Osteoporose ist in der Schweiz weiterhin eine häufige Ursache für Fragilitätsfrakturen. Beim 27. Fortbildungskolloquium des Collège de Médecine de Premier Recours (CMPR) in Zusammenarbeit mit der Clinical Skills Academy (CSA) in Lausanne betonte Prof. Serge Ferrari, dass die Risikobeurteilung über die Knochendichte hinausgehen muss: Entscheidend ist die Kombination aus DXA, FRAX und klinischen Faktoren.
Prof. Serge Ferrari
Osteoporose ist nach wie vor eine schwerwiegende chronische Erkrankung, die zu Fragilitätsfrakturen mit erheblichen medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen führt, sagte Prof. Serge Ferrari, Chefarzt der Abteilung für Knochenerkrankungen, Universitätsspitäler Genf (HUG).
Epidemiologie
• 2019 gab es in der Schweiz 82 000 neue Fragilitätsfrakturen.
• Das entspricht:
– 226 Frakturen pro Tag
– 9,4 Frakturen pro Stunde
• Dies führt zu hohen Kosten:
– Invalidität aufgrund langfristiger Folgen: 746 Millionen Euro
– Direkte Kosten im Zusammenhang mit Frakturen: 2,62 Milliarden Euro
• Prognose: Anstieg der Frakturen um 37,5 % bis 2034.
Diagnose: über die Knochendichte hinaus
Die DXA-Knochendichtemessung an der Lendenwirbelsäule und der Hüfte bleibt die Referenzuntersuchung. Ein T-Score ≤ –2,5 definiert eine manifeste Osteoporose. Prof. Ferrari betont jedoch, dass die Knochenmineraldichte (BMD) allein nicht ausreicht, um das Frakturrisiko zu bewerten.
Knochendichtetest
Das auf die Schweiz zugeschnittene FRAX-Tool (Fracture Risk Assessment Tool) ermöglicht die Abschätzung der Zehn-Jahres-Frakturwahrscheinlichkeit unter Einbeziehung von Faktoren wie einer längeren Kortikosteroidtherapie, Stürzen in der Vorgeschichte, Typ-2-Diabetes oder der Länge des Oberschenkelhalses. Neben diesen Parametern sind weitere Risikofaktoren ausschlaggebend: fortgeschrittenes Alter, weibliches Geschlecht, niedriger Body-Mass-Index, familiäre Vorbelastung mit Hüftfrakturen, Alkohol- und Tabakkonsum sowie bestimmte chronische Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, Hyperthyreose, entzündliche Darmerkrankungen). Dieser kombinierte Ansatz ermöglicht eine genauere Risikostratifizierung und bestimmt die therapeutische Indikation.
Klinischer Fall
Es wurde der Fall einer 55-jährigen Patientin vorgestellt, die als Assistentin einer Geschäftsleitung arbeitet. In der Familienanamnese fällt auf, dass die Mutter der Patientin im Alter von 66 Jahren nach einem leichten Trauma eine Femurhalsfraktur erlitt. Die Patientin befindet sich seit vier Jahren in der Menopause und hat keine Hormonersatztherapie (HET) erhalten.
Der BMI der Patientin beträgt 48 kg/m² bei einer Körpergrösse von 1,56 m, was als Untergewicht klassifiziert wird.
Der Konsum von Tabakwaren belief sich auf circa zehn Zigaretten pro Tag.
Es liegen keine weiteren Erkrankungen oder Vorbehandlungen der Patientin vor.
Wie behandeln?
Die Schweizerische Gesellschaft gegen Osteoporose empfiehlt, dass bei älteren Menschen, die kürzlich eine Fraktur erlitten haben, so schnell wie möglich mit einer Behandlung gegen Osteoporose begonnen wird. Die klinische Beurteilung entscheidet darüber, wie die Behandlungsrichtlinien im Einzelfall anzuwenden sind. Mittels der Gabe von Antiresorptiva kann ein langfristiger Anstieg der Knochendichte erzielt werden. Denosumab hat sich als wirksamerer Wirkstoff im Vergleich zu Zoledronsäure erwiesen, während Zoledronsäure wiederum eine höhere Wirksamkeit aufweist als Alendronat.
Die Dauer der Behandlung wird anhand der Ausgangs-Knochendichte sowie des Vorliegens (Fehlens) von Frakturen und einer Knochendichte-Bewertung (alle zwei Jahre) festgelegt.
Für Raloxifen (RLX) gilt eine Behandlungsdauer von bis zu zehn Jahren, CAVE: beim Absetzen kommt es zu einem beschleunigten BMD-Verlust.
Für Bisphosphonate (BPs) gilt eine Behandlungsdauer von bis zu fünf Jahren, wobei ein teilweiser Erhalt der BMD bei Absetzen zu verzeichnen ist.
Für Denosumab gilt eine Behandlungsdauer von bis zu zehn Jahren und mehr, je nach Fall. Es konnte festgestellt werden, dass es bei der Absetzung von CAVE zu einem beschleunigten BMD-Verlust kommt.
Eine Langzeitbehandlung mit Denosumab kann für Patienten mit hohem Frakturrisiko, die bereits mit Denosumab behandelt werden, aufgrund des günstigen Wirksamkeits- und Sicherheitsprofils in Betracht gezogen werden. Nach Absetzen von Denosumab sollte sechs Monate nach der letzten Injektion eine alternative antiresorptive Behandlung (Zoledronat) initiiert werden. Die Evaluation der Marker für den Knochenumsatz kann dabei eine signifikante Rolle bei der Bestimmung der optimalen Dosierung spielen. Zehn Jahre nach Beginn einer Studie von Bolland MJ et al. (NEJM 2025) hat sich Zoledronat, das zu Beginn der Studie und nach 5 Jahren verabreicht wurde, als wirksam bei der Vorbeugung morphometrischer Wirbelfrakturen bei Frauen mit vorzeitiger Menopause erwiesen.
Prävention: Fundament jeder Osteoporosebehandlung
Neben der medikamentösen Therapie bleibt die Prävention zentral. Sie umfasst folgende Massnahmen:
• Kalziumzufuhr: 1000–1200 mg/Tag über Ernährung (Milchprodukte, grünes Gemüse, Mineralwasser)
• Vitamin D: Supplementation von 800–1000 IE/Tag, um 25(OH)-Vitamin D > 75 nmol/l zu erreichen
• Bewegung: Regelmässige, gewichtsbelastende Aktivität (Gehen, Treppensteigen, Tanzen) zur Stimulation des Knochenstoffwechsels
• Sturzprophylaxe: Krafttraining, Balanceübungen, Sehhilfen, sichere Wohnumgebung
• Rauchstopp und moderater Alkoholkonsum: beide sind unabhängige Risikofaktoren für Frakturen
Schlussfolgerung
Die Osteoporose ist eine chronische, systemische Skeletterkrankung mit erheblichen individuellen und sozioökonomischen Folgen. Eine frühzeitige Diagnostik mittels DXA, die Berücksichtigung klinischer Risikofaktoren und eine konsequente Therapie gemäss aktuellen Leitlinien sind entscheidend, um Frakturen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.
