Update: Metastasiertes Pankreaskarzinom

Das Pankreaskarzinom zeichnet sich besonders durch seinen aggressiven Verlauf und die schlechte Prognose aus. Die palliative Kombinationschemotherapie stellt weiterhin den Behandlungsstandard beim metastasierten Pankreaskarzinom dar. Mit dem stetig wachsenden Verständnis der Karzinogenese und der Tumorbiologie ergeben sich zunehmend neue Therapiemöglichkeiten.

Pancreatic cancer is characterized by its aggressive course and poor prognosis. Palliative combination chemotherapy still represents the state of the art treatment of patients with metastatic pancreatic cancer. The increasing knowledge on carcinogenesis and tumor biology results in new treatment options.
Key Words: Metastasiertes Pankreaskarzinom; palliative Erstlinientherapie; palliative Zweitlinientherapie; zielgerichtete Therapie

Das Adenokarzinom des Pankreas zeichnet sich durch sein aggressives Wachstumsverhalten und seinen ungünstigen Krankheitsverlauf aus. In der Schweiz verzeichnen wir ca. 1600 Neuerkrankungen und 1400 Todesfälle pro Jahr. Bei Diagnosestellung befindet sich die Hälfte der Patienten im metastasierten Stadium.

Die Prognose des metastasierten duktalen Adenokarzinoms des Pankreas (mPDAC) ist weiterhin sehr schlecht, mit einem medianen Überleben (mOS) unter 12 Monaten. Ursächlich hierfür sind u.a. der initial häufig okkulte Krankheitsverlauf sowie die immunosuppressive Tumorumgebung. Eine Verbesserung des Überlebens konnte durch Kombinationschemotherapien und Optimierung der Supportivmassnahmen erreicht werden. Ein überschau­barer Teil der Patienten profitiert bereits heute von der Suche nach Treibermutationen und neuen Erkenntnissen zu mutierten DNA-Reparaturgenen. Durch ein besseres Verständnis des «tumor microenvironment» und der Rolle des Immunsystems werden sich in der Zukunft weitere therapeutische Ansätze ergeben.

Erstlinientherapie

Mit dem Ziel einer Lebenszeitverlängerung, Symptomkontrolle und möglichst langer Aufrechterhaltung der Lebensqualität ist eine palliative Chemotherapie bei Patienten mit mPDAC in Abhängigkeit des Gesundheitszustandes empfohlen. Der Einsatz der Triplet-Therapie FOLFIRINOX bei Patienten in gutem Allgemeinzustand (ECOG 0-1) basiert auf den Resultaten der PRODIGE-Studie, welche die Kombinationschemotherapie mit Gemcitabin (Gem) verglich (mOS 11.1 vs. 6.8 Monate, HR 0.57 (95% KI 0.45-0.73); p<0.001) (1). Die erhöhte Toxizität der Therapie schränkt den Einsatz bei älteren Patienten und solchen mit reduziertem Allgemeinzustand ein. Eine Alternative stellt der Einsatz des modifizierten (m) FOLFIRINOX dar, wobei Irinotecan in erniedrigter Dosierung (150mg/m2 anstelle 180mg/m2) verabreicht und der 5-FU-Bolus weggelassen wird. In einer Metaanalyse mit 1461 Patienten aus 32 Studien ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied im mOS, mPFS und ORR im Vergleich zu den Daten der PRODIGE-Studie bei besserer Verträglichkeit.

In der MPACT-Studie zeigte nab-Paclitaxel (NabP) in ­Kombination mit Gem vs. Gem alleine ein längeres Gesamtüberleben bei Patienten mit einem ECOG von 0-2 (mOS 8.5 vs. 6.7 Monate, HR 0.72 (95% KI 0.62-0.83); p<0.001) (2). In Entbehrung eines direkten Vergleiches von NabP und Gem mit FOLFIRINOX implizieren retrospektive real-world Daten ein längeres Gesamtüberleben unter der Therapie mit FOLFIRINOX. In der kürzlich am Gastrointestinal Cancers Symposium 2023 vorgestellten Phase III NAPOLI-3 Studie konnte gezeigt werden, dass die Dreierkombination NALIRIFOX (nanoliposomales Irinotecan, 5-FU, Leucovorin (LV) und Oxaliplatin) bei Patienten mit einem ECOG von 0-1 mit einem längeren mOS assoziiert ist als die Zweiertherapie mit Gem und NabP (mOS 11.1 vs. 9.2 Monate, HR 0.83 (95% KI 0.70-0.99); p=0.04). Im NALIRIFOX-Arm war der Anteil an Grad 3-4 gastrointestinaler Toxizität höher als im Gem/NabP-Arm, während mit der Zweiertherapie signifikant mehr Grad 3-4 Neutropenien auftraten (3). Inwiefern NALIRIFOX einen zusätzlichen Benefit gegenüber der kostengünstigeren und bereits etablierten Tripletvariante FOLFIRINOX zeigt, kann nicht beurteilt werden, scheint jedoch eher unwahrscheinlich zu sein.

Eine kleine Phase Ib/II Studie, welche den Einsatz von Cisplatin in Kombination mit Gem und NabP untersuchte, brachte erfolgsversprechende Resultate mit einer ORR von 71% und einem mOS von 16.4 Monaten hervor. Eine weitere Phase Ib/II Studie (GABRINOX) prüfte die Effizienz von Gem und NabP alternierend mit FOLFIRINOX. Diese Kombinationstherapie führte zu einer ORR von 64.9% und einem mOS von 15.1 Monaten. Diese beiden Phase Ib/II Studien zeigen vielversprechende Therapieansätze, die jedoch in dieser Form noch keine Verwendung in der Klinik finden.

In der am ASCO 2022 präsentierten Phase II SEQUENCE Studie war der alternierende Einsatz von Gem und NabP in Kombination mit FOLFOX bei Patienten mit einem ECOG von 0-1 mit einem besseren 1-Jahres OS und mOS assoziiert als die Therapie mit Gem und NabP (55.3% vs. 35.4%; p=0.016 und 13.2 vs. 9.7 Monate, HR 0.68 (95% KI 0.48-0.95); p=0.023) (4). Ob dieser sequentielle Ansatz besser ist als eine upfront FOLFIRINOX Therapie kann nicht beurteilt werden.

Bei älteren Patienten mit mPDAC und einem ECOG Status von 2 besteht die Möglichkeit einer Monotherapie mit Gem. Bei einem ECOG Status >2 ist eine «best supportive care» Strategie angezeigt.

Zusammenfassend implizieren die Studienergebnisse bei «fitten» Patienten eine leichte Überlegenheit einer Mehrfachkombination gegenüber der Zweierkombination Gem/NabP.

Erhaltungstherapie

5-7% der Patienten mit PDAC weisen eine Keimbahnmutation in den Genen der DNA-Reparatur BRCA1/2 oder PALB2 auf. In der POLO Studie konnte gezeigt werden, dass eine Erhaltungstherapie mit Olaparib vs. Placebo nach einer mindestens 4-monatigen platin-basierten Chemotherapie ohne Progression zu einer Verlängerung des mPFS (6.7 vs. 3.7 Monate, HR 0.49 (95% KI 0.33-0.73); p=0.0004), jedoch nicht zu einer Verlängerung des mOS (19.0 vs. 19.2 Monate) führt (5). Einer der Kritikpunkte der Studie ist, dass im Vergleichsarm mit Placebo anstatt einer zytotoxischen Therapie verglichen wurde. In der PRODIGE 35 PANOPTIMOX Phase II Studie war eine Erhaltungstherapie mit 5-FU/LV nach 8 Zyklen Erstlinientherapie mit FOLFIRINOX und Wiederbeginn mit FOLFIRINOX bei Tumorprogression verglichen mit 12 Zyklen FOLFIRINOX mit einem ähnlichen Outcome assoziiert (6 Monate PFS 42.9% vs. 47.1%, mOS 11.2 vs. 10.1 Monate). Das statistische Design der Studie erlaubt jedoch keinen direkten Vergleich der Behandlungsarme. Interessanterweise war der Anteil an Grad 3-4 Neurotoxizität höher im Erhaltungstherapie-Arm als im FOLFIRINOX-Arm. Dies könnte am ehesten auf die höhere kumulative Oxaliplatin-Dosis im Erhaltungstherapie-Arm zurückzuführen sein.

