Tuberkulose Update

Die Tuberkulose (TB) bleibt die führende Todesursache unter den durch ein Pathogen verursachten Infektionen. Weltweit starben im Jahr 2021 1.6 Millionen Menschen an einer TB. In der Schweiz ist die Inzidenz weiterhin rückläufig, doch auch hier bleibt die TB eine wichtige Erkrankung. Die pulmonale Tuberkulose ist die häufigste klinische Manifestation, jedoch liegt oft gleichzeitig ein extrapulmonaler Befall, bzw. seltener eine isoliert extrapulmonale Manifestation (EPTB) vor. Am häufigsten sind hierbei die Lymphknoten und die Pleura betroffen, es kann aber grundsätzlich jedes Organ befallen sein. Zur Diagnosestellung werden heute in erster Linie Nukleinsäureamplifikationstests (NAAT) aus Sputum oder Gewebe empfohlen. Die Kultur bleibt wichtig angesichts der zunehmend beobachteten Resistenzen. Die seit über vier Jahrzehnten etablierte Rifampicin-basierte antibiotische Therapie über sechs Monate erzielt hohe Heilungsraten. Bei inkorrekter Verschreibung, schlechter Medikamenten­adhärenz oder in gewissen Settings auch schlechter Medikamenten-Qualität kann es jedoch zu Therapieversagen und Resistenzbildung kommen. In diesen Fällen ist eine prolongierte Therapie mit teilweise schlechter verträglichen Reservemedikamenten notwendig. Eine sehr positive Entwicklung ist, dass sich in den vergangenen Jahren sowohl für die pansensible wie auch für die resistente Tuberkulose kürzere Therapieschemata mit neuen Substanzen als gleichwertig gezeigt haben.

Tuberculosis (TB) remains the leading cause of death among infections caused by a pathogen. Worldwide, 1.6 million people died from TB in 2021. In Switzerland, the incidence continues to decline, but tuberculosis remains an important disease here as well. Pulmonary tuberculosis is the most frequent clinical manifestation, however there is often a simultaneous extrapulmonary involvement, or less frequently an isolated extrapulmonary manifestation (EPTB). The lymph nodes and the pleura are most frequently affected, but in principle any organ can be affected.
Today, nucleic acid amplification tests (NAAT) from sputum or tissue are primarily recommended for diagnosis. Culture remains important in view of the increasingly observed resistance. Rifampicin-based antibiotic therapy over six months, which has been established for more than four decades, achieves high cure rates. However, in the case of incorrect prescription, poor drug adherence or, in certain settings, poor drug quality, treatment failure and the development of resistance can occur. In these cases, prolonged therapy with sometimes poorly tolerated reserve drugs is necessary. A very positive development is that in recent years’ shorter therapy regimens with new substances have been shown to be equivalent for both pan-sensitive and resistant tuberculosis.

Key Words: pulmonale Tuberkulose, extrapulmonale Tuberkulose

Epidemiologie

Die Tuberkulose bleibt eine der wichtigsten Mortalitätsursachen weltweit. 2021 starben 1.6 Millionen Personen an TB, ca. 10.6 Millionen erkrankten daran. Es wird geschätzt, dass ein Viertel der Weltbevölkerung mit TB-Bakterien infiziert ist, wovon letztendlich 5-10% Symptome entwickeln und manifest an einer TB erkranken (1). In der Schweiz ist das Auftreten von TB rückläufig mit zuletzt 360 Fällen im Jahr 2022. Davon sind 41.3% pulmonal, 50.5% pulmonal und extrapulmonal, 3.6% extrapulmonal und 4.6% mit unbekannter Lokalisation (2).

Die Lunge ist das am häufigsten betroffene Organ (pulmonale TB; PTB), wobei gleichzeitig ein pulmonaler und extrapulmonaler Befall vorliegen kann, oder auch seltener eine extrapulmonale TB (EPTB) ohne Lungenmanifestationen. Zu den Risikofaktoren, an einer TB zu erkranken, gehören unter anderem HIV, Malnutrition, Diabetes, Rauchen, Alkoholabusus, Alter (Kleinkinder und ältere Menschen), Kortikosteroide oder andere Immunsuppressiva (z.B. TNF-alpha-Blocker), Armut und Obdachlosigkeit (3). Weibliches Geschlecht, terminale Niereninsuffizienz, Nichtrauchen und kein Diabetes waren in einer Studie unabhängige Risikofaktoren zur Entwicklung einer EPTB im Vergleich mit einer PTB (4).

Eine grosse Herausforderung sind primäre oder erworbene Resi­s­tenzen auf einzelne oder mehrere Substanzen des Therapieregimes. Eine genaue Schätzung der Prävalenz gestaltet sich schwierig, da insbesondere in den mehrheitlich davon betroffenen, ärmeren Ländern eine Sputum-Kultur und Sensibilitätstestung nicht routinemässig durchgeführt werden kann. In der Schweiz wurden 2021 19 Personen mit einer Resistenz auf mindestens ein Medikament dokumentiert, was einem Anstieg von 5% zum Vorjahr entspricht (5).

Klinik

Nach primärem Befall der Lunge, welcher auch asymptomatisch verlaufen kann, können die Tuberkulosebakterien lymphogen oder hämatogen nahezu jedes Organ oder Kompartiment befallen. Bei der Miliartuberkulose kommt es zur disseminierten Streuung, welche insgesamt eher selten auftritt und gehäuft ist bei HIV-positiven und schwer immunsupprimierten Patienten (6). Die meisten Patienten präsentieren sich nebst der fokalen Klinik mit einem oder mehreren Zeichen der «B-Symptomatik» (Fieber, Nachtschweiss, Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit > 2 Wochen).
Die häufigste extrapulmonale Manifestation ist die Lymph­knoten-TB, die sich durch schmerzlose Schwellung insbesondere der zervikalen und supraklavikulären Lymphknoten bemerkbar macht (7). Initial sind die Lymphknoten meist einzeln palpabel, im Verlauf kommt es zum Konglomerat, u.U. auch mit Fistelgängen, aus denen sich eitriges Sekret entleert.

Ein pleuraler Befall wird in ca. 20-40% der extrapulmonalen Fälle beobachtet (8, 9). Die Klinik kann von asymptomatisch bei sehr geringem Erguss bis zu pleuritischen Atembeschwerden, Dyspnoe und Fieber bei ausgeprägtem Befall reichen. Eine Komplikation ist das tuberkulöse Empyem. Hierbei kann es zur bronchopleuralen Fistelung kommen.

Die urogenitale TB gehört ebenfalls zu den häufigeren extrapulmonalen Manifestationen (3-6%) (8, 9). Die Beschwerden ähneln denen einer bakteriellen Zystitis oder Pyelonephritis, es sind aber auch asymptomatische Verläufe möglich. Eine genitale Mitbeteiligung ist bei Frauen häufiger als bei Männern. Es sind vor allem die Salpingen sowie das Endometrium betroffen – bei Männern kann es zu Nebenhodenbefall kommen.

Eine gefürchtete Komplikation ist die ZNS-Beteiligung (ca. 5%) (8, 9), welche sich als tuberkulöse – oftmals basale – Meningitis manifestieren kann. Die Klinik kann analog einer Meningitis anderer Ätiologie von Kopfschmerzen bis hin zur Lethargie reichen, der Verlauf ist allerdings eher subakut. Als initiale Manifestation können auch lediglich Persönlichkeitsveränderungen oder psychiatrische Symptome auftreten. Aufgrund des typischerweise ausgeprägten Befalls der Hirnstammregion kann es zu Hirnnervenausfällen kommen. Intrazerebrale Raumforderungen (Tuberkulome) treten seltener auf und können mit Krampfanfällen einhergehen.

Weitere typische Lokalisationen sind der Gastrointestinaltrakt, osteo-artikuläre Strukturen und das Perikard, seltener treten auch kutane Manifestationen auf (7, 10).

In einer Analyse der Tuberkulosefälle in der Schweiz sowie Liechtenstein im Zeitraum von 2009 bis 2019 waren die extrathorakalen (16.7%) bzw. intrathorakalen Lymphknoten (14.2%) sowie die Pleura (9.1%) die am häufigsten befallenen extrapulmonalen Strukturen (11).

Diagnostik

Eine rasche und akkurate Diagnostik ist essentiell um die Therapie möglichst früh und resistenzgerecht zu beginnen. Bei klinischem Verdacht sind heutzutage initial Nukleinsäuren-Amplifikationstests (NAAT) wie beispielsweise der Xpert MTB/RIF-Assay Standard. Damit können innerhalb weniger Stunden Mykobakterien wie auch eine allfällige Rifampicinresistenz nachgewiesen werden bei Keimmengen von bis 102-103. Diese Tests werden laufend verbessert – für den neueren Xpert MTB/RIF Ultra konnte eine deutlich verbesserte Sensitivität, insbesondere bei der Mikroskopie-negativen TB sowie HIV-positiven Patienten, gezeigt werden, zu Ungunsten einer leicht verminderten Spezifität (12). Die NAAT sind sowohl zur Diagnose der pulmonalen, wie auch EPTB indiziert und können in Lymphknotenbiopsien, pleuralen, perikardialen, peritonealen oder synovialen Aspiraten sowie im Urin angewendet werden (13). Eine Unterscheidung zwischen lebenden oder toten Bakterien ist mit NAAT nicht möglich, weshalb sie sich nicht für die Beurteilung des Therapieansprechens eignen.

Der traditionelle mikroskopische Nachweis von säurefesten Stäbchen mit Ziel-Neelsen-Färbung oder Auramin-Rhodamin-Färbung mit anschliessender Fluoreszenzmikroskopie aus dem Sputum braucht eine Keimmenge von 104-106/ml zum Nachweisen. Sie bleibt in vielen Ländern als Triage im Einsatz und behält auch einen wichtigen Stellenwert in der Diagnose von nicht-tuberkulösen Mykobakterien (7). Die mikroskopische Beurteilung behält zudem insbesondere zur Verlaufsbeurteilung für das Therapieansprechen einen hohen Stellenwert (14).

