PARP-Inhibitoren auf dem Vormarsch

Die PARP-Inhibitoren sind auf einem raschen Vormarsch bei all den Malignomen, bei denen die DNA-Reparatur genetisch gestört ist. Das seröse, wenig differenzierte Ovarialkarzinom hat genau diese Voraussetzungen vorab bei den BRCA-mutierten Patientinnen, aber nicht nur. Die Erhaltungstherapie nach einer erfolgreichen platinhaltigen Ersttherapie ist nun für Lynparza® (Olaparib) mit einer sehr eindrücklichen Reduktion des Rezidivrisikos von 70% nach 41 Monaten Follow-up dokumentiert und weist den Weg zu einer wertvollen Prognoseverbesserung, wie wir sie bisher nicht kannten. Patientinnen mit einem FIGO III und IV serösen high grade-Karzinom des Ovars haben bis anhin eine sehr unbefriedigende Prognose und die 5-Jahres Überlebensrate ist nur ca. 20% für FIGO III bzw. 5% für FIGO IV.

Les inhibiteurs PARP progressent rapidement dans toutes les tumeurs malignes où la réparation de l’ADN est génétiquement perturbée. Le carcinome de l’ovaire grave et indifférencié montre exactement ces conditions préalables chez les patientes mutées par le gène BRCA, mais pas seulement. Le traitement d’entretien de Lynparza® (Olaparib) après une première thérapie à base de platine est maintenant documenté avec une réduction très impressionnante du risque de récidive de 70% après 41 mois de suivi et ouvre la voie à une amélioration précieuse du pronostic, que nous ne savions pas encore. Les patientes atteintes d’un carcinome séreux de haut grade de l’ovaire de FIGO III et IV ont un pronostic très insatisfaisant et le taux de survie à 5 ans est seulement d’environ 20% pour FIGO III et 5% pour FIGO IV.

Ein therapeutischer Vorteil von 2 Jahren oder mehr verlängertem, progressionsfreiem Überleben ist für jede fortgeschrittene Tumorerkrankung ein aussergewöhnlich bedeutsamer Erfolg von hohem potentiellem klinischem Nutzen. Dies insbesondere, wenn diese Therapie in diesem Ausmass alternativlos ist, eine akzeptable Verträglichkeit aufweist und somit auch eine hohe Akzeptanz bei den Patientinnen erwarten lässt. Dies trifft in hohem Mass für die Erhaltungstherapie mit den PARP-Inhibitoren zu bei Patientinnen mit fortgeschrittenem, platin-sensitivem, rezidiviertem, high-grade serösem Ovarialkarzinom im Anschluss an eine platinhaltige Chemotherapie bei Vorliegen einer kompletten oder partiellen Remission. Dabei zeigen neuere Daten, dass nicht nur BRCA-mutierte seröse high-grade Formen von Ovarial-, Tuben- und Endometriumkarzinom-Patientinnen davon profitieren. Die am ESMO präsentierte SOLO1-Studie mit der Erhaltungstherapie mit Lynparza® (Olaparib) bei BRCA-mutierten Patientinnen mit FIGO III und IV high grade serösen Ovarial-,Tuben und Endometriumkarzinomen zeigt hier den Weg. War bisher für Patientinnen mit einem fortgeschrittenen serösen high-grade Ovarial-Tuben- oder Endometriumkarzinom die Weiterbehandlung nach einer Primärtherapie mit Carboplatin und Paclitaxel ohne Avastin und in der Folge einer Monotherapie mit Avastin (15 mg / kg Körpergewicht einmal alle 3 Wochen) eine Option von eher bescheidenem therapeutischem Nutzen von wenigen Monaten, so zeigt die Studie SOLO1 (NCT01844986) mit einer oralen Erhaltungstherapie mit Lynparza® (Olaparib) hier einen wesentlich bedeutsameren PFS-Vorteil und dies wird künftig für viele Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom die Situation verbessern und zu einem neuen Standard werden (1).

PARP-Inhibitoren

Heute sind bereits drei PARP-Inhibitoren auf dem Markt in den USA (Olaparib, Niraparib and Rucaparib). Mindestens zwei weitere, Talazoparib und Veliparib, sind in der klinischen Pipeline mit bisher positiven Resultaten und dürften bald die verbleibenden Indikations-Lücken anpeilen (2).
Lynparza® (Olaparib), der erste zugelassenen PARP-Inhibitor, ist ein starker Inhibitor der humanen Poly-(ADP-Ribose)-Polymerasen (PARP-1, PARP-2 und PARP-3) und hemmt als Monotherapie oder in Kombination mit Chemotherapie das Wachstum diverser Tumorzelllinien in vitro und das Tumorwachstum in vivo. PARP-Enzyme werden für die effiziente Reparatur von Einzelstrangbrüchen in der DNA benötigt. In normalen Zellen werden diese DNA-Doppelstrangbrüche über homologe Rekombinationsreparatur repariert, für welche unter anderem funktionsfähige BRCA1- und BRCA2-Proteine erforderlich sind. Ist die HRR defekt, z.B. durch pathogene Mutationen in BRCA1/2 oder anderen Genen im HRR Signalweg, spricht man von einer HRD (Homologous recombination deficiency). So können DNA-Doppelstrangbrüche nicht mehr über HRR repariert werden und die Zellen sterben ab (3).

SOLO1-Studie mit Lynparza® (Olaparib) als Erstlinien-Erhaltungstherapie

Diese wegweisende, internationale, auf mehreren Kontinenten durchgeführte grosse Studie wurde erstmals am ESMO 2018 präsentiert und die Publikation erfolgte bereits Ende 2018 im NEJM, obwohl die mediane Beobachtungsdauer mit 41 Monaten noch zu kurz war, um definitive Überlebensdaten zu dokumentieren (1). Es wurden in dieser randomisierten, Placebo-kontrollierten, doppelblinden Phase 3 SOLO1-Studie total 1084 Patientinnen gescreent und schliesslich 391 BRCA-mutierte Frauen mit Stadium FIGO III und IV, Ovarial-, Tuben- oder Endometriumkarzinom mit einer partiellen oder kompletten Remission nach einer platinhaltigen Primärtherapie in einer 2:1 Randomisierung mit oral Lynparza® (n: 260) oder Placebo (n:131) während 2 Jahren behandelt. Lynparza® war nicht Teil der kombinierten Primärtherapie. Die Dosis betrug 300mg Lynparza® 2 x täglich für 2 Jahre. Zu beachten ist, das Lynparza mindestens eine Stunde nach einer Mahlzeit eingenommen werden muss und danach sollte die Patientin möglichst 2 Stunden lang nichts essen. Der Nachweis der BRCA-Mutation erfolgte entweder durch eine zentral oder lokal durchgeführte Keimbahnuntersuchung anhand einer Blutprobe oder mittels Untersuchung einer Tumorgewebeprobe in einem lokalen Test. Der BRCA-Status aller Patientinnen wurde soweit möglich mithilfe des Myriad Integrated BRACAnalysis® Tests, des Myriad BRACAnalysis CDx® oder des FoundationOne CDxTM Clinical Trial Assay der Foundation Medicine überprüft.
Der primäre Endpunkt war das vom Untersucher dokumentierte PFS gemessen ab Randomisierung. Die sekundären Endpunkte umfassten das PFS2 (Zeit ab Randomisierung bis zur 2. Progression), die Lebensqualität und das Gesamtüberleben. Die mediane Beobachtungszeit betrug 41 Monate. Beobachtet wurden die bereits bekannten bisher beobachteten Nebenwirkungen (≥ 10%) wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Dyspepsie, Erschöpfung, Kopfschmerzen, Dysgeusie, verminderter Appetit, Schwindel. Die häufigsten Grade ≥ 3 Nebenwirkungen waren Anämie (22%) und Neutropenie (8%). Eine AML wurde bei 3 in der Verumgruppe und bei keiner Patientin der Placebogruppe dokumentiert. Langzeitresultate sind nun notwendig, um diese Beobachtung einordnen zu können. Die erhobenen Lebensqualitätsdaten zeigten keinen Unterschied in den beiden Behandlungsarmen.
In SOLO1 zeigte sich für Olaparib mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,30 eine klinisch relevante und statistisch signifikante Verbesserung des vom Investigator beurteilten PFS gegenüber Placebo (95%-KI 0,23 – 0,41; p< 0,0001; median nicht erreicht für Olaparib versus 13,8 Monate für Placebo). Basierend auf der Kaplan-Meier-Berechnung betrug der Anteil der Patientinnen, die nach 12, 24 und 36 Monaten progressionsfrei waren, 88%, 74% bzw. 60% für Olaparib versus 51%, 35% bzw. 27% für Placebo.
Auch wurde eine klinisch bedeutende und statistisch signifikante Verbesserung des PFS2 mit einer HR von 0,50 (95%-KI 0,35–0,72; p = 0,0002; Median nicht erreicht für Lynparza® versus 41,9 Monate für Placebo) beobachtet, was darauf hinweist, dass der beobachtete Vorteil der Erhaltungstherapie mit Lynparza® auch bei der nachfolgenden Therapie anhielt.
Zum Zeitpunkt der PFS-Analyse waren die Interimsdaten zum OS mit Ereignissen bei 82/391 (21%) Patientinnen noch unreif (HR 0,95; 95%-KI 0,60–1,53; Median OS nicht erreicht). Bei den mit Lynparza® behandelten Patientinnen wurde eine klinisch bedeutende und statistisch signifikante Verbesserung der TFST (time to first subsequent therapy or death) verzeichnet (HR 0,30; 95%- 0.30; 95% CI: 0.23 zu 0.41; P< 0.001). Im Dendrogramm zeigt sich zudem eindrücklich, dass auch in der Subgruppenanalyse alle bezüglich PFS deutlich profitiert haben:
In der Zwischenzeit wissen wir aber, dass auch Patientinnen ohne BRCA-Mutation von den PARP-Inhibitoren profitieren. Die Firmen AstraZeneca und MSD führen derzeit weitere Studien beim Ovarialkarzinom durch, einschliesslich der laufenden Phase-III-Studie PAOLA-1. Diese Studie untersucht die Erhaltungstherapie von Olaparib in Kombination mit Bevacizumab vs. Bevacizumab mit Placebo nach einer primär Platin-basierten Chemotherapie bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem, fortgeschrittenem Ovarialkarzinom, unabhängig von ihrem BRCA-Status. Erste Ergebnisse sollten im zweiten Halbjahr 2019 erwartet werden.

