anwendung von Arzneipflanzen in der Integrativen Medizin bzw. Integrativen Onkologie eine wichtige Rolle, und die Herstellung von pflanzlichen Arzneimitteln folgt gesetzlich geregelten Prozessen. Zudem sind verschiedene nicht pharmakologische Therapien wie Akupunktur/Akupressur, Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR), Massageformen, achtsamkeitsbasierte Bewegungstherapien wie Tai Chi/Qi Gong, Yoga und Heileurythmie verbreitet, die teilweise ursprünglich ebenfalls aus den oben genannten «Gesamtsystemen» stammen.

Die Komplementärmedizin ist seit einer Volksabstimmung im Jahr 2009 in der Schweizerischen Verfassung verankert, und vier der komplementärmedizinischen Fachrichtungen werden durch die Grundversicherung erstattet, wenn sie von Ärzt/-innen ausgeübt werden, welche Inhaber/-in- nen eines entsprechenden SIWF-Fähigkeitsausweises sind. Diese sind aktuell Anthroposophisch erweiterte Medizin, Traditionelle Chinesische Medizin/Akupunktur, klassische Homöopathie und Phytotherapie (Pflanzenheilkunde). Bedingungen für einen solchen Fähigkeitsausweis sind ein Facharzttitel, um die 360 Stunden definierte Weiterbildung, eine Abschlussprüfung und regelmässige Rezertifizierung. Als Dachverband repräsentiert die UNION der komplementärmedizinischen Ärzteorganisationen diese vier Richtungen (3). Neuere komplementärmedizinische Richtungen, die gerade in der Onkologie eine grosse Rolle spielen und in der Schweiz ebenfalls verbreitet sind, sind die sogenannte Mind Body Medicine und die medizinische Hypnose. Sie werden durch den Schweizer Fachverband Mind Body Medicine (SFMBM) und die Schweizerische Ärztegesellschaft für Hypnose (SMSH) qualitätsgesichert. Zudem spielt die Integrative Pflege sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Integrativen Onkologie eine zunehmende Rolle (siehe Abschnitt weiter unten) (4).

Die oben genannten Fachrichtungen weisen – zumindest teilweise – gewisse Gemeinsamkeiten auf, so z. B. das Inszentrumstellen der Salutogenese (5), ein Betonen von Lebensstilfaktoren, ein explizites Menschenbild (häufig multidimensional, ähnlich der Palliative Care) (6) und eine Individualisierung der Therapie. Diese Gemeinsamkeiten wurden bisher nicht explizit formuliert; eine solche gemeinsame Abstimmung von «Grundprinzipien» erscheint jedoch wichtig, um die konzeptuelle Basis für die Integrative Onkologie, wie sie in den Schweizer Krebszentren gelebt wird, festzuhalten. Das Formulieren solcher «Grundprinzipien» ist das Ziel eines Delphi Consensus des Swiss Network for Integrative Oncology (SNIO), der aktuell durchgeführt wird und mittels dessen mittelfristig auch Kriterien für hochqualitative Integrative Onkologie in Schweizer Krebszentren erstellt werden sollen.

Das Swiss Network for Integrative Oncology wurde 2024 als Zusammenschluss von zertifizierten Krebszentren, welche ein integrativ-onkologisches Angebot vorweisen, gegründet. Es hat zum Ziel, Zusammenarbeit, Qualität, Edukation und Forschung in der Integrativen Onkologie zu fördern. Bedingung für die volle Mitgliedschaft im Swiss Network for Integrative Oncology ist die mindestens zweimal monatliche Sprechstunde oder Konsilien durch einen Arzt/eine Ärztin mit einem Fähigkeitsausweis in einer der oben genannten komplementärmedizinischen Fachrichtungen, einem Fähigkeitsausweis in medizinischer Hypnose oder einem CAS in Mind Body Medicine oder jeweils einem Äquivalent (7).

Im Folgenden werden diese verschiedenen Fachrichtungen insbesondere im Zusammenhang mit der Onkologie vorgestellt. Die Inhalte der folgenden Unterkapitel werden (nur) von den aufgeführten Autoren der Subkapitel verantwortet.

Fazit und Ausblick

Diese Kerndisziplinen der Integrativen Onkologie beruhen auf unterschiedlichen Konzepten und Traditionen, greifen jedoch – wie bereits dargestellt – auf gemeinsame Grundhaltungen zurück.

Im Rahmen der Integrativen Onkologie werden diese Disziplinen grundsätzlich begleitend zu konventionellen Therapien eingesetzt und erfordern eine enge, transparente Kommunikation mit onkologischen Fachpersonen sowie Hausärztinnen und -ärzten.

Die Auswahl geeigneter Verfahren richtet sich nach verfügbarer Evidenz aus klinischer Erfahrung und Studien für die individuelle Indikation, der lokalen Verfügbarkeit und den Präferenzen der Betroffenen.

Das Swiss Network for Integrative Oncology verfolgt das Ziel, Qualitätskriterien zu entwickeln, Behandlungsangebote (auch zukünftige, wenn Qualitätskriterien erfüllt sind) zu vernetzen und Weiterbildungen zu fördern, um eine koordinierte und qualitätsgesicherte Versorgung zu ermöglichen.

Literatur
1. Witt CM, Balneaves LG, Cardoso MJ, Cohen L, Greenlee H, Johnstone P, Kücük Ö, Mailman J, Mao JJ. A Comprehensive Definition for Integrative Oncology. J Natl Cancer Inst Monogr. 2017 Nov 1;2017(52).
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3. www.unioncomed.ch
4. Lunde A, Gunnarsdottir T, Busch M, van der Heijden MJE, Falkenberg T, van Dijk M, Dürr DW. Integrative nursing in Europe – A competency profile for nursing students validated in a Delphi-study. Nurse Educ Today. 2023 Jul;126:105807.
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6. WHO Definition Palliative Care (https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/palliative-care)
7. www.integrative-oncology.ch

Anthroposophisch erweiterte Medizin in der Integrativen Onkologie

Autorenschaft
Dr. med. Natalie Kalbermatten
PD Dr. med. Florian Strasser
Prof. Dr. med. Ursula Wolf

Einleitung und Definition

Die Anthroposophisch erweiterte Medizin (AEM) ist ein integrativer, multimodaler, ganzheitlicher und individueller Ansatz und vereint konventionelle Medizin mit spezifischen anthroposophisch-medizinischen Therapien. Sie wurzelt in Mitteleuropa (1) und wurde ab ca. 1910 (2) von Drs. Rudolf Steiner und Ita Wegman in Zusammenarbeit mit Ärzt/-innen und Pharmazeut/-innen entwickelt (3). Die AEM wird in vielen europäischen Ländern, auch global, praktiziert (4) und ist in Deutschland und in der Schweiz gut im Gesundheitswesen integriert (5, 6). In interprofessionellen Teams arbeiten Ärzt/-innen, Apotheker/-innen, Pflegefachpersonen, Kunst-, Heileurythmie- und Massagetherapeut/-innen und weitere Berufsgruppen zusammen (7). In ihrem ganzheitlichen Menschenbild berücksichtigt die AEM die körperlichen, vitalen, geistigen, spirituellen und sozialen Dimensionen eines Menschen (8). Durch die AEM-Linse betrachtet, stehen diese Dimensionen während des gesamten Lebenszyklus in ständiger Wechselwirkung, was bedeutet, dass eine Veränderung in einer Dimension sich auch auf die anderen Dimensionen auswirkt (9). Daher umfasst die AEM Therapien, die spezifisch auf eine oder mehrere dieser Dimensionen einwirken im Sinn eines «Whole Medical Systems» (10).

Diagnostik und therapeutisches Vorgehen

Die AEM ergänzt die üblichen diagnostischen Methoden der konventionellen Medizin mit zwei anthroposophisch-medizinischen diagnostischen Schlüsselkonzepten, namentlich der funktionellen Vier- und Dreigliederung des Menschen (11, 12, 13, 14). Nach anthroposophischem Verständnis (15) wird der menschliche Organismus nicht nur durch physikalische und chemische Kräfte geformt, sondern durch insgesamt vier Arten von Gestaltungskräften (funktionelle Viergliederung) (16). Diese können entweder direkt oder indirekt am Menschen wahrgenommen werden (3). Kurz formuliert, umfasst die funktionelle Viergliederung den physischen Körper (sichtbar u. a. an der Materie, quantifizierbar), die Lebensorganisation (Wachstum, Regeneration, Fortpflanzung), die Empfindungsorganisation (Emotionen, Schmerz, Freude, Sympathie, Antipathie) und die Ich-Organisation (Biografie) (17). Im Organismus wirken diese vier Kräfteorganisationen unterschiedlich in drei Funktionssystemen, die die funktionelle Dreigliederung bilden (11–14). Das Konzept wurzelt in dem methodischen Ansatz, dass Polaritäten sich gegenseitig beleuchten und damit dem Erkenntnisgewinn dienen können (Goethe) (18), welcher von Rudolf Steiner für die menschliche Gesundheit und Krankheit weiterentwickelt wurde. Die Dreigliedrigkeit umfasst das neurosensorische Nerven-Sinnes-System (NSS) und das Stoffwechsel-Gliedmassen-System (SWGS) als die beiden Pole und das Rhythmische System (RS) als das ausgleichende, vermittelnde System. Alle drei Systeme sind funktionell in allen Teilen des Organismus vorhanden, aber jedes hat einen vorherrschenden anatomischen Ort (NSS: Schädel/Kopf; RS: Brustkorb; SWGS: Bauchraum/untere Extremitäten). Die Wahrnehmung dieser Kräfte und Funktionssysteme ist klinisch lernbar und Teil der AEM-Diagnose und -Therapie. Verschiebt sich der dynamische Zustand zu sehr oder zu lange, kann ein Krankheitszustand entstehen, zuerst funktionell und bei längerem Bestehen organisch manifest. AEM zielt darauf ab, dieses dynamische Gleichgewicht zu erhalten oder wiederherzustellen.

Therapiert wird in der AEM mit Arzneimitteln und einer Vielfalt von «nicht medikamentösen» Therapien.

Die Arzneimittel werden aus Pflanzen, Mineralien, Metallen und tierischen Substanzen nach GMP und standardisierten AM-spezifischen pharmazeutischen Verfahren hergestellt (19) und haben einen ausgezeichneten Sicherheitsausweis (4). Sie werden in konzentrierter Form und als potenzierte Produkte (siehe Kapitel Homöopathie) angewendet (Vademecum Anthroposophische Arzneimittel https://www.gaed.de/vademecum).

Die Misteltherapie (Viscum album) ist eine der bekanntesten AEM-Behandlungen bei Krebs (20) mit adäquatem Sicherheitsprofil, auch bei onkologischen Immuntherapien (21, 22). Zur Misteltherapie liegen präklinische Daten vor, u. a. zur Immunmodulation (23, 24, 25) und Hemmung von Tumorzellwachstum (26, 27). Sie wird primär durch subkutane Injektionen verabreicht. Die Misteltherapie wird eingesetzt, um Nebenwirkungen herkömmlicher Krebsbehandlungen (z. B. Krebstherapie-assoziierte Fatigue) (28) und Symptome der aktiven Tumorerkrankung zu verringern (29, 30) sowie allgemein die Lebensqualität zu verbessern (31, 32, 33). Die deutsche S3-Guideline Komplementärmedizin (Version 2.0 – Mai 2024) hat eine «Kann»-Empfehlung ausgesprochen (Evidenz 1a) für eine subkutane Misteltherapie zur Verbesserung der Lebensqualität bei soliden Tumoren (34). Die Anwendung einer Misteltherapie (Wirtsbaumwahl, Produktwahl, Dosierungen, Intervalle, Begleitmedikation) sollte durch AEM-erfahrene Ärzt/-innen individualisiert erfolgen, mit Kenntnis der AEM-Diagnostik (s. o.) und allenfalls supportiven Begleitmassnahmen (z. B. Tagesrhythmen/Schlaf, Ernährung, äussere Anwendungen).

Massnahmen der Inte­grativen Pflege (siehe Kapitel IP) können in der AEM als äussere Anwendungen (https://pflege-vademecum.de/) (35), auch begleitend zur Misteltherapie, eingesetzt werden (z. B. Schafgarben-Leberwickel [36], Oxalis-Zwerchfellwickel, Lavendel- oder Rosmarinöl-Fusseinreibungen, Aurum/Lavandula/Rosen-Herzauflage). Bei chronischen Schmerzsyndromen können rhythmische Einreibungen mit Solum (37) erfolgen.

Zur Behandlung verschiedenster Beschwerden und Nebenwirkungen der Krebstherapie (z. B. Polyneuropathie, Schlafstörungen [siehe Artikel Survivorship] oder Strahlendermatitis) steht eine breite Palette von anthroposophisch-medizinischen Heilmitteln in Verbindung mit nicht medikamentösen Therapien zur Verfügung. Heileurythmie (38, 39) und Kunsttherapien (gestalterisch: Malen, Plastizieren) (40), Musik (41, 42), Sprachgestaltung (43) werden auch in der Onkologie eingesetzt, um die körperlichen Funktionen (z. B. bei Schmerzen oder Steifheit nach einer Operation), die Vitalität (z. B. bei Erschöpfung) und das emotionale Gleichgewicht (z. B. bei Ängsten, Depression) zu verbessern. Sie können, evtl. ergänzt mit Biografiearbeit (44), ebenfalls die Patient/-innen unterstützen, sich neu zu orientieren und Zukunftsperspektiven für ihr Leben zu finden.

