Nebenwirkungen von Onkologika bei älteren Patienten

Krebs ist eine Erkrankung des Alters: Etwa 50 % der neuen Krebsfälle treten bei Menschen im Alter von 65 Jahren oder älter auf, und diese Zahl wird bis 2030 voraussichtlich auf 58 % ansteigen. Die Chemotherapie ist neben neuen Therapien wie der Immuntherapie und den zielgerichteten Therapien nach wie vor ein Standardbestandteil der Krebsbehandlung. Allerdings haben ältere Patienten im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen ein erhöhtes Risiko für Chemotherapie-induzierte Toxizitäten. Verschiedene pharmakologische Parameter müssen bei der onkologischen Behandlung älterer Patienten berücksichtigt werden. Die Beurteilung altersbedingter Veränderungen durch eine geriatrische Untersuchung ist vor Beginn einer Chemotherapie sehr wichtig. Mehrere Studien haben gezeigt, dass mit Hilfe von geriatrischen Assessment-Variablen ältere Erwachsene identifiziert werden können, bei denen das Risiko einer schweren Toxizität durch die Chemotherapie am höchsten ist. Orale onkologische Therapien haben mehrere Vorteile. Sie haben jedoch auch Nachteile, insbesondere bei älteren Patienten, die zu einer geringeren Wirksamkeit oder einem früheren Therapieabbruch führen können. Trotz der physiologischen Phänomene der Immunoseneszenz und der Entzündungsreaktionen zeigen die Daten, die hauptsächlich aus Subgruppenanalysen von Metaanalysen stammen, dass die Immuntherapie auch bei älteren Patienten tendenziell wirksam und gut verträglich ist.

Cancer is a disease of old age with approximately 50% of new cancer cases occurring in humans aged 65 years and older and this number is expected to rise to 58% by 2030. Chemotherapy remains a standard part of cancer treatment, alongside new therapies such as immunotherapy and targeted therapies. However, older patients are at increased risk of chemotherapy-induced toxicity compared to younger adults. Various pharmacological parameters must be taken into account in the oncological treatment of older patients. Assessing age-related conditions that affect tolerability with geriatric evaluation is very important when planning chemotherapy. Several studies have shown that geriatric assessment variables can be used to identify older adults who are most at risk of severe toxicity from chemotherapy. Oral oncological therapies present several advantages. However, they also contain disadvantages, especially in older patients, which can lead to poorer efficiency or earlier discontinuation of therapy. Despite the physiological phenomena of immunosenescence and inflammaging, the data, mainly coming from subgroup analysis of meta-analyses, tends to show that immunotherapy is effective and well-tolerated even in older patients.
Key Words: Cancer treatment, Chemotherapy toxicity, Geriatric assessment, Immunotherapy

Krebs ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters, wobei etwa 50 % der neuen Krebsfälle bei Menschen im Alter von 65 Jahren oder älter auftreten und diese Zahl bis 2030 voraussichtlich auf 58 % ansteigen wird (1). Obwohl die meisten Krebserkrankungen bei älteren Menschen auftreten, werden neue Krebsmedikamente hauptsächlich auf der Grundlage von Daten zugelassen, die an jüngeren Menschen oder an einer Auswahl gesunder älterer Menschen ohne Komorbiditäten oder geriatrische Beeinträchtigungen untersucht wurden.

Die Chemotherapie ist neben neuen Therapien wie der Immuntherapie und den zielgerichteten Therapien nach wie vor ein Standardbestandteil der Krebsbehandlung. Ältere Patienten haben jedoch im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen ein höheres Risiko für Chemotherapie-induzierte Toxizität (2). Darüber hinaus wird älteren Erwachsenen seltener eine Chemotherapie angeboten, da es Bedenken hinsichtlich ihrer Fähigkeit, die Behandlung zu überstehen, gibt (3). Wichtig ist, dass sich die Pharmakologie von Krebsmedikamenten bei jüngeren und älteren Menschen aufgrund von Veränderungen in der Zusammensetzung der Körperflüssigkeiten, im Leberstoffwechsel, in der renalen und hepatischen Ausscheidung und in der Pharmakodynamik unterscheiden kann (4).

Pharmakokinetik bei älteren Leuten

Bei der onkologischen Behandlung älterer Patienten müssen verschiedene pharmakologische Parameter berücksichtigt werden. Die nachfolgend aufgeführten Parameter können einen Einfluss auf die onkologische Therapie haben (5):

• Orale Absorption
• Verteilungsvolumen
• Körperzusammensetzung
• Serum Albumin
• Hemoglobin
• Lebermetabolismus
• Renale Ausscheidung
• Biliäre Ausscheidung
• Medikamentöse Interaktionen
• Pharmakodynamik auf die zelluläre Ebene

Bis zum Alter von 85 Jahren kommt es in der Regel zu einer allmählichen Zunahme des Körperfetts und zu einer Abnahme des Körperwassers. Man schätzt, dass zwischen dem 25. und 75. Lebensjahr der Fettgehalt von 15 % auf 30 % des Körpergewichts ansteigt und der intrazelluläre Wassergehalt von 42 % auf 33 % abnimmt (4). Diese Veränderungen führen dazu, dass das Verteilungsvolumen von wasserlöslichen Arzneimitteln wie Anthrazyklinen abnimmt und das Verteilungsvolumen von fettlöslichen Verbindungen wie Carmustin (BCNU) zunimmt. Auch die Leberfunktion verändert sich mit zunehmendem Alter: Es wurde über eine Abnahme der Lebergrösse (um 18-44 %), des Blutflusses, der Albuminproduktion und der CYP-Funktion berichtet. Aufgrund der glomerulären Veränderungen ist die verminderte renale Elimination die am besten vorhersagbare pharmakokinetische Veränderung. Die Filtrationsrate (GFR) nimmt ab dem 40. Lebensjahr mit zunehmendem Alter kontinuierlich um etwa 1 ml/min pro Jahr ab (Tab. 1).

Geriatrische Evaluation

Das chronologische Alter allein reicht nicht aus, um die Verträglichkeit einer Therapie vorherzusagen (6).
Das geriatrische Assessment (GA) verwendet validierte Instrumente zur Beurteilung altersbedingter Erkrankungen, einschliesslich Funktion, körperlicher Leistungsfähigkeit (z. B. Mobilität), Komorbiditäten, Medikamente, Kognition, Ernährungszustand, psychischer Status und soziale Unterstützung.

• Funktion: Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) und instrumentelle ADL (IADL)
• Komorbidität: aktualisierter Charlson-­Komorbiditätsindex
• Mobilität: Timed Up and Go
• Kognition: Mini-Cog
• Ernährung: Gewichtsverlust und Body-Mass-Index
• Stimmung: kurze geriatrische Depressionsskala
• soziale Unterstützung: Alleinleben versus Unterstützung zu Hause.

In den USA hat sich die Alliance for Clinical Trials in Oncology (Allianz für klinische Studien in der Onkologie) für eine standardisierte geriatrische Beurteilung in Therapiestudien mit älteren Erwachsenen eingesetzt (7). In klinischen Therapiestudien hat sich gezeigt, dass die GA das Verständnis der Verträglichkeit durch 1. eine bessere Charakterisierung der Studienstichprobe über das Alter hinaus verbessert, 2. eine genauere Identifizierung von Faktoren, die mit einer schlechten Verträglichkeit in Zusammenhang stehen, ermöglicht, 3. die Integration in Randomisierungen zur Unterstützung von Behandlungsentscheidungen sowie 4. die Beurteilung der Auswirkungen der Behandlung auf für ältere Erwachsene wichtige Ergebnisse verbessert. Im Zeitraum von 2000 bis 2017 beinhalteten nur 41,5 % der 41 Phase-II-III-Studien mit systemischen Therapien, an denen ausschliesslich ältere Erwachsene mit Krebs teilnahmen, eine Bewertung von Komorbidität oder Gebrechlichkeit, und nur 36,6 % berücksichtigten Todesfälle aus anderen Gründen.

Chemotherapie-Toxizität Prädiktoren

Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Verwendung von GA-Variablen es ermöglicht, ältere Erwachsene zu identifizieren, bei denen das Risiko einer schweren Toxizität durch Chemotherapie am höchsten ist. Das CARG (Cancer and Aging Research Group) Toxicity Tool (2) und die Chemotherapy Risk Assessment Scale for High-Age Patients (CRASH) (8) wurden entwickelt und jeweils an etwa 1000 älteren Patienten validiert. Diese Instrumente wurden in spezifischen klinischen Szenarien wie der adjuvanten Chemotherapie bei Brustkrebs und in Gesundheitssystemen ausserhalb der USA mit unterschiedlichen Ergebnissen weiter untersucht.

Das CRASH Score erlaubt Patienten in 4 Kategorien zu stratifizieren: low, medium-low, medium-high und high Risk einer hämatologische (H) oder nicht-hämatologische (NH) Toxizität zu entwickeln. In der CARG-Studie war interessanterweise der vom Arzt bewertete Karnofsky Performance Score weder in der Entwicklungskohorte noch in der Validierungskohorte prädiktiv für die Toxizität der Chemotherapie. Beide dienen dem Onkologen im klinischen Alltag als zusätzliche Hilfe, wenn Zweifel an einer optimal angepassten Behandlung bestehen. Diese Modelle sollten berücksichtigt werden, wenn Risiken und Nutzen einer Chemotherapie bei älteren Patienten diskutiert werden (Abb. 1)

Übersicht verschiedener Chemotherapien bei betagten Karzinompatienten (9)

Alkylanzien

Alkylanzien sind seit Jahrzehnten die Grundlage der onkologischen Therapie. Ihre wichtigste dosislimitierende Toxizität (DLT) ist die Hämatotoxizität. Es besteht eine grosse interindividuelle Variabilität hinsichtlich der Knochenmarkreserven, welche physiologisch mit dem Alter reduziert sind. Der Stoffwechsel stellt für die meisten Verbindungen den biliären Ausscheidungsweg dar. Häufig sind enzymatische Prozesse in der Leber beteiligt und können sich mit zunehmendem Alter ändern.