Zejula® (Niraparib) ohne BRCA-Mutation zugelassen nach Vorbehandlung

Neben Lyparza mit der bereits vorliegenden, von Swissmedic zugelassenen Indikation (4). Zur Erhaltungstherapie (Mo-notherapie) bei Patientinnen mit fortgeschrittenem, rezidivierten Ovarialkarzinom mit BRCA Mutation im Anschluss an eine platinhaltige Chemotherapie bei Vorliegen einer kompletten oder partiellen Remission.
ist in der Schweiz bei Patientinnen bei platinsensitivem, vorbehandelten Ovarialkarzi-nom Zejula® (Niraparib) als Erhaltungstherapie ebenfalls wie folgt zugelassen: Zejula® (Niraparib) ist indiziert für die Erhaltungstherapie erwachsener Patientinnen mit einem Platin-sensitiven, rezidivierenden primären epithelialen serösen high-grade (hochgradig entdifferenzierten) Ovarial-, Tuben- oder Peritonealkarzinom. Die Patientin muss vollständig oder teilweise auf eine Platin-basierte Chemotherapie angesprochen haben.

Anwendung

Die Behandlung mit Zejula® muss durch einen in der Anwendung antineoplastischer Medikamente erfahrenen Arzt eingeleitet und überwacht werden.

Dosierung

Die Anfangsdosis von Zejula® beträgt zwei Kapseln zu 100 mg einmal täglich, entsprechend einer täglichen Gesamtdosis von 200 mg.
Die BRCA-Mutation ist hier also keine Voraussetzung!
Die noch laufende randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studie ENGOT-OV26/PRIMA untersucht die Erhaltungstherapie mit Zejula® (Niraparib) nun in der Erstlinientherapie, nämlich bei Frauen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom (FIGO-Stadium III oder IV), die auf die Platin-basierte Erstlinien-Chemotherapie mit einer partiellen oder kompletten Remission angesprochen haben. Sie erhalten, analog der SOLO1-Studie mit Lynparza® in einer 2:1 Randomisierung täglich 300 mg Niraparib als Dauertherapie in 28-tägigen Zyklen oder Placebo. Alle Patientinnen werden auf eine Homologe Rekombinationsdefizienz (HRD) des Tumors getestet. Primärer Endpunkt ist das PFS bei HRD-positiven Patientinnen.

Zusammenfassend

haben wir nun sowohl in der Erstlinien wie auch in der Folgetherapie bei platinsensitiven Patientinnen mit Rezidiv bei einem high-grade Ovarial-Tuben- oder Endometriumkarzinom eine wichtige Behandlungsoption mehr mit einer Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor, welche das Potential hat, die Prognose dieser Patientinnen in einem bedeutsamen Ausmass zu verbessern. Kombinationen mit neueren Angiogeneseinhibitoren wie Cediranib oder der Einsatz von Checkpointinhibitoren in dieser Situation sind weitere spannende Herausforderungen.

Prof. em. Dr. med.Thomas Cerny

Rosengartenstrasse 1d
9000 St. Gallen

thomas.cerny@kssg.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • PARP-Inhibitoren sind als Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit serösem high-grade Karzinom des Ovars, der Tuben und des Endometriums eindrücklich wirksam.
  • Die Wirksamkeit ist sowohl in der Ersttherapie wie bei platinsensitivem Rezidiv eindrücklich.
  • Die Wirksamkeit beschränkt sich nicht nur auf BRCA-mutierte Patientinnen, sondern auf alle Patientinnen mit highgrade-serösem, gynäkologischen Karzinom.
  • Seit der Entdeckung der Platine und Taxane ist dies die wichtigste therapeutische Errungenschaft für diese Patientinnen.

Messages à retenir

  • Les inhibiteurs PARP sont d’ une efficacité impressionnante comme
    traitement d’entretien chez les patientes atteintes d’ un carcinome séreux de haut grade de l’ovaire, des trompes et de l’ endomètre.
  • L’ efficacité est impressionnante aussi bien dans le traitement de
    première intention que dans les rechutes sensibles au platine.
  • L’ efficacité ne se limite pas aux patientes ayant subi une mutation du gène BRCA, mais à toutes les patientes atteintes d’un carcinome
    gynécologique séreux de haut grade.
  • Depuis la découverte du platine et des taxanes, il s’ agit de l’ accomplissement thérapeutique le plus important pour ces patients.

1. Moore K, et al. Maintenance Olaparib in Patients with Newly Diagnosed Advanced Ovarian Cancer. NEJM 2018
2. Mirza MR et al, Latest clinical evidence and further development of PARP inhibitors in ovarian cancer. Ann Oncol 2018
3. Spriggs DR and Longo DL. PARP Inhibitors in Ovarian Cancer Treatment. Editorial. NEJM 2016
4. Mirza MR et al. Niraparib maintenance therapy in platinum-sensitive, recurrent ovarian cancer. NEJM 2016

Ibrutinib plus Venetoclax bei Patienten mit rezidivierter oder Therapie-refraktärer CLL

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organi­sation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für die hier vorgestellte Studie oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienverantwortlichen (Coordinating Investigator) oder den Studienkoordinator (Clinical Project Manager).

Die Mehrheit der Patienten mit einer chronisch-lymphatischen Leukämie (CLL) rezidivieren nach einer Erstlinientherapie und ein Teil der Patienten spricht auf die initiale Therapie gar nicht an. Bei rezidivierter oder refraktärer CLL (RR-CLL) gibt es verschiedene Therapieoptionen. In den letzten Jahren wurden die Medikamente Ibrutinib (Imbruvica®), ein kleinmolekularer Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK), und Venetoclax (Venclyxto®), ein selektiver Inhibitor des anti-apoptotischen B-Zell-Lymphom (BCL)-2-Proteins, in der Schweiz zur Therapie der RR-CLL als Monotherapie zugelassen.
Für die Kombination von Ibrutinib und Venetoclax sprechen verschiedene Überlegungen: In präklinischen Studien konnte eine synergistische Wirkung der beiden Medikamente gezeigt werden, da Ibrutinib mehr in Lymphknoten, Venetoclax mehr im peripheren Blut und im Knochenmark aktiv ist. Eine vorgängige Therapie mit Ibrutinib kann zu einer Reduktion der Tumorlast und somit zu einem reduzierten Risiko für eine Tumorlyse führen, was eine häufige Komplikation der Monotherapie mit Venetoclax ist. Ein weiteres wichtiges Argument ist die gute Verträglichkeit: Unter der Kombinationstherapie treten nicht wesentlich mehr Nebenwirkungen auf wie wenn die Wirkstoffe als Monotherapie verabreicht werden.
In the SAKK 34/17 study, we treat patients with RR-CLL with both agents in combination to find out if it will improve response and disease progression. Initially, patients receive ibrutinib as monotherapy and venetoclax is added after 6 cycles. The primary endpoint is the rate of patients who have MRD-negative complete response (MRD-neg CR) resp. Achieve MRD-negative complete response with incomplete recovery of blood values ​​(CRi) at the end of the 30th cycle.
Participants will receive monotherapy with 420 mg ibrutinib during the first six cycles of therapy (28 days each). Venetoclax is added in the seventh cycle and its dosage is increased from 20 to 200 mg in one-week increments. From cycle 8 to 31, patients take 420 mg ibrutinib daily and 400 mg venetoclax daily (Figure 1). You must consult the study physician at least once per cycle, at the beginning of the study and when Venetoclax is introduced several times per cycle. About 30 patients will be included in the study.

