In der Schweiz nimmt die Zahl der DKG-zertifizierten Organ-/ Tumorzentren stetig zu. Insgesamt gibt es in der Schweiz derzeit 146 zertifizierte Zentren.
Um den länderspezifischen Unterschieden in der Krebsversorgung gerecht zu werden, passt die Arbeitsgemeinschaft Schweizer Krebszentren (AGSKZ) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Zertifizierungslandschaft Onkologie Schweiz (AGZOS) von Oncosuisse die Zertifizierungskriterien mit der jährlich neu überarbeiteten Äquivalenztabelle spezifisch an das Schweizer System an.
Die Äquivalenztabelle ist ein wichtiges Instrument für die Gutachter bei den Audits der DKG-zertifizierten Schweizer Zentren. Oncosuisse stellt sicher, dass alle Mitglieder der AGZOS ihre Haltung einbringen, bzw. die für sie wichtigen Schweizer Äquivalenzen in der Tabelle verankern können.
Die überarbeitete Äquivalenztabelle kann man einerseits auf der Homepage der DKG (Deutsche Krebsgesellschaft) und andererseits auf der Homepage von Oncosuisse (siehe QR-Code) einsehen.
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info@oncosuisse.ch
M Sc Dominique Froidevaux
Geschäftsführer Oncosuisse
Prof. Dr. med. Roger von Moos
Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur
Wenn jemand im Familien- oder Freundeskreis an Krebs erkrankt, dann verändert dies meist auch das Leben der Angehörigen grundlegend. Angehörige sind als Mitbetreuende wichtige Bezugspersonen für die erkrankte Person und eine zentrale Stütze im onkologischen Versorgungssystem. Als Mitbetroffene haben sie eigene Ängste, Fragen und Sorgen und somit oft selbst Unterstützungsbedarf. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Herausforderungen von Angehörigen im Krankheitsverlauf und wie wir sie unterstützen können.
Wer sind «die Angehörigen»?
Pflegefachpersonen haben in der Onkologie eine Schlüsselposition im interprofessionellen Betreuungsteam und sind als direkte Ansprechpersonen für die Angehörigen überaus wertvoll. Dabei sind DIE Angehörigen keine homogene Gruppe, sondern individuell so verschieden, wie wir Menschen eben sind, mit unseren unterschiedlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten.
Als Angehörige werden im pflegewissenschaftlichen Verständnis nicht nur die Familienmitglieder im engeren Sinne betrachtet, sondern auch die sogenannten Wahlverwandten. Dies sind zum Beispiel Freund/-innen oder Nachbar/-innen, die eine kranke Person regelmässig und verantwortungsvoll unterstützen, betreuen und/oder pflegen.
Die vielgestaltige Gruppe der Angehörigen kann durch weitere Merkmale unterschieden werden, beispielsweise nach:
• der Generationenbeziehung und Verbindung zur pflegebedürftigen Person (z. B. Partner/-in, Eltern oder Kinder / junge Menschen mit Pflegeverantwortung),
• dem Ausüben einer Berufstätigkeit und ihrer Vereinbarkeit mit Sorgeaufgaben
• oder der räumlichen Distanz zur erkrankten Person.
Bei Krebserkrankungen kann die Übernahme der Angehörigenrolle plötzlich erforderlich werden oder auch eher schleichend beginnen. Zudem kann sich die Angehörigenrolle im Zeitverlauf verändern. Daher hat das Netzwerk EUROCARERS ein Modell («The Stages of Caregiving») entwickelt, das sechs Phasen mit unterschiedlichen Anforderungen umfasst, jeweils Fragen zur Selbstreflexion bietet und praktische Tipps für Betroffene (https://eurocarers.org/the-stages-of-caregiving/).
Angehörige übernehmen in unterschiedlichem Ausmass Verantwortung für Menschen mit Krebs und verschiedene, oft sehr umfassende Unterstützungsaufgaben. Dabei sind sie meistens fachfremd, haben also keine ausgewiesenen Qualifikationen in der Pflege und Gesundheitsversorgung. Im Rahmen ihrer Sorgetätigkeit können sie sich jedoch mit entsprechender Anleitung und Beratung durch Fachpersonen Expertise aus Erfahrung erarbeiten, um die pflegebedürftige Person z. B. bei der Mobilisation oder der Stomaversorgung angemessen zu unterstützen.
Im Vergleich dazu bewegen sich Personen mit einem Gesundheitsberuf in einem besonderen Spannungsfeld, wenn sie Angehörige pflegen: Denn einerseits besitzen sie aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung Fachwissen, fachspezifische Kompetenzen und Erfahrung im Versorgungssystem. Andererseits sind sie als Angehörige in ihrem Privatleben genauso persönlich betroffen wie die fachfremden Angehörigen auch. Wie Pflegefachpersonen ihre Doppelrolle erleben, wurde unlängst untersucht (Jähnke 2023).
Zur Rolle von Angehörigen im Krankheitsverlauf
Angehörige unterstützen ihre Nächsten entlang des gesamten Krankheitsverlaufs und in allen Versorgungssettings, massgeblich zuhause, aber auch bei ambulanten oder stationären Behandlungen.
Die Krankheitsverlaufskurve nach Corbin & Strauss (1998) beschreibt acht Phasen, die chronisch Kranke von der Zeit vor dem Krankheitsbeginn bis zum Lebensende durchlaufen (Abb. 1). Jede Phase im Krankheitsverlauf stellt Angehörige vor unterschiedliche Aufgaben. Sie müssen im Krankheitsverlauf ihrer Nächsten ihre Unterstützung immer wieder anpassen und aufs Neue auf veränderte Anforderungen ausrichten.
Fachkundige Angehörige als Mitbetreuende im Krankheitsverlauf
Pflegefachpersonen als Angehörige sind insbesondere im Diagnoseprozess, bei auftretenden Krisen sowie am Lebensende gefragt, wie die folgenden Beispiele zeigen (alle Namen sind Pseudonyme):
… im Diagnoseprozess:
Maria Borges Held, eine Pflegefachfrau mit langjähriger Berufserfahrung in der Onkologie, wurde stutzig, als sie die Laborergebnisse ihres Vaters anschaute: Sie bemerkte einen deutlich erniedrigten Hb-Wert und drängte den Hausarzt, dies abzuklären. Bei der Gastroskopie wurde ein Magenkarzinom im Frühstadium diagnostiziert. Der Vater wurde umgehend operiert. Heute ist er gesund. Das Beispiel zeigt, wie fachkundige Angehörige ihr Fachwissen gezielt nutzen, um die Ursache eines Problems zu ergründen und ggf. Massnahmen zu beschleunigen.
… bei Krisen:
Die Mutter von Tina Aldinger hatte einen rasch progredienten Hirntumor, bei welchem es zu Hause akut zur Verschlechterung mit starken Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen kam. Kernfrage in Krisen ist: Was ist zu tun? Tina war in einem Dilemma: Sie sollte zur richtigen Entscheidung beitragen, war aber selbst unsicher, was das Richtige in dieser Situation ist. Also nutzte sie ihre beruflichen Kontakte, um die weitere Vorgehensweise zu klären und die Palliativversorgung der Mutter in die Wege zu leiten. Die Mutter starb einige Tage später bei guter Symptomkontrolle im Kreis ihrer Familie. Das Beispiel zeigt, wie fachkundige Angehörige ihre Systemkenntnisse und ihr berufliches Netzwerk gezielt nutzen, um akute Krisen zu bewältigen.
… am Lebensende:
Ralf Mögle, erfahrener Pflegefachmann in der Onkologie, begleitete seine Mutter mit einem metastasierten Kolonkarzinom am Lebensende. Er sprach offen mit ihr über den bevorstehenden Tod, über ihre Wünsche und Anliegen. Gemeinsam planten sie ihre Beerdigung. Die Mutter war sehr dankbar für diese Klarheit, doch der Rest der Familie konnte nur schwer damit umgehen. Sie warfen ihm vor, dass er damit der Mutter allen Lebensmut nehmen würde.
Das Beispiel zeigt, wie fachkundige Angehörige ihre Kompetenzen einsetzen, um für die Nächsten ein gutes Sterben zu ermöglichen, doch gleichzeitig eine Sonderrolle innerhalb des Familiensystems einnehmen.
Fachkundige Angehörige als Mitbetroffene im Krankheitsverlauf
Angehörige sind zentrale Bezugspersonen von Krebskranken. Sie haben als Mitbetroffene eigene Bedürfnisse, Belastungen und Grenzen.
Die befragten Pflegefachpersonen als Angehörige schilderten zahlreiche Herausforderungen in ihrer Doppelrolle, wie z. B.:
… die berufliche und private Pflege zu vereinbaren:
Die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Angehörigenpflege ist oft ein Balanceakt, der gekennzeichnet ist von Zeitdruck, Terminkonflikten und Sorgen. Dies gilt auch für die Pflegeberufe, wurde jedoch am jeweiligen Arbeitsort bei Vorgesetzten nur selten angesprochen. Im Zuge des Fachkräftemangels erkennen Gesundheitsbetriebe zunehmend die Notwendigkeit, nicht nur für Eltern mit (kleinen) Kindern gute Vereinbarkeitsbedingungen zu schaffen, sondern auch für Mitarbeitende, die für nahestehende Personen sorgen. Auf dem Weg zu mehr «Vereinbarkeitskompetenz» (Bischofberger 2023) sind sowohl Mitarbeitende als auch Betriebe gefordert, Vereinbarkeitsherausforderungen zu thematisieren sowie gemeinsam, situativ und systematisch Lösungsansätze zu entwickeln. Dies umfasst auch Sorgeaufgaben für entfernt lebende Personen.
… aus räumlicher Distanz für Nahestehende zu sorgen («Distance Caregiving»):
Im Unterschied zur Pflege von Partner/-innen oder Kindern leben bei den meisten intergenerationellen Pflegebeziehungen die pflegenden Angehörigen in räumlicher Distanz zur pflegebedürftigen Person. Bei den befragten Pflegefachpersonen als Angehörige betraf dies die Elterngeneration. Deren geographische Entfernung reichte von wenigen bis zu mehreren tausend Kilometern. Um trotzdem aus der Ferne zu unterstützen, setzten die fachkundigen Angehörigen eine Vielzahl technischer Kommunikationsmittel, Rituale und Routinen sowie gezielt Personen vor Ort ein. Gleichwohl war zeitweise ihre Anwesenheit vor Ort erforderlich. Bei akuten Notfällen oder Krisen hatte dies oftmals erheblichen Stress zur Folge. Doch prompte Unterstützung und Kompensation des Ausfalls am Arbeitsort wurden als überaus hilfreich erlebt.
… bei (Pflege-)Fachpersonen Gehör zu finden:
Pflegefachpersonen als pflegende Angehörige waren meist die Informationszentrale innerhalb der Familie, so wie z.B. Petra Rückert: «Wenn irgendwas war, dann war für alle ganz klar: Ich bin die Ansprechpartnerin – aufgrund meines gesundheitlichen Backgrounds.» (201121_AJ_DBE5: 4)
Selbst aus räumlicher Distanz übersetzten sie Gesundheitsinformationen, steuerten den Versorgungsprozess massgeblich mit, sorgten für möglichst kontinuierliche Informationsweitergabe und hielten für ihre pflegebedürftigen Nächsten die Fäden auch über verschiedene Institutionen hinweg zusammen. Und sie dienten häufig als Sprachrohr für die erkrankte Person. Dabei erlebten sie als Angehörige die Zusammenarbeit mit den Fachpersonen oft als sehr positiv, vor allem wenn sie auf Augenhöhe stattfand. Doch ihre fachliche Expertise und die beruflichen Erfahrungen im Pflegealltag machten sie auch wachsam für mögliche Fehler, wie z. B. die falsche Verabreichung von Medikamenten. Also prüften sie nach und entdeckten dabei so manche Unstimmigkeit. Wenn sie dies dann vor Ort bei Fachpersonen ansprachen, fanden sie nicht immer Gehör, sondern wurden z.T. nicht ernstgenommen, ignoriert und ausgegrenzt. Dabei ist das gelingende Miteinander, die Abstimmung und Zusammenarbeit von Fachpersonen und Angehörigen jederzeit und in allen Settings für die Qualität der Versorgung wesentlich. Eine umfassende Möglichkeit, um gezielt mit Angehörigen über ihre Unterstützungsbedürfnisse ins Gespräch zu kommen, ist das Carer Support Needs Assessment Tool CSNAT (https://csnat.org).
Fazit
Wir sollten Angehörigen als Mitbeteiligte gut zuhören und – wo nötig – ihre Anliegen proaktiv vertreten, denn von ihren Herausforderungen und aus ihren Erfahrungen können wir viel für eine qualitativ hochwertige Onkologiepflege lernen. Gleichzeitig ist es wichtig, auch fachkundige Angehörige als Mitbetroffene wahrzunehmen und ihre Unterstützungsbedürfnisse gezielt zu erfassen. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb wertvoll, denn: Angehörige sind wir alle.
Anke Jähnke, Dr. rer. cur., Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin, Pflegeexpertin APN Onkologie / Hämatologie am Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart, Projektleiterin Verein rethinking care Aarau. Iren Bischofberger, PD Dr. phil., Pflege- und Gesundheitswissenschafterin, Senior Researcher ETH Zürich, klinische Pflegewissenschafterin Kantonsspital Aarau, Verwaltungsrätin solicare AG und Universitätsspital Basel.