Cyclophosphamid:
Der Metabolismus von Cyclophosphamid zu den aktiven Metaboliten wird durch Cytochrom P450 (Unterfamilie 3A und 2B), hauptsächlich in der Leber, eingeleitet. Bei Niereninsuffizienz ist mit einer Akkumulation toxischer alkylierender Metaboliten zu rechnen, die je nach Grad der Niereninsuffizienz eine Dosisreduktion von 20 bis 30 % rechtfertigt. Es gibt präklinische Hinweise darauf, dass Cyclophosphamid bei älteren Menschen langsamer metabolisiert wird, ohne solide Evidenz, dass die Dosis von Cyclophosphamid bei älteren Patienten reduziert werden sollte (10).

Intravenöse Fluoropyrimidine

Fluoropyrimidine sind eine der am häufigsten in der Onkologie eingesetzten Substanzklassen (11). Für eine Dosisanpassung allein aufgrund des Alters gibt es keine pharmakokinetische Grundlage (10). Allerdings kann es zu erheblichen altersbedingten Toxizitäten kommen. Bisherige Daten empfehlen keine Dosisreduktion allein aufgrund des Alters, ausser bei schwerer Niereninsuffizienz oder Komorbiditäten.

Capecitabine
Die Pharmakokinetik von Capecitabin ist altersunabhängig, sofern eine normale Nierenfunktion vorliegt (12). Bei Patienten mit mässiger Niereninsuffizienz (geschätzte CrCl 30 bis 50 ml/min) wurde eine höhere Inzidenz von Grad 3 und 4 Toxizitäten (Hand-Fuss-Syndrom, Diarrhoe, Myelotoxizität) beschrieben.

Platine

Oxaliplatin
Oxaliplatin wird hauptsächlich bei Patienten mit Darmkrebs eingesetzt. Die wichtigsten dosislimitierenden Toxizitäten sind periphere Neuropathie und Knochenmarkssuppression. Die Kombination von Oxaliplatin und Capecitabin wurde bei Patienten über 70 Jahren untersucht, und es konnte kein Zusammenhang zwischen dem Ansprechen und dem Alter des Patienten, dem ECOG Performance Status oder der Fähigkeit, Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) oder instrumentelle ADL (IADL) durchzuführen, gezeigt werden (13). Es liegen keine Daten vor, die eine Dosisreduktion allein aufgrund des Alters rechtfertigen. Eine Dosisreduktion sollte jedoch bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion erfolgen.

Cisplatin
Aufgrund des Beitrags der renalen Elimination von Cisplatin hängt die Pharmakokinetik von Cisplatin von einer normalen Nierenfunktion ab. Das Alter ist ein unabhängiger und signifikanter Prädiktor für die AUC (Area Under the Curve) der freien ultrafiltrierbaren Platinfraktion und des Gesamtplasmaplatins, wobei die AUC mit zunehmendem Alter ansteigt (14). Die hohe Inzidenz von altersbedingtem Hörverlust sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Cisplatin sollte in einem niedrigeren Dosisbereich (z.B. 60 mg/m2) und vorzugsweise mit einer reduzierten Infusionsrate (z.B. über 24 Stunden) verabreicht werden, um eine übermässige Toxizität bei älteren Menschen zu vermeiden.

Carboplatin
Carboplatin hat einen ähnlichen Wirkungsmechanismus wie Cisplatin mit antineoplastischer Wirkung in mehreren onkologischen Indikationen, die mehr oder weniger mit Cisplatin vergleichbar sind. Carboplatin wird renal eliminiert und in der Regel nicht über die Körperoberfläche, sondern über die Kreatinin-Clearance berechnet. Die Formeln nach Cockcroft-Gault, Calvert und Chatelut ermöglichen eine genaue und sichere Dosierung, die AUC berücksichtigt die Nierenfunktion und das Alter (15). Aufgrund der geringen Inzidenz nicht-hämatologischer Toxizität kann Carboplatin Cisplatin im palliativen Setting oder bei Nebenwirkungen ersetzen.

Anthrazykline

Anthrazykline sind Bestandteil verschiedener Chemotherapieprotokolle, die auch bei älteren Patienten eingesetzt werden können. Die am häufigsten beobachtete Toxizität ist die Kardiotoxizität, die bei der Behandlung mit Doxorubicin am stärksten ausgeprägt ist. Eine erhöhte Inzidenz von Herzinsuffizienz wurde nach Behandlung mit Anthrazyklinen mit zunehmendem Alter über 70 Jahre beschrieben (16).

Antimikrotubuli

Vinka alkaloide
Für die Arzneimittel Vincristin und Vinorelbin liegen derzeit keine Daten zu rein altersabhängigen Dosismodifikationen vor. Für Vinorelbin wurden zahlreiche Interaktionen mit anderen Arzneimitteln beschrieben, die für ältere Patienten relevant sein könnten (17). Vincristin weist im Vergleich zu Vimorelbin eine erhöhte Neuro­toxizität auf und sollte bei älteren und vorerkrankten
Patienten in der Dosis angepasst werden.

Taxane
Über den Einfluss des Alters auf die Clearance von Paclitaxel liegen widersprüchliche Daten vor. Die Haupttoxizität ist hämatologisch und neurologisch mit peripherer Neuropathie. Eine wöchentliche Verabreichung scheint besser verträglich zu sein, ohne Wirksamkeitsverlust (18), jedoch ohne klare Daten für die eine oder andere Dosierung. Mehrere Studien haben die Toxizität von Docetaxel bei älteren Patienten untersucht (19). Letztendlich gibt es keine eindeutigen Daten, die eine Dosisanpassung allein aufgrund des Alters rechtfertigen, obwohl bekannt ist, dass die 3-wöchentliche Gabe hämatotoxischer ist und dass die Knochenmarksreserve bei älteren Patienten physiologisch reduziert ist.

Zytidine Analoga

Gemcitabin zeigt in der Monotherapie bei älteren Patienten im Allgemeinen eine minimale Toxizität (20).

Antimetaboliten

Pemetrexed sollte bei älteren Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion mit Vorsicht verabreicht werden, da das Risiko einer Hämatotoxizität erhöht sein kann.

Adhärenz zu oralen Medikamenten

Orale onkologische Therapien stellen mehrere Vorteile dar. Sie ermöglichen weniger klinische Termine, sind weniger invasiv und verbessern die Patientenautonomie. Sie haben jedoch auch Nachteile, insbesondere bei älteren Patienten, die zu einer geringeren Wirksamkeit oder einem früheren Therapieabbruch führen können.

Es gibt verschiedene Faktoren, die die Adhärenz zu oralen Therapien bei älteren Patienten beeinflussen (21):

• Patientenbezogene Faktoren: Alter, Gender, Gesundheitsstatus
• Alterspezifische Faktoren: kognitive Defizite, visuelle oder auditive Beeinträchtigungen, Komorbiditäten, Polypharmazie
• Sozioökonomische Situation: soziale Situation, caregiver-Qualität, familiäre Unterstützung
• Krankheitsbedingte Faktoren: Krankheitschwere, unkontrollierte Beschwerden, psychologische Komponente
• Therapiebezogene Faktoren: Toxizität der Therapie, Therapiedauer, Wirksamkeit
• Health-care Team Faktoren: Medikamentenverfügbarkeit und –versorgung, Patient-Anbieter Beziehung, Kommunikationsbarriere, unzureichende oder unklare Arzneimittelinformation

Bei schlechterer Effizienz, früherem Abbruch oder erhöhter Toxizität ist Non-Adherenz mit einer erhöhten Mortalität assoziiert.
Verschiedene Interventionen, wie z. B. klare schriftliche Patientenanweisungen, Einbeziehung der Betreuungspersonen, soziale Unterstützung, kontinuierliche Überwachung und Bewertung durch das Gesundheitsteam, können die Therapietreue verbessern.

Toxizität der Immuntherapie bei älteren ­Patienten (22)

Immunbedingte Nebenwirkungen können bei älteren Menschen aufgrund einer reduzierten funktionellen Reserve und altersbedingter Komorbiditäten eine grössere Herausforderung darstellen (23). Trotz der physiologischen Phänomene der Immunoseneszenz und des Inflammaging zeigen die Daten, die überwiegend aus Subgruppenanalysen von Metaanalysen stammen, tendenziell, dass eine Immuntherapie auch bei älteren Patienten wirksam und gut verträglich ist. In der klinischen Praxis stellen Checkpoint-Inhibitoren daher auch für ältere ­Patienten eine gute Behandlungsoption dar (24).

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Aktualisierte und Überarbeitete Version aus Therapeutische Umschau 08/2023

Dr. med. Vérène Dougoud-Chauvin

HFR Freiburg – Kantonsspital
Chemin des Pensionnats 2-6
1752 Villars-sur-Glâne

verene.dogoud-chauvin@h-fr.ch

Dr. med. Dougoud-Chauvin hat Travel Grants von Amgen erhalten.

  • Über 50 % der Krebsfälle treten bei Menschen ≥ 65 Jahren auf, doch viele Krebsmedikamente werden hauptsächlich an jüngeren oder gesunden älteren Menschen getestet.
  • Körperzusammensetzung, Lebermetabolismus und Nierenfunktion verändern sich mit dem Alter, was die Wirkung und Verträglichkeit von Krebsmedikamenten beeinflusst.
  • Das chronologische Alter allein reicht nicht aus, um die Verträglichkeit einer Therapie einzuschätzen. Eine geriatrische Beurteilung kann helfen, Risiken besser abzuschätzen.
  • Faktoren wie kognitive Defizite, Polypharmazie und soziale Unterstützung beeinflussen die Therapietreue und damit den Behandlungserfolg.

