Adhärenz und Digitalisierung im Fokus

Die 2. Boehringer Ingelheim Diabetes Key Note Session, die am 5. Dezember 2018 in Bern stattfand, stand im Zeichen der Therapieadhärenz. Prof. Roger Lehmann, Leiter Diabetologie und klinisches Inseltransplantationsprogramm, Universitätsspital Zürich, zeigte eindrücklich auf, was die moderne Diabetes-Therapie leisten und wie die Adhärenz in der Praxis konkret verbessert werden kann. Prof. Andréa Belliger, Prorektorin PH Luzern und Co-Leiterin IKF Luzern, präsentierte im Anschluss, wie digitale Lösungen das Diabetes-Management unterstützen können.

Knapp 400 000 Menschen leben in der Schweiz mit einem Typ-2-Diabetes (T2D). Die Folgen des relativen Insulinmangels können eine Vielzahl von Organen wie Leber, Muskeln, Darm, Gehirn und Niere betreffen. Zudem tragen diabetesbedingte Gefässschädigungen dazu bei, dass 75% aller T2D-Patienten an einem kardiovaskulären Ereignis versterben.
Moderne Therapieoptionen wie beispielsweise SGLT-2-Inhibitoren können die Gesamtmortalität um bis zu 32% senken. Doch in der Praxis nehmen 58% aller Diabetiker in der Schweiz ihre Antidiabetika nicht regelmässig ein, was die Wirksamkeit der Therapie beeinträchtigt. Denn gute Adhärenz ist entscheidend für den Therapieerfolg: Die Gesamtmortalität von Diabetikern mit guter Adhärenz liegt um 28% tiefer als diejenige von Diabetikern mit schlechter Adhärenz.

Je einfacher die Therapie, desto besser die Adhärenz

Ein Hauptgrund für mangelnde Adhärenz ist laut Professor Lehmann, dass Patienten und Ärzte oft unterschiedliche Prioritäten haben, was das Behandlungsziel betrifft: Während der Patient primär Hypoglykämien und Gewichtszunahme vermeiden möchte, hat der behandelnde Arzt ausserdem noch alle anderen Risikofaktoren im Blick, die zu mikro- und makrovaskulären Komplikationen führen können. Der daraus resultierende multifaktorielle Behandlungsansatz kann zu komplexen Therapieplänen mit hoher Tablettenzahl führen, was eine verminderte Adhärenz zur Folge hat. Denn: Je mehr Tabletten ein Patient einnehmen sollte, desto weniger genau hält er sich an den Therapieplan. Helfen kann hier, den Therapieplan zu vereinfachen, was sich beispielsweise durch die geschickte Wahl von Kombinationspräparaten erreichen lässt. So kann die Tablettenzahl reduziert und gleichzeitig ein multifaktorieller Behandlungsansatz verfolgt werden.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Neben einer Vereinfachung des Therapieplans können vertrauensbildende Erfahrungen mit dem behandelnden Arzt die Adhärenz fördern. Fühlt sich ein Patient vom Arzt ernst genommen und verstanden, steigt seine Motivation – und dies ist ein entscheidender Faktor für den Behandlungserfolg. Zudem ist es wichtig, dem Patienten verständlich und transparent zu erklären, was der Nutzen der einzelnen Medikamente ist. Unterstützend wirken können hier technische Hilfsmittel wie beispielsweise Apps, die dem Patienten aufzeigen, wie sich eine bestimmte Therapie auf sein individuelles Risiko für Folgeerkrankungen auswirken kann.

Diabetes-Management im digitalen Zeitalter

Technische Hilfsmittel werden immer mehr zum festen Bestandteil des modernen Diabetes-Managements. Angetrieben durch den globalen Vormarsch des Smartphones ist Digital Diabetes Care mittlerweile zu einem eigenen boomenden Wirtschaftszweig geworden, wie Professorin Belliger in ihrem Vortrag erläuterte. Als erfolgreichstes Ertragsmodell gelten momentan sogenannte «Bundle Apps», multifunktionale Apps, die mit externen Komponenten wie zum Beispiel mobilen Glukosesensoren gekoppelt werden können. Solche digitalen Lösungen ermöglichen Patienten den Zugriff auf die eigenen Gesundheitsdaten einschliesslich detaillierter Analysen, Visualisierungen und Prognosen. Dies kann nicht nur die Motivation der Patienten fördern, sondern auch den behandelnden Ärzten einen echten Mehrwert bieten.
Ob digitale Lösungen längerfristig dazu beitragen werden, die Adhärenz im Diabetes-Management positiv zu beeinflussen und somit idealerweise die Lebenserwartung von Typ-2-Diabetikern zu steigern, bleibt abzuwarten. Bisher nutzen nur 5% aller Menschen mit Diabetes digitale Hilfsmittel. Fest steht, dass solche Hilfsmittel immer nur unterstützend wirken, niemals aber eine auf Vertrauen basierende, gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Patient und Arzt ersetzen können.

Quelle: Boehringer Ingelheim Diabetes Key Note Session, 5.12.2018, Bern

Schmerzlose Schwellungen im Hodensack

Eine Schwellung im Hodensack kann verschiedene Ursachen haben. Über mehrheitlich schmerzhafte Schwellungen wurde im ersten Teil dieses Artikels in der September-Ausgabe von «der informierte arzt» berichtet, in diesem Teil werden Variko-, Spermato- und Hydroozelen, Leistenhernie sowie bösartige und gutartige Tumore des Hodens und selten des paratestikulären Gewebes im Hinblick auf eine optimale Betreuung in der Grundversorgung dargestellt.

Bei der Entdeckung einer Schwellung im Hodensack ist primär die Detektion eines akuten Leidens, das einer notfallmässigen Therapie bedarf, wichtig sowie der Ausschluss eines malignen Tumors. Wichtig in der Grundversorgung ist hierbei die Erkennung von Erkrankungen, die einer weiteren Behandlung durch den Urologen oder gar einer Zentrumsanbindung bedürfe.

Varikozele

Die Varikozele (VZ) entsteht durch eine Erweiterung des Plexus pampiniformis aufgrund eines verschlechterten venösen Abflusses. Die primäre VZ tritt fast ausnahmslos linksseitig auf, da die anatomisch rechtwinklige Einmündung der V. testicularis in die V. renalis zu einem erhöhten hydrostatischen Druck führt, der bei einer Klappeninsuffizienz zur Ausbildung von Varizen der venösen Samenstranggefässe führen kann. Sekundär kann die VZ durch Kompression im Rahmen retroperitonealer Raumforderungen oder nach einem thrombotischen Ereignis entstehen.
Eingeteilt wird die VZ in drei klinische Grade: Eine erstgradige VZ lässt sich nur unter Valsalvamanöver palpieren. Die zweitgradige VZ lässt sich bereits in Ruhe tasten, die drittgradige VZ ist in Ruhe sogar sichtbar. Eine subklinische Variante liegt vor, wenn sich die VZ nur sonographisch nachweisen lässt, bei inspektorisch und palpatorisch unauffälligem Befund.
Durch Reflux von wärmerem Blut aus dem Körperinneren bei gleichzeitiger Abflussstörung steigt die Hodentemperatur. Durch die gleichzeitige arterielle Minderdurchblutung auf Grund des verschlechterten venösen Abflusses entsteht eine verminderte Sauerstoffversorgung und somit eine lokale Gewebehypoxie. Es wird postuliert, dass diese Faktoren zu einer Hodenatrophie und Fehlfunktion des Keimepithels führen können, was eine initial reversible, später aber irreversible Fertilitätsbeeinträchtigung verursachen kann. Eine VZ sollte deshalb bei unerfülltem Kinderwunsch ausgeschlossen werden. Meist stellen sich Patienten jedoch mit einer Raumforderung im Skrotum vor, welche vor allem im Stehen zunimmt und gelegentlich zu einem dumpfen Druckgefühl oder zu leichtgradigen Schmerzen führt.
Diagnostisch sollte eine sonographische Untersuchung des Skrotums erfolgen wobei sich die varikösen Venen entlang des Samenstranges als echofreie, tubuläre Strukturen darstellen lassen (Abb. 1).
Durch den Farbdoppler lässt sich der venöse Reflux unter Valsalva-Manöver gut darstellen.
Die Therapie besteht in der operativen Venenligatur, -embolisation oder -sklerosierung. Eine Operationsindikation besteht bei symptomatischer VZ insbesondere mit beginnender Hodenatrophie oder unerfülltem Kinderwunsch mit Nachweis einer laborchemischen Hormonveränderung.
Bei subklinischer VZ oder bei infertilen Männern mit normalem Spermiogramm bedarf es keiner operativen Therapie. Bei kindlicher VZ mit beginnender Hodenatrophie sollte eine operative Therapie erfolgen. Bei normalem Hodenvolumen kann ein abwartendes Vorgehen, mit halbjährlichen Verlaufskontrollen erfolgen.