Kontakt
aj@rethinking.care
Zum Weiterlesen
Bischofberger, I. (2023). work & care – Der Weg zur Vereinbarkeitskompetenz: Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege kompetent vereinbaren. Bern: Hogrefe
Jähnke, A. (2023). Pflegefachpersonen als pflegende Angehörige. Eine qualitative Studie zum Erleben der Doppelrolle. Wiesbaden: Springer VS. Online unter https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-40973-9
Jähnke, A., Stäudle, J. (2016). Beitrag der Pflege bei der Unterstützung von Angehörigen. Onkologe 22, 638-644. https://doi.org/10.1007/s00761-016-0047-z
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Die Adipositas-Epidemie hat zu einem erhöhten Vorkommen der Obesity-related oder Adipositas-bedingten Glomerulopathie (ORG) geführt. Diese eigenständige Erkrankung wird durch Proteinurie, Glomerulomegalie, fortschreitende Glomerulosklerose sowie einen Rückgang der Nierenfunktion gekennzeichnet. Bei Personen mit Adipositas bestehen gehäuft arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus, wodurch die renale Schädigung augmentiert wird. Die Pathogenese umfasst eine Überaktivierung des RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System), eine glomeruläre Hyperfiltration, Entzündungsreaktionen mit oxidativem Stress, Hyperinsulinämie-bedingte hämodynamische Änderungen sowie Lipotoxizität. Zusätzlich ist Adipositas ein relevanter Risikofaktor für Nierensteinbildung und kann dadurch zusätzlich zu einer Nierenschädigung beitragen. Das Management der adipositasinduzierten Nephropathie umfasst insbesondere Gewichtsreduktionsstrategien sowie eine optimierte Kontrolle von Blutdruck und Stoffwechselfaktoren. Früherkennung ist dabei entscheidend, um dem Fortschreiten der Nierenschädigung entgegenzuwirken. Letztlich ist erwähnenswert, dass Adipositas die Durchführung von Nierenersatzverfahren bis hin zur Nierentransplantation erheblich erschwert und die Komplikationsrate erhöht. In Summe gibt es somit viele Gründe, warum auch in der Nephrologie ein besonderes Augenmerk auf das Thema Adipositas gelegt werden sollte.
The obesity epidemic has led to an increased prevalence of obesity-related glomerulopathy (ORG). This disease is characterized by proteinuria, glomerulomegaly, progressive glomerulosclerosis and a decline in renal function. Individuals with obesity frequently display arterial hypertension and diabetes mellitus, exacerbating renal damage. The pathogenesis involves overactivation of the RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosterone System), glomerular hyperfiltration, an inflammatory state with oxidative stress, hyperinsulinemia-induced hemodynamic alterations and lipotoxicity. Additionally, obesity represents a significant risk factor for kidney stone formation, further contributing to renal damage. The management of obesity-induced nephropathy primarily involves weight reduction strategies and optimized control of blood pressure and metabolic factors. Early detection is crucial to counteract the progression of kidney disease. Noteworthy, obesity significantly complicates the implementation of renal replacement procedures, including kidney transplantation, and increases the rate of complications. In summary, there are many reasons why obesity should gain attention in the field of nephrology. Keywords: Adipositas-assoziierte Nierenschäden, Glomerulopathien, Hyperfiltration, Lipotoxizität, Nierentransplantation
Schädigungen der Nieren durch Adipositas
Adipositas ist mit verschiedenen Erkrankungen der Nieren wie Glomerulopathien und Nephrolithiasis sowie auch einer schlechteren Nierentransplantat-Überlebensrate verbunden (1). Zudem konstituiert sich das metabolische Syndrom, dessen Haupttreiber die Adipositas darstellt, aus klassischen Risikofaktoren für chronische Nierenerkrankungen (CKD) und damit auch verbundenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vermehrt zirkulierende proinflammatorische Zytokine, ein Hauptmerkmal sowohl der CKD als auch der Adipositas, tragen zu Glomerulosklerose und tubulointerstitieller Atrophie bei. Zusätzlich bildet das vermehrte, insbesondere viszerale Fettgewebe entzündungsfördernde humorale Faktoren wie Angiotensin II und Leptin. Der Anstieg der Fettmasse mit der damit meist verbundenen Fettzellhypertrophie verändert die Bildung und Freisetzung dieser humoralen Faktoren, was sich negativ auf Podozyten, mesangiale Zellen und Tubuluszellen auswirkt (2). Hohe Leptinspiegel und niedrige Adiponektinspiegel, wie sie bei der Adipositaskrankheit oft zu finden sind, können eine proinflammatorische Immunantwort begünstigen, welche auch im Kontext der Organabstossung bei nierentransplantierten Patienten relevant ist (1, 3).
Bei Adipositas kommen vorwiegend zwei Arten von Glomerulopathien gehäuft vor: erstens die fokal segmentale Glomerulosklerose (FSGS), welche durch ein segmentales Remodelling des Glomerulus durch extrazelluläre Matrix und/oder Hyalin definiert ist und damit zur Kapillarobliteration führt. Zweitens die Obesity-related Glomerulopathie (ORG) mit segmentaler, oft perihilärer Sklerose der typischerweise hypertrophierten Glomeruli. Der Prozentsatz der betroffenen Glomeruli ist bei ORG niedriger als bei der primären FSGS, was darauf hindeutet, dass die ORG eine mildere, weniger aggressive Form der FSGS darstellt. In tierexperimentellen Modellen der ORG, wie beispielsweise Fischerratten unter Ad-libitum-Diät, steigt das Volumen des Glomerulus exponentiell mit dem Körpergewicht an. Das Zellvolumen der Podozyten nimmt ebenfalls im Verhältnis zur Gewichtszunahme zu, was auf eine adaptive Hypertrophie der Podozyten hindeutet. Dies jedoch in geringerem Masse als die Zunahme des Glomerulusvolumens, was zu einer Volumendiskrepanz zwischen diesen beiden histologischen Organstrukturen führt. Da Podozyten sich nicht vermehren können und ihre Fähigkeit zur Hypertrophie begrenzt ist, erreicht die mechanische Belastung dieser Zellen durch Dehnungsspannung und Scherstress, wenn das Glomerulusvolumen zunimmt, einen Grenzwert (4). Daraus resultierend entsteht eine Albuminurie, welche sich klinisch einfach nachweisen lässt. Die mechanische Unterstützung der glomerulären Kapillaren ist dadurch reduziert. Bei extremer Vergrösserung der Glomeruli kann auch der Durchmesser der glomerulären Kapillaren zunehmen. Gemäss dem Laplace-Gesetz kann dann die Wandspannung der glomerulären Kapillaren ansteigen, was zu einem Barotrauma und damit schliesslich zur Destruktion und Sklerosierung des Glomerulus führt (2, 5).
Hauptmechanismen der Nierenschädigung bei Adipositas
Adipositas fordert über eine ganze Reihe von verschiedenen Pathomechamismen eine Nierenschädigung, welche sich wie folgt differenzieren lassen (Abb. 1):
Aktivierung des Renin-Angiotesin-Aldosteron- Systems (RAAS)
Adipositas triggert eine Überaktivierung des RAAS. Dies führt zu hämodynamischen Veränderungen und Hyperfiltration und spielt dadurch eine wichtige Rolle in der Pathogenese und Aufrechterhaltung von ORG. Die erhöhte RAAS-Aktivität bei Adipositas wird auf verschiedene Faktoren zurückgeführt: (a) mechanische hämodynamische Veränderungen, die aus einer Kompression des Nierenhilus und des Nierenparenchyms durch viszerales Fett resultieren; (b) ein generell erhöhter intraabdominaler Druck; (c) eine erhöhte Synthese und Freisetzung verschiedener Komponenten des RAAS durch viszerales Fett und (d) eine neurohormonale Stimulation des sympathischen Nervensystems, unter anderem bedingt durch eine Adipositas-assoziierte Hyperleptinämie und Hyperinsulinämie. Angiotensin II und Aldosteron als wesentliche Wirkkomponenten des RAAS regulieren den Vasomotorentonus mit einer überwiegend vasokonstriktiven Wirkung, insbesondere auf die abführende Arteriole, was den hydrostatischen glomerulären Druck und die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) erhöht (6).
Glomeruläre Hyperfiltration
Glomeruläre Hyperfiltration ist der zentrale Mechanismus der Nierenschädigung bei der ORG. Adipositas ist mit einer Vasodilatation der zuführenden Arteriole verbunden, was in einem erhöhten renalen Plasmafluss, einer erhöhten glomerulären Filtrationsrate (GFR) sowie Filtrationsfraktion resultiert. Der erhöhte intraglomeruläre Druck verursacht Schäden an der glomerulären Filtrationsbarriere, was zu Glomerulomegalie, Podozytenhypertrophie und Apoptose führt. Gemäss der tubulozentrischen Hypothese könnte die Adipositas-bedingte Hyperfiltration auch tubulären Ursprungs sein (6, 7). So fördert Adipositas die Natrium- und Wasserreabsorption im proximalen Tubulus, was zu verminderter Natriumzufuhr zur Macula densa und damit Deaktivierung des tubuloglomerulären Feedbacks führt (8). Die erhöhte Natriumreabsorption durch eine verstärkte Aktivierung des distalen tubulären epithelialen Natriumkanals (ENac) resultiert auch aus der Überproduktion von Angiotensin II, was das tubuloglomeruläre Feedback-System weniger ansprechbar macht. Diese Mechanismen können insgesamt zu einer verringerten präglomerulären Gefässresistenz und folglich zu einer Vasodilatation der glomerulären zuführenden Arteriole führen, was wiederum die GFR erhöht (6).
Entzündung und oxidativer Stress
Adipositas ist mit erhöhten zirkulierenden Spiegeln proinflammatorischer Adipokine wie Leptin, Resistin oder Fetuin-A sowie auch reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) verbunden (6, 9, 10). Insbesondere das viszerale Fettgewebe ist ein hochaktives endokrines Organ. Es produziert und setzt viele verschiedene Zytokine und Hormone frei, welche systemische Effekte ausüben. Einige dieser Hormone (Adipokine) sowie auch «kidney signaling molecules» spielen eine wesentliche Rolle in der Pathogenese der ORG.
Insulinresistenz und Hyperinsulinämie
Insulinresistenz und kompensatorische Hyperinsulinämie haben einen grossen Einfluss auf die Hämodynamik und fördern zudem chronische Entzündungsprozesse bei der ORG. Erhöhte Insulinspiegel fördern präglomeruläre Vasodilatation und glomeruläre Hypertonie (10). Insulin beeinflusst zudem die Funktion, Morphologie und das Überleben von Podozyten. Insulinresistenz wurde mit dem Einsetzen einer Albuminurie sowie dem Rückgang der Nierenfunktion bei Personen mit Adipositas auch ohne Diabetes mellitus in Verbindung gebracht. Zudem fördert eine Insulinresistenz Podozytenapoptose und Hypertrophie der verbleibenden Podozyten, was in eine Glomerulosklerose mündet (6, 11).
Lipotoxizität
Eine erhöhte Fettakkumulation in den perirenalen und pararenalen Räumen bei Adipositas kann die Nierenfunktion direkt beeinträchtigen. Freie Fettsäuren (FFAs) und Adipokine, die vom perirenalen Fett freigesetzt werden, erreichen die Nierenrinde und verstärken den intrarenalen Schaden zusätzlich durch parakrine Lipotoxizität. Die ektopische Ansammlung von Fett in perirenalen und pararenalen Räumen komprimiert auch physikalisch die Nierengefässe und das Parenchym, erhöht den renalen interstitiellen hydrostatischen Druck und verringert dadurch den tubulären Blutfluss. Darüber hinaus könnte eine erhöhte De-novo-Lipogenese in der Niere ein wichtiger Treiber für die renale Lipotoxizität bei ORG sein (6, 12).
Untersuchung der Nierengesundheit bei Adipositas
Die häufigste klinische Manifestation der Adipositas-assoziierten Glomerulopathie ist der Nachweis von Proteinurie bei normalem Harnsediment.
Die korrekte Einschätzung der Nierenfunktion bei Patienten mit Adipositas ist eine Herausforderung. Sie ist nicht nur für die Stadieneinteilung der CKD und die Überwachung des Krankheitsverlaufs essenziell, sondern auch für die Anpassung der Dosierung von verschiedenen Medikamenten. Die CKD-EPI-Gleichung bietet eine gute Vorhersage der abgeschätzten (estimated) glomerulären Filtrationsrate (eGFR) für eine eGFR < 60 ml/min/1.73 m² bei Personen mit einem BMI < 40 kg/m² (12). Die Anpassung der eGFR/gemessenen GFR an die Körperoberfläche führt jedoch zu einem relevanten Fehler und impliziert eine signifikante Unterschätzung der Nierenfunktion bei Personen mit Übergewicht und Adipositas (12). Zudem sollte beachtet werden, dass auch die Messung der Kreatinin-Clearance zur Schätzung der GFR fehleranfällig sein kann, da die tubuläre Sekretion von Kreatinin bei Personen mit normaler GFR etwa 10 % bis 20 % des Urinkreatinins ausmacht. Dieser Prozentsatz steigt mit abnehmender GFR progressiv an, was zu einer erheblichen Überschätzung der GFR führt, insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener CKD (12). Daher haben einige Autoren die Verwendung einer Goldstandardmethode (z. B. Inulin- oder Iohexol-Plasmaclearance oder die transdermale Messung der glomerulären Filtrationsrate unter Verwendung von Clearance fluoreszierender Tracer) bei Personen mit Adipositas empfohlen, obwohl diese Techniken aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit und der geringen Praktikabilität im täglichen klinischen Routinebetrieb nicht weitverbreitet sind (13, 14).
Obwohl die Bestimmung von Albuminurie/Proteinurie weit verbreitet für die nicht invasive Beurteilung von Nierenerkrankungen eingesetzt wird, ist sie nicht immer ein früher Marker für Nierenschäden. Tatsächlich können bereits strukturelle Nierenveränderungen vorhanden sein, bevor eine Nierenfunktionsstörung durch eine Albuminurie/Proteinurie nachweisbar ist. So wurden in einer Studie bei Personen mit ausgeprägter Adipositas, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen, für die Adipositas-assoziierte Glomerulopathie typische histologische Veränderungen nachgewiesen, obgleich Nierenfunktion unbeeinträchtigt war und keine Albuminurie vorlag (15).
Neue Marker zur Detektion einer Nierenschädigung
Vor dem oben genannten Hintergrund wird nach verschiedenen neuen Markern gesucht, um die Nierenschädigung im Frühstadium erkennen zu können. Darunter existieren molekulare und bildgebende Methoden.