Anlässlich des 27. Fortbildungskolloquiums des Collège de Médecine de Premier Recours (CMPR) mit der Clinical Skills Academy (CSA) in Lausanne sprach Dr. med. Daniela Sofra, Fachärztin am Hôpital de Lavaux, zum Thema Adipositas, zum Thema Adipositas, und welche Implikationen sich bei einem Behandlungsstopp zeigen.
Dr. med. Daniela Sofra
Die Referentin begann mit der Wirksamkeit von Behandlungen zur Gewichtsreduktion. Sie stellte die Daten zu Mounjaro® und Wegovy® vor, die zu einer aussergewöhnlichen Gewichtsabnahme führen.
Der Wirkmechanismus von Semaglutid (Wegovy®) besteht darin, dass im Gehirn ein erhöhtes Sättigungsgefühl und eine Verringerung der Energiezufuhr hervorgerufen werden, während in der Bauchspeicheldrüse die Insulinsynthese sowie die Insulin- und Glukagonsekretion vom Glukosespiegel abhängig sind. Die Glukoseproduktion in der Leber wird gehemmt und die Magenentleerung verzögert.
Aber was passiert, wenn die Behandlung abgebrochen wird?
Bei beiden Medikamenten kommt es zu einer Gewichtszunahme, die fast den Ausgangswert erreicht.
Gewichtsverlust mit anderen Mitteln, fettarmer Ernährung, mediterraner Ernährung und kohlenhydratarmer Ernährung führt ebenfalls zu einer Gewichtsreduktion, jedoch in viel geringerem Masse, wobei die mediterrane Ernährung und die kohlenhydratarme Ernährung etwas wirksamer sind als die fettarme Ernährung. Bei Beendigung dieser Diäten kommt es ebenfalls zu einer Gewichtszunahme, die jedoch viel geringer ausfällt. Mit bariatrischen Operationen (Magenband oder Ähnliches, Schlauchmagen oder Ähnliches, Y-Bypass). Die Gewichtsabnahme mit diesen Methoden liegt zwischen –20 % und –35 % (bariatrische Chirurgie). Die Gewichtszunahme nach Beendigung der Behandlung ist geringer und liegt in der Grössenordnung von 5 bis 10 %.
Adipositas ist eine neurometabolische Erkrankung
Das Gehirn steuert sowohl das Hungergefühl als auch den Energiestoffwechsel des Körpers.
Der hypothalamisch-intestinale-adipöse Kreislauf kann wie folgt beschrieben werden:
• ein «afferenter» Arm, über den das periphere Gewebe dem Hypothalamus den Stoffwechselzustand signalisiert
• einem «efferenten» Arm, über den der Hypothalamus Signale über das autonome Nervensystem an das periphere Gewebe zurücksendet, um die Homöostase des Energiehaushalts des menschlichen Körpers aufrechtzuerhalten.
Mögliche Mechanismen, die an der Gewichtszunahme nach GLP1/GIP-Analoga beteiligt sind:
• Hormonelles Ungleichgewicht nach Absetzen von GLP-1RA.
• Dysregulation des Signalwegs und Unfähigkeit der Zellen des Zentralnervensystems (ZNS), die Nahrungsaufnahme bei übergewichtigen Menschen zu regulieren.
• Verlust der Appetitunterdrückung und Zunahme des Hungergefühls.
• Funktionsstörung der Betazellen aufgrund der fortgesetzten Verwendung von GLP-1RA.
• Verminderte Insulinproduktionsfähigkeit nach Absetzen von GLP-1RA, was zu Diabetes und Gewichtszunahme führen kann.
Woraus besteht das nach einer Adipositas-behandlung verlorene Gewicht?
Studien zeigen, dass Menschen bei einer Behandlungsdauer von etwa 68 bis 72 Wochen mindestens 10 % ihrer Muskelmasse verlieren können. Dies entspricht einem Muskelverlust, der etwa 20 Jahren altersbedingtem Muskelabbau entspricht.
Faktoren, die den Muskelverlust verschlimmern können
Abnehmen ist gut, aber man muss darauf achten, nicht zu viel Muskelmasse zu verlieren, da dies den Körper schwächen und den Stoffwechsel verlangsamen kann. Um die Muskelmasse während einer Gewichtsreduktion zu erhalten, müssen zwei wesentliche Faktoren berücksichtigt werden: Ernährung: Es muss ausreichend hochwertiges Eiweiss (wie es in Fleisch, Fisch, Eiern oder Milchprodukten enthalten ist) sowie Mikronährstoffe (Vitamine und Mineralien) aufgenommen werden. Manchmal können Nahrungsergänzungsmittel erforderlich sein, um eine optimale Versorgung sicherzustellen.
Körperliche Bewegung: Kraft- oder Widerstandstraining ist sehr effektiv, um den Muskelabbau zu begrenzen und die Kraft zu erhalten. Cardio-Training (Laufen, schnelles Gehen) hilft, die Zuckerreserven zu verbrennen, aber um Fett effektiv zu verbrennen, muss man auch Krafttraining machen.
Das EMBLA-Programm
Dieses Programm kombiniert Medikamente zur Gewichtsreduktion mit einer umfassenden Betreuung:
• Betreuung durch Fachleute wie Krankenschwestern, Ärzte, Gesundheitscoaches und Psychologen.
• Unterstützung in Gruppen oder Gemeinschaften, um den Weg zu ermutigen und zu begleiten.
Ein ganzheitlicher Ansatz zur Behandlung von Übergewicht
Es reicht nicht aus, nur Medikamente einzunehmen. Die Behandlung muss ganzheitlich sein, d. h. alle Aspekte der Gesundheit berücksichtigen:
• Die Bedürfnisse des Körpers respektieren, z. B. mindestens 6 bis 7 Stunden unter guten Bedingungen schlafen, nicht zu spät essen oder die Nahrungsmenge am Abend reduzieren.
• Sich ausgewogen ernähren, dem natürlichen Rhythmus des Körpers folgen, viel Gemüse, Obst und Proteine zu sich nehmen und Übermässiges vermeiden.
• Die psychische Gesundheit fördern, da Stress oder Depressionen die Gewichtszunahme beeinflussen können.
• Eine geeignete körperliche Aktivität ausüben, insbesondere Muskelkräftigungsübungen. Cardio-Training ist nützlich, um Zucker zu verbrennen, aber Krafttraining ist unerlässlich, um Fett zu verbrennen und die Muskelmasse zu erhalten.