Zweitlinienchemotherapie

Bei weniger als der Hälfte der Patienten erlaubt der Gesundheitszustand nach Progression unter der Erstlinientherapie die Evaluation einer Zweitlinientherapie. Die Datenlage hierzu ist jedoch spärlich. Nach Progression unter FOLFIRINOX kann eine Therapie mit Gem +/- NabP erfolgen. In einer retrospektiven, multizentrischen real-world Studie konnte nach Progression unter FOLFIRINOX mit Gem/NabP ein statistisch signifikant längeres mOS verzeichnet werden als mit Gem alleine (7.1 vs. 4.7 Monate, HR 0.67 (95% KI 0.53-0.86). Interessanterweise zeigte sich in der kürzlich am ESMO 2022 präsentierten Phase III GEMPAX Studie nach Progression unter FOLFIRINOX kein Unterschied im mOS zwischen Gem und Gem/Paclitaxel(P) (5.9 vs. 6.4 Monate, p=0.41). Hier wurde jedoch anstelle von Gem/NabP mit Gem/P verglichen.

Nach Progression unter einer gemcitabinhaltigen Erstlinientherapie konnte die Phase III NAPOLI-1 Studie aufzeigen, dass der Einsatz von nanoliposomalem Irinotecan in Kombination mit 5-FU mit einem längeren OS assoziiert ist als eine Therapie mit 5-FU/LV alleine (mOS 6.2 vs. 4.2 Monate, HR 0.75 (95% KI 0.57-0.99); p=0.039) (6). Alternativ kann eine oxaliplatin-basierte Chemotherapie (OFF respektive FOLFOX) erfolgen. Diesbezüglich zeigte die Phase III CONKO-003 Studie, dass eine Therapie mit 5-FU und Oxaliplatin (OFF) vs. 5-FU/LV mit einem längeren mOS assoziiert ist (5.9 vs. 3.3 Monate, HR 0.66 (95% KI 0.48-0.91); p=0.010).

Eine kleine Phase II Studie (RUCAPANC) zeigte, dass der PARP-Inhibitor Rucaparib nach Progression unter platin-basierter Chemotherapie bei BRCA1/2-mutierten lokal fortgeschrittenen PDAC oder mPDAC nicht effizient ist.

Potentiell prädiktive Marker für eine platinhaltige Chemotherapie

Mutationen in Genen, die an der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) beteiligt sind (BRCA, PALB2 etc.) verfügen über eine gesteigerte Chemosensitivität für platinhaltige Systemtherapien. In retrospektiven Studien konnte bei Patienten mit mPDAC, die Mutationen in HRR relevanten Genen aufwiesen, unter einer Therapie mit FOLFIRINOX ein verlängertes OS beobachtet werden. Eine Phase II Studie, die bei lokal fortgeschrittenen und mPDAC mit BRCA und PALPB2 Keimbahnmutationen Cisplatin/Gem +/- einem PARP-Inhibitor prüfte, zeigte zwar kein längeres OS mit der Hinzugabe von Veliparib, jedoch insgesamt hervorragende OS Daten beim Einsatz der platin-basierten Chemotherapie (15.5 vs. 16.4 Monate, p=0.6).

Immuntherapie und Anti-Tumorstroma-Therapie

Während die Einführung der Immuncheckpoint-Inhibitoren einen grossen Fortschritt in der Behandlung diverser Krebsarten bedeutete, spielt die Immuntherapie bei Patienten mit mPDAC weiterhin eine untergeordnete Rolle. Bei mPDAC mit einer Mismatch Repair-Defizienz (dMMR) / hoher Mikrosatelliteninstabilität (ca. 1%) kann ab der 2. Therapielinie Pembrolizumab eingesetzt werden, wobei in der Phase II KEYNOTE-158 Studie die Ansprechrate mit 18.2% relativ tief und das mPFS sowie das mOS mit 2.1 respektive 4.0 Monaten kurz ausfielen (7). Die Kombination von Nivolumab mit Gem und NabP führte in der mehrarmigen Phase II PRINCE Studie zu einem 1-Jahres OS von 57.7%. Verglichen wurde mit den historischen Daten der MPACT Studie, in welcher das 1-Jahres OS mit Gem/NabP 35% betrug (p=0.006). Eine Phase III Studie zum Einsatz des PD-1-Antikörpers Sintilimab in Kombination mit mFOLFIRINOX blieb im Vergleich zu mFOLFIRINOX ohne Nachweis eines OS-Benefits. Ein möglicher Erklärungsansatz für die bisher beobachtete eingeschränkte Wirksamkeit der Immuntherapie bei Patienten mit mPDAC liegt in der Zusammensetzung des Tumorstromas des Pankreaskarzinoms, welches sich durch seine hohe Dichte und die Infiltration durch immunsuppressive Zellen auszeichnet.
Eine Phase III Studie zum Einsatz von pegylierter Hyaluronidase mit dem Ziel die Dichte des Tumorstromas zu reduzieren und die Penetranz der Chemotherapeutika zu erhöhen in Kombination mit NabP und Gem führte im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie zu keiner Verlängerung des mOS (11.2 vs. 11.5 Monate).

Zielgerichtete Therapie (Tab. 1)

Mit einer Prävalenz von über 90% bilden Mutationen im KRAS-Gen die häufigsten genetischen Alterationen des Pankreaskarzinoms. Mit Einführung der Wirkstoffe Sotorasib und Adagrasib ergaben sich neue Therapiemöglichkeiten bei Vorliegen einer KRAS G12C Mutation, welche beim Pankreaskarzinom in geringer Anzahl vorkommt (ca. 1-2%). In der KRYSTAL-1 Studie führte Adagrasib in vorbehandelten Patienten mit mPDAC und einer KRAS G12C Mutation zu einer ORR von 50%. Etwas weniger deutlich fiel das Ansprechen mit Sotorasib in der Phase I/II CodeBreaK100 Studie aus mit einer ORR von 21% (8). Studien zur zielgerichteten Therapie anderer KRAS-Mutationen (KRAS G12D/G12V) beim mPDAC sind derzeit im Gange.

In einer Phase I/II Basket-Studie führte der Einsatz von Pralsetinib bei Patienten mit mPDAC und einer RET-Fusion (ca. 1%) zu einem Ansprechen bei allen 4 Patienten (ORR 100%) inkl. einer kompletten Remission (9). Ebenfalls selten (<1%) ist das Vorliegen einer NRG1-Fusion bei KRASwt mPDAC. Der Einsatz des bispezifischen Antikörpers Zenocutuzumab führte in einer Phase II Basket-Studie zu einer ORR von 42% (8/19 Patienten) bei Patienten mit mPDAC. Doebele et al. rapportierten für Patienten mit mPDAC und einer NTRK-Fusion (<1%) mit dem Einsatz von Entrectinib eine ORR von 67% (10). Die Phase II Destiny-PanTumor02 Studie testet zur Zeit den Einsatz von Trastuzumab deruxtecan bei HER2 exprimierenden soliden Tumoren, unter anderem auch bei Patienten mit mPDAC. Eine weitere Phase II Studie prüft aktuell eine Kombinationstherapie mit Binimetinib (MEK-Inhibitor) und Encorafenib (BRAF-Inhibitor) u.a. auch bei Patienten mit vorbehandelten BRAF V600E mutierten mPDAC.

Dr. med. Lorenz Frehner

Inselspital, Universitätsspital Bern,
Universitätsklinik für Medizinische Onkologie
3010 Bern

Prof. Dr. med. Martin D. Berger

Inselspital, Universitätsspital Bern,
Universitätsklinik für Medizinische Onkologie
3010 Bern

Die Autoren haben keinen Interessenskonflikt
in Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Chemotherapie ist weiterhin die initiale Standardtherapie
bei Patienten mit mPDAC.
◆ Next Generation Sequencing (NGS) ermöglicht es genetische
Alterationen zu identifizieren, die ev. in weiteren Therapielinien
zielgerichtet angegangen werden können.
◆ Das Pankreaskarzinom zeichnet sich durch seine stromareiche und immunosuppressive Tumormikroumgebung aus.
◆ Im Gegensatz zu anderen soliden Tumoren spielt die Immuncheckpoint Therapie im Behandlungsalgorithmus beim MSS mPDAC noch keine Rolle.
◆ Vorbehandelte Patienten, deren Tumor eine KRAS G12C Mutation aufweist, können vom Einsatz von Tyrosinkinase-Inhibitoren profitieren.