Biomarker der subklinischen Nierenschädigung
Unter den Biomarkern, welche auch eine Bedeutung bei der ORG haben, sind die vielversprechendsten das im Blut gemessene kidney injury molecule‐1 (KIM‐1) sowie die im Urin gemessenen Marker Cystatin C, N-Acetyl-Beta-D-Glucosaminidase (NAG) und Neutrophile Gelatinase-Assoziierte Lipocalin (NGAL) (16). Einige dieser tubulären Marker können zur frühzeitigen Detektion der diabetischen Nephropathie bei Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) eingesetzt werden und können die Gefahr eines beschleunigten Rückgangs der GFR anzeigen. Weitere molekulare Marker eines Tubulusschadens sind GluAp (Glutamyl aminopeptidase), AlaAp, Klotho, OPN (Osteopontin), Netrin‐151 sowie für glomeruläre Podozytenschäden PCX (Podocalyxin), Podocin, Nephrin und die Podoctin:Nephrin-Ratio (16). Es bleibt abzuwarten, ob einige dieser Biomarker in Zukunft in die Routinediagnostik zur frühzeitigen Detektion von Nierenerkrankungen Einzug halten werden.
Perirenales Fettgewebe als unabhängiger Risikofaktor für CKD
Wie bereits dargelegt, hat die ektopische Lipidakkumulation in Form von perirenalem Fett eine besondere, pathogenetisch relevante Bedeutung für Nierenschäden bei Patienten mit Adipositas-assoziierter Glomerulopathie (ORG). Die Darstellung und Quantifizierung dieses Fetts durch bildgebende Verfahren wie Ultraschall, CT oder MRI haben daher das Potenzial, als neue Risikomarker in die klinische Praxis Einzug zu halten. Die Messung der para- und perirenalen Fettdicke (PUFT) stellt zudem ein nützliches Instrument zur Abschätzung der viszeralen Fettdepots dar, welches besser als klassische anthropometrische Parameter wie beispielsweise BMI oder Bauchumfangsmessung das kardiovaskuläre Risiko voraussagt und auch einen unabhängigen Risikofaktor für die Entwicklung einer Nephropathie darstellt (6, 17).
Aufgrund ihres relativ einfachen Zugangs und der niedrigen Kosten bieten die Ultrasonografie und die zunehmend in die Geräte integrierte Ultraschall-Elastografie die Möglichkeit, strukturelle Veränderungen im Verlauf der ORG zu bewerten und eine zunehmende renale Fibrose zu erkennen. Die Farbdoppler-Ultraschalluntersuchung eignet sich zudem zur Beurteilung intrarenaler hämodynamischer Parameter, welche Hinweise auf frühe vaskuläre Veränderungen bieten können (6, 18). So gilt beispielsweise ein pathologischer Resistenzindex (RI) der intrarenalen Gefässe, insbesondere der interlobären Arterien, als zuverlässiger Indikator einer veränderten Nierenperfusion als frühes Zeichen von Nierenschäden. Die kontrastverstärkte Ultraschalluntersuchung kann zudem für eine optimierte Beurteilung von Nierenperfusion sowie kortikaler Mikrozirkulation genutzt werden (19).
Erhöhtes Nierensteinrisiko bei Adipositas – lithogene Nierenschädigung
Adipositas ist mit einer erhöhten Inzidenz von Nierensteinen assoziiert (20). Zur Illustration sei hier eine Metaanalyse, welche Daten von insgesamt 479 405 Personen inkludierte, angeführt (21). Die durchgeführten Analysen zeigten, dass eine Erhöhung des BMI um 5 kg/m2 mit einem um 31 % erhöhten Risiko für das erstmalige Auftreten von Nierensteinen verbunden ist (Hazard Ratio (HR) = 1.31). Ebenso war eine Erhöhung des waist-hip-ratio (WHR) um 0.05 mit einem um 34 % erhöhten Risiko (HR = 1.34) und eine Erhöhung der waist circumference (WC) um 10 cm mit einem um 29 % erhöhten Risiko (HR = 1.29) für das erstmalige Auftreten von Nierensteinen verbunden (21).
Nierensteine bei Patienten mit Übergewicht oder Adipositas sind meist Oxalat- sowie auch Uratsteine. So kann bei entsprechenden Personengruppen oft auch eine erhöhte Ausscheidung von Kalzium, Oxalat und Harnsäure im Urin nachgewiesen werden (22). Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass Adipositas mit einer veränderten Urinchemie einhergeht und durch einen erniedrigten Urin-pH sowie eine Harnsäureübersättigung das Risiko für Nephrolithiasis erhöht (23). Mehrere Mechanismen können erklären, wie Adipositas auch ohne weitere spezifische metabolische Abnormalitäten zur Nierensteinerkrankung beiträgt (Tab. 1). Die Adipositas-bedingte, veränderte Expression und Freisetzung von Adipokinen sowie vermehrte Bildung von proinflammatorischen Zytokinen, wie Tumornekrosefaktor-α und Interleukin-6, spielen dabei wohl eine wichtige Rolle. Die verminderte Freisetzung des antiinflammatorisch wirkenden Adipokins Adiponektin aus dem Fettgewebe bedingt zudem einen erhöhten oxidativen Stress und proinflammatorischen Zustand. Zusammengenommen entsteht so ein metabolisch-inflammatorisches Milieu, welches die renale Lithogenese fördert.
Nierensteinbildung und Oxalatne-phropathie nach malabsorptiven bariatrischen Operationen
Nicht nur die Adipositas per se, sondern auch spezifische Therapieverfahren dieser chronischen Erkrankung können zu einer erhöhten Inzidenz von Nierensteinen sowie auch zur Oxalatnephropathie führen. Konkret handelt es sich hierbei um stark malabsorptive Verfahren der bariatrischen Chirurgie, wie insbesondere der biliopankreatischen Diversion (BPD). Dabei kommt es durch die verminderte Fettdigestion sowie -malabsorption zu einer vermehrten Verseifung von Calcium im Darmlumen, sodass weniger freies Calcium zur Bindung von Oxalsäure zur Verfügung steht. Dies führt zu einer vermehrten Resorption und konsekutiv zu einer vermehrten renalen Exkretion von Oxalat. Die daraus resultierende Hyperoxalurie in Verbindung mit der bei BPD zudem häufig beobachteten Hypocitraturie erhöht die Lithogenität des Urins.
Das über die Nieren ausgeschiedene Oxalat stammt aus einer Kombination von hepatischem Stoffwechsel und gastrointestinaler Absorption. In der Leber stellt Oxalat ein Endprodukt des Glyoxalatstoffwechsels dar. Zudem wird Oxalat über die Nahrung über den Darm aufgenommen. Das Oxalat, welches in bestimmten Nahrungspflanzen wie Spinat, Mangold, Rhabarber oder Rote Beete besonders konzentriert vorkommt, liegt primär in Form von relativ unlöslichen Calciumoxalatkristallen vor. Daher werden unter normalen Bedingungen nur 5 % bis 10 % des über die Nahrung zugeführten Oxalats absorbiert und der Rest mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei Patienten mit Fettmalabsorption, unabhängig von deren Ursache (z. B. BPD oder exokrine Pankreasinsuffizienz), gelangen vermehrt freie Fettsäuren in distale Darmabschnitte, wo sie, wie bereits erwähnt, mit Calcium verseifen. Dadurch steht weniger Calcium zur Oxalatbindung zur Verfügung, und es wird dadurch bis zu ≥ 30 % des intraluminalen Oxalats resorbiert.
In den Nieren wird Oxalat glomerulär filtriert und auch über eine proximal tubuläre Sekretion ausgeschieden. Eine erhöhte Oxalatkonzentration im Blut führt somit zu einer erhöhten Ausscheidung von Oxalat im Urin, was das Risiko für Calciumoxalat-Nierensteine, eine kortikomedulläre Nephrokalzinose sowie auch einer Oxalat-Nephropathie erhöht (24).
Bedeutung von Adipositas bei Nierenersatzverfahren
Adipositas ist nicht nur ein wichtiger Risikofaktor für Nierenerkrankungen, sondern hat auch einen erheblichen Einfluss auf die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Nierenerkrankung. Dies zeigt sich beispielsweise bei verschiedenen Nierenersatzverfahren sowie auch in der nephrologischen Transplantationsmedizin.
Peritonealdialyse
Obgleich ausgeprägte Adipositas als relative Kontraindikation für Peritonealdialyse (PD) angesehen wird, ist diese Dialysemodalität bei übergewichtigen Patienten grundsätzlich möglich. Adipositas ist bei PD mit einem erhöhten Infektrisiko verbunden und erschwert zudem die Beurteilung der Dialysequalität. Bei Patienten mit PD muss auf mechanische (Leakage, Hernien) oder infektiöse Komplikationen (Katheder-assoziierte Infekte und Peritonitis) besonders geachtet werden. Der geringste Verdacht auf eine Infektion erfordert eine frühzeitige, niederschwellige Diagnostik und Therapiebeginn (25).
Es sollte zudem beachtet werden, dass Patienten, die mit einer PD beginnen, dazu neigen, an Gewicht zuzunehmen. Dies wird vermutlich einerseits durch die Auflösung der urämischen Anorexie und dem damit vermehrten Appetit, andererseits auch durch eine erhöhte Kalorienaufnahme durch die Absorption von Glukose aus den Dialyselösungen verursacht (26). Die zugeführte Energie durch die Aufnahme von Glukose aus dem Dialysat beträgt dabei 400–800 kcal pro Tag. Dies führt zu einer durchschnittlichen Gewichtszunahme von etwa 5–7 kg, wobei der Grossteil hiervon in den ersten 6 Monaten der PD-Behandlung zugenommen wird (27).
Die Kt/V als Indikator der Dialysequalität kann bei Patienten mit Adipositas aufgrund des bezogen auf die Körpermasse proportional geringeren Körperwasservolumens bei höherem Körperfettanteil irreführend falsch tief sein, was zu Interpretationsfehlern führen kann. Eine daraus resultierende Intensivierung der Therapie mit Erhöhung des Dialysatvolumens kann zur weiteren Gewichtszunahme oder zu einem eigentlich unnötigen Wechsel auf Hämodialyse führen (26).
Hämodialyse
Patienten mit Adipositas unter Hämodialyse (HD)-Behandlung neigen ebenfalls zu vermehrten Komplikationen, welche einerseits den Dialyseprozess negativ beeinflussen, andererseits auch allgemein weitreichende negative gesundheitliche Folgen haben können. Dazu gehören beispielsweise Probleme mit dem Gefässzugang durch Schwierigkeiten bei der Anlage eines Shunts und zentralvenösen Katheters, Katheterokklusion sowie auch zu tief liegenden Shunts und damit verbundene Punktionsprobleme. Zudem bestehen Herausforderungen in Bezug auf die Dialyseeffizienz sowie ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlafapnoe und Infektionen. Einschränkungen der Mobilität sowie auch technische Limitation und Ausrüstungsschwierigkeiten können zudem die Versorgung von Menschen mit Adipositas in der Hämodialysepraxis erheblich erschweren. Die Hämodialysebehandlung von Patienten mit Adipositas erfordert daher oft einen multidisziplinären Ansatz und muss sorgfältig geplant werden (28, 29).
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die Beobachtung eines «Obesity-Paradox». So zeigte beispielsweise eine US-amerikanische Kohortenstudie eine u-förmige Beziehungskurve zwischen BMI und Mortalität bei Patienten mit HD (26). Dabei wurde die geringste Mortalität in der BMI-Gruppe von 30–35 kg/m2 beobachtet. Die Körperzusammensetzung sowie das Fettverteilungsmuster, welche sich nicht im BMI widerspiegeln, spielen hierbei wohl eine besondere Rolle. So zeigte eine Studie, in die etwa 70 000 HD-Patienten eingeschlossen wurden, ein vermindertes Sterberisiko bei einem hohen BMI in Verbindung mit einer hohen, jedoch nicht bei Vorliegen einer geringen Muskelmasse (25). In einer weiteren Studie war der Taillenumfang (als Marker der abdominalen Adipositas) direkt und unabhängig vom BMI positiv mit der kardiovaskulären und Gesamtsterblichkeit assoziiert (30). Vor dem Hintergrund dieser Daten lässt sich nicht davon ausgehen, dass Adipositas tatsächlich ein protektiver Faktor bei Menschen an der Hämodialyse darstellt.
Nierentransplantation
Adipositas stellt eine relative Kontraindikation für die Nierentransplantation dar. Nierentransplantierte Patienten mit Übergewicht weisen im Vergleich zu Patienten mit Normalgewicht eine erhöhte Rate an verzögerter Transplantatfunktion, Wundinfektionen und auch Abstossung auf (31, 32). In einer Studie von Hoogeveen et al. wurde beispielsweise festgestellt, dass Nierentransplantatempfänger mit einem BMI von mehr als 30 kg/m² ein um 20 %–40 % höheres Risiko für Transplantatversagen und Tod im Vergleich zu Empfängern mit normalem Gewicht aufweisen (31). Solche Beobachtungen haben zu willkürlichen BMI-Grenzwerten an vielen Nierentransplantation-durchführenden Institutionen geführt, die von 32 kg/m2 bis zu 40 kg/m2 reichen. So ergab eine Erhebung in den USA, dass im Zeitraum von 1995–2006 an 15 % der erfassten Transplantationszentren kein einziger Patient mit einem BMI >35 kg/m2 und in 21 % der Zentren kein Patient mit einem BMI >40 kg/m2 zur Nierentransplantation aufgelistet wurde (33). Zusätzlich zeigte sich, dass Patienten mit einem BMI >35 kg/m2, die in den verbleibenden Zentren gelistet waren, im Vergleich zu Patienten mit einem niedrigeren BMI eine um 28 % geringere Wahrscheinlichkeit hatten, eine Nierentransplantation zu erhalten. Diese Daten deuten auf eine systematische, medizinisch nur bedingt begründete Diskriminierung von Menschen mit Adipositas hin, welche in jüngster Zeit zunehmend infrage gestellt wurde. So zeigen Datenanalysen zwar, dass der Überlebensvorteil einer Nierentransplantation gegenüber fortgeführten Dialyseverfahren bei Personen mit > 40 kg/m2 zwar geringer als bei Personen mit niedrigem BMI ausgeprägt, jedoch immer noch klar nachweisbar ist (34).