Commentary on the study SAKK 34/17

Die Einführung von neuen gezielten Medikamenten hat die therapeutischen Prinzipien der CLL fundamental verändert. Ibrutinib und Venetoclax sind zu Standardtherapien bei rezidivierten/refraktären CLL Patienten geworden und werden bald auch den Weg in die Erstlinienbehandlung finden. Ein wichtiger Nachteil dieser Medikamente als Monotherapie ist jedoch die kontinuierliche Verabreichung bis zur Krankheitsprogression. Die langfristige Medikamenteneinnahme führt zu Compliance-Problemen und zu einer deutlichen Erhöhung der Therapiekosten. In vorgängigen Studien konnte gezeigt werden, dass die minimale Resterkrankung (MRD) ein prädiktiver Wert für das progressionsfreie und das Gesamt-Überleben sein kann. Die SAKK 34/17 Studie untersucht deshalb den Effekt der Kombination von Ibrutinib und Venetoclax auf die Anzahl von Patienten mit negativem MRD und die Möglichkeit, die Therapie nach MRD Negativisierung zu unterbrechen. Die Resultate können dazu beitragen, die MRD als klinischen Endpunkt auch bei rezidivierter/refraktärer CLL zu etablieren.

Studienname: Prospective, open-label, multicenter, phase-II trial of ibrutinib induction followed by ibrutinib plus venetoclax consolidation in patients with relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia

Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. Davide Rossi, Istituto Oncologico della Svizzera Italiana (IOSI)

Supporting Coordinating Investigators: PD Dr. med. Georg Stüssi, Istituto Oncologico della Svizzera Italiana (IOSI), Dr. med. Michael Gregor, Luzerner Kantonsspital

Clinical Project Manager: Priska Stocker-Stillhart, Priska.Stocker@sakk.ch, SAKK Bern

Teilnehmende Zentren: Kantonsspital Aarau, Universitätsspital Basel, Istituto Oncologico della Svizzera Italiana (IOSI), Inselspital, Kantonsspital Graubünden, Kantonsspital Baselland Liestal,
Luzerner Kantonsspital, Spital STS AG Thun, Spital Thurgau,
Kantonsspital Winterthur, UniversitätsSpital Zürich.

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

Best of ASH 2018

Im Rahmen der 60. Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH, 1.-4.12.2018 in San Diego) wurden wiederum zahlreiche neue Studienergebnisse bei hämatoonkologischen Neoplasien präsentiert, die Eingang finden werden in die alltägliche Patientenversorgung. Sie beinhalten wichtige Fortschritte in Richtung Präzisionsmedizin, also den zielgerichteten Einsatz des richtigen Medikaments beim richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt. Dabei dürfte sich das Erreichen einer MRD (minimal residual disease)-Negativität als ein wichtiges neues Therapieziel etablieren.

CLL

Bei der CLL ist Ibrutinib als primäre Monotherapie oder in Kombination mit einer Immuntherapie hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) der Chemoimmuntherapie überlegen (ILLUMINATE- und ALLIANCE-Studie). Vor allem Patienten mit einem unmutierten IGHV profitieren von der Dauertherapie mit Ibrutinib. Es ergab sich aber beim Gesamtüberleben kein Unterschied zwischen der Ibrutinib-Monotherapie und der Kombination mit Rituximab.
Bzgl. Rezidivtherapie ist die Kombination Venetoclax plus Rituximab eine effektive Therapie bei einer begrenzten Therapiedauer. Nur 13 Prozent aller mit dieser Kombination behandelten
Patienten entwickelten innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Therapie eine Progression. Dabei erwies sich der MRD-Status als ein wichtiger prädiktiver Marker, der gut mit dem PFS korreliert (MURANO-Studie). Auch die zeitlich begrenzte, MRD-gesteuerte Kombinationstherapie mit Venetoclax plus Obinutuzumab ergab vielversprechende Ergebnisse sowohl in der Gesamtstudienpopulation als auch beim Hochrisiko-Kollektiv (CLL2-BXX-Studien). Bzgl. der CAR-T-Zell-Therapie, die auch bei der CLL machbar ist, konnte die zusätzliche Gabe von Ibrutinib die Rate an Cytokin-Release-Syndromen reduzieren (schweres CRS: 25 Prozent vs. 0 Prozent) und die Wirksamkeit dieser Therapie leicht verbessern (JCAR014-Studie).

Multiples Myelom

Bei dieser sehr heterogenen Erkrankung können im Rahmen der Primärtherapie mit neuen Induktionsregimen hohe Ansprechraten erzielt werden. Dabei kommen zunehmend 4fache Kombinationen zum Einsatz, die neben den etablierten Substanzen auch Carfilzomib oder einen immunaktivierenden monoklonalen Antikörper umfassen. Mit einer solchen Intensivierung der Therapie lassen sich die Ansprechraten erhöhen (Myeloma XI-Studie). Als Standard hat sich die Hochdosistherapie (HDT) etabliert, bei Hochrisikopatienten sollte auch eine Tandem-HDT diskutiert werden. Das gleiche gilt auch für die Erhaltungstherapie mit Ixazomib (TOURMALINE-MM3-Studie). Für nicht HDT-geeignete Patienten empfehlen sich die Kombinationen Daratumumab plus VMP (ALCYONE-Studie) oder Daratumumab plus Rd (MAIA-Studie). Auch für das Frührezidiv steht eine Reihe von Kombinationen zur Verfügung. Eine HDT ist aber nicht vorteilhaft. Bei Spätrezidiven werden jetzt CAR-T-Zellen und Kombinationen mit Pomalidomid erforscht.

Non-Hodgkin-Lymphome

Ein Update der GALLIUM-Studie verfestigt den Stellenwert von Obinutuzumab plus Chemotherapie beim unbehandelten Follikulären Lymphom. Auch hier erwies sich der MRD-Status als zuverlässiger prädiktiver Marker und somit als wichtiger Schritt zu einer individualisierten Therapieentscheidung. Im Rahmen der AUGMENT-Studie konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit einem Rezidiv die Gabe von Lenalidomid zusätzlich zu Rituximab (R2 vs. R) das PFS signifikant verlängert.
Beim diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) konnte jetzt erstmals gezeigt werden, dass eine Therapiedeeskalation erfolgreich ist. 4 x R-CHOP 21 plus 2 x Rituximab war 6 x R-CHOP 21 nicht unterlegen, weder beim PFS noch beim OS (FLYER-Studie). Diese Dosisreduktion dürfte für Patienten bis 60 Jahre mit einem aaIPI=0 ohne Bulk der neue Standard werden. Ähnlich sind die Ergebnisse der GOYA-Studie, die 8 Zyklen R-CHOP 21 mit 6-Zyklen R-CHOP 21 verglich und keinen signifikanten Unterschired ergab. Nach diesen Daten stellen 8 Zyklen eine Übertherapie dar, die insbesondere bei älteren Patienten vermieden werden sollte.
Eine «Real-World-Analyse» der Daten einer CAR-T-Zell -Therapie (Axicabtagene Ciloleucel) ergab folgendes: Die ORR Tag 30 betrug 80 Prozent, die Rate an kompletten Remissionen lag an Tag 30 bei 47 Prozent, das mediane PFS bei 6,2 Monate und das OS nach 6 Monate bei 72 Prozent und dies bei einem CRS von 7 Prozent. Diese Daten zeigen, dass die CAR-T-Zell-Therapie zwischenzeitlich den Bereich des experimentellen Ansatzes bei den aggressiven Lymphomen verlassen und einen zunehmenden Stellenwert in der Routineversorgung erreicht hat.