Evidenz der Anthroposophisch erweiterten Medizin

Die Beurteilung der Wirksamkeit der AEM, welche seit vielen Jahrzehnten traditionell angewandt wird, umfasst ein Spektrum von AEM-Interventionen bis zum «Whole Medical System Research» (45) und sollte Eigenheiten der AEM berücksichtigen (46). Eine Evaluation erfolgte vertieft 2011 im Programm Evaluation Komplementärmedizin mit insgesamt 265 klinischen Studien, davon 253 mit positiven Ergebnissen für AEM-Interventionen (47) (s. o.). Die AMOS-Studie untersuchte AEM prospektiv bei 1631 Patient/-innen mit verschiedenen Indikationen, 21 Pu­blikationen dokumentierten eine Wirksamkeit im «Real-World-Setting» (48). Die Herausforderung, die komplexe, dynamische, individualisierte (49) und interprofessionelle AEM zu erforschen, erfordert innovative und wissenschaftlich fundierte Konzepte (siehe Artikel Forschung).

Qualitätskriterien

Um eine wirksame, sichere und qualitätsgesicherte Anwendung der AEM zu gewährleisten, sind spezialisierte AEM-Ausbildungen, verfügbar für alle medizinischen Berufe (7) (z. B. Pflege Soleo-Akademie, Kunsttherapie und Heileurythmie Zertifikate SBFI), notwendig (siehe Artikel Edukation). Weitere allgemeine Qualitätskriterien umfassen die kooperative und transparente Absprache mit onkologischen Fachpersonen, auch bei Patient/-innen, die keine «Schulmedizin» möchten (siehe Artikel Edukation).

Fazit

Die AEM bietet ein breites Spektrum an risikoarmen und sicheren Therapiemöglichkeiten für Symptome und Erkrankungen innerhalb des Krebskontinuums.

Literatur
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Klassische Homöopathie in der ­Integrativen Onkologie

Autor
PD Dr. med. Florian Strasser

Einleitung und Definitionen

Die klassische Homöopathie (KH) basiert auf dem Ansatz, für individuelle, idealerweise einzigartige, Symptome eines Menschen ein darauf möglichst gut passendes Arzneimittel (sog. Simile) zu finden.

Die umfassende Anamnese zur Symptomsammlung mit offener und strukturierter Befragung, die «Homöopathische Anamnese», mit Systemanamnese und Themen wie Ernährungspräferenzen (Geschmacksqualitäten; fettig), Erleben von Wärme/Kälte und Sonnenlicht/Durchzug, seelischen Themata, Schlafrhythmen. Idealerweise wird ein «einzigartiges» Symptom («§ 153 Symptom»: z. B. Halsschmerzen besser durch Schlucken von festen Speisen oder Verlangen nach Entblössen bei Kälte) gefunden.

Für jedes homöopathische Arzneimittel erfolgt eine Arzneimittelprüfung: Gesunde Probanden beschreiben neue Symptome, zusammen mit toxikologischen und klinischen Beobachtungen entsteht das «Arzneimittelbild». Die homöopathischen Präparate sind potenziert und gelistet (Europäische Pharmakopöe). Zur Potenzierung wird eine Substanz (Pflanzenteile, Tierprodukte, chemisch definierte Stoffe, Mineralien) wiederholt 1:10/1:100 verdünnt und intensiv verschüttelt/verrieben. Damit werden auch Arzneimittel von unverträglichen (z. B. Silber, Jod, Petrol) oder giftigen (Schlangengift, Eisenhut, Arsen) Substanzen hergestellt. Die Wirkung von homöopathischen Hochpotenzen (ohne nachweisbare Moleküle) kann u. a. Modifikationen der Moleküldynamik betreffen (1, 2) neben insgesamt 14 verschiedenen theoretischen Modellen (3) und erklärt werden durch eine Erweiterung des naturwissenschaftlichen Materieverständnisses (4).

Ein passendes Arzneimittel wird in der Arzneimittel-Symp­tomsammlung («Materia medica») gesucht mithilfe eines «Repertoriums» (Bücher, Software).

Die Verlaufsbeobachtung evaluiert den Symptomverlauf und allgemeine Verlaufsparameter (Energieniveau, Wohlbefinden, Temperaturempfindlichkeiten, Appetit, Menses, Schlaf etc.) und fokussiert auf eine Erstreaktion, die Krankheitsentwicklung und die Entwicklung der Symptome nach der Anwendung des homöopathischen Arzneimittels. Bei akuten Verletzungen oder Infekten existieren sog. bewährte Arzneimittel, die mittels einer sehr kurzen Anamnese ermittelt werden können (Commotio, Distorsion, Insektenstich, Otitis media etc.).

Die KH erfordert eine ärztliche Weiterbildung mit SIWF-Fähigkeitsausweis Homöopathie (SVHA) (5). Daneben existieren nicht ärztliche Ausbildungen (eidgenössisches Diplom, Abrechnung nur über Zusatzversicherung).

Der Begriff Homöopathie wird auch verwendet (6) bei Anwendung von potenzierten Arzneimitteln bei Situationen mit allgemeinen Krankheitsbegriffen (z. B. «Schnupfen/Erkältung», «Gelenkschmerzen»), aber ohne individualisierte Anamnese und Arzneimittelwahl. Eine Umfrage bei allen Ärzten des Kantons Zürich (n = 4052, Antwortrate 38 %; 2.4 % homöopathische Spezialisten) (7) zeigte, dass 23 % mind. 1 x/Jahr homöopathische Arzneimittel verschrieben, davon 50.4 % mit Erwartungen an eine spezifische Wirkung und 21.4 % eines Placeboeffekts; 53 % aller Ärzte unterstützen den Einsatz von homöopathischen Arzneimitteln (8).

Diagnostik und therapeutisches Vorgehen der KH in der Integrativen Onkologie

Die KH-Erstkonsultation beinhaltet typischerweise eine fokussierte körperliche Untersuchung, aber keine speziellen Laboruntersuchungen. Die homöopathische Behandlung erfolgt begleitend zur onkologischen Behandlung.

Bei krebsbetroffenen Menschen können akute Nebenwirkungen (Toxizität) der krebsspezifischen Behandlung oder der Krebserkrankung und deren Folgen (z. B. Fatigue, CINP, Angst, Schlafprobleme, Wallungen [9], postoperatives Serom/Blutungen nach Mastektomie) [10]) mit einer (typischen, nur teilweise individualisierten) Auswahl (s. o.) von homöopathischen Arzneimitteln behandelt werden (11), dies als Teil einer supportiven onkologischen Behandlung (12). Diese wird in Frankreich von einer Mehrheit von Onkologen unterstützt (13) und in Strasbourg von 1/3 der Patienten angewendet (14). Bei 98 009 Patientinnen mit neuer Brustkrebsdiagnose und Mastektomie (nationales französisches Datenregister) bekam jede 4. Frau homöopathische Arzneimittel, die supportive Medikation für Nebenwirkungen der Krebstherapie war signifikant weniger bei ≥ 3 homöopathischen Dosen (15). Die günstige und nebenwirkungsarme homöopathische Behandlung mit fokussierter Anamnese wird in ressourcenarmen Situationen gerne eingesetzt (16).

Die Risiken der KH sind klein aufgrund der minimalen substanziellen Arzneimittelwirkung.

Evidenzlage der Homöopathie

Die Grundlagenforschung (17) untersucht die Frage, ob potenzierte homöopathische Arzneimittel spezifische Wirkungen zeigen im Vergleich zu nicht potenzierten Arzneimitteln: Die Datenlage unterstützt mit Evidenz aus physikalisch-chemischen (18), In-vitro- (19), Pflanzen- (20) und Tier- (21)-basierten Experimenten eine solche Wirkung, die aber nicht mit einer heute verfügbaren Begrifflichkeit und Messmethode definiert werden kann.

Die Datenlage der klinischen Homöopathieforschung basiert auf mehreren Hundert randomisierten Studien (z. B. Insomnie [22]) mit vielen Metaanalysen zu verschiedenen spezifischen Indikationen (z. B. schwere Depression [23], Fibromyalgie [24]). Der indikationsübergreifende Unterschied von Homöopathie und Placebo wurde in sechs Metaanalysen untersucht, welche zusammengefasst wurden (25), mit besserer Gesamtwirkung allgemeiner Homöopathie als Placebo. Die Gesamtevidenz für Homöopathie (hoch/moderat/niedrig/sehr niedrig) war hoch für KH (Metaanalyse mit niedrigem [26] und hohem [27] Verzerrungsrisiko) und moderat für nicht individualisierte Homöopathie (niedriges Verzerrungsrisiko [28]).

Eine individualisierte KH-Behandlung wurde bei onkologischen Patienten in vier randomisierten Studien eingesetzt (29). Zwei «Single-center»-Pilotstudien (Glasgow/UK, n = 47) (30); Seattle/USA, n = 83) (31) dokumentierten Hinweise für bessere Wirkung gegenüber Placebo von KH (Vergleich 1:1) oder einer homöopathischen Einzel- oder Kombinationssubstanz (Vergleich 1:2). Eine «Single-center»-Studie dokumentierte bei 194 Patienten mit KH pa­rallel zur systemischen Krebstherapie Hinweise für bessere Lebensqualität gegenüber 179 Kontrollpatienten (32). Eine nachfolgende doppelblind-placebokontrollierte randomisierte Studie dokumentierte bei 98 Menschen mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom (NSCLC) positive Effekte von KH als ergänzende supportive Behandlung im Vergleich zu Placebo auf Lebensqualität und Gesamtüberleben (33). Die Studie wurde kritisiert aus konzeptueller «Generalkritik» (34) und methodischen Gründen (35), die fehlenden methodischen Angaben wurden nach vertiefter Analyse ergänzt (36).

Die Placeboforschung dokumentiert Hinweise für bessere Wirkungen von «aktivem» Placebo (der Patient wird informiert, sog. open-label) (37) gegenüber klassischem Placebo (38). In der individualisierten Homöopathie werden den Patienten typischerweise keine Informationen abgegeben über die erwartete Wirkung des Arzneimittels.

Qualitätskriterien und Zusammenarbeit mit ­weiteren Disziplinen der Integrativen Onkologie

Der Einsatz von KH in der (komplexen) Onkologie erfordert sehr gute Zusammenarbeit und proaktive, transparente Kommunikation und Absprache mit onkologischen und anderen integrativ-medizinischen Disziplinen. Dazu gehört auch eine aktive Zuweisung bei ungenügenden Effekten oder (zu) hohen Erwartungen von Patienten (siehe Artikel Edukation).

Fazit

Die KH kann als eine von Patient/-innen oft erwünschte, nebenwirkungsarme und wissenschaftlich belegte Behandlungsform in der Integrativen Onkologie eingesetzt werden, sofern eine transparente und proaktive Zusammenarbeit mit onkologischen Fachpersonen gewährleistet wird.

Literatur
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Medizinische Hypnose

Autorinnen
Dr. med. Natacha Bordry
Prof. Dr. med. Chantal Berna

Einleitung und Definition

Hypnose ist eine Intervention, die Körper und Geist einbezieht und einen Zustand fokussierter Aufmerksamkeit und erhöhter Suggestibilität herbeiführt (1). Sie wird eingesetzt, um Patienten dabei zu helfen, ihre Wahrnehmungen, Empfindungen und Reaktionen auf Symptome zu verändern (2). Dieser psychologische Zustand wird durch geführte therapeutische Kommunikation, positive Sprache und massgeschneiderte Suggestionen erreicht, unterstützt durch eine starke Beziehung zwischen Therapeuten und Patient (3). Die klinische Hypnose, angewandt von ausgebildeten Therapeut/-innen, wird bei Krebspatienten (noch) wenig angewandt (4), möglicherweise bedingt durch begrenztes Bewusstsein, begrenzte Verfügbarkeit und verbreitete Missverständnisse – wie Ängste, die Kontrolle zu verlieren oder manipuliert zu werden (5).

Der Begriff Hypnose kann auch verwendet werden bei Anwendung einer Sprache («kommunikative Hypnose») mit Vermeidung negativer Formulierungen (z. B. wird «das wird stechen» ersetzt durch «diese Medikation betäubt die Stelle») und Optimierung von Patientenerwartungen (6). Die bewusste Fokussierung auf positive Lebens- und Erfahrungsaspekte wie Dankbarkeit (7, 8), eigene Ressourcen (9) und Lebenssinn (10, 11), als einzelne Massnahmen oder kombiniert als «Positive Psychologie Intervention» (12), enthält auch Elemente der Hypnose, es kann der Begriff Selbsthypnose verwendet werden. Dies betrifft auch Veränderungen der eigenen Denkweise (Mindset-Change) mit wachsender neurowissenschaftlicher Grundlage (13) und viele Aspekte der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) (14) (z. B. bei Insomnie [15] oder Fatigue [16], siehe Kapitel Survivorship). Bei vielen Mind-Body-Interventionen spielen (selbst-)hypnotische Elemente eine Rolle (siehe Kapitel Mind Body Medicine), auch bei Anwendung von Open-label-Placebo (17, 18).

Klinische Anwendungen von Therapeut/-innen geleiteten Hypnosen werden zunehmend in der perioperativen Anästhesie (19) eingesetzt, bei menopausalen Symptomen (20) und auch in der Onkologie (s. u.).

Diagnostik und therapeutischer Ansatz

Eine sorgfältige diagnostische Beurteilung des Patienten ist notwendig, um Sicherheit und Eignung der klinischen Hypnosetherapie zu gewährleisten. Wichtige Aspekte ist der medizinische und psychologische Zustand des Patienten, seine Bereitschaft sowie das Fehlen wesentlicher Gegenanzeigen.