Was tun nach Beendigung der Behandlung?
Oft kommt es nach Beendigung einer Behandlung zu einer erneuten Gewichtszunahme. Der Körper reagiert physiologisch mit gesteigertem Appetit, vermindertem Sättigungsgefühl und reduziertem Energieverbrauch, was zu einer erneuten Gewichtszunahme führen kann. Eine strukturierte und auf jede Person zugeschnittene Nachsorge ist daher von entscheidender Bedeutung, da jeder Körper anders reagiert. Eine massgeschneiderte Betreuung ermöglicht es, die Ergebnisse zu optimieren und Nebenwirkungen zu begrenzen.
Auf die Frage «Stopp oder Weitermachen bei der Behandlung von Adipositas?» gebe es derzeit keine eindeutige Antwort, schloss die Referentin.
Über die Auswirkungen risikoreduzierender Operationen bei jungen BRCA-Trägerinnen mit einer Vorgeschichte von Brustkrebs gibt es nur wenige Erkenntnisse. In einer kürzlich publizierten Studie untersuchten die Autoren den Zusammenhang zwischen einer risikoreduzierenden Mastektomie (RRM), einer risikoreduzierenden Salpingo-Oophorektomie (RRSO) oder beiden Eingriffen und den Überlebensaussichten in einer grossen, globalen Kohorte junger BRCA-Trägerinnen mit Brustkrebs in der Vorgeschichte.
Methoden
Die «BRCA BCY Collaboration» ist eine internationale, krankenhausbasierte, retrospektive Kohortenstudie, die in 109 Zentren auf fünf Kontinenten durchgeführt wird. In die Studie wurden Frauen eingeschlossen, die Keimbahn-BRCA1-, BRCA2- oder beide pathogene oder wahrscheinlich pathogene Varianten tragen und bei denen zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. Dezember 2020 invasiver Brustkrebs im Stadium I–III im Alter von 40 Jahren oder jünger diagnostiziert wurde. Das primäre Ziel der vorliegenden Analyse bestand darin, den Zusammenhang zwischen RRM oder RRSO und dem Gesamtüberleben bei jungen BRCA-Trägerinnen mit Brustkrebs zu ermitteln. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben.
Ergebnisse
Zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. Dezember 2020 wurden 5290 Patientinnen eingeschlossen. Von diesen waren 3361 (63,5 %) Trägerinnen der pathogenen BRCA1-Variante, 2708 (51,2 %) hatten Knoten-negativen und 2421 (45,8 %) hormonrezeptorpositiven Brustkrebs. Von den 5290 Patientinnen unterzogen sich 2910 (55,0 %) einer RRM und 2782 (52,6 %) einer RRSO. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 8,2 Jahren (IQR 4,7–12,8) war die RRM im Vergleich zu keiner RRM mit einem signifikant besseren Gesamtüberleben assoziiert (bereinigte HR [aHR] 0,65, 95 % CI 0,53–0,78; 20-jährige eingeschränkte mittlere Gesamtüberlebenszeit 17,89 Jahre [95 % CI 17,61–18,17] mit RRM gegenüber 16,65 Jahren [16,38–16,92] ohne RRM). Auch die RRSO war mit einer signifikant besseren Gesamtüberlebenszeit verbunden (aHR 0,58, 95 % CI 0,48–0,71; 20-jährige eingeschränkte mittlere Gesamtüberlebenszeit 17,73 Jahre [95 % CI 17,43–18,03] mit RRSO vs. 16,67 Jahre [16,38–16,96] ohne RRSO).
Interpretation
In dieser globalen Kohorte von BRCA-Trägerinnen, die in jungen Jahren an Brustkrebs erkrankt waren, waren sowohl die RRM als auch die RRSO mit einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens verbunden. Diese Ergebnisse liefern Anhaltspunkte für eine massgeschneiderte Beratung dieser einzigartigen und hochgefährdeten Patientengruppe zu Strategien des Krebsrisikomanagements.
Kommentar
Diese weltumspannende Studie liefert einzigartige Informationen zu einem Thema, das sich mit klassischen randomisierten Studien kaum untersuchen lässt. Erstaunlich ist die vergleichbare Wirkung von prophylaktischer Mastektomie (mit oder ohne Rekonstruktion) und Salpingo-Oophorektomie. Die Interaktionstests in verschiedenen Subgruppen bilden die bisher beste bekannte Grundlage, um Frauen mit BRCA-Mutationen entsprechend ihrer Ausgangssituation und ihren Bedürfnissen noch besser zu beraten und Alternativen zur häufig durchgeführten Mastektomie (meist ohnehin gefolgt von einer BSO) anzubieten. Zudem könnten die rasante Entwicklung der Früherkennung mittels Bluttests sowie die Bildgebung mit KI-Unterstützung, möglicherweise früher als gedacht, weitere Alternativen zur risikoreduzierenden Mastektomie aufzeigen. Weiter zu beachten ist, dass der Nutzen, zumindest betreffend Mortalität, heute wahrscheinlich geringer ausfällt, weil BRCA-Mutationen heute häufiger gesucht und diagnostiziert werden und Patientinnen diesbezüglich wahrscheinlich auch flächendeckend besser überwacht werden (MRI-Screening) und damit auch früher gehandelt wird, wenn Brustkrebs auftritt. Zudem hat sich die Behandlung seit dem Beginn der Beobachtungen deutlich verbessert.
Positiv ist auch, dass unser IBCSG-Netzwerk hier massgeblich mitgearbeitet hat. Das ist für uns ein Ansporn, den internationalen Anschluss der Schweiz nicht zu verlieren. Ganz ohne zusätzliches Engagement für vermehrte Zusammenarbeit und etwas mehr finanzielle Ressourcen (und etwas weniger Bürokratie) aller Akteure wird das kaum möglich sein.
Quelle Blondeaux E et al. Association between risk-reducing surgeries and survival in young BRCA carriers with breast cancer: an international cohort study. The Lancet Oncology 2025 ; Volume 0, Issue 0
Berufsbedingte Lungenerkrankungen (BL) entstehen durch Schadstoffexpositionen am Arbeitsplatz und bleiben trotz Arbeitsschutzmassnahmen ein relevantes Gesundheitsproblem. In der Schweiz werden sie nach Art. 9 UVG anerkannt, wenn der gesetzlich geforderte kausale Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit besteht. Häufige BL sind Pleuraplaques, berufsbedingtes Asthma, Pneumokoniosen und COPD. Die Diagnostik und Anerkennung hängen stark von der genauen arbeitsmedizinischen Expositionsabklärung und den klinischen Befunden ab. Präventive Massnahmen erfolgen auf drei Ebenen (Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention). Eine frühzeitige Diagnose bei Verdacht ist essenziell, um Erkrankungsverläufe positiv zu beeinflussen und Betroffene zu schützen.