1. Pilleron S, Sarfati D, Janssen-Heijnen M, Vignat J, Ferlay J, Bray F, et al. Global cancer incidence in older adults, 2012 and 2035: A population-based study. International Journal of Cancer. 2019;144(1):49 58.
2. Hurria A, Mohile S, Gajra A, Klepin H, Muss H, Chapman A, et al. Validation of a Prediction Tool for Chemotherapy Toxicity in Older Adults With Cancer. J Clin Oncol. 2016;34(20):2366 71.
3. Hurria A, Wong FL, Villaluna D, Bhatia S, Chung CT, Mortimer J, et al. Role of Age and Health in Treatment Recommendations for Older Adults With Breast Cancer: The Perspective of Oncologists and Primary Care Providers. JCO. 2008;26(33):5386 92.
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5. Pharmacology of Anticancer Drugs in the Elderly Population | SpringerLink [Internet]. [2023]. Disponible sur: https://link.springer.com/article/10.2165/ 00003088-200342140-00003
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10. Wildiers H, Highley MS, de Bruijn EA, van Oosterom AT. Pharmacology of anticancer drugs in the elderly population. Clin Pharmacokinet. ;42(14):1213 42.
11. Grem JL, Takimoto CH, Multani P, Chu E, Ryan D, Chabner BA, et al. Antimetabolites. Cancer Chemother Biol Response Modif.;18:1 38.
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19. Massacesi C, Marcucci F, Boccetti T, Battelli N, Pilone A, Rocchi MBL, et al. Low dose-intensity docetaxel in the treatment of pre-treated elderly patients with metastatic breast cancer. J Exp Clin Cancer Res. 2005;24(1):43 8.
20. Shepherd FA, Abratt RP, Anderson H, Gatzemeier U, Anglin G, Iglesias J. Gemcitabine in the treatment of elderly patients with advanced non-small cell lung cancer. Semin Oncol. avr 1997;24(2 Suppl 7):S7-50-S7-55.
21. Mislang AR, Wildes TM, Kanesvaran R, Baldini C, Holmes HM, Nightingale G, et al. Adherence to oral cancer therapy in older adults: The International Society of Geriatric Oncology (SIOG) taskforce recommendations. Cancer Treat Rev. 2017;57:58 66.
22. Rhyner Agocs G, Dougoud-Chauvin V, Betticher D. Immunothérapie: aussi chez le patient âgé ? Rev Med Suisse. 2019;660:1512 5.
23. Extermann M. Interaction between comorbidity and cancer. Cancer Control. 2007;14(1):13 22.
24. Haanen J, Obeid M, Spain L, Carbonnel F, Wang Y, Robert C, et al. Management of toxicities from immunotherapy: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-upI. Annals of Oncology. 2022;33(12):1217 38.

Hyperkaliämie bei chronischer Herzinsuffizienz

Die Hyperkaliämie (HK) stellt eine potentiell lebensbedrohliche Elektrolytstörung dar. Die Hauptursachen hierfür sind in einer Verschiebung von Kalium aus den Zellen oder in einer verminderten renalen Kaliumausscheidung zu finden. Diese tritt häufig bei Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung auf. Das Beibehalten der RAAS-Blockade bei einer Herzinsuffizienz (HI) mit reduzierter LV-EF ist trotz einer Hyperkaliämie essenziell, da ein Absetzen oder eine Dosisreduktion mit einer erhöhten Mortalität einhergehen. Auch bei einer LV-EF ≥ 40 % kann neben einem SGLT2-Hemmer die Gabe eines MRA erwogen werden. Daher kommt der Prävention, Erkennung und Behandlung einer Hyperkaliämie, insbesondere bei kardio-renalen-metabolischen Patienten, eine wichtige Bedeutung zu.

Hyperkalemia (HK) is a potentially life-threatening electrolyte disorder. The main causes are a shift of potassium from the cells or reduced renal excretion of potassium. It is common in patients with cardiovascular disease. Maintaining RAAS blockade in heart failure (HF) with reduced LV EF despite hyperkalemia is essential as discontinuation or dose reduction is associated with increased mortality. The addition of an MRA to an SGLT2 inhibitor may also be considered when LVEF is ≥ 40 %. Therefore, the prevention, detection and treatment of hyperkalemia, especially in cardio-renal-metabolic patients, is of great importance.
Key words: Hyperkalemia, Heart failure, RAASi, MRA, Finerenon, CKD, Diabetes Typ 2, Potassium binder

Einleitung

Eine Hyperkaliämie (HK) > 5.0–5.5 mmol/l resultiert hauptsächlich aus der Verschiebung von Kalium aus den Zellen (Umverteilung) oder aus einer abnormalen renalen Kaliumausscheidung. Die Zellverschiebung (Hyperglykämie bei Diabetes mellitus, Azidose, ausgedehnter Zellzerfall) führt zu einem vorübergehenden Anstieg der Kaliumkonzentration im Plasma, während eine ­verminderte renale Ausscheidung von Kalium eine anhaltende HK auslöst. Beeinträchtigungen der renalen Kaliumausscheidung können das Ergebnis einer verminderten Natriumabgabe an das distale Nephron, eines verminderten Mineralokortikoid-Spiegels bzw. einer verminderten Mineralokortikoid-Aktivität oder von Anomalien im kortikalen Sammelkanal sein. In einigen Fällen sind alle drei Störungen vorhanden. Auch eine übermäßige Aufnahme von Kalium (gewisse Nahrungsmittel, Ersatzsalze) kann eine HK verursachen, dies jedoch in der Regel bei eingeschränkter Nierenfunktion. Bei einer eGFR > 60 ml/min/1.73m2 ist eine HK ungewöhnlich. Eine Gewebenekrose oder gewisse Medikamente können auch verantwortlich sein (1, 2).

Kalium wird im oberen Dünndarm aufgenommen und befindet sich zu 98 % intrazellulär. Der physiologische Gegenspieler ist Natrium, dieses ist vor allem extrazellulär. Zusammen sind diese essentiell für die Zellphysiologie. Die Kaliumhomöostase ist entscheidend für die Aufrechterhaltung des Ruhepotenzials der Zellmembranen, insbesondere in Herzzellen, und jedes Ungleichgewicht kann zu elektrophysiologischen Störungen einschliesslich maligner Herzrhythmusstörungen führen.

90 % des Kaliums wird renal mit circadianer Variabilität ausgeschieden, 10 % gastrointestinal. Die hormonelle Steuerung findet durch Insulin, Katecholamine und Aldosteron statt (1).

Epidemiologie, Pathophysiologie

In der Allgemeinbevölkerung ist eine HK mit 2–3 % selten. Ihre Inzidenz wird aber unterschätzt, da kein routinemässiges Kalium-Screening durchgeführt wird; selbst bei Hochrisikopatienten. Auch findet man unterschiedliche Kalium-Schwellenwerte für eine HK. Diese ist häufig nur vorübergehend. Prospektive Studien gibt es hierzu allerdings nicht.

Eine RAAS-Blockade (RAASi) mit ACE-H./ARB/ARNI und einem MRA ist bei diversen kardio-renalen Erkrankungen hoch effektiv: diese ist antihypertensiv, kardio- und nephroprotektiv wirksam. Bei Patienten mit einer HI mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) verbessern Renin-Angiotensin-Aldosteron-System-Inhibitoren (RAASis), einschließlich Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRAs) die Symptome, verringern das Risiko eines Krankenhausaufenthalts und Todes durch HI und werden von den US-amerikanischen und europäischen Herzinsuffizienz-Richtlinien empfohlen (IA).

Diese protektiven Eigenschaften haben auch SGLT2-Hemmer unabhängig von der LVEF.

Eine potentielle HK als Folge der RAASi stellt häufig ein Problem bei älteren, multimorbiden Patienten mit einer HI dar. Insbesondere tritt diese beim Vorhandensein einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD) und/oder eines Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) auf. Die HK ist mit einer erhöhten Mortalität und mit einer erhöhten Hospitalisationsrate assoziiert (1–4). Das höchste Risiko für eine HK findet man bei denjenigen, die am meisten von einer RAAS-Hemmung profitieren:

• In bis zu 40–50 % bei einer CKD über 1 Jahr ab einer eGFR < 30 ml/min/1.73m2, speziell bei denen mit T2DM und unter RAASi; cave: metabolische Azidose
• In bis zu 40 % bei schwerer HI ab einer Spironolactondosis 50mg/die
• In ca. 17 % bei einem T2DM über einen Zeitraum von 3 Jahren
• In ca. 8–17 % bei einer resistenten Hypertonie mit zusätzlicher MRA-Therapie
• Bei Patienten >80 Jahre
• Bei Status nach einer Hyperkaliämie

Patienten mit einer CKD und einer HI haben meist mit wiederkehrenden und zunehmenden HK-Episoden zu rechnen, diese treten dann in kürzeren Intervallen auf. Im schwedischen Herzinsuffizienz-Register hatten bei 43 000 Patienten 51 % eine CKD, 24 % ein T2DM, 13 % eine CKD+T2DM, 21 % ein VHFLi. Eine HK ist ein Risikomarker für ein schlechteres Outcome, unter anderem infolge suboptimaler Verwendung der RAASi-Therapie. Durch eine HK, einen Kreatinin Anstieg, eine Hypotonie, das Alter und Frailty werden die HI-Medikamente nicht Leitlinienkonform eingesetzt (5, www.ukidney.com). Auch in einer aktuellen Arbeit im JACC zeigte eine rezidivierende HK bei einer CKD (G3/G4) bei 6337 älteren Patienten, davon 2129 HI-Patienten, eine erhöhte Gesamtmortalität, mehr kardiovaskuläre Ereignisse und mehr Arrhythmien, dies im Vergleich zu einer Normokaliämie (6).

Eine HK wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt – vgl. Abb. 1. Ab einem Serumkalium von > 5 mmol/l ist der Wert erhöht. Gefährlich ist ein Wert ≥ 6.0 mmol/l. Bei einem bestätigten Serum-Kalium von ≥ 6.5 mmol/l bedarf es wegen Lebensbedrohung einer Notfallhospitalisation mit EKG-Monitoring und Einleitung spezifischer therapeutischer Massnahmen. Bezüglich Differentialdiagnose und Pathophysiologie einer HK vgl. Abb. 2 und 3 (1–4). Deshalb sollte eine HK frühzeitig erkannt werden.