1. Conroy T, Desseigne F, Ychou M et al. FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med. 2011;364(19):1817-1825.
2. Von Hoff DD, Ervin T, Arena FP et al. Increased Survival in Pancreatic Cancer with nab-Paclitaxel plus Gemcitabine. N Engl J Med. 2013;369(18):1691-1703.
3. Weinberg ZA, Melisi D, Macarulla T et al. NAPOLI-3: A randomized, open-label phase 3 study of liposomal irinotecan + 5-fluorouracil/leucovorin + oxaliplatin (NALIRIFOX) versus nab-paclitaxel + gemcitabine in treatment-naïve patients with metastatic pancreatic ductal adenocarcinoma (mPDAC). J Clin Oncol 2023;41:suppl 4; abstr LBA661
4. Carrato A, Pazo-Cid R, Macarulla T et al. Sequential nab-paclitaxel/gemcitabine followed by modified FOLFOX for first-line metastatic pancreatic cancer: The SEQUENCE trial. J Clin Oncol 2022;40:16_suppl:4022
5. Kindler HL, Hammel P, Reni M et al. Overall Survival Results From the POLO Trial: A Phase III Study of Active Maintenance Olaparib Versus Placebo for Germline BRCA-Mutated Metastatic Pancreatic Cancer. J Clin Oncol. 2022;40(34):3929-3939.
6. Wang-Gillam A, Hubner RA, Siveke JT et al. NAPOLI-1 phase 3 study of liposomal irinotecan in metastatic pancreatic cancer: Final overall survival analysis and characteristics of long-term survivors. Eur J Cancer. 2019;108:78-87.
7. Marabelle A, Le DT, Ascierto PA et al. Efficacy of Pembrolizumab in Patients with Noncolorectal High Microsatellite Instability/Mismatch Repair-Deficient Cancer: Results from the Phase II KEYNOTE-158 Study. J Clin Oncol. 2020;38(1):1-10.
8. Strickler JH, Satake H, George TJ et al. Sotorasib in KRAS p.G12C–Mutated Advanced Pancreatic Cancer. N Engl J Med. 2023;388(1):33-43.
9. Subbiah V, Cassier PA, Siena S et al. Pan-cancer efficacy of pralsetinib in patients with RET fusion-positive solid tumors from the phase 1/2 ARROW trial. Nat Med. 2022;28(8):1640-1645.
10. Doebele RC, Drilon A, Paz-Ares L et al. Entrectinib in patients with advanced or metastatic NTRK fusion-positive solid tumours: integrated analysis of three phase 1–2 trials. Lancet Oncol. 2020;21(2):271-282.

Modernes Management von Keimzelltumoren des Hodens im Stadium II

Die häufigste maligne Erkrankung bei Männern im Alter von 20 bis 40 Jahren sind Hodentumore. Knapp 500 Männer erkranken pro Jahr an einem Hodentumor in der Schweiz, was ungefähr 1% aller malignen Erkrankungen entspricht (1). Keimzelltumoren des Hodens machen 95% aller Hodentumoren aus und werden in Seminome und Nicht-Seminome unterteilt. Weitere Histologen, wie Sertolizell-Tumoren oder Sarkome, machen weniger als 5% aus. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten dieser Tumorarten.

The most common malignant disease in men aged 20 to 40 years is testicular tumor. Just under 500 men develop a testicular tumor each year in Switzerland, representing approximately 1% of all malignancies (1). Germ cell tumors of the testis account for 95% of all testicular tumors and are divided into seminomas and non-seminomas. Other histologic types, such as sertoli cell tumors or sarcomas, account for less than 5%. This article provides an overview of the treatment options for these tumor types.
Key Words: testicular tumor, germ cell tumors, seminomas, non-seminomas.

In der Schweiz werden etwa 80% der Seminome und 50% der Nicht-Seminome im Stadium I diagnostiziert, d.h. die Tumorerkrankung ist klinisch auf den Hoden begrenzt (2). Nach der Entfernung des Hodens werden je nach Risikoeinteilung entweder eine aktive Überwachung (active surveillance) oder eine adjuvante Chemotherapie empfohlen.

Bei Diagnosestellung liegt in etwa 10% der Seminome und 25% der Nicht-Seminome ein Stadium II mit Metastasen in Lymphknoten (LK) unterhalb des Zwerchfells vor, wobei am häufigsten das Retroperitoneum betroffen ist. Abhängig von der Grösse der LK Metastasen erfolgt eine Einteilung in Stadium IIA (≤2 cm), IIB (2-5 cm) oder IIC (>5 cm). Das Stadium II ist insofern sehr heterogen, als es ein grosses Spektrum beinhaltet, das von einer einzelnen LK Metastase von 1,1 cm bis zu mehreren grossen LK Metastasen reicht.

Mit der Zunahme der aktiven Überwachung im Stadium I wächst die Zahl der Patienten, die mit einem Rezidiv in der Nachsorge auffallen. Wenn dies früh diagnostiziert wird, entspricht es meist einem Stadium II. Diese Patienten mit einem Rezidiv werden genauso wie Patienten mit einem de-novo Stadium II behandelt.

Eine besondere Herausforderung stellt die korrekte Diagnose des Stadiums IIA dar. Kleine, unspezifisch reaktiv vergrösserte LK im Retroperitoneum können den falschen Eindruck einer Metastasierung erwecken und zu einer Übertherapie führen. Falls die Tumormarker negativ sind, sollte in dieser Situation keine Therapieentscheidung getroffen werden. Stattdessen wird eine Verlaufskontrolle mittels Bildgebung in etwa 8 Wochen empfohlen. Nur bei eindeutiger Progression kann von einem Stadium II gesprochen werden. Im Zweifelsfall ist eine Biopsie notwendig. Die Durchführung eines PET CT bringt keine zusätzlichen Erkenntnisse und sollte unterlassen werden. Neue Tumormarker für die korrekte Stadieneinteilung und Therapieüberwachung könnten zukünftig hilfreich sein. Am erfolgversprechendsten erscheint die MicroRNA-371a-3p (3). Dieser wird auch in der Schweiz in einer prospektiven Studie geprüft (SAG TCCS), ist aber für den klinischen Einsatz noch nicht bereit.

Seminom Stadium II

Patienten mit einem Stadium IIA/B Seminom können entweder mit einer paraaortalen und pelvinen Radiotherapie mit 30Gy (Stadium IIA) / 36 Gy (Stadium IIB) oder einer Polychemotherapie mit 3 Zyklen Cisplatin, Etoposid, Bleomycin (BEP) bzw. 4 Zyklen Cisplatin, Etoposid (EP) behandelt werden (4). Die Heilungsrate mit nur einer dieser Modalitäten liegt bei über 90%. Die Radiotherapie kommt eher im Stadium IIA zum Einsatz, die Chemotherapie wird im Stadium IIB präferiert. Die wenigen Rezidive zeigen sich nach Radiotherapie ausserhalb des bestrahlten Gebiets (media­stinal, Lunge) bzw. primär im Retroperitoneum nach Chemotherapie. Patienten mit einem Stadium IIC erhalten immer eine Polychemotherapie mit 3 x BEP oder 4 x EP, eine Radiotherapie ist aufgrund der hohen Gefahr von weiteren Fernmetastasen nicht zielführend.

Sollten nach erfolgter Therapie noch Restbefunde vorliegen, ist folgendes Vorgehen empfohlen: bei Restbefunden < 3 cm darf von alleiniger Nekrose ausgegangen werden und der Patient geht in die Nachsorge. Bei Restbefunden > 3 cm ist der Stellenwert der Fluor-18-Deoxyglucose Positronen-Emissions-Tomographie (FDG-PET) umstritten (5). Empfohlen werden primär bildgebende Kontrollen mittels CT. Bei Grössenkonstanz bzw. Regredienz der Befunde erfolgen weitere Verlaufskontrollen. Einzig bei Progress sollte eine weiterführende Therapie mit einem spezialisierten Zentrum besprochen werden.

In den letzten Jahren wurden verschiedene neue Ansätze zur Therapieoptimierung beim Seminom Stadium IIA und IIB unternommen. Ziel dabei war es, die Kurzzeit- und Langzeittoxizitäten der Standardtherapie zu minimieren bei unverändert gutem Outcome.