Quelle: ASH-Jahrestagung, San Diego, 30.11.-4.12.2018

Dr. med.Peter Stiefelhagen

Parlament verwirft unfaire Erhöhung der Franchise

Weil die Gesundheitskosten und damit die Krankenkassen-Prämien stetig steigen, sucht die Politik verschiedene Massnahmen zur Kostendämpfung. Dabei sollen alle Akteuren in die Pflicht genommen werden. Da Lösungsansätze bei anderen Akteuren schwierig umzusetzen sind, versuchte das Parlament zuerst bei den Versicherten anzusetzen Gleich mehrere entsprechende Geschäfte und Vorstösse wurden in der diesjährigen Frühjahrsession beraten.

Eine der wichtigsten gesundheitspolitischen Debatten wurde zur Anpassung der Franchisen an die Kostenentwicklung (18.036) geführt. Mit dieser Vorlage erfüllte der Bundesrat einen Auftrag des Parlaments. Die Änderung des KVG sah vor, dass die ordentlichen Franchisen automatisch um 50 Franken erhöht werden, sobald die durchschnittlichen Kosten je versicherte Person in der Grundversicherung 13 Mal höher als die Mindestfranchise sind. Bei den heutigen steigenden Gesundheitskosten rechnete man damit, dass dies im Jahr 2020 bereits das erste Mal der Fall ist. Bundesrat Alain Berset ging anschliessend von einer Erhöhung um 50 Franken alle drei bis vier Jahren aus. Die Befürworter glauben, dass mit der Erhöhung der Franchise die Eigenverantwortung der Versicherten gestärkt wird. Allerdings haben bisherige Erhöhungen der Franchisen keinen kostendämpfenden Effekt gehabt, was auch Bundesrat Berset in der Debatte betonte. Nachdem beide Räte der entsprechenden Änderung des KVG in der Detailberatung noch zugestimmt hatten, wurde sie im Nationalrat in der Schlussabstimmung in einer unheiligen Allianz von SP, Grünen sowie – nach einem kurzfristigen Meinungsumschwung – von einer Mehrheit der SVP und zahlreichen Enthaltungen aus der CVP zu Fall gebracht.

Ein weiterer Vorstoss, der «positive Anreize für kostenbewusstes Verhalten» schaffen wollte, um die Prämienbelastung zu senken, war eine Motion der nationalrätlichen Gesundheitskommission (SGK-N) selbst (18.4096). Eine Mehrheit wollte den Bundesrat beauftragen, die ordentliche Franchise gemäss Verordnung über die Krankenversicherung (KVG) auf 500 Franken festzusetzen. Eine Minderheit beantragte hingegen, die Motion abzulehnen. Ebenso der Bundesrat. Er hielt fest, dass «in der Schweiz die Kostenbeteiligung der Versicherten im internationalen Vergleich hoch ist». Er ist der Ansicht, dass eine Anhebung der ordentlichen Franchise um 66 Prozent unzumutbar ist, insbesondere für Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Nationalrat hat die Motion in der Frühjahrsession abgelehnt, damit ist diese vom Tisch.
Auch eine Parlamentarische Initiative von Roland Borer aus dem Jahr 2015 verlangt die «Stärkung der Selbstverantwortung im KVG» (15.468). Sowohl die SGK-N wie auch die ständerätliche Gesundheitskommission (SGK-S) fanden es ursprünglich eine gute Idee, dass Versicherte ihre Wahlfranchisen nur noch alle drei Jahre wechseln dürfen. Während der Nationalrat auf die Vorlage eingetreten ist und den Entwurf der SKK-N detailliert diskutiert hat, ist der Ständerat in der Frühjahressession nicht darauf eingetreten. Er folgte damit der vorberatenden SGK-S, die zum Schluss gelangte, «dass diese Vorlage die Selbstverantwortung im KVG nicht stärken, sondern im Gegenteil sogar noch schwächen könnte, weil die Versicherten tendenziell risikoscheu seien und eine tiefe Franchise dem Risiko einer mehrjährigen Bindung an eine hohe Franchise vorziehen könnten». Damit ist der Ball wieder beim Nationalrat.

Erhöhung der ordentlichen Franchise würde Krebsbetroffene unfair belasten

Die Krebsliga begrüsst diese Entscheide des Parlaments. Denn eine Erhöhung der ordentlichen Franchise würde die Falschen treffen. Eine Mindestfranchise wird von Versicherten insbesondere aufgrund des höheren Alters oder einer chronischen Krankheit gewählt. Die zahlreichen komplexen Behandlungen und Nachuntersuchungen sind neben der individuellen herausfordernden Situation für chronisch kranke Patientinnen und Patienten kostspielig und machen einen Grossteil unserer Gesundheitskosten aus. Es ist weiter zu befürchten, dass die Zahl der Menschen, die aufgrund der höheren Franchise auf eine medizinische Behandlung verzichten, zunehmen wird. Eine zu spät behandelte Erkrankung ist aber schwieriger und aufwendiger zu behandeln – was wiederum teurer ist.
Die Fachleute der Krebsliga stellen fest, dass ein Teil der Krebsbetroffenen vermehrt Schwierigkeiten hat, Krankenkassenprämien, Franchisen und Selbstbehalte zu bezahlen. 2018 betrafen beispielsweise die Hälfte der Gesuche an den Hilfsfonds für Härtefälle der Krebsliga solche Kosten. Denn eine Krebserkrankung kann drastische finanzielle Folgen mit sich bringen. Viele Betroffene können eine gewisse Zeit gar nicht oder nur teilweise arbeiten, was massive finanzielle Einbussen mit sich bringen kann. Zudem müssen sich die Patientinnen und Patienten als Versicherte an den Kosten der Behandlungen beteiligen. Neben den monatlichen Prämien und der ordentlichen Franchise kommt ein jährlicher Selbstbehalt von 10% der Kosten bis zu max. 700 Franken sowie ein Beitrag an die Spitalkosten hinzu. Krankenkassen erheben ausserdem einen Selbstbehalt von 20% für Medikamente, die durch ein günstigeres in der Spezialitätenliste aufgeführtes Medikament austauschbar ist. Nicht zu vergessen sind die weiteren zusätzlichen Kosten wie beispielsweise für nicht rezeptpflichtige Medikamente, Transport, auswärtige Verpflegung, zusätzliche Kinderbetreuung und vieles mehr.
Hinzu kommt, dass fast ein Drittel von erwachsenen Krebsbetroffenen sogenannt «off-label» behandelt wird. Dies sind Behandlung mit Medikamenten, die ausserhalb ihrer zugelassenen Indikation angewendet werden. Ob die Krankenkasse eine off-label-Behandlung vergütet, entscheidet sie nachdem ein Kostengutsprachegesuch gestellt und der Einzelfall beurteilt wurde. Die Unsicherheit, ob ein oft überlebenswichtiges Medikament bezahlt wird, ist für Betroffene sehr belastend. Zudem vergeht oft wertvolle Zeit. Die Entscheide lassen sich auch nicht immer klar nachvollziehen, weil es an Transparenz und Vergleichbarkeit fehlt. Leidtragende sind dabei die Patientinnen und Patienten. Wird die Vergütung von der Krankenkasse verweigert, müssen die Kosten selbst übernommen werden, ansonsten erhalten Betroffene die Behandlung nicht. Formal bleiben noch zwei Möglichkeiten: Patientinnen und Patienten können sich an die Ombudsstelle der Krankenkasse wenden oder den Rechtsweg beschreiten. Allerdings können krebskranke Menschen und ihre Angehörigen in dieser überaus herausfordernden Phase weder die Kraft noch die Zeit hierfür aufbringen.
Können Prämien und Selbstbehalte nicht mehr bezahlt werden, droht Krebsbetroffenen ein «Leistungsstopp». Je nach Kanton werden Betroffene auf einer sogenannten «Schwarzen Liste» aufgeführt und werden nur noch in Notfällen behandelt. In diesem Zusammenhang ist fraglich, was «Notfall» bedeutet. Wird beispielsweise die Vergütung einer Computertomographie oder parenteraler Ernährung verweigert, weil diese nicht als Notfallbehandlung gelten, kann dies für Krebspatientinnen und -patienten lebensbedrohend sein.
Sicher ist, dass es im Schweizer Gesundheitswesen noch viel Potenzial für die nötige Kostendämpfung gibt. Anstatt ältere und chronisch kranke Menschen noch mehr zu belasten, ist ein anderer Fokus angebracht.