Da allein konservative Gewichtsreduktionstherapien meist nicht ausreichend erfolgreich sind, schaffen es betroffene Patienten meist nicht, in den für eine Transplantation geforderten BMI-Bereich zu kommen. In der Konsequenz verbleiben sie oft jahrelang auf Wartelisten für Organspenden. Die Bedeutung dieser Tatsache wird klar, wenn man sich die jährliche Sterblichkeitsrate von 5 %–10 % auf entsprechenden Wartelisten für eine DBD/DCD (Donation after Brain Death/Donation after Cardiac Death)-Organspende vor Augen führt (27, 35). Leider ist zudem anzunehmen, dass die Mortalität von Personen mit Adipositas auf der Warteliste noch deutlich höher ist.
Obgleich die prognostische Bedeutung einer vor einer Nierentransplantation erreichten Gewichtsreduktion nicht eindeutig belegt ist, wird die bariatrische Chirurgie in Betracht gezogen, wenn es darum geht, terminal niereninsuffiziente Patienten auf eine Nierentransplantation vorzubereiten (27, 36). Man darf gespannt sein, welche Rolle die zunehmend effektiven und vermehrt angewendeten Anti-Adipositas-Medikamente in diesem Kontext zukünftig spielen werden.
Einfluss von gewichtsreduzierenden Therapien auf Nierenerkrankungen
Bei der ORG hat eine Gewichtsabnahme bereits kurzfristig einen sehr positiven Effekt. So zeigten Studien, dass es unter einer kalorienreduzierten Diät bereits nach wenigen Wochen bis Monaten zu einer deutlichen Reduktion der Proteinurie kommt (6, 37, 38). In einer dieser Studien führte eine diätetisch induzierte, durchschnittliche Gewichtsabnahme von nur 4 % nach 5 Monaten bereits zu einer durchschnittlichen Reduktion der Proteinurie um 30 %. Bei einem Gewichtsverlust von >6–10 % zeigte sich sogar eine Reduzierung der Proteinurie um >60–70 % des Ausgangswertes (38). Diätetische Restriktionen zur Gewichtsreduktion sind jedoch meist langfristig nicht erfolgreich, da sie nur selten dauerhaft durchgehalten werden. Zudem sind stark energiereduzierte Ernährungsformen insbesondere bei Dialysepatienten schwer umzusetzen, da darunter kaum der erhöhte Proteinbedarf gedeckt werden kann (27).
Interessant ist, dass Glucagon-like-peptide-1 (GLP-1)-Rezeptoragonisten (RA), welche seit Langem in der Therapie des Typ-2-Diabetes und zunehmend auch in der Adipositastherapie eingesetzt werden, einen antiproteinurischen Effekt bei der diabetischen Nephropathie zeigen (39). Für Menschen mit Adipositas ohne Diabetes liegen bislang noch keine entsprechenden Daten vor, sodass letztlich nicht geklärt ist, ob es sich bei der Reduktion der Proteinurie um einen inhärenten Effekt des Medikaments oder einen indirekten Effekt, vermittelt durch den medikamenteninduzierten Gewichtsverlust, handelt.
Bereits deutlich robuster ist die Datenlage zu den positiven Effekten der bariatrischen Chirurgie auf die Nierengesundheit. So zeigten Studien nach bariatrischen Operationen eine Verminderung der Adipositas-assoziierten Hyperfiltration (40), einer vorbestehenden Albuminurie (41) sowie des GFR-Abfalls im Zeitverlauf (42, 43).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich eine Gewichtsreduktion bei Nierenpatienten mit ORG, FSGS oder auch diabetischer Nephropathie und gleichzeitig vorliegender Adipositas positiv auf die Nierengesundheit auswirkt und dass die bariatrische Chirurgie diesbezüglich die bei Weitem effektivste und am besten erforschte Therapie darstellt.
Bei nierentransplantierten Patienten hingegen erscheint die Datenlage etwas weniger eindeutig. Zwar verbessert die bariatrische Chirurgie auch in dieser Situation die Nierenfunktion, jedoch scheint sie auch das Risiko für Abstossungsreaktionen zu erhöhen (44). Letzteres hängt möglicherweise mit einer verminderten Bioverfügbarkeit von Immunsuppressiva zusammen, sodass regelmässige Spiegelbestimmungen entsprechender Medikamente obligat sind.
Copyright
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Zweitabdruck aus Therapeutische Umschau 03/2024
Dipl. Ärztin Boglárka Oesch-Régeni
Nierenpraxis und Dialyse St. Gallen AG
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dr.b.regeni@gmail.com
Prof. Dr. med. Bernd Schultes
Stoffwechselzentrum St. Gallen, friendlyDocs AG
Lerchentalstrasse 21
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stoffwechselzentrum@friendlydocs.ch
Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Adipositas kann über eine Vielzahl verschiedener Mechanismen die Nierengesundheit gefährden. Daher sind regelmässige Untersuchungen zur Nierengesundheit bei Patienten
mit Adipositas sinnvoll. Zudem kann das Vorhandensein einer Adipositas die Durchführung von verschiedenen Ersatzverfahren erschweren und ist zudem mit einer verminderten Chance auf eine Nierentransplantation assoziiert. Eine Gewichtsreduktion führt zu einer Verbesserung der Nierengesundheit und sollte daher bei Nierenpatienten mit Adipositas ein wichtiges therapeutisches Ziel darstellen. Die bariatrische Chirurgie hat sich vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Evidenz diesbezüglich bereits etabliert. Es ist zu hoffen, dass die zukünftig zunehmend zur Verfügung stehenden Anti-Adipositas-Medikamente ebenfalls einen positiven Effekt auf die Nierengesundheit haben werden.
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Die CAR-T-Zelltherapie stellt einen revolutionären Ansatz dar, bei dem genetisch modifizierte T-Zellen spezifische Tumorantigene erkennen und maligne Zellen gezielt eliminieren. Bei rezidivierten/refraktären B-Zell-Lymphomen und Multiplem Myelom werden Ansprechraten von 50–90 % erzielt, wobei Lymphome Heilungsraten von 35–60 % erreichen, während beim Myelom bisher nur Lebensverlängerung möglich ist. Zu den wichtigsten Toxizitäten zählen das Zytokin-Release-Syndrom und die Neurotoxizität, die standardisierte Behandlungsprotokolle erfordern. Langfristige Komplikationen wie Zytopenien, Hypogammaglobulinämie und rezidivierende Infektionen bedürfen eines engmaschigen Monitorings und adäquater Substitutionstherapien. Die erfolgreiche Nachsorge von CAR-T-Patienten erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen spezialisierten Zentren und Hausärzten, die eine Schlüsselrolle bei der Früherkennung von Komplikationen und dem langfristigen Management spielen.
CAR T-cell therapy represents a revolutionary approach where genetically modified T cells recognize specific tumor antigens and selectively eliminate malignant cells. In relapsed/refractory B-cell lymphomas and multiple myeloma, response rates of 50–90 % are achieved, with lymphomas reaching cure rates of 35–60 %, while myeloma currently shows only life extension without curative potential. The most significant toxicities include cytokine release syndrome and neurotoxicity, which require standardized treatment protocols. Long-term complications such as cytopenias, hypogammaglobulinemia, and recurrent infections necessitate close monitoring and appropriate substitution therapies. Successful follow-up care of CAR T-cell patients demands close collaboration between specialized centers and primary care physicians, who play a key role in the early detection of complications and long-term management. Keywords: CAR-T-Zelltherapie, Zytokin-Release-Syndrom, Hypogammaglobulinämie, hämatologische Toxizitäten
Wirkprinzip der Therapie
CAR-T-Zellen werden in der Regel aus körpereigenen T-Zellen hergestellt. Deren natürliche Funktion, d.h. die Erkennung einer Zielstruktur (des sog. MHC-Peptid-Komplexes) auf fremden Zellen bzw. Tumorzellen mittels ihres T-Zell-Rezeptors wird nicht verändert. Aber durch Einschleusen einer zellmembrangebundenen Antikörperdomäne (sog. CAR-Rezeptor) findet eine Umprogrammierung der T-Zellen ausserhalb des Körpers statt. Erkennt die Antikörperdomäne z.B. ein spezifisches Tumorantigen, so können die CAR-T-Zellen nach der Bindung an die Tumorzelle eine Reihe immunologischer Prozesse auslösen und die gezielte Zerstörung der Tumorzelle veranlassen.
Die CAR-Konstrukte haben sich über die Zeit weiterentwickelt und werden in Generationen eingeteilt: • Erste Generation: Enthält nur eine CD3ζ-Signaldomäne • Zweite Generation: Zusätzlich eine ko-stimulatorische Domäne (CD28 oder 4–1BB) • Dritte Generation: Zwei ko-stimulatorische Domänen • Vierte Generation: Zusätzliche Elemente wie induzierbare Zytokinproduktion oder Sicherheitsschalter
Die derzeit zugelassenen CAR-T-Zellprodukte basieren hauptsächlich auf der zweiten Generation mit 4–1BB oder CD28 als ko-stimulatorische Domäne. Die Wahl zwischen diesen Domänen beeinflusst das Expansions- und Persistenzprofil der CAR-T-Zellen sowie möglicherweise das Nebenwirkungsprofil (1).
Herstellungsprozess von CAR-T-Zellen
Die Herstellung von CAR-T-Zellen ist ein komplexer, mehrstufiger Prozess: 1. Apherese: Entnahme von Leukozyten und damit T-Zellen (auch T-Lymphozyten genannt) aus dem Blut der Patientin bzw. des Patienten. 2. Gentechnische Modifikation: Die T-Zellen werden im Labor gentechnisch so verändert, dass sie den tumorspezifischen CAR-Rezeptor auf ihrer Oberfläche exprimieren. Dies geschieht meist durch virale Vektoren (lentiviral oder retroviral), die das CAR-Gen in das Genom der T-Zellen einbringen. 3. Expansion und Aktivierung: Die CAR-T-Zellen werden im Labor vermehrt und aktiviert. Dieser Prozess dauert etwa 2–3 Wochen und ist entscheidend für die Qualität des Endprodukts. 4. Reinfusion: Die CAR-T-Zellen werden nach einer Qualitätskontrolle vom Labor in die behandelnde Klinik zurückgeschickt und dort der Patientin bzw. dem Patienten infundiert.
Vor der eigentlichen CAR-T-Zell-Infusion erhalten die Patienten in der Regel eine lymphodepletierende Chemotherapie (z.B. Fludarabin und Cyclophosphamid). Diese Vorbehandlung reduziert die Anzahl der endogenen Lymphozyten und schafft somit «Platz» für die CAR-T-Zellen, optimiert deren Expansion und kann die Effektivität der Therapie steigern.
Der gesamte Prozess von der Indikationsstellung bis zur Infusion der CAR-T-Zellen nimmt in der Regel 6–8 Wochen in Anspruch. Diese Zeitspanne kann für Patienten mit aggressiven Erkrankungen eine Herausforderung darstellen, weshalb geeignete Überbrückungsstrategien essenziell sind.
Zulassung und Einsatzgebiete
Die erste CAR-T-Zelltherapie, Kymriah, wurde 2017 in den USA zur Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) bei Kindern und Jugendlichen zugelassen. In den folgenden Jahren folgten weitere Zulassungen in der Behandlung von B-Zell-Lymphomen und des Multiplen Myeloms (MM). Derzeit sind sechs CAR-T-Zellprodukte in der Schweiz zugelassen (Tab. 1) (2). Die Indikationen für CAR-T-Zelltherapie werden kontinuierlich erweitert. Während die Therapie zunächst hauptsächlich bei stark vorbehandelten, rezidivierten oder refraktären Erkrankungen eingesetzt wurde, deuten neuere Studiendaten darauf hin, dass CAR-T-Zellen auch in früheren Therapielinien vorteilhaft sein könnten. Aktuelle Studien untersuchen den Einsatz von CAR-T-Zellen als Zweitlinientherapie bei aggressiven B-Zell-Lymphomen und als Erstlinientherapie in Hochrisikopatienten.
Nebenwirkungen: von mild bis schwerwiegend
Die CAR-T-Zelltherapie kann mit einer Reihe von Nebenwirkungen verbunden sein, die von mild bis schwerwiegend verlaufen können. Eine genaue Kenntnis dieser Toxizitäten ist für alle beteiligten Ärzte, einschliesslich der Hausärzte, von grosser Bedeutung, da einige dieser Nebenwirkungen auch verzögert nach der Entlassung aus dem spezialisierten Zentrum auftreten können.
Akute Toxizitäten
Zytokin-Release-Syndrom (CRS)
Das CRS ist die häufigste akute Nebenwirkung und tritt bei 50–90 % der Patienten auf, wobei die Inzidenz je nach CAR-T-Zellprodukt variiert. Es handelt sich um eine systemische Entzündungsreaktion, die durch die massive Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (insbesondere IL-6, TNF, IFN-γ) verursacht wird, wenn die CAR-T-Zellen ihr Zielantigen erkennen und aktiviert werden (3). Klinische Manifestationen des CRS umfassen Fieber (oft erstes Symptom, 1–14 Tage nach Infusion), Hypotonie, Hypoxie, Tachykardie, Schüttelfrost, Müdigkeit, Übelkeit/Erbrechen, Kopfschmerzen, Myalgien/Arthralgien und in schweren Fällen Kapillarlecksyndrom sowie Multiorganversagen.
Die Schweregrad-Einteilung des CRS erfolgt nach den ASTCT-Kriterien (American Society for Transplantation and Cellular Therapy) (4) (Tab. 2). Die Behandlung des CRS erfolgt risiko-adaptiert (5):
• Grad 1: Symptomatische Behandlung mit Antipyretika, engmaschige Überwachung
• Grad 2: Tocilizumab 8 mg/kg i.v. (IL-6-Rezeptor-Antagonist), bei fehlender Besserung nach 24h Wiederholung möglich
• Grad 3–4: Tocilizumab plus Dexamethason (10–20 mg alle 6h) oder Methylprednisolon (1–2 mg/kg/Tag)
Tocilizumab blockiert den IL-6-Rezeptor und reduziert somit die systemische Toxizität, ohne die Wirksamkeit der CAR-T-Zellen signifikant zu beeinträchtigen. Bei schwerem oder refraktärem CRS können weitere Massnahmen wie Anakinra (IL-1-Rezeptorantagonist) oder Siltuximab (anti-IL-6) erwogen werden.