Klinik

Eine HK verläuft meist asymptomatisch oder symptomarm mit unspezifischen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, periorale Parästhesien, Ameisenlaufen, Taubheitsgefühl. So wird diese lange nicht erkannt. Es können neuromuskuläre Manifestationen mit Parästhesien und Faszikulationen in den Extremitäten auftreten. Bei einer schweren Hyperkaliämie (> 6.5 mmol/l) sind aufsteigende Lähmungen mit schliesslich schlaffer Tetraplegie der Extremitäten oder ein Ileus möglich. Eine depolarisierende Wirkung mit typischen EKG-Veränderungen tritt bei einer akuten HK (> 6.0–6.4 mmol/l) in bis zu 67.5 % auf. Diese umfassen eine spitze T–Welle (bei ≥ 5.5–6 mmol/l in 31.8 %) in V2–5, eine niedrige Amplitude der P-Welle (> 6–6.5 mmol/l), einer Verlängerung des P-R Intervals und ein breites QRS (26.2 %). Überleitungsstörungen, Bradykardien, Verlust von P mit sinusoidaler Welle, KT, KFli oder Asystolie können bei einem (K+) > 8–9 mmol/l auftreten. Symptome und EKG sind jedoch keine guten Prädiktoren für die Mortalität, es besteht eine niedrige Sensitivität und Spezifität, insbesondere bei Herzkrankheiten. Letale Arrhythmien ohne vorherige EKG-Veränderungen sind möglich. Das EKG kann nicht zum Ausschluss einer Hyperkaliämie verwendet werden. Darum sind regelmässige Kalium- und Kreatinin- Kontrollen, insbesondere bei Medikamenten- und Dosisänderungen, alle 1 bis 2 Wochen entscheidend (1, 2, 7, 8).

Hypokaliämie

Auch eine Hypokaliämie (< 3.5 mmol/L), die häufigste Elektrolytstörung bei einer HI (–50 %), ist gefährlich. Sie führt zu vermehrten ventrikulären und atrialen Arrhythmien und erhöhter kardiovaskulären Mortalität. Ursächlich sind eine Umverteilungsstörung (Verschiebung von Kalium in die Zellen via Katecholamine) sowie renale und nicht renale Verluste (erhöhter Aldosteronspiegel bei HI, Diuretika, Diarrhoe, Erbrechen, starkes Schwitzen u.a.) verantwortlich. Symptome sind hier vor allem Muskelschwäche, Erschöpfung. Im EKG finden sich eine U-Welle, QT-Verlängerung und schlimmstenfalls eine Torsades de pointes. Ein Magnesiummangel ist häufig eine Begleiterscheinung der Hypokaliämie.

Die Assoziation zwischen Serum-Kalium und dem Mortalitätsrisiko unter Einbezug eines T2DM, einer HI und einer CKD (G3–G5) in Abhängigkeit der Nierenfunktion ist der Abb. 4 zu entnehmen. Man findet eine steigende Mortalitätsrate in Abhängigkeit des Kaliumspiegels und der erwähnten Komorbiditäten (9, 10). Die tiefste Mortalität findet man bei einem Serum-Kalium von 4.0 bis 5.0 mmol/l.

Bedeutung der MRA’s bei der Therapie der chron. HI

Eine HI ist, unabhängig von der LVEF, eine chronisch progrediente Erkrankung mit hoher Mortalität und beinhaltet ein hohes Risiko für (erneute) Ereignisse, insbesondere eine HI-Hospitalisation. Das Ziel ist daher eine Optimierung der RAASi-Therapie solange das Serum-Kalium < 5.0 mmol/l beträgt. Diese Therapie ist kardio- und nephroprotektiv. Bei einer HFrEF führen die «fantastic four» (ACE-H./ARNI, Betablocker, SGLT2-H., MRA) in Kombination zu einer signifikanten Verbesserung der Prognose bez. Gesamtmortalität von 61 % (11). Wichtig ist dabei die korrekte Dosierung, welche in den ESC-Leitlinien durch rasche Auftitrierung erreicht werden soll (12:S.23, Tab. 8; 13, 14).

Die Anwendung von Spironolacton war mit einer geringeren Hypokaliämie und einem verbesserten Überleben bei Patienten mit schwerer HI verbunden, selbst bei mäßiger Hyperkaliämie (2, 15). Gefährliche Hypokaliämien sind unter MRA’s bei einer HI mit Diuretika deutlich
seltener.

Nach der STRONG-HF Studie ist eine intensive Optimierungsstrategie, die nach Hospitalisation wegen akuter HI eine rasche Aufstockung der leitliniengerechten Medikation und eine engmaschige Nachsorge vorsieht, wichtig. Eine solche wurde von den Patienten bereitwillig angenommen, da sie die Symptome reduzierte, die Lebensqualität verbesserte und das Risiko einer Wiederaufnahme wegen HI bereits nach 6 Monaten im Vergleich zur üblichen Versorgung verringerte (16). Diese Wirkung konnte auch in zwei früheren Studien (ATLAS, BIOSTAT-HF) mit ACE-H./ARB oder einem Betablocker in der korrekten Dosierung nachgewiesen werden. Ursächlich für ein Nichtverschreiben resp. eine verzögerte Auftitration der RAASi resp. der MRA’s waren eine Verschlechterung der Nierenfunktion und/oder eine HK. In bis zu 76 % werden diese Medikamente in der Folge nicht wieder eingesetzt (2, 14, 15, 17). Bei einer Dosisreduktion oder einem Absetzen der RAAS-H. kommt es zu mehr als einer Verdoppelung der Mortalität. Daher ist die maximale resp. maximal verträgliche Dosis entscheidend (12, 16, 18).

Unter ARNI ist das Risiko einer moderaten bis schweren HK und eines Kreatinin Anstiegs (PARADIGM-HF) bei einer HFrEF etwas geringer als unter Enalapril. Ebenso unter einer Therapie mit einem SGLT2-Hemmer (12, 13, 19).

Die Verordnung eines MRA’s bei einer HI, bei einem systolischen BD > 100 mmHg, einer eGFR > 30 ml/min/1.73 m2 und einem Serum-Kalium < 5 mmol/l, gilt auf Grund der Guidelines und Expertenmeinungen, bei günstigen klinischen Ergebnissen, neben den drei anderen medikamentösen Säulen als entscheidend. Sie können wie die SGLT2-H. (IA) unabhängig von der LVEF eingesetzt werden, haben aber aktuell bei einer LVEF ≥ 40 % noch eine IIbC-Indikation (12). Bei einer eGFR < 30 ml/min muss auf die Gabe von MRA’s und ARNI verzichtet werden – (geringe Dosis eines Betablockers und ACE-H., SGLT2-H. sofern > 20 ml/min) (20). Bei einer CKD im Stadium G 4–5 liegt ausser für SGLT2-H. gar keine oder nur eine begrenzte Evidenz vor. Hier bedarf es einer interdisziplinären Absprache zwischen Kardiologie und Nephrologie.

Bei einer LVEF < 40 % (HFrEF) werden steroidale MRAs wie Spironolacton oder Eplerenon (IA) verordnet. In der 1999 publizierten RALES Studie ergab sich mit 25mg Spironolacton/die eine Mortalitätsreduktion von 30 % und eine sign. Senkung der HI-Hospitalisationen von 35 % mit deutlicher Verbesserung der HI-Symptomatik (21). Auch in der EMPHASIS-HF mit Eplerenon (–50 mg/die) kam es zu einer Senkung der kardiovaskulären Mortalität und HI-Hospitalisation (–37 %). 11.8 % hatten eine HK mit einem Serum-Kalium > 5.5 mmol/l (22). Eplerenon senkt etwas weniger den BD und macht keine Gynäkomastie vgl. mit Spironolacton.

Bei einer HI mit einer LVEF ≥ 40 % mit leicht reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF: LVEF 41–49 %) oder mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF: LVEF ≥ 50 %) war der therapeutische Stellenwert von MRA’s bis zum ESC 2024, im Gegensatz zu den SGLT2-H., unklar. Die TOPCAT-Studie 2014, mit methodischen Mängeln, war neutral.

Finerenon

Dieser neue nicht-steroidale (ns) MRA scheint einen grösseren Nutzen (hohe Selektivität und Potenz, kürzere t/2, ausgeglichene Gewebsverteilung: Herz u. Nieren) bei weniger NW (keine Metaboliten, keine geschlechtshormonelle NW, weniger HK, noch weniger BD-Effekt) zu haben. Eliminiert via CYP3A4, eGFR sollte zu Beginn > 25 ml/min/1.73 m2 sein.

Finerenon (F), zeigte in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten FINEARTS-HF Studie bei 6001 symptomatischen älteren HI-Risiko Patienten bei einer LVEF ≥ 40 % (NYHA II-IV, erhöhtes NT-pro-BNP, strukturelle Herzkrankheit, Diuretika), mit einer eGFR > 25 ml/min/1.73m2 (48 % < 60 ml/min/1.73m2) und einem Serumkalium < 5.0 mmol/l, unter 20–40 mg Finerenon/die (je nach eGFR), eine positive Wirkung mit einer signifikanten Reduktion des primären zusammengesetzten Endpunkts d. h. des kardiovaskulären Todes und der Gesamtzahl sich verschlechternder HI-Ereignisse (HR 0.84) über 32 Monate. Dieser Effekt basierte auf einer signifikanten Reduktion der Verschlechterung der HI um 18 %. Bei der kardiovaskulären Mortalität bestand dagegen kein Unterschied zwischen F. und Placebo. Die Lebensqualität wurde deutlich verbessert. Auch ältere Patienten und alle weiteren Subgruppen profitierten (23).

Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz von ns MRA’s bei Patienten mit HI mit leicht reduzierter oder erhaltener Ejektionsfraktion mit und ohne CKD.