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

Impfungen im Rahmen einer Reiseberatung

Eine geplante Reise ist eine optimale Gelegenheit, das Impfbüchlein (falls vorhanden) wieder einmal hervorzuholen und zusammen mit dem medizinischen Reiseberater zu kontrollieren. Welche Grundimmunisierungen fehlen, sind nicht komplett und müssen deshalb nachgeholt werden? Sind für diese Reise notwendige Impfungen empfehlenswert, notwendig, obligatorisch und ggf. vorzunehmen?

Eine Reiseberatung richtet sich immer nach

  • dem Reiseziel (Kontinent, Staat, Stadt/Ort, Resort …)
  • dem allgemeinen Gesundheitszustand des Reisenden (gesund, krank, immunsupprimiert, schwanger, Säugling, Senior …)
  • dem Reisezweck (Business, Badeferien, Velotour, Verwandten-besuch…)
  • der Art der Reise (Camping, Rucksack, Schiffsreise, Gruppe)
  • dem Reisestil (einfach, Luxus)
  • dem Klima/Jahreszeit in der geplanten Destination
  • der Transportart (Velo, Auto, Flugzeug, zu Fuss…)
  • den lokalen gesundheitlichen Risiken (endemische Krankheiten, allfällige Epidemien) mit deshalb allfällig nötigen Präventivmassnahmen (Impfungen, Malariaprophylaxe etc.)
  • der Sicherheit (Krieg, Unruhen, Politik, Terror … siehe EDA www.eda.admin.ch und https://www.auswaertiges-amt.de/de/).

Der Schweizerische Impfplan 2019, publiziert vom BAG, empfiehlt für die Grundimmunisierung folgende Impfungen: Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, H. influenzae Typ B (für Kleinkinder/Säuglinge), Hepatitis B, (Pneumokokken (PCV13)), Masern, Mumps, Röteln, Varizellen (falls nicht durchgemacht) und HPV (für Kinder und junge Erwachsene). Details s. Schweizerischer Impfplan (Abb. 1.) (1).
Besonderes Gewicht beim Basisschutz sollte auf die Masernimpfung gelegt werden. Die Masern hat letztes Jahr weltweit auf > 307 000 Meldungen zugenommen, die WHO schätzt die Zahl der Erkrankten gar auf über 2 Millionen mit 110 000 Todesfällen.
Polio ist trotz internationalen Impfkampagnen noch nicht ausgerottet, wie einzelne Fälle aus Pakistan, Afghanistan, Nigeria, Indonesien und Papua-Neuguinea zeigen. Dementsprechend ist verständlich, dass für gewisse Situationen, z.B. bei Ausreise aus Indonesien ein Impfobligatorium eingeführt wird.
Für die Hepatitis B besteht das grösste Risiko bei sexuellen Kontakten.

Impfungen und Reisen

Je nach Reiseziel sind gewisse Impfungen obligatorisch oder empfohlen. Aktuelle Informationen dazu werden regelmässig publiziert (2 – 5).
Für Reisen zusätzlich empfohlen (siehe Details unten) sind ggf. Hepatitis A, ev. Hepatitis B, Gelbfieber, Haemophilus influenzae (nur für Kleinkinder/Säuglinge), Humane Papillomaviren (für junge Frauen/Mädchen und Männer/Jungen) und weitere ergänzende Impfungen wie FSME, Meningokokken, Pneumokokken, Influenza, Tollwut, Typhus, Cholera.

Gelbfieber

Gelbfieber ist nur in Afrika und Südamerika verbreitet. Die Krankheit ist eine durch Mücken übertragene Viruskrankheit, die häufig tödlich verläuft. Lokale kleine Ausbrüche sind relativ häufig, grössere seltener, aber bekannt. So grassiert eine anhaltende Epidemie seit 2016 in Brasilien, die sich derzeit nach S/SE bis nach São Paulo und Paranà ausbreitet. Zwischen Jan. 2018 bis zum März 2019 wurde in Europa bei fünf Touristen nach einer Reise nach Brasilien Gelbfieber diagnostiziert. Anfang 2018 starb in der Schweiz ein Tourist nach der Rückkehr aus Brasilien. Er war nicht geimpft gewesen (6). Die Gelbfieberimpfung ist für die Einreise in bestimmte Länder obligatorisch, s. BAG-Bulletin.
Verschiedene Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass mit einer einmaligen Gelbfieberimpfung bei den meisten Personen ein lebenslanger Schutz erzielt werden kann. Trotzdem ist bei einer länger als 10 Jahre zurückliegenden Impfung oder bei Reisen in ein Hochrisikogebiet eine (einzige) Auffrischimpfung zu empfehlen. Zudem halten gewisse Länder an eigenen Einreisebedingungen fest oder ändern sie kurzfristig. Bei Unsicherheiten über die lokalen Vorschriften lohnt es sich, die entsprechende Botschaft in Bern zu konsultieren.
Da es in den letzten Jahren immer wieder zu Liefer- und Versorgungsengpässen beim Gelbfieberimpfstoff (in Europa meist Stamaril®) kam, wird in den USA und Kanada die Fraktionierung des Impfstoffes diskutiert. In Brasilien wird sie in der heutigen Ausnahmesituation praktiziert. Sie ist aber bei uns nicht zugelassen.
Für die Verabreichung der Gelbfieberimpfung braucht es eine Sonderbewilligung. Sie wird vom Bund/BAG an Ärzte mit der dazu erforderlichen Ausbildung (vorwiegend FMH Tropenmedizin) vergeben. Die dazu berechtigen Ärzte und Impfinstitute sind unter 3 und 7 aufgelistet. Die Impfung sollte spätestens 10 Tage vor der Einreise im Gelbfieberland durchgeführt werden, eine Impfauffrischung ist noch am Reisetag möglich. Da es sich um einen Lebendimpfstoff handelt, ist er kontraindiziert bei immunsupprimierten Patienten, Thymusdysfunktion, bei hohem Fieber, in der Schwangerschaft und Stillzeit.

Hepatitis A

Die Hepatitis A ist weltweit, v.a. aber in Ländern mit ungenügender sanitärer Versorgung verbreitet. Da das Virus meistens fäko-oral über Essen oder Trinken verbreitet wird, sollten alle Reisenden ausserhalb von Westeuropa, Nordamerika, Japan, Australien oder Neuseeland geimpft sein. Die erste Impfung schützt mindestens während eines Jahres, eine 2. Impfung nach 6-12 Monaten oder auch später (noch nach Jahren möglich) gibt einen lebenslangen Schutz. Sogar eine Impfung zu Beginn der Inkubationszeit gibt noch einen Schutz.

Tollwut

Die Tollwut ist eine tödlich verlaufende Viruskrankheit. 1990 – 2012 erkrankten und starben 60 europäische Touristen, seither 1-2 Reisende jährlich, 95% davon nach einem Hundebiss (8). Reisedestinationen waren Asien (v.a. Indien) und Afrika. Im Verhältnis zur grossen Zahl der Touristen ist das Risiko sehr klein.
Empfohlen wird die Impfung bei Reisen in «high risk areas» von mehr als 30 Tagen oder für längere Aufenthalte in Ländern mit grossem Tollwutrisiko (s. BAG-Bulletin). Weniger zurückhaltend sollte man sein bei der Indikation zur Impfung von Kleinkindern, Joggern, Zweiradfahrern, Reisen in sehr abgelegene Gebiete und Arbeiten mit Tieren (bei Fledermäusen auch in Europa und Australien).
Zur Verfügung stehen die gleichwertigen Impfstoffe Rabipur® und Vaccin Rabique Mérieux®. Das Impfschema wurde von 3 auf 2 Basisimpfungen reduziert (Tag 0 und Tag (7-)28; eine Boosterimpfung nach einem Jahr schützt für weitere 10 Jahre, Postexpositionell sollten geimpfte Personen 2 Booster erhalten am Tag 0 und 3.
Nicht geimpfte Personen können postexpositionell noch geimpft werden (z.B. 4 Dosen Rabipur® i.m. an den Tagen 0-3-7-(21-28)). Zusätzlich sollten sie humanes Immunglobulin (teuer und an vielen Orten nicht erhältlich) lokal und i.m. erhalten (9, 10).

