Beim Präsidentendiner anlässlich des SGAIM Frühjahrskongresses wurde in der einzigartigen Reithalle Wenkenhof in Riehen der Forschungspreis, gestiftet von Viollier, zum 21. Mal vergeben. Die unabhängige Jury hatte die Arbeit «Fast multiplex bacterial PCR of bronchoalveolar lavage for antibiotic stewardship in hospitalised patients with pneumonia at risk of Gram-negative bacterial infection (Flagship II): a multicentre, randomised controlled trial» von Andrei M. Darie, Nina Khanna, Kathleen Jahn, Michael Osthoff, Stefano Bassetti, Mirjam Osthoff, Desirée M Schumann, Werner C. Albrich, Hans Hirsch, Martin Brutsche, Leticia Grize, Mi-chael Tamm und Daiana Stolz, von der Klinik für Pneumologie des Universitätsspitals Basel, die im Lancet Respiratory Medicine 2022; 10: 877-887 erschienen ist, als Preisträger 2023 erkoren.
Dr. Darie durfte den mit CHF 10’000 dotierten Preis aus der Hand des Geschäftsleitungsmitglieds Dr. med. Maurice Redondo entgegennehmen.
Unter der Leitung der Professoren Michael Tamm und Daiana Stolz hat Dr. Darie eine multizentrische, randomisierte Studie verfasst, die den Nutzen einer bakteriellen Multiplex-PCR in der Bronchiallavage von hospitalisierten Patienten mit Pneumonie und einem Risiko für Infektionen mit gramnegativen Bakterien untersucht. Die Arbeit zeigt, dass die Analyse der Bronchiallavage durch eine multiplex bakterielle PCR-Untersuchung die Dauer einer unangebrachten antibiotischen Therapie bei Patienten, die wegen einer Pneumonie hospitalisiert wurden und ein Risiko für gramnegative Stäbcheninfektion aufwiesen, verkürzt. Die Studie wurde in der Zeitschrift Lancet Respiratory Medicine publiziert, einer Zeitschrift mit Impact Factor 102.6. Die Begutachter äusserten sich dazu wie folgt: «Die Studie hat das Potenzial, ein Meilenstein auf dem Gebiet der molekularen Diagnostik und der Antibiotikatherapie zu werden.»
Der Ansatz einer Multiplex-PCR in der Bronchiallavage sollte im Rahmen künftiger «Antibiotic-Stewardship»-Strategien weiter berücksichtigt werden. Unter «antibiotic stewardship» versteht man den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika durch den Nachweis einer (bakteriellen) Infektion, die Wahl des geeigneten Antibiotikums sowie die Anpassung der Thera-piedauer, die Dosierung und die Form der Antibiotika-Gabe, mit dem Ziel, die Patienten bestmög-lich zu behandeln und gleichzeitig zu verhindern, dass Selektionsprozesse und Resistenzen bei den Bakterien auftreten.
Herpes zoster (HZ) wird durch eine örtlich begrenzte Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) bei Patienten, die Windpocken oder Varizellen hatten, verursacht. Es kommt zu einem einseitigen, schmerzhaften Ausschlag. In einer kürzlich erschienenen Publikation (1) wurden einige wichtige Fragen im Zusammenhang mit Herpes Zoster beantwortet. Der folgende Bericht enthält einen Auszug aus dieser Veröffentlichung.
Welches sind die häufigsten Missverständnisse über HZ?
Das erste weit verbreitete Missverständnis ist, dass HZ eine Krankheit älterer Menschen ist (in der Regel definiert als 65 Jahre und älter). Zwar nimmt die Erkrankungsrate mit dem Alter zu, aber die Zahl der Fälle ist am häufigsten bei Menschen in den 50er Jahren (2).
Ein zweiter weit verbreiteter Irrtum ist, dass HZ eine Krankheit von Patienten mit geschwächtem Immunsystem ist. Zwar besteht bei diesen Personen ein erhöhtes Risiko für HZ, einschließlich einer schwereren Erkrankung, doch sind über 90% der Patienten mit HZ nicht immunsupprimiert (3).
Ein dritter weit verbreiteter Irrglaube über HZ ist, dass die Impfung gegen Varizellen/Windpocken mit dem Anstieg der HZ-Inzidenz in Verbindung gebracht wird, obwohl es dafür keine Belege gibt. Die Hope-Simpson-Hypothese besagte vor Jahren, dass eine exogene Exposition gegenüber Windpocken die Immunität stärkt und den Ausbruch von Zoster verzögert (4). Die Daten haben jedoch gezeigt, dass die steigende Inzidenz von HZ bereits vor der Einführung der Windpockenimpfung in den Vereinigten Staaten im Jahr 1995 festgestellt wurde und sich danach ohne Beschleunigung fortgesetzt hat (5, 6).
Wie ansteckend ist HZ?
Im Gegensatz zu Windpocken ist die Gürtelrose nicht sehr ansteckend. Windpocken sind hoch ansteckend durch Übertragung über die Luft. Wenn jemand mit Windpocken in Berührung gekommen ist und keine Windpocken bekommt, ist es wahrscheinlich, dass die Person bereits Windpocken hatte oder einen leichten Fall, der nicht diagnostiziert wurde. Gürtelrose verbreitet sich durch direkten Kontakt mit der Flüssigkeit in den Bläschen des akuten Ausschlags auf Personen, die in der Vergangenheit noch keine Windpocken hatten, die dann an Windpocken und nicht an Zoster erkranken.
Warum nimmt die Zahl der Zoster-Erkrankungen immer noch zu?
Obwohl die Hope-Simpson-Hypothese, zu der Auffassung geführt hat, dass die Exposition gegenüber Windpocken die Immunität gegen VZV stärkt und den Ausbruch von Zoster verzögert, wird die Impfung gegen Windpocken mit der zunehmenden Inzidenz von Zoster in Verbindung gebracht. Allerdings gibt es keine Daten, die dies belegen (4, 5, 6). Die steigende Inzidenz von Zoster begann bereits vor der Einführung der Windpockenimpfung in den USA im Jahr 1995 und hat sich danach fortgesetzt (4). Jüngsten Veröffentlichungen zufolge, die Daten von 1994 bis 2018 enthalten, hat die Inzidenz von Herpes zoster ophthalmicus um 3,6 % pro Jahr zugenommen (7, 8). Obwohl die Inzidenz von HZ und HZO seit 2007 bei Personen unter 21 und über 60 Jahren zurückgegangen ist, hat der Anstieg in der Altersgruppe der 31- bis 60-Jährigen zu einem anhaltenden Gesamtanstieg geführt. Die Daten stimmen damit überein, dass die Impfung gegen Windpocken und Zoster mit einem Rückgang in den Altersgruppen mit empfohlenen Impfungen mit einem Rückgang der HZ in Verbindung steht, und sie legen nahe, dass eine Ausweitung der Impfung gegen Zoster auf jüngere Altersgruppen wahrscheinlich von Vorteil wäre.
Die Impfung gegen Herpes Zoster mit dem adjuvantierten Subunit-Impfstoff (Shingrix®) wird in der Schweiz seit 2022 empfohlen. Dies für gesunde Personen ab 65 Jahren sowie für Patientinnen und Patienten mit Immundefizienz ab 50 bzw. mit schwerer Immundefizienz ab 18 Jahren. Allerdings sollte die Impfung von Erwachsenen im Alter von 30 bis 50 Jahren untersucht werden, da die rekombinante Zostervakzine (Shingrix®) eine lange Wirkungsdauer zu haben scheint.
Was sind neue Risikofaktoren für Herpes zoster?