Eine primäre retroperitoneale Lymphadenektomie (RLA) zur Vermeidung jeglicher Strahlen- und Chemotherapie wurde in mehreren kleinen prospektiven Studien beim limitiert metastasierten Seminom (IIA und ausgewählt IIB bis ≤ 3 cm) untersucht (6). Technisch ist die RLA in erfahrenen Händen machbar und mit niedrigen Toxizitätsraten verbunden. Die Nachbeobachtungszeit der Studien ist bislang mit etwa 2 Jahren noch recht kurz, so dass keine Aussage zur Langzeiteffektivität getroffen werden kann. Die Rezidivrate liegt bei mindestens 20%, mit längerer Nachbeobachtung sogar bei 30% (7). Die Aufarbeitung der Resektate zeigte, dass bei bis zu 20% der Patienten gar kein Stadium II vorlag (pN0), was gewisse Zweifel bezüglich der Patientenselektion aufwirft und erneut die Wichtigkeit der Wiederholung der Bildgebung vor therapeutischen Entscheidungen unterstreicht (8). Ausserhalb von Studien wird die RLA nicht empfohlen.

Die französische SEMITEP-Studie hat eine Deeskalation der Chemotherapie basierend auf einem Zwischenstaging mit FDG-PET getestet (9). Patienten erhielten zunächst 2 x EP und wurden bei Ansprechen nur noch mit 1 Zyklus Carboplatin AUC7 behandelt. Bei fehlender Response erhielten sie die komplette Standard-Chemotherapie mit weiteren 2 x EP. In der Studie wurden Patienten mit einem Seminom im Stadium IIA-III, schwerpunktmässig IIB, eingeschlossen. Knapp 70% der Patienten hatten eine gute Response nach 2 x EP und wurden deeskaliert behandelt, die 3-Jahres-Rezidivrate lag bei ca. 10%. Aufgrund der knappen Nachbeobachtungszeit und der Studienmethodik hat dieses Vorgehen noch keinen Einzug in die Praxis gefunden. Die Strategie wird aktuell in der Nachfolgestudie EDEN (NCT05529251) weiterverfolgt.

Die schweizerisch-deutsche Studie SAKK 01/10 untersuchte die Kombination aus 1 Zyklus Carboplatin AUC7 und 30 Gy (IIA) oder 36 Gy (IIB) einer reduzierten «involved-node» Radiotherapie (10). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,5 Jahren lag die 3-Jahres-Rezidivrate bei 7%, Rezidive traten v.a. im Stadium IIB auf und konnten alle mit einer Standardchemotherapie erfolgreich behandelt werden. Die Verträglichkeit der Behandlung war exzellent; mehr als die Hälfte der Patienten entwickelten keinerlei Nebenwirkungen der Therapie und bislang sind auch keine Spätkomplikationen aufgetreten. Das Konzept wird in der aktuell laufenden Studie SAKK 01/18 (NCT03937843) weiterverfolgt.

Nicht-Seminom Stadium II

Bei den Nicht-Seminomen im Stadium II wird grundsätzlich eine Polychemotherapie basierend auf der Risikogruppeneinteilung gemäss IGCCCG empfohlen. Diskussionslos ist dies bei Patienten mit erhöhten und steigenden Tumormarkern der Fall, unabhängig von der Grösse der LK Metastasen. Die meisten Patienten sind dabei aufgrund der zumeist tiefen Tumormarkern in der «good prognosis group» und erhalten daher 3 x BEP oder 4 x EP. Die Heilungsrate beträgt > 95% (4).

Eine Besonderheit stellen Patienten mit negativen Tumormarkern nach Entfernung des Primärtumors und Vorliegen von möglichen LK-Metastasen dar. Entscheidend ist auch hier, dass bei Tumor­marker-negativen Patienten mit gering vergrösserten retroperitonealen LK keine überstürzten Entscheidungen getroffen werden. Primär ist eine bildgebende Verlaufskontrolle in 8 Wochen vorzunehmen. Bei rascher Progression ist auch bei anhaltend normalen Tumormarkern primär eine Polychemotherapie analog den Marker-positiven Stadien empfohlen.

Für marker-negative Nichtseminome im Stadium II mit geringer Dynamik soll eine primäre RLA erwogen werden, da in bis zu 20% ein reifzelliges Teratom vorliegen könnte. Die RLA sollte in einem erfahrenen Zentrum vorgenommen werden. Falls die histologische Aufarbeitung den Nachweis von nichtseminomatösem Keimzelltumor ergibt, sollte eine adjuvante Chemotherapie mit 1-2 Zyklen BEP erfolgen.

Anders als beim Seminom müssen beim Nicht-Seminom sämtliche Restbefunde mit einer Grösse von > 1 cm nach Abschluss der Chemotherapie reseziert werden. Dabei finden sich in etwa 50-60% nur Nekrose, jedoch in 30-40% Teratom und in weniger als 10% noch vitale nicht-seminomatöse Tumoranteile. In diesem Fall sollte das Prozedere mit einem spezialisierten Zentrum besprochen werden.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Alexandros Papachristofilou

Radioonkologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

Prof. Dr. med. Richard Cathomas

Onkologie/Hämatologie
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur

richard.cathomas@ksgr.ch

Die Autoren haben keinen Interessenskonflikt
in Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Bei den Keimzelltumoren des Hodens im Stadium II handelt es sich um eine meist kurativ behandelbare Erkrankung.
◆ Es ist entscheidend, die Fallstricke zu kennen, um einerseits unnötige Übertherapie mit entsprechender Morbidität zu vermeiden und andererseits Untertherapie mit der Gefahr der erhöhten Mortalität zu verhindern.
◆ Bei unklaren Situationen empfiehlt sich immer die Kontaktaufnahme mit einer Spezialistin oder einem Spezialisten zur Besprechung des weiteren Prozederes.