Hydrozele

Eine seröse Flüssigkeitsansammlung um den Hoden innerhalb der Tunica vaginalis wird als Hydrozele (HZ) oder umgangssprachlich als Wasserbruch bezeichnet. Die primäre HZ beruht auf einer fehlenden Obliteration des Processus vaginalis nach dem Descensus testis und entspricht somit einer persistierenden Verbindung zwischen Peritonealraum und Skrotum. Eine Flüssigkeitsansammlung in einem nicht obliterierten Anteil des Processus vaginalis im Bereich des Samenstrangs wird als Hydrocele funiculi spermatici bezeichnet. Diese HZ hat keine Verbindung mehr zur Bauchhöhle. Bei der sekundären oder erworbenen HZ besteht ein Ungleichgewicht zwischen der Flüssigkeitsproduktion und -resorption im Cavum serosum testis. Dies entsteht durch lokale Pathologien wie Entzündungen, Traumata, Tumore oder postoperativ im Rahmen einer schlechten Drainage nach Varikozelen- oder Leistenhernien-Operation.
Klinisch imponiert eine schmerzlose Schwellung des Hodensacks, welche vor allem beim offenen Processus vaginalis im Tagesverlauf je nach Aktivität in der Grösse variieren kann. Im Ultraschall des Hodens zeigt sich typischerweise eine echofreie Flüssigkeitsansammlung im Cavum serosum testis. Wichtig hierbei ist vor allem die Beurteilung des Hodens sowie des Nebenhodens, um eine sekundäre Ursache auszuschliessen.
Bei der primären HZ kann im ersten Lebensjahr abgewartet werden, da sich der Processus vaginalis oftmals spontan verschliesst. Sollte die HZ nach Ablauf des ersten Lebensjahres weiterhin nachweisbar sein, besteht die Indikation zum operativen Verschluss des Processus. Bei der erworbenen HZ sollte primär die Ursache behandelt werden. Bei Persistenz nach abgeschlossener Therapie des Grundleidens kann die HZ falls sie symptomatisch bleibt operativ reseziert werden.

Spermatozele

Eine Spermatozele (SZ) imponiert als kleine vom Nebenhoden ausgehende Zyste, die mit eiweisshaltiger Flüssigkeit oder Spermien gefüllt ist. Für die SZ werden verschiedene Ursachen diskutiert. Zum einen wird eine Samenleiter-Abflussstörung postuliert, zum anderen die Entstehung durch Nebenhodenentzündungen oder Verletzungen, wodurch die Prävalenz mit zunehmendem Alter erklärbar wäre. Patienten stellen sich meist auf Grund einer schmerzlosen Nebenhodenschwellung vor, selten wegen einer störenden Grösse oder aufgrund von Schmerzen. Neben der Palpation ist die Sonographie die Diagnostikmethode der Wahl. Typisch ist hierbei die echofreie, zystische Raumforderung ausgehend vom Nebenhoden. Eine operative Therapie ist nur notwendig bei störender Grösse oder Symptomatik. Bei bestehendem Kinderwunsch sollte jedoch von einer Operation abgesehen werden, da diese durch eine mögliche Verletzung des Nebenhodens zu einer Fertilitätsbeeinträchtigung führen kann.

Leistenhernie

Eine Leistenhernie (LH) entsteht bei Durchtritt von Baucheingeweiden durch den Leistenkanal. Alle Formen der LH treten hierbei durch den äusseren Leistenring, unterscheiden sich jedoch durch die innere Bruchpforte sowie deren Verlauf in Bezug auf den Leistenkanal.
Die seltener vorkommende direkte LH ist immer erworben. Sie entsteht im Rahmen einer medial der epigastrischen Gefässe liegenden peritonealen Schwachstelle im Bereich der Fossa inguinalis medialis und entsteht vor allem bei veranlagter Bindegewebsschwäche durch einen erhöhten intraabdominellen Druck (z.B. körperliche Arbeit, chronischer Husten, Pressen bei chronischer Verstopfung sowie Schwangerschaft). Die LH durchsetzt hierbei die Bauchdecken auf direktem Weg und hat somit keinen direkten Anschluss zum Samenstrang. Die häufigere, indirekte LH, kann durch eine ausbleibende Obliteration des Processus vaginalis nach dem Descensus testis angeboren, jedoch auch durch eine Bauchfellausstülpung in den inneren Leistenring entlang des Samenstranges erworben sein. Da hierbei eine direkte Verbindung mit dem Samenstrang besteht, kann der Bruchsack bei zunehmender Vergrösserung bis ins Skrotum reichen und so eine Schwellung des Hodensacks bewirken.
Die Patienten stellen sich in diesen Fällen meist mit einer schmerzlosen Schwellung des Skrotums vor, deren Grösse sich lageabhängig verändert und beim Stehen meist am grössten ist. Gelegentlich besteht bei körperlicher Anstrengung ein inguinales bis skrotales Druckgefühl sowie Schmerzen.
Diagnostisch sollte der äussere Leistenring getastet werden, um ggf. den Ursprung der Schwellung zu erfühlen oder bei reponierter Hernie eine Vorwölbung unter Valsalva zu palpieren. Weiter kann die Auskultation von Darmgeräuschen über der Schwellung oder die sonographische Darstellung von Darmschlingen weitere Aufschlüsse über die Beschwerdeursache geben.
Komplikation der LH ist die Einklemmung dessen Inhalts mit Strangulation der Durchblutung und folgender Ischämie (Inkarzeration). Hierbei besteht eine starke Spontan- und Druckschmerzsymptomatik mit im Verlauf zunehmender Schwellung und Rötung. Eine Inkarzeration ist ein Notfall und bedarf einer sofortigen Operation falls eine manuelle Reposition der Hernie nicht gelingt. Gelingt diese, sollte eine zeitnahe, elektive Operation veranlasst werden. Bei asymptomatischer oder schmerzhafter jedoch reponibler LH ist die Therapie der Wahl und einzige Möglichkeit der Ursachenbehebung die operative Versorgung. Hierbei stehen mehrere offene, wie auch minimalinvasive Verfahren zur Auswahl.

Hodentumore
Bösartige Hodentumore sind mit ca. 1% aller männlichen Malignome relativ selten, sind jedoch die häufigsten bösartigen Tumore zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr. Histologisch zählen ca. 90% der bösartigen Hodentumore zu den Keimzelltumoren, welche weiter in Seminome und Nicht-Seminome (Embryonalzellkarzinom, Teratom, Chorionkarzinom, Dottersacktumor) unterteilt werden. Testikuläre Stromatumore, welche vorwiegend gutartig sind, kommen deutlich seltener vor. Hierbei sind Leydigzell- und Sertollizelltumor die am häufigsten vorkommenden, können sich aber in ca. 10-20% als maligne präsentieren. Weiter gibt es die selten vorkommenden paratestikulären Tumore, welche im Hodensack liegen, jedoch vom Bindegewebe oder Samenstrang ausgehen. Diese sind oft gutartig (z.B. Lipome), können aber auch aggressiv maligne sein (z.B. Liposarkome, Rhabdomyosarkome) und bedürfen bereits initial einer speziellen Therapie.
Typisch für Hodentumore ist ein schmerzloser tastbarer Knoten oder eine Vergrösserung des Hodens, welcher dem Patienten meist bei der Selbst-Palpation auffällt. Eine schmerzhafte Schwellung liegt jedoch in ca. 10% der Fälle vor und schliesst einen Tumor nicht aus.
Besteht der Verdacht auf einen Hodentumor sollte ein testikulärer Maldeszensus in der Kindheit (Kryptorchismus) erfragt werden, da hierbei eine 10-20-mal grössere Wahrscheinlichkeit für eine spätere Entartung besteht. Zudem zeigt sich ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei familiärer Belastung ersten Grades, bei Sterilität oder nach Malignom des kontralateralen Hodens. Es sollten zudem weitere Symptome wie Husten, Atemnot, Brustwachstum / -empfindlichkeit, abdominelle Schmerzen, Rückenschmerzen, eine mögliche Infertilität oder eventuelle neurologische Beschwerden und Ausfälle erfragt werden, um Beschwerden eines möglichen, fortgeschrittenen Tumorstadiums zu identifizieren.
Die anschliessend klinische Untersuchung beinhaltet die Palpation des betroffenen und des kontralateralen Hodens, der Brustdrüsen sowie der inguinalen, axillären und supraklavikulären Lymphknotenstationen. Die Sonographie des Hodens, wo Tumore meist als hyperperfundierte, echoarme bis echogemischte irreguläre Läsion im Hodenparenchym imponieren, ist das primäre Diagnostikmittel der Wahl (Abb. 2 und 3).
Neben der Bildgebung ist die Bestimmung der Hodentumormarker relevant. Das Alpha-Fetoprotein (AFP) und die β-Untereinheit des humanen Choriongonadotropins (Beta-hCG) sind spezifische Hodentumormarker, die Laktatdehydrogenase (LDH) wird als unspezifischer Marker ebenfalls mitbestimmt und korreliert insbesondere beim fortgeschrittenen Tumorleiden mit der Tumorlast. Je nach Tumorhistologie sind verschiedene Tumormarker und Marker-Konstellationen zu beobachten. So schliesst ein erhöhtes AFP ein reines Seminom aus, da dies hauptsächlich mit 50-70% bei Nichtseminomen vorkommt. Beta-hCG ist immer positiv bei Chorionkarzinomen, fakultativ bei Seminomen (in 15-20% der Fälle) sowie bei Embryonalkarzinomen und negativ beim reifen Teratom und Dottersacktumor. Insgesamt ist Beta-hCG bei 40-60% der Nichtseminomen erhöht. Bei Stroma- oder paratestikulären Tumoren sind die Tumormarker allesamt negativ. Die Höhe der Tumormarker korreliert mit der Prognose der Erkrankung und ist somit entscheidend für die weiteren Behandlungen und die Nachsorge.
Bestehen bereits präoperativ erhöhte Tumormarker sollte eine CT des Thorax und Abdomens zum Staging durchgeführt werden. Sind die Tumormarker negativ, sollte vor Durchführung von Staginguntersuchungen immer die histologische Diagnosesicherung erfolgen, um eine unnötige Strahlenbelastung für die oft jungen Patienten zu vermeiden.
Besteht beim betroffenen Patienten ein Kinderwunsch, sollte vor der Operation ein Spermiogramm mit Kryokonservierung von Spermien angeboten werden. Ist die Spermienqualität schlecht, kann ausserdem eine intraoperative, testikuläre Spermienextraktion (TESE) i.R. der Ablatio testis durchgeführt werden.
Bei präoperativ positiven Tumormarkern oder grossen, tumormarker-negativen Tumoren, die sich nicht enukleieren lassen, besteht die Indikation zur inguinalen Ablatio testis. Bei kleinen Hodentumoren sowie negativen Tumormarkern sollte eine primäre Tumor-Enukleation mit Schnellschnittuntersuchung erfolgen, so dass bei negativem Schnellschnitt ein organerhaltendes Vorgehen erfolgen kann. Ergibt der Schnellschnitt einen malignen Befund, erfolgt im gleichen Eingriff die inguinale Ablatio testis. Die Operation sollte daher nur in Zentren erfolgen in denen ein intraoperativer Schnellschnitt möglich ist, um unnötige Hodenentfernungen zu vermeiden. Eine Biopsie des Gegenhodens sollte nur bei bestehenden Risikofaktoren für das Vorliegen einer Hodentumorvorstufe im Gegenhoden erfolgen (Kryptorchismus, Infertilität oder ein Hodenvolumen <12ml). Präoperativ sollte jedem Patienten eine Hodenprothesen-Einlage angeboten werden, welche jedoch auch zweitzeitig eingelegt werden kann.
Eine postoperative Nachsorge sowie der Entscheid einer adjuvanten Therapie sind je nach Histologie und Tumorstadium sehr unterschiedlich, komplex und bedürfen insbesondere einer interdisziplinären Zentrumsanbindung. Im Universitätsspital Zürich findet deshalb seit 2016 einmal pro Woche eine interdisziplinäre uro-onkologische Hodentumorsprechstunde statt, wo auf Hodentumore spezialisierte Fachärzte der Klinik für Urologie und Onkologie gemeinsam eine Sprechstunde führen, in welcher komplexe Fälle direkt diskutiert werden. Dies garantiert schnelle, spezifische Abklärungen sowie eine rasche Therapieeinleitung und verhindert unnötige und zeitraubende Termine für den Patienten und ggf. einen progredienten Tumorverlauf bei den meist jungen Patienten.