Das Serumkalium sollte zu Beginn einer F.-Therapie ≤ 4.8–5.0 mmol/l betragen. Nicht unerwartet ging die F.-Therapie mit einem erhöhten Risiko für Hyperkaliämie einher. Serum-[K+] > 5.5: 14.3 vs. 6.9 %, [K+] > 6.0: 3.0 vs. 1.4 %. Bei engmaschiger Überwachung und Dosisanpassung blieb der klinische Nutzen von F. im Vergleich zu Placebo jedoch auch bei Patienten erhalten, deren Kaliumspiegel auf über 5.5 mmol/l anstieg. Das Risiko einer HK betrug 2.16. Die mediane Kaliumdifferenz betrug im Verlauf zwischen F. und Placebo 0.2 mmol/l (24). F. reduzierte das Risiko des primären Endpunkts in ähnlicher Weise bei Frauen und Männern mit dieser Form der HI bei ähnlicher Verträglichkeit (25).

Einer der Hauptunterschiede zwischen FINEARTS-HF und vielen anderen HI-Studien ist, dass fast 20 % der Patienten entweder in der Klinik oder kurz nach der Entlassung in die Studie aufgenommen wurden. Der Behandlungsnutzen von F. im Besonderen und vielleicht auch von MRAs im Allgemeinen war bei Patienten, die gerade eingewiesen wurden, mindestens genauso groß ist wie bei Patienten, die weiter von einer HI Verschlechterung entfernt waren (26).

Bei FINEARTS-HF, einer Population mit geringem Risiko für unerwünschte Nierenergebnisse, veränderte F. die Resultate des kombinierten Nierenendpunkts nicht signifikant. F. führte anfänglich zu einer stärkeren Reduktion der eGFR, führte jedoch nicht zu einem signifikanten Unterschied der eGFR im weiteren Verlauf. F. führte jedoch zu einer frühen und anhaltenden Verringerung der Albuminurie und verringerte das Risiko einer neu auftretenden Mikro- und Makroalbuminurie (27). Eine eGFR-Abnahme (≥15 %) zu Beginn einer Therapie (23 %) sollte nicht automatisch zum Absetzen der MRA führen. Ein anfänglicher Rückgang der eGFR war mit einer höheren Inzidenz von HK verbunden. Anders als unter Placebo ist der Nierenfunktionsverlust aber nicht mit einer Verschlechterung der Prognose verbunden. Sofern das Serum-Kalium < 5.5mol/l beträgt kann nach den Autoren weiter vorsichtig auftitriert werden (28). Wichtig bleiben die engmaschigen Kalium und Kreatinin (eGFR) Kontrollen; zu Beginn wöchentlich.

Auch in einer, noch kleinen, Subgruppe von 14 % der Studienteilnehmer mit SGLT2-H. zeigte die MRA-Therapie mit F. ähnliche Effekte wie bei damit nicht vorbehandelten Patienten. Die neuesten Daten deuten darauf hin, dass die kombinierte Anwendung eines SGLT2-H. und eines ns-MRA einen zusätzlichen Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen bieten und bei Patienten mit HI, mit und ohne CKD, mit leicht reduzierter oder erhaltener LV-EF eine additive Rolle spielen (23, 29).

Auf Grund einer Metaanalyse der bisherigen vier HI-Studien mit MRA’s verringern steroidale MRAs das Risiko des kardiovaskulären Todes oder einer Hospitalisierung wegen HI bei Patienten mit einer HFrEF und nichtsteroidale MRAs verringern signifikant das Risiko einer HI-Hospitalisation bei Patienten mit HFmrEF oder HFpEF. Das absolute Risiko einer schweren HK ([K+] > 6 mmol/l) war gering – ca. 3 % in der MRA-Behandlungsgruppe (30). HK waren in allen Untergruppen einer Kombinationstherapie mit F. klinisch beherrschbar, mit einem Trend zu weniger behandlungsbedingten Notfall-Hyperkaliämien bei Kombination mit SGLT2-Hemmern.

In den kommenden Jahren werden eine Menge neuer Studiendaten zu den steroidalen und ns MRA’s und den neuen Kombinationstherapien bei der HI publiziert. Erwartet wird, dass es aufgrund der FINEARTS-HF-Ergebnisse in künftigen Leitlinien zu einer Änderung der derzeit noch schwachen Klasse-IIb-Empfehlung von MRA’s bei der chronischen HI mit einer LVEF ≥ 40 % zugunsten einer stärkeren Empfehlung kommen wird.

Aktuell fehlt im Gegensatz zur diabetischen Nephropathie noch die Zulassung für F. (Kerendia®) bei einer HI in der EU und in der Schweiz (Zulassungserweiterung 2026 erwartet).

Bei einer diabetischen Nephropathie (G3/G4) mit Albuminurie konnte mit Finerenon in der FIDELITY Analyse bei 13026 Patienten über 3 Jahre eine renoprotektive Wirkung mit Verminderung der Albuminurie erzielt werden. F. reduziert das Risiko klinischer kardiovaskulärer Folgen (HR 0.86) und das Fortschreiten der Nierenerkrankung (HR 0.77) bei einem breiten Spektrum von Patienten mit CKD und T2DM. Das Screening auf Albuminurie zur Identifizierung von Risikopatienten bei T2DM erleichtert die Verringerung sowohl der kardiovaskulären als auch der renalen Belastung. Eine HK wurde bei 1.7 % nachgewiesen (31). In der FIDELITY-Studie könnte nach einem Abstract am ASN 2024 die gleichzeitige Anwendung von F. mit SGLT2-H. + GLP-1 RA bei Patienten mit T2DM und CKD im Vergleich zu Placebo einen zusätzlichen Nutzen für die Nieren haben – UACR-Reduktion. Es gab auch weniger Patienten mit einem Serum-[K+] > 5.5/> 6 mmol/l in der Behandlungsgruppe mit gleichzeitiger Anwendung von F. mit SGLT2-H. + GLP-1 RA im Vergleich zu F. allein. Bei Patienten mit T2DM waren SGLT2-H. und GLP-1 RA mit einem geringeren Risiko für HK verbunden (32, 33).Aktuelle IA-Indikation von F.: F. wird zusätzlich zu ACE-H. oder ARB bei Personen mit T2DM und einer eGFR > 60 ml/min/1.73m2 mit einer UACR von ≥ 300 mg/g oder einer eGFR 25–60 ml/min/1.73 m2 und UACR ≥ 30 mg/g empfohlen, um das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und die Progression des Nierenversagens zu reduzieren (34).

Massnahmen bei einer Hyperkaliämie

Bei einem erhöhten Serum-Kalium muss zunächst ein Fehler in der Präanalytik bei 59 Störfaktoren ausgeschlossen werden (Pseudo-HK). Dazu zählen: 1) Hämolyse durch eine zu lange Stauung resp. ein zu starkes Vakuum beim Aspirieren, 2) Verschiebung des Kaliums nach intrazellulär mit Glukose bei einer Raumtemp. von 25–30 Grad Celsius, 3) Zeit bis zur Zentrifuge > 2 h, 4) Vollblut nach der Blutentnahme zu kurz (< 20 Min.) stehen lassen, insbesondere bei Blutverdünnung (1, 2).

Bei Verdacht auf eine Pseudo-HK muss das Labor wiederholt werden, zusätzlich sollte Kreatinin und LDH abgenommen werden, in der Klinik zusätzliche Abnahme einer BGA.

Bei bestätigter HK stellen sich die Fragen nach einer hohen Zufuhr (Kaliumreiche Nahrungsmittel, Kaliumhaltige Ersatzsalze) oder einem Zellzerfall (Rhabdomyolyse, Tumorlyse, Hämolyse), nach einer Umverteilungsstörung wie eine Azidose oder ein Insulinmangel, nach einer Nieren-Eliminationsstörung sowie nach einem Hypoaldosteronismus. Daneben sollte die Begleitmedikation (NSAR, Betablocker, kaliumsparende Diuretika u.a.) und der Volumenstatus überprüft werden – vgl. Abb. 2 und 3.

Bei einem Kalium von 5.1–5.9 mmol/l kommt es bezüglich des weiteren Vorgehens neben einer Beobachtung und Vorbeugung auf verschiedene Umstände an: akute oder chronische HK, Genese der HK inkl. Medikamente, e-GFR, Dialyse, EKG-Veränderungen u.a. Hier primär Einsatz von Diuretika.

Eine weitere Massnahme zur Kaliumreduktion ist, falls eine entsprechende Indikation besteht, der Einsatz eines SGLT2-H., welcher zu einer signifikanten Senkung (HR:0.84) des Serum-Kaliums führt. Dies konnte in einer grossen Metaanalyse von 6 RCT-Studien bei 49 875 Patienten mit T2DM und hohem cv Risiko oder mit einer CKD bei einer schweren Hyperkaliämie ≥ 6.0 mmol/l nachgewiesen werden, dies ohne Risiko für eine Hypokaliämie (35).

Bei einer schweren HK (≥ 6.5 mmol/l) müssen die Medikamente der RAAS-Blockade pausiert werden (2, 12, 20, 36). Zu den akuten Massnahmen in der Klinik zählen:

A) Intrazellulärer Kalium-Shift: Insulin + Glucose intravenös und/oder Salbutamol Inhalation; bei einer Azidose mit einem Bicarbonat <18mmol/l Gabe von NaHCO3; bei einem Kalium ≥6.5mmol/l Kalzium intravenös. Diese Notfalltherapie wirkt nur vorübergehend durch eine Verschiebung von Kalium in die Zelle, es kann daher zu einem Rebound kommen.

B) Elimination von Kalium: je nach Volumenstatus Lasix intravenös oder Gabe von Volumen; bei schwerer CKD/ERD Hämodialyse. Einsatz eines modernen Kaliumbinders.

Nach den internationalen Leitlinien (ERC 2025/2021, AHA/ACC/HFSA 2022, KDIGO 2020–2024, ESC-HF 2021/2023) sollte bei einer Hyperkaliämie von ≥ 6.0 mmol/l auch ein moderner Kaliumsenker (Patiromer oder Natrium-Zirkonium-Cyclosilikat SZC) eingesetzt werden (12, 36). Dieser sollte beibehalten werden, es sei denn, eine andere, behandelbare Ätiologie (Medikamente, Nierenfunktion, Flüssigkeitsstatus, BD, Typ der HI) der HK wurde identifiziert und entsprechend therapiert.