1. Bundesamt für Statistik. (2022). Krebs, Neuerkrankungen und Sterbefälle: Anzahl, Raten, Medianalter und Risiko pro Krebslokalisation. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/krankheiten/krebs/spezifische.assetdetail.23566677.html
2. Rothermundt, C., Thurneysen, C., Cathomas, R., Müller, B., Mingrone, W., Hirschi-Blickenstorfer, A., Wehrhahn, T., Ruf, C., Rothschild, S., Seifert, B., Terbuch, A., Grassmugg, T., Woelky, R., Fankhauser, C., Kunit, T., Fischer, N., Inauen, R., Kamradt, J., Ziegler, K., … Gillessen, S. (2018). Baseline characteristics and patterns of care in testicular cancer patients: first data from the Swiss Austrian German Testicular Cancer Cohort Study (SAG TCCS). Swiss Medical Weekly, 148(July), w14640. https://doi.org/10.4414/smw.2018.14640
3. Dieckmann, K. P., Radtke, A., Geczi, L., Matthies, C., Anheuser, P., Eckardt, U., Sommer, J., Zengerling, F., Trenti, E., Pichler, R., Belz, H., Zastrow, S., Winter, A., Melchior, S., Hammel, J., Kranz, J., Bolten, M., Krege, S., Haben, B., … Belge, G. (2019). Serum Levels of MicroRNA-371a-3p (M371 Test) as a new biomarker of testicular germ cell tumors: Results of a prospective multicentric study. Journal of Clinical Oncology, 37(16), 1412–1423. https://doi.org/10.1200/JCO.18.01480
4. Honecker, F., Aparicio, J., Berney, D., Beyer, J., Bokemeyer, C., Cathomas, R., Clarke, N., Cohn-Cedermark, G., Daugaard, G., Dieckmann, K.-P., Fizazi, K., Fosså, S., Germa-Lluch, J. R., Giannatempo, P., Gietema, J. A., Gillessen, S., Haugnes, H. S., Heidenreich, A., Hemminki, K., Horwich, A. (2018). ESMO Consensus Conference on testicular germ cell cancer: diagnosis, treatment and follow-up. Annals of Oncology : Official Journal of the European Society for Medical Oncology, 29(8), 1658–1686. https://doi.org/10.1093/annonc/mdy217
5. Cathomas, R., Klingbiel, D., Bernard, B., Lorch, A., Garcia Del Muro, X., Morelli, F., De Giorgi, U., Fedyanin, M., Oing, C., Haugnes, H. S., Hentrich, M., Fankhauser, C., Gillessen, S., & Beyer, J. (2018). Questioning the Value of Fluorodeoxyglucose Positron Emission Tomography for Residual Lesions After Chemotherapy for Metastatic Seminoma: Results of an International Global Germ Cell Cancer Group Registry. Journal of Clinical Oncology : Official Journal of the American Society of Clinical Oncology, JCO1800210. https://doi.org/10.1200/JCO.18.00210
6. Alsyouf, M., & Daneshmand, S. (2023). Retroperitoneal Lymph Node Dissection Should Be a Standard-of-Care Treatment Option For Stage II Seminoma. European Urology Open Science, 49, 67–68. https://doi.org/10.1016/j.euros.2022.10.021
7. Albers, P., Lusch, A., Che, Y., Arsov, C., Niegisch, G., & Hiester, A. (2022). The PRIMETEST trial: Prospective phase II trial of primary retroperitoneal lymph node dissection (RPLND) in stage II A/B patients with seminoma. Journal of Clinical Oncology, 40(6_suppl), 420. https://doi.org/10.1200/JCO.2022.40.6_suppl.420
8. Daneshmand, S., Cary, C., Masterson, T. A., Einhorn, L., Boorjian, S. A., Kollmannsberger, C. K., Schuckman, A. K., So, A., Black, P. C., Bagrodia, A., Skinner, E. C., Alemozaffar, M., Brand, T. C., Eggener, S. E., Pierorazio, P. M., Stratton, K. L., Nappi, L., Nichols, C. R., & Hu, B. (2021). SEMS trial: Result of a prospective, multi-institutional phase II clinical trial of surgery in early metastatic seminoma. Journal of Clinical Oncology, 39(6_suppl), 375. https://doi.org/10.1200/JCO.2021.39.6_suppl.375
9. Loriot, Y., Texier, M., Culine, S., Fléchon, A., Thiery-Vuillemin, A., Gravis, G., Geoffrois, L., Chevreau, C., Gross-Goupil, M., Barthelemy, P., Bompas, E., Mahammedi, H., Laguerre, B., Lacourtoisie, S. A., Helissey, C., Ladoire, S., Abraham, C., Massard, C., Grimaldi, S., & Fizazi, K. (2022). The GETUG SEMITEP Trial: De-escalating Chemotherapy in Good-prognosis Seminoma Based on Fluorodeoxyglucose Positron Emission Tomography/Computed Tomography. European Urology, xxxx, 1–8. https://doi.org/10.1016/j.eururo.2022.04.031
10. Papachristofilou, A., Bedke, J., Hayoz, S., Schratzenstaller, U., Pless, M., Hentrich, M., Krege, S., Lorch, A., Aebersold, D. M., Putora, P. M., Berthold, D. R., Zihler, D., Zengerling, F., Dieing, A., Mueller, A. C., Schaer, C., Biaggi, C., Gillessen, S., & Cathomas, R. (2022). Single-dose carboplatin followed by involved-node radiotherapy for stage IIA and stage IIB seminoma (SAKK 01/10): a single-arm, multicentre, phase 2 trial. The Lancet Oncology, 23(11), 1441–1450. https://doi.org/10.1016/S1470-2045(22)00564-2

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Lokales Rezidiv nach brusterhaltender Therapie bei Patientinnen mit mehrfachem ipsilateralem Brustkrebs: Resultate der ACOSO Z11102 (Alliance) Studie

Quelle: Boughey JC et al. Local Recurrence After Breast-Conserving Therapy in Patients With Multiple Ipsilateral Breast Cancer: Results From ACOSOG Z11102 (Alliance). DOI: 10.1200/JCO.22.02553 Journal of Clinical Oncology.

Die brusterhaltende Therapie (BCT) ist die bevorzugte Behandlung bei unifokalem Brustkrebs (BC). Die onkologische Sicherheit der BCT bei multiplem ipsilateralem Brustkrebs (MIBC) wurde bisher nicht in einer prospektiven Studie nachgewiesen. ACOSOG Z11102 (Alliance) ist eine einarmige, prospektive Phase-II-Studie in der untersucht wurde, ob die Lokalrezidivrate (LR) bei brusterhaltender Chirurgie mit anschliessender Ganzbrustbestrahlung mit Bestrahlungsboost an den Lumpektomiestellen nach 5 Jahren <8% beträgt.

Experimentelles

Infrage kamen Frauen im Alter von 40 Jahren und älter mit zwei bis drei Herden eines bioptisch nachgewiesenen cN0-1 BC. Die Patientinnen wurden einer Lumpektomie mit negativen Rändern unterzogen, gefolgt von einer Ganzbrustbestrahlung mit Boost auf alle Lumpektomiebetten. Der primäre Endpunkt war die kumulative Inzidenz des Lokalrezidivs (LR) nach 5 Jahren mit einer a priori Rate der klinischen Akzeptanz von <8%.

Resultate

Von 270 Frauen, die zwischen November 2012 und August 2016 in die Studie aufgenommen wurden, unterzogen sich 204 Patientinnen einer protokollgesteuerten BCT. Das mediane Alter lag bei 61 Jahren (Spanne: 40-87 Jahre). Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 66,4 Monaten (Bereich, 1,3-90,6 Monate) entwickelten sechs Patientinnen eine LR, was einer geschätzten kumulativen 5-Jahres-Inzidenz von LR von 3,1 % (95 % CI, 1,3 bis 6,4) entspricht. Das Alter der Patientin, die Anzahl der Stellen, an denen präoperativ durch Biopsie BC nachgewiesen wurde, der Östrogenrezeptorstatus und der Status des humanen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors 2 sowie die pathologischen T- und N-Kategorien waren nicht mit dem LR-Risiko verbunden. Eine explorative Analyse zeigte, dass die 5-Jahres-LR-Rate bei Patientinnen ohne präoperative Magnetresonanztomographie (MRT; n = 15) 22,6 % betrug, verglichen mit 1,7 % bei Patientinnen mit einer präoperativen MRT (n = 189; P = .002).

Schlussfolgerung

Die klinische Studie Z11102 zeigt, dass eine brusterhaltende Operation mit adjuvanter Bestrahlung, bei der auch die Lumpektomiestellen geboostet werden, eine akzeptabel niedrige 5-Jahres-LR-Rate für MIBC ergibt. Diese Erkenntnisse unterstützen die BCT als sinnvolle chirurgische Option für Frauen mit zwei bis drei ipsilateralen Herden, insbesondere bei Patientinnen, deren Erkrankung mit einem präoperativen Brust-MRT untersucht wurde. Diese positive Haltung als Alternative zur Mastektomie wurde bereits an der SGBCC & Consensus 2021 sichtbar, im Expertenpanel mit 58%, wenn das Lokalrezidiv nach > 5 Jahren aufgetreten ist, und generell bei low risk features mit 77%. Ob die anschliessende Bestrahlung eine notwendige Voraussetzung für einen nochmaligen Versuch eines brusterhaltenden Vorgehens ist, blieb bestritten und damit unklar: 44% ja versus 44% nein. Jetzt, zwei Jahre später, waren die Ergebnisse am Consensus ganz ähnlich. Als entscheidendes Kriterium für oder gegen eine Mastektomie hat sich das krankheitsfreie Intervall herausgebildet. Die Wiederbestrahlung, falls möglich, war die «preferred option».

Kommentar

Eine recht häufige Situation: Auch hier hat sich im Laufe der Zeit viel getan in Richtung De-eskalation, weg von radikaler Chirurgie.

Der St. Gallen Consensus hat in Absenz diese Policy schon länger adoptiert, gut gibt es jetzt Level 1 Evidenz.

Wenn man so vorgehen will, scheint es ratsam, ein präopera­tives MRI durchzuführen. Es ist aber umstritten, ob dies wirklich nötig ist. Oder sogar schadet, wenn man dann zum Schluss kommt, trotzdem eine Mastektomie durchzuführen. Ob es dafür jemals eine Studie geben wird?

Mammographie-Screening in der Routinepraxis: Multisite-Studie zur digitalen Brust-Tomosynthese und zum digitalen Mammographie-Screening

Quelle: Conant EF et al. Mammographic Screening in Routine Practice: Multisite Study of Digital Breast Tomosynthesis and Digital Mammography Screenings. Radiology 2023; 000:e221571.