Jeder, der schon einmal Windpocken hatte, hat ein Zoster-Risiko, ob er es weiß oder nicht. Neben den allgemein anerkannten Risikofaktoren wie zunehmendes Alter, geschwächtes Immunsystem und weibliches Geschlecht gibt es eine immer länger werdende Liste zusätzlicher Risikofaktoren (9). Dazu gehören Depression, HZ in der Familienanamnese, Stress, traumatische Hirnverletzungen und Herzinsuffizienz, die alle das Risiko um das 2-fache oder mehr erhöhen. Darüber hinaus erhöhen immunvermittelte Erkrankungen, akute Nierenerkrankungen, Asthma, Diabetes und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen das Risiko, an HZ zu erkranken, erheblich. In einer Reihe von neueren Studien wurde berichtet, dass die Einnahme von Statinen ein Risikofaktor für die Entwicklung von HZ ist und dass das Risiko dosisabhängig ist (10). Dies wirft die Frage auf, ob eine Impfung gegen HZ in dieser Bevölkerungsgruppe geprüft werden sollte.
Was sind die schwerwiegendsten und häufigsten Komplikationen der HZ Infektion?
Zu den schwerwiegenden und häufigen Komplikationen der HZ Infektion gehören akute, chronische und/oder wiederkehrende Keratitis und Iritis, neurotrophe Keratopathie, postherpetische Neuralgie (PHN) und seltene, aber potenziell lebensbedrohlicher Schlaganfall. Akut treten einseitige Schmerzen in der V1-Verteilung vor dem Auftreten des typischen Ausschlags auf. Die Diagnose wird verzögert gestellt. (11). Der Schmerz ist oft anders als alles, was der Patient zuvor erlebt hat, und kann als Juckreiz, Stechen, Blitze oder ein Gefühl beschrieben werden. Radikuläre Schmerzen können in einer einseitigen dermatomalen Verteilung ohne Hautausschlag aufgrund von HZ (Herpes zoster sine herpete) auftreten. Oft wird die Diagnose übersehen und die akut empfohlene hochdosierte orale antivirale Behandlung nicht verabreicht (12). Die Ausdehnung des Ausschlags auf die Nasenspitze, das so genannte Hutchinson Zeichen genannt wird, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Auge aufgrund der gemeinsamen Innervation betroffen ist. Eine akute Augenerkrankung kann früh auftreten oder sich innerhalb eines Monats nach Auftreten des Ausschlags entwickeln, daher müssen die Patienten auch nach Abklingen des Ausschlags weiter beobachtet werden (13). Alle Gewebe des Auges und der Augenhöhle können betroffen sein. Zu den akuten Erkrankungen des vorderen Augenabschnitts gehören die dendriforme epitheliale Keratitis, stromale Keratitis (SK) mit stromalen Infiltraten ohne oder mit Ulzeration, endotheliale Keratitis (EK) mit Ödemen und keratischen Ausfällungen (KP) und/oder Iritis. Manifestationen im vorderen Augenabschnitt lassen sich ähnlich wie die HSV-Augenerkrankung einordnen (14). Die dendriforme epitheliale Keratitis (DEK) ist mit topischen oder systemischen Virostatika behandelbar. SK, EK und Iritis werden mit topischen Steroiden behandelt, die allmählich auf die auf die möglichst niedrige Wirkstärke und Häufigkeit reduziert werden. In sehr schweren Fällen kann es zu einer Beteiligung des Sehnervs kommen und die Augenhöhle betroffen sein. Eine chronische Augenerkrankung, d. h. ein Fortbestehen der Erkrankung über 3 oder mehr Monate, tritt in etwa einem Viertel der Fälle auf, und rezidivierende Augenerkrankungen nehmen mit der Zeit zu und entwickeln sich in etwa einem Viertel der Fälle über 5 Jahre (15). Die empfohlene akute orale antivirale Behandlung reduziert chronische Erkrankungen nach 6 Monaten von etwa 50 % auf 30 % (16). Die Patienten mit chronischer Krankheit benötigen möglicherweise eine lebenslange niedrig dosierte topische Steroidbehandlung, um erneute Entzündungen zu verhindern, und eine Überwachung auf Komplikationen der topischen Steroide. Über 10 % der HZO Patienten entwickeln einen mäßigen (9,6 %, weniger) oder schweren (3,6 %, weniger) Sehkraftverlust, der meist auf Vernarbung zurückzuführen ist (12). Bedeutende Risikofaktoren für schweren Sehverlust sind höheres Alter, Immunschwäche, schlechtes Sehvermögen und Uveitis. Eine Kataraktoperation bei Patienten mit einer HZO-Vorgeschichte kann zu Komplikationen an der Netzhaut führen, die die Sehschärfe beeinträchtigen oder eine rezidivierende HZ-Augenerkrankung auslösen können (17, 18).
Fazit
Herpes zoster (HZ) wird durch eine örtlich begrenzte Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht, die bei Patienten, die Windpocken oder Varizellen hatten, zu einem einseitigen, schmerzhaften Ausschlag in einer dermatomalen Verteilung führt.
Herpes zoster ophthalmicus (HZO) ist ein Begriff, der HZ beschreibt, der den ersten und/oder manchmal den zweiten Abschnitt des fünften Trigeminusnervs betrifft, der das Gesicht versorgt, und mit einer Augenbeteiligung verbunden ist. HZ ist eine sehr häufige Erkrankungmit über 1 Million neuer Fälle pro Jahr in den Vereinigten Staaten. Man schätzt, dass in 10 bis 20 % der Fälle der Trigeminusnerv betroffen ist und ein Risiko für das Auge besteht. postherpetische Neuralgie, ein chronisches Schmerzsyndrom, und lebensbedrohliche Schlaganfälle, die allerdings selten sind, sind weitere Komplikationen der HZ-Infektion.
Erwachsene ab 65 Jahren sollten mit der rekombinanten Zoster-Vakzine Shingrix® geimpft werden.
Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen
riesen@medinfo-verlag.ch
1. Cohen EJ. Herpes zoster: A brief definitive review
2. Insinga RP et al. The incidence of herpes zoster in a United States administrative database. J Gen Intern Med, 20:748–753.
3. Kawai K et al. Increasing incidence of herpes zoster over a 60-year pFrom a population-based study. Clin Infect Dis. 2016;63:221–226.
4. Hope-Simpson RE. The nature of herpes zoster: A long-term study and a new hypothesis. Proc R Soc Med. 1965; 58(1):9–20.
5. Kawai K et al. Increasing incidence of herpes zoster over a 60-year pFrom a population-based study. Clin Infect Dis. 2016;63:221–226.
6. Harpaz R et al. Point-Counterpoint: The Hope-Simpson hypothesis and its implications regarding an effect of routine varicella vaccination on Herpes Zoster incidence. J Infect Dis. 2018; 218(suppl_2):S57–S62.
7. Kong CT et al. Incidence rate of Herpes Zoster Ophthalmicus : A retrospective cohort study from 1994 through 2018. Ophthalmology 2020 3 :127 :324-330
8. Thompson RR et al. Herpes Zoster and post-herpetic neuralgia: changing incidence rates from 1994-2018 in the UNITED States. Infect Dis 2020;8 23:ciaa1185. Doi 10.1093/cid/ciaa1185. Online ahead of print.
9. Kawai K et al. Risk factors for herpes zoster. Systemic review and meta-analysis. Mayo Clinic Proc. 2017;92:1806-1821
10. Zuin M et al. Herpes zoster infection and statins: which implications in clinical practice? Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 2019;38:93–99.
11. Lee HL et al. Clinical characteristics of headache or facial pain prior to the development of acute herpes zoster of the head. Clin Neurol Neurosurg. 2017; 152:90–94
12. Lewis GW. Zoster sine herpete Br Med J. 1958; 2(5093):418–21.
13. Niederer RL et al. Herpes zoster ophthalmicus clinical presentation and risk factors for loss of vision. Am J Ophthalmol. 2021 2 8:S0002–9394(21)00064–7. doi: 10.1016/ j.ajo.2021.02.002. Online ahead of print
14. White.2014, Jul http://one.aao.org/clinical-statement/herpes-simplex-virus-keratitis-treatmentguideline
15. Tran KD et al. Epidemiology of herpes zoster ophthalmicus: recurrence and chronicity. Ophthalmology. 2016; 123:1469–75.
16. Hoang-Xuan T et al. Oral acyclovir for herpes zoster ophthalmicus. Ophthalmology. 1992; 99:1062–70; discussion 1070–1. 16.