Occupational lung diseases (OLD) are caused by exposure to harmful substances in the workplace and remain a significant health concern despite occupational safety measures. In Switzerland, they are recognized under Article 9 of the Accident Insurance Act (UVG) if the legally required causal link to occupational activity is established. Common OLDs include pleural plaques, occupational asthma, pneumoconioses, and COPD. Diagnosis and recognition depend heavily on detailed occupational exposure assessment and clinical findings. Preventive measures are implemented on three levels (primary, secondary, and tertiary prevention). Early diagnosis in suspected cases is essential to positively influence disease progression and protect affected individuals. Key words: Occupational lung diseases; Work-related asthma; Pneumoconiosis; Hypersensitivity pneumonitis; occupational disease prevention
Einleitung
Hinweis: Aufgrund der uns vorgegebenen begrenzten Zeichenzahl für diesen Artikel wird nicht auf maligne und infektiöse Berufserkrankungen der Lunge eingegangen.
In der Schweiz erfolgt die Anerkennung einer Berufskrankheit gemäss Art. 9 des Unfallversicherungsgesetzes (UVG). Dabei unterscheidet man zwischen zwei Hauptarten der Anerkennung: Art. 9.1 UVG umfasst Erkrankungen, die oder deren verursachende Expositionen ausdrücklich in einer Liste (1) genannt sind und somit bekanntermassen einer beruflichen Ursache zugeordnet werden können. Hierbei erfolgt die Anerkennung vereinfacht, wenn diese durch die berufliche Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend (≥ 50%) verursacht worden sind. Bei Art. 9.2 UVG hingegen handelt es sich um Erkrankungen, die nicht explizit aufgelistet sind oder deren verursachende Stoffe nicht auf der Liste genannt sind, jedoch im Einzelfall nachweislich ausschliesslich oder stark überwiegend (≥ 75 %) durch berufliche Tätigkeiten verursacht wurden.
Eine Berufskrankheit kann auch als «Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung» anerkannt werden, wenn berufliche Einwirkungen nachweislich zu einer signifikanten und objektivierbaren Verschlechterung des Krankheitsverlaufs geführt haben. Davon abzugrenzen ist eine sogenannte «ungünstige Beeinflussung», bei der die beruflichen Faktoren lediglich Symptome verstärken, aber nicht zu einer nachweisbaren dauerhaften oder wesentlichen Verschlechterung der bestehenden Grunderkrankung führen.
Berufsbedingte Lungenerkrankungen (BL) sind Erkrankungen der Lunge und Atemwege, die durch Expositionen am Arbeitsplatz ausgelöst oder verschlechtert werden. Trotz Fortschritten im Arbeitsschutz sind sie weiterhin ein wichtiges Thema, da sie einen relevanten Anteil an chronischen Atemwegserkrankungen ausmachen. Je nach Art der Einwirkung – durch alveolengängige Stäube, chemische Reizstoffe in Form von Gasen, Rauch oder Dämpfen – können sich unterschiedliche Krankheitsbilder entwickeln. Diese reichen von reversiblen Erkrankungen wie dem berufsbedingten Asthma bis hin zu chronisch-fibrosierenden Veränderungen, wie man sie etwa bei der Silikose findet.
Betroffene haben nicht selten eine dauerhaft eingeschränkte Lungenfunktion, was sich negativ auf ihre Lebensqualität und Erwerbsfähigkeit auswirken kann. Um dem entgegenzuwirken, legen wir in diesem Artikel ein besonderes Augenmerk auf die Prävention.
Epidemiologie in der Schweiz
Zwischen 2014 und 2023 wurden in der Schweiz rund 2700 Fälle von berufsbedingten Atemwegs- und Lungenerkrankungen von UVG-Versicherern anerkannt (Erkrankungen der oberen Atemwege, Infektionen und Krebserkrankungen ausgenommen). In diesen Jahren machten die BL etwa jeweils 10 % aller anerkannten Berufskrankheiten aus. Die häufigsten anerkannten Berufskrankheiten aus diesem Bereich waren (Abb. 1):
• Pleuraplaques ca. 50 %
• Berufsasthma ca. 34 %
• Pneumokoniosen ca. 9 %
• Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ca. 1 %
• Hypersensitivitätspneumonitis (HP)/ Exogen allergische Alveolitis ca. 1 %
Diese Zahlen zeigen, dass klassische berufsbedingte Lungenerkrankungen auch heute noch häufig vorkommen und daher klinisch relevant bleiben.
1. Pleuraplaques
Pleuraplaques stellen die häufigste radiologische Manifestation einer beruflichen Asbestexposition dar. Es handelt sich dabei um umschriebene Verdickungen der parietalen Pleura, typischerweise an der Thoraxwand oder dem Zwerchfell, die meist beidseitig auftreten und Verkalkungen aufweisen. Klinisch sind Pleuraplaques in der Regel asymptomatisch und führen nicht zu einer Einschränkung der Lungenfunktion (2).
Trotzdem haben sie aus arbeitsmedizinischer Sicht eine grosse Bedeutung: Ihr Nachweis gilt als objektives Zeichen einer zurückliegenden Asbestexposition ohne histologische Diagnostik. In der Schweiz werden Pleuraplaques unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt, insbesondere bei belegbarer UVG-versicherter beruflicher Asbestexposition.
Wichtig: Pleuraplaques stellen keine Präkanzerose dar und erhöhen das Risiko für maligne Erkrankungen nach Asbestexposition nicht (3). Betroffene Personen werden nichtsdestotrotz im Rahmen der arbeitsmedizinischen Nachsorge «Asbest» in 5-jährigen Intervallen zu klinischen Kontrollen eingeladen.
Hinweis: Pleuraplaques erfüllen die Krankheitsdefinition des ATSG (Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts) nicht, werden jedoch trotzdem als Berufskrankheit registriert, da sie in Zusammenhang mit anderen asbestinduzierten Erkrankungen als Expositionsmarker relevant sein können.
2. Obstruktive Lungenerkrankungen
Berufsbedingtes Asthma bronchiale
Das Berufsasthma ist die häufigste arbeitsbezogene Atemwegserkrankung neben den asbestverursachten Erkrankungen. Die Diagnose des Asthmas erfolgt nach den GINA-Empfehlungen (4). Innerhalb des berufsbedingten Asthmas unterscheidet man, wie in Abb. 2 grafisch dargestellt, zwei wesentliche Kategorien: das «Berufsasthma» und das «arbeitsplatzexazerbierte Asthma» (5).