Der Einsatz der digitalen Brust-Tomosynthese (DBT) nimmt gegenüber der digitalen Mammographie (DM) zu, nachdem Studien niedrigere Rückfallraten (RRs) und höhere Krebsentdeckungsraten (CDRs) gezeigt haben. Die uneinheitliche Interpretation der Evidenz zu Risiken und Nutzen der Mammographie hat jedoch zu unterschiedlichen Empfehlungen für das Mammographie-Screening geführt.

Das Ziel einer kürzlich publizierten Studie war die Evaluierung der Screening-Ergebnisse von Frauen in den Vereinigten Staaten, die sich einem routinemässigen DM- oder DBT-Mammographie-Screening unterzogen haben.

Experimentelles

Diese retrospektive Kohortenstudie umfasste Frauen im Alter von 40-79 Jahren, die zwischen Januar 2014 und Dezember 2020 unterzogen wurden. Die Ergebnisse der RR, CDR, des positiven prädiktiven Werts des Recalls (PPV1), der Biopsierate und des positiven Vorhersagewerts der Biopsie (PPV3) wurden zwischen DM und DBT mit Hilfe von angepassten multivariablen logistischen Regressionsmodellen verglichen.

Resultate

Insgesamt wurden 2’528’063 Screening-Mammogramme von 1’100’447 Frauen (Durchschnittsalter 57 Jahre ± 10 [SD]) einbezogen. In rohen Analysen zeigte die DBT (1’693’727 Screening-Mammogramme vs. 834’336 DM-Screening-Mammogramme) eine niedrigere RR (10,3% [95% CI: 10.3, 10.4] für DM vs. 8.9% [95% CI: 8.9, 9.0] für DBT; P < .001) und eine höhere CDR (4.5 von 1000 Screening-Mammogrammen [95% CI: 4.3, 4.6] vs. 5.3 von 1000 [95% CI: 5.2, 5.5]; P < .001), PPV1 (4.3% [95% CI: 4.2, 4.5] vs. 5.9% [95% CI: 5.7, 6,0]; p < .001) und Biopsieraten (14,5 von 1000 Screening-Mammographien [95% CI: 14,2, 14,7] vs. 17,6 von 1000 [95% CI: 17,4, 17.8]; P < .001). PPV3 war zwischen den Kohorten ähnlich (30,0% [95% CI: 29,2, 30,9] für DM vs. 29,3% [95% CI: 28,7, 29,9] für DBT; P = .16). Nach Anpassung für Alter, Brustdichte, Ort und Indexjahr blieben die Assoziationen in Bezug auf die statistische Bedeutung stabil.

Schlussfolgerung

Frauen, die sich der digitalen Brust-Tomosynthese unterzogen, hatten bessere Ergebnisse bei der Screening-Mammographie als Frauen, die sich einer digitalen Mammographie unterzogen.

Kommentar

Eine sehr aussagekräftige Multizenter-Studie zu einem viel diskutierten Thema. Die robusten Resultate basieren auf mehr als 2,5 Mio. Digitalmammographien oder Tomosynthesen von 1,1 Mio Frauen. Zunehmend wird Tomosynthese verwendet, da diese Geräte auch hilfreich bei der Abklärung sein können. Diese bestätigende Studie ist wertvoll, weil sie den Stellenwert mit der Überlegenheit der neuen Technologie zeigt, die offenbar ohnehin mit dem Umtausch der Geräte «automatisch» stattfindet.

Die Studie zeigt aber auch, dass ernstgemeinte Qualitäts­analysen bei der Screeningmammographie nur in grossen organisierten Programmen möglich sind. Von Experten im UK wird die Grösse dafür mit mindestens 1 Mio. Einwohnern angegeben.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

More Than 2% of Circulating Tumor Plasma Cells Defines Plasma Cell Leukemia–Like Multiple Myeloma

Tomas Jelinek, et al J Clin Oncol 2023 41:1383-1392. doi: 10.1200/JCO.22.01226.

Das Plasmazellmyelom (PZM) ist ein Tumor, der für die klonale Evolution paradigmatisch ist. Dies, weil die vom PZM produzierten Paraproteine gemessen und in ihrem Verlauf beobachtet werden können. Die Entwicklung geht von einer MGUS über das asymptomatische Myelom (smoldering myeloma), dem symptomatischen Myelom bis zur aggressivsten Form, dem extramedullären Befall oder der Plasmazell-Leukämie.
Diese Studie untersucht die Entwicklung zu einem Hochrisiko-Myelom über kleine Mengen zirkulierender Tumorzellen (CTC).

Die Studienleiter schlossen 395 neu diagnostizierte Patienten ein, die nicht für eine Stammzelltransplantation vorgesehen waren, und massen mittels Multiparameter-Durchflusszytometrie die CTC, mit dem Ziel einen Grenzwert zu finden, welcher eine Hochrisiko-Myelomform definiert.

Der Grenzwert von 2% CTC trennt die Population in PFS (3.1 vs. 15.6 Monate; P<0.001) und Gesamtüberleben (14.6 vs 33.6 Monate; P<0.023). Der 2% Grenzwert wurde in einer zweiten Kohorte und in einer für die Transplantation vorgesehenen Kohorte validiert. Der Verlauf der Patienten mit <2% CTC war mit denen vergleichbar, die an Plasmazell-Leukämie erkrankt waren.

Die Autoren schliessen, dass Patienten mit >2% CTC einen Plasmazell-Leukämie ähnlichen-Phänotyp aufweisen.

Therapeutic value of first versus supplemental indications of drugs in US and Europe (2011-20): retrospective cohort study

Kerstin N Vokinger et al. British Medical Journal 2023;382:e074166

In den USA und in Europa werden laufend neue Medikamente zugelassen, viele davon im Krebsbereich. Da diese Medikamente im Allgemeinen teuer sind, ist es von grosser Wichtigkeit zu beurteilen, wie hoch die Wirksamkeit dieser Medikamente ist. Auch wenn es im Einzelfall kompliziert ist, Indikation für Indikation und Medikament für Medikament den Nutzen zu beurteilen, lohnt sich doch der Helikopterblick über alle Zulassungen hinweg. Hoher therapeutischer Nutzen ist hier definiert als verbesserter Gesundheitszustand, verkürzte Krankheitsdauer, verlängertes Überleben, Reduktion von Nebenwirkungen und Verbesserung in der Lebensqualität im Vergleich zu herkömmlicher Therapie, beurteilt durch Health Technology Assessment (HTA) Organisationen in Frankreich und Deutschland.

Viele Medikamente werden für eine Indikation zugelassen und erfahren in der Folge eine Indikationenausweitung. Somit kann der therapeutische Nutzen der Erstzulassung mit den Folgezulassungen verglichen werden.

In dieser Studie aus Zürich wurden Erst- und Folgezulassungen durch die US Food and Drug Administration (FDA) and European Medicines Agency (EMA) von 2011 bis 2020 verglichen und der Prozentsatz von Indikationen mit hohem therapeutischen Nutzen der Folgeindikation wurde dem Prozentsatz mit hohem therapeutischen Nutzen der Erstindikation gegenübergestellt.

Es wurden 124 Erst- und 335 Folgeindikationen (FDA) und 88 Erst- und 215 Folgeindikationen (EMA) eingeschlossen, etwas weniger als die Hälfte für Krebserkrankungen, bei den Zusatzindikationen waren 62% Indikationen für die Behandlung von Krebserkrankungen.

Der therapeutische Nutzen konnte für 107 (86%) Erst- und 179 (53%) Folgeindikationen in der USA und für 87 (99%) Erst- und 184 (86%) Folgeindikationen in Europa ausgewertet werden.

In den USA hatten 41% (44/107) der Erstindikationen eine hohe therapeutische Nutzenbeurteilung sowie 34% (61/179) der Folgeindikationen. In Europa hatten 47% (41/87) der Erstindikationen eine hohe therapeutische Nutzenbeurteilung und 36% (67/184) der Folgeindikationen.
Das relative Risiko eines hohen therapeutischen Nutzens betrug in der USA bei der Zweitindikation 0.64, (0.43 – 0.96) und der Drittzulassung 0.55 (0.29- 1.01) im Vergleich zur Erstzulassung.

Die Autoren kommen zum Schluss, dass das Verhältnis an Zulassungen mit hohem therapeutischen Nutzen von der Erstzulassung zu Folgezulassungen abfällt.