Dipl. Arzt Nico Grossmann

Klinik für Urologie
UniversitätsSpital Zürich

nico.grossmann@usz.ch

Prof. Dr. med. Tullio Sulser

Klinik für Urologie
UniversitätsSpital Zürich

PD Dr. med. Thomas Hermanns

Zentrum für Urologie
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte zu deklarieren.

  • Varikozelen, Hydrozelen und Spermatozelen sind meist schmerzlose Schwellungen im Hodensack welche nur selten einer Therapie bedürfen. Eine operative Therapie sollte vor allem bei Varikozelen mit nachweislicher Hodenatrophie oder ausbleibendem Kinderwunsch indiziert werden.
  • Hodentumore machen sich meist als schmerzlose Vergrösserung oder Verhärtung des Hodens bemerkbar, die Diagnostik der Wahl ist die Sonografie des Hodens. Bestätigt sich die Diagnose eines bösartigen Hodentumors sollte die postoperative Tumornachsorge auf Grund der Komplexität an einem Zentrumsspital erfolgen.

Diagnose «Burnout»: Pro und Contra

Welcher ärztliche Grundversorger kennt sie nicht: Patienten mit den Symptomen einer emotionalen Erschöpfung. In der Abklärung finden sich keine körperlichen Ursachen. Die Anam-
nese hingegen weist auf länger andauernde Belastungen am Arbeitsplatz hin. Soll der Hausarzt in diesen Fällen für seine Diagnose und die anschliessende Kommunikation vom Begriff «Burnout» Gebrauch machen? Und wenn ja, wann und wie? Welches sind die Pro- und Contra-Argumente der aktiven Verwendung des Begriffs «Burnout»?

Das Burnout-Phänomen (englisch für «Ausgebranntsein») gilt als Paradigma für die negativen Auswirkungen der Postmoderne auf das Individuum in der Arbeitswelt.
Besonders im deutschsprachigen Mitteleuropa erfährt Burnout seit Jahren hohe Popularität: Medien porträtieren Betroffene oder versuchen, Burnout differenziert zu ergründen. Anbieter von Dienstleistungen zur Stressprophylaxe oder zur Behandlung von Stressfolgeerscheinungen nutzen den Begriff oft mit reisserischen Mitteln für ihre Zwecke.
Burnout scheint also mehr als eine Modeerscheinung zu sein. Arbeitsassoziierte Erschöpfungsphänomene stellen ein relevantes Phänomen dar, was durch die Erfahrungsberichte und Symptom-
beschreibungen unserer Patienten immer wieder neu bestätigt wird. Jedoch sollten wir uns als ärztliche Grundversorger um eine differenzierte Haltung zu «Burnout» bemühen und die Vor- und Nachteile bei der Verwendung des Begriffs im Kontakt mit Betroffenen und Angehörigen, Versicherungen oder dem Arbeitgeber sorgfältig abwägen.

Welche Argumente sprechen aus individueller Per-spektive für die Verwendung des Begriffs «Burnout»?

In unserer Psychotherapie-Klinik mit 70 stationären Betten beträgt der durchschnittliche Anteil der Patienten, die an psychischen Folge-erkrankungen eines Burnout-Prozesses leiden, 15-20%. In einem wöchentlichen Patienten-Seminar werden in fünf Modulen die relevanten Perspektiven auf das Burnout-Phänomen bearbeitet. Auffällig ist, wie offen die Betroffenen nach anfänglicher Zurückhaltung über ihre subjektiv erlebte Burnout-Entwicklung sprechen. Im Wissen, dass sie «nicht alleine» sind und sich gemeinsam auf vollbrachte Leistungen resp. ehrenhafte Motive in ihrer Arbeitsbiographie (z.B. «Nur wer entflammt war, kann ausbrennen») beziehen können, erfahren sie emotionale Entlastung und Selbstwertstärkung. Ihre Symptome werden kausal verständlich («Batterie leer», «zu viel gearbeitet»), Schuld- und Schamgefühle bleiben erträglich. Burnout kann auch als «Schutzfunktion» von Körper und Geist bei der Gefahr energetischer Selbstausbeutung verstanden werden. Die klinische Erkenntnis, dass es für die Umkehr des pathogenen Burnout-Prozesses keine einfachen Lösungen gibt und viel Zeit braucht, in der Regel 6-18 Monate bis zur vollständigen Rekonvaleszenz, macht betroffen.
Trotzdem ist die Stimmung in den Gruppen meist gut und im Hinblick auf die eigene Genesung relativ optimistisch. Diese positive Haltung findet Unterstützung in einer Schweizer Studie, die aufzeigt, dass die stationäre multimodale Psychotherapie bei Burnout-assoziierten Erkrankungen als effektive Behandlungsmethode zu empfehlen sei. Nach sechswöchiger Therapie in einer auf Burnout spezialisierten Klinik haben 71% der Teilnehmenden den beruflichen Wiedereinstieg geschafft (7). Fazit: Burnout wird von den Betroffenen als plausibler und «salonfähiger» d.h. stigmatisierungsarmer bis sogar selbstwertsteigernder Begriff wahrgenommen und kann damit als aktuelles, unmittelbar überzeugendes und somit zeitgemässes, subjektives Störungsmodell verstanden und auch von professionellen Grundversorgern genutzt werden.

Welche Argumente sprechen aus gesellschaftlicher Per-spektive für die Verwendung des Begriffs «Burnout»?

Den stigmatisierungsarmen Umgang mit dem Burnout-Begriff verstehen wir als Spiegel des mittlerweile gesellschaftlich akzeptierten offenen und öffentlichen Diskurses über kontroverse Phänomene der Postmoderne wie Globalisierung, Entgrenzung von Arbeit, zunehmendem Arbeitsdruck, abnehmende soziale und finanzielle Sicherheiten sowie den individuellen Zusammenhang von Arbeit und psychischer Gesundheit. Indem das Burnout-Phänomen die öffentliche Wahrnehmung auf Themen wie Arbeitnehmerschutz (in der Schweiz z.B. via SECO) lenkt und auf politischer Ebene Verhältnis-Prävention fördert, erscheint dies aus ärztlicher Sicht angemessen, richtig und wichtig.