Zu den wichtigsten Kontraindikationen der klinischen Hypnose gehören:
• schwere psychotische Erkrankungen wie Schizophrenie und paranoide Störungen
• starke dissoziative Störungen
• aktive Wahnvorstellungen oder Halluzinationen
• schwere kognitive Beeinträchtigungen und Demenz
• nicht kontrollierte Epilepsie
• akute Intoxikationen oder aktueller Konsum von Sub­stanzen, die die Bewusstseinslage stark beeinträchtigen (z. B. Alkohol, Drogen)

Zur Diagnose gehören auch die Klärung und Vereinbarung der Indikation resp. des individuellen Ziels der klinischen Hypnosetherapie.

Klinische Hypnose wird klassischerweise in Einzelgesprächen von Fachleuten – Ärzten, Psychologen oder Pflegekräften mit zertifizierter Expertise (21) in klinischer Hypnose – durchgeführt. Indikationen für Gruppensitzungen umfassen z. B. Stressbewältigung, Angststörungen, bestimmte Suchterkrankungen (z. B. Rauchentwöhnung) oder Unterstützung bei chronischen Erkrankungen, bei denen die Stärkung der persönlichen Ressourcen in der Gruppe vorteilhaft ist.

Der Prozess der klinischen Hypnosesitzung dauert von wenigen Minuten bis 1–3 Stunden und umfasst üblicherweise:
• Induktion in einen entspannten, fokussierten Zustand
• Übermittlung personalisierter Suggestionen und Nutzung mentaler Bilder, z. B.
– zur Veränderung der Wahrnehmung von Symptomen
– zum Kennenlernen von «inneren Familienmitgliedern»
– zum Entdecken und Stärkung sog. innerer Kraftwesen
• allmähliche Rückkehr zum normalen Bewusstsein
Das Intervall zwischen Sitzungen der klinischen Hypnose umfasst typischerweise 1–3 Wochen, angepasst an die individuelle Situation, den Zustand des Patienten und die Art des Problems. Die Behandlungsdauer variiert je nach Bedarf.

Evidenz der klinischen Hypnose und Haupt­indikationen in der Integrativen Onkologie

Die Datenlage für die potenzielle Wirksamkeit von klinischer Hypnose in der Onkologie nimmt zu, angewandt sowohl in Einzelsitzungen als auch in Selbsthypnoseformaten (1, 22). Es werden positive Effekte auf Angst, Schmerz (postoperativ, neuropathisch), Nausea, Fatigue, Medikamentenverbrauch und Hospitalisationsdauer sowie auf depressive Symptome, Insomnie, Hitzewallungen und Lebensqualität gezeigt (23).

Prozedurale Angst
Hypnose wird (ASCO-/SIO-Guideline) (24) empfohlen bei diagnostischen und therapeutischen Prozeduren in der Onkologie (intermediäre Evidenz, moderate Empfehlung).

Perioperativ-Hypnosedierung
Beispielhaft zeigte eine randomisierte Studie (Aufmerksamkeitskontrolle), dass eine 15-Minuten-Hypnosesitzung (Psychologe: geführte Imagination zur Muskelrelaxation, angenehme innere Bilder/Friede, spezifische «innere Linderung» von Nausea, postoperativer Schmerz) vor Brustkrebsoperation eine verbesserte Schmerzreduktion (25) und Patientinnenerfahrung (26) bewirkte.

Fatigue
Beispielhaft zeigte eine randomisierte Studie (Aufmerksamkeitskontrolle; n = 200 Brustkrebs, Radiotherapie), dass 15 Minuten Hypnose (zu Beginn und Ende der Radio­therapie, dazwischen wöchentlich 5 Minuten) in Kombination mit KVT eine klinisch und statistisch signifikante Verbesserung der Fatigue nach Abschluss der Radiotherapie und 1 bis 6 Monate danach aufweist (27) (siehe auch Artikel Survivorship).

Schlafstörungen
Beispielhaft zeigte eine Wartelisten-randomisierte Studie (n = 95 cancer survivors), dass eine kombinierte Self-
Care- / Self-Hypnosis-Gruppen-Intervention (8-wöchentliche 2-Stunden-Sitzungen mit 15 Minuten Hypnose) eine signifikante Verbesserung der Schlafstörung (ISI) nach 3 bis 12 Monaten bewirkte (28) (siehe auch Artikel Survivorship).
Für andere Symptome (z. B. chronische Schmerzen, Übelkeit/Erbrechen bei Erwachsenen und Kindern [29] bei Chemotherapie, Krebstherapie-bedingte Hitzewallungen oder Angst ausserhalb prozeduraler Kontexte) ist die wissenschaftliche Evidenz noch limitiert.

Qualitätskriterien

Die therapeutische Qualität der Hypnose in der Onkologie hängt ab von der Kompetenz der Behandler, der Einhaltung ethischer Standards und transparenter Kommunikation. Der Titel «Hypnotherapeut» ist in den meisten Ländern nicht geschützt.

Verschiedene Anbieter können Hypnose je nach Kontext und lokalen Vorschriften durchführen, weshalb die Qualifikation der Therapeuten idealerweise durch renommierte Organisationen wie die International Society for Hypnosis (ISH) geprüft werden sollte.

Qualitativ hochwertige Hypnose erfordert:
• Therapeut/-innen mit medizinischem Hintergrund und Hypnoseexpertise
• ethisches Arbeiten im Rahmen ihrer Zulassung (z. B. nach ISH-Ethikkodex)
• sorgfältige Dokumentation der Techniken und Patientenergebnisse
• Kommunikation mit anderen Gesundheitsfachkräften
• Aufmerksamkeit für Patientensicherheit und verbale Einwilligung

Fazit

Klinische Hypnose kann als wirksame unterstützende Therapie bei onkologischen Patient/-innen eingesetzt werden zur Behandlung akuter und postoperativer Schmerzen, von Fatigue, Schlafproblemen oder anderen Symptomen bei qualifizierter Anwendung durch gut ausgebildete Therapeut/-innen mit medizinischem Hintergrund.

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Mind Body Medicine und Mind-Body- Verfahren in der Integrativen Onkologie

Autorinnen
Dr. med. Marie-Estelle Gaignard
Prof. Dr. med. Claudia M. Witt

Einleitung und Definitionen

Mind Body Medicine ist ein modernes, wissenschaftlich basiertes, integratives Konzept. Es verbindet den Körper mit der Psyche, vermittelt Self Care und wird sowohl präventiv als auch therapeutisch eingesetzt. Durch multimodale Therapiekonzepte sollen Symptome reduziert, Ressourcen und Selbstwirksamkeit gestärkt werden. Eine universitäre Weiterbildung erfolgt in der Schweiz nur an der Universität Zürich (1) und sichert zusammen mit dem Fachverband (2) die Qualität der Angebote.

Werden einzelne Interventionen verwendet, spricht man von Mind-Body-Verfahren (z. B. Achtsamkeitsinterventionen, Yoga, Tai Chi, Qi Gong, geführte Imagination, Atemübungen und klinische Hypnose). Ziel der Anwendung der Verfahren ist es, Krebspatient/-innen durch Reduktion psychischer Belastungen, verbessertes Symptommanagement und gesteigerte Lebensqualität während der gesamten Behandlung zu unterstützen. Trotz unterschiedlicher Formen beruhen die eingesetzten Techniken auf einem gemeinsamen Prinzip: Sie fördern die bewusste Wahrnehmung innerer Erfahrungen – emotional, kognitiv und körperlich – und ermöglichen einen veränderten Umgang damit (3). Unter den Mind-Body-Verfahren sind achtsamkeitsbasierte Interventionen am bekanntesten. Sie basieren auf dem Konzept der Achtsamkeit – häufig beschrieben als «nicht wertende Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments» – und werden meist in strukturierten Gruppenformaten angeboten, insbesondere im Rahmen des Programms «Mindfulness-Based Stress Reduction» (MBSR) (4). MBSR-Angebote in der Schweiz findet man über den Fachverband (5). In einigen Kerndisziplinen der Integrativen Onkologie (siehe Kapitel Anthroposophisch erweiterte Medizin, Integrative Pflege und TCM in diesem Artikel) werden auch Mind-Body-Verfahren eingesetzt.

Diagnostik und therapeutisches Vorgehen

In der Mind Body Medicine steht das konzeptionelle Vorgehen im Vordergrund. Mind Body Medicine versteht den Menschen als Ganzes, bezieht seine Lebenswelt ein, orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen der Patient/
-innen und integriert Achtsamkeit als zentrales Element in die therapeutischen Ansätze (2). Konzepte und Methoden aus der Gesundheitspsychologie inkl. Motivation für Verhaltensänderungen (HAPA-Modell [6]) spielen eine wichtige Rolle, und die Mind-Body-Verfahren werden individualisiert.

Diagnostik und das Vorgehen der einzelnen Mind-Body-Verfahren unterscheiden sich stark und hängen auch von deren Einbettung in komplementärmedizinische Therapiesysteme ab (z. B. Tai Chi als Teil der TCM oder Heileurythmie als Teil der Anthroposophisch erweiterten Medizin). Mind-Body-Verfahren sind in der Regel nicht medikamentös und nicht invasiv und damit zumeist risikoarm. Bei bekannter schwerer Depression oder Angststörungen ist eine ärztlich-psychiatrische Verordnung und Begleitung notwendig (30).

Onkologie-spezifische Angebote

Es gibt spezielle für Krebspatient/-innen entwickelte Angebote (siehe www.integrative-oncology.ch). Zum Beispiel sind «Mindfulness-Based Cancer Recovery» (MBCR) und «Mindfulness-Based Cognitive Therapy for Cancer» (MBCT-Ca) Onkologie-spezifische Weiterentwicklungen der MBSR (7, 8). MBCR integriert Achtsamkeitspraktiken mit psychoedukativen Inhalten (7), und MBCT-Ca basiert auf dem ursprünglichen MBCT-Protokoll (Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie) und kombiniert Achtsamkeit mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Strategien (8). Beide Programme werden, ebenso wie die MBSR, über acht Wochen mit wöchentlichen Gruppensitzungen sowie einem ganztägigen Retreat angeboten.

Evidenzlage zu Mind-Body-Verfahren in der Onkologie

Mind-Body-Verfahren gehören zu den häufigsten Empfehlungen in Leitlinien (siehe Artikel Edukation). Für achtsamkeitsbasierte Interventionen zeigen Studien und Metaanalysen eine Effektivität bei der Reduktion von Angst, Depression und Stress – häufige Belastungen bei Menschen mit Krebs. Auch bei der Verbesserung von Schmerzen, Fatigue, Schlafqualität und der allgemeinen Lebensqualität zeigten sich kleine bis grosse Effektstärken (9, 10). In der MINDSET-Studie war z. B. die MBCR der supportiv-expressiven Therapie deutlich überlegen sowohl in der Stressreduktion als auch in der Förderung sozialer Unterstützung – mit anhaltenden Effekten nach einem Jahr (11). Eine weitere randomisierte Studie zeigte, dass sowohl die Präsenz- als auch die Onlineversion von MBCT psychische Belastungen wirksamer reduzierten als die übliche Versorgung – insbesondere hinsichtlich Rückfallangst, Achtsamkeit und mentaler Lebensqualität (12). Die MATCH-Studie verglich Achtsamkeitsmeditation und Tai Chi, wobei auch die Präferenzen der Teilnehmenden berücksichtigt wurden, was zwar die Teilnahmebereitschaft und Zufriedenheit erhöhte, aber keinen Einfluss auf die Wirksamkeit hatte (13). Über die reine Symptomreduktion hinaus fördern achtsamkeitsbasierte Interventionen eine nachhaltige psychologische Anpassung, indem sie die emotionale Regulation, Resilienz und Fähigkeit zur Bewältigung existenzieller Belastungen – wie Angst vor Rückfällen oder Unsicherheit – mit grösserer Klarheit und Akzeptanz stärken (12, 14, 15). Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen auch biologische Prozesse beeinflussen können, die mit Stress und zellulärer Alterung in Verbindung stehen (Veränderungen in Bezug auf den Tagesrhythmus des Cortisols [6, 17], die Herzratenvariabilität [18], Entzündungsmarker [19–21] und die Telomerlänge [22] nach regelmässiger Achtsamkeitspraxis [23–26]).

Implementierung und Qualitätskriterien

Die Formate der Angebote variieren von Einzelkonsultationen bis hin zu Gruppenangeboten, wobei sie zumeist von Ärztinnen, Psychologinnen und Personal der Gesundheitsberufe angeboten werden. Mit der digitalen Transformation der Medizin werden Angebote zunehmend flexibel und skalierbar – was den Zugang für Patient/-innen mit Mobilitätseinschränkungen, Fatigue oder geografischer Isolation erleichtert. Die kürzlich veröffentlichte randomisierte CanRelax-Studie (27) zeigte beispielsweise, dass eine App mit Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, unterstützt durch einen Chatbot, psychische Belastung reduzieren kann.

Die einzelnen Mind-Body-Verfahren unterscheiden sich in der Qualitätssicherung und den Ausbildungsstandards und werden durch spezialisierte Fachverbände (z. B. MBSR-Verband Schweiz [5]) geregelt. Der Schweizer Fachverband für die Mind Body Medicine hat auch Grundsätze zur Qualitätssicherung formuliert (2) . Mind Body Medicine soll ausschliesslich von qualifizierten Fachpersonen (Medizin, Psychologie Gesundheitsberufe) mit Zusatzqualifikation in Mind Body Medicine in einem adäquaten Setting angeboten werden. Das Angebot ist zudem methodisch nachvollziehbar, transparent und frei von ideologischen Prägungen zu gestalten und soll sich kontinuierlich weiterentwickeln, basierend auf wissenschaftlicher Evidenz und praktischen Erfahrungen.