17. He Y et al. Outcomes of cataract surgery in eyes with previous herpes zoster ophthalmicus. J Cataract Refract Surg. 2015; 41:771–7
18. Lu LM, McGhee CNJ, Sims JL, Niederer RI. High rate of recurrence of herpes zoster-related ocular disease after phacoemulsification cataract surgery. J Cataract Refract Surg. 2019; 45:810– 815.
Der Komponist litt zeitlebens an verschiedensten, zum Teil schweren Krankheiten. Über die Krankheiten, die zu seinem Tod führten, streiten sich Mozart-Biografen und Fachleute bis heute.
Patient: Wolfgang Amadeus Mozart Geboren: 27. Januar 1756, Salzburg Gestorben: 5. Dezember 1791, Wien
Am 14. August 1791 schrieb Mozart seinem Vater, er habe vor Schmerzen nicht schlafen können. «Ich muss mich gestern vom vielen Gehen erhitzt und dann unwissend erkältet haben.» Es war das letzte Mal, dass er eine Krankheit brieflich erwähnte. Am 30. September 1791 dirigierte Mozart in Wien die Uraufführung der «Zauberflöte» und in den kommenden Wochen noch etwa
10 Wiederholungen. Gerade einmal neun Wochen nach der Uraufführung erkrankte der Musiker schwer. Am 20. November wurde er bettlägerig. Seine 28-jährige Schwägerin Sophie Haibl hielt an seinem Krankenbett im «Kleinen Kayserhaus» Nr. 970 in der Rauhensteingasse Tag und Nacht Wache. Mozart hatte hohes Fieber und Schmerzen. Er war dünnhäutig und gereizt. Weil er das Trillern seines geliebten Kanarienvogels nicht mehr ertrug, liess er ihn aus dem Zimmer bringen.
In der zweiten Krankheitswoche kamen zu den bisherigen Symptomen Erbrechen und Durchfall hinzu. Sein Körper war angeschwollen, so dass ihm seine Kleider nicht mehr passten. Offenbar sein nahes Ende ahnend, soll er gemäss seiner Frau Constanze gesagt haben: «Ich habe schon Totengeschmack auf der Zunge.» Am 28. November 1791 berieten sich zwei Ärzte am Krankenbett Mozarts, Dr. Thomas Franz Closset, der Hausarzt der Familie und Dr. Matthias von Sallaba, Primar des Wiener Allgemeinen Krankenhauses und Spezialist für Gifte und Vergiftungen (1).
Am 4. Dezember 1791 wurde Dr. Closset zum letzten Mal gerufen. Mozart hatte hohes Fieber und starke Kopfschmerzen. Der Hausarzt wies Mozarts Schwägerin Sophie an, Stirn und Schläfen des Patienten mit Essig und kaltem Wasser zu behandeln. Laut Sophie ging schon beim ersten Kontakt mit der Kälte ein Beben durch Mozarts Körper. Bald darauf fiel er ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Am 5. Dezember 1791 um 0.55 Uhr starb Mozart im Alter von nur 35 Jahren, zehn Monaten und acht Tagen. Laut seiner damals 29-jährigen Frau Constanze starb er «zwar gelassen, doch sehr ungern». Als Todesursache Mozarts wurde «hitziges Friesel Fieber» ins Bestattungsbuch der Pfarrei St. Stephan in Wien eingetragen.
Seit seinem Tod gibt es Dutzende von Hypothesen über sein Ableben. Von einer Gehirnhautentzündung war die Rede, Grippe wurde ins Spiel gebracht. Daneben wurden andere mögliche Gründe für seinen Tod vermutet, etwa bakterielle oder parasitäre Infektionskrankheiten. Auch wurde Pharyngitis, eine schwere Rachenentzündung in Betracht gezogen, die zu Krämpfen, Fieber, Ausschlag und Schwellungen am Hals führt.
Seitdem wurde gerätselt und spekuliert, wie er zu Tode gekommen ist. Einige Forscher tippten auf eine Lebensmittelvergiftung. Schweinekotelett, wie in Wien üblich, gehörte zu Mozarts Leibspeise. Es wurde spekuliert, dass Mozart an einer Fleischvergiftung durch trichinenverseuchtes Schweinefleisch gestorben war. Vierundvierzig Tage vor seinem Tod hatte er Constanze in einem Brief mitgeteilt, wie gern er doch Schweinekotelett, sogenannte «Karbonadeln», ass. Auch ein Giftmord wurde nicht ausgeschlossen. Mozart selbst soll gegenüber seiner Frau geäussert haben, von seinem Konkurrenten Antonio Salieri mit Quecksilber vergiftet worden zu sein. Im Gegensatz zum finanziell klammen Mozart war Salieri ein etablierter Liebling am Hofe in Wien.
Der Leidensweg des Wunderkinds
Im Mozartjahr 1956 tauchten die vielfältigen Erklärungen in verschiedenen Gedenkartikeln wieder auf. Der bekannte russische Musikwissenschaftler Belsa behauptete, die Beweiskette sei geschlossen: Mozart sei durch Antonio Salieri vergiftet worden. Der Heidelberger Privatdozent Dr. Dr. Aloys Greither wollte sich mit den verschiedenen, teils abenteuerlichen Hypothesen nicht zufrieden geben und studierte mit wissenschaftlichem Eifer Dutzende von Büchern über Mozart. Das Ergebnis seiner Arbeit veröffentlichte er in einer ausführlichen Studie (2). Greither rekonstruierte den Leidensweg des Wunderkinds. Schon im Alter von sechs Jahren litt Mozart auf einer Reise nach Wien an einer Krankheit, die ihm immer wieder zu schaffen machte: an einem «Katarrh».
Sein kurzes Leben war in Folge seines rastlosen, sich verzehrenden Schöpfertums, eine endlose Kette von Unpässlichkeit, Übermüdung, Gehetztheit, Not, Sorge, Krankheit, schrieb Greither. Als Neunjähriger litt der Komponist an Typhus abdominalis und magerte bis zur Unkenntlichkeit ab. 1768, als Zwölfjähriger, wurde er durch eine der damals schwersten Krankheiten ins Bett gezwungen: durch Pocken. Auf seiner ersten Italienreise (Dezember bis März 1771) erlitt er eine Erfrierung ersten Grades der Hände. Im November 1780 schilderte Mozart in einem Brief: «Ich habe vier Tage nacheinander zur nämlichen Stunde rasende Kolik bekommen, die allzeit mit starkem Erbrechen geendet hat.» Dieser Bericht, meint Dr. Greither, sei überaus wichtig für die Aufklärung der Todesursache: «Für die Bedeutung der tödlichen Krankheit Mozarts, unter Berücksichtigung all der vorausgegangenen rheumatischen und grippösen Infekte, nimmt er eine Schlüsselstellung ein. Hier wird, durch die Koliken, auf das Organ hingewiesen, das seit Jahren (oder Jahrzehnten) latent krank ist (…). Die vier Tage mit sich wiederholenden rasenden Koliken weisen mit Sicherheit auf die Nieren hin (…). Betrachtet man die letzte tödliche Krankheit mit dem Wissen um die lange Vorgeschichte seiner Leiden, so fällt die Diagnose nicht schwer.» Mozart sei seiner chronischen Nierenkrankeit nach einem langen Siechtum im urämischen Koma erlegen, erklärt Dr. Greither.
Neue Hypothese: Glomerulonephritis?
Die Mediziner Richard H. C. Zegers von der Universität Amsterdam und Andrew Streptoe vom University College London sowie dem Wiener Historiker Andreas Weigl stellten kürzlich eine neue Hypothese auf. Die Wissenschaftler vermuten, dass der Komponist an einer bakteriellen Halsentzündung durch Streptokokken erkrankt war. In der Folge habe sich vermutlich eine tödlich verlaufene Nierenentzündung (Glomerulonephritis) eingestellt. Die Forscher fanden Hinweise auf eine entsprechende Epidemie im Wien dieser Zeit.