Welche Argumente sprechen aus individueller Perspektive gegen die Verwendung des Begriffs «Burnout»?

Unbestritten ist, dass es sich bei Burnout nicht um eine definierte Erkrankung handelt. Somit lässt sich auch keine Diagnose «Burnout» stellen, die aus medizinischer Perspektive hinreichend objektiv, reliabel (reproduzierbare Befunde) und valide (auf eine Ursache zurückführbar resp. ätiologiebezogen behandelbar) ist (1). Das wusste schon der Erstbeschreiber Herbert Freudenberger, der 1974 das Burnout-Phänomen «entdeckte» und Burnout als Zustand körperlicher und psychischer Erschöpfung in der Folge beruflicher Überlastung bei zuvor besonders Engagierten beschrieb. Er postulierte, dass die Symptome bei jedem Betroffenen anders, also unspezifisch seien und dass es auch kein spezifisches Burnout-Syndrom gibt (2). Um diese Theorielücke zu schliessen, bemühte sich Christina Maslach in den 80er Jahren um eine psychometrische Definition des Burnout-Konstrukts und postulierte die Trias: Emotionale Erschöpfung, De-Personalisierung (emotionale Distanznahme gegenüber Anspruchsgruppen, z.B. Kunden) und Ineffektivität (reduzierte Leistungsfähigkeit) (3). Hohe Burnout-Werte, gemessen mit dem weit verbreiteten MBI (= Maslach Burnout Inventar) korrelieren zwar mit Depression und Angsterleben sowie beruflicher Unzufriedenheit, spiegeln aber primär subjektives Belastungserleben und inwieweit der Befragte seine Symptomatik als Burnout resp. «ausgebrannt sein» erlebt (1). Besonders problematisch ist, dass es zum MBI bis heute keine für die Bevölkerung repräsentativen Normwerte gibt. Auch neuere Instrumente und Biomarker zeigen Grenzen der Sensitivität und v.a. Spezifität, das heisst Burnout-Parameter messen nur bedingt das, was Fachleute oder Laien damit verbinden. Trotz der Tatsache, dass wir Burnout nur vage definieren können, glauben wir zu wissen, was es ist:
Burnout entspricht, und das ist nur einer von gegen 100 in der Literatur beschriebenen Definitionsvorschlägen, einem körperlichen, mentalen, geistigen und sozialen Erschöpfungssyndrom (vgl. Tab.  1) und kann als «Risikoprozess» verstanden werden, der durch länger dauernde Überlastung im beruflichen, privaten oder ehrenamtlichen Bereich meist schleichend entsteht, in dessen Folge es zu körperlichen oder psychischen Erkrankungen kommen kann, aber nicht muss. In der Literatur finden sich über 130 Einzelsymptome, welche mit Burnout in Verbindung gebracht werden. Als häufige Gemeinsamkeiten in der Begriffsbestimmung gelten, dass individuelle Faktoren (z.B. hoher Perfektionismus) und Arbeitsplatzbedingungen (z.B. geringe Wertschätzung, hoher Leistungs- und Wettbewerbsdruck) zur Überforderung beitragen können (4).
Auch die Prävalenz von Burnout ist nur sehr vage eruierbar: Etwa ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung befindet sich laut einer deutschen Studie selbstdeklarativ in einem Erschöpfungs-Prozess oder empfindet sich als «ausgebrannt», wobei jeder Zweite, der sich von «Burnout» Betroffen, aber nur jeder Fünfte, der sich «ausgebrannt» fühlt, die Screening-Kriterien einer Depression erfüllt (6). Ebenfalls kritisch zu sehen ist, wenn Betroffene, basierend auf einer Überidentifikation mit Burnout, die Ursachen einseitig nur im Aussen suchen, in der Opferrolle verharren («Burnout als Auszeichnung») und damit der Bearbeitung eigener Anteile aus dem Weg gehen. Diese Haltung ist oft verbunden mit Selbstzuschreibungen wie «Ich habe ein Burnout und kann deshalb gar nichts mehr», in deren Folge das Bedürfnis entstehen kann, sich übermässig zu schonen oder über eine längere Krankschreibung die benötigte Entlastung zu suchen. Die allgemein und bei nicht-toxischen Bedingungen vorwiegend gesundheitsförderlichen Aspekte der Arbeit wie Strukturgabe, Identitätsstärkung und soziale Interaktion gehen damit verloren.
Burnout lässt sich demnach als «fundamental subjektives Konzept» mit unscharfer d.h. unspezifischer und uneinheitlicher Definition ohne valide Messbarkeit beurteilen, d.h. jeder, der sich in Burnout erkennen möchte, kann sich darin wiederfinden.
Bei einer Vermischung der Betroffenen- und Experten-Perspektive droht gemäss Hillert (6) «babylonische Sprachverwirrung» und, bei allem Engagement für Patientenbedürfnisse und soziale Missstände, Professionalitätsverlust.

Welche Argumente sprechen aus gesellschaftlicher Perspektive gegen die Verwendung des Begriffs «Burnout»?

Im sozialwissenschaftlichen Diskurs über aktuelle Entwicklungen in Gesellschaft und Arbeitswelt divergieren Begriffe, Perspektiven und Gewichtung von Einzelfaktoren, so dass die Relevanz des Burnout-Begriffs nicht sicher eruierbar ist. Auch kann das Burnout-Phänomen infolge der hohen Popularität und Prägnanz auf psychologischer Ebene «infektiöse» Qualität haben, was bei leichtfertiger Verwendung des Burnout-Begriffes zu Banalisierung (z.B. «jeder hat mal ein Burnout») führen kann, was dann umso problematischer ist, wenn depressive Symptome übersehen oder bagatellisiert werden. Noch schlimmer ist es, wenn z.B. seitens Arbeitgeber oder HR-Vertretern, basierend auf Vorurteilen vertreten wird, Burnout sei «irreversibel», das heisst «als Veranlagung im betroffenen Menschen drin und trotz therapeutischer Anstrengungen nicht zu ändern.», vgl. zusammenfassende Übersicht in Tab 2.

Umgang mit Burnout in der Praxis

In der Konsequenz der diskutierten Pro- und Contra-Argumente empfiehlt sich im Umgang mit dem Burnout-Begriff eine pragmatische Herangehensweise (siehe Tab. 3). Manchen Patienten ist es durch den Begriff «Burnout» überhaupt erst möglich, psychosoziale Faktoren als Erklärung für ihre Symptome in Betracht zu ziehen. Produktiver als der Streit darüber, ob die subjektive Krankheits-Theorie von Burnout zutreffend ist oder nicht, kann es im Dialog mit den PatientInnen hilfreich sein, den Begriff Burnout individuell mit relevanten Inhalten zu füllen (8).
Zudem ermöglicht der Burnout-Begriff gerade dank der unscharfen Definition einen zweckmässigen Einsatz in der Praxis, da diese den Spielraum für individuelle Lösungswege vergrössert.

Dr. med. Sebastian Haas

Leiter Schwerpunkt Burnout und Belastungskrisen
Privatklinik Hohenegg AG
Hohenegg 1
8706 Meilen

sebastian.haas@hohenegg.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Burnout ist trotz berechtigter Kritik ein zeitgemässes, Betroffene unmittelbar überzeugendes subjektives Störungsmodell
  • Körperliche Ursachen von Erschöpfung müssen zunächst ausgeschlossen werden
  • In der Anamnese sollte zunächst – unter Verzicht auf Experten-
    Definitionen – die Selbstidentifikation des Betroffenen mit Burnout und Ausgebrannt-Sein erhoben werden
  • Eine Erschöpfungsdepression ist oft die späte Folge eines Burnout-Prozesses. Diese muss behandelt werden und gehört in der Regel in die Hände von Spezialisten.

Literatur:
1. Hillert A. Burnout – Zeitbombe oder Luftnummer? Schattauer Verlag 2014
2. Freudenberger HJ. Staff Burnout. J Soc Issues 1974, 30: 159-165
3. Maslach C et al. Maslach burnout inventory manual (3rd ed.). Palo Alto: Cons. Psych. Press: 1996
4. Burisch M. Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung. 5. Aufl. Heidelberg: Springer; 2014
5. Haas S. Burn-out und arbeitsassoziierte Störungen. in Systemische Therapie; Beltz Verlag 2018; in Press
6. Hillert A. Was versteckt sich hinter Burnout? Psychotherapie im Dialog 2018; 19: 15-21
7. Schwarzkopf K. et al. Einmal Burnout ist nicht immer Burnout: Eine stationäre multimodale Psychotherapie ist eine effektive Burnout-Behandlung. Praxis 2016; 105 (6), S. 315-321.
8. Köllner V. Der Begriff Burnout: Sinnvoller Einsatz in der Psychotherapie. Psyth im Dialog 2018; 19: 23-27

Herbstkongress SGAIM 2018

Der diesjährige Herbstkongress der SGAIM ist dem Thema nachhaltiger, zukunftsfähiger und verlässlicher Arzt gewidmet. Das wohlausgewogene Programm lockte trotz der wunderschönen Umgebung und dem herrlichen Wetter in die Hörsäle, angemessene Pausen erlaubten neben dem obligaten Besuch der Kongressstände die Atmosphäre am See zu geniessen.