Für die Durchführung von phänotypischen Resistenztests sind mykobakterielle Kulturen notwendig. Diese können sowohl in flüssigen (u. a. Mycobacterial Growth Indicator Tube) oder festen Medien (z.B. Löwenstein-Jensen-Agar oder Middlebrook-7H10-Agar) angelegt werden.
Eine Voraussetzung, um das WHO-Ziel «End TB» – die Reduktion neuer TB Fälle um 80% bis 2030 – zu erreichen, ist eine frühe Diagnose der TB-Erkrankten in hochendemischen und oftmals ressourcen­ärmeren Regionen. Hier sind nicht-sputum basierte Tests von grossem Wert, die keiner invasiven Diagnostik bedürfen und damit einfach anwendbar sind. Dabei ist beispielsweise der Nachweis von Lipoarabinomannan (LAM)-Antigen im Urin mittels Lateral Flow Assay als Point-of-care Test eine wertvolle diagnostische Ergänzung. Lipoarabinomannan ist eine Glykolipid-Komponente in der mykobakteriellen Zellwand und wird bei aktiver Infektion sezerniert. Der Test besitzt eine tiefere Detektionsrate als NAAT, kann aber insbesondere bei HIV-positiven Patienten mit tiefer CD4+-Zellzahl, zusammen mit Sputum-Mikroskopie die Test-Sensitivität deutlich erhöhen (15).

Der TB-LAMP (Loop mediated isothermal amplification) Test ist eine weitere diagnostische Option, welcher weniger als eine Stunde zur Durchführung braucht und in peripheren Laboratorien mit eingeschränkten Möglichkeiten die Sputum-Mikroskopie bei Personen mit einer TB-typischen Klinik ergänzen oder ersetzen könnte (13).

In Pleura- und Perikarderguss oder im Aszites kann bei V. a. TB die Bestimmung der Adenosin Desaminase (ADA) hilfreich sein. ADA ist ein Enzym, welches von Lymphozyten produziert wird und im Purinmetabolismus eine wichtige Rolle spielt. Der gemessene Wert kann je nach Höhe, zusammen mit der Vortestwahrscheinlichkeit, suggestiv für eine Pleuritis tuberculosa sein bzw. zu deren Ausschluss beitragen (16).

Eine Übersicht der Sensitivität/Spezifität der verschiedenen Untersuchungen findet sich in Tabelle 1 (12, 15–18).

Therapie

Die Therapie der pulmonalen sowie der meisten EPTB besteht seit vielen Jahren aus einer 4er-Kombination (Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid, Ethambutol), bzw. 3er-Kombination bei nachgewiesenem, pansensiblem Erreger für die Initialphase in den ersten zwei Monaten, und im Anschluss eine 4-monatige 2er-Kombination (Rifampicin, Isoniazid) bei nachgewiesener Medikamentenempfindlichkeit (Tab. 2). Bei der kavernösen pulmonalen TB wird die Therapiedauer auf 9 Monate verlängert, sollte die Sputum Kultur nach 8-Wochen Therapie weiterhin Wachstum von M. tuberculosis zeigen.

Die Dauer von 6 Monaten ist möglicherweise für viele der Betroffenen mit unkompliziertem Verlauf nicht notwendig, so dass auch kürzere Schemata untersucht wurden. In einer kürzlich publizierten Studie konnte für Patienten mit einer Rifampicin-sensiblen TB und gutem klinischen Ansprechen eine Nicht-Unterlegenheit eines alternativen Schemas mit Linezolid, Bedaquilin, Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol für 8 Wochen gezeigt werden (19). Dies ist allerdings so noch nicht in den Richtlinien aufgenommen.

Die Therapie der EPTB ist analog derjenigen für eine pulmonale TB. Ausnahmen bildet die miliare und die ZNS-Tuberkulose, die für mindestens 12 Monate behandelt werden. Bei der ZNS-TB wird initial zusätzlich Dexamethason verabreicht. Die Therapiedauer einer TB mit ausgeprägtem ossären bzw. artikulären Befall wird ebenfalls auf 9-12 Monate verlängert.

Therapie der resistenten Tuberkulose

Der Global Tuberculosis Report 2021 der WHO schätzte, dass ca. 3% der Neuinfektionen sowie 18% der TB-Rezidiv-Infektionen durch Rifampicin-Monoresistente TB (RR-TB) oder eine multiresistente TB (MDR-TB) verursacht wurden (20). Bei nachgewiesener Medikamentenresistenz hängt die Kombination und Dauer der Therapie von der zugrundeliegenden Resistenz ab. Bis vor kurzem waren lange, komplexe und nebenwirkungsreiche Therapie-Schemata bis 2 Jahre Standard, wobei auch hier erfreulicherweise dank Entwicklung neuer antimykobakterieller Substanzen die Tendenz Richtung kürzere Schemata geht. Die Definitionen der verschiedenen Resistenzen sind in Tabelle 3 aufgelistet.

Nachdem Studien den Nutzen neuer Tuberkulostatika demonstrieren konnten, hat die WHO 2022 bei MDR- oder RR-Resistenz eine 6-monatige Therapie mit Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid und Moxifloxacin (BPaLM) in die Richtlinien aufgenommen. Dies kann bei allen TB-Formen ausser bei einer ZNS-, Knochen- oder Gelenksbeteilung oder Miliartuberkulose eingesetzt werden (21–23). Auch neu ist ein weiteres, rein orales Regime mit gleicher Indikationsstellung bestehend aus Bedaquilin, Levo- oder Moxifloxacin, Clofazimin, Ethionamid, Ethambutol, Isoniazid und Pyrazinamid. Wenn es darunter nach 4 Monaten zur Sputumkonversion kommt, wird auf eine 5er- bzw. 4er-Kombination für weitere 5 Monate gewechselt (insgesamt 9 Monate). Wenn das Sputum positiv bleibt, wird die 7-fache Therapie für weitere zwei Monate fortgeführt und im Anschluss auf eine 4er-Kombination reduziert (insgesamt 11 Monate).

Bei Personen mit extensivem pulmonalen (bipulmonalen Kavernen, Parenchymdestruktion) bzw. extrapulmonalen Befall (ZNS, osteoartikulär, Miliartuberkulose) und/oder XDR-TB bleibt eine individualisierte, bis 18-monatige Therapie mit mindestens vier aktiven Medikamenten, welche mit Zweitlinienmedikamenten ergänzt werden, empfohlen. Diese werden in Gruppen A, B oder C eingeteilt, wobei die Erstlinientherapie primär mit Substanzen aus der Gruppe A («highly recommended») oder B («conditionally recommended») ergänzt werden sollten (Tab. 4). Bei isolierter Isoniazid-Resistenz ist eine 6-monatige Kombination aus Rifampicin, Ethambutol, Pyrazinamid und Levofloxacin empfohlen (24).

Die Tuberkulose bleibt somit eine relevante Erkrankung, welche sich klinisch sehr breit manifestieren kann und in den differentialdiagnostischen Überlegungen, sowohl im Spital wie in der Praxis, insbesondere bei vorhandenen Risikofaktoren, miteinbezogen werden sollte. Die Therapie bleibt langwierig, im Falle von Resistenzen komplex und bedarf oft interdisziplinärer Teams, bestehend aus Infektiologie, Pneumologie und Innerer Medizin, im stationären sowie ambulanten Setting, aber nicht selten auch Einbezug von Sozialdiensten und Apotheken und bei MigrantInnen entsprechenden Institutionen und Behörden, um eine gute Versorgung und lückenlose Behandlung zu gewährleisten.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Benedikt Altermatt

Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

Prof. Dr. med. Maja Weisser Rohacek

Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

Die AutorInnen haben keine Interessenkonflikte im
Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Tuberkulose bleibt eine wichtige Differentialdiagnose bei prolongierten pulmonalen Beschwerden und B-Symptomatik bei entsprechender epidemiologischer Exposition.
◆ Extrapulmonale Manifestationen manifestieren sich am häufigsten pleural und als Lymphadenopathie, sind aber an fast allen Lokalisationen möglich und sollten bei entsprechendem Verdacht in die
Diagnostik einbezogen werden.
◆ Eine rasche und akkurate Diagnostik inklusive Resistenzprüfung sind elementar für eine frühe und resistenzgerechte Therapieeinleitung.
◆ Die Therapie besteht weiterhin aus einer antibiotischen Kombinationstherapie in der Regel über sechs Monate. In den vergangenen Jahren konnte die 18-monatige Therapiedauer bei resistenten Erregern dank wirksameren neuen Substanzen und besser verträglichen Schemata für die meisten Patienten verkürzt werden.
◆ Um den Therapieerfolg zu gewährleisten ist eine interdisziplinäre Betreuung sowohl im stationären Rahmen wie auch in der ambulanten Weiterbehandlung in der Hausarztpraxis essentiell.