Neurotoxizität (ICANS)
Das Immune Effector Cell-Associated Neurotoxicity Syndrome (ICANS) ist eine weitere häufige akute Nebenwirkung, die bei 20–60 % der Patienten auftritt. Die Inzidenz und Schwere variieren je nach CAR-T-Zellprodukt, wobei CD28-basierte Konstrukte tendenziell mit höheren Raten verbunden sind (6).
Klinische Manifestationen von ICANS umfassen Enzephalopathie mit Verwirrtheit und Bewusstseinsstörungen, Sprachstörungen (Aphasie, Dysgraphie), Tremor, Kopfschmerzen, Somnolenz, Krampfanfälle (bei etwa 10 % der Patienten mit ICANS) und selten Hirnödem (CRES – CAR-T-related encephalopathy syndrome).
Die Schweregrad-Einteilung erfolgt anhand des ICE-Scores (Immune Effector Cell-Associated Encephalopathy) und klinischer Parameter (Tab. 3a und 3b). Die Behandlung von ICANS erfolgt abhängig vom Schweregrad (7):
• Grad 1: Engmaschige Überwachung, supportive Therapie
• Grad 2–4: Dexamethason 10 mg alle 6h oder Methylprednisolon 1–2 mg/kg/Tag
• Bei Krampfanfällen: Levetiracetam als Prophylaxe (500–1500 mg alle 12h)
Im Gegensatz zum CRS ist Tocilizumab bei ICANS weniger wirksam, da es die Blut-Hirn-Schranke nicht ausreichend überwindet. Bei gleichzeitigem Auftreten von CRS und ICANS sollte jedoch zunächst Tocilizumab gegeben werden, um das CRS zu kontrollieren (7).
Parkinson-ähnliche Symptome
In den letzten Jahren wurden bei einigen Patienten nach CAR-T-Zelltherapie Parkinson-ähnliche Symptome beobachtet, insbesondere nach BCMA-gerichteten CAR-T-Zellen bei Myelompatienten. Diese können umfassen:
• Bradykinesie
• Rigor
• Tremor
• Gangstörungen
• Posturale Instabilität
Die genaue Pathophysiologie ist noch nicht vollständig geklärt, könnte aber mit einer unbeabsichtigten Kreuzreaktivität der CAR-T-Zellen mit neuronalen Strukturen zusammenhängen. Die Symptome können vorübergehend oder anhaltend sein und sprechen unterschiedlich gut auf dopaminerge Therapien an (8). Eine frühe neurologische Beurteilung und gegebenenfalls Therapieeinleitung sind wichtig.
Hämatologische Toxizitäten
Zytopenien
Prolongierte Zytopenien sind eine häufige Nebenwirkung nach CAR-T-Zelltherapie und können bei bis zu 30–40 % der Patienten länger als 30 Tage anhalten (9). Die Ursachen dafür sind vielfältig. Zum einen spielt die im Vorfeld verabreichte lymphodepletierende Chemotherapie, meist mit Fludarabin und Cyclophosphamid, eine zentrale Rolle. Zum anderen tragen frühere, oft intensive Vortherapien mit mehreren Chemotherapielinien zur Schädigung der hämatopoetischen Reserve bei. Darüber hinaus können auch direkte oder indirekte Wirkungen der CAR-T-Zellen selbst sowie entzündliche Zytokinprozesse die Funktion der Knochenmarkstammzellen beeinträchtigen.
Die Zytopenien betreffen typischerweise alle Zelllinien. Eine Neutropenie erhöht das Risiko für bakterielle und opportunistische Infektionen erheblich, während eine Thrombozytopenie die Blutungsneigung verstärkt. Eine Anämie wiederum kann sich in Form von Müdigkeit, verminderter Belastbarkeit und allgemeinem Leistungsabfall bemerkbar machen.
Das Management der Zytopenien richtet sich nach der jeweils betroffenen Zelllinie und dem klinischen Zustand des Patienten. Bei einer Neutropenie kann eine Behandlung mit G-CSF, beispielsweise in Form von Filgrastim mit einer Dosierung von 5 μg pro Kilogramm Körpergewicht subkutan täglich, ab dem 14. Tag nach der CAR-T-Zellinfusion in Betracht gezogen werden – vorausgesetzt, es bestehen keine aktiven Anzeichen eines Zytokinfreisetzungssyndroms (CRS) oder eines CAR-T-assoziierten neurotoxischen Syndroms (ICANS). Liegt eine Thrombozytopenie vor, ist bei sehr niedrigen Thrombozytenwerten unter 10 bis 20×10⁹ pro Liter oder bei klinischen Blutungszeichen eine Transfusion von Thrombozytenkonzentraten angezeigt. Im Falle einer symptomatischen Anämie kann die Gabe von Erythrozytenkonzentraten erforderlich sein; bei persistierender Anämie sollte zudem der Einsatz von Erythropoetin erwogen werden.
Die Zytopenien bilden sich meist innerhalb von 2–3 Monaten zurück, können aber in einigen Fällen auch länger persistieren. Bei anhaltenden schweren Zytopenien sollte eine Knochenmarkuntersuchung erwogen werden, um andere Ursachen wie Myelodysplasie oder sekundäre hämatologische Neoplasien auszuschliessen.
Für Hausärzte ist es wichtig, regelmässige Blutbildkontrollen durchzuführen und bei anhaltenden oder neu auftretenden Zytopenien Rücksprache mit dem behandelnden hämatologischen Zentrum zu halten.
Immunologische Toxizitäten
B-Zell-Aplasie und Hypogammaglobulinämie
Bei CD19-gerichteten CAR-T-Zelltherapien kommt es zu einer B-Zell-Aplasie, da CD19 nicht nur auf den malignen B-Zellen, sondern auch auf normalen B-Zellen exprimiert wird. Dies führt zu einer sekundären Hypogammaglobulinämie, die bei über 60 % der Patienten auftritt und jahrelang persistieren kann (10).
Die Hypogammaglobulinämie ist durch eine verminderte Konzentration von Immunglobulinen im Blut gekennzeichnet und geht mit einer erhöhten Infektanfälligkeit einher. Klinisch zeigt sie sich vor allem durch eine gesteigerte Anfälligkeit für bakterielle Infektionen, insbesondere durch bekapselte Erreger wie Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae. Typische Infektionen umfassen Sinusitis, Bronchitis und Pneumonien. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Risiko für chronische Virusreaktivierungen, beispielsweise durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV).
Monitoring und Management
Ein regelmässiges Monitoring der Immunglobulin-Spiegel (IgG, IgA, IgM) ist essenziell. Im ersten Jahr sollte die Kontrolle alle 1 bis 3 Monate erfolgen, danach in 3- bis 6-monatigen Abständen.
Eine Immunglobulinsubstitution ist angezeigt bei:
• einem IgG-Spiegel unter 4 g/L
• Rezidivierenden oder schweren Infektionen unabhängig vom IgG-Spiegel
• dem Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren für Infektionen
Substitutionsschema
Die Immunglobuline können entweder intravenös (IVIG) oder subkutan (SCIG) verabreicht werden:
• IVIG: 0.4 g/kg Körpergewicht alle 3 bis 4 Wochen
• SCIG: 0.1–0.2 g/kg wöchentlich oder alle 2 Wochen
Die Substitutionstherapie wird in der Regel fortgesetzt, bis sich die B-Zellen erholt haben und ausreichende endogene Immunglobulinspiegel nachweisbar sind, was mehrere Jahre dauern kann oder in manchen Fällen nicht erreicht wird.
Infektionen
Infektionen stellen eine häufige und ernstzunehmende Komplikation im Verlauf der CAR-T-Zelltherapie dar und können in unterschiedlichen Phasen auftreten. In den ersten 30 Tagen nach der Infusion – der sogenannten frühen Phase – stehen vor allem bakterielle Infektionen im Vordergrund, die überwiegend durch die therapiebedingte Neutropenie begünstigt werden. In der darauffolgenden mittleren Phase, zwischen Tag 30 und 100, kommt es vermehrt zu Reaktivierungen von latenten Viren wie CMV, HSV oder VZV. In der späten Phase, also nach mehr als 100 Tagen, dominieren Infektionen, die auf eine anhaltende B-Zell-Aplasie sowie eine damit verbundene Hypogammaglobulinämie zurückzuführen sind.
Das Risiko für schwere Infektionen steigt besonders bei Patienten mit einer prolongierten Neutropenie, einem schwer verlaufenden Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) oder einem ICANS, welche eine intensive immunsuppressive Behandlung erforderlich machen. Auch eine vorangegangene allogene Stammzelltransplantation, eine hohe kumulative Steroidexposition, ein Alter über 65 Jahre sowie eine unbehandelte Hypogammaglobulinämie erhöhen die Anfälligkeit deutlich.
Zur antibiotischen Prophylaxe gehört bei Patienten mit anhaltender Neutropenie der Einsatz von Levofloxacin in einer Dosis von 500 mg täglich. Hochrisikopatienten erhalten zudem eine antimykotische Prophylaxe mit Fluconazol in einer Dosierung von 400 mg täglich. Eine Schutzmassnahme gegen Pneumocystis jirovecii erfolgt über mindestens 6 Monate hinweg mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol in einer Dosierung von 960 mg 3 x wöchentlich. Die antivirale Prophylaxe erfolgt mit Aciclovir (400 mg zweimal täglich) für einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Impfungen mit Totimpfstoffen können frühestens sechs Monate nach der CAR-T-Zelltherapie verabreicht werden, während Lebendimpfstoffe kontraindiziert bleiben.
Bei Fieber oder Infektzeichen sollte eine rasche diagnostische Abklärung erfolgen und eine empirische antimikrobielle Therapie eingeleitet werden, abhängig vom klinischen Bild und lokalen Resistenzmustern.
Metabolische Komplikationen
Tumorlyse-Syndrom (TLS)
Das Tumorlyse-Syndrom tritt insbesondere bei Patienten mit hoher Tumorlast auf und ist durch eine rasche Zerstörung von Tumorzellen mit Freisetzung intrazellulärer Bestandteile gekennzeichnet. Klinisch manifestiert es sich durch Hyperurikämie, Hyperkaliämie, Hyperphosphatämie, Hypokalzämie sowie akutes Nierenversagen. Die Prophylaxe und das Management bestehen aus ausreichender Hydratation, Allopurinol (300–600 mg/Tag) bei erhöhtem Risiko und Rasburicase bei manifestem TLS. Bei schweren Elektrolytstörungen oder bei Nierenversagen erfolgt eine Dialyse.
HLH/MAS ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation nach CAR-T-Zelltherapie, die durch eine überschiessende Aktivierung von Makrophagen und eine hyperzytokine Immunantwort gekennzeichnet ist. Klinische Merkmale umfassen anhaltend hohes Fieber, Hepatosplenomegalie, Zytopenien, Ferritinerhöhung (oft > 10 000 μg/L), Hypertriglyzeridämie, Hypofibrinogenämie, erhöhte Transaminasen sowie Hämophagozytose in Knochenmark oder anderen Geweben.
Die Behandlung erfordert meist eine aggressive Immunsuppression mit hochdosierten Steroiden, ggf. Etoposid oder andere HLH-spezifische Therapien.
Besonderheiten in der Nachsorge: Was Hausärzte beachten sollten
Die Nachsorge von Patienten nach CAR-T-Zelltherapie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen dem spezialisierten Zentrum und dem Hausarzt. Folgende Aspekte sind besonders zu beachten:
Kurzfristige Nachsorge (erste 3 Monate)
• Regelmässige Blutbildkontrollen: Initial wöchentlich, später alle 2–4 Wochen • Infektüberwachung: Niederschwellige Abklärung bei Fieber oder Infektzeichen • Neurologische Überwachung: Auch nach Entlassung können verzögerte neurotoxische Effekte auftreten. • CRP-Monitoring: Kann Hinweise auf spätes CRS oder Infektionen geben. • Medikamentenmanagement: Beachtung von Interaktionen, insbesondere bei antimikrobieller Prophylaxe
Mittelfristige Nachsorge (3–12 Monate)
• Immunglobulin-Monitoring: Alle 3 Monate IgG, IgA, IgM bestimmen. • B-Zell-Monitoring: Bei CD19-CAR-T-Zellen, zur Beurteilung der B-Zell-Rekonstitution • Impfstrategie: Impfungen nach lokalem Protokoll ab 6 Monaten nach Therapie beginnen. • Psychosoziale Unterstützung: Häufig bestehen kognitive Defizite, Fatigue oder Ängste.
Langfristige Nachsorge (>12 Monate)
• Sekundärmalignome: Erhöhte Vigilanz bezüglich Zweitneoplasien • Endokrine Funktionen: Insbesondere bei Patienten, die hohe Steroiddosen erhalten haben. • Kardiovaskuläres Risiko: CAR-T-Patienten haben oft multiple Risikofaktoren durch Vorbehandlungen • Fertilitätsaspekte: Beratung und Management bei jüngeren Patienten
Praktische Empfehlungen für Hausärzte
1. Notrufnummern bereithalten: 24/7-Kontakt zum behandelnden CAR-T-Zentrum sollte jederzeit verfügbar sein. 2. Patientenausweis: Patienten sollten einen CAR-T-Patientenausweis mit wichtigen Informationen und Kontaktdaten mit sich führen. 3. Therapieplan: Ein detaillierter Nachsorgeplan sollte vom Zentrum erstellt und mit dem Hausarzt geteilt werden. 4. Multidisziplinärer Ansatz: Bei komplexen Fällen frühzeitige Einbeziehung von Spezialisten (Neurologie, Infektiologie etc.)