Update Geriatrie 2018

In diesem Workshop präsentierte Prof. Dr. med. Christophe Büla, Lausanne aktuelle Daten aus den Themen Stürze und Frakturen, Demenz, Aspirin, Antikoagulation und Statine in der realen Welt sowie Ernährung und Fragilität. In der Allgemeinbevölkerung kommt es bei 20-35% der über 65-Jährigen alle Jahre zu einem Sturz, bei über 80-Jährigen gar in rund 50%. In Institutionen ist mit 1.7 Stürzen pro Jahr und Patient zu rechnen. Ein Sturz ist besonders nach 80 Jahren niemals banal, in 1-2% führt er zu Hüft-, in 3-5% zu anderen Frakturen und in 30-55% zu geringeren Läsionen. In den Niederlanden konnte bei den über 80-Jährigen eine Zunahme der sturzbedingten Mortalität 2016 im Vergleich zu 2000 festgestellt werden, als Ursache für dieses Phänomen werden besseres Reporting, höhere Aktivität im Alter, Multimorbidität und Antikoagulation diskutiert, die Konsequenz muss in jedem Fall eine verbesserte Prävention sein.

Welche Personengruppen sind besonders Sturzgefährdet?
In einer Cluster-Analyse, bei der die Cluster «In gutem Gesundheitszustand», «Guter Gesundheitszustand, multimorbide», «Guter Gesundheitszustand, multimorbide, Medikamente mit hohem Sturzrisiko», «Physische und kognitive Einschränkung» und «Abhängigkeit» analysiert wurden, stieg das Sturzrisiko bis zum Cluster 5 über 10 Jahre treppenartig auf bis auf einen Faktor 6.85 in Bezug auf Cluster 1 an. Hingegen wies Cluster 3 mit 21% den grössten Anteil an Stürzen aufgrund von Cluster-assoziierten Risikofaktoren auf. Aus dieser Beobachtung zieht der Referent den Schluss, bei Personen, die dem Cluster 3 zugerechnet werden können, die Medikation mit Sturz-gefährdenden Medikamenten zu überdenken. Die klassischen Empfehlungen zur Sturzprophylaxe der US Preventive Services Task Force (USPSTF) erleben derzeit eine Überarbeitung. In einer Studie dieser Organisation (Grossmann, JAMA 2018) wurde die Evidenz für Vitamin-D-Supplementation, körperliches Training und multimodale Prävention bei Personen über 65 Jahre ohne Vitamin-D-Mangel oder Osteoporose untersucht. Training, 3 Mal/Woche führte zu einer signifikanten Reduktion von Personen mit Stürzen und wird als Massnahme empfohlen. Hingegen führt Vitamin D nicht zu einer Reduktion des Sturzrisikos und wird nicht mehr empfohlen. Die multimodale Prävention zeigte einen bescheidenen Benefit und wird als Massnahme empfohlen, die selektiv bei Patienten in geeigneter Situation eingesetzt werden kann. In praktischer Hinsicht ist eine Beratung über Schuhwerk, Alarm, bauliche Massnahmen, Visus, Ernährung, körperliche Übungen, toxische Substanzen/Medikamente und Hilfsmittel immer sinnvoll, in Französisch mit eleganter Eselsleiter «CABYNET M». Auch bezüglich Frakturprophylaxe wurde die Evidenz der gängigen Empfehlung zu Vitamin D und Calcium von der USPSTF (Grossmann, JAMA, 2018) überprüft mit dem enttäuschenden Befund, dass weder Vitamin D noch Calcium noch deren Kombination in der Lage war, bei Personen ohne Sturzgefährdung, ohne Vitamin-D-Mangel und ohne Osteoporose das Frakturrisiko zu senken. Um zu zeigen, wie schwierig die Interpretation von Studien sein kann, präsentierte Prof. Büla eine Metaanalyse zum Thema Sturzprävention nach Hospitalisation (Naseri, Age Aging, 2018). Dabei stürzten 20% mehr Personen unter Trainingstherapie, aber ohne vermehrte Sturzfolgen, wohl, da sie dank Therapie allgemein aktiver geworden sind. In der gleichen Studie führte eine Optimierung der Umgebung zu einer Reduktion von Stürzenden und Stürzen um 25, resp. 37%. Bei Malnutritierten erwies sich die Ernährungstherapie mit einer Risikoreduktion von 59% als hochwirksam.
Sollen betagte Personen in Pflegeheimen mit Demenz nach Hüftfraktur operiert werden? Laut einer Beobachtungsstudie klar ja, reduziert die Operation doch die Mortalität um über 40% wie auch Schmerzen und Dekubitus. Ebenfalls ist gut belegt, dass die Operation innert der ersten 24 Stunden nach dem Unfall stattfinden soll. Der Referent betont aber, dass diese Studienresultate kein Argument sind, auf eine Intervention zu verzichten bei hochfragilen Personen und wenn dies dem expliziten Patientenwunsch entspricht.

Demenz
Zu diesem Thema stellte sich der Referent die Frage, ob körperliche Übungen, kognitives Training oder medikamentöse Behandlung wirksam seien. Lamb (BMJ, 2018) wies in einer randomisierten Studie nach, dass ein aerobes Training auf mässigem bis hohem Niveau und Krafttraining die kognitive Abnahme bei leicht bis mässig Dementen nicht verlangsamt. Hingegen vermochte ein kognitives Training bei Patienten mit milder kognitiver Einschränkung (MCI) in einer randomisierten Studie (Belleville, J Am Geriatr Soc, 2018) das Gedächtnis und die Anwendung von erlernten Strategien im Alltag zu verbessern, eine Massnahme, die in der Schweiz in verschiedenen Memorykliniken in allen grösseren Städten angeboten wird. Aussichtsreiche neue pharmakologische Substanzen wurden 2018 nicht vorgestellt, insbesondere im Bereich von Inhibitoren der β-Sekretase, die notwendig ist zur Produktion von β-Amyloid. Anticholinergica (Antidepressiva: Amitriptylin, Paroxetin, Inkontinenz: Oxybutynin, Tolterodin, Gastroenterologisch: Ranitidin, Metoclopramid) sind mit einer NNH von 50 mit einem Demenzrisiko assoziiert.

Aspirin
Dieses hat seine Bedeutung in der Primärprävention bei Betagten verloren, seit gezeigt werden konnte, dass die Substanz weder auf die krankheitsfreie Lebenserwartung noch auf die Gesamtmortalität noch auf kardiovaskuläre Ereignisse einen Einfluss hat, wohl aber auf das Blutungsrisiko; schwere Blutungen sind unter Therapie 38% häufiger als bei Kontrollen (McNeil, NEJM, 2018).

Antikoagulantien und Statine
In der realen Welt ist in der klinischen Praxis der Einsatz von Vitamin-K-Antagonisten zu Gunsten der neuen, direkten Antikoagulantien (DOACs) substanziell zurückgegangen. Ob diese Entwicklung sinnvoll sei, wurde in einem systematischen Review von 23 RCT an über 93’000 Personen untersucht (Lopez-Lopez, BMJ, 2017), insbesondere die Fragen nach Risiko für Schlaganfall, systemische Embolie, Mortalität, schwere Blutung und intrakranielle Blutung. In Bezug auf Schlaganfall und Embolie wies Apixaban 2 mal 5 mg/d im Vergleich mit Warfarin ein Risiko von 0.79 auf, Dabigatran 2 mal 150 mg/d von 0.65. Edoxaban 30 mg/d und Rivaroxaban waren nicht signifikant unterschiedlich. Bezüglich Mortalität lagen die Zahlen bei 0.71, resp. 0.8 resp. 0.46. Schwere Blutungen traten unter Dabigatran um 33% häufiger auf als unter Apixaban. Das Risiko für intrakranielle Blutungen war bei allen DOACs tiefer als unter Warfarin. Das Profil Wirksamkeit, Sicherheit und Kosten war unter Apixaban am besten. In einer offenen prospektiven Studie in der realen Welt an 67744 Patienten unter Dabigatran, 37863 unter Rivaroxaban und 18223 unter Apixaban (Vinogradova, BMJ, 2018) war Dabigatran mit einer Reduktion von intrakranieller Blutung verbunden und Apixaban von schwerer Blutung, intrakranieller Blutung und gastrointestinalen Blutungen. Hingegen und überraschend waren Rivaroxaban und Apixaban mit einer um 19% resp. 27% erhöhten Gesamtmortalität assoziiert. Bei Patienten mit Vorhofflimmern erwies sich Rivaroxaban gegenüber Apixaban mit einer HR von 1.94 als unterlegen in Bezug auf intrakranielle Blutungen.
Statine haben sich in einer offenen prospektiven Studie in der realen Welt bei Patienten über 75 Jahre (Ramos, BMJ, 2018) nur bei Diabetikern in der kardiovaskulären Prävention als wirksam erwiesen, mit einer Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen um 24% und von Gesamtmortalität um 16%.