1. World Health Organization. Tuberculosis. WHO Web page. Published April 21, 2023. Accessed May 27, 2023. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/tuberculosis
2. Bundesamt für Gesundheit. BAG-Bulletin 43/2022 (Deutsch). www.bag.admin.ch
3. Robert Koch Institut. Startseite Infektionsschutz RKI-Ratgeber Tuberkulose. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Tuberkulose.html
4. Lin JN, Lai † C H, Chen YH, et al. Risk Factors for Extra-Pulmonary Tuberculosis Compared to Pulmonary Tuberculosis. Vol 13.; 2009.
5. StopTBPartnership. Tuberculosis Dashboard. Accessed July 22, 2023. https://dashboards.stoptb.org/country-profile.html
6. Surendra Kumar Sharma AMASDKM. Miliary tuberculosis: new insights into an old disease. Lancet Infet Dis. 2005;5:415-430. doi:doi: 10.1016/S1473-3099(05)70163-8.
7. Jameson JL 1952, Fauci AS 1940, Kasper DL. Harrisons Innere Medizin Register.
8. Peto HM, Pratt RH, Harrington TA, LoBue PA, Armstrong LR. Epidemiology of extrapulmonary tuberculosis in the United States, 1993-2006. Clinical Infectious Diseases. 2009;49(9):1350-1357. doi:10.1086/605559
9. Gomes T, Reis-Santos B, Bertolde A, Johnson JL, Riley LW, Maciel EL. Epidemiology of Extrapulmonary Tuberculosis in Brazil: A Hierarchical Model.; 2014. http://www.biomedcentral.com/1471-2334/14/9
10. Nardell EA. Extrapulmonary Tuberculosis (TB). https://www.msdmanuals.com/professional/infectious-diseases/mycobacteria/extrapulmonary-tuberculosis-tb
11. Altpeter Ekkehardt S, Schmidt Axel J. Surveillance of tuberculosis in switzerland and the principality of liechtenstein, 2009 to 2019. Swiss Med Wkly. 2021;151(35). doi:10.4414/SMW.2021.w30032
12. Zifodya JS, Kreniske JS, Schiller I, et al. Xpert Ultra versus Xpert MTB/RIF for pulmonary tuberculosis and rifampicin resistance in adults with presumptive pulmonary tuberculosis. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2021;2021(2). doi:10.1002/14651858.CD009593.pub5
13. World Health Organization. Module 3: Diagnosis WHO Consolidated Guidelines on Tuberculosis Rapid Diagnostics for Tuberculosis Detection. Accessed May 30, 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240029415
14. Schoch OD, Barben J, Berger C, et al. Tuberkulose in Der Schweiz – Leitfaden Für Fachpersonen Des Gesundheitswesen. www.lungenliga.ch
15. Shah M, Hanrahan C, Wang ZY, et al. Lateral flow urine lipoarabinomannan assay for detecting active tuberculosis in HIV-positive adults. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2016;2016(5). doi:10.1002/14651858.CD011420.pub2
16. Aggarwal AN, Agarwal R, Sehgal IS, Dhooria S. Adenosine deaminase for diagnosis of tuberculous pleural effusion: A systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2019;14(3). doi:10.1371/journal.pone.0213728
17. Shete PB, Farr K, Strnad L, Gray CM, Cattamanchi A. Diagnostic accuracy of TB-LAMP for pulmonary tuberculosis: a systematic review and meta-analysis. BMC Infect Dis. 2019;19(1). doi:10.1186/s12879-019-3881-y
18. Kohli M, Schiller I, Dendukuri N, et al. Xpert MTB/RIF Ultra and Xpert MTB/RIF assays for extrapulmonary tuberculosis and rifampicin resistance in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2021;2021(1). doi:10.1002/14651858.CD012768.pub3
19. Paton NI, Cousins C, Suresh C, et al. Treatment Strategy for Rifampin-Susceptible Tuberculosis. New England Journal of Medicine. 2023;388(10):873-887. doi:10.1056/nejmoa2212537
20. World Health Organization. GLOBAL TUBERCULOSIS REPORT 2021.; 2021. Accessed June 2, 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240037021
21. World Health Organization. WHO Consolidated Guidelines on Tuberculosis Module 4: Treatment Drug-Susceptible Tuberculosis Treatment. Accessed June 2, 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240048126
22. World Health Organization. WHO Operational Handbook on Tuberculosis Module 4: Treatment Drug-Susceptible Tuberculosis Treatment. Accessed June 2, 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240050761
23. World Health Organization. Meeting Report of the WHO Expert Consultation on the Definition of Extensively Drug-Resistant Tuberculosis, Meeting Report of the WHO Expert Consultation on the Definition of Extensively Drug-Resistant Tuberculosis. Accessed June 2, 2023. https://www.who.int/publications/i/item/9789240018662
24. World Health Organization. WHO Consolidated Guidelines on Drug-Resistant Tuberculosis Treatment. Accessed June 2, 2023. https://apps.who.int/iris/handle/10665/311389

KHM Kongress 2023

Alt und herzinsuffizient – wie findet man die optimale Behandlung?

Die Lebenserwartung in der Schweiz ist hoch. Im Jahre 2018 betrug sie bei Geburt für Männer 81,7 Jahre, für Frauen 85,4 Jahre.

Die Anzahl von Patienten mit Herzinsuffizienz steigt ab 65 Jahren bei beiden Geschlechtern stark an. Sie ist bei Frauen mit einem Mittelwert von fast 3500 über die letzten 5 Jahre höher als bei Männern, mit fast 2500 Fällen pro Jahr, berichteten Frau Dr. med. Renate Albrecht, Zürich und Dr. med. Stefan Christen, Zürich.
Die moderne Herzinfarkttherapie ist eine Erfolgsgeschichte. Das kardiovaskuläre und das pulmonale System verändern sich indessen mit dem Alter. Herzinsuffizienz und Multimorbidität sind häufig und treten in Clustern auf. Bei Patienten, die mit Herzinsuffizienz hospitalisiert werden, haben solche aus dem gesamten EF-Spektrum ein ähnlich schlechtes 5-Jahres-Überleben mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Herzinsuffizienz-Hospitalisierung. Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer Verbesserung der Behandlung.

Die klassischen Symptome und klinischen Zeichen im Alter sind Dyspnoe, schnelle Ermüdbarkeit und Ödeme. Unspezifische Symptome sind Schwäche, Müdigkeit, Kachexie, Verwirrtheit und Gebrechlichkeit.

Gemäss den ESC-Guidelines von 2021 sollen vier prognostisch und symptomatisch wirksame Medikamente (ACE-Hemmer, Beta-Blocker, MRA, Dapagliflozin,/Empagliflozin, Loop Diuretika (Klasse Ia)) möglichst früh kombiniert in tiefen Dosierungen eingesetzt werden. Aufdosierung im Verlauf je nach Klinik (Cave: Alter, Gebrechlichkeit), Schleifendiuretika nur zur Volumenkontrolle. Die Polypharmazie stellt ein wichtiges Problem dar. Beim Absetzen berichteten in einer Studie 88% über besseres Allgemeinbefinden und 2/3 über eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit (Garfinkel D et al. Isr Med Assoc. 2007:9:430). Das Vorgehen geht nach dem Prinzip «Less is more» als oberstes Credo beim Teaching auf der täglichen Visite: 1. Vollständige Medikamentenliste, 2. Kein Medikament ohne Diagnose, 3. Was ist symptomatisch, was ist prognostisch? 4. Welche Medikamente stellen wir in Frage? 5. Dialog zwischen Patient, Angehörige, Hausarzt. 6. Absetzen. Die Referenten stellen ihre persönliche Favoritenliste vor: PPI, Statine, Allopurinol, Betablocker, Antihypertensiva, Nitrate, Aspirin, insbesondere Kombinationen mit OAK, Amiodarone, Antidementiva, Vitaminpräparate und andere Nahrungsergänzungsmittel, Insulin, NSAR, Benzodiazepin, Stark anticholinergische Substanzen (Anti-Parkinson, Spasmo-Urogenin), Sulfonylharnstoffe.

Niere und Herzinsuffizienz – das Duo infernale

Ein weiteres Thema war der Zusammenhang zwischen Niere und Herzinsuffizienz. Eine Verschlechterung der Nierenfunktion ist häufig, wofür es zahlreiche Gründe gibt: Venöser Nierenstau, arterielle Minderperfusion, Volumenmangel/zu viel Diuretika, zu starke Vasodilatation, Medikamente (+30% Kreatinin unter ACE-Hemmer normal), Infekte, interstitielle Nephritis. Wenn die Verschlechterung nur vorübergehend ist, besteht kein relevanter Einfluss auf die Prognose.

Diagnose des Volumenstatus: Anamnese/Klinik (Zunahme der Anstrengungsdyspnoe, Orthopnoe, Gewichtsverlauf, Blutdruck und Puls in Selbstmessung durch Patienten, klinische Zeichen der Hypovolämie: Oedeme peripher, Halsvenenstauung, Rasselgeräusche und/oder Dämpfung pulmonal (Pleuraergüsse). Technische Untersuchungen: EKG, Labor, insbesondere Kreatinin, Elektrolyte und proBNP, insbesondere Verlauf), Thoraxbild (nur stehend von Nutzen), Bedside-Sonographie der Pleuraergüsse und der Cava inferior.

Behandlung der Hypervolämie (Vorschlag der Guidelines geht nur stationär). Ambulant: Verdoppelung orale Dosis Torasemid, Gewicht, BD/P durch Patient monitorisieren lassen, Kontrolle nach 2-3 Tagen inkl. Kreatinin, Elektrolyte, falls kein Effekt einmal Verdoppelung der oralen Dosis Torasemid oder falls Torasemid 100mg bereits erreicht, zusätzlich Metolazon 2,5mg 20-30 min vor Torasemid p.o., Verlaufskontrolle in 2-3 Tagen, dabei enge Zusammen­arbeit mit Kardiologen in der Praxis oder am Spital suchen.

Hypotonie – wie damit umgehen? To do bei BD <90mmHg und/oder symptomatischer Hypotonie klinisch oder Kreatinin-Anstieg): 1. Überprüfen von allen Medikamenten, 2. Überprüfen des Volumenstatus (klinisch, BNP, Kreatinin, allenfalls Sonographie),

3. Reduktion und/oder bessere Verteilung der Herzinsuffizienzmedikamente, 4. Engmaschisches Monitoring (klinisch, Labor).

Patientenprofile und massgeschneiderte Herzinsuffizienztherapie: «Tailored to patient concept». Der ideale Patient hat eine Herzfrequenz von 60-70/min, eine normale Nierenfunktion und keine Hyperkaliämie, Blutdruck >90/60mmHg, kein Vorhofflimmern und all dies unter der Maximaldosis der Fantastic 4 (SGLT2-Hemmer, Beta-Blocker, ACB/ARB/ARNI, MRA, Diuretika).

End Stage Herzinsuffizienz – Palliation

Bei der Herzinsuffizienz ist die langsame Dynamik, und dass das Endstadium schwierig zu finden ist, besonders. Symptomatische Therapien, Medikamente: Diuretika, Opiate, Benzodiazepine, O2, anti-ischämisches Medikament, aber auch Beta-Blocker, SGLT2-Hemmer, ACE-Hemmer. Spironolacton, ARNI, und viele mehr.

Symptomatische Therapie invasiv: TAVI und Mitra-Clip, Pacemaker, CRT-P (Resynchronisation), Revaskularisation.
Ein spezieller Fokus ist auf folgendes zu legen: Patientenverfügung früh machen lassen, immer wieder IPS ja/nein, Rea-Status, Diskussion über invasive Möglichkeiten (CRT-P, Mitra-Clip, TAVI, Revaskularisation, Symptomkontrolle Fokus Dyspnoe, Angst, Leistungsfähigkeit, Vermeidung von Hospitalisationen, Abschalten ICD/PM? Palliativ-Spitex, Behandlungs-/Notfallplan.)