Das Berufsasthma selbst kann weiter in zwei pathogenetische Subtypen gegliedert werden: Zum einen in das sensibilisierende Berufsasthma, welches durch immunologische Mechanismen infolge einer Sensibilisierung gegenüber spezifischen beruflichen Allergenen entsteht, und zum anderen in das irritativ-toxische Berufsasthma resp. irritant induced Asthma, einschliesslich des Reactive Airways Dysfunction Syndroms (RADS), das durch eine irritative Schädigung der Atemwege verursacht wird (5).
Demgegenüber beschreibt das arbeitsplatzexazerbierte Asthma (WEA) keine primär arbeitsbedingte Entstehung, sondern eine Verschlimmerung einer bereits bestehenden asthmatischen Erkrankung durch berufliche Einflüsse. Dieses Phänomen kann in ausgeprägter Form als «Verschlimmerung einer vorbestehenden Erkrankung» auftreten, wodurch es ähnlich wie eine Berufskrankheit nach Art. 9 UVG durch den Versicherungsträger übernommen wird.
Die Differenzierung zwischen diesen verschiedenen Formen des Berufsasthmas ist entscheidend für eine korrekte Diagnosestellung, Prävention und Anerkennung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Beurteilung.
Das Berufsasthma lässt sich in zwei Hauptformen unterteilen:
• Sensibilisierend induziertes Asthma: Dieses entsteht durch allergische Reaktionen auf berufliche Substanzen wie Mehlstaub, Isocyanate, Tierhaare oder Enzyme (6). Grossmolekulare Substanzen lösen dabei überwiegend IgE-vermittelte oder selten Typ-IV-Reaktionen aus, während niedermolekulare Substanzen neben diesen bekannten Wegen auch über bislang nicht vollständig geklärte Pathomechanismen wirken können (5, 7). Typisch ist ein zeitlich verzögerter Beginn, der sich unter fortgesetzter Exposition verschlechtert. Die Zusatzdiagnostik (neben den GINA-Empfehlungen) erfolgt durch eine genaue berufliche Anamnese, wenn möglich Lungenfunktionstests am Arbeitsplatz (serielle Lungenfunktionsmessung oder Peak-Flow-Protokolle), allergologische Abklärungen und ggf. spezifische bronchiale Provokationstests (aktuell in der Schweiz nicht verfügbar).
• Irritativ induziertes Asthma resp. irritant induced Asthma – zu dem auch das Reactive Airways Dysfunction Syndrome (RADS) zählt, wird diagnostisch in drei Subgruppen unterteilt. Definitiv irritativ induziertes Asthma (resp. RADS) liegt vor, wenn eine einmalige massive Reizstoff-Exposition (etwa durch Unfall) ohne Latenz zur Erkrankung führt: In der Erstbeschreibung durch Brooks müssen die Symptome innerhalb von 24 Stunden nach dem Ereignis beginnen. Die anfängliche Symptomatik ist meist so ausgeprägt, dass sie noch am selben Tag medizinisch betreut werden muss, und die Beschwerden persistieren über mindestens drei Monate; zudem darf nach Brooks keine vorbestehende Atemwegserkrankung bestanden haben und in der Lungenfunktionsprüfung muss eine reversible Obstruktion oder eine bronchiale Hyperreagibilität nachweisbar sein (8). Sind diese strengen RADS-Kriterien nicht vollständig erfüllt, erscheint ein irritativ induziertes Asthma zwar möglich, aber nicht gesichert. Man spricht dann von einem wahrscheinlich irritativ induzierten Asthma, das «mit überwiegender Wahrscheinlichkeit» durch die irritative Exposition verursacht wurde. Schliesslich gibt es Hinweise, dass auch über Jahre andauernde Expositionen zu leicht irritativen Stoffen über der «Maximalen Arbeitsplatz-Konzentration» das Risiko für Asthma erhöhen können (beispielsweise Mitarbeiter in Grossdruckereien). Ein dadurch neu ausgelöstes Asthma lässt sich beim einzelnen Patienten jedoch meist nicht zuverlässig als irritativ induziert nachweisen – in solchen Fällen wird allenfalls von einem möglichen irritativ induzierten Asthma gesprochen (5). Die gesetzlich geforderte Kausalität zum Arbeitsplatz lässt sich in dieser Subgruppe häufig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachweisen, da die relevanten Expositionen schon Jahre zurückliegen.
• Definite IIA (RADS): Plötzlicher Beginn der Beschwerden innerhalb von 24 Stunden nach Exposition, nachweisbare Hyperreagibilität, keine Asthma-Vorgeschichte. BK-Anerkennung aufgrund der vorhandenen Belege für die arbeitsbedingte Kausalität meist einfach.
• Probable IIA: Ähnliche Symptome, aber nach längerer oder wiederholter Exposition. BK-Anerkennung bei vorhandenen Belegen einer entsprechenden beruflichen Exposition möglich. • Possible IIA: Beschwerden bestehen, aber die Kriterien für eine eindeutige BK-Anerkennung nach UVG sind meist schwer zu erfüllen.
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
COPD kann ebenfalls durch berufliche Exposition entstehen oder verstärkt werden. Besonders gefährdet sind Nichtraucher, die über Jahre hinweg Feinstäuben, Rauch oder Reizgasen ausgesetzt waren. Typische Risikobranchen sind Tunnel- und Bergbau, Baugewerbe und Metallverarbeitung.
COPD beruht auf einer chronischen Entzündungsreaktion der kleinsten Atemwege. Die typischen Symptome (chronischer Husten, Auswurf und Belastungsdyspnoe) entwickeln sich schleichend über viele Jahre. Eine genaue arbeitsmedizinische Anamnese ist entscheidend, da sich beruflich bedingte Formen klinisch nicht von raucherassoziierten unterscheiden lassen.
Die COPD wird in Industrieländern am häufigsten durch Tabakrauch verursacht, kann neben den bekannten nicht beruflichen Risikofaktoren wie niedrigem Geburtsgewicht, wiederholte Atemwegsinfekte in der Kindheit, genetische Prädisposition (unter anderem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel), Luftverschmutzung sowie Passivrauchen aber auch durch arbeitsplatzbezogenen Schadstoffexpositionen beispielsweise in der Landwirtschaft entstehen (9).
Es gilt als erwiesen, dass hohe kumulative Lebensdosen an alveolargängigem Staub eine COPD verursachen können (10). Als andere verursachende Stoffe werden Quarzstaub (11), Schweissrauche, Dieselabgase und andere diskutiert. Diese Schadstoffe verursachen chronische Entzündungsreaktionen in den kleinsten Atemwegen, die zu einer irreversiblen Obstruktion und teilweise zu einem Lungenemphysem führen können. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge sind etwa 10–20 % aller COPD-Fälle wesentlich auf berufliche Expositionen zurückzuführen (12). Dabei wirkt die berufliche Schadstoffbelastung synergistisch mit dem Tabakrauchen, was insbesondere bei starken Rauchern eine Abgrenzung der beruflichen Verursachung erschwert. In der Schweiz wird die COPD als Berufskrankheit anerkannt, wenn die berufliche Exposition als wesentliche Ursache der Erkrankung eindeutig nachgewiesen werden kann. Beispielsweise ist die Anerkennung bei bestehender fortgeschrittener Silikose als Folgeerkrankung möglich.