Meningokokken

Meningitis Ausbrüche gibt es meistens während der Trockenzeit in der Region der Subsahara (Meningitisgürtel) in Afrika. Das Risiko angesteckt zu werden ist klein, in beengten Unterkünften und mit engem Kontakt zur Lokalbevölkerung v.a. während der Epidemiezeit − meist von Ende Dez. bis Anfang Mai − etwas erhöht. Die Krankheit verläuft oft rasch und häufig tödlich oder mit Residuen. Die Impfung erfolgt heute mit dem quadrivalenten Konjugatimpfstoff Menveo® (gegen die Serogruppen ACWY). Eine einzige Injektion gibt einen Schutz während mind. 3 Jahren gegen die enthaltenen Serogruppen. Ein Impfstoff gegen die Serogruppe X (v.a. im Niger) ist nicht vorhanden.
Obligatorisch ist die quadrivalente Impfung für Pilgerreisen (Hadsch, Umra) nach Mekka. Empfohlen für Reisende in die Sahelzone Afrikas während der Epidemie- /Trockenzeit.

Japanische Enzephalitis

In S- und SE-Asien ist die japanische Encephalitis mit 30 000-50 000 Fällen jährlich eine nicht seltene Ursache von Hirnentzündungen v.a. bei Kleinkindern. Virusträger (Reservoir) sind Watvögel und Schweine, übertragen wird das Flavivirus durch Culex Mücken am Abend und nachts, v.a. in wasserreichen Gegenden, Reisfeldern etc. Betroffene ist ganz Südostasien, China und Indien. In Japan ist die Krankheit dank systematischer Impfung der Lokalbevölkerung sehr selten geworden. Das JE Risiko für Touristen ist sehr klein (< 2 Meldungen/Jahr bei Touristen weltweit). Ein erhöhtes Risiko besteht in bewässerten Gegenden und im Zusammenhang mit Schweinezucht. Es gibt aber auch Einzelfälle von Kurzaufenthaltern, die sich in Angkor oder in Stadtnähe infizierten. Impfempfehlungen sind deshalb nicht einfach.
1973 bis 2010 wurden 59 Fälle bei Reisenden beschrieben. Da die Krankheit meist nicht meldepflichtig ist, dürfte die Dunkelziffer höher sein.
Eine Impfung mit dem Totimpfstoff Ixiaro®, der seit 2009 auf dem Markt ist, gibt einen guten Schutz und wird v.a. empfohlen bei längeren Aufenthalten auf dem Lande, für Camper, Outdooraktivitäten etc. Es sollten 2 Dosen im Abstand von einem Monat verabreicht werden, und bei anhaltender Exposition ein Booster nach 15 Monaten und 4 Jahren (5).

Abdominaltyphus

Abdominaltyphus (Infektion mit S.e. typhi) kommt weltweit in vielen Entwicklungsländern sporadisch und seltener epidemisch vor. Das Infektionsrisiko ist sehr klein (25 Fälle 2018 in der Schweiz, davon 9 Fälle aus dem indischen Subkontinent, 2 aus Indonesien, sonst nur Einzelfälle). Wegen der Inkubationszeit von 2-3 Wochen sind die meisten Reisenden bei Krankheitsausbruch wieder zu Hause und können antibiotisch behandelt werden.
Der bei uns verfügbare perorale Impfstoff Vivotiv® (je 1 Tbl. an Tag 1,3 und 5) ergibt nur einen beschränkten Schutz von 50-70% (keine Studienresultate bei Reisenden!) und wird deshalb nur zurückhaltend empfohlen, d.h. in erster Linie für Reisen unter ungünstigen hygienischen Verhältnissen z.B. auf dem indischen Subkontinent.

Cholera

Lokale Choleraausbrüche werden immer wieder gemeldet, z.B. aus Flüchtlingslagern Afrikas, Haitis und Bangladeschs (Rohingya) (3).
Eine (orale) Impfung (Dukoral®, 2 Dosen im Abstand von 7 Tagen) ist möglich, selten empfohlen (z.B. bei Arbeit in Flüchtlingslagern mit Cholera) und sehr selten obligatorisch (z.B. Reisen auf gewissen Frachtschiffen).

Pneumokokken

Ab dem Impfplan 2019 wird die Impfung gegen Pneumokokken im Rahmen der Basisimpfung empfohlen. Das BAG empfiehlt, die generelle Impfung mit PPV23 bei den ≥ 65-Jährigen zu sistieren und bei Personen mit einem erhöhten Risiko durch die PCV13-Impfung zu ersetzen. Betroffen sind Personen mit chronischen Erkrankungen von Herz, Lunge, Leber, Nieren, bei Sichelzellanämie, Asplenie und schlecht eingestelltem Diabetes. Weiter bei Neoplasien, nach Transplantationen und bei Störungen des Immunsystems. Spezifische Empfehlungen bei Reisen liegen nicht vor.

Influenza

Wegen des engen Kontaktes zu Mitreisenden in Bus, Zug oder Flugzeug ist die Influenza Impfung allen Reisenden während der Grippezeit zu empfehlen, d.h. auf der Nordhemisphäre im Winter, aber ev. auch Reisenden im (europäischen) Sommer auf die Südhalbkugel. Wichtig ist sie auch für Reisende auf Kreuzfahrtschiffen (11). Leider ist bei uns meist kein Impfstoff für die Südhalbkugel erhältlich.

Tickborne Encephalitis (TBE)

Es existieren 3 Subtypen

  • Frühsommer Meningoenzephalitis (FSME) / European/
    Western Tickborne Encephalitis
  • Russian Spring-Summer Encephalitis (RSSE) TBE/Far Eastern TBE
  • Siberian TBE

Die TBE sind durch Zecken übertragene Flavivirusinfektionen, die nicht nur in der Schweiz, Zentral- und Nordeuropa, sondern v.a. in Osteuropa und Russland, Zentralasien bis in die Mongolei (Einzelfälle in China, Japan) vorkommen (12).
Gefährlicher als FSME sind RSSE und die sibirische Form. Die europäischen Impfstoffe (FSME Immun®, Encepur N®) schützen auch gegen RSSE und den Sibirischen Subtypen. Impfempfehlung bei Reisen bes. Outdoor- und Wanderferien in Osteuropa, im Baltikum und in Russland/Zentralasien. Schweiz: Empfohlen wird die FSME Impfung neu für das ganze Land mit Ausnahme von Genf und dem Kt. Tessin. Für die Grundimmunisierung braucht es 3 Injektionen (Monat 0,1 und nach 5-9-Monate, je nach Impfstoff), ein Rappel nach 10 Jahren. Schnellschemen stehen zur Verfügung. Zu beachten sind gelegentliche Lieferengpässe für Impfstoffe, vor allem beim Tollwut- und Gelbfieberimpfstoff. Der monovalente Polioimpfstoff (Poliorix®) ist in absehbarer Zeit nicht lieferbar. Gegen Polio müssen zur Zeit Kombinationsimpfstoffe (Revaxis® oder Boostrix® Polio etc.) verwendet werden. Der Impfstoff Td-pur® wurde definitiv aus dem Handel genommen. Infos zu lieferbaren Impfstoffen unter (5).

Andere nicht impfbare Krankheiten

Denguefieber, eine durch Tigermücken (Aedes aegypti und Ae. albopictus) übertragene Virusinfektion, ist mit mehr als 300 Millionen jährlichen Krankheitsfällen die weltweit häufigste Infektionskrankheit. Sie dehnt sich weiter aus und stellt auch eine potentielle Bedrohung v.a. für Südeuropa dar (16). Impfstoffe sind in Entwicklung. Zur Vermeidung einer Infektion mit dem Chikungunyavirus, das u.a. in Lateinamerika, Afrika und Asien (z.B. Thailand, auch auf der Ferieninsel Phuket) vorkommt (17), ist ein rigoroser Mückenschutz, auch vor überwiegend tagaktiven Stechmücken zu beachten. Das 2012 erstmals nachgewiesene neuartige Coronavirus (MERS-CoV), als dessen natürliches Tierreservoir Dromedare identifiziert werden konnte, führt bei Infizierten zu Pneumonien. Die meisten Fälle sind auf oder in der Nähe der Arabischen Halbinsel aufgetreten, betroffen sind v.a. Saudi-Arabien, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Oman, Kuwait, Jemen und Jordanien. Das Zikavirus ist besonders für Schwangere und deren Ungeborene gefährlich. Verbreitung und Vorsichtsmassnahmen findet man beim STPH (18). Kurz beschrieben sind hier nur vier der vielen nicht impfbaren Infektionskrankheiten, von denen Reisende betroffen sein können. Für die Vielzahl weiterer, bei Touristen seltenen Virusinfektionen wie Ebola, Nipahvirus, RRV, West-Nil-Virus muss auf die Spezialliteratur verwiesen werden, ebenso wegen mangelnden Impfmöglichkeiten auf Protozoen- und Parasitenerkrankungen.
Für Ebola, Lassa Fieber, Marburg Fieber, Chikungunya Virus und Zikavirus sind Impfstoffe noch im Versuchsstadium. Keine Impfung gibt es gegen Hepatitis C, HIV und weitere Viruskrankheiten. Zu guter Letzt sei daran erinnert, dass Unfälle das grösste Reiserisiko darstellen.