Die Referenten schlossen mit den folgenden Gegensätzen (in Analogie zum Hauptthema der Tagung)

Diagnose und Behandlung von Eisenmangel bei Patienten mit Herzinsuffizienz: Was der behandelnde Arzt wissen sollte

Am KHM Kongress 2023 sprach Prof. Dr. med. Roger Hullin, CHUV Lausanne, zum Thema Eisenmangel, einer häufigen und relevanten Komorbidität bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Die Definitionen des Eisenmangels in der Herzinsuffizienz sind die Folgenden:

Anämie
Mann: <130gHämoglobin/l
Frau: <120g Hämogobin/l
Eisenmangel
Absoluter Eisenmangel Ferritin < µ100g/l
Funktioneller Eisenmagel
Ferritin 100-299µg/l + Transferrinsättigung <20%

Die Prävalenz des Eisenmangels bei Herzinsuffizienz betrage in der Schweiz und Deutschland 54%, so der Referent. Eisenmangel (Ferritin <100): kommt bei 33% der Patienten mit Herzinsuffizienz vor, Eisenmangel (Ferritin 100-300 + Transferrinsättigung <20%) bei 21% und kein Eisenmangel bei 45%.

Der natürliche Verlauf von Eisenmangel und Anämie bei ambulanten chronischen Herzinsuffizienz-Patienten zeigte zu Beginn der Studie bei 10% eine Anämie ohne ID, bei 23% einen Eisenmangel ohne Anämie, 20% hatten beides und 47% hatten keines von beidem. Die Prozentsätze änderten sich im Laufe eines Jahres kaum, aber bei 30% der Patienten trat ein neuer Eisenmange auf, bei 16% eine neue Anämie, während sich der Eisenmangel bei 44% und die Anämie bei 23% auflöste. Im Vergleich zu denjenigen, die eisenreich blieben (Eisen >13 µmol/L), war die Sterblichkeit bei denjenigen mit persistierendem oder neu auftretendem Eisenmangel nach einem Jahr höher [Hazard Ratio (HR) 1,81 (1,23-2,67) bzw. HR 1,40 (0,91-2,14)] in multivariablen Modellen (P = 0,02). Im Vergleich zum persistierenden Eisenmangel war die Auflösung des Eisenmangels mit einer geringeren Mortalität verbunden [HR 0,61 (0,44-0,86); P = 0,004]. Veränderungen des nach FAIR-HF-Kriterien definierten Eisenmangels waren nicht in gleicher Weise mit der Sterblichkeit verbunden. Eine Anämie war mit einem schlechten Ergebnis assoziiert, selbst wenn sie sich auflöste.

Die Behandlung einer Anämie mit Darbepoetin alfa verbesserte die klinischen Ergebnisse bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion nicht, wie die RED-HF-Studie zeigte. Eisenmangel ist ein unabhängiger Prädiktor für Belastungsintoleranz bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz. Eisenmangel in Kardiomyozyten beeinträchtigt die mitochondriale Atmung und die Anpassung an eine akute und chronische Zunahme der Arbeitsbelastung. Eine Eisensupplementierung stellt die Energiereserven und die Funktion des Herzens in eisenarmen Herzen wieder her.

Eisenmangel-Behandlung: oral oder intravenös?

In der Herzinsuffizienz ist die Eisenresorption durch ein Ödem der gastrointestinalen Mukosa beeinträchtig. Zudem ist in der Herzinsuffizienz die intestinale Eisenaufnahme durch eine 30-40% Verminderung des Blutflusses in der gastrointestinalen Mukosa beeinträchtigt. Die Eisenresorption kann ebenfalls durch gleichzeitige Einnahme von Medikamenten wie zum Beispiel H2-Blocker oder durch eine diabetische Gastroparese verschlechtert werden. In der Studie IRONOUT (Lewis et al. Circ Heart Fail 2016;9:300 ergab die orale Substitution nach 16 Wochen eine leichte Zunahme des Ferritins von 11ng/ml und der Transferrinsättigung von 3%, während in der FAIR-HF Stuide (Anker et al NEJM 2009;36:2436-4) eine Zunamhe des Ferritins mit intravenöser Substitution von 238ng/ml und eine Zunahme der Transferrinsättigung von +12% registriert wurde.

Welche Behandlung des Eisenmangels und wie? In der EFFECT-HF Studie (van Veldhuisen et al. Circulation 2017;139:1374-1383) ergab sich nach 24 Wochen Behandlung eine Differenz zwischen Behandlung mit Eisencarboxymaltose zur Standard of Care von Ferritin um +188,7ng/ml, der Transferrinsättigung von +4,7% und des Hämoglobins um + 0,74g/l. Klinisch äusserte sich die orale Behandlung in der IRONOUT-Studie in einer nicht signifikanten Zunahme des VO2 Peaks um 0,30 ml/kg/min (p=0.30). Die intravenöse Eisensubstitution ergab in EFFECT-HF eine signifikante Zunahme des VO2-Peaks. Die Studien-Autoren bewerteten die IRONOUT-Studie wie folgt «Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass orale Eisensubstitution bei Herzinsuffizienz-Patienten mit reduzierte Pumpfunktion ohne Wirkung ist». EFFECT-HF: Intravenöse Eisensubstitution mit Eisencarboymaltose verbessert die maximale VO2 um 7.5% (1.o4ml O2/min/kg). Dies kann die Morbidität und Mortalitat verringern, da 6% Zunahme des peak VO2 mit einer 5% verringerten Inzidenz für Gesamtmortalität und Hospitalisierung einhergeht.

Guidelines ESC 2021: Eisenmangel

Es wird empfohlen, dass alle Patienten mit Herzinsuffizienz periodisch auf Anämie und Eisenmangel mit einem vollständigen Blutbild, Serumferritin-Konzentration und Transferrinsättigung gescreent werden (I/C).

Die intravenöse Eisensubstitution mit Eisencarboxymalfose sollte für symptomatische Patienten mit LVEF <45% und Eisenmangel, definiert als Serumferritin <100ng/ml oder Serumferritin 100-299 ng/ml mit Transferrinsättigung <20% in Betracht gezogen werden zur Linderung der Herzinsuffizienz-Symptome, Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität (IIa/A).

Bei Patienten mit Eisenmangel und einer linksventrikulären Auswurffraktion von weniger als 50 %, die nach einer akuten Herzinsuffizienz stabilisiert wurden, war die Behandlung mit Eisen(III)-carboxymaltose sicher und verringerte das Risiko von Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz, ohne erkennbare Auswirkungen auf das Risiko eines kardiovaskulären Todes.

Studien mit intravenöser Behandlung mit Eisencarboxymaltose

Die Resultate der AFFIRM-HF Studie ergab, dass bei Patienten mit Eisenmangel und einer linksventrikulären Auswurffraktion von weniger als 50 %, die nach einer akuten Herzinsuffizienz stabilisiert wurden, die Behandlung mit Eisen(III)-Carboxymaltose sicher war und das Risiko von Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz verringerte, ohne erkennbare Auswirkungen auf das Risiko eines kardiovaskulären Todes. (Ponikowski et al Lancet 2020; 396: 1895-1904).

Eine weitere Studie, die den Nutzen einer Eisensubstitution bei Herzisuffizienz zeigte, ist die IRONMAN-Studie mit intravenöser Gabe von Eisenderisomaltose. Diese Studie zeigte, dass bei einem breiten Spektrum von Patienten mit Herzinsuffizienz, verminderter linksventrikulärer Ejektionsfraktion und Eisenmangel die intravenöse Verbareichung von Eisen(III)-Derisomaltose mit einem geringeren Risiko von Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskulärem Tod verbunden, was den Nutzen der Eisenergänzung in dieser Bevölkerungsgruppe weiter untermauert.

In einer diesjährigen Metaanalyse von zwölf randomisierten und kontrollierte Studien wurden 2381 Patienten einbezogen (Sindone et al ESC Geart Failure 2023;10:44-56). Die Mehrheit (90,8 %) der Patienten, die eine IV-Eisenkohlenhydrattherapie erhielten, bekamen Eisencarboxymaltose (FCM) verabreicht; 7,5 % erhielten Eisensaccharose und 1,6 % Eisenisomaltosid. Eine IV-Eisenkohlenhydrattherapie reduzierte signifikant die Hospitalisierung wegen einer Verschlechterung der HF [0,53 (0,42-0,65); P < 0,0001] und die erste Hospitalisierung wegen einer Verschlechterung der HF oder Tod [0,75 (0,59-0,95); P = 0,016], ie Therapie hatte aber keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtmortalität im Vergleich zur Kontrollgruppe. Eine intravenöse Eisen-Kohlenhydrat-Therapie verbesserte die funktionelle und körperliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Ergebnissen der IV-Eisenkohlenhydratformulierungen, wenn ähnliche Endpunkte gemessen wurden. Es wurde kein signifikanter Unterschied bei den unerwünschten Ereignissen zwischen den Behandlungsgruppen festgestellt. Die IV-Eisenkohlenhydrat-Therapie führte zu Verbesserungen bei einer Reihe klinischer Ergebnisse und zu einer Steigerung der funktionellen und körperlichen Leistungsfähigkeit, während sich die unerwünschten Ereignisse zwischen den IV-Eisenkohlenhydrat- und Placebo-/Standardbehandlungsgruppen nicht signifikant unterschieden.

Abschliessend zeigte der Referent einen Behandlungsalgorithmus für Eisenmangel (Gstrein C et al. Swiss Med Wkly 2017;147:w14453), sowie die Anzahl der intravenöser Eisensubstitutionen, die erforderlich sind bei 711 Patienten aus der gleichen Studie , nämlich 168 (23.6%) eine Substitution, 50 (7.0%) zwei Substitutionen und 15 (2,%) drei oder mehr Substitutionen.

Fazit

Patienten mit Herzinsuffizienz sollen regelmässig auf einen Eisenmangel und eine Anämie gescreent werden.