Diese beiden Medikamente binden an Kalium im Magen-Darm-Trakt und verringern dessen Resorption. Zu den Kaliumbindern gehörten früher Natrium-PolystyrolSulfonat (Resonium®) und Calcium-Polystyrol-Sulfonat (Sorbisterit®).

Heute sollte das deutlich besser verträgliche Patiromer (Veltassa®), ein nicht resorbierbares Kationenaustauschpolymer oder Natrium-Zirkonium-Cyclosilikat (SZC) verordnet werden. Beide Substanzen erhöhen die Kalium-Ausscheidung im Stuhl und senken den erhöhten Serum-Kaliumspiegel um ca. 1 mmol/l. Sie halten eine Normokaliämie aufrecht und verhindern das Wiederauftreten einer HK. Die Verabreichung eines dieser beiden Medikamente kann bei erhöhtem Serum-Kalium bei einem grossen Teil der Patienten die Einleitung oder Auftitration der RAASi und speziell der MRA in 74–89 % über mehrere Monate ermöglichen (2, 12, 37–40). Eine tägliche Kalium-Kontrolle ist nicht notwendig; die Elektrolyte sollten aber kontrolliert werden.

Diese beiden Medikamente sind hoch effektiv und werden gut toleriert. Langzeitdaten zu NW sind aber nicht vorhanden. Medikamenteninteraktionen sind zu beachten. Patiromer senkt die Bioverfügbarkeit von Ciproxin, Levothyroxin und Metformin. Daher ist der 3 h-Abstand auch zu anderen Medikamenten wichtig.

Zum Patiromer gibt es eine fundierte Studienlage (OPAL-HK, PEARL-HF, AMBER, AMETHYST-DN) bezüglich RAASi, den erwähnten Begleiterkrankungen und HK. In der DIAMOND-Studie konnte dies bei einer HFrEF mit einer aktuellen oder früheren HK unter RAAS-H. mit bis 50 mg MRA (Spironolacton/Eplerenon) und ≥ 50 % der Zieldosis von RAASi über 3 Jahre nachgewiesen werden. Ein Serum-Kalium > 5.5 mmol/l konnte um 37 % gesenkt werden. Bei Patienten mit einer HK vor der RAASi-Optimierung kann die Verwendung von Patiromer vorteilhafter sein, um die MRA-Zieldosis zu erreichen und beizubehalten. Am effektivsten war Patiromer bei einer eGFR < 45 ml/min (37).

Für SZC gibt es auch diverse Studien, aktuell wurde im November 2024 am AHA in einer prospektiven doppelblinden randomisierten multizentrischen Studie (REALIZE-K+) gezeigt, dass durch die Verwendung von SCZ (10 g/die) eine MRA-Therapie bei 203 Patienten mit einer HFrEF (LVEF ≤ 40 %, NYHA II–IV) optimiert (≥ 25 mg Spironolacton) werden konnte. Notfallmassnahmen wegen einer schweren Hyperkaliämie waren nicht notwendig. Eine leitliniengemässe HFrEF-Therapie inkl. MRA konnte deutlich häufiger eingesetzt werden (12 Suppl., 38–40).

Ein Problem ist der hohe Preis der modernen Kaliumsenker. Veltassa® bedarf in der Schweiz einer Kostengutsprache, diese muss vom Kardiologen oder Nephrologen verordnet werden. Lokelma® ist im Gegensatz zur EU auf dem Schweizer Markt nicht erhältlich.

Aus Analysen von grossen Krankenkassendaten bei 46 588 Patienten von 2019–2022 aus Deutschland (RWE-Studie) mit einer HI und HK, wissen wir, dass die Umsetzung der Leitlinienempfehlungen bezüglich eines Hyperkaliämie-Managements bez. Kaliumbinder (3.2–11 %, moderner KB in nur 1.3 %) suboptimal ist. Ein häufiges Problem sind dabei die Rezidive mit knapp 45 %, dabei wurde nur bei 8.5 % ein Kaliumbinder eingesetzt. Meist wurde eine Therapie nur bis zur Normalisierung des Serum-Kaliums durchgeführt, sollte doch eine Erhaltungstherapie verordnet werden. Mit modernen Kaliumbinder können Anteil und Kosten einer Hospitalisierung reduziert werden (2).

Eine weitere therapeutische Option ist die Aufnahme einer kaliumsparenden Ernährung. Hierzu sollten Fertigprodukte/Kalium aus Lebensmittelzusatzstoffen möglichst vermieden werden, da diese eine hohe Kaliumabsorption von bis zu 90 % bewirken. Fleischprodukte haben ebenfalls eine hohe Resorptionsrate von 70–90 % mit einer Ansäuerung und dadurch zusätzlich erhöhtem Serum-Kalium. Im Gegensatz zu früher sind heute Früchte und Gemüse erlaubt. Pflanzliche Nahrungsprodukte haben für Kalium lediglich eine Absorptionsrate von 50–60 %, zugleich eine alkalisierende Wirkung. Die enthaltenen Kohlenhydrate führen zu einem Kalium–Shift in die Zelle. Diese Mechanismen wirken somit günstig (36, 41, 42). Obstsäfte sind hingegen zu vermeiden.

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Eine Hyperkaliämie (HK) mit einem Serum-Kalium ≥ 5 mmol/l tritt bei Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und einer korrekten Therapie häufig auf. Die Folgen können schwerwiegend und lebensbedrohlich sein. Diagnose, Prävention und Behandlung haben daher eine grosse Bedeutung um die Fortführung der RAASi-Therapie zu ermöglichen.
  • Bei einer HI ist die Therapie mit einer RAAS-Blockade (ACE-H./ARB/ARNI und einem MRA) bei max. verträglicher und zugelassener Dosis essenziell; ein Absetzen oder eine Dosisreduktion wegen einer HK oder einem Kreatinin Anstieg geht bei Patienten mit einer HI oder einer CKD mit einer mehr als 2-fach erhöhten Mortalität einher und die HI-Hospitalisationen steigen.
  • SGLT2-H. und MRA’s werden heute bei der Therapie einer HI unabhängig von der LV-EF verwendet. Beträgt diese < 40 %, so wird Spironolacton oder Eplerenon eingesetzt. Bei einer LV-EF ≥ 40 % das ns MRA Finerenon. Diese Medikamente senken das Risiko einer HI-Hospitalisation, verbessern die Lebensqualität und sind nephroprotektiv. Das Serumkalium wird auch bei F. erhöht, der Benefit ist grösser als das Risiko bei den meisten Patienten mit einer HI.
  • Finerenon ist heute bei einer diabetischen Nephropathie, noch nicht aber bei der HI (HFmrEF/HFpEF) zugelassen. Für F. besteht eine potentielle Rolle beim kardio-renalen-metabolischen Syndrom.
  • Die aktuellen ESC-, ACC/AHA- und KDIGO-Guidelines empfehlen bei einer chronischen HI mit HK (> 5.5 mmol/l) den Einsatz eines modernen Kaliumbinders zur Dosis Optimierung der RAASi inkl. MRA-Therapie. Indiziert ist dieser auch bei einer HI mit HK mit weiteren Begleitkrankheiten wie: CKD, T2DM, Hypertonie. Vorgängig Versuch durch Gabe eines SGLT2-H. und/oder evt. eines GLP-1 RA. Bei einer schweren HK erst nach Versagen aller diskutierten Massnahmen Reduktion oder Absetzen von RAASi.

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2. Cardiomed Live Vortrag «Hyperkaliämie im Spektrum der Kardiologie» vom 02.12.2024: Prof. Dres: M.Boehm, Homburg/ D. Berliner, Hannover/ B. Assmus, Giessen u. Marburg/ I. Emrich Saarland
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38. Kosiborod MN. et al., Sodium Zirconium Cyclosilicate for Management of Hyperkalemia During Spironolactone Optimization in Patients with Heart Failure, J Am Coll Cardiol. 2024 Nov 15: S0735-1097(24)10430
39. Rastogi A, et al. ZORA: Maintained RAASi Therapy with Sodium Zirconium Cyclosilicate Following a Hyperkalaemia Episode: A Multi-Country Cohort Study, presented at American Society of Nephrology Kidney Week, 1-5th November 2023, Philadelphia, PA, USA
40. Rastogi A, et al. ZORA: Association between reduced RAASi therapy and progression to ESKD in hyperkalaemic CKD patients, presented at American Society of Nephrology Kidney Week, 1-5th November 2023, Philadelphia, PA, USA
41. Picard K et al., Handouts for Low-Potassium Diets Disproportionately Restrict Fruits and Vegetables, J Ren Nutr. 2021, 31 (2):210-214

Therapieansätze für somatische Beschwerden in der Menopause – Überblick über aktuelle Empfehlungen

Im Rahmen des Referats von Prof. Dr. med. Petra Stute, Frauenklinik Inselspital Bern, wurden aktuelle Therapieansätze zur Behandlung somatischer Beschwerden in der Menopause vorgestellt. Besonderer Fokus lag auf den Empfehlungen zur Behandlung der vaginalen Atrophie, bekannt als genitourinary syndrome of menopause (GSM), sowie auf weiteren häufigen Beschwerden wie trockenen Augen, Akne und muskuloskelettalen Symptomen. Die vorgestellten Therapien beinhalten sowohl hormonelle als auch nicht-hormonelle Optionen und bieten einen umfassenden Überblick über Behandlungsmöglichkeiten, die den Bedürfnissen betroffener Frauen gerecht werden sollen.

Vaginale Atrophie und genitourinary ­syndrome of menopause (GSM)

Prof. Petra Stute

Ein zentraler Schwerpunkt des Referats lag auf den therapeutischen Optionen für das genitourinary syndrome of menopause (GSM), das durch vaginale Atrophie charakterisiert ist und bei vielen Frauen nach der Menopause auftritt. Die aktuellen NAMS-Empfehlungen von 2020 bieten einen Leitfaden zur Behandlung, der sowohl hormonelle als auch nicht-hormonelle Ansätze umfasst. Für Frauen, die primär eine hormonfreie Therapie wünschen oder benötigen, werden Gleitmittel bei sexueller Aktivität sowie lang wirkende Feuchtigkeitscremes für die regelmässige Anwendung empfohlen. Diese Produkte sind in der Regel gut verträglich und dienen als Erstlinientherapie bei leichten Symptomen.

Wenn Patientinnen jedoch mittelschwere bis schwere Symptome haben oder auf die Erstlinientherapie nicht ausreichend ansprechen, empfiehlt sich der Einsatz von lokalem, niedrig dosiertem Östrogen oder vaginalem Dehydroepiandrosteron (DHEA). DHEA-Präparate, wie das in Europa zugelassene Intrarosa® mit einer Dosierung von 6,5 mg täglich, bieten eine effektive Option, um die lokale Östrogenproduktion im Gewebe zu fördern und die vaginale Atrophie zu mindern. Studien zeigen, dass dies bei vielen Frauen zu einer Verbesserung der vaginalen Lubrikation und Reduktion von Beschwerden wie Trockenheit und Schmerzen führt. Alternativ kann eine systemische Östrogentherapie in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn zusätzlich vasomotorische Symptome wie Hitzewallungen auftreten.

Ein neuer Ansatz in der Behandlung von GSM ist die Nutzung von Vaginallasern, die jedoch noch in der Erforschung sind und hinsichtlich ihrer Langzeitwirkung und Sicherheit weiter untersucht werden müssen. Die vorläufigen Ergebnisse sind vielversprechend, und diese Methode könnte in Zukunft als ergänzende oder alternative Therapie bei schwerem GSM infrage kommen.

Trockenes Auge und topische Androgene

Eine häufige Begleiterscheinung der Menopause ist die peri- und postmenopausale Keratokonjunctivitis sicca, die sich in Form von trockenen Augen äussert und die Lebensqualität vieler Frauen erheblich beeinträchtigen kann. Im Vortrag wurde auf die Möglichkeit der topischen Anwendung von Androgenen hingewiesen. Da Androgene im Gewebe lokal aromatisiert werden können, ist eine Anwendung auf der Haut der Augenlider sinnvoll. Es wurde beispielhaft eine magistrale Rezeptur aus Estriol Vaginalcreme mit 1 % Testosteronpropionat erwähnt, die einmal täglich abends auf die Augenlider aufgetragen werden kann. Diese Behandlung ist jedoch noch nicht umfassend erforscht, und es fehlen Studien zur Langzeitsicherheit und systemischen Wirkung. Daher wird empfohlen, diese Therapieoption nur unter enger augenärztlicher Überwachung und mit Vorsicht anzuwenden.

Aknetherapie in der Menopause

Neben dem GSM und trockenen Augen kann die Menopause auch zur Verschlechterung oder zum Neuauftreten von Akne führen. Die Behandlungsmöglichkeiten wurden ausführlich dargestellt und umfassen eine Kombination aus topischen und systemischen Therapien. Zu den topischen Mitteln gehören Retinoide wie AIROL® 0,05 % Creme und Differin®, die entzündungshemmend wirken und die Talgproduktion regulieren. Ergänzend dazu können Antibiotika wie Clindamycin, häufig in Kombination mit Benzoylperoxid, in Form von Gelen wie Duac Akne Gel® angewendet werden, um das Bakterienwachstum zu hemmen.

In schwereren Fällen wird die Einnahme von Doxakne® (50 mg täglich für 6-12 Wochen) empfohlen, einem oralen Antibiotikum, das gezielt bei hormonell bedingter Akne wirkt. Für Frauen, die von hormonellen Schwankungen betroffen sind, kann ausserdem eine antiandrogene Therapie mit Aldactone® (50-100 mg täglich) vorteilhaft sein. Diese off-label-Anwendung zielt darauf ab, die Wirkung von Androgenen im Körper zu mindern und so die Hautprobleme zu reduzieren. Als wichtige ergänzende Massnahmen wird auf die Bedeutung von Lichtschutz, einer ausgewogenen Ernährung und gesunder Lebensführung hingewiesen, die zur Stabilisierung des Hautbildes beitragen.

Muskulatur und Gelenke – Erhalt und Prävention durch Hormontherapie

Ein weiterer, oft unterschätzter Aspekt der menopausalen Beschwerden betrifft das muskuloskelettale System. Frauen in der Menopause leiden nicht selten unter Muskelschwäche und Gelenkschmerzen, die ihre Mobilität und Lebensqualität beeinträchtigen können. Studien zeigen, dass eine Hormontherapie, insbesondere eine Kombinationstherapie aus Östrogen und Gestagen, positiven Einfluss auf die Muskulatur und die Gelenke hat und somit präventiv wirken kann. Die genauen Mechanismen sind noch nicht vollständig erforscht, jedoch wird angenommen, dass der Rückgang von Östrogen während der Menopause eine Rolle bei der Muskelschwäche und den Gelenkschmerzen spielt. Durch eine gezielte Hormontherapie kann der Muskeltonus verbessert und das Risiko für Gelenkbeschwerden reduziert werden.

Ganzheitliche Ansätze und Lebens­stilmassnahmen

Ergänzend zu den medikamentösen Therapien wurde im Vortrag die Bedeutung von nicht-pharmakologischen Massnahmen und einem ganzheitlichen Ansatz betont. Dazu zählen regelmässige körperliche Aktivität, die zum Erhalt der Muskelkraft und Gelenkgesundheit beiträgt, sowie gezielte Massnahmen zur Stressbewältigung. Auch eine ausgewogene Ernährung mit einem Fokus auf entzündungshemmenden Lebensmitteln kann zur Reduktion von Beschwerden beitragen und die allgemeine Gesundheit fördern. Der Verzicht auf Rauchen und eine Kontrolle des Körpergewichts sind zusätzliche Faktoren, die die Therapie unterstützen und das Risiko für verschiedene Begleiterscheinungen der Menopause verringern können.

Take-Home-Message:

Die Therapie somatischer Beschwerden in der Menopause sollte individuell angepasst sein und eine Kombination aus pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Optionen umfassen. Vaginale Gleitmittel und Feuchtigkeitscremes stellen die Basistherapie für GSM dar, während bei stärkeren Beschwerden vaginale Hormone oder DHEA-Präparate hinzugezogen werden können. Für trockene Augen und Akne existieren spezialisierte Behandlungsoptionen. Die Bedeutung von Lebensstilfaktoren darf in der Therapieplanung nicht unterschätzt werden, da sie wesentlich zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Massnahmen beitragen.

Heinrich Lehmann, MSc, MAE

lehmann@medinfo-verlag.ch

Einblicke und therapeutische Ansätze bei Migräne

Migräne ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die Frauen im reproduktiven Alter besonders häufig betrifft. Hormonelle Schwankungen, insbesondere im Zusammenhang mit Östrogen und Progesteron, spielen eine zentrale Rolle in der Migräneentstehung und beeinflussen die Häufigkeit und Intensität der Anfälle. Dr. Susanne Fasler stellte beim 27. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe in Näfels aktuelle Erkenntnisse zur hormonellen Migräne und zu therapeutischen Möglichkeiten vor. Der Bericht beleuchtet den Einfluss hormoneller Veränderungen auf das Migränegeschehen und gibt einen Überblick über präventive sowie therapeutische Ansätze.

Epidemiologie und hormonelle Faktoren

Dr. med. S. Fasler

Migräne ist weltweit eine der häufigsten Kopfschmerzerkrankungen und betrifft Frauen etwa dreimal so häufig wie Männer. Dieser Unterschied wird primär auf hormonelle Einflüsse zurückgeführt, da die Migräneprävalenz während der Kindheit noch ähnlich ist. Mit Beginn der Pubertät steigt sie jedoch bei Mädchen deutlich an und bleibt bis zur Menopause erhöht. Studien zeigen, dass hormonelle Schwankungen, insbesondere Veränderungen des Östrogen- und Progesteronspiegels, Migräneauslöser sein können. Während die Migräneprävalenz in der Schwangerschaft häufig abnimmt, steigt sie in der Perimenopause häufig erneut an. Auch bei der Einnahme hormoneller Kontrazeptiva und während einer Hormonersatztherapie (HRT) können sich Migräneanfälle verändern.

Das trigeminusvaskuläre System

Ein zentrales Thema war das trigeminusvaskuläre System, das eine Schlüsselrolle in der Migränepathophysiologie spielt. Dieses System umfasst den Nervus trigeminus, der die Schmerzempfindlichkeit des Gesichts und des Kopfes reguliert, sowie vaskuläre Komponenten, die an der Migräneentstehung beteiligt sind. Besonders relevant ist das Neuropeptid Calcitonin-Gene-Related Peptide (CGRP), das während Migräneattacken verstärkt ausgeschüttet wird und eine Dilatation der Blutgefässe sowie eine Entzündungsreaktion hervorruft. Oxytocin, ein weiteres Hormon, das u. a. soziale Interaktionen und Schmerzempfinden moduliert, zeigt im Trigeminusganglion eine hemmende Wirkung auf die CGRP-Ausschüttung. Dieser Mechanismus eröffnet neue therapeutische Ansätze zur gezielten Migränebehandlung.

Hormonelle Einflüsse auf die Migräne

Östrogen ist einer der Hauptfaktoren, der den Migräneverlauf bei Frauen beeinflusst. Während des Zyklus sinkt der Östrogenspiegel kurz vor der Menstruation ab, was bei vielen Frauen zur sogenannten menstruellen Migräne führt. Diese Migräneform tritt meist ohne Aura auf und ist häufig intensiver und schwerer zu behandeln als zyklusunabhängige Migräne. Studien legen nahe, dass eine Stabilisierung des Östrogenspiegels, beispielsweise durch eine transdermale Östrogengabe während der Perimenstruation, die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken reduzieren kann. Allerdings sind Dosierung und Anwendungsdauer entscheidend, um eine mögliche Migräneverschlechterung nach dem Absetzen der Hormone zu vermeiden.

Progesteron spielt ebenfalls eine Rolle in der Schmerzmodulation bei Migräne. Es ist bekannt, dass Progesteron die Schmerzempfindlichkeit im trigeminalen System reduziert und dadurch die Migränesymptome lindern kann. In der Praxis wird Progesteron jedoch eher selten isoliert zur Migränetherapie eingesetzt, da die Wirksamkeit und Dosierung individuell stark variieren.

Therapeutische Optionen: Antikonzeption und HRT

Hormonelle Interventionen bieten bei hormoninduzierter Migräne vielversprechende Therapieoptionen. Eine Möglichkeit zur Prävention menstrueller Migräneattacken ist die Anwendung kombinierter oraler Kontrazeptiva (COC) im Langzyklus, wodurch hormonfreie Intervalle und somit starke hormonelle Schwankungen vermieden werden. Diese Methode sollte jedoch bei Frauen mit Migräne mit Aura mit Vorsicht angewendet werden, da das Schlaganfallrisiko unter COC signifikant erhöht ist. Alternativ kann die Einnahme des Progestin-Only-Pills (POP) eine günstige Wirkung auf menstruelle Migräne haben und sowohl die Anzahl als auch die Intensität der Migränetage moderat verringern.

Eine Hormonersatztherapie (HRT) zur Behandlung klimakterischer Beschwerden ist bei migräneanfälligen Frauen mit Bedacht zu wählen. Während eine orale HRT die Migräne häufig verschlechtert, können niedrig dosierte, kontinuierliche transdermale Präparate den Östrogenspiegel stabilisieren und menstruelle Migräne verbessern. Tibolon, ein synthetisches Hormonpräparat, hat sich bei einigen postmenopausalen Frauen als günstiger erwiesen, da es keine zyklischen Hormonveränderungen induziert.

Akuttherapie und Prophylaxe

Neben hormonellen Interventionen spielt die Akuttherapie eine wichtige Rolle in der Migränebehandlung. Triptane, die spezifisch bei Migräne und Clusterkopfschmerzen eingesetzt werden, zeigen eine gute Wirksamkeit bei Attacken mit und ohne Aura. Mutterkornalkaloide sind eine weitere Möglichkeit, jedoch aufgrund von Nebenwirkungen wie Übelkeit und Gefässverengung nur bedingt geeignet. Zur Unterstützung können Antiemetika und Analgetika verabreicht werden.

Die Prophylaxe umfasst nicht-hormonelle Massnahmen wie Verhaltensmodifikationen und psychologische Verfahren, die zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Medikamentös stehen Betablocker, Calciumantagonisten, Antikonvulsiva und Antidepressiva zur Verfügung. Neue therapeutische Optionen umfassen monoklonale Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor, die eine gezielte Migräneprophylaxe ermöglichen.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit und patientenorientierte Therapie

Die Behandlung der Migräne erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen und Neurologen. Während Neurologen die primäre Therapie der Migräne übernehmen, spielen Gynäkologen eine wichtige Rolle bei der Auswahl von Verhütungsmethoden und Hormontherapien. Eine sorgfältige Anamnese vor der Verschreibung hormoneller Präparate ist essenziell, um mögliche Risiken wie ein erhöhtes Schlaganfallrisiko zu identifizieren und die geeignete Behandlung für die Patientin auszuwählen.

Take-Home-Message

Migräne bei Frauen ist oft eng mit hormonellen Schwankungen verknüpft, insbesondere mit dem Abfall des Östrogenspiegels vor der Menstruation. Eine gezielte Stabilisierung des Hormonspiegels durch geeignete Hormonpräparate kann Migräneattacken mindern oder verhindern. Bei der Wahl hormoneller Interventionen ist eine gründliche Anamnese erforderlich, wobei die Migräneanamnese stets in die Entscheidung einbezogen werden sollte. Die Behandlung von Migräne erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise, bei der Gynäkologen und Neurologen gemeinsam optimale Therapieentscheidungen für ihre Patientinnen treffen.

Heinrich Lehmann, MSc, MAE

lehmann@medinfo-verlag.ch

Vorstellung unseres Redaktionsmitglieds Prof. Adam Czaplinski

Liebe Leserinnen und Leser,

Mit dieser Ausgabe freuen wir uns sehr, Ihnen unser Redaktionsmitglied Prof. Dr. med. Adam Czaplinski vorzustellen. Adam Czaplinski absolvierte seine Ausbildung zum Neurologen vorallem an der Neurologischen Universitätsklinik Basel, wo ich ihn vor vielen Jahren kennenlernen durfte. Er bildete sich weiter im Baylor College of Medicine und im Methodist Neurological Institute in Houston, Texas, USA und habilitierte nach seiner Rückkehr an der Universität Basel. Neben seiner Tätigkeit als Leiter des Zentrums für Multiple Sklerose der Bellevue Medical Group in Zürich leitet er auch die Klinik für Neurologie Hirslanden und ist als Beleg- und Konsiliararzt in mehreren Hirslanden-Kliniken tätig. Adam Czaplinski ist zudem Autor einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen.

Passend zum Thema Neurologie finden Sie den Originalartikel von Caroline Schäfer et al. mit dem Titel «REM-Schlaf-Verhaltensstörung – mehr als eine einfache Parasomnie». Den Rapid-Eye-Movement (REM) Schlaf kennen wir als Traumschlaf, der vor allem in der zweiten Nachhälfte auftritt. Bei Störung der ansonsten physiologischen muskulären Hypotonie des REM Schlafes kann es zum reellen Auftreten von Trauminhalten führen, mit entsprechendem Verletzungspotential. Lesen Sie im Artikel, was es diesbezüglich für neue Monitortechnologien gibt und wie die Behandlung erfolgt.

In dieser Ausgabe können Sie zudem die Zusammenfassung der aktuellen ESC-Guidelines 2024 für das Management erhöhter Blutdruckwerte und der arteriellen Hypertonie, verfasst von Miklos Rohla und Emrush Rexhaj, Kardiologie Inselspital Bern, lesen. Der Artikel zeigt eine gute und kompakte Übersicht der diagnostischen und therapeutischen Algorithmen.

Daneben finden Sie wie üblich weitere spannende Artikel und PRAXIS-Fälle.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre dieses Heftes.

Prof. Dr. med. Dagmar Keller Lang

Chefärztin, Leiterin Notfall
Klinik Gut
7500 St. Moritz

d.keller@klinik-gut.ch

Vitamin K2 reduziert die Häufigkeit nächtlicher Waden­krämpfe bei älteren Menschen

Hintergrund

Etwa die Hälfte der vorwiegend älteren Menschen haben gelegentlich nächtliche Wadenkrämpfe. Bei einigen treten die Krämpfe häufig auf, und diese Menschen suchen medizinische Hilfe. Empfohlen wird oft Magnesium oder Kalzium-Kanal-Blocker, wobei die Wirksamkeit fraglich ist. Wegen schweren Nebenwirkungen wird Quinin nicht mehr empfohlen.

In einer Studie bei Dialysepatienten zeigte sich, dass Vitamin K2 (rezeptfrei erhältlich) wirksam ist und im Vergleich zu Plazebo deutlich weniger Wadenkrämpfe auftraten. Wenn Wadenkrämpfe auftraten, dauerten sie weniger lang.
In dieser Studie wurde die Wirksamkeit von Vitamin K2 bei Nichtdialysepatienten untersucht.

Einschlusskriterien

– Personen älter als 65 Jahre mit zwei oder mehr Episoden von nächtlichen Wadenkrämpfen in den vergangenen zwei Wochen

Ausschlusskriterien

– Personen mit Wadenkrämpfen aufgrund metabolischer Krankheiten (z. B. Hypothyreose, Hypoglykämien, Hämodialyse) und von Neuropathien (z. B. Alkoholismus, Parkinson, amyotrophe Lateralsklerose)
– Einnahme von Diuretika oder Vitamin-K-Antagonisten
– Hämodialyse

Studiendesign und Methode

Multizentrische, verblindete, randomisierte Studie

Studienort

In verschiedenen Spitälern einer chinesischen Provinz wurde Werbung für die Teilnahme an der Studie gemacht.

Interventionen

– Gruppe 1: Vitamin K2 (Menaquinon) 180 μg/Tag für acht Wochen
– Gruppe 2: Plazebopräparat für acht Wochen

Outcomes

Primärer Outcome
– Mittlere Anzahl nächtlicher Wadenkrämpfe pro Woche

Sekundäre Outcomes
– Dauer der Wadenkrämpfe in Minuten
– Schweregrad der Wadenkrämpfe auf einer Skala von 1 bis 10

Resultat

– 310 Personen wurden für die Eignung, an der Studie teilzunehmen, untersucht, 199 wurden randomisiert (weniger als zwei Wadenkrämpfe war der häufigste Grund, Personen nicht einzuschliessen); das mittlere Alter lag bei 72 Jahren, 54 % waren Frauen, 70 % hatten eine Hypertonie und knapp 50 % einen Diabetes.
– In den zwei Wochen vor Einschluss in die Studie lag die mittlere Frequenz von nächtlichen Wadenkrämpfen bei 2.6/Woche in der Vitamin-K2-Gruppe und bei 2.71/Woche in der Plazebogruppe.
– Mittlere Häufigkeit von nächtlichen Wadenkrämpfen während der Studie: 0.96/Woche in der Vitamin-K2-Gruppe und 3.63/Woche in der Plazebogruppe. Statistisch signifikanter Unterschied.
– Die mittlere Dauer der Krämpfe als auch der Schweregrad wurden von Vitamin K2 positiv beeinflusst.
– Nebenwirkungen wurden keine registriert.

Prof. em. Dr. med. Johann Steurer

Zürichbergstrasse 7
8032 Zürich

johann.steurer@usz.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Tan J et al. Vitamin K2 in managing nocturnal leg cramps. A randomized clinical trial. JAMA Intern Med. Doi:10.1001/jamainternmed. 2024.5726.