Der neuen Erklärung für Mozarts Tod liegen umfängliche Analysen der Wiener Sterberegister zugrunde. Ausgewertet wurden die Angaben zu den Todesursachen von Verstorbenen von Dezember 1791 und Januar 1792 sowie die der korrespondierenden Zeiträume in den beiden folgenden Jahren. Die dritthäufigste Todesursache (nach Schwindsucht und Unterernährung) war «Wassersucht», also ein schweres Ödem.
Gemäss den Augenzeugenberichten und den ärztlichen Angaben zu Mozarts Tod in den Totenbeschauprotokollen war dieser in den letzten Tagen stark angeschwollen, hatte Fieber und litt an einem Ausschlag. All diese Symptome begleiten die Glomerulonephritis, die unbehandelt zum Tod führt.
Der Komponist der «Zauberflöte» wurde nicht einmal sechsunddreissig Jahre alt. Von seiner Leiche fehlt jede Spur. Nach seinem Tod bekam der bankrotte Künstler in Wien ein Begräbnis dritter Klasse.
Jörg Weber
Quellen: 1. «Ich bin ein Musikus. Über Mozart. Eine biographische Annäherung.» Thomas O.H. Kaiser, Verlag: BoB Books 2. «Mozart und die Ärzte, seine Krankheiten und sein Tod», Dr. Dr. Aloys Geither, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 1956 3. Spiegel Wissenschaft, Februar 2000
Evidenz und Erfahrung reichen sich die Hand, wenn es darum geht, Schwangere und Kinder medikamentös sicher zu therapieren.
Wie geht das praktisch? Harmonisierte Empfehlungen inkl. klaren Dosierungen sind das Stichwort. Dabei ist die Bedeutung des Wortes harmonisieren (nach Duden) zu beachten:
1. Verbinden im Sinne von sammeln, zusammenfügen
2. Vereinfachen
3. Koordinieren
4. Abstimmen im Sinne von abgleichen, in Einklang bringen, anpassen.
5. Vereinheitlichen
Grundsätzlich gilt es also, die fünf miteinander verwandten, aber letztlich doch unterschiedlichen Prozesse durchzuführen, um Empfehlungen für Medikamente so auszuarbeiten, dass das Nutzen/Risiko Verhältnis klar beim Nutzen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit liegt.
Die Pädiatrie hat dank einer Änderung im Heilmittelgesetz (HMG) den Harmonisierungsprozess ihrer Medikamente bereits vor Jahren durch den Bund mit dessen finanzieller Unterstützung initiieren lassen. Die Harmonisierung ist als «ongoing»-Prozess zu verstehen, die Daten liegen in einer Datenbank (Swisspeddose) vor. Eine IT-Anwendung zur praktischen Anwendung der Daten (z.B. patientenindividuelle Dosierung) ist käuflich erhältlich.
Innerhalb der aktuellen gesetzlichen Situation erlaubt Art. 67 a des HMG eine Ausdehnung der Anwendungen in der Pädiatrie auf andere vulnerable Gruppen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass Schwangere und Stillende den Kindern in ihrem Lebenszyklus nicht nur direkt vorangehen, sondern sich mit ihnen auch klar überschneiden, ist es überfällig, dieser Population dieselbe Aufmerksamkeit zu erteilen wie den Kindern. Für den praktischen Alltag im Vordergrund stünden dabei evidenzbasierte, harmonisierte Empfehlungen zu Präparaten und Dosierungen, welche die aktuelle Situation in der Schweiz abbilden und für Fachpersonen gleichermassen wie für Patientinnen leicht zugänglich und verständlich sind. Dieser Aufgabe hat sich die interprofessionell arbeitende Schweizerische Akademie für Perinalate Pharmakologie (SAPP) selbständig angenommen, indem sie sich für eine bessere und gut verständliche Information einsetzt und diese zurzeit auch auf einer finanziell nicht vom Bund getragenen Basis zur Verfügung stellt. So wurden u.a. Wirkstoffmonographien, Therapieempfehlungen und ein Verzeichnis mit Indikationen und Dosierungen der national in der Geburtshilfe häufig verwendeten Medikamente geschaffen (abrufbar im AmiKo-Fachkompendium https://amiko.oddb.org/de/fulltext?keyword=SAPP&key=sapp). Diese Informationen bieten die Grundlage für eine offiziell zugängliche und vom Bund unterstützte Datenbank.
Gerne möchten wir die bestehende Situation einem breiten Publikum näherbringen. Besuchen Sie daher am 2.11.23 unsere interdisziplinäre Tagung inkl. Roundtable von Politik und Behörden zum Thema: «Wenn Schwangere und ihre Kinder Medikamente benötigen – Hotspots». Sehen Sie, wo sich die beiden Populationen begegnen und wo sie individuell verschieden sind. Unterstützen Sie unsere Bemühungen, BEIDEN Populationen bei der Arzneimitteltherapie die Sicherheit zu verleihen, die sie benötigen und verdienen.
Die Harnentleerungsstörung bei der Frau steht selten im Fokus der Gynäkologie. Die chronische Harnretention bei der Frau umfasst asymptomatische Formen, stark symptomatische Formen bis zu Störungen, die mittelfristig zu einer lebensbedrohlichen Nieren-Insuffizienz führen können. Es macht also durchaus Sinn, die zugrundeliegenden Krankheiten zu kennen und sich für die chronische Harnretention bei der Frau (CUR-chronic urinary retention) eine Systematik anzueignen.
Urinary retention in women is rarely in the gynaecologist’s focus. Chronic urinary retention (CUR) in women includes asymptomatic forms, highly symptomatic forms, and disorders that can lead to life-threatening renal failure. It is therefore useful to be aware of the underlying diseases and to adopt a systematic approach to chronic urinary retention in women. Key Words: chronic urinary retention (CUR), underactive bladder (UB), underactive detrusor (UD), bladder outlet obstruction (BOO), detrusor-sphincter-dyssynergia (DSD)
Bei Frauen sind die Entleerungsstörungen wesentlich seltener als beim Mann. Definiert ist die chronische Urinretention durch die unvollständige Blasenentleerung und durch das Vorliegen von Resturin bei wiederholter Messung (post voiding residual – PVR).
Bei der Frau fokussieren wir uns auf die Abklärung einer Inkontinenz und versuchen zwischen Urge und Stress zu unterscheiden. Dabei vergessen wir gerne, dass auch bei der Frau eine Retention möglich ist.
Prinzipiell kann man zwischen einer Retention auf Grund einer Detrusormuskelschwäche (detrusor underactivity DU) oder auf Grund einer Obstruktion (infravesikales Hindernis) (bladder outlet obstruction BOO) unterscheiden. Weiter kann man jeweils in neurologisch bedingte und nicht neurologisch bedingte Harnentleerungsstörungen (dysfunctional voiding) unterteilen.
Die möglichen therapeutischen Antworten auf eine chronische Harnretention sind, wenn überhaupt möglich, relativ einfach und uniform – dennoch macht es Sinn, sich durch die Ursachen und durch die Physiopathologie zu denken (Abb. 1). Beim hypo- oder akontraktilen Detrusor gelingt es kaum, die Kontraktilität der Blase wiederherzustellen und man muss sich bei symptomatischen Formen meist damit begnügen, eine Strategie für die Entleerung zu finden, während man bei der BOO die Ursache zwischen funktionell und mechanisch erkennen und bei Vorliegen eines infravesikalen Hindernis beseitigen muss.
Symptome
Irritative Miktionsbeschwerden wie Urgency und Urgeinkontinenz definieren die (idiopathische) überaktive Blase (overactive bladder (OAB)). Eine Urininkontinenz, welche durch eine Urethralinsuffizienz bei erhöhtem intravesikalem oder intraabdominalem Druck auftritt, definiert die Belastungsinkontinenz (stress urinary incontinence (SUI)). Symptome wie der abgeschwächte Harnstrahl, das Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung, der verzögerte Start der Miktion, die lang dauernde Miktion, die mehrzeitige (Stakkato-) Miktion oder das Nachtröpfeln treten bei chronischer Harnretention auf. Diese Symptome können sowohl durch eine infravesikale Obstruktion wie auch durch eine Detrusorschwäche resp. eine dysfunktionale Miktion verursacht sein und sind diesbezüglich nicht spezifisch. Symptome wie Pollakisurie, Nykturie, Stressinkontinenz oder Dauerinkontinenz bzw. Überlaufinkontinenz (typisch) teilen sich die Blasenentleerungsstörung mit den funktionell «gegenteiligen» Krankheitsbildern wie der OAB oder der SUI. Die Anamnese kann einen hier fehlleiten. Auch beklagen sich Frauen mit Harnretention seltener darüber und man tut gut daran, bei Patientinnen mit urogynäkologischen Problemen die Symptome der Entleerungsstörung mindesten einmal spezifisch abzufragen. Die chronische Harnretention kann auch asymptomatisch sein.