Die frühzeitige Korrektur eines Eisenmangels durch intravenöse Substitution kann Krankenhauseinweisungen wegen Verschlechterung der Herzinsuffizienz vorbeuge.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Update zur Behandlung von Angst und affektiven Störungen

Das 14th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD) der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD) stand im Zeichen der personalisierten Therapie und vermittelte den Teilnehmer/innen verschiedene Behandlungsempfehlungen.

Besonders bei psychischen Erkrankungen sollte die individuelle Therapie im Vordergrund stehen. Dass dies über verschiedene Ansätze möglich ist, wurde durch Vorträge zu Epigenetik, Gender Medicine und personalisierte Medizin beleuchtet. Aktuelle Behandlungsempfehlungen wurden vorgestellt und in den Kontext der individualisierten Therapie gestellt. Dabei wurde auch die Frage nach der klinischen Umsetzbarkeit von personalisierter Behandlung diskutiert.

(Epi)genetik: Prädiktion, Prävention und personalisierte Therapie von Angst und affektiven Erkrankungen

In den letzten 12 Monaten waren allein in der EU über 65 Mio. Menschen von Angsterkrankungen, affektiven Störungen und Zwangserkrankungen betroffen, so Prof. Dr. Dr. med. Katharina Domschke (Freiburg), in ihrem Vortrag zur Epigenetik in der Psychiatrie und Psychotherapie. Bei einer Therapieresistenz von bis zu 30% wird deutlich, dass eine dringende Notwendigkeit zur Optimierung der verfügbaren Behandlungsoptionen besteht. Damit spannte Prof. Domschke den Bogen zur «Precision Psychiatry»: Wie bereits bei somatischen Erkrankungen etabliert, können verlässliche Biomarker auch in der Psychotherapie Anwendung finden, um zB. die Responsivität einzelner Patienten zu gewissen Therapieansätzen zu beurteilen. So könnte DNA-Methylierung einen Prädiktor für das (Nicht-) Ansprechen der Patient/innen auf eine Therapie darstellen und damit in Zukunft individuell personalisierte und somit wirkungsvollere Therapieansätze ermöglichen.

Leitliniengerechte Therapie bipolarer Störungen: Bewährte und neue Behandlungsoptionen

Die Behandlung der biopolaren Störung ist komplex, wie Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Dipl.Biol. Michael Bauer (Dresden) in seinem Vortrag betonte. Die 2020 aktualisierte evidenz- und konsensusbasierte deutsche S3-Leitlinie empfiehlt Lithium als einzige Substanz mit höchster Evidenz, während andere Substanzen weniger Evidenz und/oder erhebliche Einschränkungen in der Zulassung aufweisen. Unabhängig von dem rezidiv prophylaktischen Effekt senke Lithium auch das Suizidrisiko erheblich, so Prof. Bauer. Lithium gilt daher als Goldstandard für Patient/innen mit bipolarer Störung, bei einem optimalen Lithiumspiegel von 0,6-0,8 mmol/L in der Langzeitbehandlung. Potenzielle Alternativen wären Lamotrigin, welches nicht antimanisch wirkt und nicht als Monotherapie empfohlen ist, und Valproat, dass bei jungen Frauen kontraindiziert ist und vom Referenten nur noch gegen Manie eingesetzt wird. Für Fälle, in denen die Lithium-Monotherapie nicht ausreichend wirkt, beschreibt Prof. Bauer die Kombination von Lithium mit Schilddrüsenhormonen als sinnvoll.

Aktualisierte Behandlungsempfehlungen zu Zwangsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen

Während eine Zwangsstörung von wiederkehrenden Zwangsgedanken und/oder -handlungen geprägt ist, entsteht eine PTBS als Folge eines Ereignisses, welches tiefgreifenden Stress verursacht, erklärte Prof. Dr. med. Annette Brühl (Basel) an ihrem Vortrag. Die Psychotherapie gilt klar als primäre Therapieempfehlung bei Zwangsstörungen. Als Therapeut/in sollte man Patient/innen dazu mit ihren Zwängen konfrontieren. Eine pharmakologische Behandlung sei eigentlich nur indiziert, wenn eine Psychotherapie abgelehnt wird oder nicht möglich ist, betonte Prof. Brühl. Wird eine pharmakologische Therapie gestartet, gelten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) als erste Wahl.

Bei der Behandlung der PTBS wies Prof. Brühl vor allem darauf hin, dass das Erfassen der Krankheit mit soliden und etablierten Methoden und Fragebögen vonstattengehen solle. Auch bei der PTBS sollte die erste Therapiewahl die Psychotherapie sein, mit einem Schwerpunkt auf der Verarbeitung des Geschehens. Psychopharmaka sind in der ersten Linie nicht empfohlen; wenn sie dennoch eingesetzt werden, sollten eher SSRIs gewählt werden anstelle von Benzodiazepinen. Weiter gilt: Nicht jede Person, welche einem Trauma ausgesetzt war, entwickelt überhaupt eine PTBS. Die Leitlinien raten daher stark von einem Debriefing ab, da solch eine erneute Konfrontation bei manchen Patient/innen eher eine Verschlechterung auslösen könnte.

Gender Medicine: Einfluss des Geschlechts auf Prävalenz und Therapie von affektiven Störungen

Bei fast jeder Erkrankung gibt es geschlechterspezifische Unterschiede. Viele psychische Erkrankungen, aber auch solche des Autoimmunsystems, haben eine höhere Prävalenz bei Frauen. Die WHO bestätigt, dass Frauen ein doppelt so hohes Risiko als Männer haben, in ihrem Leben an einer Depression oder einer Angststörung zu erkranken, so Dr. med. Antonella Santuccione Chadha (Zürich).

Die Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt zum einen biologische Ursachen (Genetik, Sexualhormone) aber auch soziale Faktoren, die im Englischen mit dem Begriff “gender” im Gegensatz zum biologischen “sex” zusammengefasst werden. Insgesamt werden Frauen und andere vernachlässigte Gruppen wie Schwarze oder Latinos auch heute noch in manchen klinischen Studien nicht stratifiziert oder sind ganz ausgeschlossen. Und das ist nicht nur fatal für diese Gruppen, die schlechter diagnostiziert und behandelt werden, sondern zunehmend auch für Pharma-Firmen: Der Grund für das Zurückziehen eines bereits zugelassenen Medikaments ist in acht von zehn Fällen ein schädlicher Effekt auf Frauen, so Dr. Santuccione. So sind in Bezug auf Frauen viele medizinische Entdeckungen demnach auch heute noch dem Zufall überlassen. Dies möchte das “Women’s Brain Project” ändern: Es setzt sich für die Etablierung eines Instituts für “Sex and Gender Precision Medicine” in der Schweiz ein – es wäre das erste seiner Art. Doch dafür braucht es noch viel Unterstützung von freiwilligen Helfer/innen, aus der Politik und von Pharma-Unternehmen.

Personalisierte Medizin und psychische Gesundheit: Aktuelle Entwicklungen einer komplizierten Beziehung

Genetisch sind alle Menschen fast identisch; sie unterscheiden sich nur in wenigen genetischen Polymorphismen, sogenannte SNPs. Diese bieten einen Ansatz, die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen wie Depression in Abhängigkeit von den genetischen Variationen zu untersuchen. Bei ihrer systematischen Analyse entsteht ein sogenannter Manhattan-Plot, der die statistische Signifikanz des Krankheitsrisikos für jeden SNP angibt. So wird ein individueller Wert für das genetische Risiko einer Person etwa für Depression berechnet: der polygenic score. Dieser basiert darauf, dass genetische Risikovarianten häufiger bei Patient/innen auftreten und protektive Varianten häufiger bei Kontrollgruppen. Mit der Effektstärke kann man die Variationen gewichten und so einen individuellen Wert für jedes Genom berechnen. Für Depression und Schizophrenie erhält man so statistisch signifikante Werte, die aber klinisch völlig irrelevant sind.

Genetik ist auch ein Geschäftsmodell. Sie kann Innovation vorantreiben, es ist aber immer wichtig, genau zu schauen, wie die Datenlage bei bestimmten Angeboten ist, meint Prof. Dr. med. Andreas Papassotiropoulos (Basel) in seinem Vortrag. So könnten genetische Analysen dabei helfen, die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Medikamenten besser zu verstehen. Die FDA hat eine Liste von Medikamenten veröffentlicht, bei denen es wissenschaftliche Evidenz gibt, dass SNPs einen Einfluss auf deren Pharmakokinetik haben. Die klinische Relevanz dieser Erkenntnisse ist aber nicht immer erwiesen.

Crashkurs: Suizidalität in der Praxis — Update 2023

Die Schweiz befindet sich bezüglich Suizidraten im europäischen Mittelfeld, so Prof. Dr. med. Martin Hatzinger (Solothurn) in seiner Präsentation. Um sich der Frage zu nähern, warum Menschen suizidal werden, stellte Prof. Hatzinger mehrere Erklärungsmodelle vor, wobei er neben den soziokulturellen und psychiologischen Faktoren auch auf das medizinische Modell einging. Dieses erkennt psychiatrische Erkrankungen als Hauptursache an – und tatsächlich leiden 90% der Patient/innen während des Suizids an einer psychiatrischen Erkrankung. Er betonte die Wichtigkeit davon, bei der Beurteilung der Suizidalität die Risikogruppen und sogenannte «Red Flags» rechtzeitig zu erkennen. Das können unter anderem schwere Depressionen sein, eine familiäre Belastung, oder auch Ankündigungen eines Suizids. Als therapierender Arzt sei es wichtig, Suizidgedanken zu thematisieren, und mit dem Patienten gemeinsam zu überlegen, wie weiter vorzugehen ist.

Wichtige Massnahmen bei Suizidalität sind zunächst das Abwägen, ob eine ambulante Therapie weiter möglich ist, ob Sicherungsmassnahmen wie zum Beispiel das Beseitigen von gefährlichen Gegenständen erfolgen sollen, oder ob eine Klinikeinweisung notwendig ist. Insbesondere sollte eine adäquate Behandlung der Grunderkrankung erfolgen. Auch Sekundärprävention zur zukünftigen Reduktion des Suizidrisikos sollte angestrebt werden, zum Beispiel mit psychotherapeutischen Programmen wie dem ASSIP (Attempted Suicide Short Intervention Program).