Fazit

Mind Body Medicine und Mind-Body-Verfahren lassen sich gut mit der Tumortherapie kombinieren und ermöglichen eine aktive Teilnahme von Patient/-innen im Therapieprozess. Eine hochwertige Implementierung erfordert institutionelle Unterstützung (28, 29) und ausreichend Ressourcen. Die Angebote müssen die vielfältigen Bedürfnisse der Patient/-innen – einschliesslich schwer erkrankter Personen – berücksichtigen und kulturell, sprachlich sowie sozioökonomisch sensibel gestaltet sein. Die Integration dieser Interventionen in bestehende onkologische Versorgungspfade und die Förderung der interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen stärken eine nachhaltige Implementierung.

Literatur
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30. Campayo J. Unwanted effects: Is there a negative side of meditation? A multicentre survey. PLoS One. 2017 Sep 5;12(9):e0183137

Phytotherapie in der Integrativen ­Onkologie

Autorinnen
Dr. med. Natalie Kalbermatten
Dr. med. Tilly Nothhelfer

Einleitung und Definition

Phytotherapie – die medizinische Anwendung pflanzlicher Arzneimittel – gehört zu den ältesten Heilverfahren der Menschheitsgeschichte (1, 2). Sie ist seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil verschiedener traditioneller Medizinsysteme. Viele ihrer historischen Anwendungen konnten im Verlauf durch moderne pharmakologische Forschung bestätigt oder zumindest plausibilisiert werden (3–6). Phytotherapie besitzt im mitteleuropäischen Raum eine lange kulturelle Tradition und ist insbesondere in der Volksmedizin fest verankert (7). In der Schweiz ist sie insbesondere im deutschsprachigen Teil beliebt und wird breit genutzt (8).

Pflanzliche Arzneimittel liegen in vielfältigen Darreichungsformen vor – von Tees und Tinkturen über standardisierte Extrakte bis zu Zubereitungen für die äussere Anwendung. Ihre Herstellung erfolgt mittels definierter Extraktionsverfahren (ethanolisch, wässrig, CO₂), wodurch Zusammensetzung und Dosierung nachvollziehbar werden. Entscheidend ist die Abgrenzung von zugelassenen pflanzlichen Arzneimitteln zu nicht geprüften Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), die keiner Zulassungspflicht unterliegen und teils erhebliche Qualitätsunterschiede aufweisen; insbesondere im onkologischen Kontext wird von nicht geprüften NEM abgeraten (9, 10).

Pflanzliche Arzneimittel unterscheiden sich grundlegend von konventionellen Monosubstanzpräparaten: Sie stellen komplexe Vielstoffgemische dar, deren therapeutische Wirksamkeit häufig auf synergistischen oder modulierenden Effekten mehrerer Inhaltsstoffe beruht. Im Gegensatz dazu gelten isolierte Einzelsubstanzen pflanzlichen Ursprungs, wie beispielsweise Cannabidiol (CBD) oder Curcumin, nicht als pflanzliche Arzneimittel im eigentlichen Sinn. Ein Beispiel für den beschriebenen synergistischen Effekt ist Johanniskraut (Hypericum perforatum), dessen antidepressive Wirkung nur im Zusammenspiel verschiedener Inhaltsstoffe reproduzierbar ist (11, 12). Ein weiteres Charakteristikum pflanzlicher Vielstoffgemische ist ihre sogenannte Pleiotropie: Viele phytotherapeutische Arzneimittel entfalten gleichzeitig mehrere Wirkungen. Ein Beispiel hierfür ist Ingwer (Zingiber officinale), welcher, vermutlich über eine Modulation serotonerger (5HT3) und weiterer Rezeptorsysteme im Gastrointestinaltrakt und Zentralnervensystem, antiemetisch wirksam ist (13–15) – für Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen (CINV) ist die Evidenzlage allerdings heterogen (16) – und darüber hinaus analgetische, antiinflammatorische und antioxidative Eigenschaften besitzt (17).

Diagnostik und therapeutisches Vorgehen

Eine Orientierungshilfe für die klinische Anwendung pflanzlicher Arzneimittel bieten die Monografien internationaler Fachgremien wie der Europäischen Arzneimittelagentur (Committee on Herbal Medicinal Products, EMA-HMPC), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der European Scientific Cooperative on Phytothe­rapy (ESCOP). Diese Monografien unterscheiden zwischen «well-established use» (wissenschaftlich belegte Wirksamkeit auf Grundlage klinischer Studien) und «traditional use» (langjährige medizinische Nutzung mit Plausibilität durch pharmakologische Daten und Erfahrung) (18). Diese Unterscheidung verdeutlicht die Spannbreite zwischen studiengestützter Anwendung und systematisch dokumentiertem Erfahrungswissen.

Evidenz der Phytotherapie und typische ­Indikationen in der Onkologie

Viele Patient/-innen mit Krebserkrankungen interessieren sich für pflanzliche Arzneimittel als Ergänzung zu ihrer konventionellen Therapie (19). Orientierung könnte hier für behandelnde Ärzt/-innen die S3-Leitlinie «Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen Patient/-innen» bieten (20). Sie fokussiert jedoch ausschliesslich auf randomisierte kontrollierte Studien in onkologischen Populationen. Das schafft zwar eine hohe methodische Qualität, grenzt die Anwendbarkeit aber erheblich ein: Präparate mit guter Evidenz in nicht onkologischen Populationen – etwa orales Lavendelöl bei Angststörungen (21) – werden nicht berücksichtigt. Entsprechend enthält die Leitlinie nur wenige «Kann»-Empfehlungen, etwa für Mistel (Viscum album) zur Verbesserung der Lebensqualität, Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) bei klimakterischen Beschwerden unter antihormoneller Therapie, Indischen Weihrauch (Boswellia serrata) beim tumorassoziierten Hirnödem, Ginseng (Panax ginseng bzw. quinquefolius) bei Fatigue oder Cannabinoide bei Schmerzen und CINV. Die limitierte Evidenzlage ist im Wesentlichen methodisch bedingt: Die komplexe Zusammensetzung pflanzlicher Präparate mit variablen Inhaltsstoffgehalten erschwert eine Standardisierung, verlässliche Daten zu Dosierung und pharmakokinetischen Parametern fehlen häufig, gerade auch in besonderen Patientenkollektiven. Zudem ist eine adäquate Placebokontrolle aufgrund charakteristischer sensorischer Eigenschaften vieler Präparate nur eingeschränkt möglich (22). Um den tatsächlichen Nutzen pflanzlicher Arzneimittel im klinischen Alltag besser abzubilden, fordern Fachgesellschaften zunehmend eine Ergänzung durch hochwertige Real-World-Daten (23, 24).

Qualitätskriterien für Phytotherapie in der ­Onkologie

Zugelassene pflanzliche Arzneimittel weisen in der Allgemeinbevölkerung in der Regel ein günstiges Sicherheitsprofil auf (25). Bei onkologischen Patient/-innen können jedoch besondere Bedingungen wie eingeschränkte Organfunktionen oder parallele medikamentöse Therapien das Risiko verändern (26, 32).

Vor dem Einsatz von Phytotherapeutika im onkologischen Kontext ist – wie bei anderen Arzneimitteln – eine sorgfältige Prüfung möglicher Interaktionen erforderlich. Hierfür stehen verschiedene spezialisierte Datenbanken zur Verfügung, etwa «About Herbs, Botanicals & Other Products» des Memorial Sloan Kettering Cancer Center (https://www.mskcc.org/cancer-care/diagnosis-treatment/symptom-management/integrative-medicine/herbs). Die dort aufgeführten Interaktionsrisiken beruhen jedoch häufig auf In-vitro-Daten und sind daher nur begrenzt auf die klinische Situation übertragbar. So sind viele Pflanzeninhaltsstoffe schlecht resorbierbar oder werden rasch metabolisiert (27), sodass angenommen wird, dass sie zumindest teilweise lokal im Gastrointestinaltrakt oder über das intestinale Mikrobiom wirksam sein könnten (28). Um das Interaktionsrisiko weder zu über- noch zu unterschätzen, ist neben der Datenbankrecherche pharmakologisches sowie fundiertes phytotherapeutisches Fachwissen erforderlich. Neben den vorher genannten pharmakokinetischen sind auch pharmakodynamische Interaktionen zu berücksichtigen. Ein wichtiges Beispiel hierfür sind Phytoöstrogene, die eine schwache Affinität zu Östrogenrezeptoren aufweisen. Hauptquellen sind Soja (Glycine max) und Rotklee (Trifolium pratense). Während niedrig dosierte Nahrungsquellen wie traditionelle Sojaprodukte als unproblematisch gelten, sollten hoch dosierte Isoflavon-Extrakte bei Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom vermieden werden (20, 29).

Fazit

Phytotherapie gewinnt im Kontext von «One Health» und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung. In einigen Indikationen – etwa unkomplizierte Harnwegsinfekte – empfehlen nationale Leitlinien bereits den bevorzugten Einsatz pflanzlicher Arzneimittel, um den Antibiotikaverbrauch zu reduzieren (30). In der Onkologie kann Phytotherapie – studiengestützt oder sorgfältig begründet erfahrungsbasiert eingesetzt – einen Beitrag zur Symptomkontrolle und Lebensqualität leisten. Neben pharmakologischen Effekten spielen auch kulturelle und sinnliche Aspekte eine Rolle: Zubereitungsrituale, der Duft einer Pflanze oder die Verbindung zu einer langen medizinischen Tradition können das subjektive Erleben positiv beeinflussen. Diese Aspekte sollten jedoch nicht als «blosser Placeboeffekt» verstanden werden, sondern als integraler Bestandteil einer patientenzentrierten, ganzheitlichen Therapie, die sowohl physiologische als auch psychosoziale Wirkmechanismen berücksichtigt (31).

Literatur
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Integrative Pflege

Autorin
Sara Kohler, MScN

Einleitung und Definition

Die Integrative Pflege (IP) basiert auf der Definition professioneller Pflege (1). Diese umfasst [Zitat] «die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, in allen Lebenssituationen (Settings). Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung» (1).

Sie versteht sich als Ergänzung oder Erweiterung der professionellen, «konventionellen» Pflege (KP) (2, 3).

Die Erweiterung ist anhand von sechs Prinzipien darstellbar (3):

1. Menschliche Wesen sind untrennbar mit ihrer Umgebung verbunden.
2. Der Mensch hat die angeborene Fähigkeit zu Gesundheit und Wohlbefinden.
3. Die Natur hat heilende und stärkende Eigenschaften.
4. Integrative Pflege ist personenzentriert und beziehungsorientiert.
5. Integrative Pflege ist eine evidenzbasierte Praxis, die das gesamte Spektrum therapeutischer Modalitäten nutzt – von wenig bis stark intensiv/invasiv.
6. Sie konzentriert sich auf das Wohlbefinden der Pflegefachpersonen und der betreuten Personen.
Die IP umfasst ein koordiniertes professionelles Assessment des Kontextes, der Patient/-innen-Bedürfnisse (4) sowie den Einbezug der vorhandenen Evidenz (2). Sie beinhaltet zudem die Selbstfürsorge der Fachpersonen (3). IP verfolgt das Ziel, die Gesundheit der Patient/-innen zu stärken und deren Wohlbefinden sowie das ihrer Angehörigen zu fördern (3), und findet im interprofessionellen Team statt (2).

Die Salutogenese (5, 6) leitet das pflegerische Handeln ebenso wie das bio-psycho-sozial-spirituelle Modell und den Ansatz der Patientenzentrierung.

Integrative Pflegefachpersonen sind in der Lage, Patient/-innen bezüglich komplementärer Methoden zu beraten, Risiken zu erkennen und auf Basis eines integrativen Assessments (4) individualisierte Behandlungspläne zu erstellen. Je nach Hintergrund führen sie komplementäre Pflegeinterventionen (KPI) durch, die den Heilungsprozess unterstützen können. Die integrative Pflegefachperson bemüht sich aktiv um das eigene Wohlbefinden sowie das ihrer Kolleg/-innen und der behandelten Personen.

Die Curricula der KP enthalten heute, entgegen dem historischen Pflegeverständnis (7, 8), meist keine KPI mehr (9). Der ganzheitliche Pflegeansatz (z. B. «Anwendung von frischer Luft, Licht, Wärme, Ruhe und Ernährung, Förderung der Lebenskraft») (10, 11) gerät immer mehr unter Druck. Dies könnte bspw. ein Grund für 40 % Berufsaussteiger/-innen (12) sein. Auch der von 50 % der Onkologiepflegefachpersonen beklagte Zeitmangel für Zuwendung im Alltag (13) könnte hierin begründet sein. Sinnhaftigkeit und die Möglichkeit, das Leben anderer positiv beeinflussen zu können, sind Prädiktoren für den Verbleib im Beruf (14, 15). Auch die Integration ist von jeher Bestandteil der Pflege als Disziplin – sie leitet das Denken, Handeln und die Beziehungen (3).

Um die Aus- und Weiterbildung der IP künftig zu stärken, wurden, basierend auf einem Forschungsprojekt, ein Kompetenzprofil sowie ein Handbuch für Lehrpersonen entwickelt (2). Zudem besteht ein breites Angebot an Fort- und Weiterbildungen im Bereich der komplementären Pflegeinterventionen.