Abklärung
Formal ist die Diagnose an eine vollständige Urodynamik mit Zystoskopie gebunden, die auch die Miktionsphase mit Elektromyogramm (EMG) und eine Videourodynamik beinhalten kann, um in Druckflusskurven bei der BOO den reduzierten Flow bei erhöhtem Detrusordruck während der Miktion zu demonstrieren, das Verhalten der Beckenbodenmuskulatur während der Miktion zu zeigen und um Stenosen oder Reflux und Öffnen des Blasenhalses darzustellen. Umgekehrt erkennt man bei der UB die fehlenden Detrusorkontraktionen und den dadurch reduzierten Flow oder die reine Pressmiktion.
Allerdings untersucht man ein meist älteres Kollektiv, das ohnehin schon Probleme mit Wasserlösen hat. Die Messung der Miktion mit einem liegenden Katheter in der Urethra in unphysiologischer Position «en public» ist dadurch fehleranfällig oder gar unmöglich.
Einfache klinische Untersuchungen wie der gynäkologische Status zur Beurteilung eines Genitaldeszensus (POP-Q, Quetschhahn, kinking?), die Urethrakalibrierung mit Bougies oder Hegarstifte (Urethralstenose?), die freie Uroflowmetrie (Beurteilung des Flows ohne zwischen einer Detrusorschwäche und einem erhöhten Auslasswiderstand unterscheiden zu können) und die vaginale/perineale und abdominale Sonographie (Sanduhrzystocele, Blasenkapazität, Resturinbestimmung, Urethraldivertikel, Veränderung des urethrovesikalen Winkels beim Pressen, Fremdmaterial, Beurteilung der oberen ableitenden Harnwege) werden einem Kollektiv mit neurologischen Störungen natürlich nie gerecht, der durchschnittlichen gynäkologischen oder geriatrischen Patientin in der Praxis aber schon.
Behandlung
Sehr wichtig und als erstes zu indizieren, ist eine Physiotherapie mit Beckenbodenrelaxation und Biofeedback.
Medikamentös (Tab. 1): Medikamentöse Therapien gibt es, diese sind aber häufig nicht effektiv und robuste Daten bei der Frau fehlen sowohl für Medikamente, die den Auslasswiderstand senken, wie auch für α-1-Rezeptorenblocker. Cholinergika werden aufgrund der Nebenwirkungen nicht mehr empfohlen. Baclofen ist eine Option bei vermehrter EMG-Aktivität. Für Sildenafil ist die Evidenz schwach.
Falls konservative Massnahmen nicht helfen, kann eine sakrale Nervenstimulation oder intrasphinkterische Botox-Injektion indiziert werden.
Selbstkatheterisieren (clean intermittend self-catherisation (CIC)), Dauerableitung (indwelling catheter): Bei chronischer Harnretention auf Grund einer UB ist der CIC häufig die Therapiemethode der Wahl, aber gerade bei betroffenen betagten Menschen häufig nicht realisierbar, ist doch die Fingerfertigkeit zum Beispiel durch rheumatologische Krankheiten oder durch eine Parkinsonkrankheit verloren gegangen, so dass man auf eine Dauerableitung – einen Foley Katheter oder einen suprapubischen Katheter – zurückgreifen muss.
Ein hypokontraktiler Detrusor ist per definitionem ein Zustand mit niedrigem intravesikalen Druck, so dass auch höhere Restharnmengen akzeptiert werden dürfen. Die oberen Harnwege sind in den allermeisten Fällen nicht durch einen Reflux resp. Hochdruck gefährdet.
Eine asymptomatische Bakteriurie soll man nicht antibiotisch behandeln, auch wenn die Restharnmengen erhöht sind oder der CIC durchgeführt wird. Bei liegendem Katheter ist der Urin fast immer besiedelt.
Hohe Restharnmengen können symptomatische Harnwegsinfekte triggern, dann ist man im therapeutischen Zugzwang. Zur Prophylaxe von Harnwegsinfekten stehen lokale Östrogene, D-Mannose, Urovaxom zur Verfügung. Antibiotische Therapien soll man vermeiden.
Ursachen der BOO bei der Frau (Tab. 2) – die Krankheitsbilder im Einzelnen
Nicht neurogene Detrusorschwäche (myogen)
(hypo – oder akontraktiler Detrusor) (bladder underactivity)
Die UB ist ebenso häufig wie die OAB. Die UB ist häufig im Alter, bei gebrechlichen Patientinnen oder Patientinnen mit Komorbiditäten (1, 2). Chronische Ischämie der Blasenwand durch Gefässveränderung, durch Arteriosklerose und Fibrose führen nicht nur zu der häufigen Instabilität, sondern auch zur Hypokontraktilität oder auch zur Kombination von beidem (3, 4). Die Kontraktionskraft nimmt ab und der Resturin nimmt zu (5).
Insofern ist die Detrusorschwäche nicht wirklich als gegenteilige Störung zur idiopathischen OAB zu verstehen, sondern allenfalls als Krankheitsbild mit gleicher Ursache.
Die Ursache der Detrusorschwäche lässt sich weder durch die gynäkologische und sonographische Untersuchung des kleinen Beckens noch durch die urodynamische Untersuchung erkennen. Hier hilft nur die Anamnese, die sorgfältig geführte hausärztliche Diagnoseliste und auch der Allgemein- und neurologische Status.
Neurogen bedingte Detrusorschwäche
Infrasakrale Läsionen: Läsionen unter dem sakralen Miktionszentrum S2 – S4 führen zur Denervation der Blase und zum akontraktilen Detrusor.
Autonome Polyneuropathie: typischerweise verursacht durch einen länger bestehenden oder schlecht eingestellten Diabetes mellitus (6). Afferente und efferente Bahnen werden gestört, die Sensibilität für die Blasenfüllung geht verloren, die Blasenkontraktion kann nicht mehr ausgelöst werden. Die gestörte Blasenentleerung kann auch mit Symptomen der Blaseninstabilität kombiniert sein.
Chirurgie im kleinen Becken mit Denervation der Blase: Die Störung der autonomen peripheren Innervation der Blase und die daraus resultierende, definitive und persistierende Blasenatonie (7) ist eine mögliche typische Komplikation nach «destruktiven» Operationen im kleinen Becken. Die parasympathische Versorgung der Blase geschieht über die nervi splanchnici pelvici (S2-S4), welche in der Tiefe der Sakrouterinligamente zum plexus hypogastricus inferior verlaufen. Die parasympathische und sympathische autonome Innervation besteht aus feinen Nervengeflechten, diese werden bei infiltrativen Prozessen automatisch mitreseziert. Heute werden, wenn möglich, Nerven schonende OP-Techniken angewendet (8). (Abb. 2)
Cauda aequina Läsion: Bei einer tiefen Querschnittläsion (spinal cord injury (SCI)) oder einer medialen lumbalen Diskushernie kann es ebenfalls zu einer infrasakralen Läsion kommen. Die Blasenatonie mit Harnretention ist die «red flag» der medialen lumbalen Diskushernie. Da die cauda aequina auch die somatische Innervation beinhaltet, gehört die Reithosen Anästhesie mit beidseitigem Sensibilitätsverlust der sakralen Dermatome zum klinischen Bild.