Zu guter Letzt erinnerte Prof. Hatzinger auch noch daran, die Angehörigen nicht zu vergessen: Bei einem Suizid sind mindestens rund 6 Angehörige betroffen, welche mit bedeutenden sozialen Auswirkungen zu kämpfen haben. Er appelliert auch an die Ärzte, welche mit suizidalen Menschen zu tun haben, dass es vermessen wäre zu denken, man könne einen Suizid immer hundertprozentig verhindern. Diese Einsicht möchte er seinen Kollegen zur Entlastung mitgeben. (Weitere Informationen sind zu finden auf www.sgad.ch)

red.

Alfred Escher: Unermüdlich bis zum Tod

Die Geschichte Alfred Eschers ist die Geschichte von Triumphen und Pleiten, von Skandalen und Krankheiten. Escher machte Zürich zum wichtigsten Finanzplatz der Schweiz, zum Verkehrsknotenpunkt, zur Bildungsmetropole und zur reichsten und liberalsten Stadt des Landes. Trotz zahlreicher Krankheiten arbeitete Escher mit eisernem Willen bis kurz vor seinem Tod.

Alfred Escher auf einer Radierung um 1860. Bild: Alfred Escher-Stiftung, Zürich

Patient: Alfred Escher
Geboren: 20. Februar 1819, Zürich
Gestorben: 6. Dezember 1882, Zürich

Der Zürcher Alfred Escher war die herausragende wirtschaftspolitische Persönlichkeit in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Eschers Aufstieg in der kantonalen und eidgenössischen Politik war geradezu kometenhaft: Mit 26 Jahren war er zürcherischer Grossrat und Tagsatzungsgesandter, mit 29 Zürcher Regierungsrat, erstmals Präsident des Zürcher Grossen Rates und eines der jüngsten Mitglieder des 1848 gewählten ersten Nationalrates, mit 30 erstmals Regierungsrats- und Nationalratspräsident. Über die ganze Zeit seiner politischen Tätigkeit sass Escher in rund 200 eidgenössischen und zürcherischen Kommissionen, von denen er einen grossen Teil präsidierte. Eschers «Erfolgsjahrzehnt» dauerte von 1848/49 bis in die frühen 1860-er Jahre. In diesem Zeitraum realisierte Escher seine grossen wirtschafts- und kulturpolitischen Gründungen: die Nordostbahn (1852/53), das Eidgenössische Polytechnikum (1854/55, heute ETH Zürich), die Schweizerische Kreditanstalt (1856, heute Credit Suisse), die Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (1857, heute Swiss Life). 1871 übernahm Escher trotz bereits stark angegriffener Gesundheit das Direktionspräsidium der Gotthardbahn und leitete operativ das damals grösste Bauprojekt der Welt.

Der Jahrhundertunternehmer und -politiker Alfred Escher wurde zeitlebens von zahlreichen Krankheiten heimgesucht, denen er bis zum Tod mit eisernem Willen die Stirn bot. Als Kind litt er oft an Husten, Fieber und Heiserkeit. 1838/39 erkrankte er als 19-Jähriger an Röteln. In einem Brief schrieb er seinem Schuldkameraden Jakob Escher: «Der Arzt schickte mich… sogleich zu Bette, setzte mir 10 Blut­igel an den Kopf und nun zeigte sich ein Ausschlag, der nach sieben Tagen den höchsten Grad erreichte… Entsetzliches Schwitzen folgte jetzt, das mehrmals 12 Stunden lang in einem Tage mich quälte und Drücken und Reissen auf der Brust… 9 Tage lang ass ich – so zu sagen – nichts.»

Ende 1838 war Alfred Escher zusammen mit Jakob Escher und anderen Studenten aus der Schweiz für ein Auslandssemester in Berlin. Kaum hatte das Wintersemester begonnen, erkrankte er. Sein Zustand war so bedenklich, dass er sein Zimmer von Dezember 1838 bis Ende März 1839 nicht verlassen konnte. Bereits damals zeigte Escher die Symptome, die 1882 als Todesursache bezeichnet wurden: Diabetes und als Folge davon Furunkel sowie potenziell tödliche Karbunkel.

Arbeitsüberlastung und Raubbau am eigenen Körper

Noch im Februar 1855 erklärte Bundespräsident Jonas Furrer, dass sein Freund Alfred Escher «seit langen Jahren keine ernsthafte od. hartnäckige Krankheit zu bestehen» hatte. Bald erkrankte Escher aber ein zweites Mal so schwer, dass die Ärzte erneut das Schlimmste befürchteten.
Escher hatte sich viele Verpflichtungen, Ämter und Grossprojekte aufgebürdet, so dass er überarbeitet, gesundheitlich angeschlagen, nervlich gereizt war und auf Rat seines Arztes das Belvoir nicht mehr verlassen durfte. Nach kurzer Besserung im Frühling 1855 erlitt Escher einen Rückfall und wurde von Gicht und starken Ohrenschmerzen geplagt.

Wiederum rieten ihm Freunde, sich zu schonen und kürzer zu treten. Escher beherzigte die Worte und blieb für einmal der Session in Bern fern. Der Zürcher Regierungsrat bewilligte ihm Urlaub: «Herrn Regierungspräsident Dr. Escher wird der nachgesuchte Urlaub zur Wiederherstellung seiner angegriffenen Gesundheit erteilt.»

Escher fiel es schwer, die Erholungszeit in Baden einzuhalten. Er fühlte sich als «Faulenzer» und «Invalider». Statt zu kuren, verlegte Escher das regierungsrätliche Zentrum nach Baden und reiste zwischendurch nach Zürich, um in seinen Büros oder zu Hause im Belvoir seinen Geschäften nachzugehen.

Kaum ging es ihm im Spätsommer 1855 besser, erlitt er im September erneut einen Rückfall. Er erkrankte laut seinen Ärzten an einem «lebensgefährlichen Nervenfieber». Ein zweites Mal sprang Escher über seinen Schatten und gab den Rücktritt aus dem Zürcher Regierungsrat bekannt.

Eschers Schulkamerad vom Zürcher Obergymnasium Friedrich von Wyss schrieb: «Er war durch starken Blutandrang nach dem Kopf & Geschwüre, die sich bildeten, sehr krank geworden, und da er ganz in unserer Nähe wohnte, waren wir sehr häufig bei ihm, wachten auch, als dies einmal nöthig wurde, des Nachts bei ihm. Den ganzen Winter musste er im Zimmer zubringen und konnte keine Collegien besuchen.»

Auch die Öffentlichkeit beschäftigte Eschers Gesundheitszustand. Der Dichter und Politiker Gottfried Keller schrieb im Oktober 1855 seiner Mutter: Er habe Mitleid mit Escher, «da es traurig ist in solcher Stellung, in solcher Jugend und bei solchem Reichthum abziehen zu müssen».
Aller Unkenrufe zum Trotz besserte sich Eschers Gesundheitszustand wieder. Bereits ein halbes Jahr später lud er sich mit der Gründung und Führung der «Schweizerischen Kreditanstalt» erneut eine zusätzliche schwere Bürde auf.

1860 erkrankte Escher an einem «gastrischen Fieberzustand» erneut. Am 10. Januar 1861 schrieb Escher dem Grossen Stadtrat von Zürich, «dass er durch ärztlichen Rath zur schleunigen Erleichterung der auf ihm beruhenden Geschäftslast behufs Wiederherstellung seiner ernstlich gestörten Gesundheit» die Entlassung aus seinen Ämtern beantragen müsse.

Eschers Gesundheit blieb angegriffen. Er litt wiederum an «nervöse Magenschmerzen». Zudem machten dem Direktionspräsidenten der Gotthardbahn-Gesellschaft ein «Fussübel» zu schaffen. In einem Brief an Bundesrat Emil Welti schrieb er: Der Arzt habe, «um meinem Fussübel ein rasches Ende zu bereiten, die Hälfte des Nagels der kranken Zehe samt Wurzel herausgeschnitten».

Aufgrund der finanziellen und technischen Probleme beim Bau der Gotthardbahn, die 1874/75 gehäuft auftraten, arbeitete Escher vielfach auch in der Nacht. Seine Augen litten mehr und mehr, eine Starerblindung wurde befürchtet und eine Operation unumgänglich.

Die letzten Jahre und der Todeskampf

Zur Krise bei der Gotthardbahn kam nach Mitte der 1870er Jahre gleichzeitig die Krise bei der Nordostbahn. Escher arbeitete, bis er jeweils der Müdigkeit erlag und nahm die Arbeit schon nach kurzem Schlaf wieder auf. Zu den riesigen Herausforderungen kamen auch viele ungerechte und böswillige Angriffe auf Eschers Person. Auf der politischen Bühne und in den Medien wurde er verunglimpft und karikiert. Von 1878 an bis zu seinem Tod litt er immer intensiver an verschiedenen Symptomen und Krankheiten: Unwohlsein, Asthma, Fieber, Nervenüberreizung, Augenleiden, Beschwerden an den Kniegelenken, Diabetes, Furunkel und schliesslich Karbunkel. Im Mai 1882 war Escher nicht in der Lage, der bundesrätlichen Einladung zur Feier der Eröffnung «seiner» Gotthardbahn nachzukommen.

Am Donnerstag, 30. November 1882 begannen die Lippen des Kranken anzuschwellen. Trotzdem empfing er im Belvoir noch Besucher. Am Samstag verschlechterte sich sein Zustand. Stark angeschwollene Oberlippe, in der Nacht zum Sonntag hohes Fieber. Sein ganzer Rücken war eine einzige Wunde voller Eiterbeulen. Sein Zustand wurde von den Ärzten als hoffnungslos bezeichnet und man sah von einer Operation ab. Am Montagmorgen stieg das Fieber weiter. Escher erkannte im Fieberdelirium seine einzige Tochter Lydia nicht mehr und verlor zeitweise das Bewusstsein. Noch dauerte der Todeskampf zwei Tage. Escher starb am Mittwoch, 6. Dezember 1882 gegen 6 Uhr früh.

Jörg Weber

Quellen: Alfred Escher Stiftung, Zürich
Jung, Joseph: Alfred Escher 1819 – 1882 – Aufstieg, Macht, Tragik, NZZ Libro

Nach Monaten, während denen seine Eltern und Bekannten um sein Leben gezittert hatten, konnte Escher seine «vier grauen Wände», seine Studentenbude, endlich verlassen, die ihm nach seinen Worten «fast zum Kerker» geworden waren und in die Schweiz zurückfahren. In der Heimat, bei Vater und Mutter, am Familiensitz Belvoir am Zürichsee, erholte sich Escher in kurzer Zeit.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Endokrinologie im Wandel der Zeit

Die Endokrinologie als Spiegel der Zeit. In diesem Fachgebiet zeigt sich der Fortschritt, welcher in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemacht wurde. Die Veränderungen habe ich von klein auf mitbekommen. Denn mein Vater war (und ist) Endokrinologe und ich wende als Hausarzt die Endokrinologie an.

Bereits als Kind erfuhr ich vom Diabetes, und zwar durch ein überdimensioniertes Bild, das in einem Ferienlager 1966 aufgestellt wurde. Darauf sah man meinen Vater und die Kinder, wie sie vor einem Zelt Schweineinsulin mit einer Metallspritze mit Glaskanülen aufzogen. Die Spritzennadel wurde nach der Injektion des Insulins über dem Spiritusbrenner sterilisiert. Verwendet wurde sie wohl, bis sie zerbrach. Die Nadeln konnten nachgeschliffen werden – wie damals die Scheren beim Scherenschleifer. Kapilläre Glucosebestimmung gab es nicht. Man sammelte den Urin und versetzte ihn mit einer Benedict-Lösung. Der Urin verfärbte sich blau (kein Zucker), rot (viel Zucker) oder gelb (mässig Zucker). Aufgrund dieses Tests wurde die Insulinmenge bestimmt.

Professor Constam, Endokrinologe am Universitätsspital Zürich, kam damals mit seinem Gefolge von Unterassistenten, Assistenten und Oberärzten im Lager vorbei. Er wollte zeigen, wie man richtig behandelt. Doch aufgrund des vielen Sports waren die Kinder gut eingestellt, die Urine blieben blau, der Professor war enttäuscht, dass er sein Können nicht demonstrieren konnte.

Diese Geschichten schweben mir vor Augen, wenn ich heute einem Patienten einen Natrium-Glukose-Co-Transporter-2-Hemmer abgebe. Oder wenn er wöchentlich ein Glucagon-like Peptid-1 (GLP-1)-Analogon spritzt. Und jedes Mal, wenn wir den prozentual glykolysierten Anteil des Hämoglobin A des Proteins 1c bestimmen. Oder wenn gewisse Patienten auf Ihrem Handy die per Biosensor ausgelesenen BZ-Werte mitteilen – was bald schon via Apple Watch möglich sein wird.

Es ist eine andere Welt. Auch eine teurere. Vielleicht auch eine verspieltere. Nur der Sport, der bleibt etwas auf der Strecke – den kann man weder spritzen noch schlucken, den muss man nach wie vor selber betreiben.

 

Dr. med. Dr. sc. nat. Andreas Bäbler

Dr. med. Dr. sc. nat. Andreas Bäbler

Herrliberg

Neuste Erkenntnisse zum Vorhofsohrverschluss

In den letzten Jahren hat sich das Gebiet des Verschlusses des linken Vorhofohrs (LAAC) rasch entwickelt. Es wurden neue klinische Indikationen evaluiert, neue Devices zugelassen, die unterstützenden Bildgebungstechnologien haben sich weiterentwickelt und die Resultate mehrerer wichtiger Studien wurden publiziert. Dies führte insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung der klinischen Resultate im Vergleich zu den ersten Zulassungsstudien, die vor mehr als 10 Jahren durchgeführt wurden. Allerdings gibt es nach wie vor Evidenzlücken, insbesondere in Bezug auf die antithrombotische Therapie nach LAAC, bei Thromben auf dem Device oder bei peridevice Lecks. Ziel dieser Übersicht ist es daher, die neuesten Erkenntnisse und die verbleibenden Herausforderungen im Zusammenhang mit der perkutanen LAAC zu beleuchten.

Over the past few years, the field of left atrial appendage closure (LAAC) has rapidly expanded. New clinical indications have been reported, clinical practice have matured over time, new devices have been approved, imaging technologies have evolved and results from several important studies have been published. The expansion of knowledge about the field of LAAC led to a significant improvement of clinical outcomes as compared to the first pivotal studies conducted more than 10 years ago. However, still evidence gap remain, especially related to the management of post-LAAC antithrombotic therapy, in particular in case of device related thrombus or peridevice leak. Thus, this review aims at evaluating the latest evidence and the remaining challenges related to percutaneous LAAC.
Key Words: left atrial appendage closure, evidence, clinical indication, imaging

Evidenzbasierter Einsatz des LAAC

Der perkutane Vorhofohrverschluss (LAAC) hat sich in der klinischen Praxis als mögliche Alternative zur oralen Antikoagulation (OAK) zur Schlaganfallprävention bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern (AF) etabliert. In den letzten 2 Jahrzehnten hat sich viel bewegt: Die Zahl der LAAC-Eingriffe ist exponentiell gestiegen (1), neue Devices wurden zugelassen oder befinden sich in der klinischen Entwicklung (2), Bildgebungstechnologien haben sich weiterentwickelt (3-5), das technische Fachwissen und der Implantationsprozess haben sich gefestigt (1) und es wurden Resultate von mehreren wichtigen Studien publiziert (2, 6-9). Das Konzept einer verbesserten Thromboembolieprophylaxe durch einen vollständigen Verschluss des linken Vorhofs wurde in der multizentrischen, randomisierten LAAOS III Studie eindrücklich demonstriert. Bei fast 5’000 Patienten mit Vorhofflimmern, die sich aufgrund einer anderen Indikation einer Herzoperation unterzogen, hat sich gezeigt, dass die chirurgische Ligatur des linken Vorhofsohrs das Risiko eines Schlaganfalls oder einer systemischen Embolie wesentlich reduziert (Hazard Ration [HR]: 0.67; 95% Confidence Interval [CI]: 0.53-0.85; p=0.001) während einem durchschnittlichen Follow-up von 3,8 Jahren (9). Interessanterweise wurde in beiden Studiengruppen die OAK fortgesetzt, was auf eine synergistische Wirkung von OAK und LAAC hindeutet.

PRAGUE-17 war die dritte randomisierte, kontrollierte Studie nach zwei amerikanischen Studien, die vor mehr als 10 Jahren durchgeführt wurden und alle einen LAAC mit OAK verglichen (8). In der Prague-17 Studie wurden 402 Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern (CHA2DS2-VASc ≥3) randomisiert und bis zu 3,5 Jahre lang mit LAAC im Vergleich zu OAK (95 % Apixaban) behandelt. Der primäre Studienendpunkt war eine Kombination aus kardio-embolischen Ereignissen, kardiovaskulärem Tod, klinisch relevanter Blutung oder peri-prozeduralen Komplikationen. Der LAAC war der OAK nicht unterlegen (HR: 0.81; 95 % CI: 0.56-1.18; p= 0.27; p for non-inferiority = 0.006)(8). Aufgrund des kombinierten primären Endpunkts und der kleinen Patientenzahl ist die Studie allerdings nicht abschliessend konklusiv. Wir müssen daher noch die primären Ergebnisse von weiteren, gross angelegten, randomisierten Studien abwarten (Champion-AF [ClinicalTrials.gov-NCT04394546] und Catalyst [ClinicalTrials.gov-NCT04226547]), um abschliessend beurteilen zu können, ob der LAAC der NOAK Therapie ebenbürtig ist.

LAAC Indikation

Die aktuellen Leitlinien der Europäischen (10) und der Amerikanischen (11) Gesellschaft für Kardiologie ziehen den LAAC in Betracht, falls eine langfristige OAK nicht in Frage kommt (Indikationslevel IIb, Evidenzgrad: B). Patienten mit schweren Blutungen in der Vorgeschichte oder hohem Blutungsrisiko gehören zu dieser Gruppe (Tab. 1) (12). Darüber hinaus kann ein LAAC auch in anderen klinischen Szenarien in Betracht gezogen werden, die mit einem «Versagen» der OAK-Strategie einhergehen, wie z. B. einer OAK-Unverträglichkeit/Allergie, einer fehlenden Compliance, einem embolischen Schlaganfall trotz OAK («breakthrough stroke») oder einem Thrombus im linken Vorhofohr trotz OAK. Eine Substudie des Amplatzer Cardiac Plug Registry mit 115 Patienten, die aufgrund eines Schlaganfalls unter OAK mit LAAC behandelt wurden, ergab nach einer mittleren klinischen Nachbeobachtungszeit von 16,2 Monaten eine jährliche Schlaganfall-/Transitorische Ischämische Attacke Inzidenz von 2,6 %, was einer 65 % Risiko­reduktion im Vergleich zu dem durch den CHA2DS2VASC-Score vorhergesagten Risiko entspricht (13).

Ein interventioneller Verschluss des linken Vorhofohrs ist auch bei Vorliegen eines Thrombus im linken Vorhofohr möglich. Dies wurde in einer kürzlich von uns mitorganisierten, multizentrischen, retrospektiven Studie bei 53 Patienten mit LAAC und Thrombus im linken Vorhofohr gezeigt (14). Mögliche Szenarien für dieses Vorgehen sind Patienten mit LAA Thrombus und Schlaganfall trotz OAK oder Patienten, die wegen Tachykardiomyopathie dringlich elektrokonvertiert werden sollten. Technisch war der Eingriff bei allen Patienten erfolgreich, und nur in einem Fall wurde innerhalb von 30 Tagen nach dem LAAC ein ischämischer Schlaganfall beobachtet, der allerdings nicht peri-prozedural auftrat (14). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der perkutane LAAC für Hochrisikopatienten mit Vorhofflimmern eine geeignete therapeutische Alternative darstellt.

Allerdings sollten die Patienten eine angemessene Lebenserwartung (mindestens >2-3 Jahre) und Lebensqualität haben, um von einem LAAC zu profitieren (1).