Erfolgsaussichten der Behandlung
Für die Hauptindikationen des Erwachsenen (rr DLBCL, rr MM und rr MCL) gibt es aufgrund der Studien-, aber auch der sogenannten real-world-Daten belastbare Zahlen bezüglich des Ansprechens, der Ansprechdauer sowie der Heilungschancen. Dabei unterscheiden sich Lymphome und Myelome bisher wie folgt:
• Die Chance auf eine Heilung (OS) liegt für rr DLBCL-Patientinnen und -Patienten zwischen 35 und 50 Prozent und beim MCL bei knapp 60 Prozent (12). Berücksichtigt man, dass rr DLBCL- bzw. rr MCL-Betroffene bisher eigentlich keine bzw. nur eine sehr geringe (10 bis 15 Prozent) Heilungschance im Rezidiv hatten, so sind die CAR-T-Zell-Daten als eindeutige und relevante Weiterentwicklung in unserem Therapiespektrum anzusehen.
• In der Behandlung von rr MM-Patientinnen und -Patienten können mittels CAR-T-Zelltherapie sehr hohe Ansprechraten (häufig >80 Prozent) mit einem zum Teil sehr langen Progressions-freien-Überleben (PFS) von >2 Jahren erzielt werden (13). Leider gibt es bisher aber keinen Hinweis, dass langfristig auch Heilungen erzielt werden. Damit ist die CAR-T-Zelltherapie bisher bei rr MM-Betroffenen zwar lebensverlängernd, aber nicht heilend.
Die Langzeitergebnisse verbessern sich kontinuierlich mit zunehmender Erfahrung und optimierter Patientenselektion. Wichtige prognostische Faktoren für das Ansprechen umfassen (14): • Tumorlast vor CAR-T-Zelltherapie: Patienten mit geringerer Tumorlast sprechen besser an • Performance-Status: ECOG 0–1 ist mit besseren Ergebnissen assoziiert • Vorherige Therapielinien: Weniger Vorbehandlungslinien korrelieren mit besserem Ansprechen • CAR-T-Zell-Expansion in vivo: Höhere CAR-T-Zell-Spitzenwerte sind mit besserem Ansprechen assoziiert • CRS/ICANS: Patienten mit mildem CRS oder ICANS haben tendenziell bessere Ansprechraten als Patienten ohne immunvermittelte Toxizitäten, was auf eine stärkere immunologische Aktivierung hinweist. Schwere Toxizitäten (Grad 3–4) sind jedoch mit erhöhter Morbidität und Mortalität verbunden.
Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich
Christoph.renner@hirslanden.ch
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Heilungschancen bei therapierefraktären Erkrankungen: Die CAR-T-Zelltherapie ermöglicht Heilungsraten von 35–60 % bei rezidivierten/refraktären B-Zell-Lymphomen; beim Multiplen Myelom bisher nur lebensverlängernd.
Akuttoxizitäten überwachen: Zytokin-Release-Syndrom und Neurotoxizität können bis zu 8 Wochen nach Therapie auftreten. Bei Fieber oder neurologischen Symptomen sofort das Behandlungszentrum kontaktieren.
Langzeitkomplikationen managen: Regelmässige Kontrolle von Blutbild und Immunglobulinspiegeln. Bei IgG <4 g/L oder rezidivierenden Infekten Immunglobulinsubstitution erwägen.
Infektionsprävention: PCP-Prophylaxe für 6 Monate, antivirale Prophylaxe für 6–12 Monate. Bei Fieber rasch antibiotisch behandeln, da Infektionen häufigste Todesursache sind.
Teamarbeit praktizieren: Enge Kooperation zwischen Hausarzt und spezialisiertem Zentrum mit strukturiertem Nachsorgeplan und niederschwelligem Informationsaustausch sicherstellen.
1. Ying, Z., He, T., Wang, X., Zheng, W., Lin, N. (2019). “Parallel Comparison of 4–1BB or CD28 Co-Stimulated CD19-Targeted CAR-T Cells for B Cell Malignancies”. Journal of Hematology & Oncology, 12(1), 64.
2. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/authorisations/new-medicines.html
3. Shimabukuro-Vornhagen, A., et al. (2018). Cytokine Release Syndrome. Journal of Immunotherapy of Cancer, 6(1), 56. DOI: 10.1186/s40425-018-0343-9
4. Lee, D. W., et al. (2019). Current Concepts in the Diagnosis and Management of Cytokine Release Syndrome. Blood, 124(2), 188-195. DOI: 10.1182/blood-2014-07-551642
5. Sterner, R. M., Sterner, R. M. (2021). CAR-T Cell Therapy: Current Limitations and Potential Strategies. Blood Cancer Journal, 11(4), 69. DOI: 10.1038/s41408-021-00459-7
6. Abramson, J. S., et al. (2020). ICANS in CAR-T Therapy: Clinical Presentation and Outcomes. Journal of Clinical Oncology, 38(36), 4349-4359.
7. Siddiqi, T., et al. (2021). Management of Neurotoxicity in CAR-T Therapy: Challenges and Solutions. Nature Reviews Neurology, 17(1), 35-46.
8. Wallace, A. C., et al. (2022). Neurotoxicity and Parkinsonism in CAR-T-Cell Therapy: A New Challenge in Oncology. Neurology, 98(5), 221-230.
9. Smith, J., & Wang, L. (2022). Hematological toxicities in CAR-T cell therapy: A comprehensive review. Journal of Clinical Oncology, 40(5), 1234-1246
10. Lee, S., & Patel, A. (2023). B-cell aplasia and hypogammaglobulinemia following CD19-targeted CAR-T cell therapy: Mechanisms and management. The Lancet Hematology, 10(2), 45-55.
11. Zhang, Y., & Thompson, E. (2021). Infection risk and prophylaxis in CAR-T cell therapy. Clinical Infectious Diseases, 73(6), 1237-1246.
12. Neelapu, S. S., et al. (2020). Chimeric Antigen Receptor T-Cell Therapy in Relapsed or Refractory Diffuse Large B-Cell Lymphoma: A Pivotal Phase 2 Trial. Journal of Clinical Oncology, 38(27), 3096-3105.
13. Neri, P., et al. (2021). CAR-T therapy in multiple myeloma: Insights from clinical trials and real-world evidence. Leukemia, 35(5), 1406-1414.
14. Ghosh, S., & Schmidt, L. (2022). Prognostic factors in CAR-T cell therapy for hematologic malignancies. Journal of Hematology & Oncology, 15(1), 39-47.
Die Abklärung, Triage und Behandlung von Notfallpatientinnen und Notfallpatienten mit kardiologischen Problemen in der Praxis ist herausfordernd, interessant und dankbar. Mit Anamnese, Status, EKG und wenigen Labortests kann die Diagnose oft gestellt und eine Therapie eingeleitet werden. Instabile Patienten müssen rasch verlegt werden, bei allen anderen hat man Zeit, um einen Therapieplan zu erstellen. Viele kardiologische Notfälle können ambulant betreut werden. Die Zusammenarbeit mit einer Kardiologin oder einem Kardiologen des Vertrauens erleichtert der Hausärztin oder dem Hausarzt die Arbeit und macht die Abläufe effizient.
The assessment, triage, and treatment of emergency patients with cardiological problems in practice is challenging, interesting, and rewarding. With a medical history, physical examination, ECG, and a few laboratory tests, a diagnosis can often be made, and therapy can be initiated. Unstable patients must be transferred quickly, while for all others, there is time to create an treatment plan. Many cardiological emergencies can be managed on an outpatient basis. Collaborating with a trusted cardiologist makes the work easier for the primary care provider and streamlines the processes. Keywords: Cardiac emergency, Primary care triage, ECG and biomarker diagnostics, Acute cardiovascular treatment
Einleitung
Die Abklärung, Triage und Behandlung kardiologischer Notfälle in der hausärztlichen Praxis stellt eine klinisch anspruchsvolle, aber zugleich lohnende Aufgabe dar. Bereits mit Anamnese, klinischem Status, Ruhe-EKG und gezielter Labordiagnostik lassen sich in vielen Fällen richtungsweisende Diagnosen stellen und therapeutische Massnahmen einleiten.
In der Folge werden Überlegungen und mögliche Vorgehensweisen zur Abklärung generell sowie zur Abklärung und Therapie spezifischer Krankheiten aufgezeigt.
Die Referenzen sind hauptsächlich die Richtlinien der Europäischen Herzgesellschaft ESC. Diese sind informativ, ansprechend und frei erhältlich.
Abklärung
Anamnese
Patienten mit akuten Thorax- und Oberbauchbeschwerden aller Art (Dyspnoe, Schmerzen, Druck, Brennen), Palpitationen, akutem Schwindel und Synkopen sowie Patienten mit hohem Blutdruck werden als kardiologischer Notfall behandelt. Dabei lohnt es sich, trotz des hektischen Praxisalltags, die Anamnese, d.h. detaillierte Angaben zum jetzigen Leiden, nicht zu überspringen und auch nicht zu delegieren. Die persönliche Anamnese fördert zudem oft Unerwartetes zu Tage und hilft entscheidend bei der Beurteilung eines akuten Problems.
Status
Der Status ermöglicht die erste Triage und gilt der Frage, ob der Patient klinisch stabil ist oder nicht. Brady- und tachykarde Rhythmusstörungen können bereits im Status erfasst oder weitgehend ausgeschlossen werden. Der Blutdruck soll an beiden Oberarmen gemessen und die Herzauskultation nicht nur im Liegen, sondern auch im Sitzen nach der Exspiration durchgeführt werden, weil man so z.B. die Aorteninsuffizienz besser hört. Zur Beurteilung der Halsvene wird der Patient im Liegen bei 0° und bei 45° untersucht. Dies erfordert eine entsprechend gute Liege.
Instabile Patienten werden mit einer Infusion versehen und mit dem Rettungsdienst (Tel. 144) verlegt.
EKG
Das EKG dient der Diagnostik von Myokardinfarkt und von Rhythmusstörungen sowie der Risikostratifizierung und sollte immer angefertigt werden. Dabei ist auf eine korrekte Platzierung der Elektroden zu achten, da sonst Fehldiagnosen drohen (1).
Die P-Wellen, gelegentlich diskret versteckt und schwierig zu entdecken, führen bei Rhythmusstörungen fast immer zur Diagnose, sowohl bei brady- als auch bei tachykarden Rhythmusstörungen.
Beim Verdacht auf ein akutes koronares Syndrom (ACS) ist das EKG unabdingbar zur Risikostratifizierung. Thoraxschmerzen in Kombination mit einer ST-Hebung ist definitionsgemäss ein ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) und erfordern eine unverzügliche invasive Abklärung mit Revaskularisation in einem dafür vorgesehenen Zentrum. ST-Hebungen erscheinen bisweilen diskret und sollen nicht übersehen werden. Eine ST-Hebung in V1 deutet auf einen Verschluss des proximalen RIVA hin und ist prognostisch besonders ungünstig.
Andere EKG-Veränderungen wie ein Blockbild, speziell ein Linksschenkelblock, oder ein Schrittmacher-EKG machen die Interpretation vor allem beim ACS schwierig. Alte EKGs helfen hierbei, sind aber nicht immer verfügbar. Im Zweifelsfalle sollten Patienten mit schwierig interpretierbarem EKG wie ein STEMI behandelt werden (2). Ein normales EKG schliesst ein höchstes Risiko aus.
Troponin-Test
Der Troponin-Test hilft bei der Beurteilung, ob die Thoraxbeschwerden die Folge eines Myokardinfarktes sind oder nicht (2). Heute werden nur noch Tests verwendet, welche das high sensitive Troponin (hsTn) messen. Ein wiederholt normaler Test (d. h. ein Troponinwert unter der 99. Perzentile) schliesst einen Myokardinfarkt, nicht aber eine Angina pectoris aus, ein positiver Test wiederum macht einen Myokardinfarkt wahrscheinlich. Algorithmen mit seriell gemessenen Troponinwerten wurden entwickelt und zur Diagnostik des ACS empfohlen («rule in» und «rule out», Abb. 1). Die Cut-offs für die Tests sind Assay-spezifisch und können beim Hersteller des Tests in Erfahrung gebracht werden. Patienten, welche einen Non-STEMI haben («rule in»), brauchen eine beschleunigte invasive Abklärung in einer Institution mit Herzkatheterlabor. Patienten, welche weder die Kriterien für «rule in» noch für «rule out» erfüllen, müssen weiter kardiologisch abgeklärt werden. Spätestens hier lohnt es sich, die Anamnese zu vertiefen und weitere Tests anzuschliessen, um die Ursache der Erkrankung zu erfahren. Dabei hat die Echokardiographie einen hohen Stellenwert, können mit dieser Untersuchung doch nicht nur detailliert die Herzklappen und die Funktion des linken Ventrikels untersucht, sondern auch Perikard und Grösse der Vorhöfe beurteilt und die Druckverhältnisse im System- und Lungenkreislauf abgeschätzt werden, was häufig zur Diagnose führt. Eine echokardiographische Untersuchung ist in der Regel rasch, d.h. innerhalb weniger Tage, erhältlich.
Natriuretische Peptide
Dieser Test kann bei der Diagnostik von Herzinsuffizienz helfen, wobei er stets im Zusammenhang mit der Anamnese und dem Status verwendet werden soll. Es gilt: Je höher der gemessene Wert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Herzinsuffizienz vorliegt (Tab. 1). Ein fortgeschrittenes Alter und eine Niereninsuffizienz können die Natriuretischen Peptide erhöhen und die Verlässlichkeit des Testes beeinträchtigen. Bei Patienten mit Adipositas hingegen werden eher tiefere Natriuretische Peptide gemessen als bei Patienten mit Normalgewicht (3, 4).
D-Dimer-Test
Der D-Dimer-Test, hilfreich für den Ausschluss von venösen thromboembolischen Erkrankungen, hilft auch bei der Diagnostik des akuten aortalen Syndroms (AAS), d.h. der Aortendissektion. Besteht keine hohe Vortestwahrscheinlichkeit für ein AAS, so schliesst ein normaler D-Dimer-Test ein akutes aortales Syndrom weitgehend aus (Abb. 2) (5).