Ernährung und Fragilität
Laut einer Metaanalyse von 4 prospektiven Studien zur Wirksamkeit einer mediterranen Diät zur Senkung der Inzidenz von Fragilität bei betagten Personen (Kojima, J Am Geriatr Soc, 2018) wird diese bei entsprechender Adhärenz um 48 bis 56% gesenkt.
Die Zahl von hundertjährigen Patienten nimmt zu, z. B. in der Schweiz von 136 im Jahr 1980 auf 1283 im Jahr 2016. Jedoch steht die Frage im Raum, ob die Lebenserwartung für ein Leben ohne Behinderung zunehme. Eine Studie hat in Holland die Kohorte von 1895 geborenen Hundertjährigen mit derjenigen von 1915 verglichen (Rasmussen, J Gerontol A Biol Sci Med Sci, 2018) und dabei eine mehr als doppelt so hohe Rate an nicht behinderten Frauen gefunden mit entsprechender Reduktion der Rate an mittel und schwer behinderten. Abgesehen von Hilfe bei der Toilette und beim Anziehen für Frauen ist die Mehrheit der Hundertjährigen der Kohorte 1915 in ihrer Aktivität des Alltagslebens unabhängig. Dies als Argument für Hoffnung auf ein Leben ohne Behinderung.

Critical Incident Reporting System (CIRS)

Die Dres. Markus Gnädinger, Steinach, und Nicolas Perone, Genf, präsentierten in diesem Workshop die Ergebnisse der Studie «Medication incidents in primary care medicine: a prospective study in the Swiss Sentinel Surveillance Network» (BMJ Open 2017). Sie basiert auf der Definition des kritischen Ereignisses als eines, das zu unnötigem Schaden eines Patienten geführt hat oder geführt haben könnte. Nicht zur Definition gehören Medikamentennebenwirkungen, ungünstiger Krankheitsverlauf trotz üblicher Behandlung und Vorsorge, zeitlicher Verlust bei Diagnose von seltenen Krankheiten oder alles, was besser hätte laufen können, ohne explizite irrtümliche Vorkommnisse. Ziel des Systems ist, von Fehlern zu lernen und gefährliche Prozesse entsprechend anzupassen. Der Erstreferent hat in seiner prospektiven Überwachungsstudie untersucht, welche Typen von Ereignissen in Zusammenhang mit Medikamentierung in der Grundversorgung in der Schweiz auftreten, wie oft, in welchen saisonalen und regionalen Verteilungen und wollte die Frage klären, ob sich Risikofaktoren für solche Ereignisse finden lassen. An der Studie hatten 180 Grundversorger und Pädiater teilgenommen, die sich am schweizerischen Sentinella-Meldesystem beteiligen, 197 Fälle wurden ausgewertet. Pro Jahr wurden im Schnitt 2.07 Ereignisse pro Grundversorger gemeldet, was 46.5 pro 100000 Patientenkontakte entspricht, und 0.15 pro Pädiater oder 2.8 pro 100000 Kontakten. Die meisten Fälle standen in Zusammenhang mit fehlerhafter Medikamentendosierung, fast doppelt so häufig in Form von Überdosierung (20.9%) als von Unterdosierung (10.7%). In 28.6% wurden falsche Medikamente verabreicht und in 6.1% notwendige Medikamente nicht verordnet. Als Risikofaktoren wurden hohes Alter, Betreuung durch Pflegekräfte der Gemeinde, Pflege in einer Institution, Anzahl der Medikamente und höhere Morbidität gemessen mit dem Thurgau Morbiditäts-Index eruiert. Die Referenten halten fest, dass Menschen in hohem Alter und mit Multimorbidität ein besonders hohes Risiko haben, ein kritisches Medikamentenereignis zu erleben, und dass die Ursache oft in Zusammenhang mit Kommunikationsproblemen steht.

Chronische Schmerzen – State of the Art 2018

In diesem Workshop betonte Frau Prof. Anne-Françoise Allaz, unter dem Motto «von einem Leben der Machtlosigkeit zu einer zentralen Rolle», dass im Umgang mit chronischen Schmerzpatienten im Zentrum die Gewissheit steht, dass etwas getan werden kann. Dabei hat die Verbesserung der Lebensqualität und der Funktionalität eine höhere Priorität als die eigentliche Schmerzsymptomatik. Das persistierende somatoforme Schmerzsyndrom ist unter ICD-10 immer noch im Kapitel Psychiatrie den somatoformen Störungen zugeordnet. Für den ICD-11 wird vorgeschlagen, der Definition chronischer Schmerzen eine Dauer von mindestens 3 Monaten resp. eine Dauer, die über die zu erwartende Heilungsdauer hinausgeht, sowie eine signifikante Hilflosigkeit oder funktionelle Beeinträchtigung zugrunde zu legen. In der Definition wird zunehmend der Aspekt der Integration von Geist und Körper sowie der Komplexität mitberücksichtigt.

Zentrale Schmerzen, Somatisation, Alexithymie und Katastrophismus
Fortschritte in der Neurowissenschaft betreffen die Erkenntnis, dass Schmerzen eine somato-affektive Basis haben. Oft besteht eine zentrale Sensibilisierung, bei der die Schmerzschwelle abgesenkt respektive die zentrale Schmerzhemmung gestört ist und der Zusammenhang von Schmerzintensität mit der peripheren Läsion verloren geht. Dabei spielt das Schmerzgedächtnis eine wesentliche Rolle. Der Ausdruck eines Leidens durch körperliche Symptome wird als Somatisation bezeichnet, die beschränkte Möglichkeit, körperliche Symptome als Ausdruck von Emotionen zu erkennen, als Alexithymie. Als Katastrophismus wird die Fixation auf das Schmerzerlebnis mit erworbener Hilflosigkeit bezeichnet. Eine Vermeidungshaltung verbindet sich dabei mit pessimistischen Ängsten vor Kontrollverlust und vor Unmöglichkeit einer Heilung. Schmerzen werden als Bedrohung und Ungerechtigkeit empfunden. Nicht mehr sosehr die Intensität der Schmerzen wird zum Problem, sondern die problematische Anpassung an den Schmerz.

Die fünf Pfeiler der Behandlung
Die Behandlung beruht auf 5 Pfeilern: der Medikation, der Physiotherapie, der Psychotherapie, der Stärkung von Ressourcen und der Pflege der therapeutischen Beziehung mit Definition der Position des Hausarztes. Wenn Hinweise auf eine zentrale Sensibilisierung besteht und eine Medikation als notwendig erachtet wird, kommen Antidepressiva oder Antiepileptika unter intensiver ärztlicher Erklärung und Begleitung zum Einsatz. Bei jeder Therapie muss zusammen mit dem Patienten ein vernünftiges Ziel definiert werden. Im Falle von Opioiden gilt es, die kleinste wirksame Dosis zu finden unter Vermeidung von Nebeneffekten. Bei der Physiotherapie ist wichtig zu wissen – sie wirkt. Für die Wirksamkeit von Übungen zur Verbesserung der Koordination, Stabilisation, Kraft und Widerstand besteht ebenso Evidenz wie für Tai-Chi, Yoga, Akupunktur oder TENS, nicht aber für die transkranielle Stimulation. Ein multimodaler Ansatz ist empfohlen mit dem Ziel der funktionellen Rehabilitation viel mehr als dem völligen Verschwinden von Schmerzen. Insbesondere bei Patienten mit Anzeichen einer Depression oder von einem Trauerfall lohnt sich eine Psychotherapie unbedingt. Für kognitive Verhaltenstherapie besteht eine Evidenz, wie auch für Hypnose und Aufmerksamkeitstraining, letzteres insbesondere bei Fibromyalgie. Die Stärkung der Ressourcen des Patienten gehört zu den wichtigsten Möglichkeiten des Grundversorgers, dem Patienten zu helfen. Dabei ist Fantasie und individuelles Eingehen notwendig. Es gilt, den Patienten von seinem exklusiven Fokus auf den Schmerz zu befreien, alles zu unterstützen, was ihn in der Selbsteffizienz steigert und was hilft, trotz der Schmerzen zu funktionieren. Dabei hat sich die Autohypnose als Mittel zur Verbesserung der Lebensqualität über die reine Analgesie hinaus als wirksam erwiesen. Die verschiedenen Massnahmen sollen in Form von klaren, zeitlich definierten Verordnungen und nicht als wage Ratschläge eingeleitet werden. Die therapeutische Beziehung ist von ausschlaggebender Bedeutung für Aussicht auf Erfolg. Im Rahmen der therapeutischen Allianz nimmt der Therapeut die Klagen ernst, glaubt an den Schmerz und plant regelmässige Konsultationen unabhängig von den Symptomen. Er bleibt trotz aller allfälliger Schwierigkeiten empathisch und zeigt dem Patienten, dass er nicht allein ist. Hilfreich können Modelle der Zusammenarbeit z.B. mit Liaisonpsychiatern sein.
Zusammenfassend ist das erste Ziel der ärztlichen Betreuung, das chronische Schmerzsyndrom als neuro-psychologisches, psycho-soziales und relationales Phänomen zu identifizieren. Zweitens sollen Begleitfaktoren, wie eine Depression, Angstkrankheit, Somatisation und Katastrophismus erkannt werden. Bei der Behandlung soll von allen 5 Pfeilern Gebrauch gemacht werden. Prioritär gilt es, die Klagen ernst zu nehmen und in ihrer Komplexität zu erfassen, die Symptomatik mit dem Patienten zu erarbeiten und ihn auf die Dauer zu unterstützen. In einem interpersonellen Engagement versuchen, die sozialen und iatrogenen Folgen und Risiken des chronischen Schmerzes zu verringern.

Quelle: SGAIM Herbsttagung, Montreux 20.-21.9.2018

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch

Medidays 2018

Anlässlich der Medidays 2018 in Zürich sprach Prof. Dr. med. Roger Lehmann, Zürich, über die neuesten Entwicklungen in der Therapie des Typ-2- Diabetes mellitus.

Neben der komplexen Pathophysiologie des Typ-2-Diabetes spielen bei der optimalen Therapiewahl folgende Faktoren eine Rolle: Präferenzen des Patienten für eine Darreichungsform, Vermeiden von Gewichtszunahme und / oder Hypoglykämien und aus ärztlicher Sicht Reduktion von Mortalität und mikro- und makrovaskulären Erkrankungen. Weitere Kriterien sind Sicherheit und Nebenwirkungen, Alter des Patienten und Diabetesdauer, Wirksamkeit (HbA1c-Senkung), sowie Kosten und Vergütung durch die Krankenkassen.
Seit Einführung kardiovaskulärer Endpunktstudien zur Beurteilung des kardiovaskulären Risikos neben der Blutzucker senkenden Wirkung, zeigte sich, dass SGLT2-Hemmer (SGLT2i) und die GLP-1 Rezeptoragonisten (GLP-1 RA) das kardiovaskuläre Risiko sogar senken. So war EMPA-REG OUTCOMETM (1) die erste Endpunkt-Studie, die einen signifikanten Nutzen für den SGLT-2i Empagliflozin gezeigt hat. Eine signifikante Senkung der Gesamtmortalität konnte später auch in CANVAS (2) für den SGLT-2i Canagliflozin und in LEADER (3) für den GLP-1 RA Liraglutid erreicht werden.
Das CANVAS Program, zwei grosse kardiovaskuläre Outcome Trials – CANVAS und CANVAS-Renal – zeigte ein erhöhtes Risiko für Amputationen der unteren Extremitäten (2). In einer neueren retrospektiven Studie betrug die Inzidenzrate 1.26 pro 1000 Personenjahre für Canagliflozin, 0.96 für Dapagliflozin und 1.39 für Empagliflozin. Für Behandlungen mit nicht-SGLT2i betrug die Inzidenz 1.87 pro 1000 Personenjahre (4).
Die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie, SGED, empfiehlt als ersten Schritt die Festlegung eines für jeden Patienten individuellen HbA1c-Ziels. Als zweiter Schritt soll die beste individuelle Therapie gewählt werden, wobei neben den eingangs erwähnten Auswahlkriterien die Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen, die relative HbA1c-Senkung und Niereninsuffizienz (eGFR < 45 / < 30 ml / min.) zu berücksichtigen sind.
Anhand von vier klinischen Fragen ist dies einfach möglich:

  • Insulin-Mangel?
  • eGFR < 60 / 45/30 ml / min?
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen?
  • Herzinsuffizienz?Der Referent schloss mit der Feststellung, dass SGLT2i und GLP-1 RA heute die wichtigsten Antidiabetika sind. Sieben grosse kardiovaskuläre Endpunktstudien zeigten Reduktion der Mortalität, 3-Punkte-MACE und Nephroprotektion. Sie unterstützen eine multifaktorielle Therapie mit Gewichtsverlust, Vermeidung von Hypoglykämien und Blutdrucksenkung.
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Literatur:
1. Zinman B et al. Empagliflozin, cardiovascualr outcomes, and mortality in type 2 diabetes N Engl J Med 2015;373:2117-28
2. Neal B et al. Canagliflozin and cardiovascular and renal events in type 2 diabetes. N Engl J Med 2017;377:644-57
3. Marso SP et al. Liraglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016;375:311-22
4. Yuan Z et al. Risk of lower extremity amputations in people with type 2 diabetes mellitus treted with sodium.glucose co—transporter-2 inhibitors in the USA: A retrospective study. Diabetes Obes Metab 2018;20:582-9

Melatonin

Schlafstörungen sind eine sehr häufige klinische Erscheinung und nehmen im Alter zu. Ihre Prävalenz in der westlichen Bevölkerung liegt bei 10–15% (1). Laut Umfragen geht man davon aus, dass jeder zweite bis dritte Mensch über 65 Jahren unter einer subjektiv empfundenen Schlafstörung leidet, was auch das Bundesamt für Statistik (BFS) so bestätigt (2–4). Dass ein „gesunder Schlaf“ die Lebensqualität eines Menschen positiv beeinflusst, scheint allgemein bekannt zu sein. Verschiedene Erkrankungen gehen mit Schlafproblemen einher. Der Fokus in dieser Übersicht ist auf den Einsatz von Melatonin bei Menschen mit Schlafproblemen im Alter gerichtet.

Die Melatoninausschüttung nimmt mit zunehmendem Alter kontinuierlich ab. Bei der Alzheimerdemenz (5) nimmt diese in der Regel überproportional ab verglichen zu einem gesunden gleichaltrigen Kollektiv. Die Melatonin-Homöostase ist zudem verändert beim Diabetes mellitus, bei zerebrovaskulären Insulten, beim Restless-Legs-Syndrom, beim Schlafapnoe Syndrom (6) und unter anderem bei der Multisystematrophie (7). Weiter spielt das Melatonin v.a. beim nächtlichen Delir eine wichtige Rolle (8).
Gelingt es, die Schlafqualität und aus dieser Perspektive die Schlafarchitektur positiv zu beeinflussen, nimmt die Teilhabe beziehungsweise die Lebensqualität der Betroffenen wieder zu.

Physiologie

René Descartes beschrieb die Epiphyse als den «Sessel der Seele» – rund 300 Jahre später, in den 1950er Jahren wurde Melatonin identifiziert, welches durch die Epiphyse ausgeschieden wird (9).
Im Alter verändert sich die Schlafkontinuität durch eine verlängerte Einschlafzeit, einen etwas kürzeren Schlaf und mehr Wachphasen nach Schlafbeginn. Deshalb ist die Schlafeffizienz im Vergleich zu jüngeren Menschen reduziert (10).
Die Biosynthese von Melatonin geht über Tryptophan, Serotonin zu Melatonin. Weiter ist diese Synthese von der Lichtzufuhr abhängig. Bei Dämmerung oder Dunkelheit wird die Melatoninproduktion stimuliert und durch das Licht gehemmt. Seit 1974/75 ist bekannt, dass eine Substitution von Melatonin einen positiven Effekt auf den zirkadianen Rhythmus aufweist (11).
In Bezug auf das Zentralnervensystem ist das Wirkungsspektrum weit: So bildet die Melatonin-Hypothese einen festen Bestandteil der Neuropathogenese des Delirs (8): Durch die verminderte Ausschüttung von Melatonin im Alter, besonders bei der Alzheimerdemenz, steigt das Delir-Risiko an. So stellt gerade bei der Alzheimerdemenz das Begleit-Symptom des Sundownings einen Delir-Risikofaktor während der Nacht dar, welches nachweislich positiv durch eine Melatoninsubstitution beeinflusst werden kann (12). Dabei ist zu beachten, dass beim Symptom des Sundownings auch andere Neurotransmittersysteme beteiligt sind. Darauf wird in diesem Artikel nicht weiter eingegangen. Ob Melatonin auch eine neuroprotektive Wirkung vor allem beim M. Alzheimer aufweist, ist noch unklar: Allerdings lassen erste Grundlagenforschungsresultate aufhorchen, dass die Aggregation von Beta-Amyloid durch Melatonin gehemmt wird. Es gibt erste Hinweise, dass die Bildung von intrazellulärem Tau-Protein durch Hemmung der Phosphorylierung (5, 13, 14) verhindert werden könnte; jedoch fehlen zur Zeit Therapiestudien an grösseren Populationen über eine längere Zeiteinheit. – Dabei hilft die hohe Fettlöslichkeit des Melatonins, in die Zellen eindringen zu können.
Weiter konnte eindrücklich nachgewiesen werden, dass Melatonin ein potenter Radikalfänger gegenüber reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS) ist. Diese Eigenschaft spielt eine wichtige Rolle in Bezug auf den Erhalt der «Dichtigkeit» der Bluthirnschranke (Tight-Junctions) (5, 15).
Bei chronischem Schlafentzug können meist tiefe Melatoninspiegel nachgewiesen werden, woraus eine erhöhte Infektanfälligkeit resultiert. Diese rührt zum einen von der Aktivierung der Stress-Achse (Cortisol-Achse), zum andern vom Einfluss auf die Produktion und Aktivierung der natürlichen Killerzellen und der Zytokine (u.a. IL-2) her. Daraus wurde geschlossen, dass Melatonin auch eine antiinflammatorische Wirkung aufweist.
Melatonin spielt zudem eine wichtige Rolle bezüglich der zirkadianen Homöostase der Insulinsekretion (5, 15).
Melatonin hemmt im Rattenmodel Orexin, was einen günstigen Einfluss auf das Fressverhalten hat (16). Ob dieser Effekt auch bei Menschen auftritt, kann derzeit nicht schlüssig beantwortet werden.$

Neuropsychologie

Die Folgen eines Schlafentzugs unter dem Fokus der neuropsychologischen Veränderungen können wie folgt zusammengefasst werden: Neben Gedächtnisdefiziten fällt eine emotionale Instabilität auf. Dabei sind v.a. die Amygdala und der präfrontale Kortex als wichtige Schaltzentralen zu nennen. Klinisch bemerkbar sind Reaktionen, wie u.a. ein Anstieg des Risikoverhaltens, eine Abnahme des kritischen Denkens, Aufmerksamkeitsdefizite, eine Abnahme der Reaktionszeit und des Recalls (d.h. der Fähigkeit, Sachverhalte aus der Erinnerung abzurufen).
Mit steigendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit der Störanfälligkeit des Schlafs zu, weil die Adaptationsfähigkeit an veränderte Schlafzeiten verglichen zu jüngeren Menschen abnimmt. Anders ausgedrückt, nimmt das Vulnerabilitätsrisiko zu, was wiederum die kognitive Leistungsfähigkeit bei Schlafstörungen negativ beeinflussen kann. Handelt es sich um einen chronischen Zustand, können psychiatrische Begleiterkrankungen, wie eine Depression auftreten (10). In diesem Kontext besteht auch eine positive Korrelation mit Fatigue und Angst. Als somatische Begleiterkrankungen können daraus Bluthochdruck, verändertes Schmerzempfinden, u.a. resultieren (17, 18).

Anwendungsbereich/Indikation

Die Indikationsstellung einer Substitutionstherapie erfolgt meist empirisch. Das derzeit einzige in der Schweiz erhältliche retardierte Melatonin-Präparat, Circadin (Retardtablette: entscheidend wegen der längeren Halbwertszeit. Galenik: Lactose-Monohydrat) ist ab 55 Jahren für die kurzzeitige Behandlung der primären Insomnie gemäss Swissmedic zugelassen (19). Die British Association for Psychopharmocology empfiehlt Melatonin als Erst-Linien-Therapie bei über 55-Jährigen bei Insomnie, Parasomnie und zirkadianen Schlafrhythmusstörungen (20). Die möglichen Einsatzfelder einer Melatoninsubstitution im Alter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Menschen mit Alzheimerdemenz in Kombination mit einem Sundowning Syndrom können von einer Substitution mittels retardiertem Melatonin profitieren, was sich auch mit der klinischen Erfahrung deckt (ab 2011). Basierend auf der Delir-Melatonin-Hypothese wird es differenzierte Studien benötigen: Ziel sollte sein, wer von einer Substitution profitiert und wer nicht. Dabei wäre der Fokus auf die Art der nächtlichen Delirien (hyperaktiv, hypoaktiv, gemischt) in Funktion der Ursachen der Delirien zu richten (8, 14, 21). – Zudem gibt es Studien, welche keinen Effekt von einer Melatonin Substitution nachweisen konnten, wobei die oben erwähnte Differenzierung nur bedingt untersucht wurde und teilweise auch kein retardiertes Präparat verwendet wurde, was wichtig wäre, wegen der sehr kurzen Halbwertszeit von Melatonin. Weiter stellt sich die Frage der Therapiedauer (22, 23).
Weiter gibt es Hinweise, dass Melatonin eine wichtige Rolle beim Diabetes mellitus spielt, im Rahmen des chronobiologischen Rhythmus der Insulinsekretion (24). Zurzeit kann diesbezüglich keine Therapieempfehlung abgegeben werden.
Es gibt Onkologen, welche Melatonin mehr als Chronobiotikum z. B. beim Mamma-CA einsetzten. Dabei soll sich v.a. die Lebensqualität verbessern (25). In wie weit die Funktion als Radikalfänger in dieser Konstellation erwünscht ist, bleibt offen.
Grundsätzlich stellt die Gabe von retardiertem Melatonin in der Tat eine Alternative zu den gängigen Schlafmitteln dar, mit dem grossen Unterschied, dass bis jetzt keine negativen Effekte wie Abhängigkeit, Toleranz, Rebound der Schlaflosigkeit nach Absetzen der Therapie und keine psychomotorische Funktionsstörungen, Abrufschwierigkeiten des Gedächtnisses, Fahreignungsdefizite oder Schwindel festgestellt werden konnten. Der fehlende amnestische Effekt verglichen zu anderen häufig eingesetzten Substanzklassen (z.B. Hypnotika) könnte sich auch in einer niedrigeren nächtlichen Sturzinzidenz auswirken (19, 26). Störungen der endogenen Melatoninsekretion unter Substitution und nach Absetzen der Therapie konnten in Urinkontrolluntersuchungen bis jetzt nicht nachgewiesen werden; auch nicht nach längerer Einnahme (bis 12 Monate). Es scheint, dass der positive Effekt auf die Schlafqualität sogar noch eine gewisse Zeit nachwirkt (5, 27). Zum Einsatz von Melatonin bei älteren Patienten gibt es immer mehr Daten (v.a. bei Insomnie), die darauf hinweisen, dass eine längere Verschreibung von bis zu 6 Monaten bei gutem Ansprechen nicht nachteilig ist (19); dies vor allem in Zusammenhang mit einer Alzheimererkrankung (15). Die Swissmedic empfiehlt eine Anwendung von 3 Wochen bis zu 3 Monaten in begründeten Einzelfällen.
Erfahrungsgemäss werden niedrige Dosierungen z.B. von Circadin 2 mg ret. sehr gut toleriert. Eine niedrige Substitutionsdosis entspricht ganz der geriatrischen Verschreibungspraxis.
Um die Melatoninausschüttung laborchemisch zu untersuchen, existieren 3 Analysemöglichkeiten. Dabei handelt es sich nicht um Routineuntersuchungen:
Um den Melatonin-Peak zu ermitteln, müsste ein Serumnachweis nach Mitternacht stattfinden (Serum einfrieren). Durch die Analyse des Erstmorgenurins kann beurteilt werden, ob zentral Melatonin überhaupt ausgeschüttet wird oder nicht. Stellt sich die Frage, wie ein Melatoninprofil aussieht, können Speichelproben (23 h, 2 h, 4–5 h) untersucht werden.

Dr. med. Dominik Marti

Psychiatrische Dienste Aargau AG
Klinik Königsfelden
5201 Brugg

dominik.marti@pdag.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. Neurim Pharmaceuticals hat auf Anfrage die Zulassungsstudien zur Verfügung gestellt.

  • Die Schlafqualität nimmt mit zunehmendem Alter ab und das Vulne­rabilitätsrisiko zu bei schlechterer Adaptationsfähigkeit an veränderte Schlafzeiten.
  • Die Substitutionstherapie bei Insomnie im Alter hat grosse Vorteile v.a. gegenüber den Hypnotika, was das Nebenwirkungsprofil anbelangt.
  • Beim Vorliegen einer Insomnie bei Alzheimerdemenz mit Sundowning kann die Schlafqualität durch eine Substitution positiv beeinflusst werden.
  • Ausblick: Ob sich eine neuroprotektive Wirkung unter Melatoninsub­stitution bei der Alzheimerdemenz herauskristallisiert, müsste mittels Therapiestudien über einen längeren Zeitraum ergründet werden.

Literatur:
1. Roth T. et al.: Prevalence and perceived health associated with insomnia based on DSM-IV-TR. Biol. Psychiatry 2011; 69: 592-600
2. Foley DJ et al.: Sleep complaints among elderly persons: an epidemiologic study of three communities. Sleep. 1995; 18: 425-32
3. Delini-Stula A. et al.: Sleep behavior in the Swiss population; Prevalence and the day-time consequences of insomnia. Somnologie: 2007; 11: 193-201
4. Bundesamt für Statistik: Schweizerische Gesundheitsbefragung 2012, Schlafstörungen in der Bevölkerung https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/erhebungen/sgb.assetdetail.350820.html
5. Shukla M. et al.: Mechanisms of Melatonin in Alleviating Alzheimer’s Disease; Current Neuropharmacology; 2017; 15: 1010-1031
6. Winklman J.: Insomnia Disorders; NEJM 2015: 1437-1444
7. Longo D. et al.: Multiple-System Atrophy; NEJM 2015: 249-263
8. Maldonado J.R.: Neuropathologie of Delirium: Review of Current Etiologic Theories and Common Pathways; Am J Geriatric Psychiatry 21: 12, December 2013 : 1190-1222
9. Lerner A.B. et al.: Isolation of melatonin, the pineal gland factor that lightens melanocytes; J Am Chem Soc; 1958: 80: 2587
10. Feinsilver S.H.: Sleep in the elderly. What is normal?; Clin. Geriatr Med.; 2003: 19 (1): 177-188
11. Epstein F. H. Melatonin in Humans; Mechanisms of Disease Review Article; NEJM 1997 Jan. 17.: 186-195
12. De Jonghe A. et al.: Effectiveness of melatonin treatment on circadian rhythm disturbances in Dementia. Are there implications for delirium? A systematic review; Int. J. Geriatr Psychiatry; 2010: 1201-1208
13. Ionov M. et al.: Mechanism of neuroprotection of melatonin against beta-amyloid neurotoxicity: Neuroscience 2011: 180, 229-237
14. Li Lin et al. : Melatonin in Alzheimer’s Disease; Int. J. Mol. Sci 2013: 14, 14575-14593
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