Dr. med. Claudia Sigg-Farner

Dolderstrasse 30
8032 Zürich

dr.med.c.sigg@bluewin.ch

Dr. med. Maia Funk

Blümlisalpstrasse 72
8006 Zürich

maia.funk@bluewin.ch

Die Autorinnen haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die ärztliche Reiseberatung stellt eine ideale Gelegenheit dar, den Impfstatus zu überprüfen und zu komplettieren
  • Im Schweizerischen Impfplan 2019 wird eine Grundimmunisierung für Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, H. influenzae Typ B, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln Varizellen und HPV empfohlen
  • Aktualisierte Impfempfehlungen für Reisende werden regelmässig im Bulletin des BAG publiziert.

1. www.infektiologie.usz.ch/ueber-die-klinik/…/2_Berger_Zinkernagel_Impfen.pdf (abgerufen 18.03.2019
2. https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/cc/Kampagnen/Bulletin/2018/BU_50_18.pdf.download.pdf/BU_50_18_DE.pdf
3. www.safetravel.ch
4. www.swisstph.ch
5. www.infovac.ch
6. https://ecdc.europa.eu/en/news-events/yellow-fever-risk-assessment-high-number-infected-travellers-highlights-needs
7. https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/infektionskrankheiten/gelbfieber/gelbfieber-impfaerzte.pdf.download.pdf/gelbfieber-impfaerzte-de.pdf
8. https://www.researchgate.net/publication/51740154_Imported_Human_Rabies_Cases_in_Europe_the_United_States_and_Japan_1990_to_2010
9. Neues Tollwut­impfschema in der Reisemedizin. Hatz Chr. et al.: Swiss Medical Forum 2018;18 (32):626-627
10. https://www.who.int/immunization/policy/position_papers/pp_rabies_summary_2018.pdf
11. https://www.cdc.gov/quarantine/cruise/management/guidance-cruise-ships-influenza-updated.html
12. https://www.cdc.gov/vhf/tbe/index.html
13. www.SwissTPH.ch
14. www.bag.admin.ch
15. www.tropimed.com
16. https://www.eurosurveillance.org/images/dynamic/EE/V21N21/art22486.pdf
17. https://www.cdc.gov/chikungunya/geo/index.html
18. https://www.swisstph.ch/de/reisemedizin/informationen-zum-zika-virus/

Virus Hepatitis A – E

Suche die chronische, asymptomatische Virushepatitis! Erkenne die Leberfibrose! Die chronische Hepatitis-B-Leberentzündung kann mit Dauertherapie sicher unterdrückt werden, die Heilung aber ist selten. Die orale Hepatitis-C-Therapie heilt in >90% die Infektion und wird von den Kassen bezahlt. Hepatitis E wird durch Schweine- und Wildfleisch oder fäkal oral übertragen. Sie ist eine Differentialdiagnose der akuten Hepatitis. Die Diagnose erfolgt mittels HEV-RNA Bestimmung im Blut, die Heilung ist spontan.

Die Virus-Hepatitis-Infektionen verlaufen in der Regel stumm. Nur wer sucht, findet die Hepatitis Infektionen! Im Gegensatz zu früher bedeutet das Finden einer Virushepatitis heute immer eine therapeutische und prognostische Konsequenz. Bei der Hepatitis C wird heute jede Infektion, unabhängig, ob die Leber erkrankt ist, behandelt. Virus-Hepatitis-Infektionen sind übertragbar. Nur bei einem Teil der mit Hepatitisviren infizierten Patienten entsteht aber eine Lebererkrankung. Die beste Methode, den Krankheitsschweregrad zu diagnostizieren, bleibt die Leberbiopsie. Die Messung der Elastizität der Leber (Fibroscan oder Share Wave Messung) kann diese aber oft ersetzen. Auch die Laborwerte lassen das Risiko für Leberfibrose erkennen. Eine zentrale Funktion haben hier die GOT/AST und die Thrombozytenzahl (APRI Score: [(AST / ULN AST) x 100] / Thr. (109/l)]).

Hepatitis A: Die Schweizer Bevölkerung hat wieder eine geringere Immunität gegen Hepatitis-A-Virus-Infektionen. In der Schweiz wurden 1988 noch 628 akute Hepatitis-A-Fälle gemeldet (9,5/100000 Einwohner), 2016 waren es nur noch 43 Fälle (0,5/100000 Einwohner). 2018 waren es wieder 103 Fälle. Eine akute Hepatitis-A-Infektion führt häufig zu Ikterus, einer mehrwöchigen Erkrankung, Arbeitsausfall und einem Ansteckungsrisiko für die Umgebung. Erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht bei aktiven Drogenkonsumenten und bei Männern, die Sex mit Männern haben. Im Mai 2017 kam es in Berlin zu einer Epidemie unter Männern mit über 100 akuten Hepatitis-A-Fällen, 2017 in Frankreich mit über 800 Männern und im Frühjahr 2013 mit über 350 Fällen in Norditalien. Deshalb soll Hepatitis A bei Risikopatienten geimpft werden. Unverändert entstehen aber nach einer durchgemachten akuten Hepatitis A nie eine chronische Hepatitis und immer eine Immunität und damit nie eine Zweitinfektion.

Hepatitis B: Die Terminologie der Hepatitis-B-Stadien wurde neu modifiziert. Heute unterscheidet man zwischen chronischer Hepatitis-B-Virus-Infektion (früher gesundes HBs-Antigen-Trägertum) im Gegensatz zur chronischen Hepatitis bedingt durch das Hepatitis-B-Virus. Die chronische Hepatitis-B-Virus-Infektion zeigt keine Hinweise für eine Lebererkrankung. Die Transaminasen sind normal und die HBV DNA ist in der Regel < 2000 IU/ml. In der Leberbiopsie finden sich weder Entzündung noch Fibrose. Die Fibroscan Messung ist normal. Gegen diese chronische Infektion ohne Lebererkrankung gibt es noch keine Behandlung, die Leber ist noch gesund. In diesem Stadium ist die Infektiosität vorhanden, aber gering, und die Prognose für die Leber günstig. Diese Patienten sollen lediglich einmal im Jahr mittels der Transaminasen überwacht werden. Zudem soll bei der ersten Diagnose eine ausführliche ärztliche Beratung durch einen Hepatologen, respektive einen in Virushepatitis erfahrenen Arzt erfolgen und die Leber-Elastizität mittels Fibroscan oder Share Wave Elastographie (ARFI) als normal dokumentiert werden. Bei HBV-infizierten Patienten über 40 Jahre gibt es immer wieder Fälle, wo trotz normaler Transaminasen eine relevante Fibrosierung besteht, so dass diese gegebenenfalls genauer abgeklärt werden sollten.
Bei der chronischen HBV bedingten Entzündung der Leber ist die Situation anders. Diese Erkrankung muss medikamentös behandelt werden. Eine fortgeschrittene Fibrose benötigt eine lebenslange Virussuppression mit einem Tenofovir-Präparat unabhängig der Viruslast. Patienten, die zwar noch keine relevante Fibrose zeigen, aber eine relevante Aktivität, gemessen an erhöhten Transaminasen und einer erhöhten HBV-Virus-DNA von in der Regel > 20 000 IU / ml, benötigen ebenso eine lebenslange Virussuppression mit Tenofovir. Bei der Tenofovir Dauertherapie konnten bisher keine Virusresistenzen auch nach > 10 Jahren Therapie nachgewiesen werden. Dies im Gegensatz zur heute weitgehend verlassenen Therapie mit Lamivudin. Entecavir, eine mögliche Alternative zur Tenofovir-Therapie, selektioniert zwar nur selten Virusresistenzen, nach Jahren können diese aber auftreten. Diese Option bleibt dadurch die zweite Wahl bei einem Dauer-Therapiekonzept. Neu gibt es alternativ zum herkömmlichen Tenofovir disoproxil das gleich wirksame Tenofovir alafenamid. Letzteres kann 10 Fach tiefer dosiert werden und weist keine ossären oder renalen Nebenwirkungen auf, wie sie bei Tenofovir disoproxil sehr selten beobachtet werden können. Allerdings liegt der Preis des Tenofovir alafenamid doppelt so hoch, wie beim Generikum des Tenofovir disoproxil.
Jährlich werden über 1300 neue chronische Hepatitis-B-Patienten durch die obligatorischen Labormeldungen vom BAG in der Schweiz erfasst. Ursache dafür ist die Migration. Bei Menschen mit Migrationshintergrund, sei es Südeuropa, Osteuropa, Asien oder Afrika wurde die Infektion fast immer bei der Geburt oder in den ersten Lebensjahren akquiriert. Damit ist der Geburtsort entscheidend für die Risikobeurteilung. Es ist sinnvoll, die Geschwister eines Indexpatienten gegen Hepatitis B zu testen. Sichergestellt werden muss, dass die Angehörigen im gleichen Haushalt eines Indexpatienten effektiv gegen Hepatitis B geimpft worden sind. Die in der Kindheit akquirierte chronische Hepatitis B ist kaum je heilbar. Die Primoinfektion im Erwachsenenalter hingegen führt in 90% zu einer spontanen Ausheilung.
Das Schwangerschaftscreening hat zum Ziel, bisher nicht erkannte Hepatitis-B-Infektionen aufzudecken. Dies hat für die Verhinderung der Übertragung grosse Konsequenzen. Ist die Virusreplikation bei der Mutter im letzten Trimenon hoch (> 20 000 IU / ml) erfolgt heute eine präventive antivirale Therapie im letzten Trimenon, um das Übertragungsrisiko bei der Geburt zu senken. Bei der Geburt erfolgt innerhalb der ersten Stunden nach Geburt eine passive Impfung mit Hepatitis-B-Immunglobulin und später während den ersten 6 Monaten die reguläre aktive Hepatitis-B-Impfung. Eine Sectio Entbindung ist nicht zwingend notwendig. Stillen ist erlaubt.