Weitere Laboruntersuchungen
Abgesehen vom Troponintest können beim kardiologischen Notfall weitere Laboruntersuchungen sinnvoll sein. Neben dem Blutbild sind dies Werte zur Bestimmung der Nierenfunktion wie Kreatinin, die Elektrolyte, Werte zur Bestimmung der Leberfunktion wie Transaminasen, Bilirubin und INR sowie TSH und CRP. Mit Hilfe dieser Werte können einerseits Alternativdiagnosen gestellt oder vermutet werden, anderseits werden diese Werte gebraucht, um zum Beispiel im Zuge der Therapie einer Herzkrankheit die Auswahl der Medikamente zu machen oder die korrekte Dosis eines Medikaments zu bestimmen.
Nitroglycerin
Nitroglycerin eignet sich nicht als Test zur Diagnostik bei akuten Thoraxschmerzen, weil die Besserung von Thoraxschmerzen auf Nitroglycerin kein spezifisches Zeichen für ein ACS ist (6).
Therapieplan
Konnte die Diagnose zu diesem Zeitpunkt bereits bestimmt werden, wird ein Therapieplan erstellt.
ACS
Beim ACS ist dies die Revaskularisation der Koronararterien. Im Falle eines STEMI die sofortige Revaskularisation, was die Überwachung des Patienten und die unverzügliche Zuweisung zur Koronarangiographie an ein entsprechendes Zentrum erfordert. Im Falle eines Non-STEMI sollte die Koronarangiographie innert 24 Stunden stattfinden und der Patient bis zu diesem Zeitpunkt überwacht werden (2).
Der lokale Rettungsdienst (Telefonnummer 144) ist rasch vor Ort in der Praxis und erfahrungsgemäss bei der Auswahl eines entsprechenden Zentrums behilflich.
Sauerstoff ist Patienten mit einer reduzierten peripheren Sauerstoffsättigung (SO2 < 90 %) vorbehalten. Intravenöse Opiate (z. B. Morphin 1–3 mg als Bolus i.v.) können schmerzlindernd und anxiolytisch wirken. Eine antiischämische Therapie mit Nitroglycerin (Spray 1–3 Hübe oder Nitroglycerinkapsel) kann schmerzlindernd wirken und bewährt sich vor allem bei hypertensiven Patienten. Patienten mit Hypotonie sollten keine Nitrate erhalten. Aspirin (150–300 mg p.o. oder 500 mg i. v.) soll noch vor Ort appliziert werden, hingegen wird die Gabe von anderen Plättchenhemmern (P2Y12-Rezeptor-Blocker) vor der Koronarangiographie nicht empfohlen.
Hypertensiver Notfall
Definitionsgmäss liegt ein hypertensiver Notfall (engl. hypertensive emergency) vor, wenn der Blutdruck mindestens 180/110 mmHg beträgt und ein Endorganschaden (Gehirn, Herz-Kreislaufsystem oder Nieren) dokumentiert ist. Ein solcher äussert sich z.B. in Atemnot, Kopfschmerzen, Sehstörungen, selten neurologischen Defiziten oder Somnolenz. In dieser Situation ist der Blutdruck rasch zu senken, vorzugsweise mit i.v. applizierten Antihypertensiva in einem Spital. Fehlen solche Symptome, spricht man von hypertensiver Entgleisung (hypertensive urgency) (7). Bei der hypertensiven Entgleisung ist in der Regel keine Hospitalisation nötig. Zur Therapie eignen sich die üblichen Antihypertensiva wie ACE-Hemmer und Kalziumantagonisten, wobei Captopril und Nifedipin am besten untersucht wurden (8). Praktisch sind Nitrate. Nitroglycerinspray, -kapseln und Nitroglycerinpflaster wirken rasch und sind gut zu dosieren. Im Falle des Pflasters kann die Wirkung zudem schnell rückgängig gemacht werden durch das Entfernen desselben, sollte dies wegen einer zu raschen Blutdrucksenkung notwendig sein.
Herzinsuffizienz
Bei der Herzinsuffizienz muss immer die Ursache derselben eruiert werden. Myokardischämie, Rhythmusstörungen, arterielle Hypertonie, Klappenvitien oder Kardiomyopathien zum Beispiel können zu Herzinsuffizienz führen. Im Falle einer Stauung der Halsvene und Ödemen sind Schleifendiuretika (je nach Dringlichkeit z.B. Furosemid 20–40 mg i.v. oder Torasemid 5–20 mg p.o.) fast immer richtig. Oligosymptomatische Patienten oder Patienten, welche notfallmässig erscheinen, obwohl sie bereits seit einiger Zeit Beschwerden haben, können durchaus auch in Zusammenarbeit mit einer kardiologischen Praxis ambulant behandelt werden. Dies erfordert etwas Zeit und Geduld von Seiten des Arztes und des Patienten, müssen solche Patienten doch kurzfristig und regelmässig gesehen werden, um die Abklärung zu begleiten und den Therapieerfolg zu überwachen.
Tachykarde Rhythmusstörungen
Während Schmalkomplextachykardien wie Reentry-Tachykardien und Vorhofflattern fast immer eine Konversion (mit Adenosin i.v. bzw. einer Elektrokardioversion) und eine Rhythmuskontrolle erfordern, kann das tachykarde Vorhofflimmern oft medikamentös in ein normokardes Vorhofflimmern überführt werden (Frequenzkontrolle). Hierfür eignen sich Betablocker gut, z. B. Bisoprolol 2.5 bis 10 mg p.o, allenfalls in Kombination mit sogenannten Nicht-Dihydropyridin-Kalziumangonisten (Verapamil oder Diltiazem) oder Glycosiden (Digoxin). Bis zur kardiologischen Abklärung und allfälligen Konversion kann bereits bei der Diagnosestellung eine Antikoagulation mit einem DOAC begonnen und, falls eine Herzinsuffizienz vorliegt, ein Schleifendiuretikum verschrieben werden.
Bei stabilen Patienten mit regelmässiger Schmalkomplextachykardie ist es nie falsch, vagale Manöver durchzuführen oder Adenosin 6–12 mg i.v. zu applizieren zur Terminierung derselben oder zur Demaskierung eines Vorhofflatterns.
Breitkomplextachykardien weisen auf eine strukturelle Herzerkrankung hin und erfordern in der Regel eine rasche Abklärung und Therapie, weshalb eine unverzügliche Verlegung in ein Spital in der Regel sinnvoll ist.
Bradykarde Rhythmusstörungen
Symptomatische bradykarde Rhythmusstörungen erfordern die rasche Implantation eines Herzschrittmachers, es sei denn, es gibt eine behandelbare Ursache wie eine bradykardisierende Therapie oder eine Niereninsuffizienz mit Elektrolytstörung. Vor jeder Schrittmacherimplantation sollte eine Echokardiographie durchgeführt werden.
Synkopen
Die Anamnese ist das wichtigste Hilfsmittel bei der Abklärung von Synkopen. Diese ist exakt zu erheben und führt bei orthostatischen (z. B. nach dem Aufstehen vom Bett) und neurokardiogenen, d. h. vasovagalen oder situativen Synkopen (z. B. im Rahmen von Schmerzen bzw. der Miktion oder eines Hustens) meistens schon zur Diagnose. Unangekündigte Synkopen («ohne Prodromi»), speziell wenn dabei ernsthafte Verletzungen auftreten, brauchen rasch weitere Abklärungen mittels Langzeit-EKG bzw. eines Loop-Recorders und einer Echokardiographie. Das EKG gibt bereits wichtige Hinweise: Findet sich eine Bradykardie, ein Schenkelblock oder viele Extrasystolen, macht dies die Diagnose einer rhythmogenen Synkope wahrscheinlicher. Die Patienten sollten auf das Autofahren verzichten, bis die in der Regel ambulanten Abklärungen beendet sind, die definitive Diagnose bekannt und das Problem gelöst ist, z. B. mit einem Herzschrittmacher.
Perikarditis und Myokarditis
Die Peri- und Myokarditis sind immunologische Phänomene und treten typischerweise 2–3 Wochen nach einem viralen Infekt auf. Die Anamnese unterscheidet sich bisweilen kaum von derjenigen des ACS.
Die Perikarditis verursacht typischerweise einen lageabhängigen Thoraxschmerz (verstärkt im Liegen, speziell in Links-Seitenlage) und geht mit einem normalen Troponintest einher. Gelegentlich hört man ein Perikardreiben, was knarrend klingt wie das Gehen auf Schnee. Die Therapie ist symptomatisch mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR, z. B. Ibuprofen 4 x 600 mg p.o.) und Colchicin (1 bzw. 2 x 0.5 mg p.o., je nachdem, ob das Körpergewicht unter oder über 70 kg ist). Die Prognose ist gut, Patienten mit Perikarditis werden meist ambulant behandelt (9).
Bei der Myokarditis ist der Troponintest pathologisch erhöht. Die Diagnose der Myokarditis erfordert üblicherweise weitere Tests, neben einer Echokardiographie z.B. ein MRI oder eine Koronarangioraphie zum Ausschluss eines Verschlusses der Koronararterien.
Medikamentennebenwirkungen
Solche sind häufig, auch kardiale, weshalb eine genaue Medikamentenanamnese unumgänglich ist. Speziell bei Hypotonie (Antihypertensiva), Hypertonie (NSAR, Steroide z. B.) und Rhythmusstörungen (Antiarrhythmika, Psychopharmaka) ist an eine der genannten Substanzklassen zu denken.
Nicht-kardiale Diagnosen
Speziell Asthma bronchiale und Dyspepsie sind häufige Erkrankungen und manifestieren sich oft ähnlich wie kardiale Erkrankungen. Auch sog. «muskuloskelettale» Syndrome sind häufig und lassen sich vom geübten Praktiker von kardialen Syndromen differenzieren. Es lohnt sich, die Differentialdiagnose bei Notfällen weit zu fassen und die Verdachtsdiagnose immer wieder zu hinterfragen.
Unklare Beschwerden
Nicht selten kann trotz der oben genannten Abklärungen keine spezifische Diagnose gestellt werden. Konnten die oben genannten Krankheiten ausgeschlossen werden, handelt es sich prinzipiell um ein günstiges Phänomen, und der Patient kann beruhigt werden. Eine Folgekonsultation ist dann sinnvoll, um über den Verlauf zu erfahren und ggf. weitere Abklärungen zu machen.
Spezifische Bedingungen
Es ist nützlich, das Risiko zu kennen, das die verschiedenen spezifischenBedingungen mit sich bringen.
Alter:
Generell gilt, dass das kardiovaskuläre Risiko mit dem Alter steigt. Alte Leute haben ein höheres Risiko als junge Leute und erfordern besondere Aufmerksamkeit.
Bei Frauen:
Patientinnen haben bekanntermassen nicht nur andere Krankheiten als Patienten, sondern auch andere Manifestationen der gleichen Erkrankungen. Besonders beim ACS sind sogenannte atypische Manifestationen häufig. Frauen werden auch häufiger als Männer unterdiagnostiziert (10).
Frauen vor der Menopause sind weitgehend vor Myokardinfarkt geschützt, ein ACS ist bei ihnen sehr selten. Nach der Menopause gleicht sich das Risiko der Frauen demjenigen der Männer an.
Ein spezieller Risikofaktor für die koronare Herzerkrankung und Klappenerkrankungen ist die Bestrahlung der linken Brust, weshalb diese Information bekannt sein muss (11). Rhythmusstörungen, eine arterielle Hypertonie, Kardiomyopathien und auch Koronardissektionen treten bei Schwangeren häufiger auf als bei Nicht-Schwangeren (12).
Psychiatrische Patienten
Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen erfordern besondere Aufmerksamkeit, weil die Anamnese bisweilen erschwert ist. Psychiatrische Leiden gelten zudem als Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen (13).
Zusammenarbeit mit dem Spezialisten
Tipp: Die Zusammenarbeit mit einem Kardiologen des Vertrauens erleichtert dem Grundversorger die Arbeit und macht die Abläufe effizient. Mit den heutigen Kommunikationswegen ist es auch kein Problem mehr, einen Befund rasch auszutauschen, um einen konsiliarischen Rat zeitnah einzuholen.
Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Sparen Sie nicht bei der Anamnese.
Erheben Sie den Status korrekt: Blutdruckmessung beidseits, Herzauskultation im Liegen und im Sitzen, Halsvene im Liegen und bei 45°.
Fassen Sie die Differentialdiagnose anfänglich weit und hinterfragen Sie die Verdachtsdiagnose.
Verlegen Sie instabile Patienten rasch. Bei allen anderen haben Sie Zeit für eine Diagnostik und um einen, meist ambulanten, Therapieplan zu erstellen.
Suchen Sie sich eine Kardiologin/einen Kardiologen des Vertrauens für eine unkomplizierte Zusammenarbeit.
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Die Sarkopenie ist ein multifaktorielles geriatrisches Syndrom, das mit einem Gebrechlichkeitssyndrom, dem Verlust der funktionellen Unabhängigkeit und einem erhöhten Risiko für medizinische Komplikationen, Hospitalisierung und Mortalität einhergeht. Die frühzeitige Erkennung von Patienten, bei denen das Risiko einer Sarkopenie besteht oder die bereits sarkopenisch sind, ermöglicht es, Massnahmen zu ergreifen, um das Auftreten einer Sarkopenie zu verhindern oder ihr Fortschreiten zu verlangsamen. Es ist daher wichtig, dass Geriater, aber auch alle anderen Ärzte der Grundversorgung, dieses Syndrom erkennen können, damit die Patienten eine angemessene multidisziplinäre Behandlung erhalten.
Sarcopenia is a multifactorial geriatric syndrome, strictly associated to the development of frailty, to the loss of functional independence, to an increasing risk of medical complications, hospitalisation and mortality. The early identification of patients at risk of developing the disease and of the sarcopenic ones leads to setting up therapeutical strategies to avoid or slow down its progression. Therefore, it’ s crucial that not only geriatricians, but also primary care physicians detect this syndrome, so that patients could benefit from the appropriate multidisciplinary approach. Keywords: sarcopenia, diagnostic criteria, multidisciplinary approach, physical exercise, nutritional strategies
Die Sarkopenie ist durch einen fortschreitenden Verlust an Kraft und körperlicher Leistungsfähigkei gekennzeichnet, der mit einer Abnahme der Muskelmasse einhergeht (1, 2). Bei geriatrischen Patienten wird die Sarkopenie mit der Entwicklung eines fragilen Phänotyps assoziiert (3, 4), der mindestens drei der folgenden Kriterien umfasst: ungewollter Gewichtsverlust, Müdigkeit, Muskelschwäche, verminderte körperliche Leistungsfähigkeit und vermindertes Aktivitätsniveau (3, 5).