3. Interstitielle Lungenerkrankungen
Pneumokoniosen
Pneumokoniosen sind Erkrankungen, die durch das Einatmen anorganischer Stäube über viele Jahre entstehen können. Sie führen per Definition zu einer narbigen Veränderung des Lungengewebes. Wichtige Beispiele sind:
• Silikose: Verursacht durch Quarzstaub, z. B. im Steinbruch, Tief- und Tunnelbau oder in Giessereien. Typisch sind ein noduläres Ausbreitungsmuster mit apicobasalem Gradienten im CT und eine restriktive Lungenfunktion (13).
• Asbestose: Kann nach ausgeprägter Exposition zu Asbestfasern entstehen. Typische radiologische Zeichen hierfür sind ein retikuläres Gesamtbild mit baso-apicalem Gradienten (gegenteilig zur Silikose). Typisch sind senkrecht zur Pleura stehende und von der Pleura aus ins Lungengewebe ziehende Fibrosebänder. Eine Spezialform dieser Bänder bilden die sog. «Krähenfüsse», die im CT als strahlenförmig verlaufende, feine Linien ausgehend von Pleuraverdickungen in das Lungenparenchym ziehen. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist die Rundatelektase. Besonders die Kombination von interstitiellen Veränderungen und pleuralen Auffälligkeiten, vorrangig verkalkte Pleuraplaques, sind charakteristisch für diese Pneumokoniose.
• Berylliose: Eine seltene Form, ausgelöst durch Beryllium. Klinisch und histologisch ist sie kaum von der Sarkoidose zu unterscheiden. Betroffen sind v. a. Personen in der Luftfahrt-, Elektronik-, Rüstungsindustrie und Zahntechnik. Wichtig sind: gezielte Expositionsanamnese mit Frage nach Beruf und Berylliumexposition. Als Beleg einer Sensibilisierung ist der Lymphozyten-Proliferationstest (BeLPT) der Goldstandard (14).
Die HP ist eine entzündliche Immunreaktion auf eingeatmete organische Stoffe wie Pilze, Tierproteine oder Bakterienbestandteile. Sie tritt meist subakut oder chronisch auf. Symptome sind Atemnot, Husten, Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl. Für die Anamnese wird der Fragebogen des Schweizerischen Pneumologenverbands empfohlen (https://pneumo.ch/wp-content/uploads/2024/12/HP-Fragebogen-deutsch_NEU.pdf). Die Diagnostik besteht aus grosser Lungenfunktion mit Diffusionskapazität ggf. ergänzt durch eine aBGA. Die empfohlene Bildgebung wäre ein hochauflösendes CT-Thorax. Zur weiterführenden spezifischen Diagnostik gehört dann eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage, ggf. Zytologie und Histologie. Als in vitro Diagnostik können bei suggestiver Anamnese spezifische IgG-Antikörper nachgewiesen werden. Die Basis der Therapie ist eine vollständige Allergenkarenz, die auch durch medikamentöse Immunsuppression ergänzt werden kann.
Prävention
In der Arbeitsmedizin wird Prävention in drei Stufen unterteilt: Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Sie alle basieren auf dem sogenannten STOP-Prinzip, einem bewährten Modell zur Reduktion von Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz. Das Kürzel «STOP» steht für Substitution (Ersatz gefährlicher Stoffe durch ungefährlichere Alternativen), technische Massnahmen (wie Absaugungen oder geschlossene Systeme), organisatorische Massnahmen (z. B. kürzere Expositionszeiten oder rotierende Schichten, eingehende Information und Schulung der Arbeitnehmenden) sowie persönliche Schutzausrüstung (wie Atemschutzmasken oder Schutzkleidung). Dieses Prinzip wird je nach Präventionsstufe angepasst und durch weitere, situationsspezifische Massnahmen ergänzt.
Die Primärprävention zielt darauf ab, Erkrankungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Hier steht der Schutz vor potenziellen Gefahren im Mittelpunkt, etwa durch den Ersatz gesundheitsschädlicher Substanzen, bauliche und technische Schutzmassnahmen oder organisatorische Veränderungen, die die Belastung verringern. Ergänzend spielt auch die Aufklärung eine wichtige Rolle: Personen in gefährdeten Berufsgruppen sollen bereits während der Ausbildung lernen, Gefährdungen zu erkennen und richtig darauf zu reagieren. Ziel ist es, das Risiko von arbeitsbedingten Erkrankungen möglichst frühzeitig zu minimieren.
Die Sekundärprävention versucht in Hockrisikokollektiven durch spezielle Screeninguntersuchungen Erkrankungen möglichst frühzeitig zu erkennen. Ein typisches Beispiel ist die Quarzstaubvorsorgeuntersuchung der SUVA. Regelmässige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, Gesundheitskontrollen und strukturierte Informationen helfen den Versicherten, Veränderungen früh zu identifizieren. Parallel werden Arbeitsbedingungen überprüft und bei Bedarf angepasst – zum Beispiel durch technische Nachbesserungen oder die Installation von Absauganlagen, um die Exposition gezielt zu senken.
Die Tertiärprävention richtet sich an Menschen, die bereits eine arbeitsbedingte Erkrankung haben. Ihr Ziel ist es, eine Verschlechterung zu verhindern und die Lebensqualität sowie die berufliche Teilhabe zu erhalten. Hier kommen Massnahmen wie Rehabilitationsangebote, eine angepasste Arbeitsplatzgestaltung mit individueller persönlicher Schutzausrüstung oder einem betriebsinternen Wechsel an einen ungefährlichen Arbeitsplatz zum Tragen. Die Frage, ob eine Person ihre bisherige Tätigkeit weiterhin ausüben kann, wird in diesem Rahmen stets sorgfältig geprüft. In der Schweiz kann die SUVA gemäss Artikel 78 der Verordnung über die Unfallverhütung (VUV) als letztes Werkzeug der tertiären Prävention eine sogenannte Nichteignungsverfügung aussprechen, wenn beim Weiterführen der Tätigkeit eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung besteht – ein Schutzinstrument für betroffene Mitarbeitende.