Läsion des Conus / Läsion der sakralen Segmente des Rückenmarkes: Analog führt auch eine Läsion auf Höhe der sakralen Rückenmarksegmente zu einer Blasenatonie, wie dies beispielsweise eine tiefe Querschnittläsion oder ein tief gelegener MS Herd oder auch eine Wirbelsäulen-Operation verursachen kann.
Die postpartale Harnretention: Ob die postpartale Harnretention als neurogene Störung verstanden werden muss, ist schwierig zu sagen. Für somatische Nerven (n. rectalis inferior des n. pudendus) hat man im Modell eine gegen dreissigprozentige Überdehnung durch die «second stage» der Geburt berechnet. Dies ist deutlich mehr, als nervöse Strukturen ohne Schaden tolerieren (9). Vielleicht darf man das auf das autonome Nervensystem im kleinen Becken übertragen? Risikofaktoren für die postpartale Harnretention sind lange «second stage», PDA, Primiparität oder instrumentelle vaginale Geburtshilfe. Resturin nach der Geburt ist sehr häufig und die Lattenhöhe für therapeutische Massnahmen ist grosszügig hoch anzusetzen: Einige Autoren tolerieren postpartal Resturin bis 500ml (10). Bei sehr hohen Resturinmengen ist der CIC oder der suprapubische Katheter dem Dauerkatheter vorzuziehen, die Patientin wird damit schneller zur Normalität zurückfinden.
Beruhigend: Die postpartale Harnretention ist quasi immer transient. Die Blasenentleerung erholt sich über die Zeit und es sind keine uro-gynäkologischen Langzeitfolgen beschrieben (11).
Nicht neurogen bedingtes infravesikales Hindernis: anatomische Obstruktion
Genitaldeszensus (pelvic organ prolaps (POP)): Der Genitaldeszensus kann durch Abknicken (kinking) der gesenkten prolabierenden Blase zu einer Entleerungsstörung und zu Restharn führen (12). Man weiss ohne zusätzliche Urodynamik nicht, ob nicht zusätzlich eine Detrusorschwäche oder eine instabile Blase vorliegt. Es ist auch schwierig vorherzusagen, ob die Entleerungsstörung durch die Korrektur des Deszensus mit Pessar oder Operation verschwinden wird – meistens jedoch schon (13, 14)! Auch kann man präoperativ mit keinem Test eindeutig klären, ob durch die chirurgische Korrektur der Zystozele eine de novo Belastungsinkontinenz auftreten wird. Es ist aus diesen Gründen ratsam, Deszensusoperationen nicht mit Inkontinenzoperationen zu kombinieren, sondern diese erst bei Bedarf zweizeitig durchzuführen.
Iatrogene Obstruktion durch suburethrale Bänder: Die iatrogene Obstruktion zählt zu den häufigsten Ursachen einer anatomischen BOO. Die akute postoperative Retention mit massiv behinderter Miktion ist offensichtlich. Schwieriger ist es, die sich langsam entwickelnde Retention als durch eine suburethral gelegte Schlinge verursacht zu verstehen. Die Anamnese ist wegweisend: War die Miktion vor der Bandeinlage problemlos und die Entleerung nach der Bandeinlage gestört und ist dieser zeitliche Zusammenhang klar gegeben, ist das Band obstruktiv. Resturin muss nicht immer von Beginn an vorhanden sein, ein gesunder Detrusormuskel vermag den erhöhten Widerstand zuerst einmal zu überwinden. Die Antwort der Blase auf Obstruktion ist die stärkere Kontraktion und das kann wiederum eine Detrusorinstabilität verursachen: DeNovo OAB. Auch rezidivierende Harnwegsinfekte können die Folge sein.
Das Band lässt sich während 7 bis maximal 10 Tagen noch einfach senken, ohne den Kontinenz-Effekt zu gefährden. (Abb. 3)
Realisiert man die Obstruktion erst verspätet, muss das Band komplett durchtrennt werden. Die obstruktiven Symptome kann man so chirurgisch in den allermeisten Fällen beheben (15, 16). Je nach dem aber wie lange die Obstruktion angedauert hatte, werden die OAB-Symptome trotz aufgehobener Obstruktion persistieren (17). Mit einer Rezidiv-Inkontinenz ist durch Bandspaltung in 30 bis 50% zu rechnen. Nur ein Teil dieser Patientinnen (14%) werden sich in der Folge auf eine erneute Inkontinenzoperation einlassen (18, 19). (Abb. 4)
Urethralstrikturen: Urethralstrikturen sind bei Frauen häufig iatrogen durch prolongiertes Katheterisieren, Radiatio oder nach chirurgischen Eingriffen verursacht.
Nicht neurogen bedingtes infravesikales Hindernis: funktionelle Obstruktion
Die funktionellen Obstruktionen sind vielleicht am schwierigsten zu verstehen: weil eine klare und nachvollziehbare Krankheitsursache fehlt und weil sie negativ definiert sind, nämlich durch das Fehlen einer zugrundeliegenden neurologischen Krankheit. Auch braucht es für die Diagnose eine komplexe Videourodynamik der Miktionsphase mit EMG und sollte neuro-urologisch abgeklärt werden.
Die dazugehörenden Subtypen sind in der Tabelle 3 unter «funktionell» gelistet.
Neurogen bedingtes infravesikales Hindernis:
DSD – Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie: Kommt es zu einer Störung vom koordinierenden pontinen Miktionszentrum im Stammhirn zu den basalen Reflexzentren des Rückenmarkes in den lumbalen und sakralen Segmenten resultiert eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD): ein Fehlen der zeitgleichen Relaxation des urethralen Rabdomyosphinkters bei der Kontraktion des Detrusormuskels. Folgen dieser Massenreflexe sind exorbitant hohe intravesikale Drücke, damit Reflux in die oberen ableitenden Harnwege und sukzessive Zerstörung des Nierenparenchyms.
Bei jungen Patientinnen mit unerklärten OAB-Symptomen und evt. zusätzlich Resturin, sollte eine sorgfältige Anamnese zu neurologischen Symptomen erhoben werden: z.Bsp schubweise aufgetretene fokale Sensibilitäts- oder motorische Störungen, Schwindel, Störungen im Gleichgewicht oder Sehstörungen, die nicht beachtet, verdrängt oder nicht zugeordnet wurden (20). Die Diagnose der DSD gelingt mit der Video-Urodynamik mit EMG. Hier sollte unbedingt eine Zuweisung zu einem Neurourologen erfolgen.
Therapie der DSD: Kombination von hohen Botulinumtoxin Dosen in den Sphincter urethrae und getimtes Selbstkatheterisieren (CIC).
Parkinson – Pseudo-Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie: Die Parkinsonkrankheit ist eine suprapontine Läsion und macht eine neurogene Detrusorhypereflexie, eine neurogen bedingte OAB. Nicht selten findet man dennoch auch relevante Resturinmengen, die nicht zu einem unkontrollierten und überaktiven Detrusor passen. Die durch Parkinson bedingte Bradykinesie erklärt die verzögerte Relaxation der Urethra, welche der Blasenkontraktion hinterherhinkt und so eine vollständige Blasenentleerung verunmöglicht.
Und selbstverständlich können vor allem bei älteren Patientinnen verschiedene Störungen gleichzeitig vorliegen, was es schwierig machen kann, therapeutische Konzepte zu etablieren.
Stadtspital Triemli, Klinik für Urologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich
Dr. med. Daniel Passweg
Frauenklinik Stadtspital Weid und Triemli
Birmensdorferstrasse 501
8063 Zürich
daniel.passweg@triemli.zuerich.ch
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Die Messung des postmiktionellen Resturins ist eine ganz simple
aber auch ganz zentrale Basisuntersuchung der urogynäkologischen Abklärung.
◆ Bei der chronischen Urinretention unterscheidet man grundsächlich und ursächlich zwischen einer Detrusorschwäche (DU) und einer infravesikalen Obstruktion (BOO).
◆ Während man die Ursache der infravesikalen Obstruktion erkennen muss und häufig beheben kann, hat man bei der Detrusorschwäche unabhängig der Ätiologie begrenzte therapeutische Möglichkeiten. Wenn symptomatisch, muss die Patientin den Selbstkatheterismus erlernen.