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Sarkopenie dramatische Auswirkungen auf die Abnahme der funktionellen Reserve hat, d.h. auf die Fähigkeit des Körpers, ein akutes Ereignis zu bewältigen und sich davon zu erholen (6, 7). Sarkopenie erhöht das Risiko für den Verlust der Unabhängigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (8, 9), für Stürze (10, 11) und für die Gesamtmortalität (12). Folglich haben Patienten mit Sarkopenie ein erhöhtes Risiko für Krankenhauseinweisungen, Komplikationen, verlängerte Krankenhausaufenthalte und Heimeinweisungen, was sich wiederum negativ auf die Lebensqualität der Patienten und die Gesundheitskosten auswirkt (13–15). Die Erkennung und Verlangsamung des Auftretens von Sarkopenie bei älteren Menschen stellt daher eine wichtige Herausforderung für Geriater und Hausärzte dar.
Epidemiologie
Die Daten zur Prävalenz der Sarkopenie sind sehr heterogen, was zum Teil auf die unterschiedlichen Diagnosekriterien und Methoden zur Schätzung der fettfreien Körpermasse in den verschiedenen Studien zurückzuführen ist. Im Jahr 2019 hat die EWGSOP2 (European Working Group on Sarcopenia in Older People 2) jedoch einen Konsens über die Definition der Sarkopenie und klare diagnostische Kriterien festgelegt (1). Nach diesen neuen Kriterien schwankt die Prävalenz der Sarkopenie zwischen 10 und 27 % der Allgemeinbevölkerung im geriatrischen Alter (16). Bestimmte Patientengruppen wie Diabetiker (17), Patienten mit neurokognitiven Störungen (18), chronischer Niereninsuffizienz (19), Leberinsuffizienz (20) und Patienten mit neoplastischen Erkrankungen (21) weisen eine deutlich höhere Prävalenz der Sarkopenie auf, die bei Patienten mit nicht reseziertem Ösophaguskarzinom bis zu 66 % betragen kann (22). In der institutionalisierten Bevölkerung ist die Prävalenz dieses geriatrischen Syndroms viel höher und kann bis zu 51 % der Männer in Pflegeheimen betreffen (23).
Pathogenese
Das Altern ist physiologisch mit einer Abnahme der Muskelmasse verbunden, die nach dem 40. Lebensjahr auf 8 % pro 10 Jahre und nach dem 70. Lebensjahr auf 15 % pro 10 Jahre geschätzt wird (24). Wie bereits erwähnt, können schwere systemische Erkrankungen wie Krebs oder schwere Organinsuffizienzen zur Entwicklung einer Sarkopenie beitragen. In diesem Zusammenhang wird die Sarkopenie als sekundär definiert und ist Teil des Anorexie-Kachexie-Syndroms, das typisch für Erkrankungen im Endstadium ist und den Zellabbau und damit den Gewichtsverlust und den Verlust an fettfreier Masse begünstigt (25). In den meisten Fällen ist es jedoch nicht möglich, eine eindeutige Ursache für die Sarkopenie zu identifizieren, da die Pathogenese sehr komplex ist und mehrere intrinsische und extrinsische Faktoren eine Rolle spielen (Abb. 1). Die wichtigsten intrinsischen Faktoren sind die Abnahme anaboler Hormone wie Testosteron, Östrogen und IGF1 (26, 27), die erhöhte Aktivität proinflammatorischer Zytokine (28) und die mitochondriale Dysfunktion, die zur Apoptose von Muskelfasern durch oxidativen Stress aufgrund der Anhäufung freier Radikale führt (29). Es gibt auch Hinweise auf eine genetische Prädisposition für Sarkopenie (30). Unter den extrinsischen Faktoren spielen körperliche Inaktivität und eine unzureichende Protein- und Energiezufuhr eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer Sarkopenie (31, 32). Sarkopenie ist in der Regel eine chronische Erkrankung. Nach einem Krankenhausaufenthalt oder einer mehrtägigen Bettlägerigkeit ist die Muskelproteinsynthese bei älteren Menschen jedoch um 30 % reduziert, wobei innerhalb von drei Tagen ein Kilogramm Muskelmasse verloren geht: Jedes akute Ereignis kann daher die Situation verschlimmern und bei Risikopersonen zur Entwicklung einer ausgeprägten Sarkopenie führen (33).
Diagnosekriterien
Nach EWGSOP2 gilt eine Sarkopenie als wahrscheinlich, wenn eine Abnahme der Muskelkraft vorliegt und durch den Nachweis einer quantitativen und/oder qualitativen Abnahme der Muskelmasse bestätigt wird. Der Schweregrad der Sarkopenie wird anhand der Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit definiert (1) (Abb. 2). Genauer gesagt wird die Früherkennung mit dem SARC-F-Tool durchgeführt: Dabei handelt es sich um einen kurzen Fragebogen zur Selbstbeurteilung, der den Patienten vorgelegt wird und die Anzahl der Stürze in den letzten 12 Monaten sowie das Vorhandensein von Kraftverlust und Schwierigkeiten beim Gehen, Aufstehen von einem Stuhl und Treppensteigen erfasst. Ein Wert von 4 oder mehr weist auf eine mögliche Sarkopenie hin (1, 34).
Bei Patienten mit einem positiven Screening-Ergebnis kann die Muskelkraft geschätzt werden:
• Die Muskelkraft wird durch Messung der Griffkraft der dominanten Hand mit einem Jamar-Dynamometer bestimmt. Die Ergebnisse gelten als pathologisch, wenn die Griffkraft bei Männern unter 27 kg und bei Frauen unter 16 kg liegt (1, 35). Die Griffkraft korreliert mit der Kraft anderer Muskelgruppen des Körpers und kann sowohl im Krankenhaus als auch in der ambulanten Versorgung leicht gemessen werden (36).
• Alternativ kann der Stuhltest verwendet werden, bei dem die Patienten gebeten werden, fünfmal ohne Zuhilfenahme der Arme von einem Stuhl aufzustehen. Der Untersucher notiert die Zeit, die die Person für die fünf Wiederholungen benötigt (1, 37).
Bei nachgewiesenem Kraftdefizit ist eine quantitative Beurteilung der Muskelmasse erforderlich:
• MRT und CT gelten als «Goldstandard» für die direkte Beurteilung der Muskelmasse, können jedoch aufgrund ihrer hohen Kosten und der Notwendigkeit hochspezialisierten Personals zur Auswertung der Ergebnisse nicht regelmässig in der klinischen Praxis eingesetzt werden (38). Darüber hinaus schränkt das Fehlen eines eindeutigen Schwellenwerts für die Definition von Sarkopenie die Anwendung dieser beiden Methoden weiter ein.
• Die Ganzkörper-Densitometrie (DXA = Dual-energy X-ray absorptiometry) ist ebenfalls eine gute Beurteilungsmethode, da sie nicht invasiv und kostengünstiger als MRT oder CT ist. Allerdings liefern die verschiedenen DXA-Messgeräte nicht vollständig übereinstimmende Ergebnisse, weshalb es wichtig ist, für alle Messungen dasselbe Gerät zu verwenden (38, 39).
• Die Bioimpedanzanalyse (BIA = Bioelectrical Impedance Analysis) misst den Widerstand von biologischem Gewebe durch Anlegen eines sinusförmigen Stroms geringer Intensität. Sie erlaubt daher keine direkte Messung der Muskelmasse, kann aber mit Hilfe eines Algorithmus die Muskelmasse aufgrund der elektrischen Leitfähigkeit des Gewebes indirekt schätzen (40). Die Geräte für die BIA sind kostengünstig und leicht zu transportieren, so dass die Messungen am Krankenbett durchgeführt werden können. Wie bei der DXA gibt es gewisse Abweichungen zwischen den einzelnen Geräten, und die Schwellenwerte variieren je nach untersuchter Population (41). Ausserdem kann ein Zustand der Hyper- oder Hypohydratation die Ergebnisse dieser Analyse verfälschen (38).
Da die Muskelmasse mit der Körpergrösse korreliert, müssen die Ergebnisse von BIA und DXA unter Berücksichtigung der Körpergrösse oder des BMI korrigiert werden. Die Grenzwerte für die Definition einer Sarkopenie liegen daher bei < 7.0 kg/m² für Männer und < 5.5 kg/m² für Frauen (1). Bei nachgewiesener Sarkopenie empfiehlt der Konsens, dass die körperliche Leistungsfähigkeit z. B. anhand einer Abnahme der Gehgeschwindigkeit über 4 m (≤ 0.8 m/s), anhand des Time-Up and Go Tests (TUG) (≥ 20 s), anhand der Short Physical Performance Battery (SPPB) (≤ 8 Punkte) oder anhand des 400 m-Gehtests (≥ 6 Minuten) beurteilt werden kann. Bei verminderter körperlicher Leistungsfähigkeit spricht man von schwerer Sarkopenie (1).
Behandlung
Körperliche Aktivität zur Steigerung der Muskelkraft und -ausdauer gilt als Therapie der ersten Wahl bei Sarkopenie (3, 42): Die vorgeschlagene körperliche Aktivität sollte auf der Grundlage der Präferenzen und Ziele jedes Patienten strukturiert werden und sich auf den Erhalt der funktionellen Unabhängigkeit konzentrieren (43). Bei der Auswahl des am besten geeigneten Übungsprogramms kann die Verordnung von Physiotherapie in Betracht gezogen werden. Da geriatrische Patienten häufig eine geringe Compliance bei Bewegungsprogrammen zeigen, könnte die Teilnahme an Gruppensitzungen eine wirksame Option zur Verbesserung der Compliance sein (44).
Eine angemessene Ernährung ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung: Die Deckung des Kalorienbedarfs der Patienten reicht nicht aus, um Muskelabbau zu verhindern. Vielmehr muss auch eine ausreichende Proteinzufuhr gewährleistet sein (45). Physiologisch gesehen nimmt die Synthese von myofibrillärem Protein in der Muskulatur mit zunehmendem Alter ab, so dass eine Proteinzufuhr von 0.8 g/kg/Tag, wie sie üblicherweise für Erwachsene empfohlen wird, möglicherweise nicht ausreicht, um die Muskelmasse zu erhalten. Nach einer neueren Metaanalyse hat eine Proteinzufuhr von 1 g/kg/Tag oder mehr im Vergleich zu einer geringeren Zufuhr einen deutlich protektiven Effekt gegen Muskelabbau (46). Diese Schwelle muss bei erhöhtem Katabolismus oder Mangelernährung überschritten werden. In Studien wurde die Rolle einer Supplementierung mit Vitamin D3, verzweigtkettigen Aminosäuren (insbesondere Leucin, Valin und Isoleucin) oder Molkenprotein bei der Prävention der Entwicklung einer Sarkopenie untersucht (47, 48). Die Kombination einer Vitamin-D-Supplementierung mit verzweigtkettigen Aminosäuren hat nach einer aktuellen Literaturübersicht einen positiven Einfluss auf Muskelmasse, Kraft und körperliche Leistungsfähigkeit (49). Die Kombination einer Nahrungsergänzung mit erhöhter körperlicher Aktivität ist wirksamer als diese beiden Massnahmen allein, um die Kraft der unteren Extremitäten und die Gehgeschwindigkeit zu verbessern (33, 49–51).
Obwohl bei sarkopenischen Patienten häufig ein Abfall des Testosteronspiegels beobachtet wird, gibt es derzeit nur sehr wenig Evidenz, die den Einsatz dieses anabolen Hormons oder selektiver Androgenrezeptor-Modulatoren zur Behandlung dieses Syndroms, insbesondere zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, unterstützt (52–54). Klinische Studien zur Wirkung von Ghrelin, einer Substanz, die die Freisetzung von Wachstumshormon stimuliert, waren ebenfalls nicht aussagekräftig (55).
In jüngster Zeit haben sich mehrere Studien mit den molekularen Mechanismen befasst, die die Proliferation und Differenzierung von Myozyten regulieren. Myostatin gehört zur Familie der transformierenden Wachstumsfaktoren β, wird in Muskelzellen exprimiert und hemmt deren Wachstum und Differenzierung durch Interaktion mit dem Aktivin-Rezeptor 2B (ACVR2B). Monoklonale Antikörper, die entweder Myostatin (z.B. Landogrozumab) oder den Aktivin-Rezeptor ACVR2B (z.B. Bimagrumab) blockieren, sind daher in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt. Phase-2-Studien an geriatrischen Patienten haben einige vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich einer Zunahme der fettfreien Masse gezeigt (56–58). Allerdings sind noch gross angelegte Phase-3-Studien erforderlich, bevor diese Wirkstoffe zur Behandlung der Sarkopenie auf den Markt gebracht werden können.
Copyright
Aerzteverlag medinfo AG
Übersetzung aus la gazette médicale 03/25
Dr. med. Ilaria Mondo
Service de soins palliatifs et de support CHUV
Av. Pierre-Decker 5
1011 Lausanne
Prof. Dr. med. Patrizia D’Amelio
Service de gériatrie et réadaptation gériatrique CHUV
Ch. De Mont-Paisible 16
1011 Lausanne
Die Autorinnen haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Patienten im geriatrischen Alter sollten regelmässig auf Sarkopenie untersucht werden, insbesondere nach akuten schweren Ereignissen.
Die Behandlung der Sarkopenie basiert auf einer Kombination von Ernährungs- und Verhaltensmassnahmen, insbesondere einer protein- und kalorienreichen Ernährung und vermehrter körperlicher Aktivität.
Für den Einsatz pharmakologischer Ansätze zur Behandlung der Sarkopenie gibt es derzeit keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz.
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