Kommentar

Angesichts der hohen Kosten für das Sozialversicherungssystem durch neue Medikamente ist zu fordern, dass diese Medikamente in einem hohen Masse als Medikamente mit hohem therapeutischen Nutzen beurteilt werden. Die Preise vieler Neuentwicklungen sind so hoch, dass sich die Patienten die Kosten dieser Medikamente nie leisten könnten, müssten sie vom Patienten selbst getragen werden. Die hohen Kosten werden somit von der Allgemeinheit getragen und die hat ein Recht zu fordern, dass die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum therapeutischen Zusatznutzen der Neuentwicklung stehen.

Pirtobrutinib after a Covalent BTK Inhibitor in Chronic Lymphocytic Leukemia

A.R. Mato, J.A. Woyach, et al. N Engl J Med 2023;389:33-44.

Die Behandlung der B-Zell chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) oder der SLL (small lymphocytic lymphoma, dem Aequivalent dieser Erkrankung, bei Patienten ohne im Blut zirkulierenden Tumorzellen) mittels Bruton Tyrosin Kinase (BTK) Inhibitoren hat die Therapie der CLL revolutioniert. In der Schweiz sind Ibrutinib, Acalabrutinib und Zanubrutinib zugelassen. Dies sind kovalent bindende BTK-Inhibitoren, welche über eine Bindung an ein Cystein in der ATG bindenden Tasche der Bruton Kinase funktionieren. Die Wirkung dieser Behandlung hält in der zweiten und dritten Behandlungslinie mehrere Jahre an, länger, wenn in der ersten Behandlungslinie eingesetzt, aber ein Teil der Patienten wird im Verlauf resistent. Resistenzmechanismen beeinträchtigen häufig diese Bindung und über die Mutation in der BTK verlieren die Medikamente ihre Wirkung.
Pirtobrutinib ist ein selektiver nicht kovalent bindender BTK-Inhibitor, der diese Bindungsstellen nicht verwendet und somit BTK über einen anderen Mechanismus inhibieren kann.

Dies ist eine Phase 1-2 Studie mit Patienten mit rezidivierter oder refraktärer B-Zell CLL oder SLL, nach vorangegangener Behandlung mit einem kovalent bindenden BTK-Inhibitor.

Von den 317 Patienten mit CLL oder SLL (247 Patienten und einer BTK-Inhibitor Vorbehandlung), mit median 3 Behandlungslinien hatten 100 Patienten auch eine Vorbehandlung mit dem BCL2-Inhibitor Venetoclax.

Ein Ansprechen auf Pirtobrutinib wurde in 73% der Patienten beobachtet, einschliesslich der partiellen Remissionen war die Ansprechrate 82%. Das mediane progressionsfreie Überleben war 19.6 Monate. Nebenwirkungen waren Infektionen, Blutungen und Neutropenie und führten zu einem Therapiestopp bei 9 Patienten.

Kommentar

Die BTK ist Teil des B-Zell Signaltransduktionsweges bei gesunden B-Zellen aber auch bei Zellen der CLL. Die Hemmung der BTK hat einer neuen Substanzklasse den Weg geöffnet. Bei Resistenz auf BTK-Inhibitoren können BCL2-Inhibitoren eingesetzt werden. BTK und BCL2-Inhibitoren sind wesentlich weniger toxisch und besser verträglich als die ältere Chemo-Immunotherapie. Pirtobrutinib ist nun eine neue Art von BTK-Inhibitor, der auch bei Resistenz auf «konventionelle» BTK-Inhibitoren wirksam zu sein scheint.

Base-Edited CAR7 T Cells for Relapsed T-Cell Acute Lymphoblastic Leukemia

Robert Chiesa, et al. for the Base-Edited CAR T Group. N Engl J Med . 2023 Jun 14. doi: 10.1056/NEJMoa2300709.

Mittels der CRISPR-Technologie können DNA-Basen verändert werden ohne DNA-Brüche zu verursachen. CAR-T-Zellen sind erfolgreich in Anwendung gegen Tumore der B-Zell-Reihe (Lymphome, Myelome, B-akute lymphoblastäre Leukämie (B-ALL)), die Schwierigkeit bei T-Zell-Tumoren ist aber die gegenseitige Blockade der CAR-T-Zellen, auch Fratrizid genannt.

Die Autoren haben gegen CD7, ein T-Zell Marker, gerichtete spezifische CAR-T-Zellen hergestellt. Mittels der CRISPR-Technologie haben sie 3 Gene inaktiviert: a) CD7 b) CD52, und c) die beta Kette des T-Zell-Rezeptors um a) Fratrizid b) die Toxizität der lymphodepletierenden Serotherapie und c) mögliche Graft versus Host Erkrankung (GvHD) zu vermeiden bei der Anwendung von diesen allogenen von gesunden Spendern stammenden universellen, «of the shelf» CD7 spezifischen CAR-T-Zellen (BE-CAR7).

Es wurden 3 Patienten mit T-Zell ALL behandelt, sie erhielten eine lymphodepletierende Therapie mit Fludarabine + Cyclophosphamide + Campath (einem CD52 gerichteten monoklonalen Antikörper) gefolgt von BE-CAR7 Infusion von gesunden Spendern, in einer Dosis von 0.2 bis 2.0×106 BE-CAR7 T Zellen /kg (bis zu einem Maximum von 5×104 /kg ab-TCR positiven T-Zellen, der Schwellendosis für die Verursachung einer GvHD).
Die Hauptnebenwirkung waren die bekannten Zytokinfreisetzungssyndrome sowie die Panzytopenie, Eine Wirkung wurde bei allen 3 Patienten beobachtet, einer verstarb in der Folge an einer Pilzinfektion, 2 Patienten wurden nach Ansprechen mit einer allogenen Stammzelltransplantation behandelt, was somit keine Aussagen über die Langzeitwirkung der BE-CAR7-Zellen erlaubt.

Kommentar

Diese preliminären Resultate verdienen sich die Publikation im New England Journal of Medicine auf Grund der a) Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten mit CAR-T-Zellen auf Tumore der T-Zell Reihe, b) der Erweiterung der Anwendung dieser Technologie von einem individuellen mit patienteneigenen T-Zellen hergestellten Therapieverfahren auf einen universelleren Zugang mit allogenen CAR-T Zellen und c) hauptsächlich über die Technologie der DNA-Basen Editierung, welche erlaubt, den Fratrizid zu vermeiden, gleichzeitig die CAR-T-Zellen vor serologischer Lymphodepletion zu schützen und die Gefahr der GvHD durch allogene CAR-T-Zellen zu verringern. Es ist offensichtlich, dass es weitere und ausführlichere Studien braucht, bevor mehr ausgesagt werden kann.

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch

SWISSMEDIC INFO

Public Summary SwissPAR vom 26.05.2023

Tecvayli® (Wirkstoff: Teclistamab)

Befristete Zulassung in der Schweiz: 22.12.2022
Arzneimittel (Injektionslösung) zur Viertlinien-Behandlung des rezidivierenden und refraktären multiplen Myeloms bei Erwachsenen

Über das Arzneimittel

Das Arzneimittel Tecvayli mit dem Wirkstoff Teclistamab wird zur Behandlung des multiplen Myeloms («Knochenmarkkrebs») bei Erwachsenen eingesetzt, die mindestens drei vorausgegangene Behandlungsphasen durchlaufen haben, einschliesslich der Behandlung mit Medikamenten der drei Standardtherapieklassen, und deren Erkrankung nach der letzten Behandlungsphase ein Fortschreiten gezeigt hat.

Das multiple Myelom (MM) ist eine seltene Krebsart, welche etwa 1-2 Prozent aller Krebserkrankungen ausmacht. Die Häufigkeit der Neuerkrankungen mit MM nimmt mit dem Alter zu. Zwei Drittel der neuerkrankten Personen sind über 65 Jahre alt. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine übermässige Vermehrung der Plasmazellen. Plasmazellen sind eine Unterart der weissen Blutkörperchen, welche im körpereigenen Abwehrsystem (Immunsystem) für die Produktion von Antikörpern verantwortlich sind. Im Rahmen des MM vermehren sich Plasmazellen unkontrolliert im Knochenmark und manchmal auch in anderen Organen. Dies verhindert die normale Bildung von Blutzellen und kann Knochen und andere Organe zerstören bzw. in ihrer Funktion beeinträchtigen.