Fazit
Berufsbedingte Lungenerkrankungen sind nach wie vor häufige und ernstzunehmende Diagnosen. Für Ärztinnen und Ärzte ist es zentral, Expositionen gezielt zu erfragen, Symptome richtig einzuordnen und geeignete diagnostische sowie präventive Massnahmen zu ergreifen, um Krankheitsverläufe frühzeitig zu beeinflussen und arbeitsbedingte Belastungen gezielt zu minimieren. Bei Verdacht auf eine Berufskrankheit sollte diese mit Einverständnis der betroffenen Person, von der Person selbst oder dem Arbeitgeber möglichst frühzeitig der zuständigen Unfallversicherung gemeldet werden. Nur so kann eine adäquate Versorgung sowie ein effektiver Schutz der betroffenen Personen gewährleistet werden.
Copyright
Aerzteverlag medinfo AG
Zur sprachlichen Unterstützung wurde ChatGPT (OpenAI) verwendet; sämtliche Inhalte wurden auf Richtigkeit und fachliche Korrektheit überprüft.
Dr. med. Felix Mangold
Suva
Fluhmattstrasse 1
6004 Luzern
Dr. med. Susanna Stöhr
Suva
Fluhmattstrasse 1
6004 Luzern
Die Autorenschaft haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
1. Unfallverhütungsvorschrift (UVV), Anhang 1, (1982).
2. T. Kraus HT, X. Baur, J. Alberty, S. Bock, R. Bohle, M. Duell, N. Hämäläinen, M. Heger BH, K. Hofmann-Preiss, K. Kenn, R. Koczulla, M. Nothacker, D. Nowak, I. Özbek, S. Palfner BR, J. Schneider, A. Tannapfel, T. Voshaar Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten Interdisziplinäre S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin eV und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin eV. 2020.
3. Brims FJH, Kong K, Harris EJA, Sodhi-Berry N, Reid A, Murray CP, et al. Pleural Plaques and the Risk of Lung Cancer in Asbestos-exposed Subjects. American journal of respiratory and critical care medicine. 2020;201(1):57-62.
4. Global Strategy for Asthma Management and Prevention. Global Initiative for Asthma (GINA); 2025.
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7. Tsui HC, Ronsmans S, Hoet PHM, Nemery B, Vanoirbeek JAJ. Occupational Asthma Caused by Low-Molecular-Weight Chemicals Associated With Contact Dermatitis: A Retrospective Study. The journal of allergy and clinical immunology In practice. 2022;10(9):2346-54 e4.
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9. Global Strategy for the Diagnosis, Management, and Prevention of COPD: 2025 Report. 2025.
10. Wissenschaftliche Begründung für die BK Nr. 4111. Bundesministerium für Arbeit und Soziales BRD. 1995.
11. Wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit „Chronische obstruktive Bronchitis einschliesslich Emphysem durch Quarzstaubexposition bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis am Arbeitsplatz von mindestens zwei Quarz-Feinstaubjahren [(mg/m³) x Jahre] oberhalb der Konzentration von 0,1 mg/m³“. Bundesministerium für Arbeit und Soziales BRD. 2022.
12. Blanc PD, Annesi-Maesano I, Balmes JR, Cummings KJ, Fishwick D, Miedinger D, et al. The Occupational Burden of Nonmalignant Respiratory Diseases. An Official American Thoracic Society and European Respiratory Society Statement. American journal of respiratory and critical care medicine. 2019;199(11):1312-34.
13. PREISSER AM EC, CERVIS LI, DEIMLING A, DUELL M, FEDER IS, HEISE A, HOFMANN, PREIss K JD, KRAUS T, LUDWIG K, NOWAK D, TANNAPFEL A, ZAGRODNIK FD, WORTH H. Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) der Berufskrankheitenverordnung (BKV). AWMF S2k-Leitlinie. 2025.
14. Dr. Ulrike Euler CFl, Yvonne Martin. Gesundheitsüberwachung bei Beryllium-Exposition und diagnostisches Vorgehen bei beryllium-assoziierter Erkrankung (Leitlinie). Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), S3-Leitlinie. 2014.
Es gibt diverse Plattformen, auf denen Gesundheitsdaten von onkologischen Patienten «aufbewahrt» und auch ausgewertet werden. Bisher waren solche Plattformen mehrheitlich in sich geschlossen und nicht interoperabel für einen Austausch unter Forschenden (Typ «Silo»).
Verantwortlich dürften hauptsächlich rigorose Datenschutzbestimmungen, aber auch Besitzansprüche an solchen Daten sein. Für seltene Krankheiten ist das eigentlich fatal. Die Frage stellt sich, ob das wirklich im Sinne von Betroffenen sein kann. Ich bezweifle das, und der einfache generelle Forschungskonsent, welcher an den meisten Schweizer Spitälern seit etwa 10 Jahren von den Patienten beim Erstkontakt in einer Klinik ausgefüllt wird, spricht eine klare Sprache: Die Patienten – mit wenigen Ausnahmen – sind bereit, ihre Daten zu teilen und am Fortschritt der Medizin teilzuhaben.
Was mit grossem Erfolg in der Welt der Viren gelungen ist, sollte in Zukunft doch auch mit menschlichen Daten möglich werden. Emma Hodcroft, eine britisch-amerikanische Molekularepidemiologin und Professorin in Basel, ist bekannt für ihre Arbeit im Bereich Virus-Phylogenetik und Open-Science-Initiativen. Sie hat Nextstrain, eine Open-Source-Plattform zur Echtzeit-Verfolgung von Krankheitserregern wie SARS-CoV-2, mitentwickelt und CoVariants.org, ein spezialisiertes Informationsportal zu SARS-CoV-2-Varianten, gegründet. Zudem ist sie Co-Initiatorin von Pathoplexus, einer globalen, offenen Datenbank für virale Pathogene, die mit voller Transparenz und weltweiter Zusammenarbeit hervorragend funktioniert.
In einer zunehmend digitalisierten Wissenschaftswelt ist das Teilen von Daten zu einem zentralen Thema geworden. Besonders in der Medizin ist der Austausch von Daten wünschenswert und theoretisch machbar – für die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen, die Entwicklung neuer Therapien und die Verbesserung der Patientenversorgung. Und das alles in Echtzeit. Doch so groß die Chancen, so vielfältig die Hindernisse.