Hepatitis D: Die Delta Hepatitis ist eine Superinfektion auf eine Hepatitis-B-Infektion. Deshalb müssen bei jedem Hepatitis-B-infizierten Patienten einmal im Leben auch die Hepatitis-D-Antikörper bestimmt und dokumentiert werden. Anders als bei der Hepatitis B gibt es aber unverändert keine sinnvolle, etablierte Behandlung der glücklicherweise seltenen Hepatitis D. Eine Therapie der zu Grunde liegenden B Infektion nützt in der Regel nicht.

Hepatitis C: Neu ist, dass die Hepatitis-C-Virus-Infektion durch eine kurze, wirksame, hervorragend verträgliche, oral eingenommene Therapie geheilt werden kann, und dass die Therapie für alle HCV infizierten Patienten in der Schweiz Krankenkassen-pflichtig geworden ist.
Hepatitis-C-Patienten ohne signifikante Leberfibrose werden während 8-12 Wochen behandelt. Wenn das Virus 3 Monate nach Abschluss der Therapie anhaltend nicht nachweisbar ist (> 90 % Wahrscheinlichkeit), müssen keine weiteren Kontrollen mehr gemacht werden. Diese Patienten sind von der Hepatitis-C-Virus-Infektion definitiv geheilt. Auch nach erfolgreicher Viruselimination bleiben die Hepatitis-C-Antikörper positiv.
Das Vorliegen einer fortgeschrittenen Fibrose oder Zirrhose kann die Wahl der Therapieoption und -dauer beeinflussen. Ganz entscheidend ist hier, dass diese Patienten auch nach erfolgreicher Therapie weiterhin hepatologisch bezüglich möglicher Komplikationen der Zirrhose wie Entwicklung einer portalen Hypertension und eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) überwacht werden müssen. Bei Patienten mit Risikoverhalten bezüglich HCV Infektion, insbesondere bei aktiven iv Drogenkonsumenten und MSM verbleibt auch nach erfolgreicher Hepatitis-C-Eradikation ein Risiko einer Wiederansteckung. Auch diese Patienten müssen weiter regelmässig bezüglich einer Reinfektion überwacht werden.
Nachdem der Genotyp des Hepatitis-C-Virus jahrzehntelang der entscheidende Parameter für die Therapiewahl und -dauer war, so spielt er heutzutage nur noch eine untergeordnete Rolle.
Die Hepatitis-C-Patienten werden entweder während 12 Wochen mit der Fixkombination in Form einer Tablette täglich mit Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) oder während 8 Wochen mit der Fixkombination in Form von 1 x 3 Tabletten täglich Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) behandelt. Bei Leberzirrhose sind die Therapiekonzepte etwas komplizierter. Die Therapie erfolgt mit 12 Wochen Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®), selten mit zusätzlich Ribavirin (Copegus®) kombiniert oder die Alternative mit Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) welches aber für 12, selten für 16 Wochen (zum gleichen Preis wie 8 Wochen) eingenommen werden muss. Bei dekompensierter Zirrhose ist Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) kontraindiziert und nur eine Therapie mit Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) möglich. Bei chronischer Niereninsuffizienz hingegen ist Sofosbuvir/Velpatasvir (Epclusa®) kontraindiziert und nur eine Therapie mit Glecaprevir/Pibrentasvir (Maviret®) möglich. Unter WWW.SASL.CH können die aktuellen Therapieempfehlungen der Schweizer Hepatologen und Infektiologen abgerufen und ein HCV ADVISOR App gratis heruntergeladen werden.
Hepatitis C wird gelegentlich erst im Rahmen des Schwangerschaftsscreenings bei der Mutter entdeckt. Für Mutter und Kind hat dies im Gegensatz zur Hepatitis B keine relevanten Auswirkungen. Es gibt selten (maximal 5%) ein Übertragungsrisiko während der Schwangerschaft oder während der Geburt auf das Kind. Es konnte nicht überzeugend gezeigt werden, dass ein Kaiserschnitt das Risiko bei monoinfizierten relevant senkt. Eine antivirale Therapie der Mutter während der Schwangerschaft ist kontraindiziert. Sollte eine Übertragung von Mutter auf das Kind stattfinden, hat dies in den ersten Lebensjahren keine gesundheitlichen Konsequenzen. Später kann das Virus wirksam eliminiert werden. Stillen ist mit einer HCV Infektion erlaubt und es besteht kein Übertragungsrisiko.

Hepatitis E: Ursprünglich bekannt wurde diese Infektion wegen der erhöhten Mortalität von schwangeren Frauen in Indien mit einer akuten Hepatitis E vom Genotyp 1. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass das Hepatitis-E-Virus auch bei uns sehr verbreitet ist. Bei uns findet sich primär der harmlosere Genotyp 3. Eine Infektion erfolgt häufig über kontaminiertes Schweine- und Wildfleisch. Hepatitis-E-Infektionen können zu einer akuten ikterischen Hepatitis führen. Die Prognose ist günstig und es kommt zu einer Spontanheilung. Hepatitis E gehört daher heute bei jeder akuten unerklärten massiven Transaminasen Erhöhung zur Differentialdiagnose. Die akute Hepatitis E wird durch die Bestimmung der HEV–RNA im Blut nachgewiesen. Die Bestimmung des HEV Antikörpers ist in der Beurteilung wenig hilfreich. Chronische Hepatitis-E-Infektionen kommen nur im Rahmen einer Immunsuppression vor. Sie gehört daher in der Regel nicht zur Differentialdiagnose einer fortgeschrittenen Leberfibrose.

Dr. med. Beat Helbling

Gastroenterologie Bethanien
Gemeinschaftspraxis Magen Darm Leber Galle
Privatklinik Bethanien
Toblerstrasse 51
8044 Zürich

beat.helbling@hin.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel Teilnahme an Advisory Bords von Abbvie und Gilead deklariert.

  • Die Hepatitis A ist vor allem bei Risikogruppen wieder häufiger zu finden.
  • Die Hepatitis B-, C- und D-Infektionen müssen gesucht werden, da sie meistens asymptomatisch sind.
  • Suche Leberfibrosen, die Klinik ist stumm!
  • Hepatitis-B-Infektionen müssen überwacht, Erkrankungen therapiert werden!
  • Die Hepatitis-C-Therapie ist einfach, verträglich, wirksam und wird immer bezahlt!
  • Die akute Hepatitis E ist eine Differentialdiagnose der massiven Transaminasen Erhöhung