Diagnostik und therapeutisches Vorgehen

Die Diagnostik wird geleitet vom Pflegeprozess (16, 17). Ausgehend von der Anamnese und dem integrativen Assessment (4) wird im interprofessionellen Team (18) die gemeinsame Zielsetzung für die Patient/-innen geplant. Die Zielsetzungen bilden dann wiederum die Basis für den individuellen Interventionsplan, welcher um KPI (18) erweitert ist und dem Prinzip folgt, sich von am wenigsten invasiv zu invasiv vorzuarbeiten (3). Aufklärung, Beratung und Anleitung sind hierbei ebenso elementare Bestandteile (19, 20). Die gemeinsame Evaluation mit den Patient/-innen und die erneute Besprechung im interprofessionellen Team setzen den diagnostisch- therapeutischen Kreislauf fort. Es handelt sich hierbei um einen iterativen Prozess, der sich jeweils an der aktuellen Situation der Patient/-innen orientiert (16).

Komplementäre Pflegeinterventionen

KPI verfolgen typischerweise das Ziel, Symptome oder Nebenwirkungen der Antitumortherapie vorzubeugen oder zu lindern (21, 22). Es gibt einfache KPI, welche alle IP nach kurzer Einführung anwenden können (z. B. Salbenauflagen), und komplexere KPI, welche eine gezielte Fort- oder Weiterbildung benötigen (z. B. rhythmische Einreibungen oder Aromatherapie) (3). Die Auswahl der Interventionen basiert immer auf der vorhandenen Evidenz, der Expertise der IP sowie der individuellen Patient/-innen-Situation. Die KPI sollten zudem immer im Kontext der interprofessionellen Interventionsplanung gewählt werden.

Beispielhaft wird in Tab. 1 dargestellt, welcher integrative Pflegeansatz bei der Behandlung einer Schlafstörung Einsatz finden kann. In dieser Darstellung wird zudem deutlich, dass nicht zwingend alle Massnahmen durch die Pflegefachperson durchgeführt werden müssen, sondern allenfalls eine Anleitung (unter Einbezug vorhandener Angebote, bspw. der Krebsliga) oder auch eine Beratung stattfinden kann. Zudem werden immer auch andere Symptome berücksichtigt, welche allenfalls Einfluss auf den Schlaf zeigen können (z. B. Schmerz oder Hitzewallungen).

Kontraindikationen

Komplementäre Pflegeinterventionen sind meist nebenwirkungsarm (18), sollten jedoch trotzdem immer unter Berücksichtigung verschiedener Kontraindikationen wie relevanten Hautveränderungen, Allergien auf Einzelsub­stanzen oder klinisch instabilen Situationen wie Fieber betrachtet werden. Auch Abneigungen gegen Gerüche oder Sturzgefahr (z. B. nach Öleinreibungen an den Füssen) können Aspekte sein, welche in die Entscheidungsfindung einbezogen werden sollten.

Evidenz der Integrativen Pflege

Für die Forschungsfrage der potenziellen Wirksamkeit der IP als Konzept gibt es keine spezifischen Studien. Es werden zunehmend einzelne Interventionen untersucht (30–35) und Konsensusprozesse (36) etabliert. Die methodische Qualität dieser Studien schwankt jedoch sehr und erlaubt zum aktuellen Zeitpunkt für viele Interventionen lediglich Aussagen bezüglich eines positiven Potenzials. Im Bereich der IP sollte es daher künftig ein Ziel sein, die Interventionen vermehrt auch im Setting multimodaler Therapien oder komplexer Pflegeinterventionen (37) zu untersuchen.

Implikationen für das Schweizer Setting

Übertragen auf den Schweizer Kontext bedeutet dies, dass integrative Pflegefachpersonen in der Onkologie gemeinsam im multiprofessionellen Team für die Patient/-innen einen echten Mehrwert leisten können.

In verschiedenen SNIO-Zentren (www.integrative-oncology.ch) bestehen oder entwickeln sich Angebote der IP, gefördert durch Weiterbildungen und Integration von KPI in die Routineabläufe der onkologischen Tageskliniken und Abteilungen.

Fazit

Das Konzept der IP bietet eine Chance, sowohl den Bedürfnissen der Patient/-innen als auch den Herausforderungen des Fachkräftemangels zu begegnen. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Integrativen Onkologie bieten eine einmalige Chance, auch die IP zu entwickeln und damit einen Beitrag für den Erhalt und die Erweiterung professioneller Pflege zu leisten. «Das kollektive Bestreben und die Passion der Pflegefachpersonen im integrativen Setting ist, dass Integrative Pflege künftig Pflege sein wird» (3).

Literatur
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Akupunktur und Traditionelle ­Chinesische Medizin (TCM)

Autorinnen
Dr. med. Isabell Ge
Dr. med. Nurgül Usluoglu

Definition

Das Huang Di Nei Jing (Innerer Klassiker des Gelben Fürsten) ist das grundlegende Werk der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und wird um 200 v. Chr datiert. Die TCM besteht aus fünf Säulen, welche neben der Akupunktur, Arzneimitteln (Kräutern), Ernährung auch Tuina (Massage) und Gesundheitsübungen in Form von Qi Gong/Tai Chi umfassen.

Diagnostik

Yin und Yang bilden zusammen mit dem Qi das grundlegende Konzept. Yin und Yang stehen für Gegensätze, aber gleichzeitig auch für Ergänzungen. Krankheitssymptome gelten als Ausdruck eines Yin/Yang-Ungleichgewichts oder gestörten Qi-Flusses. Neben Anamnese, Inspektion und Palpation ähnlich der westlichen Medizin sind insbesondere Zungen- und Pulsdiagnostik charakteristisch für die TCM. Die Zunge wird nach Form, Farbe, Belag, Feuchtigkeit sowie Besonderheiten wie Rissen beurteilt, welche Rückschlüsse über die gestörten Funktionskreise und den Schweregrad der Erkrankung geben (1). Der Puls wird mit drei Fingern an beiden Handgelenken ertastet und nach Frequenz, Rhythmus, Volumen und Form beurteilt, wobei jede Tastposition einem bestimmten Funktionskreis zugeordnet ist (2).

Therapeutisches Vorgehen und Risiko­abschätzung

Alle therapeutischen Interventionen zielen auf die Harmonisierung des Qi-Flusses und der Yin/Yang-Dynamik ab: Bewegen von Qi-Stagnationen, Lösen von Qi-Blockaden, Auffüllen bei Qi-Mangel, Zerstreuen bei pathologischen Qi-Ansammlungen. Dies geschieht durch Stimulation von Akupunkturpunkten und Leitbahnen (Akupunktur, Tuina, Qi Gong/Tai Chi) und durch Qi-beeinflussende Arznei- und Nahrungsmittel.

Akupunktur: 12 Hauptleitbahnen (6 Yin-Meridiane,
6 Yang-Meridiane) verbinden Gewebe und Strukturen des Körpers wie ein komplexes Netzwerk zu einer integrierten Ganzheit. 360 klassische Akupunkturpunkte liegen auf diesen Meridianen und besitzen neben der lokoregionalen Wirkung eine Fernwirkung auf zugehöriges Organ, Gewebe, zugehörige Emotion. Zusätzlich gibt es viele sogenannte Extrapunkte. Durch Setzen von Metallnadeln an definierten Akupunkturpunkten sollen Funktionskreise angeregt und die körpereigene Regulation wiederhergestellt werden. Kontraindikationen sind u. a. schwere Thrombozytopenie, schwere Immunsuppression, eine aktive Infektion oder Fieberzustand (3) (Abb. 1).
• In der Kräutertherapie werden Rezepturen gemäss Krankheitsmustern, individuellen Symptomen und der Konstitution der Patient/-innen zusammengestellt. Der breite Anwendungsbereich reicht vom einfachen Infekt bis hin zu Schmerzen, menopausalen Beschwerden, Schlafstörungen, Fatigue usw. Mögliche theoretische Interaktionen (v. a. Lebermetabolismus-CYP-System, Phytoöstrogene) müssen beachtet werden (4). Jedoch gibt es kaum Daten zur klinischen Relevanz dieser Interaktionen. Entscheidend in der Praxis sind eine offene Kommunikation und der fachliche Austausch (5).
Nahrungsmittel in der TCM werden nach Temperaturverhalten, Geschmack und Wirkung auf die Funktionskreise eingesetzt, um Yin/Yang auszugleichen und Qi zu stärken. Risiken bestehen in restriktiven Diäten oder unkritischer Selbstmedikation, daher sollten Empfehlungen individuell und interdisziplinär abgestimmt werden.
Qi Gong und Tai Chi sind Bewegungstherapien, die fliessende Körperbewegungen mit Atmung und Achtsamkeit verbinden. Sie zielen darauf ab, den Qi-Fluss zu fördern, Stress zu reduzieren und Wohlbefinden zu vermitteln. Vor allem Qi Gong ist auch für geschwächte oder untrainierte Patient/-innen geeignet. Bei jeder Bewegungstherapie müssen instabile Knochenmetastasen oder Blutungsrisiken bei Sturz mit schwerer Thrombozytopenie beachtet werden.

Evidenz

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Evidenz vor allem zu Akupunktur und Qi Gong/Tai Chi deutlich zugenommen.
Neurophysiologische Untersuchungen zeigen, dass Akupunktur v. a. über neuronale Reize lokale und systemische Effekte im Körper auslösen können (6). Lokale Effekte sind Förderung der Durchblutung und Wundheilung (Schmerzen, Dysgeusie) (7, 8). Zentral und systemisch kann es zur Freisetzung von Endorphinen, Serotonin und anderen Neurotransmittern kommen (Depressivität, Schmerzen, Lebensqualität) (9, 10), zur Regulation des Sympathikus-Parasympathikus-Systems (Schlaf, menopausale Beschwerden) (11) sowie zur Veränderung der Schmerzverarbeitung und -perzeption (12, 13).

Qi Gong/Tai Chi sprechen durch kombinierte Körperarbeit mit Achtsamkeit mehrere Ebenen (körperlich, geistig, emotional) an. Der Wirkmechanismus beruht einerseits auf dem Training von Kraft, Koordination und Kognition, andererseits auf einer veränderten Reaktivität in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse sowie auf der Modulation des autonomen Nervensystems zugunsten einer parasympathischen Dominanz (14). Aufgrund der mehrschichtigen Wirkung können beide Therapieformen auch als Teil der Mind Body Medicine angesehen werden (15).

Im klinischen Kontext zeigen eine Reihe von randomisierten kontrollierten Studien, systematische Reviews sowie Metaanalysen positive Effekte. Zusammengefasst in den Leitlinien zu Integrativer Onkologie (z. B. S3-Leitlinie oder ASCO-/SIO-Practice-Guidelines) werden insbesondere folgende Bereiche hervorgehoben (16–19):
Schmerzen: Akupunktur zeigt signifikante Verbesserungen bei tumor- oder therapiebedingten Schmerzen (16, 17).
Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen: v. a. durch die Akupunktur oder Akupressur des Punktes Perikard 6 (16, 18)
Fatigue: Qi Gong/Tai Chi, (Selbst-)Akupressur und Akupunktur haben einen moderaten Effekt auf tumorbe­dingte Fatigue während und nach abgeschlossener Therapie (16, 19).
• Schlafstörungen: Qi Gong/Tai Chi sollte bei Ein- und Durchschlafstörungen bei onkologischen Patient/-innen während und nach abgeschlossener Therapie zum Einsatz kommen. (Selbst-)Akupressur und Akupunktur können ebenfalls angewandt werden (16, 20).
• Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie und kognitive Beeinträchtigung: In beiden Fällen kann Akupunktur die Beschwerden lindern (16, 17).
• Menopausale Symptome: Akupunktur kann eine Symp­tomlinderung erzielen, ähnlich der Wirkung von Gabapentin/Venlafaxin, bei gleichzeitig deutlich geringeren Nebenwirkungen. Da Akupunktur keinen Einfluss auf die Sekretion der Geschlechtshormone hat, kann sie auch bei hormonsensitiven Krebsarten zum Einsatz kommen (16).

Qualitätskriterien

Folgende Kriterien sollten erfüllt sein für die Anwendung von Akupunktur und TCM in der Schweiz:
• Zertifizierte Weiterbildung: siehe Artikel Edukation
• Interdisziplinäre Abstimmung: Als Teil der Integrativen Onkologie sollte die Anwendung interdisziplinär mit den behandelnden onkologischen Fachpersonen abgesprochen sein (Indikation, Risiken [siehe oben], Ergebniserwartung).
• Kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung und Evaluation (Qualitätszirkel), Teilnahme an Forschungsprojekten

Fazit

TCM als ganzheitliches Medizinsystem bietet vor allem durch die nicht pharmakologischen Interventionen wie Akupunktur, Akupressur, Qi Gong/Tai Chi wirksame, nebenwirkungsarme Optionen zur Unterstützung onkologischer Patient/-innen und kann substanziell zur patientenzentrierten, evidenzbasierten Ergänzung konventioneller Krebstherapien beitragen.

Literatur
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Natalie Kalbermatten 1, Chantal Berna 2, Natacha Bordry 2, Marie-Estelle Gaignard 3, Isabell Ge 4, Sara Kohler 5, Tilly Nothhelfer 6, Florian Strasser 7, 8, Nurgül Usluoglu 9, Claudia M. Witt 10, Ursula Wolf 11

1 Onkologie/Hämatologie, Kantonsspital Münsterlingen, Schweiz
2 Centre de médecine intégrative et complémentaire, CHUV, Lausanne, Schweiz
3 Department of Oncology, Swiss Cancer Center Leman, Geneva University Hospitals, Schweiz
4 Frauenklinik und Brustklinik, Universitätsspital Basel, Schweiz
5 Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Institut für Pflege, Winterthur, Schweiz
6 Klinik für Onkologie und Hämatologie, Kantonsspital Baden, Schweiz
7 Zentrum Integrative Medizin, Hoch Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen, Schweiz
8 Cancer Fatigue Clinic (Münsterlingen, Sargans, Schaffhausen), Schweiz
9 Onkologie und Hämatologie, Spital Thun, Schweiz
10 Lehrstuhl Komplementär- und Integrative Medizin, Universität Zürich, Schweiz
11 Institut für Komplementäre und Integrative Medizin, Universität Bern, Schweiz

Dr. med.Natalie Kalbermatten, M.Sc.

Onkologie/Hämatologie Kantonsspital Münsterlingen
Spitalcampus 1
CH-8596 Münsterlingen

natalie.kalbermatten@stgag.ch

Marie-Estelle Gaignard ist Board Member des Swiss Network for Integrative Oncology.
Natalie Kalbermatten ist Vizepräsidentin des Swiss Network for Integrative Oncology und ist Mitglied der Eigentümerfamilie eines Unternehmens, das pflanzliche Arzneimittel herstellt und vertreibt.
Matthias Kröz ist Mitarbeiter der Klinik Arlesheim AG.
Gisèle Montavon ist Board Member des Swiss Network for Integrative Oncology.
Tilly Nothhelfer hat Honorare für Vorträge, Beratung oder Teilnahme an Advisory Boards erhalten von Abbvie, Daiichi Sankyo, Eli Lilly Suisse, Novartis, Pfizer, Pierre Fabre, Astra Zeneca, Takeda.
Marc Schläppi ist Präsident des Swiss Network for Integrative Oncology.
Florian Strasser ist Extended Board Member des Swiss Network for Integrative Oncology, er hat Honorare für Vorträge, Beratung oder Teilnahme an Advisory Boards erhalten (letzte 5 Jahre) von Abbott Nutrition, Danone-Nutricia, Fresenius, Helsinn, Ology, Pfizer, Sanofi; er führt in selbstständiger Tätigkeit die ambulanten Sprechstunden der Cancer Fatigue Clinic durch.
Arnoud Templeton hat Honorare für Vorträge, Beratung oder Teilnahme an Advisory Boards erhalten von Astellas (I), Bayer (I), Janssen (I, P), Johnson&Johnson (P), Ipsen (I), Merck (P), MSD (I).
Claudia M. Witt ist Präsidentin des Schweizer Fachverband Mind Body Medicine und erhält Honorare für wissenschaftliche Vorträge zur Integrativen Onkologie und Entwicklung von Behandlungspfaden und Curricula von Schweizer und Deutschen Spitälern.

Journal Watch von unseren Experten

Einfluss der Vitamin-D-Supplementierung auf die Muskelkraft nach chirurgischen Eingriffen

Vitamin D spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit des muskuloskelettalen Systems. Zunehmend rückt dabei auch seine Bedeutung für die Muskelfunktion in den Fokus. Während die positiven Effekte von Vitamin D auf die Knochengesundheit im prä- und postoperativen Kontext gut belegt sind, ist der Einfluss einer Supplementierung auf die postoperative Muskelregeneration bislang nur unzureichend erforscht.
Die vorliegende systematische Übersichtsarbeit fasst die aktuellen Erkenntnisse zur Wirkung einer Vitamin-D-Supplementierung auf die Erholung und Kraftentwicklung der Muskulatur nach operativen Eingriffen zusammen.

Methoden: Die Analyse wurde nach den PRISMA-Richtlinien durchgeführt und bei PROSPERO registriert. Eine systematische Recherche in den Datenbanken PubMed, EMBASE und Cochrane umfasste alle bis zum 15. Januar 2025 veröffentlichten Studien. Eingeschlossen wurden Untersuchungen, die den Effekt einer Vitamin-D-Supplementierung auf die Muskelkraft im Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen evaluierten.

Erhoben wurden Studiendesign, Patientendemografie, Dosierung und Zeitpunkt der Vitamin-D-Gabe sowie die gemessenen Endpunkte.

Ergebnisse: Von insgesamt 701 identifizierten Publikationen erfüllten zehn die Einschlusskriterien. Die Auswertung zeigt, dass eine Vitamin-D-Supplementierung, insbesondere hochdosierte Gaben vor oder kurz nach einem Eingriff, die Muskelkraft und funktionellen Ergebnisse signifikant verbessern kann. Dies gilt vor allem für orthopädische Operationen wie Hüft- und Knieprothesen sowie für bariatrische Eingriffe. Der Nutzen war abhängig vom Operationstyp, den Ausgangswerten des Vitamin-D-Spiegels und dem jeweiligen Supplementierungsschema. Die grosse Heterogenität der Dosierungen und das Fehlen langfristiger Nachbeobachtungen schränken jedoch die Aussagekraft der Daten ein.

Schlussfolgerungen: Eine gezielte Vitamin-D-Supplementierung könnte die postoperative muskuläre Regeneration und die funktionellen Ergebnisse günstig beeinflussen. Entscheidend ist dabei ein individualisiertes Vorgehen, das sich an den spezifischen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten sowie an der Art des chirurgischen Eingriffs orientiert. Zukünftige Studien sollten sich auf die Bestimmung optimaler Dosierungsstrategien konzentrieren und die langfristigen Effekte auf Erholung, Mobilität und Lebensqualität untersuchen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

Quellen
Wang Jja-Dong. The Role of Vitamin D Supplementation in Enhancing Muscle Strength Post-Surgery: A Systemic Review. Nutrients 2025; 17:1512. doi: 10.3390/nu17091512

Keine Wirkung von Cannabidiol bei Fibromyalgie

Von 273 Patientinnen und Patienten mit Fibromyalgie einer spezialisierten Ambulanz in Dänemark wurden 200 Patientinnen und Patienten (Alter 50 Jahre, 95 % Frauen, verheiratet 63 %, BMI 29 mg/kg2, Schmerzniveau in den letzten sieben Tagen VAS 7) in dieser monozentrischen, doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie entweder mit pflanzlichem Cannabidiol (CBD) Tabletten 50 mg täglich (n = 100) oder Placebo (n = 100) behandelt. In Woche 24 betrug die mittlere Veränderung der Schmerzintensität –0.4 Punkte (95 % CI: –0.82 bis 0.08) in der CBD-Gruppe und –1.1 Punkte (95 % CI: –1.53 bis –0.63) in der Placebogruppe, was einer Differenz zwischen den Gruppen von –0.7 Punkten (95 % CI: –1.2 bis –0.25; p = 0.0028) zugunsten des Placebos entspricht. Als sekundäre Endpunkte ergab beispielsweise die Selbsteinschätzung der Aktivitäten des täglichen Lebens –0.12 vs. –0.10 (p = 0.91), und auch die übrigen Parameter differierten nicht signifikant, ausser die Lebensqualität (EQ5D global) 0.20 vs. 6.50 (p = 0.012), welche mit Placebo günstiger abschnitt als mit CBD. Die unerwünschten Ereignisse waren im Allgemeinen mild und gleichmässig auf die Gruppen verteilt.

Fazit: Nicht unerwartet bei Schmerztherapieversuchen mit Cannabis zeigt sich auch in dieser methodisch sorgfältigen Studie bei Patientinnen und Patienten mit Fibromyalgie, dass Cannabidiol nicht nur wirkungslos, sondern sogar statistisch signifikant (wenn auch klinisch nicht relevant) einer Placebotablette unterlegen war.

KD Dr. med. Marcel Weber

Quellen
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Ohne Praxis keine Zukunft: Ärztliche Weiterbildung im Umbruch

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Mit der Schliessung von kleineren und mittleren Spitälern, vornehmlich Landspitäler, und der politisch gewollten Verlagerung von der stationären Medizin in den ambulanten Bereich wird auch die Weiterbildung der jungen Kolleginnen und Kollegen beeinflusst. Bis jetzt wird der Grossteil der ärztlichen Weiterbildung in den Spitälern geleistet. Durch das Wegfallen der kleineren Spitäler verschwinden zunehmend die interessanten Weiterbildungsstellen in allgemeiner Innerer Medizin und auch solche in den «kleinen Fächern» wir Allgemeine Chirurgie, welche wegen medizinischer Vielfältigkeit und ihrer Praxisnähe besonders bei angehenden Hausärztinnen und Hausärzten beliebt sind. Noch gibt es genug stationäre Stellen in Allgemeiner Innerer Medizin, aber diese Angebote sind oft in einer Fachspezialität zu finden oder sie liegen nicht in der gewünschten Nähe. Der Trend in die ambulante medizinische Versorgung und somit auch die Verlagerung der Weiterbildung in den ambulanten Bereich ist klar. Für andere Fachdisziplinen gilt ähnliches: mit der Ausrichtung der Gesundheitsversorgung von stationär zu ambulant wir auch hier die Weiterbildung teilweise in den ambulanten Bereich verschoben.

Für die Hausarztmedizin ist dies nichts Neues; im Gegenteil. Genuin hausärztliches Wissen und Können kann nur in der Hausarztpraxis gelernt und erworben werden. Seit Jahren wird die Praxisassistenz als anerkannte Weiterbildung zur Fachärztin-Facharzt Allgemeine Innere Medizin angeboten. In der Schweiz stehen gut 320 Praxisassistenzstellen für die AIM und etwas über 50 Stellen für die Kinder -und Jugendmedizin zur Verfügung. Eigens für diese Tätigkeit ausgebildete Lehrärztinnen und Lehrärzte garantieren eine qualitativ einwandfreie Weiterbildung. Und das Interesse an der Lehrtätigkeit ist gross:1793 Personen haben von 2016-2024 an den Lehrärztekursen teilgenommen.

Neben der medizinisch -didaktischen Kompetenz, welche für eine Lehrarzttätigkeit notwendig ist, wird natürlich das medizinische Fachwissen, welche à jour sein sollte, vorausgesetzt. Das betrifft alle Hausärztinnen und Hausärzte, gilt aber insbesondere für Lehrkräfte. Neben den Fortbildungsangeboten der Fachgesellschaften und anderen Fortbildungsveranstaltungen nimmt das Selbststudium einen wichtigen Platz im lebenslangen Lernen ein. Hier ist das Angebot – ob Print oder online- riesig und selbstredend ist auch die Qualität sehr divers. Oft ist in diesen Printmedien oder online-Angeboten nicht ersichtlich, aus welcher Feder ein Artikel stammt, wer hinter einer «neuen» Empfehlung steht und ob das Gesagte oder Geschriebene wissenschaftlich wirklich erhärtet ist und wer für die gemachten Informationen verantwortlich ist.

In unserer Zeitschrift schreiben Ärztinnen und Ärzte für Ärztinnen und Ärzte- für Sie- seien Sie noch in der Weiterbildung oder in der Fortbildung. Die Autorinnen und Autoren arbeiten in unseren Spitälern, Kliniken, Praxen und Instituten. Sie kennen die Besonderheiten der «helvetischen Medizin» und des Gesundheitswesens. Sie Schreiben über relevante Themen der Hausarztmedizin, welche auf einem wissenschaftlich begründet sind und unterschreiben ihren Artikel mit ihrem Namen. So soll es bleiben. Dies ist unser Beitrag an die ärztliche Weiter- und Fortbildung.

Dr. med. Christian Häuptle

Otmarweg 8, 9200 Gossau

haeuptle@hin.ch

Quels vaccins pour les personnes ≥ 65 ans?

Avec le vieillissement de la population, chaque médecin sera amené à prendre en charge des patients plus âgés, à risque accru de développer des formes sévères d’ infection et de décompenser des comorbidités telles l’ insuffisance cardiaque ou les maladies pulmonaires chroniques; des mesures de prévention sont donc indispensables. La vaccination constitue une des stratégies les plus efficaces. Dès l’ âge de 65 ans, plusieurs vaccins sont recommandés. Entre la grippe, le COVID-19, le zona, les pneumocoques, le tétanos et le virus respiratoire syncytial, il n’ est pas toujours facile de s’ y retrouver. Cet article propose aux cliniciens des outils pratiques et des recommandations pour améliorer la couverture vaccinale de leurs patients âgés de 65 ans et plus.

With the aging of the population, every healthcare worker will take care of older patients, who are at higher risk of developing severe infections and decompensation of their comorbidities. Preventive measures are therefore essential, and vaccination is one of the most effective strategies. From the age of 65, several vaccines are recommended. With influenza, COVID-19, shingles, pneumococcus, tetanus, and respiratory syncytial virus, it can be confusing. This article provides clinicians with practical tools and recommendations to help improve vaccine coverage among patients aged 65 and older.
Keywords: Vaccine-preventable diseases, Vaccination recommendations, prevention, gerontology, Vaccine hesitancy

Introduction

La population âgée de 65 ans et plus est en augmentation (1). Selon l’ Organisation Mondiale de la Santé (OMS), un vieillissement en bonne santé repose sur le maintien « des capacités fonctionnelles permettant le bien-être à un âge avancé » (2). La vaccination constitue une mesure préventive sûre et efficace qui contribue à cet objectif. Les personnes de plus de 65 ans ont un risque accru d’ infections sévères avec des complications cardio-respiratoires, neurologiques et une perte d’ autonomie (3). L’ Office Fédérale de la Santé Publique (OFSP) actualise tous les ans le plan de vaccination dont une partie est spécifiquement destinée à cette tranche de la population (4). Pourtant, la couverture vaccinale y reste faible alors qu’ elle est essentielle pour prévenir des maladies graves dans cette population vulnérable. Cet article fournit aux cliniciens et cliniciennes des outils pratiques pour la vaccination des ≥ 65 ans et réactualise les données sur les vaccins conjugués antipneumococciques (PCV) et ceux contre le virus respiratoire syncytial (VRS).

Quels vaccins pour la personne de ≥ 65 ans?

Le système immunitaire évolue au cours de la vie. L’ immunosénescence est caractérisée par des modifications en nombre et en qualité des cellules immunitaires innées et adaptatives en lien avec le vieillissement, comme: une diminution du nombre de cellules B et T naïves, une diminution de la production d’  anticorps et une augmentation de la production de cytokines pro inflammatoires. Un état d’ inflammation chronique de bas grade, appelé «inflammaging», peut ainsi apparaitre et persister. Ces modifications du système immunitaire augmentent le risque de complication en cas d’ infection et réduisent les réponses vaccinales (5, 6). Même si l’ efficacité des vaccins peut être réduite dans cette population, elle permet de diminuer la sévérité de la maladie et de limiter les hospitalisations, les complications et la mortalité (7).
Les vaccins recommandés dès 65 ans, selon le plan de vaccination de 2025, sont résumés dans le Tab. 1 (4).

Vaccins contre la grippe saisonnière

Les personnes de 65 ans et plus infectées par le virus de la grippe sont à risque de développer des complications pulmonaires mais aussi extra-pulmonaires. Chaque année, le vaccin est actualisé si nécessaire selon les souches virales en circulation. Son efficacité varie en fonction de l’ âge, des comorbidités mais aussi selon la correspondance entre les souches vaccinales sélectionnées et celles en circulation (8). Pour améliorer la réponse immunitaire chez les personnes âgées, un vaccin à haute dose (HD) contenant quatre fois plus d’ antigène hémagglutinine qu’ un vaccin standard est disponible. Il renforce l’ immunogénicité et réduit d’ environ 15 % le risque d’ hospitalisation liée à la grippe chez les ≥ 65 ans par rapport au vaccin à dose standard (9, 10). Le vaccin antigrippal a pour but d’  éviter les formes sévères de l’ infection, les hospitalisations, les complications mais également de limiter les événements cardiovasculaires et la mortalité (3). En Suisse, le vaccin HD est remboursé chez les personnes ≥ 75 ans et les personnes ≥ 65 ans avec facteurs de risque (Tab. 1). Les vaccins contre la grippe sont sûrs et bien tolérés. En moyenne, 1 personne sur 2 présente des réactions locales (douleur au site d’ injection, rougeur localisée, gonflement ou induration) et 1 personne sur 3 présente des signes généraux (myalgies, fièvre, etc.).

Vaccin contre le COVID-19

Le SARS-CoV-2 circule toujours. En Suisse, la vaccination contre le COVID-19 est recommandée 1x/an à l’ automne pour les personnes âgées de 65 ans et plus (4). La vaccination réduit les risques de formes sévères, d’ hospitalisations, de complications et de décès, mais la protection contre l’ infection et la transmission reste très faible. Selon une étude cas-témoins en Angleterre, l’ efficacité contre les hospitalisations est maximale durant le premier mois (environ 50 %), puis diminue progressivement (jusqu’ à environ 13 %) (11). Cela souligne l’ importance d’ une revaccination annuelle chez les personnes âgées. Les vaccins sont bien tolérés dans cette population. Les effets indésirables, similaires à ceux du vaccin contre la grippe, sont généralement bénins et transitoires. L’ administration de plusieurs doses semble réduire le risque de développer un COVID long (12).

Vaccin contre le Zona

Le zona est lié à la réactivation du virus varicelle-zona (VZV) et se manifeste généralement par une éruption vésiculeuse. Le risque de réactivation du VZV augmente avec l’ âge: une personne sur trois développera un zona au cours de sa vie et une personne sur deux après 85 ans (13). La complication la plus fréquente est la névralgie post-zostérienne, qui peut entrainer une polymédication, une dépression et une perte d’ autonomie. Des complications ophtalmologiques et neurologiques peuvent également survenir (14). Le vaccin recombinant contre le zona (RZV) composé de la glycoprotéine E du VZV (gE) et l’ adjuvant AS01B est administré en deux doses, à un intervalle de 2 à 6 mois. Il réduit de 87 % le risque de névralgie post-zostérienne et 78 % celui de zona ophtalmique (15). L’ efficacité est bien plus faible après une seule dose (15, 16), d’ où l’ importance d’ informer les patients sur la nécessité des deux doses. Le RZV peut être administré après un épisode de zona, dès les lésions cutanées cicatrisées. Son efficacité pour prévenir un épisode de zona persiste dans le temps (70–84 %) sans différence significative selon l’ âge (17,18). Les effets secondaires comme la douleur au site d’ injection, les myalgies, et la fatigue sont fréquents, généralement d’ intensité légère à modérée et transitoires (19). Il est important d’ informer les patients de ces effets secondaires et de les rassurer: une réaction après la première injection ne signifie pas qu’ ils en auront une après la deuxième, et inversement.

Vaccins contre le tétanos, la diphtérie (+/– la coqueluche, +/– la poliomyélite)

Il existe uniquement des vaccins contre le tétanos-diphtérie combinés à la coqueluche et/ou à la poliomyélite. A partir de 65 ans, un rappel contre le tétanos tous les 10 ans est recommandé. En cas d’ exposition aux nourrissons, un vaccin incluant la coqueluche est préconisé. En cas de voyage dans un pays à risque, un vaccin protégeant contre la poliomyélite est indiqué.

Les nouveautés

Vaccins conjugués antipneumococciques

Plus de 100 sérotypes de Streptococcus pneumoniae ont été identifiés et certains sont associés à des maladies invasives comme des bactériémies ou des méningites. L’ incidence et la mortalité des infections invasives à S. pneumoniae touchent principalement les enfants de moins de 5 ans et les adultes de plus de 65 ans (20). Chez ces derniers, une infection à pneumocoques peut entrainer des complications cardiovasculaires, pulmonaires et une perte d’ autonomie. Les vaccins conjugués antipneumococciques (PCV) ont été développés afin d’ améliorer l’ immunogénicité et prolonger la durée de protection (21). Contrairement aux vaccins polysaccharidiques, les PCV associent les polysaccharides à une protéine porteuse, permettant une immunité mémoire et des anticorps à haute affinité (22). En raison de la couverture des sérotypes restreinte des premiers PCV, certains pays ont continué d’ utiliser le vaccin polysaccharidique 23-valent, parfois en l’ administrant après une dose de PCV-13. L’ arrivée des PCV à valence plus élevée (PCV-15, PCV-20) élargit désormais les options. Le Tab. 2 illustre les dix sérotypes de pneumocoques les plus fréquemment responsables d’ infections invasives (IIP) chez les personnes ≥ 65 ans en Europe ainsi que leur couverture par les PCV selon les données du centre Européen de prévention et de contrôle des maladies (ECDC). En Europe, la couverture des sérotypes responsables d’ IIP chez les ≥ 65 ans est d’ environ 33 % pour le PCV13, 43 % pour le PCV15 et 56.7 % pour le PCV-20 (23). Un PCV-21, conçu pour mieux couvrir les sérotypes responsables de maladies invasives chez les personnes âgées, a déjà reçu l’ autorisation de la FDA et de l’ EMA. Il est en cours d’ évaluation par Swissmedic. Ces nouveaux vaccins permettent une meilleure protection que le PPSV-23.

En Suisse, il est recommandé de vacciner les personnes de ≥ 65 ans avec le PCV-15 ou le PCV-20. En cas de vaccination antérieure avec le vaccin polysaccharidique ou PCV-13, une vaccination peut être réalisée un an après le rappel. Attention, si un PCV-13 a été administré à 65 ans ou plus et pris en charge par l’ assurance de base, cette dernière ne remboursera pas le nouveau PCV. Les vaccins conjugués sont sûrs et bien tolérés. Chez les personnes de plus de 65 ans, l’ effet indésirable le plus fréquent est l’ érythème au site d’ injection (30 %), suivi d’ un gonflement localisé (18 %), de la douleur au point d’ injection et de la fatigue.

Vaccins contre le Virus Respiratoire Syncytial

Le VRS est responsable d’ infections respiratoires, allant de simples infections des voies respiratoires supérieures à des infections sévères, potentiellement mortelles, des voies respiratoires inférieures. Il peut aussi entraîner des complications cardiovasculaires ou aggraver certaines comorbidités. Les symptômes cliniques du VRS sont similaires à ceux d’ autres virus respiratoires. Les hospitalisations concernent principalement les adultes avec des pathologies sous-jacentes telles que l’ asthme, la bronchopneumonie chronique obstructive (BPCO) ou l’ insuffisance cardiaque congestive (24).

Trois vaccins contre le VRS sont autorisés et disponibles en Suisse : Abrysvo®, vaccin non adjuvanté contenant la protéine de surface pré-fusion RSVPreF des deux sous-types de VRS (A et B); Arexvy®, vaccin adjuvanté contenant la protéine de surface pré-fusion RSVpreF3 du sous-type de VRS A2 et l’ adjuvant AS01E. Il s’ agit du même adjuvant que dans le Shingrix® mais à mi-dose; et mRESVIA®, vaccin à ARNm codant pour la protéine de surface pré-fusion RSVpreF du sous-type A, encapsulé dans des nanoparticules. Les études de phase 3 n’ ont pas choisi les mêmes critères d’ évaluation ce qui ne permet pas leur comparaison. Leur efficacité contre les infections des voies respiratoires inférieures semble cependant similaire avec un profil de tolérance acceptable (25–27). Une étude aux États-Unis chez les ≥ 60 ans a montré une efficacité vaccinale de 80 % (IC 95 %: 71–85) contre les hospitalisations associées au VRS (28).

En Suisse, ces trois vaccins sont recommandés pour les personnes de 75 ans et plus et de 60–74 ans avec facteurs de risque (Tab. 1). Ils ne sont pas encore remboursés par l’ assurance de base pour cette population. Les données actuelles montrent une durée d’ efficacité d’ au moins 2 saisons après la vaccination avec ces vaccins (29–31). Il n’ est pour le moment pas recommandé d’ effectuer de dose supplémentaire.

Questions – réponses concernant la pratique de la vaccination

Quand et comment vacciner?

La Fig. 1 reprend les aspects pratiques de la vaccination en termes de modalités d’ injection, de délai entre chaque vaccin et de précautions/contre-indications. La co-administration est sûre et efficace (32). Elle n’ entraine pas plus d’ effets secondaires. Une mise à jour vaccinale peut être réalisée le même jour ou être étalée dans le temps à la convenance des patients et du praticien. Il n’ est jamais trop tard pour mettre à jour les vaccins pour son/sa patient(e).

Les patient(e)s immunodéprimé(e)s en raison de leur pathologie sous-jacente ou des traitements immunosuppresseurs qu’ils reçoivent sont plus à risque de développer des infections et ont une moins bonne réponse humorale aux vaccins (33). Le suivi de la réponse immunitaire pour des vaccins tels que les pneumocoques et le tétanos peut guider les vaccinations ultérieures (doses de rappel, utilisation de doses élevées). Cette analyse est réalisable au laboratoire de vaccinologie des HUG. Les vaccins vivants atténués sont contre-indiqués sous immunosuppression en raison du risque de maladie vaccinale.

Quels outils pour y penser?

Le manque de connaissance, le manque de temps du personnel de santé pour la prévention, l’ absence de documentation de l’ anamnèse vaccinale, la vaccino-hésitance des patients et des soignants, la diffusion de fausses informations, le coût et l’ accès à certains vaccins sont des exemples de freins à la vaccination.

Soutenue par l’ OFSP, la plateforme Infovac (www.infovac.ch) est composée d’ un réseau d’ experts en vaccination qui fournit des informations régulièrement mises à jour sur les maladies à prévention vaccinales et un service de réponses aux questions sur la vaccination aux abonnés.
Encourager les patients à compléter leur carnet de vaccination est un moyen d’ améliorer la documentation. Certains dossiers personnalisés informatiques ont un endroit spécifique pour rapporter les vaccinations. Identifier de manière systématique les patients non à jour et mettre en place des protocoles de vaccination facilitent la mise à jour vaccinale (34). Tous les professionnels de santé, y compris en intra hospitalier, jouent un rôle pour lutter contre la désinformation et la promotion de la vaccination. La vaccination en intra hospitalier ne prolonge pas la durée d’ hospitalisation. Elle est même associée à une diminution des réhospitalisations (35).

L’ admission en établissement médico-social est un moment stratégique pour évaluer le statut vaccinal des patients et les informer ainsi que leurs représentants thérapeutiques sur les vaccins à réaliser. Chaque année une campagne d’ information contre la grippe et le COVID-19 devrait permettre d’ assurer une mise à jour de ces vaccinations.

Que dire à mon/ma patient(e) avant de le vacciner?

Il semble primordial que le/la patient(e) comprenne quelles maladies sont prévenues par la vaccination et l’ impact que ces maladies peuvent avoir pour qu’ il/elle adhère aux propositions de vaccination. Informer son/sa patient(e) des possibles effets secondaires des vaccins permet également une meilleure acceptabilité pour les vaccinations futures.

Comment faire face à un patient vaccino-hésitant?

Une approche motivationnelle contrairement à une approche factuelle permet d’ accompagner les patients vaccino-hésitants et/ou leurs représentants thérapeutiques en cas de troubles cognitifs vers une meilleure adhésion aux vaccins. Un entretien motivationnel se déroule généralement en plusieurs étapes: créer une relation de confiance en écoutant avec empathie, sans porter de jugement, explorer et comprendre les raisons personnelles de l’ hésitation de la personne afin d’ identifier le type d’ information qui pourrait modifier son point de vue, avec sa permission, fournir des informations claires et pertinentes qui soutiennent une prise de décision éclairée et autonome et respecter son autonomie tout en guidant la conversation vers une vision plus positive de la vaccination (36).

Conclusion

Les maladies infectieuses comptent parmi les principales causes de mortalité chez les personnes âgées de 65 ans et plus. La vaccination est une mesure de prévention sûre et efficace; elle protège contre l’ infection mais aussi contre les hospitalisations, les décompensations de comorbidités et la perte d’ autonomie. Pourtant, les taux de couverture vaccinale restent faibles dans cette population à risque. Mettre en place des programmes de vaccination adaptés aux besoins des seniors, tout en renforçant l’ information et la communication, peut contribuer à diminuer l’ hésitance vaccinale et à mieux protéger les 65 ans et plus.

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Dre Astrid Malézieux-Picard

Service de médecine interne de l’ âgé
Département de Réadaptation et Gériatrie
Hôpitaux Universitaires de Genève

Pre Virginie Prendki

– Service de médecine interne de l’ âgé
Département de Réadaptation et Gériatrie
Hôpitaux Universitaires de Genève
– Service de maladies infectieuses
Département de Médecine
Hôpitaux Universitaires de Genève

Dre Hélène Buvelot

Centre de vaccinologie
Hôpitaux Universitaires de Genève

Dre Ioanna Kaisari

Service de médecine interne de l’ âgé
Département de Réadaptation et Gériatrie
Hôpitaux Universitaires de Genève

Les autrices n’ ont pas déclaré de conflit d’  intérêts en rapport avec cet article

  • Les personnes ≥ 65 ans sont plus à risque de développer des ­infections sévères et de faire des complications notamment ­cardio-respiratoires et neurologiques après une infection.
  • La vaccination est une mesure de prévention sûre et efficace qui permet de limiter les infections à prévention vaccinale, leur sévérité et leurs complications.
  • La vaccination a également un effet indirect cardioprotecteur et sur la mortalité toute cause confondue.
  • Penser à la vaccination, informer les patients voire leur famille, répondre à leurs interrogations, documenter et mettre à jour les ­vaccins selon les recommandations sont autant d’ étapes ­essentielles à intégrer dans la pratique quotidienne pour protéger nos patients et préserver leur autonomie.

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Intelligence artificielle et lettres de sortie

Malgré l’informatisation du dossier médical, la lettre de sortie reste un élément incontournable du parcours hospitalier d’un-e patient-e.

Son objectif principal reste de transmettre des informations (investigations, réflexions thérapeutiques, interventions et traitements) valides et exhaustives concernant le séjour hospitalier, ainsi que les propositions pour la suite de la prise en charge. Cet exercice exigeant permet (devrait permettre !) aussi de poursuivre un objectif pédagogique de formation à la pensée synthétique, structurée et concise. Plus récemment, un objectif purement financier est venu s’ajouter à ces deux objectifs, allant parfois jusqu’à les supplanter au point de brouiller les priorités. Cette évolution a contribué sans aucun doute au sentiment de surcharge «administrative» du corps médical, même si cette transmission d’informations reste une mission aussi importante que celle de soigner. L’intelligence artificielle (IA) pourra-t-elle nous aider? C’est ce que les résultats d’une étude récente nous font miroiter (1).

Les investigateurs ont extrait au hasard les dossiers de cent patients hospitalisés de 3 à 6 jours en médecine et demandé à un modèle d’IA de type «large language models» (LLM) de générer une lettre de sortie. Celle-ci et la lettre de sortie initiale produite par le médecin en charge ont ensuite été comparées et évaluées à l’aveugle par 22 médecins en termes d’exhaustivité, de clarté et de concision, ainsi que d’éventuelles erreurs (imprécisions, omissions, et hallucinations = informations totalement erronées).

Résultat? Les lettres générées par AI étaient jugées plus claires et plus concises, mais moins exhaustives. Elles contenaient aussi plus souvent une erreur, mais dont les conséquences potentielles ne différaient pas de celles contenues dans la lettre de sortie initiale. Globalement, les reviewers n’ont exprimé aucune différence de préférence pour l’un ou l’autre type de lettre.

Au total, la qualité des deux types de lettres de sortie étaient similaires et, surtout, améliorables. Les auteurs proposent donc d’envisager une approche combinant un premier jet généré par l’IA suivi d’une relecture par le médecin afin d’éliminer les erreurs et améliorer l’exhaustivité. Même si l’on peut craindre que ce soit désormais l’IA qui réponde à l’objectif pédagogique de clarté et concision, cela paraît être une excellente opportunité pour s’attaquer au problème de la surcharge «administrative». À nous de garantir que l’exercice de relecture reste rigoureux!

Pr Christophe Büla

Service de Gériatrie et réadaptation gériatrique,
Centre hospitalier universitaire vaudois
Ch. de Mont Paisible 16
1011 Lausanne

Journal Watch de nos experts

Un Nutri-Score défavorable augmente le risque de ­maladies cardiovasculaires

Les aliments dont le Nutri-Score est élevé ont un effet négatif sur la santé à long terme. Le Nutri-Score fournit donc aux consommateurs une information simple sur les effets de leur alimentation sur leur santé, grâce à un ­système de feux tricolores. Il convient toutefois de tenir compte des limites de ces auto-évaluations, car les ­données présentent également des incohérences, comme un indice de masse corporelle (IMC) plus élevé dans le groupe ayant la meilleure alimentation selon le Nutri-Score par rapport au groupe ayant la pire alimentation. De plus, la qualité de l’alimentation n’a été évaluée qu’au moment de l’inclusion dans l’étude.

Question
L’alimentation selon le Nutri-Score a-t-elle une influence sur le risque de maladies cardiovasculaires?

Lieu de l’étude
Vingt-trois centres de dix pays européens ont participé à l’étude EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition).

Contexte
Développé par des scientifiques de l’université de Paris, le Nutri-Score utilise les couleurs des feux de signalisation et une échelle de 5 niveaux (de A à E) pour indiquer aux consommateurs si un aliment a des effets néfastes sur la santé en raison de sa teneur élevée en sucre, en acides gras saturés et en sel, ainsi que de sa valeur énergétique élevée. En Suisse, certains fabricants ont récemment annoncé leur intention de ne plus apposer le Nutri-Score sur leurs produits, car il pourrait semer la confusion chez les consommateurs. Des études antérieures avaient déjà montré les effets néfastes de la consommation de nombreux aliments ayant un mauvais Nutri-Score sur les maladies cardiovasculaires.

Critères d’inclusion et d’exclusion
Des adultes âgés de 25 à 70 ans au début de l’étude. Les personnes ayant des antécédents d’infarctus du myocarde ou d’accident vasculaire cérébral, ou ayant subi un tel événement au cours des deux premières années du suivi, ont été exclues.

Méthode
Entre 1992 et 2010, l’étude EPIC a recueilli des données nutritionnelles auprès de plus d’un demi-million de personnes, qu’elle a ensuite mises en relation avec des cancers ultérieurs, mais aussi avec des événements cardiovasculaires.
Entre 1992 et 2010, l’étude EPIC a recueilli des données nutritionnelles auprès de plus d’un demi-million de personnes, puis les a mises en relation avec des cancers et des événements cardiovasculaires survenus par la suite. Dix pays européens ont participé à l’étude et les données de sept d’entre eux ont été évaluées pour la présente étude. Le Nutri-Score, qui repose sur une version mise à jour en 2023 du «nutrient profiling system (NPS)» sous-jacent, a été utilisé pour analyser les données de 345 533 participants à l’étude EPIC.

Paramètres
Maladies cardiovasculaires, maladie coronarienne, infarctus du myocarde, maladie cérébrovasculaire et accident vasculaire cérébral.

Résultats
Au cours des 12.3 années de suivi, 16 214 premiers événements cardiovasculaires ont été enregistrés, dont:
• 11 009 événements coronariens, dont 6565 infarctus du myocarde.
En outre, 6669 événements cérébrovasculaires, dont 6245 accidents vasculaires cérébraux, ont été observés. Un Nutri-Score supérieur d’un écart-type augmentait le risque de maladie ­cardiovasculaire de 3 % (rapport de risque (HR): 1.03; intervalle de confiance à 95 % (IC): 1.01–1.05).
L’augmentation du risque s’est manifestée comme suit:
• infarctus du myocarde: 3 % (HR 1.03; IC 1.01–1.07);
• événements cérébrovasculaires: 4 % (HR 1.04; IC 1.01–1.07);
• risque d’accident vasculaire cérébral: 4 % (HR 1.04; IC 1.01–1.07). Seul le nombre total d’événements coronariens n’a pas augmenté de manière significative (HR: 1.01; IC: 0.99–1.03), car les angines de poitrine ont été prises en compte en plus des infarctus du myocarde. En comparant les participants ayant obtenu le Nutri-Score le plus bas (le plus favorable) à ceux ayant obtenu le Nutri-Score le plus élevé, on a observé 364 événements pour 100 000 participants contre 490 en 12.3 ans.

Commentaire
• Les aliments ayant un Nutri-Score élevé ont un effet négatif sur la santé à long terme.
• Le Nutri-Score fournit donc aux consommateurs une information simple sur les effets de leur alimentation sur la santé, grâce à un système de feux tricolores.
• Il convient toutefois de tenir compte des limites de ces auto-évaluations, car les données présentent également des incohérences, comme un IMC plus ­élevé dans le groupe ayant la meilleure alimentation par rapport au groupe ayant la pire selon le Nutri-Score. De plus, la qualité de l’alimentation n’a été évaluée qu’au moment de l’inclusion dans l’étude.

Pr Thomas Rosemann

Source
Deschasaux-Tanguy, M. Huybrechts, I. Chantal, J. et al. Nutritional quality of diet characterized by the Nutri-Score profiling system and cardiovascular disease risk: a prospective study in 7 European countries. Lancet Reg Health Europe. 2024; 46:101006
https://www.thelancet.com/journals/lanepe/article/PIIS2666-7762(24)00173-X/fulltext

Anticipation neurale et immunité: le cerveau se prépare aux infections virtuelles

Dans le Journal Nature Neuroscience, Sara Trabanelli (université de Lausanne, université de Genève) et Andrea ­Serino (université de Lausanne) ont résumé des résultats étonnants. Publiée en juillet 2025, leur étude démontre que le cerveau humain peut anticiper la menace d’une infection, même lorsqu’elle est uniquement représentée en réalité virtuelle, et déclencher une réponse immunitaire mesurable.

Anticipation cérébrale dans l’espace péripersonnel
Le système immunitaire réagit généralement après l’entrée d’un agent pathogène dans l’organisme. Toutefois, l’étude explore une hypothèse différente: le cerveau serait capable de signaler un danger infectieux avant tout contact physique.
Pour ce faire, les chercheurs ont utilisé des avatars en réalité virtuelle présentant des signes visibles de maladie. Lorsque ces avatars pénétraient dans l’espace péripersonnel (la zone immédiate qui entoure le corps), les participants présentaient une activation précoce de régions multisensorielles fronto-pariétales et du réseau de saillance. Spécialisées dans la détection des stimuli menaçants, ces zones du cerveau réagissaient déjà lorsque l’avatar infectieux était encore éloigné.

Les réponses immunitaires étaient comparables à celles observées après une vaccination.
Au-delà des mesures neurophysiologiques, l’équipe a analysé le sang des participants. Après exposition à des avatars infectieux, les cellules lymphoïdes innées (ILC) et les cellules NK présentaient des modifications comparables à celles observées après une vaccination contre la grippe. Les ILC2 et les précurseurs des ILC augmentaient, tandis que les ILC1 diminuaient, signe d’une mobilisation rapide du système immunitaire. Cette modulation était spécifique aux stimuli infectieux et ne se produisait pas avec des stimuli neutres ou effrayants.

Un dialogue neuro-immunitaire
Les chercheurs ont ensuite eu recours à l’IRM fonctionnelle et à la modélisation de la connectivité. Ils ont ainsi démontré que l’anticipation d’une infection virtuelle augmentait les échanges entre le cortex et l’hypothalamus, centre clé de l’axe hypothalamo-hypophyso-surrénalien (HPA).

Ce circuit neuro-immunitaire s’accompagnait d’une libération de médiateurs hormonaux et de lipides inflammatoires. Un réseau neuronal artificiel, entraîné sur ces données, a permis de prédire l’activation immunitaire en fonction des taux d’hormones et de médiateurs lipidiques mesurés dans le sang.

Portée et limites de l’étude
Ces résultats suggèrent que l’organisme ne se contente pas de réagir après une infection, mais qu’il dispose d’une stratégie anticipatoire: le cerveau prépare l’immunité dès qu’il perçoit une menace dans l’environnement.

Cette découverte ouvre la voie à de ­nouvelles pistes, notamment dans l’utilisation de la réalité virtuelle pour moduler l’immunité. Toutefois, les auteurs soulignent plusieurs limites:
• étude exploratoire chez de jeunes adultes en bonne santé,
• comparaison restreinte à une seule vaccination,
• inconnue quant à la généralisation des résultats à d’autres contextes ou populations.

Conclusion
L’étude révèle une intégration neuro-immunitaire inédite: l’anticipation d’une infection, même simulée en réalité virtuelle, suffit à déclencher une activation des défenses immunitaires.

Ces données confirment que la barrière entre le système comportemental et le système biologique de l’immunité est plus perméable qu’on ne le pensait. Le cerveau joue un rôle central non seulement pour éviter le danger, mais aussi pour préparer activement la réponse immunitaire.

Pr Walter F. Riesen

Source
Trabanelli, S., Akselrod, M., Fellrath, J. et al. Neural anticipation of virtual infection triggers an immune response. Nat Neurosci (2025).
https://doi.org/10.1038/s41593-025-02008-y