Das elektronische Patientendossier (EPD) ist in der Schweiz ein zentraler Bestandteil der digitalen Transformation im Gesundheitswesen. Doch der Durchbruch des EPD verläuft sehr schleppend – aus mehreren Gründen: Das EPD ist für Patienten freiwillig. Warum eigentlich? Für Leistungserbringer wie Hausärzte, Spitäler, Apotheken oder Versicherer ist der Anschluss nur teilweise verpflichtend. Und schlussendlich: Leistungserbringer können für ihre Patienten ein EPD nicht eröffnen, auch wenn sie es wollten. Dies führt zu einer sehr geringen Verbreitung bei Patienten und Ärzten. Das Gesundheitswesen ist kantonal organisiert, was zu unterschiedlichen technischen Standards, Zuständigkeiten und Zeitplänen führt. Anstelle eines nationalen Systems gibt es mehrere regionale Stammgemeinschaften, die jeweils ihre eigene Infrastruktur betreiben. Umständlichkeiten in der Bedienung und Schnittstellenprobleme dürften sich aber technisch rasch lösen lassen, denkt man. Bleibt eigentlich nur ein «Schubs» Richtung Bund. Der Bundesrat kündigt jedoch erst für 2030 eine umfassende EPD-Revision an, die u. a. eine Pflicht für Arztpraxen vorsieht – also mehr als ein Jahrzehnt nach dem ersten Konzept. Etwas politischer Druck hinsichtlich verpflichtender Vereinheitlichung täte hier gut («Top-down-Ansatz»). Und, einmal etabliert, könnte jeder Patient selber und freiwillig entscheiden, seine Daten zu teilen («Bottom-up-Ansatz»). Das EPD wäre prinzipiell hervorragend geeignet für ein sicheres, kontrolliertes und strukturiertes Datensharing – allerdings tritt der Nutzen erst ein, wenn eine kritische Masse an Patienten und Gesundheitsfachpersonen das EPD auch nutzt. Es liegt noch etwas Arbeit vor uns. Selbstverständlich sind meine Ausführungen vereinfacht und gehen nicht in die Tiefe – ganz dem Denkanstoss eines Editorials entsprechend.
Dr. med. Silvia Hofer
Universitätsspital Zürich
Institut für Pathologie und Molekularpathologie
Schmelzbergstrasse 12
8091 Zürich
Die Swiss Cancer Foundation ist eine kleine und unternehmerisch handelnde Stiftung im Bereich der Onkologie. Sie wird u. a. getragen von Firmen und Einzelpersonen, die Wert legen auf eine schlanke, wirkungsorientierte und rasche Förderung von innovativen Forschungsprojekten. Ein Merkmal der Stiftung ist dabei, dass sie mit der «Young Oncologist»-Initiative gezielt auch junge Forschende unterstützt.
«Letztlich war es der Startschuss für unser Projekt – und dass wir es wirklich entwickeln können», so antwortet der forschende Arzt Tobias Weiss von der Klinik für Neurologie am Universitätsspital Zürich auf die Frage, was denn genau die Förderung der Swiss Cancer Foundation für ihn bedeute. Und Tämer El Saadany, ehemals Assistenzarzt auf der Abteilung Onkologie/ Hämatologie des Kantonsspitals Graubünden, ergänzt auf die gleiche Frage mit den Worten: «Als junger Forschender ist man bei den grossen und sehr kompetitiven Grants benachteiligt, weil sich dort Forschende bewerben, welche oft seit Jahren forschen, eigene Labors betreiben und über mehrseitige Listen mit Publikationen verfügen. Und diese Qualifikationen haben die erst am Anfang ihrer Karriere stehenden Forschenden noch gar nicht.»
Gezielte Förderung des Forschungsnachwuchses
Genau hier setzt das Förderprogramm «Young Oncologist» der Swiss Cancer Foundation an. Die Stiftung legt den Fokus auf besonders innovative und unkonventionelle Forschungsansätze, aber auch auf den forschenden Nachwuchs. «Denn oft kommen von dort sehr spannende und für die onkologische Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge bedeutsame Forschungsprojekte, die ohne finanzielle Unterstützung nicht realisiert werden könnten», ist der Stiftungsrat und ehemalige Leitende Arzt Onkologie und Hämatologie am Kantonsspital St. Gallen, Urs Hess, überzeugt. Mit der vor einigen Jahren entwickelten «Young Oncologist»-Initiative werden daher gezielt junge Forschende und Mediziner gefördert, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen und mangels eines langen Track-Records noch keine Chance haben, an die grossen Fördergelder heranzukommen.
Gemeinsames Engagement für Forschungsfortschritte
Das Programm «Young Oncologist»-Initiative fügt sich ein in ein breites Feld von weiteren Aktivitäten der Stiftung, die von Unternehmen, von Stiftungen und Organisationen sowie von Einzelpersonen getragen wird. Sie fokussiert auf innovative und wirkungsorientierte Forschungsprojekte in der Onkologie und verbindet Unternehmen und Onkologie, Wirtschaft und Wissenschaft.
Der Grundgedanke dabei ist, dass eine Krebserkrankung eine schwerwiegende Erkrankung ist, von der meist viele weitere Menschen im familiären und beruflichen Umfeld des/der Erkrankten betroffen sind. Dementsprechend ist sie nicht nur mit hohen emotionalen Belastungen verbunden, sondern auch mit hohen wirtschaftlichen Folgekosten. Es ist daher sowohl gesellschaftspolitisch als auch wirtschaftlich sinnvoll, sich als Unternehmen, als Förderstiftung, als Führungskraft oder auch als Einzelperson für Fortschritte in der Onkologie zu engagieren.
Volkswirtschaftlich sinnvoll
Dieser Fokus spiegelt sich auch in der Arbeitsweise der Stiftung selbst wider: Sie ist äusserst schlank organisiert und verfolgt eine sehr zielgerichtete, aber nicht minder sorgfältige Förderpolitik.
Der ehrenamtliche Stiftungsrat und die Geschäftsleitung evaluieren mehrmals pro Jahr rasch, unbürokratisch und wirkungsorientiert oft multidisziplinär ausgestaltete Projektanträge, wobei besonders auch auf deren potenzielle Hebelwirkung geachtet wird. Die Gremien überwachen persönlich die Mittelverwendung und halten engen Kontakt zu den Forschenden.
Für Donatoren bzw. Mitglieder bietet dieser Ansatz den Vorteil, flexibel, sehr direkt und vor allem ohne bürokratischen Aufwand einen wirkungsvollen Beitrag zur onkologischen Forschung leisten zu können. Dies dient der ganzen Gesellschaft und stärkt auch die Schweiz als attraktiven Forschungs- und Entwicklungsstandort.
Erfreuliche Ergebnisse
Die «Young Oncologist»-Initiative erweist sich als Erfolg. Bisher hat die Stiftung schon fast ein Dutzend Projektanträge bewilligt und die erzielten Wirkungen sind vielfältig. Besonders erfreulich ist, wenn die Forschenden Anerkennung erfahren. So wurde beispielsweise der oben zitierte Tobias Weiss für seine Forschung zur Entwicklung neuer immuntherapeutischen Ansätze bei Hirntumor-Patienten mit dem Georg Friedrich Götz-Preis für hervorragende, international anerkannte Leistungen auf dem Gebiet der Grundlagen- oder klinischen Forschung ausgezeichnet.
Anna Scheliga
Einen Einblick in diese Arbeit und weitere Forschungsprojekte, auch solchen im Rahmen der «Young Oncologist»-Initiative, findet sich unter www.swisscancerfoundation.ch/projekte