In den letzten Jahren haben mehrere Studien den klinischen Nutzen des Einsatzes bildgebender Verfahren zur Planung und/oder Steuerung der LAAC gezeigt. In einer grossen Studie am Inselspital zeigte sich bei insgesamt 811 Eingriffen, dass die Verwendung der intraprozeduralen Echokardiographie zur Steuerung des Eingriffs zusätzlich zum Angiographie-gesteuerten Vorgehen mit einem geringeren Risiko für Eingriffskomplikationen verbunden war als ein rein Angiographie-gesteuertes Vorgehen ([OR]: 0.31; 95% CI: 0.11-0.90; p = 0.030) (4). Auch konnten wir in einer kürzlich durchgeführten Subanalyse der SWISS-APERO RCT Studie zeigen, dass die Verfügbarkeit einer prä-interventionellen CT vor dem Eingriff mit einer höheren Rate an kurzfristigem Behandlungserfolg verbunden war (adjOR: 2.76; 95% CI: 1.05-7.29; p=0.040) und auch den langfristigen Erfolg erhöhte (adjOR:2.12; 95%CI: 1.03-4.35; p=0.041)(3).

LAAC Devices

Die beiden weltweit am häufigsten verwendeten Devices für den perkutanen LAAC sind Watchman Flx (Boston Scientific) und Amulet (Abbott). Die kürzlich durchgeführte Amulet-IDE-Studie, eine multizentrische, randomisierte Studie zum Vergleich von Watchman 2.5 und Amulet bei 1.878 Patienten mit klinisch indiziertem LAAC ergab, dass das Amulet Device dem Watchman Device nicht unterlegen war bezüglich des primären Sicherheitsendpunkts (14,5 % vs. 14,7 %; p<0,001 für non-inferiority) und für den primären Endpunkt (Ischämischer Schlaganfall oder systemische Embolie nach 18 Monaten: 2,8 % vs. 2,8 %; p<0,001 für non-inferiority) (15). Die Vollständigkeit des LAA-Verschlusses nach 45 Tagen war mit dem Amulet Device höher als mit dem Watchman Device (98,9 % vs. 96,8%; p<0,001 für non-inferiority; p=0,003 für superiority), aber verfahrensbedingte Komplikationen waren mit dem Amulet Device häufiger als mit dem Watchman 2.5 Device (4,5 % vs. 2,5 %). Insbesondere traten Perikardergüsse häufiger auf mit dem Amulet Device und ein diesbezüglicher Risikofaktor war eine fortgeführte OAK Therapie (15). Derzeit sind weitere Devices für den perkutanen LAAC in Europa zugelassen und auf dem Markt, wie WaveCrest (Biosense Webster), Ultraseal LAA Occluder (Cardia) oder LAmbre (Lifetech). Die verfügbaren Daten über diese Implantate sind jedoch sehr begrenzt.

LAAC Komplikationen

Verfahrensbedingte Komplikationen stellen eine der grössten Einschränkungen des LAAC dar. Aufgrund des präventiven Charakters des Eingriffes sollte eine Nulltoleranz für Komplikationen bestehen. Basierend auf der grössten Registerstudie zu LAAC, die 38’158 Eingriffe umfasste, welche zwischen 2016 und 2018 in den USA mit Watchman 2.5 durchgeführt wurden, traten bei 2,2 % der Patienten schwerwiegende, unerwünschte Ereignisse im Krankenhaus auf. Die häufigsten Komplikationen waren ein Perikarderguss, welcher eine Intervention erforderte (1,4 %), und schwere Blutungen (1,3 %), während Schlaganfall (0,2 %) und Tod (0,2 %) äussert selten waren (16). Ähnliche kurzfristige klinische Ergebnisse wurden in prospektiven Studien nach Implantation eines Amulet Devices (Raten im Krankenhaus: Tod 0,2 %, Schlaganfall 0,2 %, schwere Blutungen 2,4 %) (17) und Watchman FLX Devices (45-Tage Follow-up: Tod 0,5 %, Schlaganfall 0,7 %, schwere Blutungen 3,0 %) beobachtet (2).

Die beiden wichtigsten LAAC spezifischen Komplikationen in Zusammenhang mit dem Implantat sind ein Thrombus auf dem LAA-Okkluder und ein Leck am Rand des LAA-Okkluders. Ein LAA-Device Thrombus ist mit einem höheren Risiko für einen ischämischen Hirnschlag verbunden (18). Das Management eines Thrombus auf einem LAA-Okkluder ist schwierig und die Vorgehensweise heterogen. Sedaghat et al. zeigten im multinationalen EUROC-DRT-Register, welches 156 Patienten mit einem Thrombus auf einem LAA-Okkluder umfasste, dass die Mehrheit der Pa-tienten mit OAK behandelt wurden (32.1 % mit DOAK und 22.3 % mit VKA), gefolgt von Heparin (31.3 %), und Thrombozytenaggregationshemmern (6.3 %) (19). Eine vollständige Auflösung des Thrombus wurde in fast 80 % der Fälle etwa 3 Monate nach dessen Erkennung erreicht, wobei die Auflösungsraten zwischen den verschiedenen anfänglichen Behandlungsschemata vergleichbar waren.

Anders als bei einem LAA-Okkluder-Thrombus sind die Erkenntnisse über die klinische Relevanz eines Lecks am Rand des LAA-Okkluders noch umstritten und bedürfen weiterer Studien.

Ein Thrombus und auch ein Leck können sowohl mit der transösophagealen Echokardiographie (TEE) als auch mit einer CT nachgewiesen und beurteilt werden. Das CT hat eine höhere Sensitivität als die TEE für den Nachweis eines Thrombus wie auch eines Lecks (6, 20). Aufgrund der vorliegenden Evidenz scheint eine serielle bildgebende Nachuntersuchung, die aus einer doppelten Kontrolle sowohl kurz- (45 Tage bis 3 Monate) als auch langfristig (12 Monate) nach LAAC besteht, angemessen. Simard et al. beobachteten, dass sich ein Drittel der LAA-Okkluder-Thrombi erst später als 6 Monate nach der LAAC entwickelten. Umgekehrt bestand ein signifikanter Prozentsatz der nach 45 Tagen entdeckten Lecks auch nach 1 Jahr noch weiter (18, 21).

Antithrombotische Therapie nach LAAC

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) empfiehlt eine OAK plus Aspirin für 45 Tage, gefolgt von einer 4,5-monatigen dualen Thrombozytenaggregationshemmer-Therapie (DAPT) und dann Aspirin allein nach der Implantation eines Watchman-Okkluders; nach der Amulet-Implantation sollte eine DAPT oder OAK plus Aspirin für 45 Tage folgen, gefolgt von einer DAPT für 4,5 Monate und dann Aspirin allein. Die Mehrheit der Patienten, die mit LAAC behandelt werden (vorab in Europa), kommt aufgrund des hohen Blutungsrisikos selbst für eine kurzfristige OAK oder eine 6-monatige DAPT eher nicht in Frage. Andererseits ist es denkbar, dass eine vorzeitige Umstellung von DAPT auf SAPT oder eine direkte Entlassung unter SAPT das Risiko einer Thrombusbildung auf dem LAA-Okkluder im Verlauf erhöhen könnte. Die bislang begrenzte Evidenz stützt diese Bedenken jedoch nicht. Patti et al. zeigten in einer retrospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudie mit 610 konsekutiven LAACs, dass die SAPT unabhängig mit einer Verringerung schwerer Blutungen verbunden war (adj. HR 0,37; 95%CI: 0,16-0,88; p = 0,024), ohne dass es zu einem signifikanten Anstieg von Thromben kam (7.8 % vs 7.4 %; adj HR 1.34; 95%CI: 0.70-2.55; p = 0.38)(22). Zusammengefasst lässt sich sagen, dass bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko eine kurzfristige DAPT von 1 Monat und bei Patienten mit sehr stark erhöhtem Blutungsrisiko die SAPT ein sinnvolles antithrombotisches Therapieregime nach LAAC darstellt.

Dr. med. Roberto Galea
PD Dr. med. Dr. phil. Georgios Siontis
Prof. Dr. med. Laurent Roten
Prof. Dr. med. Dr. phil. Lorenz Räber
Leiter Herzkatheterlabor
Universitätsklinik für Kardiologie
Universität Bern
3010 Bern

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Dr. med. Roberto Galea

Universitätsklinik für Kardiologie
Universität Bern
3010 Bern

Prof. Dr. med. Laurent Roten

Universitätsklinik für Kardiologie
Universität Bern
3010 Bern

Prof. Dr. Dr. Lorenz Räber

Leiter Herzkatheterlabor
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

lorenz.raeber@insel.ch

Lorenz Räber berichtet über Forschungszuschüsse für seine Institution von Abbott-Vascular, Boston-Scientific, Biotronik, Infraredx, Heartflow, Sanofi, Regeneron. Er berichtet über Honorare für Vorträge/Beratungen von Abbott-Vascular, Amgen, Canon, Medtronic, Novo Nordisk, Occlutech, Sanofi. Laurent Roten hat Honorare für Vorträge/Beratungen von Medtronic und Abbott erhalten sowie Forschungszuschüsse für seine Institution von Medtronic. Alle anderen Autoren haben mitgeteilt, dass sie keine für den Inhalt dieses Artikels relevanten Beziehungen offenlegen müssen.

◆ Der LAA-Verschluss hat sich bei Patienten mit absoluten oder relativen Kontraindikationen für eine Antikoagulation als Alternative zur Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern etabliert.
◆ Der LAA-Verschluss ist dank verbesserter intraprozeduraler Bildgebung und Prozesse sowie dank neuen LAA-Okkludern eine sichere und effiziente Intervention.
◆ In Kürze werden konklusive Daten verfügbar sein, welche aufzeigen, ob der LAA-Verschluss einer NOAK Therapie ebenbürtig ist.
◆ Es bestehen weiterhin mehrere Evidenzlücken, insbesondere in Bezug auf die optimale, antithrombotische Therapie nach LAA-Verschluss und dem Management von Thromben auf dem LAA-Okkluder und Restlecks am Rande des LAA-Okkluders.

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