◆ Bei multipler Sklerose können nicht nur im Gehirn, sondern auch im Rückenmark demyelinisierende Herde auftreten und eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie triggern, dies mit fatalen Folgen für den oberen Harntrakt.
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Vor 111 Jahren prägte der polnische Biochemiker Kazimierz Funk den Begriff «Vital-Amine» oder kurz «Vitamine» für Nahrungsmittelbestandteile, die für das Leben wichtig sind (1). Diese erhielten Buchstaben in der Reihenfolge ihrer Entdeckung; als viertes Vitamin wurde 1922 von Elmer McCollum das Vitamin D beschrieben, eine Substanz, welche die Rachitis bekämpfen konnte (2). Seit dieser ersten Publikation wird über Vitamin D geforscht und publiziert, es werden Thesen zu Wirkungen erhoben und wieder verworfen, Richtlinien aufgestellt und wieder geändert. Die Zahl der Artikel zu Vitamin D, die in PubMed gelistet sind, ist in den letzten 100 Jahren von einer einzigen Publikation im Jahr 1922 auf über 5500 im Jahr 2022 gestiegen. Im nachfolgenden Artikel wird versucht, aus der Fülle der Informationen einige in der Praxis relevante Punkte herauszugreifen.
111 years ago, the Polish biochemist Kazimierz Funk coined the term «vital amines» or «vitamins» for food components that are important for life (1). These were given letters in the order of their discovery; the fourth vitamin to be described was vitamin D, a substance that could combat rickets, by Elmer McCollum in 1922 (2). Since this first publication, vitamin D has been researched and published, theses on effects have been raised and rejected, guidelines have been established and changed again. The number of articles on vitamin D listed in PubMed has increased over the past 100 years from a single publication in 1922 to over 5500 in 2022. The following article attempts to pick out some points relevant in practice from the wealth of information. Key Words: Vitamine D, bone health, serum concentration
Die systematische Review und Metanalyse und die daraus abgeleiteten klinischen Empfehlungen vom Februar 2023 des American College of Physicians (APF; 1) kommen zum Schluss, dass Bisphosphonate, Denosumab, Abaloparatid, Teriparatid und Romosozumab klinische Frakturen bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose vermindern. In diesen neuesten Guidelines zur Frakturprävention werden die Estrogene nicht erwähnt. Hingegen schliesst die North American Menopause Society (NAMS) in ihren Empfehlungen von 2021 und 2022 (2, 3) unter den von der FDA (wie auch von der Swissmedic) bei erhöhtem Frakturrisiko zugelassenen Optionen Estrogene und SERM ein. Dies deckt sich auch mit der Sicht der europäischen Menopausengesellschaften. Raloxifen ist heute primär eine Alternative zu MHT bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko. Es bietet zwar einen gesicherten osteoprotektiven Schutz an der Wirbelsäule, doch liegt keine direkte Evidenz für eine protektive Wirkung am Schenkelhals und am übrigen nicht-vertebralen Skelett vor. Aus Platzgründen muss hier auf eine weitere Diskussion der SERMs verzichtet werden (4).
Warum werden in internistischen klinischen Empfehlungen selektive Estrogen-Modulatoren wie Raloxifen und Bazedoxifen empfohlen, wogegen natürliche Estrogene, die auch das nicht-vertebrale Frakturrisiko signifikant senken (Tab. 1), nicht erwähnt werden?
Der eine Hauptgrund dafür ist, dass Osteoporosespezialisten in der Regel erst bei der älteren postmenopausalen Frau zur Behandlung einer etablierten Osteoporose beigezogen werden, bei welcher Estrogene nicht mehr die beste Option sind.
Endokrinologen und Gynäkologen geht es dagegen meist um die Frakturprävention bei der peri- und früh postmenopausalen Frau mit noch normaler oder nur leicht verminderter Knochendichte. Genau in dieser Altersgruppe ist der Platz der natürlichen Estrogene.
Der zweite Hauptgrund dafür mag sein, dass die SERMs für die rheumatologisch orientierten Verschreiber und auch die meisten Anwenderinnen als «Medikamente» gelten, während E2 und EV als «Hormone» eingestuft werden und daher seit der Women’s Health Initiative Studie (WHI-Studie) zu Unrecht immer noch suspekt sind. Dazu werden oft mögliche Estrogen-Nebenwirkungen wie vaginale Blutungen oder Mastodynien gescheut, da hier Nicht-Gynäkologen die Erfahrung fehlt.
Die Peri- und frühe Postmenopause:
Platz der Estrogene
Tiefe endogene Estrogene führen zu einem Knochenverlust und einem Anstieg des Frakturrisikos (Abb. 1). In der Peri- und frühen Postmenopause ist somit der korrekte pathophysiologische Ansatz zur Frakturprävention die Gabe von natürlichen Estrogenen. Für Frauen in dieser Altersgruppe gibt es keine solide Evidenz und keine Langzeiterfahrungen zum Einsatz von medikamentös-pharmakologischen Therapieprinzipien wie Bisphosphonate oder Denosumab. Hingegen zeigen RCTs wie die Women’s Health Initiative (WHI) (Tab. 1) und die Danish Osteoporosis Prevention Study (DOPS) (5-12; weiterführende Literatur in 13), Metaanalysen und grosse Beobachtungsstudien unter Estrogenen eine signifikante Reduktion klinischer Frakturen. Darauf basieren die Empfehlungen der menopausalen Hormontherapie (MHT) als einer Methode der ersten Wahl zur Frakturprävention bei der Frau unter 60 Jahren. Sie kann seit über 30 Jahren bei der Frau als gesichert gelten. Der Begriff MHT umfasst auch eine Behandlung mit Tibolon (1,25 mg per os/Tag), einem synthetischen Steroid, dessen Metaboliten estrogene, androgene und gestagene Partialwirkungen besitzen. Tibolon senkt das Risiko von vertebralen und nicht-vertebralen Frakturen signifikant (14) (siehe Übersicht von Kloosterboer (15)).
Der WHI-Trial mit konjugierten equinen Estrogenen (CEE) bleibt der einzige bisher bei einer Normalpopulation durchgeführte RCT zur Effizienz einer MHT mit CEE allein oder kombiniert mit einem Gestagen zur Senkung des Frakturrisikos. Bei Frauen ohne Frakturrisiko wird das Auftreten von Knochenbrüchen an der Wirbelsäule, am Schenkelhals und am gesamten non-vertebralen Skelett signifikant gesenkt. (Tab. 1; 8-11). Diese Resultate sind mit allen anderen älteren und neueren Daten zur Frakturprävention mit Estrogenen konsistent (12, 13). Dagegen wurden alle RCTs mit SERMs, Bisphosphonaten, Denosumab, Parathormonen oder Romosozumab bei älteren Risikopopulationen mit vorbestehender Osteoporose oder Osteopenie durchgeführt.
Im WHI-Trial kann die Wirksamkeit einer MHT als Anzahl Frauen ausgedrückt werden, deren Frakturen über eine 5-Jahres-Periode verhindert werden konnten. Unter Estrogenen allein repräsentiert dies 27,1 Frauen per 1000 über 5 Jahre, unter Estrogen+Gestagen 21,8 Frauen. In der PERF-Studie liegt die benötigte Anzahl der mit Estradiol zu behandelnden Frauen zur Verhinderung einer Fraktur bei 7 (16). Die Frakturprävention mittels MHT ist kostenwirksam. Eine MHT senkt zudem im Gegensatz zu allen nicht-hormonalen Therapieprinzipien das Frakturrisiko nicht nur über den Knochenstoffwechsel, sondern auch über eine Verbesserung der Muskelkraft und der «Stossdämpferfunktion» der Zwischenwirbelscheiben (17, 18).
Für die systemische MHT sind in der Schweiz einzig 17-beta-Estradiol (E2) und Estradiol-Valerat (EV) zugelassen (Tab. 2). Ethinylestradiol (EE) und damit die «Pille» soll bei der postmenopausalen Frau wegen des bei EE metabolisch ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils nicht verwendet werden.
Niedrig oder ultra-niedrig dosierte MHT zur Frakturprävention?
Die Standarddosis zur Behandlung des klimakterischen Syndroms beträgt pro Tag peroral 2mg E2 oder transdermal 50 µg E2 (Tab. 2; 19). Zu dessen erfolgreichen Behandlung ist oft auch eine niedrig oder ultra-niedrig dosierte Estrogengabe wirksam (Abb. 2).
Bei den meisten der so therapierten Frauen reicht diese Dosis auch zum Schutz des Knochens aus (20, 21; weiterführende Literatur in 13), doch erhöht sich mit der Senkung der Estrogene unter die Standarddosis der Prozentsatz der sogenannten Non-Responders (>2% Knochenverlust an der Wirbelsäule innert 26 Lunarmonaten trotz Therapie). Unter einer ultra-niedrigen Estradiol-Gabe (0,5 resp. 0,25 mg E2 per os/Tag) steigt die Anzahl der Non-Responders auf 13% resp. 22% an, in der Placebo-Gruppe hatten 51% einen Knochenverlust >2% (21). Es wird daher empfohlen, die Wirksamkeit einer niedriger als Standard dosierten Estrogengabe durch die Bestimmung von Knochenmarkern (nach ca. 3 Monaten) und 1-2 Jahre nach Beginn der MHT durch eine Bestimmung der Knochendichte mittels DXA zu überprüfen, wenn das Ziel der MHT die Frakturprävention ist.
Erhaltener Nutzen am Skelett nach Beendigung einer MHT?
Das Absetzen einer MHT führt zu einem jährlichen Knochenverlust, der innert 2 Jahren mit 3% bis 6% demjenigen in der frühen Menopause gleicht (22, 23). In der WHI führte das Absetzen der MHT zu einem bei Frauen in der Placebogruppe vergleichbaren Frakturrisiko (24).
Der unter der MHT erreichte präventive Gewinn bleibt deswegen erhalten, weil der wiedereinsetzende beschleunigte Knochenverlust bei einem höheren Ausgangswert einsetzt. In der PERF Studie (16) ist der erworbene Vorteil bis 15 Jahre nach dem Stopp der MHT nachweisbar, indem die Odds Ratio (OR) für Frakturen bei den früheren Estrogenanwenderinnen im Vergleich zu Placebo noch bei 0.48 (VI 0.26-0.88) liegt.
Bei Frauen mit POI ohne Estrogen-Kontraindikationen besteht mindestens bis zum Erreichen des normalen Menopausenalters eine Indikation für eine Substitution mit Estrogenen. Frauen mit POI benötigen für ihre klimakterischen Beschwerden meist höhere Dosierungen als ältere Frauen (≥2mg 17β-Estradiol pro Tag). Damit ist auch der Knochenbedarf abgedeckt.
Eine Indikation besteht auch für die Substitution mit E2 oder EV bei der primären Amenorrhöe und bei jeder längerdauernden sekundären Amenorrhöe (>6 Monate). Bei einer sekundären Amenorrhöe können bei Kontrazeptionsbedarf auch kombinierte hormonale Ovulationshemmer eingesetzt werden.
Nebenwirkungsprofil einer MHT
Bei der Diskussion der WHI-Studie wird heute leider oft vergessen, dass in der ersten Publikation nur zwei Resultate signifikant waren: der Anstieg des Thrombose-Risikos unter der oralen MHT als einzige ungünstige Nebenwirkung und die Reduktion des Frakturrisikos als einzigem Nutzen. Alle andern im Medien-Hype nach 2002 hochgespielten möglichen Gefahren waren nicht-signifikante Spekulationen.
Die Analyse des kumulativen Follow-Ups der WHI-Studie nach 13 Jahren (Tab. 3; 26) zeigt bei korrekt indizierter MHT für die alleinige Estrogen-Gabe einzig einen nicht-signifikanten Anstieg des Risikos für Lungenembolie (relatives Risiko (RR), 1.21; 95% CI, 1.06-1.38,). Dieses Risiko lässt sich zudem vermeiden, wenn statt oralem Estrogen transdermales Estradiol in normaler Dosierung eingesetzt wird (2, 6, 13, 25).
Alle übrigen im WHI-Trial untersuchten Todesursachen sind erniedrigt, insbesondere auch das kardiovaskuläre Risiko. Unter einer Kombination von E2/EV mit mikronisiertem Progesteron oder Dydrogesteron verschlechtert sich dieses Risikoprofil im Gegensatz zur Gabe von anderen Gestagenen nicht. Auch das Brustkrebsrisiko steigt im WHI-Trial unter CEE allein nicht an (weiterführende Literatur siehe in 2, 6, 13, 25, 26). Gemäss der Internationalen Menopausegesellschaft (IMS) ist das mögliche Risiko eines mit einer MHT assoziierten Mammakarzinoms klein und wird auf weniger als 0.1% per Jahr oder auf eine Inzidenz von <1.0 per 1000 Frauen pro Anwendungsjahr geschätzt (6).
Die vorhandene Evidenz zeigt, dass innerhalb des «günstigen Fensters» der Nutzen einer MHT die Risiken überwiegt (25-27).
Schlussfolgerung
Die Verschreibung einer MHT zur primären Prävention von Fragilitätsfrakturen muss Teil einer globalen Strategie sein. Bei peri- und frühen postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko innerhalb des therapeutisch «günstigen Fensters» (<60 Jahre oder <10 Jahre von der Menopause entfernt) gehört eine MHT zu den Therapien der ersten Wahl für die Prävention und die Therapie von Fragilitätsfrakturen und eignet sich zur Prävention der ersten vertebralen Fraktur, die unbedingt vermieden werden muss (Abb. 3), da diese das Risiko für weitere Frakturen signifikant steigert. Es gibt keine arbiträre Alterslimitierung für die Fortführung einer MHT (5, 6, 13), vorausgesetzt, dass die MHT nach den Bedürfnissen und persönlichen Risikofaktoren der Patientin individualisiert ist.
Vom Beginn einer MHT nach dem Alter von 60 Jahren mit der alleinigen Indikation einer Osteoporosetherapie wird hingegen abgeraten und auf die medikamentösen Alternativen verwiesen.
Zweitabdruck aus «der informierte arzt» 03-2023
Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG
Prof. em. Dr. med. Martin Birkhäuser
Gartenstrasse 67
4052 Basel
martin.birkhaeuser@bluewin.ch
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Eine MHT (inklusive Tibolon) senkt das Frakturrisiko an allen vertebralen und nicht-vertebralen Lokalisationen inklusive des Schenkelhalses signifikant um 25–40%.
◆ Im Gegensatz zu allen nicht-hormonalen Alternativen vermindert eine individualisierte MHT auch bei Frauen einer Normalpopulation ohne erhöhtes Frakturrisiko die Inzidenz aller mit einer Osteoporose im Zusammenhang stehenden Frakturen.
◆ Eine MHT senkt das Frakturrisiko nicht nur durch ihre Wirksamkeit am Knochen, sondern auch über andere Wirkungsmechanismen an der Muskulatur und an den Zwischenwirbelscheiben.
◆ Hinsichtlich Knochendichte und Frakturprävention bestehen keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Estrogenen oder der
oralen und der transdermalen Verabreichungsform, doch besitzt transdermales Estradiol bei normaler Dosierung kein erhöhtes Thromboembolie- oder Schlaganfallrisiko.
◆ Bei gesunden peri- und postmenopausalen Frauen mit erhöhtem
Frakturrisiko unter dem Alter von 60 Jahren oder innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Menopause darf die MHT als eine Therapie der ersten Wahl für die primäre Prävention und Behandlung Osteoporose-bezogener Frakturen an allen Skelettlokalisationen gelten. Innerhalb dieses «Window of Opportunity» überwiegt der Nutzen einer MHT die Risiken.
◆ Bei Frauen über 60 Jahren oder solchen mit einer Kontraindikation gegen MHT sind nicht-hormonale anti-resorptive Therapien wie
Bisphosphonate oder Denosumab die Therapie der ersten Wahl.
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