Tecvayli wurde im Rahmen des «Project Orbis» befristet zugelassen. Project Orbis ist ein von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA koordiniertes Programm für vielversprechende Krebsbehandlungen. Es bietet einen Rahmen für die gleichzeitige Einreichung und Prüfung von Krebsmedikamenten durch mehrere internationale Partnerbehörden verschiedener Länder. Damit wird das Ziel verfolgt, Patientinnen und Patienten einen schnelleren Zugang zu innovativen Krebsbehandlungen zu ermöglichen. Zurzeit sind die Zulassungsbehörden von Australien (TGA), Brasilien (ANVISA), Israel (MOH), Kanada (HC), Singapur (HSA), Schweiz (Swissmedic) und dem Vereinigten Königreich (MHRA) im Project Orbis vertreten.

Wirkung

Teclistamab ist ein Antikörper (ein immunologisch wirksames Protein), der sowohl an die Tumorzelle über das sogenannte B Cell Maturation Antigen (BCMA) als auch an den CD3 Rezeptor (Bindungsstelle) auf den T-Zellen (Zellen des Immunsystems) bindet. Dadurch bringt Teclistamab die Tumorzellen mit den T-Zellen zusammen. Dies wiederum aktiviert die T-Zellen, die dann die multiplen Myelom-Zellen abtöten können.

Anwendung

Tecvayli mit dem Wirkstoff Teclistamab ist rezeptpflichtig.

Tecvayli ist als Injektionslösung in der Dosis 30 mg gelöst in 3 ml und 153 mg gelöst in 1.7 ml jeweils in einer Durchstechflasche erhältlich. Tecvayli wird unter die Haut gespritzt. Die Dosierung wird schrittweise auf die Behandlungsdosis erhöht.

Die Anwendung von Tecvayli soll nur unter der Anleitung von ärztlichem Personal mit Erfahrung in der intensivmedizinischen Behandlung der möglicherweise auftretenden unerwünschten Wirkungen erfolgen. Zu Beginn der Therapie mit Tecvayli, und bei Bedarf auch im späteren Verlauf der Behandlung, ist eine stationäre Überwachung während mindestens 48 h nach der Gabe notwendig.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Tecvayli wurde in einer offenen Studie ohne einen Kontrollarm mit 163 MM-Patientinnen und -Patienten nach mindestens drei vorausgegangenen Behandlungsphasen, einschliesslich der Behandlung mit Medikamenten der drei Standardtherapieklassen, untersucht.

Historisch betrachtet haben Patientinnen und Patienten mit rezidivierendem (wiederkehrendem) oder refraktärem (behandlungsresistentem) MM, die bereits mit den drei Standardtherapieklassen vorbehandelt wurden, einen ungünstigen Krankheitsverlauf (schlechte Prognose). Die Gesamtansprechrate (ORR) (1) lag bei ca. 30 %. Das mediane (2) progressionsfreie Überleben (PFS) (3) lag bei ca. 3 bis 6 Monaten und das gesamte Überleben (OS) bei ca. 6 bis 12 Monaten.

Mit Tecvayli erreichte die Studienpopulation eine ORR von knapp 60%. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Zulassung vorliegenden Daten schätzt man das mediane PFS unter Tecvayli auf ca. 10 Monate und das Überleben auf ca. 16 Monate. Allerdings ist die Studie noch nicht abgeschlossen.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken

Tecvayli darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe nicht angewendet werden. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören Zytopenien (4), Infektionen, das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) (5) und unerwünschte neurologische Wirkungen. Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Fachinformation aufgeführt.

Begründung des Zulassungsentscheids

Da es sich beim multiplen Myelom um eine seltene und lebensbedrohende Krankheit handelt, wurde Tecvayli als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet.

Patienten und Patientinnen mit einem rezidivierenden oder refraktären stark vorbehandelten MM haben eine schlechte Prognose. Ein weiterer Behandlungsansatz für diese Personen ist die sogenannte anti-BCMA CAR-T Zell-Therapie. Diese Therapie ist jedoch nicht für alle betroffenen Patientinnen und Patienten einsetzbar. Daher besteht ein grosser Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten.

Die Daten der vorgelegten Studie zeigten eine hohe Ansprechrate unter Tecvayli verglichen zu den historischen Daten. Die Aussagekraft der Ergebnisse zum Überleben ist begrenzt, da die Studiendauer zum Zeitpunkt der Datenbetrachtung noch nicht ausreichend lang war.

Unter Berücksichtigung der Risiken und Vorsichtsmassnahmen und aufgrund der vorliegenden Daten hat Swissmedic das Arzneimittel Tecvayli mit dem Wirkstoff Teclistamab für die Schweiz befristet zugelassen (Art. 9a HMG), da zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht alle klinischen Studien vorliegen oder abgeschlossen waren. Die befristete Zulassung ist zwingend an die zeitgerechte Einreichung der von Swissmedic verlangten Daten gebunden. Nach Erfüllung dieser Zulassungsauflagen kann die befristete Zulassung bei weiterhin positiver Nutzen-Risiko-Beurteilung der Resultate in eine ordentliche Zulassung umgewandelt werden.

Weitere Informationen zum Arzneimittel

Information für medizinisches Fachpersonal: Fachinformation
Tecvayli® auf www.swissmedicinfo.ch
Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.

(1) ORR (objective response rate) ist definiert als prozentualer Anteil von Patientinnen und Patienten mit Ansprechen auf die Therapie.

(2) Median: Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentralwert. Die eine Hälfte aller Daten ist immer kleiner, die andere grösser als der Median.

(3) PFS: Progressionsfreies Überleben (PFS, progression-free survival): Zeitspanne zwischen dem Start einer Behandlung oder einer klinischen Studie und dem Beginn des Fortschreitens der Krankheit oder dem Tod der Patientin oder des Patienten.

(4) Zytopenie: Verminderung der Anzahl der Zellen im Blut.

(5) Zytokin-Freisetzungssyndrom ist eine systemischen Entzündungsreaktion aufgrund massiver Ausschüttung von Zytokinen (Eiweisse), die die weissen Blutkörperchen aktivieren.

Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Public Summary SwissPAR ein.
In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirkung oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.

Neuzulassungen

«Prävention und Früherkennung» im Krebsbereich

Als Resultat zum erfolgreich durchgeführten Netzwerkanlass vom 22. März 2023 mit rund 100 Repräsentant:innen von Krebsfrüherkennungsprogrammen, Gesundheitsbehörden, Bund, Krankenversicherungen, Patientenorganisationen, Krebsregister, Universitäten, Haus- und spezialisierten Ärzt:innen, Pflege, Krebs-Nachsorge-Organisationen, Industrie und Vertreter:innen von Public Health, publiziert Oncosuisse die von den Expert:innen erarbeiteten Handlungsempfehlungen zu «Prävention und Früherkennung» im Krebsbereich. Die an diesen Workshops erarbeiteten Resultate und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden nun im Bericht «Handlungsempfehlungen für die Schweizer Krebsversorgung zum Thema «Prävention und Früherkennung» festgehalten.

Inhaltlich wurden die 3 Gebiete der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention behandelt und unter den Akteur:innen diskutiert. Fragestellungen wie beispielsweise der aktuelle Stellenwert von Tabak als Hauptrisikofaktor bei Krebs in unserer Gesellschaft; wie kann das Potential von Bewegungs- und Ernährungsangeboten optimal genutzt werden oder wo steht die Schweiz beim «europäischen Kodex zur Krebsbekämpfung hinsichtlich UV-Strahlen, Radon und weiteren Umwelteinflüssen wurden diskutiert.

Der Bereich der sekundären Prävention / Screening setzte den Fokus auf eine koordinierte, zugangsgerechte, nationale Krebsfrüherkennung und beschäftigte sich mit der Frage, ob Fortschritte durch neue Screening-Programme erzielt werden können.

Im Bereich der tertiären Krebs-Prävention stellte das Thema der Krebsnachsorge und die Frage, ob genügend Angebote vorhanden sind und ob deren Vernetzung gewährleistet ist, den Schwerpunkt.

Ausblick

Der Inhalt dieses Berichts wird zusammen mit den anderen Berichten der 3 weiteren Themenplattformen in den Oncosuisse «Masterplan 2030» einfliessen. Der nächste Oncosuisse Netzwerkanlass ist wie folgt geplant:
18. September 2023 – Themenplattform «Forschung»

Die publizierten Berichte sind einsehbar unter:
www.oncosuisse.ch/berichte-themenplattformen

Geschäftsstelle Oncosuisse – info@oncosuisse.ch

Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger